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FOCUSMONEY_2019-46:Vorschau

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MONEYINSIDE<br />

Wider die Political Correctness<br />

Eins vorweg: Ich bin kein Anhänger der AfD. Wer mich<br />

nach der Lektüre dieser Zeilen als rassistisch oder<br />

fremdenfeindlich bezeichnen will, wird sich schwertun.<br />

Ich unterstütze seit Jahren Flüchtlinge – ich habe sie bei<br />

uns wohnen lassen, gebe ihnen Geld und helfe ihnen,<br />

eine Ausbildung zu finden. „Was mir aber bedrohlich erscheint“,<br />

und hier zitiere ich den Alt-Bundespräsidenten<br />

Joachim Gauck, „ist, dass viele in linksliberalen Kreisen<br />

pauschal alles ablehnen und sogar als Gefahr für die Demokratie<br />

verurteilen, was rechts von der politischen Mitte<br />

oder rechts von der Union ist.“ Gauck hat ein Buch geschrieben:<br />

„Plädoyer für Toleranz“. In diesem Buch und<br />

den dazugehörigen diversen Interviews bringt er die Problematik<br />

in Deutschland auf den Punkt.<br />

■ Wenn Bundesinnenminister Horst Seehofer gegenüber<br />

seiner Position als Ministerpräsident eine 180-Grad-Wende<br />

vollzieht, keine Obergrenze mehr verlangt und verkündet,<br />

in Deutschland „jeden vierten Flüchtling aus Italien“<br />

aufzunehmen, muss man sich nicht wundern, wenn die<br />

Menschen, wie zuletzt in Thüringen, massenweise die<br />

AfD wählen. Gauck: „Ein Nationalstaat darf sich nicht<br />

überfordern. Wer sich vorstellt, quasi als imaginierter Vertreter<br />

eines Weltbürgertums alle Grenzen des Nationalstaates<br />

hinwegzunehmen, überfordert nicht nur die materiellen,<br />

territorialen und sozialen Möglichkeiten eines<br />

jeden Staates, sondern auch die psychischen Möglichkeiten<br />

seiner Bürger. Sogar der weltoffene Mensch gerät<br />

an seine Grenzen, wenn sich Entwicklungen vor allem<br />

kultureller Art zu schnell und zu umfassend vollziehen.“<br />

Frank Pöpsel,<br />

Chefredakteur<br />

■ Wenn, so Gauck, „als inakzeptabel rechts gemeinhin<br />

schon diejenigen apostrophiert werden, die nichts anderes<br />

wollen, als an dem festzuhalten, was ihnen vertraut<br />

und bekannt ist“, ist es nicht überraschend, wenn diese<br />

Menschen zu Protestwählern werden. Gauck: „Konservative,<br />

die Gesetze über Abtreibung und die ‚Ehe für alle‘<br />

am liebsten rückgängig machen würden und das Adoptionsrecht<br />

für homosexuelle Paare ablehnen. Menschen,<br />

die darauf verweisen, dass schwere Straftaten bei Teilen<br />

von Migranten überproportional zu ihrem Anteil an der<br />

Bevölkerung vertreten sind. Als inakzeptabel rechts gilt<br />

häufig schon, wer zu seiner Heimat eine besondere Verbundenheit<br />

empfindet und am Nationalstaat hängt. Ja,<br />

es stimmt: Diese Menschen stehen rechts von der Mitte,<br />

aber sie sind damit nicht rechtsradikal, rassistisch, Nazis.“<br />

■ „Wenn“, so Gauck, „Political Correctness benutzt wird,<br />

um Andersdenkende öffentlich anzuklagen und allein<br />

für ihre Wortwahl zu verurteilen“, dann muss man sich<br />

nicht wundern, wenn viele Menschen der Meinung sind,<br />

die Meinungsfreiheit sei eingeschränkt. „Wenn man die<br />

deutsche Sprache unbedingt einer erhofften gesellschaftlichen<br />

Entwicklung anpassen will, kann das schnell zu<br />

Übertreibungen führen, die von großen Teilen der Bevölkerung<br />

abgelehnt werden. Ich nenne diesen ,Neusprech‘<br />

auch ,betreutes Sprechen‘, aber das mögen natürlich viele<br />

nicht hören, die sich im Dienste des Fortschritts wähnen.“<br />

Ganz ehrlich: Ich hätte nie gedacht, dass ich mal ein<br />

Gauck-Fan werde.<br />

Foto: D. Gust/FOCUS-MONEY<br />

■ Wenn Thüringens CDU-Chef Mike Mohring vor der<br />

Wahl eine Zusammenarbeit mit der Linken kategorisch<br />

ablehnt, am Tag nach der Wahl auf einmal sogar Koalitionsgespräche<br />

mit den Linken für möglich hält, nur um 24<br />

Stunden später wieder zurückzurudern, kann ich Gauck<br />

nur erneut zustimmen: „Früher sind diese (Anmerkung<br />

der Redaktion: gemeint sind wertkonservative) Menschen<br />

in der CDU/CSU von Alfred Dregger und Franz Josef<br />

Strauß beheimatet gewesen. Doch seitdem die CDU sozialdemokratischer<br />

wurde, sind die heimatlos geworden.“<br />

Im Klartext: Wofür die CDU steht, weiß kaum einer mehr.<br />

FOCUS-MONEY <strong>46</strong>/<strong>2019</strong><br />

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