Einer, zu dem man aufschaut: Mit seiner Agentur fördert RAF Camora junge Künstler.
«Würde ich mich heute als jungen Künstler ent decken, würde ich mich in zwei Jahren zum Superstar machen.» Erzähl von dieser Phase. 2012 hatte ich ein Hoch. Ich hab 20.000 Platten verkauft, hatte kurz danach ein Nummer-1-Album. Aber alles, was danach kam, waren Projekte, hinter denen ich nicht stand. Aber ich dachte, ich müsste sie machen. Ich war auch viel unerfahrener, hatte noch nicht meine Intuition von heute. Eines Tages bin ich aufgewacht, hab mein Handy genommen und mich gegoogelt. Ich hab mir die Bilder angeschaut und mir gedacht: Das bin ich nicht. In diese Situation werde ich nie wieder kommen. Wie bist du damals wieder rausgekommen? Ich hab meinem Manager gesagt: Sag alles ab. Ich muss mich finden. Danach kam eine Tiefphase, ich hatte nur noch 200 Euro, Stress mit dem Finanzamt. Da habe ich gemerkt: Die Musikwelt ändert sich, und ich bin vom alten Eisen. Cloudrap wurde plötzlich gross, Instagram und Streaming wurden immer wichtiger. Mir war klar, wenn ich da weiter dazugehören will, muss ich üben. Wie ein Boxer. Ich war jeden Tag im Studio. Ich hab bestimmt 50 bis 100 Songs aufgenommen, von denen die Hälfte nie rausgekommen ist. Ich hab gearbeitet wie ein Tier, an meinem Flow, an meiner Technik. Damit hast du RAF Camora wiederbelebt, Ende 2020 wird es ihn endgültig nicht mehr geben. Was bringt dein neues Leben? Es gibt auch noch andere Ziele, eine Familie zum Beispiel. Vielleicht komm ich da mal weiter. Vielleicht kann ich das Leben, das ich jetzt führe, mal abschliessen. Und schlaf nicht mehr jede Nacht im Hotel und in einer anderen Stadt. Du hattest im Leben immer wieder Einschnitte, bist mit fünfzehn nach Marseille gegangen, lebst seit zwölf Jahren in Berlin. Jetzt begräbst du RAF Camora. Brauchst du die Neuanfänge? Ja, sehr. Ich muss mich immer wieder häuten. Sonst hab ich das Gefühl, stecken zu bleiben. Wenn ich etwas Neues mache, hab ich das Gefühl, ich will den Himmel aufbrechen. Als gebe es keine Grenzen. Das sind auch die Zeiten, in denen ich am besten schlafe. Du hast heute deine eigene Management-Agentur. Würdest du mit dem jungen Raf arbeiten, wenn du ihn finden würdest? Ganz ehrlich: Wenn ich mich heute finden würde, würde ich mich innerhalb von zwei bis drei Jahren zum Superstar machen. Ich war so hungrig, ich hab so viel gearbeitet. Hätte ich gute Ratschläge bekommen, hätte ich es viel früher geschafft. Aber ich glaub, dass alles einen Sinn hat. Vielleicht hätte ich es damals psychisch nicht verkraftet. Welche Ratschläge würdest du dir geben? Erstens die vier grossen Regeln, die wir allen Künstlern mitgeben: 1. Misch weder Politik noch Religion in deine Musik. 2. Pass auf, mit wem du Sex hast. 3. Zahl deine Steuern, die können dich richtig fertigmachen. 4. Pass auf mit Drogenkonsum. Aber das Wichtigste: Beschreib mit drei Worten, wer du bist. Und sei in allen drei Aspekten der Beste. Was sind die drei Worte bei dir? Rabe, Wien und Dancehall. Es gibt in allen drei Dingen niemanden, der stärker ist als ich. Niemand wird so sehr mit dem Raben-Symbol verbunden wie ich (zu sehen etwa auf Rafs rechtem Unterarm oder dem Albumcover zu «Zenit»; Anm.), niemand steht so sehr für diese Stadt und diese Musikrichtung wie ich. Zumindest im deutschsprachigen Raum. Zur Ankündigung deines neuen Albums bist du mit einem Speedboat über die Donau gefahren, tausende Fans standen am Ufer. Hast du nicht Angst, dass du solche Momente verpasst, wenn du das Kapitel RAF Camora schliesst? Keine Frage, der Tag in Wien war Wahnsinn. Das war ein Support, eine Liebe von der ganzen Stadt, das war surreal. Wie auf Ecstasy, ich schwöre. Trotzdem glaube ich eher, ich verpasse etwas, wenn ich das Kapitel RAF Camora nicht schliesse. Und es kommt ja noch was, bis zum 18. 12. 2020 geht es weiter. Ich werde in diesen anderthalb Jahren arbeiten, wie ich noch nie gearbeitet habe. Wie möchtest du, dass man sich an RAF Camora erinnert? Er hat alles zerlegt. Instagram: @raf_camora 47