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Berliner Kurier 08.11.2019

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**<br />

POLITIK<br />

MEINE<br />

MEINUNG<br />

Von<br />

Rasmus<br />

Buchsteiner<br />

Datensicherheit –<br />

Staat in der Pflicht<br />

Das Gesundheitssystem<br />

startet in die digitale<br />

Ära. Das ist verheißungsvoll.<br />

Doch manchen verunsichert<br />

die Dimension der absehbaren<br />

Veränderungen auch.<br />

Wird es die freieArztwahl<br />

weiterhin geben? Werden Videosprechstunden<br />

zum Normalfall,<br />

reguläre Praxisöffnungszeiten<br />

zurückgefahren?<br />

Was passiert mitden Daten?<br />

Die Dynamik istriesig.<br />

Digitalisierung, da hat Spahn<br />

recht, darf kein Selbstzweck<br />

sein. Digital muss auch besser<br />

sein. Wichtigist es, die<br />

Patienten mitzunehmen, ihnen<br />

die Vorteile digitaler Lösungen<br />

zu erklären und konsequent<br />

gegen Missbrauch<br />

sensibler Daten vorzugehen.<br />

Datenlecks haben selbst<br />

Wohlwollende aufgeschreckt.<br />

Das erklärt auch<br />

die Aufregung darüber, dass<br />

nun Abrechnungsdaten ohne<br />

Einwilligung fürdie Forschung<br />

bereitgestellt werden.<br />

Der Proteststurm steht jedoch<br />

in Widerspruchzur Gedankenlosigkeit,<br />

mit der viele<br />

via Apps persönliche Daten<br />

an Tech-Riesen weiterreichen.<br />

Der Staat muss in der<br />

digitalen Revolution der Medizin<br />

für Datensicherheit<br />

sorgen –und dafür, dass der<br />

Nutzen jederzeit sichergestellt<br />

ist.<br />

FRAU DESTAGES<br />

Malgorzata Gersdorf<br />

Die Präsidentin des Obersten<br />

Gerichts in Polen, Malgorzata<br />

Gersdorf (66), wird heute<br />

mit dem siebten Internationalen<br />

Demokratiepreis<br />

Bonn<br />

ausgezeichnet.<br />

Die<br />

Arbeitsrechtlerin<br />

erhält die<br />

mit 5000<br />

Euro dotierte<br />

Ehrung<br />

für ihr unermüdliches<br />

Engagement für<br />

eine unabhängige Justiz in<br />

ihrer Heimat. Die Laudatio<br />

während der Preisverleihung<br />

hält die Vizepräsidentin des<br />

Europäischen Parlaments,<br />

Katarina Barley (SPD).<br />

Foto: Imago Images/Zuma Press<br />

Pompeo,ein schwieriger Gast<br />

TrumpsAußenministerbesucht für zwei Tage Deutschland<br />

Bundestag gibt grünes<br />

Licht für digitale Praxis<br />

Gesundheits-App und Videosprechstunden sollen Alltag erleichtern. Datenschützer skeptisch<br />

Berlin – Bundesgesundheitsminister<br />

Jens Spahn (CDU)<br />

verpasst dem Gesundheitssystem<br />

ein „Update“: Der<br />

Bundestag hat gestern den<br />

Weg für die „digitale Arztpraxis“<br />

frei gemacht. Das<br />

bringt für Patienten Vorteile<br />

–birgt aber Risiken.<br />

Berlin – US-Journalisten<br />

werden Probleme haben,<br />

das auszusprechen: Mödlareuth.<br />

Das kleine Dorf in<br />

Bayern, gelegen an der ehemaligen<br />

bayerisch-thüringischen<br />

Zonengrenze, hatte<br />

gestern hohen Besuch:<br />

US-Außenminister Mike<br />

Pompeo traf dort mit Bundesaußenminister<br />

Heiko<br />

Maas zusammen. Das als<br />

„Little Berlin“ bekannt gewordene<br />

Dorf war während<br />

des Kalten Krieges<br />

41 Jahre lang durch die innerdeutsche<br />

Grenze geteilt.<br />

Und weil ein Teil der Mauer<br />

als museales Relikt noch<br />

steht, waren dort anlässlich<br />

des 30. Jahrestags des Mauerfalls<br />

passende Bilder garantiert.<br />

Zur Erinnerung:<br />

Maas hatte jüngst in einer<br />

EU-weit gestreuten Zeitungsanzeige<br />

zum Mauerfall<br />

bei der Danksagung<br />

ausgerechnet die Vereinig-<br />

Foto: Foto: Christoph Soeder/dpa<br />

Eine Fachärztin in Jena in der Videosprechstunde.<br />

ten Staaten vergessen.<br />

Nicht das einzige Problem,<br />

das derzeit das deutschamerikanische<br />

Verhältnis<br />

trübt. Im Anschluss fuhren<br />

Maas und Pompeo nach<br />

Leipzig, in die „Wiege der<br />

Revolution“. Unterwegs<br />

soll es im Konvoi einen kleinen<br />

Unfall gegeben haben,<br />

mit Blechschaden. Es blieb<br />

der einzige Schatten, der<br />

den Besuch des schwierigen<br />

Gastes trübte.<br />

Das „Digitale-Versorgung-Gesetz“<br />

sieht eine Reihe von Änderungen<br />

vor:<br />

▶ Gesundheits-App Künftig<br />

sollen die Krankenkassen die<br />

Kosten für bestimmte Gesundheits-Apps<br />

übernehmen. „Das<br />

ist eine Weltneuheit“, so Spahn.<br />

Ärzte können dann Rezepte für<br />

Smartphone-Programme ausstellen,<br />

die die Nutzer beispielsweise<br />

an die Einnahme<br />

von Medikamenten erinnern,<br />

oder Hilfen bei Schwangerschaften<br />

oder Bluthochdruck<br />

anbieten. Das Institut für Arzneimittel<br />

und Medizinprodukte<br />

(BfArM) prüft die Apps zuvor<br />

auf Datensicherheit, Datenschutz<br />

und Funktionalität.<br />

▶ Videosprechstunden „Online-Sprechstunden<br />

ermöglichen<br />

es, auch einen Arzt zu<br />

kontaktieren, der mir helfen<br />

kann, aber in einer ganz anderen<br />

Stadt sitzt“, sagt Spahn.<br />

Zwar gibt es Onlinesprechstunden<br />

bereits. Künftig ist es Ärzten<br />

aber erlaubt, auch auf ihrer<br />

Internetseite über entsprechende<br />

Angebote zu informieren.<br />

▶ Elektronische Patientenakte<br />

Patienten sollen künftig<br />

Handyzugriff auf ihre Patientenakten<br />

erhalten. Dort können<br />

sie dann auf Röntgenbilder oder<br />

Arztbriefe zugreifen. Allerdings:<br />

Da medizinische Daten<br />

besonders sensibel sind, hat<br />

sich die GroKo darauf geeinigt,<br />

„zeitnah“ ein eigenes Datenschutzgesetz<br />

dazu vorzulegen.<br />

Geplanter Start: 1. Januar 2021.<br />

Damit die eAkte möglichst flächendeckend<br />

genutzt werden<br />

kann, werden Ärzte, Krankenhäuser<br />

und Apotheken über<br />

Anreize (bzw. Strafen) im Honorarsystem<br />

animiert, sich der<br />

entsprechenden Telematik-<br />

Infrastruktur anzuschließen.<br />

▶ Das eRezept Papier soll im<br />

Gesundheitswesen ein Auslaufmodell<br />

werden. Künftig wird es<br />

ein elektronisches Rezept für<br />

Medikamente sowie eine elektronische<br />

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung<br />

geben. Hinzu<br />

kommt die elektronische Heilund<br />

Hilfsmittelverordnung<br />

(Sehhilfen, Rollstühle). Aus<br />

Rücksicht auf weniger technikaffine,<br />

ältere Patienten gibt es<br />

übergangsweise ein Nebeneinander<br />

von Papierrezept und<br />

eRezept.<br />

▶ Gesundheitsdatenbank Für<br />

Kritik sorgt Spahns Vorhaben,<br />

die Daten aller in einer zentralen<br />

Gesundheitsdatenbank für<br />

Forschungszwecke bereitzustellen.<br />

„So können wir herausfinden,<br />

welche Behandlungen<br />

bei Krebs oder Diabetes besonders<br />

gut funktionieren. Außerdem<br />

handelt es sich um pseudonymisierte<br />

und anonymisierte<br />

Abrechnungsdaten, nicht um<br />

Behandlungsdaten“, so Spahn.<br />

Datenschützer und Patientenvertreter<br />

kritisieren, auf diesem<br />

Weg gerieten sensible<br />

Daten in die Hand des Staates<br />

und einer langen Liste weiterer<br />

Nutzungsberechtigter. Löschung<br />

oder Widerspruchsrecht<br />

sind nicht vorgesehen.<br />

Klaus Reinhardt, Präsident der<br />

Bundesärztekammer: „Statt<br />

Datenübermittlung per Gesetz<br />

zu erzwingen, wäre es klüger,<br />

die Menschen freiwillig dazu<br />

zu motivieren.“

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