Berliner Kurier 13.11.2019
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10 BERLIN *<br />
BERLINER KURIER, Mittwoch, 13. November 2019<br />
Josefine Edle vonKrepl,<br />
1944 in Fürstenwalde<br />
(Spree) geboren, lebt<br />
heute in der Prignitz,<br />
organisiertAusstellungen,<br />
Lesungen und Konzerte.<br />
Dasaus Atlantikmüll<br />
geknüpfte Gebilde gehört<br />
zu ihren jüngeren Werken.<br />
„Aus<br />
Schlüpfern<br />
nähten wir<br />
Pullover“<br />
Josefine Edle von Krepl eröffnete 1980 die<br />
erste private Modeboutique Ost-Berlins.<br />
Sie spricht über kreative Zeiten, tolle<br />
Kundinnen und dumme Amtsschikanen<br />
Im Garten des alten Pfarrhauses<br />
in der Prignitz hängen<br />
Gebilde, die Josefine<br />
Edle von Krepl aus Atlantikmüll<br />
geknüpft hat: Fischernetze,<br />
Plastik, gelbe, grüne, türkisfarbene<br />
Strippen. Doch wir<br />
sprechen über die Pioniertat<br />
der Modegestalterin: In der<br />
Boxhagener Straße 44 gründete<br />
sie 1980 die erste private Modeboutique<br />
Ost-Berlins.<br />
<strong>Berliner</strong> KURIER: Ein privater<br />
Modeladen in Ost-Berlin<br />
– wie haben Sie das angestellt?<br />
Josefine Edle von Krepl:<br />
Leute haben mir von einer<br />
Bulgarin in der Boxhagener<br />
Straße, erzählt, die dort einen<br />
Laden als Kommissionärin<br />
führte, also halbstaatlich Sachen<br />
verkaufte. Der war es zu<br />
schwierig geworden. Für mich<br />
eine Riesenchance! Um das<br />
Geld für die Abstandszahlung<br />
zusammenzubekommen, habe<br />
ich Tag und Nacht in der Küche<br />
meiner Einraumwohnung in<br />
der Greifenhagener Kleider genäht.<br />
Wochenlang zog ich ins<br />
Ordnungsamt beim Rat des<br />
Stadtbezirkes am Bersarinplatz<br />
und kämpfte mit der Bürokratie.<br />
Vor allem musste ich denen<br />
einflößen, dass ich Künstlerin<br />
war, dass ich Eigenes verkaufen<br />
wollte, keine geschmacklich<br />
schlechten Sachen. Ich brauchte<br />
also eine Gewerbegenehmigung<br />
als Private.<br />
Gab es Vorbilder im Osten?<br />
Nein. Aber schließlich sagte<br />
das Amt: „Machen Se, auf eigene<br />
Verantwortung.“ Offiziell<br />
bekam man etwas zum Vorzeigen:<br />
„Seht her, wir lassen privaten<br />
Handel zu, eine junge Frau<br />
darf was ausprobieren.“ Andererseits<br />
gab es dann ständige<br />
Kontrollen, bis hin zu Schikane.<br />
Was geschah da?<br />
Wenn ich zum Beispiel von einer<br />
Stoffbahn 3,50 Meter abgeschnitten<br />
hatte, habe ich den<br />
Stoff vorgekocht in der Waschmaschine.<br />
Da lief er um zehn<br />
Prozent ein. So konnte ich die<br />
Kundinnen vor späteren Problemen<br />
schützen. Das Amt hat<br />
heimlich Einkäufer geschickt,<br />
die ein Kleid auftrennten und<br />
nachmaßen. Da waren es nur<br />
3,10 Meter, und es hieß: Betrug!<br />
Von Krumpfwerten verstanden<br />
die nichts. Ich musste Strafe<br />
zahlen. Und jedes Jahr hatte<br />
ich Tiefenprüfung vom Finanzamt<br />
und wurde separat geführt.<br />
Warum haben Sie sich für<br />
denWeg entschieden?<br />
Ich war umfassend ausgebildet<br />
und habe mich als Moderedakteurin<br />
bei der Frauenzeitschrift<br />
„Für Dich“ nicht ausgelastet<br />
gefühlt. Auch die massive<br />
Gängelung störte mich immer<br />
stärker. Jeder Text wurde bekrittelt.<br />
Allzu viel Initiative war<br />
nicht erwünscht. Mit dem Laden<br />
konnte ich etwas Eigenes<br />
machen. Und der Erfolg war ja<br />
unübersehbar. Wenn der Laden<br />
morgens um zehn aufmachte,<br />
standen die Frauen in<br />
Doppelreihen vor der Tür. Zwischendurch<br />
musste ich zuma-