29.10.2019 Aufrufe

syndicom magazin Nr. 13

Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.

Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

23<br />

Wir machen eigentlich keine Prophezeiungen, aber eines ist sicher:<br />

Die Welt in 20 Jahren wird ganz anders sein als unsere.<br />

Wie wird die Gewerkschaft funktionieren? Unser Autor Marc Rezzonico<br />

hat drei Visionen – zwischen Warnruf und Enthusiasmus.<br />

«Die Arbeit ist weder menschlicher<br />

noch tierischer Natur.<br />

Sie ist maschineller Natur.<br />

Sie ist die Maschine in uns.<br />

Alles, was mit Arbeit zu tun hat,<br />

wird irgendwann von Maschinen<br />

übernommen.»<br />

Dies sagt Dastan Akerlane, der Protagonist der Kurzgeschichte «coÊve 2051» von<br />

Norbert Merjagnan (aus dem Sammelband «Le Bal des Actifs», 2016).<br />

Es ist so: Maschinen, Roboter und ihre digitalen Brüder – Algorithmen, Bots und<br />

andere Software – übernehmen immer mehr Arbeit. Vor allem solche mit hohem<br />

Anteil an Repetition. Die Konsequenzen für die Arbeitnehmenden kennen wir gut.<br />

Die Welle der Digitalisierung strömt aber nicht nur in eine Richtung, Digitalisierung<br />

ist nicht nur elitär oder antidemokratisch. Sie bietet Möglichkeiten in alle<br />

Richtungen.<br />

Sollten die Gewerkschaften jetzt nicht neue Strategien und Handlungsmöglichkeiten<br />

ausarbeiten, um die Arbeitnehmenden tatkräftig zu unterstützen? Und<br />

welche?<br />

Vision 1<br />

Im Jahr 2039 wird die Kontaktperson<br />

bei <strong>syndicom</strong> nicht mehr ein Berater<br />

oder eine Regionalsekretärin sein,<br />

sondern ein Bot. Ein automatischer<br />

Software-Agent, der mit Computerservern<br />

interagiert. Sein Zweck:<br />

juristische Kämpfe zur Verteidigung<br />

der Mitglieder. Es wird bei <strong>syndicom</strong><br />

2039 also keine Jurist*innen und<br />

keinen Rechtsdienst mehr geben.<br />

Die Gesetze sind für Menschen zu<br />

kompliziert geworden.<br />

Andere digitale Agenten unterstützen<br />

die Mitglieder bei der Stellensuche,<br />

der Weiterbildung, bei Gesuchen<br />

um staatliche Beiträge, der Steuererklärung,<br />

bei den Lohnverhandlungen<br />

mit Arbeitsplattformen und so weiter.<br />

Die Mitarbeitenden von <strong>syndicom</strong><br />

2039 können sich ganz den Aktionen,<br />

den Kampagnen und dem Erhalt von<br />

Gemeinschaftsgefühl und Solidarität<br />

unter den Arbeitnehmenden widmen.<br />

Sie werden sich um die Kultur und die<br />

Werte der Arbeit, ihre Bedeutung für<br />

Identität und Gesellschaft kümmern.<br />

Vision 2<br />

Da aber die Unternehmen sich letztlich<br />

über die erstrittenen Gerichtsurteile<br />

hinwegsetzen können und da auch die<br />

oben skizzierte digitale Infrastruktur<br />

für <strong>syndicom</strong> unerschwinglich ist,<br />

erfindet die Gewerkschaft ... eine<br />

Kryptowährung: den synDinar.<br />

Bekanntlich kann jeder und jede<br />

ihre eigene digitale Währung erschaffen,<br />

sicher und nützlich für die<br />

eigenen Zwecke. Dazu braucht es nicht<br />

einmal Banken. Was den synDinar von<br />

allen bis dahin erschaffenen Währungen<br />

unterscheiden würde, wäre sein<br />

sozialer und kooperativer Wertzuwachs.<br />

Mit einem solchen Mechanismus<br />

ausgestattet, wird der Wert des<br />

synDinar steigen, wenn er in kooperativen<br />

Projekten eingesetzt wird:<br />

Investieren 100 Personen 100 synDinar<br />

in ein gemeinsames Projekt, zum<br />

Beispiel eine neue Arbeitsplattform,<br />

so wird ihr Börsenwert automatisch<br />

12 000 statt 10 000 synDinar betragen.<br />

Sänke die Anzahl Teilnehmender oder<br />

Menschen, die die Plattform unterstützen<br />

oder betreiben, auf 20, so<br />

verlören der synDinar und die Plattform<br />

massiv an Wert. Die Konzentration<br />

von Kapital wäre von keinerlei<br />

Interesse mehr! Der synDinar wäre<br />

eine «Kampfwährung», die Gemeinschaftsunternehmen<br />

und die Verteilung<br />

des Wohlstands fördern würde.<br />

Vision 3<br />

Fehlen aber nicht nur die Finanzmittel,<br />

sondern auch die Tech-Kenntnisse<br />

zur Schaffung von digitalen Rechtsagenten<br />

oder einer Kryptowährung,<br />

wird sich <strong>syndicom</strong> in der Schaffung<br />

und Koordination von Orten für<br />

Austausch, Tauschhandel und Kreation<br />

betätigen. Orte ausserhalb der Sphäre<br />

der Tech-Konzerne, welche die<br />

Menschheit steuern. Orte, die in<br />

städtischen Gebieten entstehen,<br />

die uninteressant geworden sind,<br />

oder auch ausserhalb der Städte, in<br />

ländlichen Räumen.<br />

Dort werden Möbel gegen Gemüse,<br />

Babysitten gegen Lesekurse, Soja-<br />

Steaks gegen Code-Zeilen, Pflegedienste<br />

gegen Handwerk getauscht.<br />

Es werden Erziehungsmodelle,<br />

Mobilität und Kultur geteilt und<br />

ausgetauscht. In FabLabs werden<br />

Gebrauchsgüter hergestellt. Die<br />

meisten Menschen suchen sich keine<br />

Arbeit mehr, sondern erfinden sich<br />

selber neu. Diese Orte könnten für<br />

80 Prozent der Bevölkerung von<br />

Bedeutung sein. Sie könnten die<br />

Abwanderung in die Städte stoppen,<br />

ein egalitäres Bildungssystem<br />

schaffen, die Familie, die humanistische<br />

Kultur erhalten und vielleicht<br />

sogar ... den Service public!

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!