Berliner Kurier 13.11.2019
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POLITIK<br />
Symbolikohne<br />
Öffentlichkeit<br />
MEINE<br />
MEINUNG<br />
Das jüngste Gelöbnis<br />
der Bundeswehr war<br />
vieles, nur einesnicht: öffentlich.<br />
Die Rekruten<br />
schworen ihren Eid vor<br />
Reichstag, Verteidigungsministerin,Parlamentariern,<br />
Bischöfen, Angehörigen.Für<br />
Passanten und Interessierte<br />
war das Gelände<br />
aber weiträumigabgeriegelt.Die<br />
Soldaten als BürgerinUniform,<br />
dieVertei-<br />
digungsministerinKramp-<br />
Karrenbauer als„unverzichtbaren<br />
Teil der Gesellschaft“<br />
hervorhob, blieben<br />
für diese Gesellschaft unsichtbar.<br />
So drängt sich der Eindruck<br />
auf, dass es um Symbolik<br />
ging –auch um eine symbolische<br />
Anerkennung der<br />
Arbeit der Soldaten. Sie ist<br />
wichtigfür so belastete Berufsgruppen<br />
wie dieSoldaten<br />
–auch,umihnenzu<br />
zeigen,dasssie Teil eines<br />
Ganzen sind, damit nicht<br />
das Elitäre, dasAußenseitergefühl<br />
wächst und die<br />
Truppezum Selbstzweck<br />
macht oder zur leichten<br />
Beutefür antidemokratische<br />
Kräfte.Zugleichlässt<br />
sich so das Bewusstsein dafür<br />
schärfen, dass die Bundeswehrnicht<br />
nur ein<br />
Land,sondernRechtsstaat<br />
und Demokratie verteidigt.<br />
FRAU DESTAGES<br />
Kerstin Claus<br />
Von<br />
Daniela<br />
Vates<br />
Kerstin Claushat als jugendliches<br />
Missbrauchsopfer viel<br />
Leid erfahren. Doch die 49-<br />
Jährigedenkt an andere.Als<br />
Mitglied im<br />
Betroffenenrat<br />
des Unabhängigen<br />
Missbrauchsbeauftragten<br />
der Bundesregierung<br />
sorgt siedafür,dass<br />
Missbräuche<br />
innerhalb und außerhalb der<br />
Kircheaufgearbeitet undzukünftig<br />
verhindert werden. Als<br />
erstes Missbrauchsopfer<br />
sprachClausnun auf derSynode<br />
der Evangelischen Kirche<br />
(EKD)inDresden. Wiemutig.<br />
Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa<br />
Fotos: Michael Kappeler/dpa (2)<br />
Gelöbnis:Aufmarsch der<br />
Rekruten vorm Reichstag<br />
Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer(CDU) bekräftigtNotwendigkeit der wehrhaften Demokratie<br />
Rekrutinnen und Rekruten der Bundeswehr stehen vordem Reichstagsgebäude.<br />
Berlin – Bei einem feierlichen<br />
Gelöbnis von Bundeswehrrekruten<br />
vor dem Reichstagsgebäude<br />
hat Verteidigungsministerin<br />
Annegret Kramp-<br />
Karrenbauer (CDU) die Notwendigkeit<br />
einer wehrhaften<br />
Demokratie bekräftigt. „Die<br />
Bundeswehr verteidigt<br />
Deutschland gegen äußere<br />
Bedrohungen.“<br />
Sie sei zugleich ein unverzichtbarer<br />
Teil der Gesellschaft. Annegret<br />
Kramp-Karrenbauer<br />
dankte den jungen Soldaten für<br />
ihren Entschluss zum Dienst in<br />
den Streitkräften.<br />
Bundestagspräsident Wolfgang<br />
Schäuble (CDU) sagte, die<br />
Entscheidung der Soldaten sei<br />
ein mutiges Versprechen, im<br />
Notfall auch zukämpfen. Das<br />
Parlament entscheide darüber<br />
nie leichtfertig. Deutschland<br />
dürfe sich aber auch nicht wegducken.<br />
Mit einem feierlichen<br />
Appell legten etwa 400 Rekruten<br />
der Bundeswehr vor dem<br />
Reichstag ihr Gelöbnis ab. Das<br />
Verteidigungsministerium<br />
wollte mit der Veranstaltung<br />
AKK gratuliertRekrutender<br />
Bundeswehr.<br />
ein Zeichen für ihre Verankerunginder<br />
Gesellschaft setzen.<br />
In Berlin fand zuletzt am<br />
20.Juli2013 einöffentlichesGelöbnis<br />
vor dem Reichstag statt.<br />
Früher hatte es in Deutschland<br />
immer wieder Protesteund Störungen<br />
bei Gelöbnissen gegeben.<br />
Kritiker erklärten, es werde<br />
Militarismus öffentlich zur<br />
Schau gestellt.<br />
Insgesamt waren in Deutschland<br />
zum Gründungstag der<br />
Bundeswehr sechs feierliche<br />
Gelöbnisse geplant. Am12. November<br />
1955 hatteder ersteVerteidigungsminister<br />
der Bundesrepublik,<br />
Theodor Blank, den<br />
ersten 101 Freiwilligen ihre Ernennungsurkunden<br />
überreicht.<br />
Erstmalsfanden 1980 Gelöbnisse<br />
öffentlichstatt –begleitetvon<br />
massivenProtesten. In früheren<br />
Jahren hatte es in Deutschland<br />
immer wieder Störungen bei<br />
Gelöbnissen gegeben. Bundesweit<br />
gibt es jährlich zahlreiche<br />
Gelöbnisse, nach Angaben des<br />
Bundeswehrverbands sind es<br />
„im Durchschnitt rund 150 pro<br />
Jahr“. In der heutigen Form<br />
wurden sie 1956 eingeführt.Kritik<br />
an AKKs Forderung nach<br />
mehr öffentlichen Gelöbnissen<br />
kommt auch von Thüringens<br />
Ministerpräsident Bodo Ramelow<br />
(Linke). Er erwartevon der<br />
Ministerin eine „ehrliche Bestandsaufnahme<br />
zur Leistungsfähigkeit<br />
und Zielorientierung<br />
der Bundeswehr“. Dassei wichtiger,als<br />
„mehr Geldund öffentliche<br />
Gelöbnissezufordern“.<br />
Der Historiker Michael<br />
Wolffsohn sieht Gelöbnisse<br />
nicht als Anzeichen eines deutschen<br />
Militarismus. Dem RedaktionsNetzwerk<br />
Deutschland<br />
(RND) sagte Wolffsohn,<br />
„die Distanz zu allem Militärischen<br />
ist in Deutschland noch<br />
vielstärker ausgeprägt als in anderen<br />
west-, geschweige denn<br />
osteuropäischen Staaten. Das<br />
ist aus historisch-psychologischen<br />
Gründen auch verständlich<br />
undgut. Aber dieGeschichte<br />
ist inzwischen weitergegangen.<br />
Die Bundesrepublik ist<br />
nicht das NS-deutsche Reich.“<br />
Allerdings kritisierte Wolffsohn<br />
die Motive der Verteidigungsministerin.<br />
„Frau Kramp-Karrenbauer<br />
möchte sich offenbar profilieren.<br />
Sie bringt zwei Ebenen<br />
durcheinander, die nicht zusammengehören.<br />
Nämlich ihre<br />
persönlichen Ambitionen auf<br />
der einen und die Notwendigkeit<br />
auf der anderen Seite, der<br />
Bevölkerung zu verdeutlichen,<br />
dass die Bundeswehr ein selbstverständlicher<br />
undnotwendiger<br />
Teil der bundesdeutschen Politikist.<br />
Ihre Sicherheitspolitikist<br />
aber so chaotisch, widersprüchlich<br />
und undurchdacht, dass sie<br />
das Verständnis für die Bundeswehr<br />
damit nicht erhöht.“