ADAC Motorwelt November 2019
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TITELTHEMA<br />
Sechs Monate Haft: Fahren ohne Fahrerlaubnis und ein<br />
gefälschter Führerschein – zum wiederholten Male. Deshalb<br />
wurde dieser Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe verurteilt<br />
Nach einer Stunde Verhandlung fordert<br />
die Staatsanwältin eine Gesamtfreiheitsstrafe<br />
von sieben Monaten. Die Verteidigung<br />
hält sechs Monate und zwei Wochen<br />
für angemessen. Dem schließt sich<br />
Richterin Sedlmayr in ihrem Urteil an.<br />
„Fahren ohne Fahrerlaubnis ist kein Kavaliersdelikt,<br />
vor allem bei einem Wiederholungstäter<br />
wie Ihnen“, sagt sie dem<br />
Anklagten. „Aber der Hauptgrund für die<br />
hohe Freiheitsstrafe ist die Urkundenfälschung.“<br />
Sie hoffe, ihr Urteil habe Signalwirkung.<br />
„Kein Rechtssystem duldet,<br />
wenn man sich nicht an die Regeln hält“,<br />
gibt sie ihm mit auf den Weg.<br />
Teure Wahrheit: 1800 € Streitwert,<br />
Gutachten für fast 3000 €<br />
So oft stehen Autofahrer vor Gericht<br />
Jeden Tag werden in Deutschland Verkehrssachen verhandelt. An den Gerichten geht es<br />
um Strafverfahren (zum Beispiel Unfallflucht, Alkohol am Steuer), Ordnungswidrigkeiten-<br />
Verfahren (häufig Geschwindigkeits- und Handy-Verstöße) sowie Zivilverfahren (in der<br />
Regel Streitigkeiten nach Unfällen). Die <strong>Motorwelt</strong> hat bei den Justizministerien aller<br />
Bundesländer nachgefragt. Folgende Zahlen wurden für das Jahr 2018 angegeben:<br />
Bundesland Strafverfahren Ordnungswidrigkeiten Zivilverfahren<br />
Baden-Württemberg 14.022 38.157 20.218<br />
Bayern 16.391 49.636 29.023<br />
Berlin 15.377 54.500 10.157<br />
Brandenburg 4.235 21.287 2.697<br />
Bremen 815 3.642 1.235<br />
Hamburg 2.420 6.043 3.226<br />
Hessen 8.014 28.524 10.599<br />
Mecklenburg-Vorpommern 2.068 9.477 1.594<br />
Niedersachsen 9.077 31.055 12.773<br />
Nordrhein-Westfalen 27.462 78.289 36.595<br />
Rheinland-Pfalz 5.011 20.299 7.783<br />
Saarland 2.034 3.565 2.967<br />
Sachsen-Anhalt keine Angabe keine Angabe keine Angabe<br />
Sachsen 5.325 14.214 6.530<br />
Schleswig-Holstein 2.101 7.316 3.812<br />
Thüringen 3.271 11.108 2.616<br />
Ortswechsel. Ein anderes Gebäude des<br />
Münchner Amtsgerichts. Im Sitzungssaal<br />
C 143 geht es um Zivilsachen, meistens<br />
Unfälle. Hier klagen Privatleute gegen<br />
Privatleute beziehungsweise die gegnerische<br />
Versicherung. Richter Saxinger<br />
kennt den Sachverhalt nach dem Aktenstudium<br />
schon sehr gut, heute geht es um<br />
die Beweisaufnahme. Wer hat den Unfall<br />
verschuldet und wer muss wie viel für die<br />
Schäden zahlen? Der Fall: Ein Mann steigt<br />
aus dem Lieferwagen seines Schwagers,<br />
eine Koreanerin fährt mit einem Mietwagen<br />
an die geöffnete Fahrertür. Strittig:<br />
Wie lange und wie weit war die Tür offen,<br />
konnte die Fahrerin noch ausweichen,<br />
hat sie den nötigen Abstand gehalten?<br />
Streitwert: 1800 Euro. Die Hälfte zahlt<br />
die Versicherung der Mietwagenfirma,<br />
aber das reicht dem Eigentümer des Lieferwagens<br />
nicht. Er will alles. Richter Saxinger<br />
hört den Gutachter, befragt Zeugen,<br />
Anwälte und den Kläger. Auf eine<br />
Befragung der Koreanerin durch einen<br />
Richter in ihrer Heimat verzichten alle.<br />
Auch so ist der finanzielle Aufwand für<br />
das Verfahren deutlich höher als der<br />
Streitwert. Allein das schriftliche Gutachten<br />
hat 2866 € gekostet. Die Suche nach<br />
der Wahrheit kann teuer sein. Die Beweisaufnahme<br />
ist abgeschlossen. Richter<br />
Saxinger wird die Klage abweisen, W<br />
14 <strong>ADAC</strong> motorwelt 11/<strong>2019</strong>