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#DNP12

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MAGAZIN DES DEUTSCHEN NACHHALTIGKEITSPREISES<br />

NACHHALTIGKEIT MADE IN GERMANY<br />

17 GLOBALE ZIELE<br />

Nachhaltig Wirtschaften<br />

für die Agenda 2030<br />

IM KANZLERAMT<br />

Sieger des DNP<br />

treffen Angela Merkel<br />

DIGITALISIERUNG<br />

Grüne Geschäftsmodelle<br />

der digitalen Zukunft<br />

DESIGNPREIS<br />

Neue Auszeichnung für<br />

nachhaltiges Design


#13<br />

3<br />

EDITORIAL.<br />

KLIMASCHUTZ<br />

FÜR ALLE!<br />

Stefan Schulze-Hausmann ist Wissenschaftsjournalist und Rechtsanwalt. Er moderiert für das ZDF seit 1989<br />

verschiedene Formate (u. a. das tägliche 3sat-Zukunftsmagazin „nano“). 2008 rief er die Stiftung Deutscher<br />

Nachhaltigkeitspreis e. V. ins Leben, deren Vorstandsvorsitzender er ist.<br />

Das Jahr 2019 ist ein Jahr auf Messers Schneide.<br />

Während Europa im Bann des Brexit verharrt, zeigen<br />

die Wahlen zum EU-Parlament, was wirklich auf<br />

der Agenda steht: Klimaschutz, Zukunftswirtschaft,<br />

Gerechtigkeit. 2019 sieht Terroranschläge, den brennenden<br />

Amazonas, Gletschersterben, Hitzerekorde.<br />

In Landtagswahlen dominieren Angst und Ablehnung.<br />

Aber 2019 hat auch ein anderes Gesicht. Das<br />

Gesicht von Hoffnung und beeindruckendem Protest.<br />

Greta Thunberg bringt mit Fridays for Future<br />

Millionen Menschen auf die Strasse, die mit ihren<br />

Forderungen nach schnellem und wirksamem<br />

Klimaschutz überwältigendes Gehör finden. Die Erneuerbaren<br />

Energien überschreiten die 40-Prozent-<br />

Marke. Das Bundeskabinett beschließt am 9. Oktober<br />

ein Klimaschutzpaket, vielen zu schwach, doch voller<br />

Maßnahmen, die eben noch vehement verweigert<br />

wurden.<br />

Dennoch ist das Jahr 2019 vor allem ein Jahr der<br />

Zukunft. Für die weltweiten Nachhaltigkeitsziele, für<br />

Klimaschutz, für Toleranz und Gerechtigkeit. Ein Jahr<br />

der Zukunft für die nachkommenden Generationen.<br />

Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis ist Teil dieser<br />

Bewegung. Wir vertrauen darauf, dass ein Wettbe-<br />

werb der Besten immer mehr Antworten liefert<br />

und die Transformation befördert – fokussiert, qualifiziert,<br />

aus erster Hand von denen, die wissen,<br />

erklären und entscheiden.<br />

Wir entwickeln den Kongress weiter, greifen aktuelle<br />

Themen in Sonderpreisen auf und verändern 2020<br />

umfassend unsere Assessments. Dann werden konkrete,<br />

messbare Beiträge zur Transformation in den<br />

Mittelpunkt aller Wettbewerbe gerückt. Und: Der<br />

Deutsche Nachhaltigkeitspreis Design feiert 2020<br />

seine Premiere.<br />

Ich lade Sie ein, uns auf den nächsten Seiten besser<br />

kennen zu lernen. Vielleicht begegnen wir uns im<br />

Wettbewerb, auf dem Kongress oder bei der<br />

Preisverleihung.<br />

Stefan Schulze-Hausmann<br />

„Wir<br />

prämieren<br />

die Vorreiter<br />

und<br />

zeigen so,<br />

wie Transformation<br />

konkret<br />

gelingen<br />

kann.“<br />

Wir setzen die UN-Nachhaltigkeitsziele um – machen Sie mit!


4<br />

INHALT.<br />

DIE ZUKUNFT DES BAUENS.<br />

06<br />

IM JAHR DES<br />

PILLEPALLE –<br />

RADIKAL IST NUR<br />

DIE REALITÄT.<br />

10<br />

IM MITTELPUNKT<br />

STEHT DER MENSCH<br />

UNTERWEGS.<br />

11<br />

MOBILITÄT<br />

DER ZUKUNFT –<br />

SICHER, SAUBER,<br />

VERNETZT.<br />

12<br />

NACHHALTIG<br />

WIRTSCHAFTEN<br />

FÜR DIE<br />

AGENDA 2030.<br />

14<br />

AGENDA 2030<br />

HEISST<br />

PARTNERSCHAFT.<br />

16<br />

INTERVIEW MIT<br />

GERD MÜLLER.<br />

18<br />

ZU BESUCH BEI<br />

DER KANZLERIN.<br />

16<br />

NACHHALTIG WIRTSCHAFTEN.<br />

Nachhaltiges Wirtschaften und eine nachhaltige<br />

Entwicklung bedeuten, niemand im gesellschaftlichen<br />

Wandel zurückzulassen und wo immer<br />

möglich für men schenwürdige und fair bezahlte<br />

Arbeitsplätze und eine gesunde Umwelt zu sorgen.<br />

Dieser Auftrag richtet sich an Regierungen und<br />

Unternehmen in gleicher Weise und ist zudem eine<br />

grundlegende Forderung der Agenda 2030.<br />

ZU BESUCH BEI DER KANZLERIN.<br />

Vorbildliches Nachhaltigkeitsengagement: Preisträger<br />

des Deutschen Nachhaltigkeitspreises informierten<br />

Angela Merkel, wie sie den Wandel hin<br />

zu einer nachhaltigen Gesellschaft unterstützen.<br />

GLOBALE PARTNERSCHAFTEN.<br />

Bis zum Jahr 2030 soll es keinen Hunger, extreme<br />

Armut und Ungleichheit mehr geben, Geschlechtergerechtigkeit<br />

weltweit gelten und gute Entwicklungschancen<br />

für eine wachsende Weltbevölkerung<br />

geschaffen werden. Dazu braucht es neue Kooperationen<br />

zwischen staatlichen und nichtstaatlichen<br />

Gruppen, die auch Sektor- und Landesgrenzen<br />

überschreiten. Im Interview spricht Bundesentwicklungsminister<br />

Gerd Müller über globale<br />

Verantwortung, nachhaltige Textilien, die Allianz für<br />

Entwicklung und Klima sowie den DNP als Plattform<br />

für nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen.<br />

17<br />

SPRACHE.<br />

34<br />

Das Rathaus Freiburg, das Schmuttertal-Gymnasium<br />

Diedorf und das Aktiv-Stadthaus in Frankfurt waren<br />

in den letzten Jahren Sieger oder unter den Top 3<br />

beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis Architektur.<br />

Sie zeigen, dass wir heute bereits die Gebäude<br />

planen und bauen können, die einen positiven<br />

Beitrag für unsere Zukunft leisten.<br />

ENGAGEMENT FÜR DIE JUGEND.<br />

Weltweit demonstrieren Kinder und Jugendliche<br />

für umfassende, schnelle und effiziente Umweltund<br />

Klimaschutzmaßnahmen und fordern zum<br />

Handeln auf. Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis<br />

für Städte und Gemeinden setzt genau dort an –<br />

hier wird nicht nur über Nachhaltigkeit geredet,<br />

sondern gehandelt. Der Preis engagiert sich schon<br />

seit vielen Jahren für die Jugend.<br />

BILDNACHWEISE<br />

26<br />

22<br />

NACHHALTIGKEIT<br />

DURCH<br />

DIGITALISIERUNG.<br />

24<br />

NEUE GESCHÄFTS-<br />

MODELLE.<br />

26<br />

STÄDTEPREIS<br />

FOR FUTURE.<br />

28<br />

ZIRKULÄRE<br />

WERTSCHÖPFUNG<br />

IN KOMMUNEN.<br />

31<br />

INTERVIEW MIT<br />

LIONEL SOUQUE.<br />

32<br />

GLOBAL<br />

VERANWORTLICH<br />

WIRTSCHAFTEN.<br />

34<br />

DIE ZUKUNFT<br />

DES BAUENS<br />

IST KLIMAPOSITIV.<br />

36<br />

DESIGN FÜR<br />

NACHHALTIGKEIT.<br />

20<br />

CIRCULAR<br />

ECONOMY –<br />

THE NEXT<br />

BIG THING.<br />

21<br />

BRAUCHT<br />

NACHHALTIGE<br />

GASTRONOMIE<br />

EINEN PREIS?<br />

18<br />

12<br />

Die vom Büro Deutscher Nachhaltigkeitspreis verfassten Beiträge sind unter<br />

Berücksichtigung von Lesbarkeit und Ästhetik in geschlechtergerechten<br />

Sprache geschrieben. Die gendergerechte Formulierung stand unseren<br />

Gastautor/innen frei.<br />

IMPRESSUM.<br />

HERAUSGEBER:<br />

Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis<br />

Neuer Zollhof 3 / 40221 Düsseldorf<br />

V.I.S.D.P.<br />

Stefan Schulze-Hausmann<br />

REDAKTION<br />

Sebastian Klement-Aschendorff<br />

GESTALTUNG<br />

Büro Deutscher Nachhaltigkeitspreis / Anna Krolzig<br />

Titel: Damir Tomas/brandmission; Seite 3: Frank Fendler; Seite 4: Michael<br />

Gottschalk/Photothek.net; Joshua Rawson Harris/unsplash.com; Ralf Rühmeier;<br />

Seite 5: Roland Halbe; Leon Bublitz/unsplash.com; Seite 6: Nick Fewings/unsplash.com;<br />

Seite 7: Victoriano Izquierdo/unsplash.com; Seite 9: Lisa<br />

Holler; Seite 10: Jonas Deister/Sozialhelden e.V.; Elke Häußler/HsKA; AutoNV_<br />

OPR; Seite 11: Andy Beales/unsplash.com; Frank Fendler; BMBF/Laurence<br />

Chaperon; Seite 12: Dariusz Misztal; Seite 13: UN Photo/Manuel Elias; Frank<br />

Fendler; Seite 14: Dariusz Misztal; Seite 15: Frank Fendler; Tcmphotography.<br />

co.za; Seite 16: Michael Gottschalk/Photothek.net; Seite 17: Dariusz Misztal;<br />

Seiten 18/19: Ralf Rühmeier (2); Seite 20: Guillaume Bolduc/unsplash.com;<br />

Seite 21: Jan Voth; Metro Germany; Seite 22: Ashwin Vaswani/unsplash.com;<br />

Seite 23: Frank Fendler; eric-kemnitz.com/Leipzig Mobil 2.0; Seite 24: Simon<br />

Veith/nachhaltige Fotografie; Seite 25: Mohdammed Ali/unsplash.com; PY-<br />

DRO GmbH; Seite 26: Leon Bublitz/unsplash.com; Markus Spiske/unsplash.<br />

com; Seite 27: Frank Fendler; Stadt Neumarkt; Seite 28: Oliver Cole/unsplash.<br />

com; Seite 29: Terry Mclaughlin/Copenhagen Media Center; Seite 31: REWE<br />

Group; Frank Fendler; Seite 32: Solidarity Center; Seite 33: ILO in Asia and<br />

the Pacific; Seite 34: HGEsch, Hennef; Seite 35: Frank Fendler; DGNB; Seite<br />

36: EET; Seite 37: Fair-Cup UG; Frank Fendler; Seite 38: betterECO GmbH;<br />

ECOFARIO GmbH; Daniela Lea Schafroth; right. based on science UG; Seite<br />

39: DIHK/Jens Schicke; Frank Fendler; Seite 40: Dean Chalkley.<br />

38<br />

GRÜNE STARTUPS.<br />

39<br />

INTERVIEW MIT<br />

ACHIM DERCKS.<br />

40<br />

MICK HUCKNALL –<br />

IF YOU DON´T<br />

KNOW HIM BY NOW.


7<br />

weder die Politik und ihr Zwilling, der Protest, noch<br />

sind es die unternehmerischen Nachhaltigkeitsstrategien<br />

der jüngsten Zeit. Radikal ist nur die Realität.<br />

und intakter Umwelt verdienen. Nicht nur, weil<br />

Wissenschaftler/innen Katastrophen voraussagen.<br />

Sondern vor allem, weil wir können.<br />

„Wo agile<br />

Selbstkorrektur<br />

gefragt ist,<br />

denken wir<br />

allzu oft<br />

prozessverliebt<br />

und in<br />

Details.“<br />

IM JAHR DES PILLEPALLE –<br />

WIRKLICH RADIKAL<br />

IST NUR DIE REALITÄT.<br />

Autor<br />

PROF. DR. GÜNTHER BACHMANN, GENERALSEKRETÄR DES RATES FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG<br />

Der Sommer war zu lange zu heiß. Fichten und<br />

Buchen sterben zu hunderttausenden. Binnen<br />

historisch kurzer Zeit sind eine Million Pflanzen-<br />

und Tierarten ausgestorben, bei der nächsten<br />

Million könnte Homo sapiens dabei sein. Der Ausbau<br />

einer nachhaltigen Infrastruktur, ob Kreislaufwirtschaft,<br />

Mobilität oder Erneuerbare Energien,<br />

schwankt zwischen Leerlauf und Rückwärtsgang.<br />

Die Bundesregierung legt zwar klimapolitisch<br />

einen Gang zu; aber es ist nur einer. Dass der nicht<br />

ausreicht, wissen alle und viele bekennen es offen.<br />

Die größte Bürde der Klimapolitik sind die verlorenen<br />

Jahre und verläpperten Chancen für eine<br />

industriepolitische, ökologische und soziale Rückbesinnung<br />

auf die Zukunft.<br />

Gerade unter diesen Bedingungen muss man einen<br />

Deutschen Nachhaltigkeitspreis vergeben! Weil<br />

alle Maßnahmen im Verkehr, in der Ernährung und<br />

beim Klima immer differenzierter und kleinteiliger<br />

werden, wird das ganzheitliche Denken wichtiger;<br />

und damit die Nachhaltigkeitsstrategien. Kommunen<br />

sind mit neuen Ideen unterwegs. Aus der Industrie<br />

wird mehr statt weniger Regulation gefordert.<br />

Auch inner-ökologische Zielkonflikte machen<br />

Nachhaltigkeitsdenken immer dringlicher. In den<br />

Wahlen überraschten Nachhaltigkeitsthemen, die<br />

sich zuvor in keinem Parteiprogramm fanden. Die<br />

Bienen schütteln die Landespolitik um. 2019 ist das<br />

Kohle-Jahr.<br />

Und natürlich: Die neue Ungeduld einer protestierenden<br />

Jugend macht den Unterschied. Eine<br />

Gesellschaft ohne jugendliche Protestkultur wäre<br />

nicht wirklich brauchbar. Diesen Mangel haben wir<br />

zu lange kaum wahrgenommen und Protestliches<br />

dem Feuilleton überlassen. Jetzt bläst das Jahr<br />

2019 mit anderem Wind. Sogar jene, denen der<br />

Protest eigentlich gilt, beklatschen die Jugend. Sie<br />

erscheinen fast wie erlöst. Wirklich radikal ist aber<br />

ANNÄHERUNG DURCH WANDEL, DIESMAL DEN<br />

EIGENEN<br />

Die Transformation einer ganzen Gesellschaft hat<br />

eine Voraussetzung, die viel zu oft als nebensächlich<br />

und unpolitisch, bisweilen auch als nervig<br />

gilt. Wir sind eine Welt gewohnt, in der mit dem<br />

Finger zunächst auf andere gezeigt wird, wenn es<br />

um Transformation geht. Das funktioniert in wohl<br />

geordneten Bahnen: Zwischen NGO und Industrie,<br />

zwischen Industrie und Handel, zwischen Vertretern<br />

sozialer Belange und ökologischer Belange,<br />

zwischen Investoren und der Realwirtschaft, Werbern<br />

und Designern. Und natürlich auch jeweils<br />

andersherum und in beliebiger Aufstellung. Mitunter<br />

löst ein klärender Krach sogar einen Fortschritt<br />

aus. Es gibt gute Beispiele für solide Konflikte, die<br />

zum Konsens reifen. Aber meist vernichtet das<br />

Alpha-Gebrüll nur wertvolle Zeit. Es simuliert Beschäftigung,<br />

Besorgnis und Bereitschaft, ohne das<br />

Risiko wirklich etwas tun zu müssen. Forderungen<br />

stellt man in der Gewissheit, dass die andere Seite<br />

ihnen ohnehin nicht nachkommt. Man ist laut ohne<br />

das Geräusch der Veränderung. Was mit Nachhaltigkeit<br />

eigentlich gemeint ist, verlottert.<br />

Wandel durch Annäherung war einst die Formel<br />

der Entspannungspolitik der 70er Jahre. Heute ist<br />

der Wandel eine noch viel größere Aufgabe. Und<br />

er ist nicht durch zwei Systeme, eine Grenze und<br />

viel Armee abgegrenzt, sondern mitten unter uns.<br />

Mit einer aktuellen Metapher: Die Gesellschaft<br />

muss ihr Betriebssystem bei laufendem Betrieb<br />

auswechseln. Beim Computer geht das nicht, in<br />

der Gesellschaft haben wir keine andere Wahl als<br />

es zu versuchen. Das wichtigste Instrument hierzu<br />

ist Glaubwürdigkeit. Und die baut sich nirgendwo<br />

sonst auf als bei und mit dem eigenen Wandel. Der<br />

Bundespolitik fehlt vieles, aber entscheidenderweise<br />

ein/e Staatsminister/in für Nachhaltigkeit.<br />

Den Märkten fehlt vieles, aber im Kern eine sichtbare<br />

(!) Hand für Innovationen zur Nachhaltigkeit,<br />

sei es Klimaneutralität oder vollständige Kreislaufwirtschaft.<br />

Kommunen müssen befähigt werden,<br />

Nachhaltigkeit zur Leistungsaufgabe zu machen,<br />

um die (oftmals viel zu vielen) Projekte zu Strukturen<br />

verbinden zu können. Wo agile Selbstkorrektur<br />

gefragt ist, denken wir allzu oft prozessverliebt<br />

und in Details. Mikromanagement verhindert Systementscheidungen.<br />

Die Folge ist das kleine Karo,<br />

das irgendwie auch immer richtig ist und trotzdem<br />

nicht hilft. So wird die deutsche Energiewende<br />

ihre selbstverschuldeten Ketten aus ideenarmen<br />

Fehlanreizen und politischer Überdeterminierung<br />

kaum abschütteln. So wirkt das Pathos von der<br />

großen Transformation kaum und wird sogar selbst<br />

zum Risiko.<br />

Es geht auch anders. Und zwar nicht nur, weil wir<br />

ganz eigentlich müssten und es dringend nötig ist.<br />

Nicht nur, weil alle Menschen ein Leben in Würde<br />

Wir können, weil viele alte und junge Menschen die<br />

Welt mit sehr realistischen Augen sehen. Daraus<br />

kann man Zukunft machen. Geld ist da, denn die<br />

Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen liegt im<br />

Rekordhoch und Gewinne steigen stärker als Umsätze.<br />

Die private Sparquote ist (man muss sagen:<br />

selbst ohne Zinsanreiz) sehr hoch. Der Staat hat<br />

volle Kassen. Steigende Löhne stärken per Konsum<br />

den Binnenmarkt gegen wilde Trump-Effekte. Uns<br />

geht es so gut, dass Milliarden Euro, die der Bund<br />

zur Förderung diverser Anliegen bereitstellt, kaum<br />

abgerufen werden.<br />

Im Ausland sieht das zuweilen völlig anders aus.<br />

Wo Hunger und Gewalt herrschen, ist Nachhaltigkeitspolitik<br />

weit schwerer. Wo fossile Rentenökonomien<br />

und Sojadiktaturen ihren Weltregionen<br />

den Stempel verzweifelten Wachstums aufdrücken,<br />

ist der Einsatz für Nachhaltigkeit mit Gefahren<br />

für Leib und Seele verbunden. Es ist kein Wunder,<br />

dass die Welt zunehmend auf Deutschland schaut.<br />

Sie will aus guten Beispielen gelingender (oder<br />

jedenfalls Beispiele von halbwegs entschlossen<br />

begonnener) Transformation lernen. Dringend<br />

versucht sie unsere Fehler zu verstehen, um Überund<br />

Unterförderung zu vermeiden. Sie will wissen,<br />

wie sie Risiken in eigene Chancen verkehren kann.<br />

Sie fragt nach den Wegen für eine Transformation<br />

ohne Angst und mit kompetenten Ergebnissen der<br />

repräsentativen Demokratie. Ausländische Partner<br />

interessieren sich dafür, welchen Unterschied ein<br />

unabhängiger Nachhaltigkeitsrat machen kann,<br />

welche Rolle Wissenschaft und Kunst spielen<br />

können, und wie man einen prestigeträchtigen<br />

Nachhaltigkeitspreis etabliert.<br />

UMDENKEN: DIE GESELLSCHAFT MUSS IHR BETRIEBSSYSTEM BEI LAUFENDEM BETRIEB AUSWECHSELN.


Düsseldorf<br />

mart – nachhaltig –<br />

zukunftsweisend<br />

Nähe trifft Freiheit<br />

Live close Feel free<br />

Düsseldorf begrüßt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer<br />

des 12. Deutschen Nachhaltigkeitstages 2019.<br />

9<br />

VERMEIDEN, DASS WIR UNS ARM WACHSEN<br />

Unsere Antworten müssen mindestens so gut<br />

sein, dass sie neue Fragen aufwerfen. Das ist der<br />

Kern des Wettbewerbs: neue Ideen und schnellere<br />

Wirkungen in Richtung nachhaltige Entwicklung.<br />

Begriffe wie Suffizienz und Substitution dürfen<br />

keine Fremdworte bleiben – weil Nachhaltigkeitslösungen<br />

für einen produktiveren und sparsameren<br />

Umgang mit Ressourcen, zur effizienten<br />

Nutzung sauberer Energien, zum innovativen<br />

Produktdesign nur mit ihnen und kaum je gegen<br />

sie bestehen können. Die Gretchenfrage ist<br />

Wachstum.<br />

Die konventionelle Wachstumsbilanz trügt. Sie<br />

zählt nur Geld und klammert einen großen Teil der<br />

zudem wichtigen Werte aus. Bis zu 60 Prozent des<br />

Wertes von Unternehmen stecken in der Lieferkette,<br />

in der Unternehmenskultur, in der für die<br />

Produktion benutzten Umwelt, in der Kompetenz<br />

der Arbeiter und Angestellten. Die Kapitalisierung<br />

anhand von Börsendaten „externalisiert“ diese<br />

relevanten Aspekte. Unternehmen wie Kämmerer<br />

können sich darauf nicht mehr verlassen, wenn sie<br />

es je konnten. Ihre Nachhaltigkeitsberichte und<br />

-strategien müssen andere Wege gehen, um die<br />

Materialität, Risiken oder Chancen zu verstehen,<br />

denken wir nur an Bananen, Kaffee, Tee, Fisch, an<br />

die textile Kette, an Konfliktminerale, an Menschenrechte<br />

in der Lieferkette, an unfaire Preise<br />

für Urproduzenten, die Sustainable Development<br />

Goals. Solange die vollen Kosten und der volle Nutzen<br />

nicht berechnet sind, bleiben „Wachstum“ und<br />

„wirtschaftlicher Erfolg“ trügerische Kategorien.<br />

Solange ist es mehr als wahrscheinlich, dass wir<br />

uns in eine neue Form von Armut hineinwachsen.<br />

Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis zeichnet Unternehmen<br />

und Kommunen für wichtige Nachhaltigkeitsstandards<br />

in den eigenen Strategien<br />

und Organisationsrichtlinien aus. Der Deutsche<br />

Nachhaltigkeitspreis ist wie ein Kompendium von<br />

Good-Practices. Es berücksichtigt die Proportionalität<br />

von großen und kleinen Unternehmen und von<br />

breiter und tiefer Nachhaltigkeit. Wo der Staat und<br />

der Markt Mindestanforderungen stellen, ergänzen<br />

Pioniere und Champions diese durch das Ausmessen<br />

des Möglichen, Leistbaren und seiner Grenzflächen.<br />

Pioniere der Nachhaltigkeit zeigen als<br />

Gewinner des Deutschen Nachhaltigkeitspreises,<br />

was heute schon machbar ist und dass noch viel<br />

mehr gehen kann.<br />

Unter den aufgeschlossenen, an Innovationen interessierten<br />

Unternehmen und Kommunen gilt die<br />

Basis dieses Handelns mittlerweile als „gelernt“:<br />

dass man das Thema organisatorisch verankert,<br />

verlässliche Strukturen schafft, mit gutem Beispiel<br />

vorangeht, um nach innen zu überzeugen und nach<br />

außen Vorteile zu erzeugen. Nachhaltigkeit zahlt<br />

sich aus. Das wird auch dadurch unterstrichen,<br />

dass Investoren und Rechnungsprüfer verstärkt<br />

nachfragen und kontrollieren. Pioniere haben ihre<br />

Verfahren zum Benchmark gemacht. Nun müssen<br />

sie jedoch aufpassen. Da, wo der Massenmarkt<br />

nachzieht, geraten entweder die Margen unter<br />

Druck oder die Qualität der Benchmarks leidet.<br />

Gravierend ist, wenn beides zusammenkommt.<br />

WAS HEUTE SCHON MACHBAR IST: DER LETZTJÄHRIGE SIEGER IN DER KATEGORIE GROSSUNTERNEHMEN.<br />

DIE AUSSICHTEN<br />

Geschäftsstrategien müssen die Chancen und<br />

Risiken der Nachhaltigkeit deshalb zu einer harten<br />

Kategorie aufwerten. Der Binnenblick ist wichtig,<br />

weil er Mitarbeiter mitnimmt und Partizipation<br />

schafft. Er kann sehr ergiebig sein. Was indessen<br />

notwendig ist und – entscheidender – was möglich<br />

ist, das erfordert mehr als nur den Binnenblick.<br />

Stallgeruch ist gut, aber Echokammern schaffen<br />

Scheinwirklichkeiten. Durchschnitt ist trügerisch,<br />

Formeln wie die Triple Bottom Line und der Fokus<br />

auf Konsens liefern nicht mehr genug. Ausschläge,<br />

Zufälle, Überraschungen, Innovationen aus<br />

Reallaboren macht oft erst der unabhängige<br />

Schulterblick erkennbar. Nur so lassen sich komplexe<br />

Herausforderungen wie Klimaneutralität,<br />

Ressourcen-Zirkularität, Reboundeffekte oder<br />

Landverbrauch und Bodenökologie überschauen.<br />

So schafft man eine bessere Chance, Zukunft nicht<br />

linear zu sehen oder sie gar abwarten zu wollen.<br />

Wird eine hohe Pendlerquote in Zukunft als Strukturschwäche<br />

gewertet werden? Zieht man sich aus<br />

Geschäftsfeldern mit fossilen Energieträgern ruckartig<br />

oder kontinuierlich zurück? Wird das Paradigma<br />

„Bauen auf der grünen Wiese“ abgelöst durch<br />

ein Bauen mit der Grauen Energie im Bestand?<br />

Wer nicht von Verzichtsforderungen überrascht<br />

werden will, der muss seine Freiheit durch innovatives<br />

Denken verteidigen.<br />

In ihr kombiniert sich Empathie, Mut und die Kunst<br />

des Experimentierens. Empathie, weil der Mensch<br />

das Zutrauen zur eigenen Kompetenz braucht und<br />

ihm dieses Zutrauen von anderen auch gelegentlich<br />

zugemutet werden muss. Mut, weil es um Lösungen<br />

geht, die es mit der Radikalität der Realität<br />

aufnehmen müssen. Experimentieren, weil man nur<br />

lernt, was man kann, wenn man es auch macht.<br />

„Solange<br />

die vollen<br />

Kosten und<br />

der volle<br />

Nutzen nicht<br />

berechnet<br />

sind, bleiben<br />

Wachstum<br />

und<br />

wirtschaftlicher<br />

Erfolg<br />

trügerische<br />

Kategorien.“


10<br />

IM MITTELPUNKT:<br />

DER MENSCH UNTERWEGS.<br />

PROJEKT ELEVATE –<br />

VORHER WISSEN, OB<br />

DER AUFZUG GEHT.<br />

Aufzüge sind insbesondere für<br />

Menschen mit Mobilitätseinschränkungen<br />

ein zentraler<br />

Bestandteil, um barrierefrei<br />

unterwegs zu sein. Nicht funktionierende<br />

Aufzüge stellen die<br />

Betroffenen vor große Herausforderungen.<br />

Per Liveauskunft<br />

will der gemeinnützige Verein<br />

„Sozialhelden“ mit dem Projekt<br />

„Elevate“ dafür sorgen, dass ein<br />

Informationsdienst Auskunft<br />

darüber gibt, wo Aufzüge vorhanden<br />

sind und ob diese auch<br />

tatsächlich funktionieren. Dieser<br />

Dienst soll durch die Nutzung<br />

und Vernetzung offener Daten<br />

bundesweit, flächendeckend und<br />

frei verfügbar genutzt werden<br />

können. Für das Projekt und die<br />

bereitgestellten Daten kooperiert<br />

Elevate mit Verkehrsunternehmen,<br />

Aufzugherstellern und weiteren<br />

Stakeholdern.<br />

REALLABOR GO KARLSRUHE –<br />

EIN FORSCHUNGSPROJEKT FÜR<br />

FUSSGÄNGER/INNEN.<br />

Der Fußverkehr ist ein elementarer Bestandteil im<br />

Rahmen einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Das<br />

Reallabor GO Karlsruhe der Hochschule Karlsruhe –<br />

Technik und Wirtschaft, setzt auf Realexperimente,<br />

um den Fußverkehr zu fördern. Dabei werden praktikable<br />

und kostengünstige Maßnahmen zur Verbesserung<br />

des Fußverkehrs eingesetzt, die in einem<br />

dynamischen Beteiligungsprozess entwickelt werden.<br />

So haben Fußgänger/innen die Möglichkeit, mittels<br />

digitaler Anwendungen die aktuelle Verkehrssituation<br />

an verschiedenen Orten zu bewerten. Beispielsweise<br />

machten Markierungen auf der Straße auf einen neun<br />

verkehrsberuhigten Bereich aufmerksam und führten<br />

zu einer signifikanten Verlangsamung des Verkehrs.<br />

AUTONV_OPR – AUTONOMER<br />

ÖFFENTLICHER NAHVERKEHR<br />

IM LÄNDLICHEN RAUM.<br />

Für viele deutsche Kommunen ist der öffentliche<br />

Nahverkehr kaum noch finanzierbar. Insbesondere im<br />

ländlichen Raum sinken die Fahrgastzahlen stetig. Dabei<br />

ist der ÖPNV gerade auf dem Land eine wichtige<br />

Voraussetzung für Menschen ohne PKW, um den Alltag<br />

selbstbestimmt zu gestalten. Das Projekt „AutoNV_<br />

OPR“, mitinitiiert von der Technischen Universität<br />

Berlin, will dieser Entwicklung mit dem Einsatz fahrerloser,<br />

elektrischer Kleinbusse im Landkreis Ostprignitz-<br />

Ruppin entgegenwirken. Die Integration des automatisierten<br />

Kleinbusses in den öffentlichen Nahverkehr<br />

soll die Versorgung und Erreichbarkeit optimieren und<br />

durch die verbesserte Infrastruktur den Individualverkehr<br />

und damit CO 2<br />

-Emissionen reduzieren.<br />

MOBILITÄT DER ZUKUNFT –<br />

SICHER, SAUBER, VERNETZT.<br />

Autorin<br />

Wir sind viel unterwegs. Bequeme und schnelle<br />

Fortbewegungsmittel erlauben eine Vielzahl von<br />

Ortswechseln und Lebensentwürfen, ermöglichen<br />

Teilhabe und sind Teil unseres Wirtschaftens. Nur so<br />

können wir Wohnort oder Arbeitsplatz frei wählen,<br />

können wir Beruf und Freizeit frei gestalten. Es steht<br />

außer Zweifel: Mobilität ist ein menschliches Grundbedürfnis.<br />

ANJA KARLICZEK, MITGLIED DES DEUTSCHEN BUNDESTAGES, BUNDESMINISTERIN FÜR BILDUNG UND FORSCHUNG<br />

Doch unsere Mobilität hinterlässt Spuren: Luftverschmutzung,<br />

Lärm und Flächenverbrauch sind die<br />

Folgen. Das Klima wird durch den Verkehr besonders<br />

stark belastet, denn Mobilität beruht noch immer<br />

– mehr als hundert Jahre nach Erfindung des Automobils<br />

– zum größten Teil auf fossilen Energieträgern.<br />

Und während in den Städten die Straßen immer<br />

voller werden, fahren auf dem Land immer weniger<br />

Busse und Bahnen. Nicht von ungefähr gehört eine<br />

umwelt- und gesellschaftsverträgliche Mobilität<br />

darum zu den Schwerpunkten des Klimapakets der<br />

Bundesregierung.<br />

Die Mobilität der Zukunft muss nachhaltig und<br />

technologieoffen sein. Dazu gehört, dass wir die<br />

individuelle Mobilität sichern, die Umwelt- und<br />

Lebensqualität insbesondere in den Städten steigern<br />

Anja Karliczek leitet das Bundesministerium für<br />

Bildung und Forschung. Seit 2013 ist sie Mitglied<br />

des Deutschen Bundestages. Von 2017 bis März<br />

2018 war sie Parlamentarische Geschäftsführerin<br />

der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.<br />

– und dabei gleichzeitig die Innovationsfähigkeit des<br />

Mobilitätssektors stärken. Im Zentrum stehen dabei<br />

die Menschen mit ihren Bedürfnissen. Technik muss<br />

dem Menschen dienen. Nur, wenn wir technologische<br />

und soziale Innovationen zusammen denken, wird<br />

die Mobilitätswende ein Erfolg.<br />

Forschung leistet dazu einen entscheidenden Beitrag.<br />

So nimmt die systemische Mobilitätsforschung<br />

die Mobilität als Ganzes in den Blick. Dazu gehört,<br />

dass Kommunen den Wandel vor Ort gestalten –<br />

zusammen mit der Wirtschaft, der Gesellschaft<br />

und der Wissenschaft. Vor allem aber brauchen wir<br />

Innovationen: leistungsfähige Batterien, Wasserstoff-<br />

Brennstoffzellen und synthetische Kraftstoffe. Und<br />

nicht zuletzt ist eine effiziente und vertrauenswürdige<br />

Mikroelektronik nötig. Sie ist ein Schlüssel,<br />

um das Potenzial von Künstlicher Intelligenz für<br />

das autonome Fahren zu heben. Mit dem Aktionsplan<br />

„Forschung für Autonomes Fahren“ bringt das<br />

Bundesforschungsministerium – zusammen mit dem<br />

Bundeswirtschaftsministerium und dem Bundesverkehrsministerium<br />

– den Wandel entschieden<br />

voran. Das Ziel unserer Forschungsförderung ist eine<br />

Mobilität, die sicher ist, sauber und vernetzt.<br />

Darum geht es auch beim Deutschen Nachhaltigkeits-<br />

preis Forschung mit dem diesjährigen Schwer-<br />

punktthema „Nachhaltige urbane Mobilität“. Die<br />

drei nominierten Projekte ELEVATE, Reallabor GO<br />

Karlsruhe und AutoNV_OPR (siehe linke Seite)<br />

demonstrieren bereits jetzt auf eindrucksvolle Weise,<br />

wie es gelingen kann, mit innovativen Ansätzen<br />

nachhaltige Lösungen zu schaffen. Besonders gut<br />

hat mir gefallen, dass diese Projekte häufig vernachlässigte<br />

Gruppen in den Mittelpunkt stellen:<br />

mobilitätseingeschränkte Menschen, Fußgänger<br />

und Menschen im ländlichen Raum.<br />

Ich bedanke mich ganz herzlich bei allen, die sich in<br />

diesem Jahr um den Preis beworben haben, gratuliere<br />

den drei Finalisten für ihre Nominierung und<br />

wünsche ihnen viel Erfolg beim Endspurt um den<br />

ersten Platz!<br />

DEUTSCHER NACH-<br />

HALTIGKEITSPREIS<br />

FORSCHUNG<br />

Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis<br />

Forschung wird in<br />

diesem Jahr zum achten Mal<br />

gemeinsam mit dem Bundesministerium<br />

für Bildung<br />

und Forschung (BMBF) vergeben.<br />

Er würdigt nachhaltigkeitsbezogene<br />

Forschungsleistungen<br />

in Deutschland. In<br />

diesem Jahr steht das Thema<br />

„Urbane Mobilität“ im Mittelpunkt<br />

der Auszeichnung.<br />

<strong>#DNP12</strong>


12<br />

NACHHALTIG WIRTSCHAFTEN<br />

FÜR DIE AGENDA 2030.<br />

Es gehört zu den Aufgaben der Bundesregierung,<br />

Umwelt und Klima zu schützen, die Lebensfähigkeit<br />

auf unserem Planeten zu erhalten und eine nachhaltige<br />

Wirtschafts- und Lebensweise zu fördern.<br />

Diese Agenda wird im Rahmen von Partnerschaften,<br />

Kooperationen und Ordnungsrecht umgesetzt und<br />

wirkt inzwischen längst über die nationalen Grenzen<br />

hinaus, denn Deutschland trägt eine enorme Verantwortung<br />

für globale Entwicklungen.<br />

Deutsche Unternehmen zählen in der Regel zu den<br />

Gewinnern der Globalisierung. Davon profitieren<br />

Viele hier in unserem Land, Konsumentinnen und<br />

Konsumenten und vor allem auch Arbeitnehmerin-<br />

aus. Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, diese<br />

Kraft unserer Wirtschaft zu erhalten und in den<br />

Dienst des Gemeinwohls zu stellen. Nachhaltiges<br />

Wirtschaften und eine nachhaltige Entwicklung<br />

bedeuten, niemand im gesellschaftlichen Wandel<br />

zurückzulassen und wo immer möglich für menschenwürdige<br />

und fair bezahlte Arbeitsplätze und<br />

eine gesunde Umwelt zu sorgen. Dieser Auftrag<br />

richtet sich an Regierungen und Unternehmen in<br />

gleicher Weise. Es ist zudem eine grundlegende<br />

Forderung der Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung<br />

der Vereinten Nationen, die ganz ausdrücklich<br />

auch die Lieferketten mit einbezieht, und<br />

zwar nationale, europäische und internationale.<br />

EINE DER GRUNDLEGENDEN FORDERUNGEN DER AGENDA 2030: EINE NACHHALTIGE WIRTSCHAFTS- UND LEBENSWEISE FÖRDERN.<br />

BUNDESMINISTERIN SVENJA SCHULZE ÜBERREICHTE 2018 DEN DEUTSCHEN NACHHALTIGKEITSPREIS UNTERNEHMEN AN DEN WUPPERTALER ZANGENHERSTELLER KNIPEX.<br />

nen und Arbeitnehmer. Der Export ist eine tragende Die Debatte dazu hat in den vergangenen Monaten<br />

Säule unserer Volkswirtschaft, wie die Zahlen eindrucksvoll<br />

belegen. Nach vorläufigen Erhebungen in der Zivilgesellschaft, von Gewerkschaften bis<br />

deutlich Fahrt aufgenommen. Ein breites Bündnis<br />

des Statistischen Bundesamtes nahmen die deutschen<br />

Ausfuhren in den vergangenen 10 Jahren um Lieferkettengesetz“ Eckpunkte für einen gesetzli-<br />

zu den Umweltverbänden, hat mit der „Initiative<br />

34 Prozent und die Einfuhren um 35 Prozent zu. Der chen Rahmen vorgelegt, mit dem der Schutz von<br />

Gesamtwert der Ausfuhren im Jahr 2018 betrug 1,32 Menschenrechten und der Umwelt in weltweiten<br />

Billionen Euro, der Einfuhren 1,09 Billionen Euro. Die Lieferketten verbessert werden soll. In der Schweiz<br />

Ausfuhren der vier größten Warengruppen (Kraftwagen<br />

und Kraftwagenteile, Maschinen, chemische antwortungsinitiative“ in den parlamentarischen<br />

befindet sich das Volksbegehren der „Konzernver-<br />

Erzeugnisse sowie Datenverarbeitungsgeräte, elektronische<br />

und optische Erzeugnisse) machten entsprechendes Sorgfaltspflichtengesetz. Darüber<br />

Beratungen. In Frankreich existiert bereits ein<br />

2018 wertmäßig die Hälfte der Gesamtausfuhren hinaus wird aktuell und durchaus streitig ein völker-<br />

rechtlicher Vertrag im Menschenrechtsrat der<br />

Vereinten Nationen verhandelt, der die Unternehmensverantwortung<br />

im Bereich der Menschenrechte<br />

künftig regulieren soll.<br />

Die Beispiele zeigen, dass es viele gute Ansätze für<br />

die Umsetzung von Nachhaltigkeit in unternehmerischen<br />

Wertschöpfungsketten gibt, die einen Beitrag<br />

zu einer gerechteren Globalisierung leisten<br />

könnten. Gleichzeitig sehen immer mehr Unternehmen<br />

darin einen zusätzlichen Wettbewerbsfaktor.<br />

Viele Unternehmen haben dies wie die Preisträgerinnen<br />

und Preisträger bereits erkannt, weitere<br />

müssen noch überzeugt werden. Aus Sicht des<br />

BMUs muss es das Ziel sein, dass Regelungen zu<br />

unternehmerischen Sorgfaltspflichten für Umweltbelange,<br />

Menschenrechte, Arbeitnehmerbelange,<br />

Sozialbelange und Antikorruption für alle Unternehmen<br />

gleichermaßen gelten müssen.<br />

Die Bundesregierung macht seit Jahren gute Erfahrungen<br />

mit dem freiwilligen Umweltmanagementsystem<br />

EMAS und seinen Kernelementen<br />

Umweltpolitik, Betrachtung von Risiken und Chancen,<br />

Ermittlung der wesentlichen Umweltaspekte,<br />

Stakeholdereinbindung, externer Überprüfung und<br />

Transparenz. Das öffentliche EMAS-Register ist eine<br />

Sammlung von „Best Practice-Beispielen“ der Umweltberichterstattung<br />

von mehr als 2000 Unternehmens-<br />

und Organisationsstandorten. Diese kommunizieren<br />

öffentlich ihre Ziele und Erfolge, aber auch<br />

die weiteren Herausforderungen.<br />

Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis ist dafür eine<br />

gute Standortbestimmung. Hier wird deutlich, wer<br />

einen wesentlichen Beitrag zum Fortschritt in unserem<br />

Land leistet. Die Preisträgerinnen und Preisträger<br />

beweisen, dass es möglich ist, Verantwortung<br />

für die ökologischen Wirkungen des eigenen Handelns<br />

zu übernehmen und das gesellschaftliche Bewusstsein<br />

dafür zu sensibilisieren. Sie zeigen auch,<br />

dass es sich lohnt, die wichtigen Debatten über eine<br />

nachhaltige Zukunft immer wieder neu anzustoßen.<br />

Das ist eine große Leistung und Grund genug, dass<br />

das Bundesumweltministerium auch in diesem Jahr<br />

den Deutschen Nachhaltigkeitspreis und das damit<br />

verbundene Engagement unterstützt.<br />

„Der Beitrag der<br />

Unternehmen zu<br />

den globalen<br />

Nachhaltigkeitszielen<br />

ist von<br />

enormer Bedeutung.<br />

Die Preisträger<br />

zeigen außerdem:<br />

Nachhaltigkeit ist<br />

auch ein<br />

business case.“<br />

SVENJA SCHULZE,<br />

BUNDESUMWELTMINISTERIN<br />

DEUTSCHER NACH-<br />

HALTIGKEITSPREIS<br />

UNTERNEHMEN<br />

Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis<br />

für Unternehmen<br />

wird in Zusammenarbeit<br />

mit dem Bundesministerium<br />

für Umwelt, Naturschutz<br />

und nukleare Sicherheit<br />

(BMU) vergeben. Er zeichnet<br />

Unternehmen aus, die<br />

mit ihren Produkten und<br />

Dienstleistungen besonders<br />

erfolgreich ökologischen und<br />

sozialen Problemen begegnen<br />

und damit Nachhaltigkeit<br />

als wirtschaftliche Chance<br />

nutzen. Die Auszeichnung<br />

wird in den drei Größenklassen<br />

KMU, mittelgroße<br />

Unternehmen und Großunternehmen<br />

vergeben.<br />

<strong>#DNP12</strong>


15<br />

terium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und<br />

Entwicklung (BMZ) Multi-Akteurs-Partnerschaften<br />

zwischen Staat, Zivilgesellschaft, Wirtschaft oder<br />

Wissenschaft.<br />

DIE KRAFT VON UNTERNEHMEN NUTZEN<br />

die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen auf<br />

globale Partnerschaften, auch auf lokaler Ebene,<br />

an der sich alle Kommunen – ob reich oder arm,<br />

groß oder klein, Nord oder Süd – beteiligen, um<br />

sich gemeinsam für eine nachhaltige Welt vor Ort<br />

einzusetzen.<br />

HERAUSFORDERUNGEN GEMEINSAM LÖSEN: BUNDESMINISTER MÜLLER ÜBERREICHTE 2018 DIE DEUTSCHEN NACHHALTIGKEITSPREISE FÜR GLOBALE PARTNERSCHAFTEN.<br />

„Um die<br />

SDGs zu<br />

erreichen,<br />

müssen sie<br />

in die<br />

Mitte der<br />

Gesellschaft<br />

getragen<br />

werden.“<br />

AGENDA 2030 HEISST<br />

PARTNERSCHAFT –<br />

IN DEUTSCHLAND UND<br />

GLOBAL.<br />

In den vergangenen Monaten sind weltweit Millionen<br />

von Menschen für mehr Klimaschutz und mehr Nachhaltigkeit<br />

auf die Straßen gegangen. Vier Jahre nach<br />

der Verabschiedung der Agenda 2030 ist sie somit<br />

aktueller denn je.<br />

Mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung<br />

drückt die Weltgemeinschaft ihre Hoffnung aus, dass<br />

sich die Herausforderungen unserer Zeit gemeinsam<br />

lösen lassen. Die 17 Ziele der Agenda 2030, die<br />

sogenannten SDGs (engl. Sustainable Development<br />

Goals) sind ambitioniert und vielfältig. Bis zum Jahr<br />

2030 soll es keinen Hunger, extreme Armut und<br />

Ungleichheit mehr geben, Geschlechtergerechtigkeit<br />

weltweit gelten und gute Entwicklungschancen<br />

für eine wachsende Weltbevölkerung geschaffen<br />

werden. Gleichzeitig geht es darum, die Erderwärmung<br />

aufzuhalten, die Folge des Klimawandels<br />

abzufedern und den Schutz natürlicher Ressourcen<br />

zu sichern.<br />

GEMEINSAM VORANSCHREITEN<br />

Mit der Agenda 2030 haben wir einen neuen Geist<br />

der internationalen Kooperation – eine globale Partnerschaft.<br />

Denn die Umsetzung der Agenda steht<br />

längst nicht mehr nur auf den Arbeitsprogrammen<br />

der Regierungen. Eine nachhaltige Entwicklung und<br />

die SDGs können nur erreicht werden, wenn alle Akteure<br />

gemeinsam zu mehr nachhaltiger Entwicklung<br />

beitragen: Regierungen, Unternehmen, Zivilgesellschaft,<br />

Wissenschaft und Bürgerinnen und Bürger.<br />

Wenn wir die SDGs wirklich erreichen wollen, dann<br />

müssen sie in die Mitte der Gesellschaft getragen<br />

werden.<br />

Dazu braucht es neue Kooperationen zwischen<br />

staatlichen und nichtstaatlichen Gruppen, die auch<br />

Sektor- und Landesgrenzen überschreiten. So kann<br />

jeder seine Stärken bei der Umsetzung der Agenda<br />

2030 einbringen. Daher fördert das Bundesminis-<br />

Unternehmen tragen als Innovatoren, Wissensträger, Immer mehr deutsche Kommunen engagieren sich<br />

Investoren und Arbeitgeber erheblich zum gesellschaftlichen<br />

Wohlstand bei. Zugleich sind sie durch schaften für eine nachhaltige Zukunft. Durch die<br />

international in Rahmen von kommunalen Partner-<br />

ihr Wirtschaften – je nach Branche, Geschäftsmodell Zusammenarbeit werden sie ihrer globalen Verantwortung<br />

gerecht. Die Agenda 2030 mit ihren<br />

und Region – der Ursprung vieler Herausforderungen,<br />

die es zu überwinden gilt. Die Privatwirtschaft 17 globalen Nachhaltigkeitszielen eignet sich dabei<br />

spielt eine wichtige Rolle. Genau deshalb fordert die hervorragend als Leitfaden für die Entwicklung und<br />

Agenda 2030 Unternehmen explizit dazu auf, ihre Umsetzung gemeinsamer Aktivitäten.<br />

Innovationskraft zu nutzen, um ihre Wirtschaftsprozesse<br />

sozial- und ressourcenverträglich umzugestalten.<br />

Nur wenn jedes Unternehmen fair schaftsarbeit auf ihre eigenen Stärken. Sie vermit-<br />

Viele Kommunen konzentrieren sich in ihrer Partner-<br />

und ökologisch wirtschaftet und für sein Handeln teln zum Beispiel Wissen zu zentralen Aufgaben<br />

Verantwortung übernimmt, wird eine nachhaltige der kommunalen Daseinsvorsorge, also darauf, die<br />

Entwicklung zum Wohle aller gelingen.<br />

für die Bevölkerung notwendigen Grundleistungen<br />

wie Energieversorgung, Verkehr, Wasserversorgung,<br />

Die Umsetzung der Agenda 2030 benötigt viele Abwasser- und Müllentsorgung, Bildung und öffentliche<br />

Sicherheit bereitzustellen – natürlich auf nach-<br />

Ressourcen. Diese Transformation ist nicht ausschließlich<br />

durch staatliche Mittel zu leisten und die haltige Weise.<br />

private Wirtschaft verfügt über gewaltige Hebel zur<br />

Erreichung der SDGs.<br />

SDG-SONDERPREISE „GLOBALE PARTNER-<br />

SCHAFTEN“<br />

Sie kann ihren Beitrag leisten, indem sie in saubere<br />

Technologien, faire Löhne und umweltverträgliche Unter dem Dach „Globale Partnerschaften“ des<br />

Geschäftsmodelle investiert. Der Staat muss nachhaltiges<br />

Wirtschaften mit Anreizen und verlässlichen 2019 zwei Preise prämiert, die vom Bundesminis-<br />

Deutschen Nachhaltigkeitspreises werden auch<br />

Rahmenbedingungen flankieren. Die Wirtschaft terium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und<br />

der Zukunft ist nachhaltig und das muss sich auch Entwicklung gefördert werden. In der Kategorie<br />

finanziell lohnen.<br />

„Unternehmenspartnerschaften“ wird die Zusammenarbeit<br />

eines deutschen und eines Unternehmens<br />

aus einem Schwellen- oder Entwicklungsland<br />

GLOBALE KOMMUNALE PARTNERSCHAFTEN<br />

IM ZEICHEN DER AGENDA 2030<br />

ausgezeichnet. Die Zusammenarbeit ist geprägt von<br />

Spitzenleistungen des privaten Sektors für eine faire<br />

Global nachhaltige Entwicklung – dieses Kernanliegen<br />

der Agenda 2030 lässt sich nur durch<br />

und nachhaltige Globalisierung.<br />

vielfältige und vielgestaltige Partnerschaften<br />

In der Kategorie „Kommunale Partnerschaften“<br />

erreichen. Partnerschaften auf allen Ebenen von wird die partnerschaftliche Zusammenarbeit einer<br />

den Vereinten Nationen über die Staaten und<br />

deutschen und einer Kommune im Globalen Süden<br />

Unternehmen bis zu den Kommunen und Vereinen. ausgezeichnet, da sie die Verantwortung und<br />

Deshalb heißt das letzte der 17 globalen Ziele für Handlungsmöglichkeiten der lokalen Ebene für<br />

nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030: „Partnerschaften<br />

zur Erreichung der Ziele“. Damit setzen macht.<br />

die Umsetzung der Agenda 2030 anschaulich<br />

KOMMUNALE PARTNERSCHAFTEN: BREMEN UND DAS SÜDAFRIKANISCHE DURBAN STEHEN BEREITS SEIT JAHRZEHNTEN IN KONTAKT.<br />

DEUTSCHER NACH-<br />

HALTIGKEITSPREIS<br />

GLOBALE<br />

PARTNERSCHAFTEN<br />

In Zusammenarbeit mit<br />

dem Bundesministerium<br />

für wirtschaftliche Zusammenarbeit<br />

und Entwicklung<br />

(BMZ) und der Servicestelle<br />

Kommunen in der Einen Welt<br />

(SKEW) von Engagement<br />

Global werden Partnerschaften<br />

zwischen Unternehmen in<br />

Deutschland und in Entwicklungs-<br />

und Schwellenländern<br />

sowie zwischen deutschen<br />

Kommunen und ihren Partnerkommunen<br />

im Globalen<br />

Süden prämiert, die sich<br />

besonders vorbildlich für die<br />

Verwirklichung der Agenda<br />

2030 engagieren.<br />

<strong>#DNP12</strong>


16<br />

17<br />

„DER DNP BIETET EINE SPANNENDE<br />

PLATTFORM FÜR NACHHALTIGKEITS-<br />

ORIENTIERTE UNTERNEHMEN.“<br />

überwacht. Darum kümmert sich die staatliche<br />

Deutsche Akkreditierungsstelle. Als „Prüfer der<br />

Prüfer“ stellt sie sicher, dass die Prüfstellen die<br />

notwendige Expertise haben und wissen, worauf<br />

es ankommt.<br />

UND DARAUF LASSEN SICH DIE UNTERNEHMEN<br />

EIN?<br />

oder dem Ausbau erneuerbarer Energien. Damit<br />

stellen Sie zusätzliche private Mittel für den internationalen<br />

Klimaschutz und den Technologietransfer in<br />

Entwicklungsländer bereit. Jede und jeder kann hier<br />

mitmachen.<br />

WAS KONNTE DIE ALLIANZ BEREITS ERREI-<br />

CHEN?<br />

Interview<br />

DR. GERD MÜLLER, BUNDESMINISTER FÜR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG<br />

HERR MÜLLER, DAS BUNDESMINISTERIUM FÜR … UND BEI UNTERNEHMEN?<br />

WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND<br />

ENTWICKLUNG (BMZ) UNTERSTÜTZT AUCH IN In der Kategorie Unternehmenspartnerschaften<br />

DIESEM JAHR DEN SDG-SONDERPREIS „GLO- wurde die Firma Fosera aus Ulm und ihr Partner<br />

BALE PARTNERSCHAFTEN“. INWIEFERN KANN VITALITE aus Sambia mit dem SDG-Preis ausgezeichnet.<br />

Gemeinsam arbeiten die Unternehmen<br />

DER PREIS VERÄNDERUNGEN BEWIRKEN?<br />

daran, Länder in Afrika, Asien und Lateinamerika mit<br />

Mit dem SDG-Sonderpreis senden wir ein wichtiges<br />

Signal an Unternehmen und Kommunen: Ihr schaffen sie zum Beispiel für viele Menschen in<br />

bezahlbarer Solarenergie zu versorgen. In Sambia<br />

Engagement ist wichtig für die Umsetzung der den ländlichen Gebieten Zugang zu erneuerbarer<br />

UN Nachhaltigkeitsziele, den sogenannten SDGs, Energie.<br />

in Deutschland und in Entwicklungsländern! Die<br />

globalen Partnerschaften schaffen einen Dialog und UM UNTERNEHMENSVERANTWORTUNG GEHT<br />

Wissensaustausch mit den Partnerländern auf Augenhöhe.<br />

Darum geht es. Die Menschen einbeziehen, SOMMER EINGEFÜHRT HABEN. WARUM BRAU-<br />

ES AUCH BEIM GRÜNEN KNOPF, DEN SIE IM<br />

die SDGs bekannt zu machen und jede und jeden CHEN WIR EIN WEITERES TEXTILSIEGEL?<br />

zum Mitmachen anregen. So schaffen wir es, die<br />

SDGs und die Agenda 2030 erfolgreich umzusetzen. Für drei Viertel der Verbraucherinnen und Verbraucher<br />

ist nachhaltige Mode wichtig. Sie wollen<br />

zu Recht kein T-Shirt tragen, das in 14-Stunden-<br />

Schichten für einen Hungerlohn genäht wurde. Aber<br />

bei den unterschiedlichen Siegeln blicken doch viele<br />

nicht mehr durch. Einige Siegel konzentrieren sich<br />

auf faire Arbeitsbedingungen, andere auf das Verbot<br />

giftiger Chemikalien. Der Grüne Knopf ändert<br />

das. Kunden haben jetzt ein Leitsiegel beim Einkauf<br />

und müssen nicht mehr 30 verschiedene Siegel<br />

vergleichen.<br />

WAS IST DAS BESONDERE AM GRÜNEN KNOPF?<br />

Der Staat legt zum ersten Mal die Kriterien fest. Und<br />

die sind hoch. Unternehmen müssen ihre komplette<br />

Produktionslinie von Bangladesch bis Berlin anhand<br />

von 46 anspruchsvollen Sozial- und Umweltstandards<br />

überprüfen lassen – von A wie Abwassergrenzwerte<br />

bis Z wie Zwangsarbeitsverbot. Das Besondere<br />

ist: Das ganze Unternehmen wird geprüft,<br />

ob es verantwortungsvoll handelt: Legt es seine<br />

WIE ZEIGT SICH DAS KONKRET BEI DEN<br />

Lieferkette offen? Gibt es überall Beschwerdemöglichkeiten<br />

für die Näherinnen vor Ort? Einzelne<br />

KOMMUNEN?<br />

Vorzeigeprodukte reichen nicht aus. In dieser Tiefe<br />

Im vergangenen Jahr wurden Wernigerode und prüft sonst keiner.<br />

die vietnamesische Stadt Hôi An ausgezeichnet.<br />

Wernigerode und Hôi An engagieren sich in ihrer UND WER SOLL DAS ALLES ÜBERPRÜFEN?<br />

Städtepartnerschaft für den Klimaschutz und profitieren<br />

gemeinsam von dem Erfahrungsaustausch auf Das machen unabhängige Prüfer wie der TÜV oder<br />

diesem Gebiet. Das Preisgeld von 60.000 Euro wird die DEKRA. Wenn notwendig, kontrollieren sie auch<br />

genutzt, um in öffentlichen Parks beider Städte je die Produktionsstätten vor Ort, in Bangladesch<br />

eine Solar- bzw. Photovoltaik-Anlage zu installieren. oder Rumänien. Der Prüfprozess wird ebenfalls<br />

Ja. Fair Fashion ist ein Mega-Trend. Das zeigt auch<br />

die Bandbreite der Unternehmen, die schon dabei<br />

sind: Nachhaltigkeits-Vorreiter wie hessnatur, große<br />

Unternehmen wie die Otto Group, Tchibo, Lidl,<br />

Aldi und Rewe, Outdoor-Spezialisten wie Vaude und<br />

Startups wie Brands Fashion und Melawear. Seit<br />

dem Start gibt es über 100 weitere Anfragen. Der<br />

Grüne Knopf holt faire Mode raus aus der Nische<br />

– rein in die Normalität. Jetzt kommt es auf die<br />

Kunden an, zuzugreifen.<br />

WIE GEHT ES WEITER?<br />

Wir werden die Anforderungen des Grünen Knopf<br />

kontinuierlich weiterentwickeln. Zum Start deckt<br />

er die wichtigsten Arbeitsschritte „Färben“ sowie<br />

„Nähen und Schneiden“ ab: Hier laufen alle 100 Milliarden<br />

Kleidungsstücke weltweit durch. Hier arbeiten<br />

75 Millionen Menschen, vor allem Frauen. Aber<br />

unser Ziel ist der Schutz von Mensch und Natur<br />

in der gesamten Lieferkette – bis zum Baumwollfeld.<br />

Ein unabhängiger Beirat aus Wissenschaft,<br />

Wirtschaft und Zivilgesellschaft wird uns dabei<br />

unterstützen.<br />

DER PARTNERSCHAFTSGEDANKE MIT UNTER-<br />

NEHMEN FUNKTIONIERT AUCH BEIM KLIMA-<br />

SCHUTZ. DIE WIRTSCHAFT IST EINER DER<br />

GRÖSSTEN EMITTENTEN VON TREIBHAUS-<br />

GASEN. GIBT ES HIER BEMÜHUNGEN VERÄNDE-<br />

RUNGEN ZU ERZIELEN?<br />

Der Schutz des Klimas ist die Überlebensfrage der<br />

Menschheit. Hauptverantwortlich für den Klimawandel<br />

sind wir in den Industrieländern. Die Hauptleidtragenden<br />

sind aber die Menschen in den Entwicklungsländern,<br />

die am wenigsten dazu beigetragen<br />

haben. Schon heute mussten bereits 20 Millionen<br />

Menschen aus den Dürreregionen Afrikas fliehen.<br />

Klimaschutz ist daher ein zentraler Schwerpunkt unserer<br />

Arbeit. Aber der Staat schafft das nicht alleine.<br />

Bürger und Unternehmen müssen mitmachen. Vor<br />

diesem Hintergrund hat das BMZ im vergangenen<br />

Herbst die „Allianz für Entwicklung und Klima“ gestartet.<br />

WOFÜR STEHT DIE ALLIANZ FÜR ENTWICK-<br />

LUNG UND KLIMA?<br />

Alle Mitglieder arbeiten daran, klimaneutral zu<br />

werden. Das heißt: Sie verringern und vermeiden<br />

CO 2<br />

wo es geht. Den restlichen CO 2<br />

-Ausstoß<br />

kompensieren sie mit qualitätsgeprüften Klimaschutzprojekten<br />

in Entwicklungs- und Schwellenländern.<br />

Etwa zur Aufforstung des Regenwaldes<br />

Nach einem Jahr machen bereits 400 Unternehmen,<br />

Städte, und Vereine mit – unter anderem Bosch,<br />

SAP, MunichRe, die TSG Hoffenheim, die Stadt Ulm<br />

und ganz neu Kühne und Nagel. Das Ziel sind 1.000<br />

klimaneutrale Unternehmen im nächsten Jahr. Das<br />

Bundesentwicklungsministerium wird übrigens bis<br />

Ende des Jahres klimaneutral.<br />

GERD MÜLLER ÜBERREICHT DEN PREIS AN DIE STÄDTE WERNIGERODE UND HOI AN AUS VIETNAM.<br />

WIE KANN MAN AUCH UNTERNEHMEN MOTI-<br />

VIEREN, DIE BISHER EHER WENIGER FOKUS<br />

AUF ENTWICKLUNG UND KLIMA LEGEN?<br />

Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis 2019 bietet eine<br />

spannende Plattform, um nachhaltigkeitsorientierte<br />

Unternehmerinnen und Unternehmern zum<br />

Mitmachen zu begeistern. Zum Beispiel bei unserer<br />

Allianz für Entwicklung und Klima – passend zum<br />

ersten Geburtstag.<br />

AUCH BEI DER FÖRDERUNG EINER WELT-<br />

WEITEN KREISLAUFWIRTSCHAFT BIETEN<br />

SICH PARTNERSCHAFTEN AN. WAS UNTER-<br />

NEHMEN SIE?<br />

Wir haben dieses Jahr die PREVENT Abfall Allianz<br />

ins Leben gerufen, um unsere Partnerländer beim<br />

Aufbau einer Abfall- und Kreislaufwirtschaft zu unterstützen.<br />

Die 60 Mitglieder setzen sich gemeinsam<br />

dafür ein, weltweit Abfälle zu minimieren, Schadstoffe<br />

zu eliminieren und Ressourcen im Kreislauf<br />

zu führen. Sie sehen: Unternehmen und Kommunen<br />

sind bereits auf verschiedenste Art und Weise aktiv,<br />

die UN Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Das wollen<br />

wir in den nächsten Jahren ausbauen!<br />

„ Der Schutz<br />

des Klimas<br />

ist die<br />

Überlebensfrage<br />

der<br />

Menschheit.“


BRIEFING FÜR DIE<br />

KANZLERIN<br />

Autor<br />

STEFAN SCHULZE-HAUSMANN, INITIATOR DES DEUTSCHEN NACHHALTIGKEITSPREISES<br />

Angekommen. Die Bundeskanzlerin informiert<br />

sich aus erster Hand über den Deutschen Nachhaltigkeitspreis<br />

und die Praxis von ausgezeichneten<br />

Unternehmen. Auf Vorschlag von Günther Bachmann<br />

hat sie den Initiator der Auszeichnung, Stefan<br />

Schulze-Hausmann, zusammen mit Vertreter/innen<br />

von fünf preisgekrönten Unternehmen zu einem<br />

einstündigen Gespräch eingeladen.<br />

Es ist 11.45 Uhr am 6. November 2019, Berlin, Willy<br />

Brandt-Platz 1, Bundeskanzleramt, Kanzlerinnen-<br />

Ebene. Protokoll- und Sicherheitskräfte haben die<br />

kleine Gruppe in den sechsten Stock geleitet. Nach<br />

einem schnellen Gruppenfoto sitzen wir im Kleinen<br />

Lageraum an einem runden Tisch mit Rundumblick<br />

auf das Berliner Regierungsviertel. Unsere Gruppe<br />

ist nach Frauen und Männern ausbalanciert. Aber<br />

die Kanzlerin toppt uns mit drei Begleiterinnen. Unter<br />

einem Gemälde von Konrad Adenauer eröffnet<br />

Bundeskanzlerin Angela Merkel verbindlich und<br />

schnörkellos das Gespräch.<br />

Mehrfach in den letzten Jahren hatte sie die jährliche<br />

Schirmherrschaft über den Deutschen Nachhaltigkeitspreis<br />

übernommen und häufiger schon<br />

die Vorreiterrolle der Preisträger angesprochen.<br />

Nun will sie aus erster Hand wissen, wie es weitergehen<br />

soll mit dem nachhaltigen Wirtschaften.<br />

Die zentralen Fragen: Was machen die „nachhaltige<br />

DIE KANZLERIN EMPFING AUSGEWÄHLTE SIEGER DES DEUTSCHEN NACHHALTIGKEITSPREISES.<br />

Unternehmen“ anders und besser als die Wettbewerber?<br />

Wo klemmt es aber auch? Wo braucht „das<br />

nachhaltige Wirtschaften“ Unterstützung durch die<br />

Regierung, und welche?<br />

DAS BRIEFING<br />

Günther Bachmann stellt die Gäste vor. Stefan<br />

Schulze-Hausmann referiert zu Erfolgen und<br />

Wirkung des Deutschen Nachhaltigkeitspreises.<br />

Konzentriert zuhören, neugierig Details nachfragen<br />

und auch schon mal im Kopf nachrechnen, informiert<br />

keine Antwort schuldig bleiben – die Bundeskanzlerin<br />

lässt sich ein. Sie moderiert das Gespräch<br />

selbst, gibt aber auch Raum für spontane Einwürfe<br />

und Rückfragen.<br />

Birgit Bohle, Vorstandsmitglied der Deutschen<br />

Telekom, legt ihren Fokus auf das ambitionierte<br />

Ziel, den steigenden Datenverkehr vom Energieverbrauch<br />

zu entkoppeln. Für sie die größte Engstelle:<br />

Energiepreise und -abgaben verhindern derzeit,<br />

dass eine Europäische Datencloud auch Server in<br />

Deutschland hat. Dr. Daniela Büchel, Bereichsvorstand<br />

bei der REWE Group, beschreibt die Rolle von<br />

wöchentlich über 75 Millionen Kundenkontakten für<br />

den Aufbau von nachhaltigeren Sortimenten, fairen<br />

Umgang mit Partnern und Lieferanten und umweltund<br />

klimabewusstere Verpackungslösungen im Massenmarkt.<br />

Gerade weil zehn Jahre Nachhaltigkeit bei<br />

REWE und im Markt viel erreicht haben, müsse jetzt<br />

STARKES ZEICHEN DER ANERKENNUNG: ANGELA MERKEL FÜHRTE EIN INTENSIVES GESPRÄCH ÜBER DIE CHANCEN NACHHALTIG WIRTSCHAFTENDER UNTERNEHMEN.<br />

die Politik helfen, die Tierwohlbelange verbindlich<br />

und klar vorzugeben. Ralf Putsch, geschäftsführender<br />

Gesellschafter von KNIPEX, berichtet über die<br />

Erfolge der Material- und Energieeffizienz seiner<br />

besonders hochwertigen Werkzeuge. Getroffen<br />

werden diese Erfolge gegenwärtig durch die amerikanische<br />

Zollpolitik und langfristig durch drohende<br />

Energiepreissteigerungen. Dass Nachhaltigkeit<br />

von Anfang an der originäre Gründungsimpuls von<br />

Sodasan war, erklärt Kerstin Stromberg, CEO von<br />

Sodasan. Mit innovativen Wirkstoffen aus ökologisch<br />

„Was machen die<br />

nachhaltigen<br />

Unternehmen besser<br />

als die Wettbewerber?“<br />

angebauten, nachwachsenden Rohstoffen macht<br />

sie Wasch- und Reinigungsmittel noch effizienter<br />

und hilft den Kunden dadurch bei der nachhaltigen<br />

Lebensweise. Michael Wiener, CEO der Unternehmensgruppe<br />

mit dem Grünen Punkt, erläutert die<br />

Situation beim Plastik-Recycling, insbesondere von<br />

Verkaufsverpackungen. Recyclingkunststoffen gehört<br />

die Zukunft, aber die Nachfrage stockt und gibt<br />

den Herstellern zu wenige Impulse. Um den Kreislauf<br />

von Kunststoffen voranzubringen, spricht er sich für<br />

eine politisch vorzugebende Einsatzquote aus. Dis-<br />

kutiert wird nicht mehr, was in den Spitzen-Unternehmen<br />

einst die ersten Schritte zur Nachhaltigkeit<br />

waren – Strukturen schaffen, Chefinnen-Sache,<br />

Stakeholder einbeziehen, Berichterstatten. In der<br />

Spitze gilt das mittlerweile als „gelernt“, aber noch<br />

nicht in der Breite. Jetzt, so wird deutlich, kann und<br />

muss die Politik nachziehen, um den Impuls der Pio-<br />

niere in die gesamte Breite zu bringen. Die Sorge vor<br />

Sonderbelastungen und kontraproduktiven Effekten<br />

insbesondere der EEG-Umlage wird ebenso deutlich<br />

wie das Setzen auf die Regierungsverantwortung für<br />

Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeitssiegel.<br />

Günther Bachmann regt zusammenfassend für<br />

die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung<br />

an, den ausgezeichneten Unternehmen und ihren<br />

Impulsen einen Platz zu geben. Angesprochen wird<br />

auch, wie die Ressorts der Bundesregierung das<br />

Bundesinteresse zur nachhaltigen Wirtschaft sehen<br />

und den DNP unterstützen. Die politische Wahrnehmung<br />

der Nachhaltigkeitsimpulse aus der Wirtschaft<br />

sei zum beiderseitigen Nutzen noch zu steigern, so<br />

Bachmann.<br />

Die Bundeskanzlerin dankt für die zahlreichen<br />

Anregungen, die ungeschminkte Diskussion und<br />

das hervorragende Nachhaltigkeitsengagement in<br />

deutschen Unternehmen.


21<br />

BRAUCHT NACHHALTIGE<br />

GASTRONOMIE EINEN PREIS?<br />

Interview<br />

ANDREA WEBER<br />

WIE BEEINFLUSST DAS UNSERE RESTAURANT-<br />

BESUCHE?<br />

Die Menschen setzen sich nicht zuletzt wegen der<br />

#FridaysForFuture zunehmend mit den Fragen des<br />

Klimawandels auseinander. Essen ist dabei zu einem<br />

Dreh- und Angelpunkt geworden, zum Beispiel die<br />

Frage, ob nun moderater Fleischgenuss, Rückbesinnung<br />

auf Regionalität oder Fleischverzicht der<br />

goldene Weg zum Klimaschutz ist, der auf unseren<br />

„Wer es<br />

schafft,<br />

seine<br />

Produkte<br />

und Services<br />

vor seinen<br />

Mitbewerbern<br />

im<br />

Kreislauf zu<br />

planen, der<br />

wird zu den<br />

Gewinnern<br />

gehören.“<br />

CIRCULAR ECONOMY –<br />

THE NEXT BIG THING.<br />

Autor<br />

Seit vielen Jahrzehnten kennt unsere Wirtschaftsweise<br />

nur eine Richtung: Herstellen, Verwenden,<br />

Entsorgen. Dies gilt für die Produktion, die globale<br />

Verteilung und die Verwendung von Produkten und<br />

ist ein wesentlicher Baustein unseres Wohlstands.<br />

Wenn man nur in eine Richtung denken muss, vereinfacht<br />

dies vieles. Doch wir merken immer mehr, dass<br />

es auf einem Planeten mit begrenztem Ökosystem<br />

und limitierten Ressourcen kein lineares Denken<br />

geben kann.<br />

DR. CARSTEN GERHARDT, PARTNER BEI A.T. KEARNEY IM BEREICH ENERGY AND PROCESS INDUSTRIES<br />

Dafür sind die massiven, menschengemachten<br />

Einträge in die natürliche Umwelt zu erheblich. Sie<br />

scheinen für uns in Europa (noch) weit weg wie im<br />

Falle des „Plastic-Ocean“, des Artensterbens oder<br />

des Klimawandels. Tatsächlich spüren wir die Folgen,<br />

seien es Mikroplastik im Fisch auf unseren Tellern<br />

oder die Rekordhitzen.<br />

Bisher sind die Kosten für diese externen Schäden<br />

nicht in die Wirtschaftlichkeitsrechnung eingepreist.<br />

Damit verschaffen sie der linearen Wirtschaft einen<br />

wichtigen Kostenvorteil gegenüber geschlossenen<br />

Systemen, auch wenn sich in vielen Ländern bei Glas<br />

oder der Abwasserreinigung schon das Kreislaufprinzip<br />

etabliert hat.<br />

Doch die Tage des linearen Wirtschaftens sind<br />

gezählt. Verbraucher und Regulatoren akzeptieren<br />

immer weniger, dass Kosten externalisiert werden.<br />

Unternehmen sehen sich damit auf drei Ebenen gefordert:<br />

In Bereichen, wo Umwelteinträge vermeidbar<br />

sind, wie bei größeren Plastikprodukten, ist die<br />

Umstellung über Recylingsysteme mehr eine Frage<br />

des Wollens. Bei unbeabsichtigten oder technisch<br />

schwer zu vermeidenden Umwelteinträgen, wie etwa<br />

Mikroplastik in Kosmetik oder Reifenabrieb, ist eine<br />

Umstellung deutlich diffiziler. Nahezu unmöglich<br />

scheint sie, wo Einträge ins Ökosystem gewollt sind –<br />

wie bei Pflanzenschutzmitteln.<br />

Wer es schafft, seine Produkte und Services vor<br />

seinen Mitbewerbern im Kreislauf zu planen, der<br />

wird zu den Gewinnern gehören. Denn der Druck zur<br />

Veränderung wird angesichts einer wachsenden und<br />

wohlhabenderen Weltbevölkerung weiter massiv<br />

zunehmen.<br />

Für alle Zögerer gilt, Optimismus aus der Vergangenheit<br />

zu schöpfen. Wann immer sinnvolle<br />

Umweltstandards gesetzt wurden, waren diese nicht<br />

der Weltuntergang und haben oft Innovationen<br />

ausgelöst. Ein Grund liegt darin, dass der Teil der<br />

Wertschöpfung, der Umweltschäden auslösen kann,<br />

weniger als 20 Prozent der Gesamtkosten ausmacht.<br />

Selbst wenn man in diesem Teil durch andere Materialien<br />

oder Recycling die Kosten um 50 Prozent<br />

steigert, so ist diese Hälfte von 20 Prozent doch<br />

nur zehn Prozent vom Gesamtpreis – wenn sie nur<br />

eins zu eins durchgereicht und nicht beaufschlagt<br />

wird. Für den Abwasserreinigungskreislauf zahlt<br />

jeder Bundesbürger beispielsweise kaum 50 Cent<br />

am Tag.<br />

Die Juristin mit dem grünen Herzen trägt in der<br />

METRO AG als Director Corporate Responsibility u. a.<br />

die Verantwortung für nachhaltige Einkaufsrichtlinien.<br />

Sie ist Teil der Jury, die 3 Gastronomen*innen<br />

für das Finale im METRO Preis für nachhaltige<br />

Gastronomie auswählt. Über den Gewinner entscheiden<br />

Jury und DNP-Publikum am 21. November um<br />

14.15 Uhr im METRO Forum gemeinsam.<br />

FRAU WEBER, WARUM SPRECHEN WIR ÜBER<br />

NACHHALTIGKEIT IN DER GASTRONOMIE?<br />

Zwei Mega-Trends, Außer-Haus-Essen und nachhaltiger<br />

Lebensstil, überschneiden sich zunehmend.<br />

Aktuell sind unsere Ausgeh-Entscheidungen davon<br />

geleitet, ob mich das Restaurant online die Karte<br />

einsehen oder einen Tisch reservieren lässt, und<br />

– noch wichtiger – wie andere Besucher das Restaurant<br />

bewerten. In Zukunft, und mit Blick auf<br />

Themen wie Klimaschutz oder Plastikmüll wird<br />

es auch entscheidend sein, wie nachhaltig ein<br />

Restaurant ist.<br />

WIE KOMMT ES, DASS DIESE THEMEN UNSERE<br />

RESTAURANTWAHL BEEINFLUSSEN?<br />

Wir alle erleben, dass unsere Umwelt unter großem<br />

Druck steht, weil wir viel zu lange nicht ausreichend<br />

verantwortungsvoll mit ihr umgegangen sind. Der<br />

Klimawandel ist eine Realität, die in den letzten<br />

Jahren durch Extremwetterereignisse, Hitzewellen<br />

und Ernteausfälle für jeden von uns spürbar wurde.<br />

Diese Entwicklungen machen auch an Restauranttüren<br />

nicht halt. Die Besucher wollen sehen, dass<br />

Themen wie Plastikmüllvermeidung, die Bekämpfung<br />

von Lebensmittelverschwendung oder Regionalität<br />

einen hohen Stellenwert haben. Zusätzlich<br />

wollen sie sich auch in ihrem Lebensstil bestätigt<br />

fühlen. Eine Karte kommt heute nicht mehr ohne<br />

vegetarische und vegane Gerichte aus.<br />

Tellern beginnt, wie viele Medien, Blogs und Politik<br />

diskutieren. Die gastronomischen Betriebe müssen<br />

sich damit auseinandersetzen, wie sie zu dem nachhaltigen<br />

Lebensstil beitragen, den ihre Kundinnen<br />

und Kunden im Alltag vermehrt anstreben. Wir<br />

essen täglich mehrmals. Mit unseren Entscheidungen<br />

können wir Veränderungen selbst und sofort<br />

herbeiführen. Deswegen ist Essen so essenziell in<br />

dieser Debatte.<br />

UND WAS WILL DER „METRO PREIS FÜR NACH-<br />

HALTIGE GASTRONOMIE“ ERREICHEN?<br />

Wir wollen mit dieser Ausschreibung zeigen, dass es<br />

bereits „grüne“ und verantwortungsbewusste Gastronomie<br />

gibt. Einreichungen aus ganz Deutschland<br />

haben uns erreicht, die unterschiedlicher nicht sein<br />

könnten – von der Betriebsgastronomie bis zum<br />

Deli. Die Bandbreite der Bewerbungen und die<br />

unterschiedlichen Konzepte haben uns gezeigt, dass<br />

Nachhaltigkeit längst ein bestimmendes Thema in<br />

der Gastronomie geworden ist.<br />

„ Nachhaltigkeit<br />

ist längst<br />

ein bestimmendes<br />

Thema in<br />

der Gastronomie<br />

geworden.“<br />

IN ZUKUNFT WIRD ES AUCH ENTSCHEIDEND SEIN, WIE NACHHALTIG EIN RESTAURANT IST.


23<br />

NACHHALTIGKEIT<br />

DURCH DIGITALISIERUNG –<br />

EINE CHANCENREICHE<br />

GRATWANDERUNG.<br />

Autor<br />

FELIX SÜHLMANN-FAUL, EXPERTE FÜR NACHHALTIGE DIGITALISIERUNG<br />

„ Es gibt<br />

viele<br />

Chancen,<br />

das Ziel der<br />

Nachhaltigkeit<br />

durch<br />

digitale<br />

Lösungen zu<br />

erreichen.“<br />

Wir befinden uns – unbestreitbar – im Zeitalter der<br />

Digitalisierung. Spezialthemen wie Blockchain,<br />

Künstliche Intelligenz oder die Beeinflussung von<br />

Wahlen durch die Hintertür sozialer Medien gehören<br />

inzwischen zu unserem Alltag. Viele Menschen<br />

fühlen sich überfordert oder fürchten um ihre Arbeit,<br />

die vielleicht bald von einer Maschine schneller erledigt<br />

werden könnte. An vielen Stellen werden wir<br />

inzwischen überwacht, registriert und analysiert.<br />

Eine öffentliche Thematisierung der wahrscheinlich<br />

größten Gefahr der Digitalisierung findet jedoch nur<br />

begrenzt statt – nämlich, dass die Digitalisierung<br />

viele Faktoren zu verstärken vermag, die eine ohnehin<br />

schon bedrohte Umwelt noch näher an den<br />

Kollaps führen. Beispiele für diese Faktoren sind der<br />

steigende Energieverbrauch, die Umweltbelastung<br />

durch Datenzentren und die stetig steigende Menge<br />

an Logistik durch schwunghaften E-Commerce oder<br />

die sozialen Folgen des Rohstoffabbaus, der in der<br />

Demokratischen Republik Kongo den Bürgerkrieg<br />

mitfinanziert. Nach wie vor wird fälschlicherweise<br />

mit Digitalisierung meist ein reiner, technologischer<br />

– ergo auch nachhaltiger – Akt assoziiert. Das hängt<br />

unter anderem mit den Potenzialen wie Dematerialisierung<br />

und Effizienzsteigerung zusammen. Das<br />

sind jedoch Potenziale, die sich empirisch selten bis<br />

nie realisieren.<br />

marktwirtschaftliche Interessen bestimmt wird. Das<br />

Leitbild eines stetigen Wirtschaftswachstums hat<br />

im exponentiellen Wachstum der Technologie einen<br />

mächtigen Verbündeten gewonnen. Durch Big Data,<br />

ständige Beobachtung durch soziale Netzwerke und<br />

Apps auf unseren Smartphones werden uns maßgeschneiderte<br />

Konsumchancen an jeder Ecke und zu<br />

jeder Uhrzeit mit niedrigsten Schwellen offeriert.<br />

Immerhin scheinen sich jedoch die Zeiten zu ändern,<br />

in denen die Stimmen der Wirtschaft einstimmig das<br />

Lied der ‚automatischen Nachhaltigkeit per Digitalisierung‘<br />

gesungen haben. Einige Unternehmen nutz-<br />

en die Chance der Digitalisierung ihrer Produktion,<br />

ihres Geschäfts- oder Betriebsmodells, um im Zuge<br />

dieser Transformation auch das Thema Nachhaltig-<br />

keit in den Vordergrund zu rücken. Es gibt Vorreiter<br />

dafür, die beide Themen – Digitalisierung und<br />

Nachhaltigkeit – beispielhaft miteinander verbinden.<br />

Bekleidungshersteller, die die Wertschöpfungskette<br />

ihrer Produkte mit den Mitteln der Digitalisierung<br />

genau überprüfen, um festzustellen, ob in den<br />

Fertigungsstätten ökologische und soziale Auflagen<br />

eingehalten werden. Oder Hosting-Unternehmen,<br />

die sich genossenschaftlich organisieren und das<br />

Unternehmensziel auf maximale Nachhaltigkeit und<br />

nicht auf Gewinnmaximierung ausrichten.<br />

in diesem Jahr erstmals der Deutsche Nachhaltigkeitspreis.<br />

Und so wird in diesem Jahr das erste Mal<br />

der Sonderpreis Digitalisierung in sämtlichen Bewerbungskategorien<br />

vergeben. Im Auswahlverfahren<br />

für die Nominierungsplätze zeigte sich, dass<br />

einige Unternehmen, Städte und Kommunen, Startups,<br />

Forschungs- und Architekturprojekte verstanden<br />

haben, worauf es wirklich bei einer nachhaltigen<br />

Digitalisierung ankommt: auf Nachhaltigkeit. Das<br />

klingt vielleicht banal – ist es aber keineswegs. Denn<br />

genauso wenig wie der Strom einfach aus der Steckdose<br />

kommt, erzeugt die Digitalisierung automatisch<br />

Nachhaltigkeit. Wenn man Nachhaltigkeit als<br />

Ziel wählt – und diese vor allem mehrdimensional<br />

denkt – kann die Digitalisierung in vielen Bereichen<br />

ein hilfreiches Werkzeug sein, Nachhaltigkeit erfolgreich<br />

zu erreichen.<br />

Beispiele aus den Nominierungsrängen zeigen, wie<br />

das geht: Das Unternehmen Stadtwerke Trier verfolgt<br />

den nachhaltigen Einsatz von regenerativem<br />

Strom in allen Sektoren. Da Energieversorgung aus<br />

erneuerbaren Quellen kleinteilig, komplex ist und<br />

dezentral erfolgt, unterstützen neuronale Netze<br />

die Steuerung der Anlagen. Ziel hierbei ist es, die<br />

gesamte Region nach und nach vollständig durch<br />

erneuerbare Energien zu versorgen. Eine von vielen<br />

Bemühungen um eine nachhaltige Digitalisierung<br />

der Stadt Ulm besteht im Test, die Verwendung von<br />

KI zur Übersetzung bestehender Informationstexte<br />

in leichte Sprache einzusetzen. Das Forschungsprojekt<br />

Leipzig mobil 2.0 ermöglicht es, über die App<br />

der Leipziger Verkehrsbetriebe sehr übersichtlich<br />

neben dem ÖPNV eine Vielzahl anderer Mobilitätsdienstleistungen<br />

wie Leihräder, Carsharing und<br />

vieles mehr zu finden, zu buchen und zu bezahlen.<br />

Dies ermöglicht individuelle, multimodale Mobilität<br />

mit Zeit- und Kostentransparenz und vor allem<br />

ökologischer Nachhaltigkeit.<br />

Die beschriebenen nominierten Projekte und<br />

Unternehmen bewegen sich auf einer Nachhaltigkeitsebene,<br />

die sich erst durch die Digitalisierung erschließen<br />

lässt. Daher handelt es sich um besonders<br />

gute Beispiele für eine nachhaltige Digitalisierung.<br />

Nun darf nur der Fehler nicht begangen werden zu<br />

denken, dass sich alles am besten durch Technologie<br />

lösen lassen würde. Zwar waren wir in der<br />

Menschheitsgeschichte nie so allgegenwärtig umfasst<br />

von Technologie und nie waren wir so abhängig:<br />

Energieerzeugung, Wasseraufbereitung,<br />

Nahrungsmittelproduktion sind nur drei sehr essenzielle<br />

Gebiete, von denen unser Leben abhängt.<br />

Und diese sind hochtechnisiert organisiert. Da liegt<br />

der Gedanke nahe, dass alle Probleme – auch auf<br />

ökologischer oder sozialer Ebene – einfach per<br />

Knopfdruck gelöst werden könnten.<br />

Der Einsatz der Werkzeuge der digitalen Transformation<br />

muss jedoch behutsam und intelligent<br />

erfolgen. Sie können eine Hilfe auf dem Weg<br />

zur Nachhaltigkeit sein – das zeigen die obigen<br />

Beispiele deutlich. Aber Nachhaltigkeit entsteht<br />

durch Digitalisierung keineswegs automatisch, da<br />

auch eine gut gemeinte digitale Lösung ihrerseits<br />

durch Energieverbrauch, die verbauten Rohstoffe<br />

oder einen sehr kurzen Lebenszyklus neue Nachhaltigkeitsprobleme<br />

erzeugen kann. Da die Chancen<br />

und Risiken der Digitalisierung so eng beieinander<br />

liegen, muss hier sauber abgewogen werden. Das<br />

Ziel muss Nachhaltigkeit sein und bleiben – das darf<br />

dabei nicht vergessen werden.<br />

DEUTSCHER NACH-<br />

HALTIGKEITSPREIS<br />

SONDERPREIS<br />

DIGITALISIERUNG<br />

Der Sonderpreis Digitalisierung<br />

prämiert Unternehmen<br />

und Startups,<br />

die mit digitalen Produkten,<br />

Prozessen oder Dienstleistungen<br />

erfolgreich Nachhaltigkeitsherausforderungen<br />

begegnen. Er honoriert Kommunen<br />

für Digitalisierung,<br />

die den Bürger/innen nutzt,<br />

sowie Forschungs-<br />

und Architekturprojekte,<br />

in denen digitaler auch<br />

nachhaltiger bedeutet. Die<br />

Auszeichnung wird in Partnerschaft<br />

mit der Deutschen<br />

Telekom AG vergeben.<br />

<strong>#DNP12</strong><br />

Ein besonderes Nachhaltigkeitsdefizit besteht darin,<br />

dass die digitale Transformation sehr stark durch<br />

Dass es viele Chancen gibt, das Ziel der Nachhaltigkeit<br />

durch digitale Lösungen zu erreichen, prämiert<br />

DIE MULTIMODALE PLATTFORM DER LEIPZIGER VERKEHRSBETRIEBE INTEGRIERT NEBEN DEN ÖFFENTLICHEN PERSONENNAHVERKEHR AUCH ALTERNATIVE VERKEHRSTRÄGER.


24<br />

25<br />

„Digitale Transformation ist nichts Magisches“ –<br />

für Sebastian Klauke, CDO der Otto Group, ist es<br />

vielmehr wichtig, offen für neue und kreative Wege<br />

zu sein und Ideen konsequent zu verfolgen. Das<br />

beinhaltet auch die Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen.<br />

Denn die Digitalisierung bedeutet<br />

zwar keine automatische Disruption von bestehenden<br />

Geschäftsmodellen, aber sie offenbart neue<br />

Möglichkeiten und schafft Chancen, die genutzt und<br />

gestaltet werden wollen (Weitkamp 2019; t3n Nr. 56<br />

S. 96 – 99).<br />

„Neue<br />

digitale<br />

Geschäftsansätze<br />

haben ein<br />

großes<br />

Potenzial<br />

für eine<br />

ökologisch<br />

positive<br />

Wirkung.“<br />

Im besten Fall antizipieren Unternehmen Markttrends<br />

oder wesentliche Änderungen auf dem Markt,<br />

die etwa durch die Digitalisierung bewirkt werden,<br />

mittels einer Anpassung ihrer Geschäftsmodelle.<br />

Angesichts der Potenziale, aber auch der Risiken<br />

von Digitalisierung für eine nachhaltige Entwicklung,<br />

liegt das Augenmerk im Folgenden darauf, wie<br />

digitale Geschäftsmodelle zu einer nachhaltigen<br />

Wirtschaftsform beitragen können.<br />

Häufig sind digitale Geschäftsumfelder komplexer<br />

und agiler als traditionelle. Konkret kann dies bedeuten,<br />

dass eine produktorientierte Sichtweise aus<br />

traditionellen Geschäftsmodellen sich nicht unbedingt<br />

langfristig gegen eine agilere durchsetzen wird.<br />

Ermöglicht werden digitale Geschäftsmodelle durch<br />

Verfahren und Technologien wie Big Data, Künstliche<br />

Intelligenz oder Digitale Plattformen – sogenannte<br />

Enabler – die neue Leistungen, Produkte und<br />

Geschäftsmodelle generieren.<br />

Doch wie kann ein Unternehmen ein neues Geschäftsmodell<br />

entwickeln? Eine Analyse des eigenen<br />

Kundenstamms kann ein guter Beginn sein. Im Fokus<br />

steht dabei, mit welchem Problem der Kunde auf das<br />

eigene Angebot zukommt und was für einen Nutzen<br />

er sich dadurch erhofft. Mit der strategischen und<br />

analytischen Beobachtung ergeben sich zielgruppenspezifischere<br />

Aussagen und Angebotsnischen für<br />

das Unternehmen. Einem Beispiel von Theodor<br />

AUFTAKTKONFERENZ: INNOVATIVE LÖSUNGSANSÄTZE FÜR EINE NACHHALTIG-DIGITALE ENTWICKLUNG.<br />

Levitt folgend hat ein Kunde, der einen Bohrer kauft,<br />

wahrscheinlich zunächst kein grundlegendes Interesse<br />

an dem Bohrer selbst, sondern an einem Loch<br />

in einer Wand, um somit etwas befestigen zu können.<br />

Ein gutes Angebot ist folglich eins, das das bestmögliche<br />

Loch bietet.<br />

Beispiel für ein solches Geschäftsmodell ist die<br />

Leih- beziehungsweise Leasingmöglichkeit einer<br />

Bohrmaschine. Sie ist kostengünstiger als der<br />

Erwerb eines herkömmlichen Bohrers und wird dadurch<br />

insbesondere für Privathaushalte attraktiv.<br />

Das Leasingmodell liefert somit nicht nur eine<br />

kostengünstigere Alternative, sondern kann auch<br />

ökologische Verbesserungen ermöglichen. Gerade<br />

in Bezug auf Alltagsgegenstände, die nicht täglich<br />

genutzt werden, wie Werkzeuge, kann ein intelligent<br />

entwickeltes Leih- bzw. Leasingmodell nicht<br />

nur neue Absatzwege ermöglichen, sondern auch<br />

große Ressourceneffizienzpotenziale erschließen<br />

– indem ein Gut mehreren Konsument*innen zugänglich<br />

gemacht, nach der Beendigung der Nutzung<br />

aufbereitet und somit der Lebenszyklus verlängert<br />

wird. Die Dynamik der Digitalisierung lässt derzeit<br />

stets neue kreative Modelle in diesem Bereich entstehen.<br />

So werden – von Rücksäcken über private<br />

Heizungsanlagen bis hin zu verschiedenen Fahrradarten<br />

– Gebrauchsgegenstände verliehen oder<br />

geleast. Solche Wirtschaftsmodelle können, ebenso<br />

wie neue Produkte oder Dienstleistungen, dazu beitragen,<br />

Stoffkreisläufe zu schließen und Ressourcen<br />

zu schonen.<br />

NEUE GESCHÄFTSMODELLE –<br />

DIGITAL UND NACHHALTIG?<br />

Autor/innen<br />

JULIA FINK UND JAN RÜTER, WISSENSCHAFTLICHE MITARBEITER NACHHALTIG.DIGITAL<br />

Und doch ist auch bei Nutzen-statt-Besitzen-Angeboten<br />

nicht grundsätzlich klar, ob sie ökologisch<br />

positiv wirken, da häufig Alltagsroutinen verändert<br />

werden müssen. So wird das flexible free-floating-<br />

Carsharing auch genutzt, um Fahrten mit dem öffentlichen<br />

Nahverkehr oder dem Fahrrad zu ersetzen,<br />

und wirkt damit nicht nur positiv im Sinne einer<br />

Substitution des eigenen Autos.<br />

Dort, wo neue digitale Geschäftsmodelle mit erhöhten<br />

Ressourcen- und Energieverbräuchen, wie<br />

zum Beispiel Rebound-Effekten, verbunden sind,<br />

gilt es daher umso mehr die ökologischen, sozialen<br />

und ethischen Implikationen mit zu berücksichtigen.<br />

Dann können neue Geschäftsansätze, wie sie<br />

häufig von Startups entwickelt werden, ein großes<br />

Potenzial für eine ökologisch positive Wirkung<br />

haben. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU)<br />

hat dieses Potenzial erkannt und ein spezielles<br />

Förderprogramm für grüne Startups mit einem<br />

Schwerpunkt auf Digitalisierung aufgelegt, um<br />

gezielt unternehmerische digitale Lösungen für noch<br />

ungelöste Umweltprobleme zu fördern.<br />

Neben dem Förderprogramm hat die Stiftung gemeinsam<br />

mit dem Unternehmensverband B.A.U.M. e.V.<br />

2018 die Kompetenzplattform nachhaltig.digital<br />

initiiert. Primär werden mit dem Mittelstand Dialoge<br />

geführt, Ideen vernetzt und über Branchengrenzen<br />

hinweg konkrete Lösungsansätze entwickelt. Die<br />

Plattform bündelt praxisrelevante Informationen,<br />

z. B. Veranstaltungshinweise oder Gastbeiträge zu<br />

den Schwerpunktthemen, neben Geschäftsmodellen<br />

insbesondere zu Künstlicher Intelligenz, New Work<br />

oder Messbarkeit. Good-Practice-Beispiele zeigen,<br />

wie Digitalisierung als Werkzeug für Nachhaltigkeit<br />

bereits eingesetzt wird. So sollen Innovationen<br />

initiiert und Übertragungsmöglichkeiten zwischen<br />

Branchen aufgezeigt werden. Haben auch Sie ein interessantes<br />

Digitalisierungsprojekt, das Sie vorstellen<br />

wollen oder möchten sich informieren, dann können<br />

Sie dieses unter https://nachhaltig.digital tun.<br />

DBU FÖRDERUNG: DAS STARTUP PYDRO WILL MIT INTELLIGENTEN WASSERROHRSYSTEMEN ENERGIE SPAREN.


27<br />

DAS JUGENDPARLAMENT<br />

und achtet man auch,“ so Lutz Spandau. Darüber<br />

hinaus wird die Voliere für Umweltbildung genutzt.<br />

2013 erhielt die Stadt Pfaffenhofen an der Ilm<br />

Besonders Kinder sollen von den Möglichkeiten<br />

den Deutschen Nachhaltigkeitspreis für Städte<br />

des interaktiven Lernens profitieren und so früh mit<br />

und Gemeinden. Hinsichtlich der Heranführung<br />

Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen in Berührung<br />

Jugendlicher an politische Verantwortung und<br />

kommen: Ein Zwitscher-Lehrpfad bietet einen<br />

soziale Integration ist das „Jugendparlament“ eine<br />

Mix aus Infotafeln und interaktiven Stationen. Da<br />

Erfolgsgeschichte. Die Kleinstadt entschloss sich<br />

einheimische Vögel in den Lehrplänen diverser<br />

dazu, die Jugendlichen entscheiden zu lassen, wel-<br />

Schulformen vorkommen, wird über den Lehrpfad<br />

che Projekte mit dem Preisgeld unterstützt werden.<br />

eine Unterrichtseinheit zu diesem Thema ausgear-<br />

U. a. wurden folgende nachhaltige Projekte bewilligt:<br />

Die Einrichtung einer Energieverbrauchsanzeige<br />

am Gymnasium, der barrierefreie Bau eines<br />

Kräuterhochbeetes durch psychisch Kranke, die<br />

Anschaffung von Materialien zur Freizeitgestaltung<br />

beitet werden.<br />

NACHHALTIGKEIT ZUM MITMACHEN<br />

Die Stadt Neumarkt in der Oberpfalz erhielt 2012<br />

DEUTSCHER NACH-<br />

HALTIGKEITSPREIS<br />

FÜR STÄDTE UND<br />

GEMEINDEN<br />

von Asylbewerbern und eine virtuelle Ausstellung<br />

den Titel als „Deutschlands nachhaltigste Stadt<br />

„ Der DNP<br />

fördert<br />

herausragende<br />

Nachhaltigkeitsinitiativen,<br />

prämiert die<br />

Besten und<br />

verschafft<br />

deren Träger<br />

hohe öffentliche<br />

Aufmerksamkeit.“<br />

STÄDTEPREIS FOR FUTURE –<br />

ENGAGEMENT FÜR<br />

DIE JUGEND.<br />

Warum sollen wir für eine Zukunft lernen, die nicht<br />

lebenswert ist? Das fragen sich weltweit Kinder und<br />

Jugendliche der sozialen Bewegung „Fridays For<br />

Future“. Es ist eine Ermahnung zum Handeln, für<br />

möglichst umfassende, schnelle und effiziente Umwelt-<br />

und Klimaschutzmaßnahmen. Der Deutsche<br />

Nachhaltigkeitspreis für Städte und Gemeinden<br />

setzt genau dort an – hier wird nicht nur über<br />

Nachhaltigkeit geredet, sondern gehandelt. Der<br />

Preis engagiert sich schon seit vielen Jahren für die<br />

Jugend: Die ausgezeichneten Kommunen erhalten<br />

von der Allianz Umweltstiftung jeweils € 30.000,-<br />

für Projekte zur nachhaltigen Stadtentwicklung. „Wir<br />

verfolgen das Ziel, nachhaltiges Handeln zu fördern<br />

und damit den Wandel zu einer nachhaltigen Gesellschaft<br />

voranzubringen“, sagt Dr. Lutz Spandau,<br />

Vorstand der Allianz Umweltstiftung. Insbesondere<br />

zukünftige Generationen, so Spandau, werden bereits<br />

seit Beginn der Auszeichnung mit Fördermitteln<br />

bedacht: „Unsere Projekte für junge Menschen<br />

zeigen, dass Umweltschutz Freude macht, wenn<br />

er sich nicht nur auf Verbote und den erhobenen<br />

Zeigefinger beschränkt – das ist gelerntes nachhaltiges<br />

Handeln und Denken.“<br />

zum Thema Klimawandel des Energie- und Solarvereines.<br />

Mittlerweile gibt es das Jugendparlament<br />

seit 20 Jahren. Durch das Einbringen von Vorschlägen<br />

in die Stadtverwaltung und eigene Aktivitäten<br />

sowie Projekte gestaltet das Jugendparlament das<br />

Pfaffenhofener Gemeinwesen aktiv mit.<br />

VERMITTLUNG VON UMWELTWISSEN<br />

Delitzsch wurde als „Deutschlands nachhaltigste<br />

Stadt mittlerer Größe 2016“ ausgezeichnet. In<br />

Abstimmung mit der Allianz Umweltstiftung entschied<br />

die Kommune, das Preisgeld in den Neubau<br />

einer Voliere im Tiergarten Delitzsch zu investieren.<br />

Sie soll einen Beitrag dazu leisten, auf die inzwischen<br />

problematische Situation der Singvögel<br />

aufmerksam zu machen: „Ich wünsche mir, dass<br />

sich die Kinder auf die Bank in der Voliere setzen,<br />

beobachten, staunen und sich an dieser Vogelwelt<br />

erfreuen. Denn was man liebt, das schützt<br />

mittlerer Größe“. Das mit der Auszeichnung verbundene<br />

Preisgeld verwendete die Kommune für<br />

die Umsetzung des Programms „Nachhaltigkeit<br />

neu lernen“. Das Prinzip ist einfach: Man wähle<br />

viele kleinere, so genannte Mikroprojekte zur<br />

Nachhaltigkeit aus, unterstütze sie mit kleineren<br />

Geldbeträgen und stifte so möglichst viele Bürger<br />

zu entsprechendem Handeln an. Die geförderten<br />

Projekte reichen von Schulprojekten zum Klimawandel<br />

über Kindergarten-Aktionen zur gesunden<br />

Ernährung bis zu Abendkursen über längst<br />

vergessene Methoden zur Haltbarmachung von<br />

Lebensmitteln. Ein Teil des Preisgeldes wurde<br />

beispielsweise zur Förderung des Mikro-Projektes<br />

„Papierrecycling mal anders“ und „Solar-Velo-Taxi“<br />

verwendet. Schüler bastelten solarbetriebene<br />

Automodelle und gemeinsam mit einem Lehrer ein<br />

solar betriebenes Fahrrad-Taxi, das es nun möglich<br />

macht, auf den Rollstuhl angewiesene Mitschüler<br />

am Wandertag mitzunehmen.<br />

Der Preis zeichnet deutsche<br />

Städte und Gemeinden<br />

aus, die im Rahmen ihrer<br />

wirtschaftlichen Mög-<br />

lichkeiten eine umfassende<br />

nachhaltige Stadtentwicklung<br />

betreiben. Der Deutsche<br />

Nachhaltigkeitspreis für<br />

Städte und Gemeinden<br />

wird jährlich an eine Groß-,<br />

Mittel- und Kleinstadt/<br />

Gemeinde vergeben. Die<br />

diesjährigen Sieger Bad<br />

Berleburg, Aschaffenburg<br />

und Osnabrück erhalten von<br />

der Allianz Umweltstiftung<br />

jeweils 30.000,- Euro für<br />

Nachhaltigkeitsprojekte.<br />

<strong>#DNP12</strong><br />

DR. LUTZ SPANDAU,<br />

VORSTAND DER ALLIANZ UMWELT-<br />

STIFTUNG<br />

DAS „SOLAR-VELO-TAXI“ IST EINES VON 52 MIKROPROJEKTEN IM RAHMEN DES FÖRDERPROGRAMMS „NACHHALTIGKEIT NEU LERNEN“.


28<br />

ZIRKULÄRE WERTSCHÖPFUNG –<br />

UNTERSCHÄTZTE POTENZIALE<br />

FÜR KOMMUNEN.<br />

Autor<br />

OLIVER HAUBNER, SENIOR PROJECT MANAGER, BERTELSMANN STIFTUNG<br />

Man könnte vermuten, das Konzept der zirkulären<br />

Wertschöpfung sei nur ein neuer, weiterer Trend der<br />

Stadtentwicklung. In Wirklichkeit jedoch birgt der<br />

Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft zahlreiche<br />

Chancen, um langfristig stabile wirtschaftliche, soziale<br />

und umwelttechnische Vorteile in Kommunen zu<br />

schaffen.<br />

Zirkuläre Wertschöpfung, Kreislaufwirtschaft,<br />

Cradle to Cradle. Drei Konzepte, die – von Akzentuierungen<br />

abgesehen – im Grunde alle denselben<br />

Paradigmenwechsel beschreiben: Die Abkehr von<br />

der klassischen linearen Ökonomie (herstellen,<br />

verwenden, entsorgen) hin zu einem Modell, das<br />

restaurativ und regenerativ angelegt ist. Das klassische<br />

„End-of-Life-Konzept“ wird durch das Prinzip<br />

der Wiederherstellung, eine zunehmende Nutzung<br />

erneuerbarer Energien, den Verzicht auf den Einsatz<br />

giftiger Chemikalien, die die Wiederverwendung<br />

und Rückführung in die Biosphäre beeinträchtigen,<br />

ersetzt. Im Kern zielt die Kreislaufwirtschaft auf die<br />

Beseitigung von Abfällen durch einen verbesserten<br />

Einsatz von Materialien, Produkten, Systemen und<br />

Geschäftsmodellen ab.<br />

VIEL PLATZ FÜR DAS STADTLEBEN IN OSLO DURCH EIN VERBOT VON PRIVAT-PKWS IN DER INNENSTADT.<br />

Konsequent zu Ende gedacht reden wir von einer<br />

Wertschöpfungsform, die eine Entkopplung des<br />

Wirtschaftswachstums von der Ressourcenentnahme<br />

ermöglicht und damit Wirtschaftswachstum<br />

in einen positiven Zusammenhang mit dem Schutz<br />

der Umwelt und von natürlichen Ressourcen bringt.<br />

DIE „R-PRINZIPIEN“<br />

Die Grundidee, Ressourcen so lange wie möglich<br />

im Einsatz zu halten und dabei den größtmöglichen<br />

Nutzen erfahrbar zu machen sowie am Ende jeder<br />

Nutzungsdauer Produkte und Materialien zurückzugewinnen<br />

und zu regenerieren, lässt sich mit einer<br />

Reihe von „R‘s“ umschreiben:<br />

Rethink: Umdenken<br />

Redesign: Neu- oder Umgestaltung<br />

Repurpose, Reuse and Share: Wiederverwendung,<br />

gemeinschaftliche Nutzung<br />

Repair<br />

Remanufacture: Wiederaufbereitung<br />

Recycle<br />

Recover: Wiedergewinnung<br />

VERANKERUNG IN DEN SDGs<br />

Die Kreislaufwirtschaft ist in den 17 Nachhaltigkeitszielen<br />

(SDGs) der Vereinten Nationen, der<br />

Agenda 2030, verankert. Querschnittsziel 12<br />

fordert zu nachhaltigem Konsum und nachhaltigen<br />

Produktionsmustern auf. Zudem lässt sich die<br />

Kreislaufwirtschaft einer ganzen Reihe weiterer<br />

Nachhaltigkeitsziele zuordnen, da sie zum Erreichen<br />

dieser Ziele einen signifikanten Beitrag leisten kann.<br />

Hierzu gehören zum Beispiel Ziel 6 (Sauberes Wasser),<br />

Ziel 11 (Nachhaltige Städte und Gemeinden),<br />

Ziel 13 (Maßnahmen zum Klimaschutz) sowie Ziel 15<br />

(Leben an Land).<br />

Was heißt das auf Kommunen übertragen? Wie<br />

können sie den Übergang zur „Kreislaufstadt“<br />

gestalten? Grundsätzlich gilt auch in diesem Fall:<br />

„One size fits all“ gibt es nicht. Was in Amsterdam,<br />

Haarlemmermeer, Kopenhagen oder Paris sinnvoll<br />

ist, muss nicht notwendigerweise auf eine deutsche<br />

Kommune zutreffen. Aber lohnend ist der Blick ins<br />

(europäische) Ausland allemal.<br />

VORBILDLICHE RADINFRASTRUKTUR: DIE HÄLFTE ALLER FAHRTEN INNERHALB KOPENHAGENS WERDEN MIT DEM FAHRRAD ERLEDIGT.<br />

DIE VISION<br />

Grundsätzlich möchte man eine kreislauforientierte<br />

Stadt so gestalten, um<br />

ein regeneratives, allgemein zugängliches<br />

und ergiebiges urbanes System zu schaffen,<br />

welches Wohlstand fördert, indem es die<br />

Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger<br />

erhöht und<br />

die Resilienz der Stadt verbessert sowie<br />

gleichzeitig<br />

die Wertschöpfung vom Verbrauch endlicher<br />

Ressourcen entkoppelt.<br />

Kein leichtes Unterfangen. Aber die Prinzipien der<br />

Kreislaufwirtschaft lassen sich in zahlreichen nachhaltigkeitsrelevanten<br />

Bereichen einer Kommune<br />

verankern.<br />

ANSATZPUNKTE FÜR EINE KREISLAUFSTADT<br />

Im Bereich Bauen geht es um modulare und flexible<br />

Gestaltung sowie die Nutzung gesunder Materialien,<br />

welche die Lebensqualität der Bewohner verbessern<br />

und den Einsatz neuwertiger Ressourcen minimiert.<br />

Die Energiesysteme bauen auf lokale, erneuerbare<br />

Energien, senken Kosten und erzeugen positive Auswirkungen<br />

auf die Umwelt. Das Mobilitätssystem ist<br />

leicht zugänglich, erschwinglich und zeichnet sich<br />

durch eine multimodale Mobilitätsstruktur aus. On-<br />

Demand-Autos als flexible Last-Mile-Lösung sind<br />

fester Bestandteil. Die urbane Bioökonomie führt<br />

die Nährstoffe in geeigneter Weise in den Boden<br />

zurück und Lebensmittelabfälle werden minimiert.<br />

Die Produktionssysteme fördern konsequent die<br />

Schaffung lokaler Wertschöpfungsketten.<br />

BEISPIELE<br />

In Kopenhagen haben breite, gut ausgebaute Radwege<br />

und eine vorbildliche Radinfrastruktur dafür<br />

gesorgt, dass die Hälfte aller Fahrten innerhalb der<br />

Stadt mit dem Fahrrad erledigt werden. Oslo hat<br />

Privatfahrzeuge in der Innenstadt ganz verboten,<br />

was mehr Platz für Fußgänger und das Stadtleben<br />

geschaffen hat. Oslos neue Hauptallee bietet Platz für<br />

Fahrräder und Straßenbahnen, 10.000 Quadratmeter<br />

an neuen Gehwegen und 600 Bäume für die neue<br />

Innenstadt.<br />

Auch in Sachen Bioökonomie kann sich Oslo sehen<br />

lassen: Basierend auf einem ausgeklügelten System<br />

der Abfalltrennung verwandelt die Stadt organische<br />

Abfälle in Biodünger und Biogas. Letzteres wird in<br />

den städtischen Müllwagen sowie in den Bussen des<br />

öffentlichen Verkehrs eingesetzt. Das Nebenprodukt<br />

der Biogasproduktion wird als Biodünger an die<br />

Landwirte weitergegeben.<br />

2015 beauftragte Amsterdam die weltweit erste<br />

stadtweite Wirtschaftserhebung „Amsterdam<br />

Circular“, um sich einen Überblick über die wichtigsten<br />

Stoffströme zu verschaffen und die Vorteile einer<br />

werthaltigeren Nutzung der Materialien zu verstehen.<br />

Eine „Roadmap for Circular Buildings“ sowie der<br />

„Sharing Economy Action Plan“ komplettieren das<br />

Engagement in Sachen zirkuläre Wertschöpfung.<br />

„ Die Prinzipien<br />

der<br />

Kreislaufwirtschaft<br />

lassen sich in<br />

zahlreichen<br />

nachhaltigkeitsrelevanten<br />

Bereichen<br />

einer<br />

Kommune<br />

verankern.“


31<br />

„WIR HABEN DIE VERPFLICHTUNG,<br />

DIE AUSWIRKUNGEN UNSERER<br />

GESCHÄFTSTÄTIGKEIT POSITIV<br />

ZU BEEINFLUSSEN.“<br />

Interview<br />

LIONEL SOUQUE<br />

HERR SOUQUE, WAS VERSTEHT DIE REWE<br />

GROUP UNTER NACHHALTIGKEIT?<br />

Als genossenschaftliches Traditionsunternehmen haben<br />

wir Nachhaltigkeit seit über 90 Jahren in unserer<br />

Kultur verankert: Zusammenhalt, Solidarität und Verantwortung<br />

sind unsere Grundwerte. Umweltschutz<br />

und soziales Engagement gehören zu unseren strategischen<br />

Prioritäten. Unser Kerngeschäft, der Handel<br />

und die Touristik, ist jeden Tag mit dem Leben<br />

von Millionen Menschen unmittelbar verbunden – in<br />

Deutschland und Europa. Als international agierender<br />

Konzern mit rund 360.000 Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeitern trägt die REWE Group große gesellschaftliche<br />

und ökologische Verantwortung. Mehr<br />

noch: Wir haben die Verpflichtung, die Auswirkungen<br />

unserer Geschäftstätigkeit, als Arbeitgeber und<br />

Wirtschaftsunternehmen, positiv zu beeinflussen.<br />

Lionel Souque trat 1996 in die REWE Group ein und<br />

besetzte führende Positionen im Ausland, 2007<br />

wurde er in den Vorstand der REWE International<br />

in Wien berufen. Seit 2009 ist er CEO von REWE<br />

Deutschland und Mitglied des REWE Group Vorstandes.<br />

Seit dem 1. Juli 2017 ist er CEO der REWE<br />

Group.<br />

DIE REWE GROUP ENGAGIERT SICH SEIT JAHREN<br />

IN SACHEN NACHHALTIGKEIT. WORAUF LEGEN<br />

SIE IHREN FOKUS?<br />

Mit 40 Millionen Kundenkontakten in der Woche<br />

leisten wir einen wichtigen Beitrag, den nachhaltigeren<br />

Konsum aus der Nische in den Massenmarkt<br />

und somit in den Alltag unserer Kunden zu übertragen.<br />

Unser Anspruch ist es, unseren Kunden<br />

grundsätzlich nachhaltigere Sortimente zu bieten.<br />

Deshalb müssen wir die Lieferketten und globale<br />

Nachhaltigkeitsherausforderungen ebenso gut kennen<br />

wie die Bedürfnisse unserer Kunden vor Ort. Die<br />

Herausforderungen werden zahlreicher: Maßnahmen<br />

gegen den zunehmenden Verlust der Artenvielfalt,<br />

der Klimaschutz, das Engagement gegen<br />

Einwegplastik, der Schutz und die Stärkung von<br />

Menschenrechten in den komplexen globalen Lieferund<br />

Wertschöpfungsketten sowie die Förderung<br />

der nachhaltigen Tier- und Landwirtschaft stehen<br />

weit oben auf einer sehr großen und weitreichenden<br />

Agenda. Wir beschreiten immer wieder neue Wege<br />

und wollen im Dialog mit Kunden, Lieferanten und<br />

Politik die besten Lösungen finden.<br />

DER VERZICHT AUF PLASTIKVERPACKUNGEN IST<br />

MOMENTAN IN ALLER MUNDE. WIE GEHEN SIE IN<br />

IHREN MÄRKTEN MIT DIESEM THEMA UM?<br />

Unser strategisches Ziel ist es, Verpackungen in<br />

unseren Sortimenten wo möglich zu vermeiden, zu<br />

reduzieren oder umweltfreundlicher zu gestalten.<br />

Wir waren die ersten im deutschen Handel, die vollständig<br />

auf Plastiktüten verzichtet haben. Aktuell<br />

konzentrieren wir uns darauf, Plastikverpackungen<br />

von Obst und Gemüse zu reduzieren. Wir setzen in<br />

unseren Märkten zudem bundesweit auf die Verwendung<br />

von Mehrwegfrischenetzen als umweltfreundlichere<br />

Alternative zu den Knotenbeuteln. Bis<br />

2030 soll jede Verpackung der REWE Group<br />

Eigenmarkenprodukte in Deutschland und Österreich<br />

einen umweltfreundlicheren Mehrwert bieten,<br />

alle unvermeidbaren Kunststoffverpackungen<br />

werden bis 2025 recyclingfähig sein.<br />

DEUTSCHER NACH-<br />

HALTIGKEITSPREIS<br />

SONDERPREIS<br />

VERPACKUNG<br />

Der Sonderpreis Verpackung<br />

prämiert in Kooperation mit<br />

der REWE Group marktreife<br />

Konzepte/Produkte und<br />

beispielhafte Ideen, die Verpackungen<br />

reduzieren,<br />

optimieren oder vermeiden,<br />

im Massenmarkt bezahlbar<br />

bleiben und in weitest<br />

möglichem Umfang den Verbraucherbedürfnissen<br />

nach<br />

Hygiene, Information und<br />

Bequemlichkeit entsprechen.<br />

<strong>#DNP12</strong>


32<br />

GLOBAL VERANTWORTLICH<br />

WIRTSCHAFTEN –<br />

HERAUSFORDERUNG<br />

MENSCHENRECHTE.<br />

Autorin<br />

EVA-MARIA REINWALD, SÜDWIND E. V.<br />

Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass<br />

Beschäftigte, die unsere Kleidung oder Schuhe<br />

herstellen, an ihrem Arbeitsplatz keine Gesundheitsschäden<br />

erleiden; dass Menschen nicht ihrer Lebensgrundlage<br />

beraubt werden, wenn Rohstoffe für<br />

unsere PKWs und Elektrogeräte abgebaut werden;<br />

dass Kinder zur Schule gehen, statt im Anbau unseres<br />

Kakaos zu arbeiten. Zahlreiche Berichte aus<br />

Fabriken, Minen, Feldern und Plantagen weltweit<br />

jedoch belegen: Menschenrechtsverletzungen<br />

sind keine Ausnahmen im grenzüberschreitenden<br />

Wirtschaften.<br />

Auch Unternehmen in Deutschland stellt die Achtung<br />

von Menschenrechten in ihren Lieferketten<br />

vor Herausforderungen. So registrierte das Portal<br />

Business and Human Rights Ressource Center seit<br />

2005 280 öffentlich gewordene Menschenrechtsvorwürfe<br />

gegen deutsche Unternehmen. Auch wenn<br />

einige Unternehmen mit gutem Beispiel vorangehen<br />

und Verantwortung übernehmen: Auf dem Weg<br />

freiwilliger Maßnahmen konnten die meisten der<br />

seit Langem bekannten Missstände nicht behoben<br />

werden.<br />

Erst ein gesetzlicher Rahmen für die Achtung von<br />

Menschenrechten und Umweltstandards würde die<br />

Basis wirksamen Handels schaffen. So argumentieren<br />

inzwischen auch eine Reihe von Unternehmen<br />

wie etwa BMW und Daimler, Tchibo und Vaude.<br />

Denn bislang sind Unternehmen im Wettbewerbsnachteil,<br />

wenn sie Zeit und Ressourcen investieren,<br />

um ihrer menschenrechtlichen Verantwortung<br />

gerecht zu werden. Die Erfahrungen zeigen: Um<br />

zu tatsächlichen Veränderungen zu gelangen,<br />

braucht es mehr als Verhaltenskataloge und Audits.<br />

Wichtiger ist oft eine langfristige Zusammenarbeit<br />

mit Zulieferern. Schulungen müssen durchgeführt,<br />

Einkaufspraktiken umgestellt und Akteure vor Ort<br />

einbezogen werden, um soziale und ökologische<br />

Verbesserungen zu erzielen. In Initiativen wie der<br />

Fair Wear Foundation oder dem Runden Tisch<br />

„Menschenrechte im Tourismus“ machen – auch<br />

kleine und mittlere – Unternehmen die Erfahrung,<br />

dass langfristiges Engagement Früchte trägt und<br />

Vertrauen bei Kundinnen und Kunden schafft.<br />

Die menschenrechtliche Verantwortung von Unternehmen<br />

wurde 2011 auf Ebene der Vereinten<br />

Nationen in den Leitprinzipien für Wirtschaft und<br />

Menschenrechte konkretisiert. Ein Unternehmen<br />

muss demnach Risiken seiner globalen Geschäftstätigkeit<br />

auf Menschenrechte und Umwelt ermitteln<br />

und vorsorgliche Maßnahmen ergreifen. Schwerwiegende<br />

Auswirkungen müssen vor Ort überprüft, Beschwerdemechanismen<br />

für Betroffene eingerichtet,<br />

bestehende Verletzungen beendet und Schäden<br />

wiedergutgemacht werden. Über all dies soll ein<br />

Unternehmen berichten.<br />

Die „Initiative Lieferkettengesetz“, ein breites<br />

Bündnis aus Gewerkschaften, Kirchen und zivilgesellschaftlichen<br />

Organisationen, fordert aktuell, dass<br />

diese menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten von<br />

Unternehmen gesetzlich festgeschrieben werden<br />

(lieferkettengesetz.de). Bislang setzt die Bundesregierung<br />

jedoch auf das Prinzip Freiwilligkeit: In<br />

ihrem 2016 beschlossenen Nationalen Aktionsplan<br />

MENSCHENRECHTE: UM ZU TATSÄCHLICHEN VERÄNDERUNGEN ZU GELANGEN, BRAUCHT ES MEHR ALS VERHALTENSKATALOGE UND AUDITS.<br />

Wirtschaft und Menschenrechte äußert sie lediglich<br />

die Erwartung an Unternehmen, dass sie Prozesse<br />

menschenrechtlicher Sorgfalt einführen. Für den<br />

Einstieg in die Thematik bietet die Bundesregierung<br />

Unterstützung an: So können sich Unternehmen<br />

z. B. über den CSR-Risiko-Check über produkt- und<br />

landesspezifische Herausforderungen in ihren Lieferketten<br />

informieren (www.csr-risiko-check.de).<br />

Aktuell wird auf Basis einer (sehr umstrittenen)<br />

Unternehmensbefragung geprüft, wie es um die<br />

Umsetzung der Sorgfaltsprozesse bei großen<br />

Unternehmen steht. Im Koalitionsvertrag kündigte<br />

die Bundesregierung an, dass sie „gesetzlich tätig“<br />

werde, falls sich der bisherige freiwillige Ansatz als<br />

unzureichend erweisen sollte.<br />

International lässt sich ein Trend hin zu verbindlichen<br />

Regeln für Unternehmensverantwortung beobachten.<br />

So hat Frankreich bereits 2017 ein Gesetz<br />

zur menschenrechtlichen Sorgfalt für sehr große<br />

Unternehmen beschlossen und in den Niederlanden<br />

wurde dieses Jahr ein Gesetz zur Vermeidung von<br />

Kinderarbeit in Lieferketten verabschiedet. Um<br />

langfristig die Spielregeln globaler Märkte auf Basis<br />

der Menschenrechte zu gestalten, wären auch<br />

Regeln auf europäischer Ebene und ein verbindliches<br />

UN-Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten<br />

notwendig. Ein starkes Lieferkettengesetz<br />

in Deutschland würde auch Dynamik und Antrieb in<br />

diese internationalen Debatten bringen.<br />

BÜRGERSCHAFTLICHES ENGAGEMENT FÜR<br />

NACHHALTIGE LIEFERKETTEN<br />

Ohne das Engagement zahlreicher zivilgesellschaftlicher<br />

Organisationen wäre die Debatte um global verantwortliches<br />

Wirtschaften längst nicht dort, wo sie heute steht. Die<br />

Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen, die<br />

Kooperationspartner des Deutschen Nachhaltigkeitstages<br />

ist, fördert daher immer wieder Projekte, welche die Achtung<br />

von Menschenrechten und Umweltstandards in Lieferketten<br />

in den Fokus stellen.<br />

Nichtregierungsorganisationen wie SÜDWIND, Femnet,<br />

FIAN, Urgewald und die Christliche Initiative Romero<br />

stoßen durch fundierte Recherchen, Publikationen, Aus-<br />

stellungen und Veranstaltungen Debatten in Nordrhein-<br />

Westfalen an, qualifizieren eine Vielzahl von Akteuren<br />

und stehen in Dialog mit Unternehmen und öffentlichen<br />

Einrichtungen.<br />

Andere Organisationen integrieren diese Themen in Bildungsprojekte<br />

für Zielgruppen aller Altersstufen. Auch das<br />

Engagement von Kommunen für nachhaltige Beschaffung<br />

wird durch die Stiftung unterstützt – aktuell über ein Projekt<br />

des Eine Welt Netz NRW.<br />

„ International<br />

lässt sich ein<br />

Trend hin zu<br />

verbindlichen<br />

Regeln<br />

für Unternehmensverantwortung<br />

beobachten.“


35<br />

„ Auf dem<br />

Weg zur<br />

Dekarbonisierung<br />

der<br />

Weltwirtschaft<br />

ist<br />

es genau<br />

richtig, beim<br />

Bauen anzufangen.“<br />

DIE ZUKUNFT DES BAUENS<br />

IST KLIMAPOSITIV.<br />

Autorin<br />

DR. CHRISTINE LEMAITRE, GESCHÄFTSFÜHRENDER VORSTAND DGNB<br />

RATHAUS FREIBURG: DAS ERSTE ÖFFENTLICHE NETTO-PLUSENERGIEGEBÄUDE DER WELT ERZEUGT IM LAUFE EINES JAHRES MEHR ENERGIE ALS ES VERBRAUCHT.<br />

Was verbindet das Rathaus Freiburg, das Schmuttertal-Gymnasium<br />

Diedorf und das Aktiv-Stadthaus<br />

in Frankfurt? Wir wissen bereits, dass sie Vorbilder<br />

des nachhaltigen Bauens sind und in den letzten<br />

Jahren Sieger oder unter den Top 3 beim Deutschen<br />

Nachhaltigkeitspreis Architektur – ehemals DGNB<br />

Preis „Nachhaltiges Bauen“ – waren. Neu ist: Alle<br />

drei gehören zu den ersten Projekten, die die Auszeichnung<br />

„Klimapositiv“ der Deutschen Gesellschaft<br />

für Nachhaltiges Bauen – DGNB e. V. erhalten.<br />

Ganzheitliche Nachhaltigkeit, wie sie der Deutsche<br />

Nachhaltigkeitspreis Architektur prämiert, geht also<br />

einher mit einem klimapositiven Kurs und ist damit<br />

nachweislich zukunftsfähig!<br />

GEBÄUDE: VOM KONSUMENTEN ZUM<br />

PRODUZENTEN<br />

Klimapositiv – was heißt das überhaupt? Technisch<br />

ausgedrückt handelt es sich um eine ausgeglichene<br />

oder idealerweise negative CO 2<br />

-Jahresbilanz als<br />

Ergebnis der folgenden Betrachtung: Auf der einen<br />

Seite steht der CO 2<br />

-Ausstoß, den das Gebäude<br />

im Jahr verursacht. Davon abgezogen werden<br />

die Emissionen, die durch den Export von selbstproduzierter,<br />

treibhausgasfreier Energie im Netz<br />

vermieden werden. Solch ein Gebäude spart also<br />

in Summe mehr Treibhausgase bei anderen ein, als<br />

es selbst ausstößt. Mit der Auszeichnung „Klimapositiv“<br />

möchte die DGNB den Gestaltungswillen<br />

der Akteure und den damit verbundenen positiven<br />

Beitrag zum globalen Klimaschutz, zur Dekarbonisierung<br />

der Weltwirtschaft und zum großen Ganzen<br />

betonen. Denn diese Vorbilder transformieren den<br />

Gebäudesektor vom Energiefresser zum produzierenden<br />

ausgleichenden Element und geben ihm<br />

damit die nötige aktive Rolle im Klimaschutz.<br />

DIE AUSZEICHNUNG FÜR VORBILDER MIT<br />

GESTALTUNGSWILLEN<br />

Noch ist die Auszeichnung etwas Besonderes; die<br />

Projekte sind Leuchttürme, die nach vorn ziehen<br />

und inspirieren. Da ist das Rathaus Freiburg,<br />

bekannt als größtes Plusenergiegebäude Europas,<br />

das den Bürgern neben allen Verwaltungsbelangen<br />

auch noch als „kleines Kraftwerk“ mit Solarenergie<br />

und Geothermie dient. Da ist das Schmuttertal-<br />

Gymnasium, das mit seinem klimapositiven Betrieb<br />

für die heranwachsende Generation hautnah erlebbar<br />

macht, was heute schon möglich ist und Begeisterung<br />

weckt. Und da ist das große innerstädtische<br />

Mehrfamilienhaus in Frankfurt am Main mit dem<br />

verheißungsvollen Namen Aktiv-Stadthaus. Der im<br />

Sommer 2015 bezogene Geschosswohnungsbau<br />

zeigt in seiner Jahresbilanz, dass klimagerechtes<br />

Wohnen in einer dichten städtebaulichen Situation<br />

möglich ist, und steht damit beispielhaft für zu-<br />

künftige städtische Konzepte. Alle drei Projekte<br />

haben einen geringen Energieverbrauch, versorgen<br />

andere Gebäude mit überschüssiger, selbstproduzierter<br />

Energie und zeigen, dass der klimapositive<br />

Kurs einhergeht mit Qualität in allen Dimensionen<br />

des nachhaltigen Bauens: Wohlbefinden des<br />

Nutzers, Umwelt- und Klimaschutz, Wirtschaftlichkeit<br />

und gute Architektur.<br />

KLARES SIGNAL AN DIE POLITIK<br />

übersetzt. Das Planungs- und Managementtool<br />

zeigt auf, dass jedes Bestandsgebäude Optimierungspotenziale<br />

hat, die in einem individuellen<br />

Was noch eine Rarität ist, soll schnellstmöglich und<br />

an vielen Projekten umgesetzt werden. Die DGNB Klimaschutzfahrplan ausgearbeitet werden können.<br />

verfolgt mit der Auszeichnung deshalb auch das Dank ganzheitlicher Betrachtung des Energie-<br />

Ziel, das Thema in die Breite zu tragen bzw. die klare bedarfs, Bilanzierung mit realen Zahlen und jährlichem<br />

Monitoring ist dieser Fahrplan zukunftssicher<br />

Botschaft an Politik, Städte, Kommunen, Investoren<br />

und Bauherren zu senden, dass wir heute bereits und lässt keine Verschleierung zu, die weder der<br />

die Gebäude planen und bauen können, die einen Welt noch dem Nutzer selbst hilft. Zum ganzheitlichen<br />

Performance-Ansatz gehört beispielsweise<br />

positiven Beitrag für unsere Zukunft leisten. Das<br />

notwendige Wissen und die Planungskompetenz auch, dass neben den Energieströmen zur Konditionierung<br />

des Gebäudes der Nutzerstrom in die<br />

sind bereits vorhanden. Man muss es jetzt einfach<br />

tun! Und wenn das nicht aus eigener Überzeugung Optimierungsmaßnahmen sowie die Bilanzierung<br />

passiert, wie es bei den genannten Projekten der integriert wird.<br />

Fall ist, dann vielleicht, weil nachhaltiges Bauen<br />

besonders attraktiv ist, in eine sichere, planbare Zukunft<br />

führt oder die gewohnten Wege zunehmend KLAR!<br />

KLIMAPOSITIV: DIE NÄCHSTEN SCHRITTE SIND<br />

ungemütlich werden. Anders gesagt: Eine konsequente<br />

Förderpolitik und ambitionierte Regularien Die Auszeichnung „Klimapositiv“ bezieht sich bis<br />

sind gefragt. Die aktuelle Klimadebatte zeigt, dass dato auf den Betrieb von Gebäuden. Das ist ein<br />

wir darauf nicht warten können, wenn wir einen klimaneutralen<br />

Gebäudebestand bis spätestens 2050 weitere folgen müssen! Einige hat die DGNB bereits<br />

wichtiger Schritt – dem so schnell wie möglich<br />

– eigentlich früher – sowie klimaneutrale Neubauten im Blick. So sollen langfristig Gebäude klimapositiv<br />

ausgezeichnet werden, bei denen sämtliche<br />

bis 2030 haben wollen.<br />

Emissionen des gesamten Lebenszyklus mitberücksichtigt<br />

werden – von der Material- und Baustoff-<br />

NUR WER MISST, KANN SICH VERBESSERN<br />

herstellung über Transporte und Bauprozesse bis<br />

Seit mehr als zehn Jahren setzt sich die DGNB dafür hin zum Rückbau. Damit wird das kreislauffähige<br />

ein, dass Wissen von den Köpfen in die Hände gelangt<br />

und mehr passiert als vorgegeben. Über 5000 kette Bau gefördert – und darüber hinaus. Denn<br />

Wirtschaftsmodell in der gesamten Wertschöpfungs-<br />

Gebäude mit DGNB Zertifikat, mit dem Deutschen letztlich hat der klimapositive Kurs des Gebäudesektors<br />

Einfluss auf Industrie, Energie, Verkehr<br />

Nachhaltigkeitspreis Architektur prämierte Projekte<br />

und viele weitere sprechen für sich. Mit ihrem Rahmenwerk<br />

für klimaneutrale Gebäude und Standorte dem Weg zur Dekarbonisierung der Weltwirt-<br />

und Landwirtschaft, kurz: auf alle Sektoren. Auf<br />

hat die DGNB im Speziellen die im Paris-Abkommen schaft ist es also genau richtig, beim Bauen anzufangen.<br />

Schließlich geht die gebaute Umwelt uns<br />

definierten Ziele für den Gebäudesektor in konkrete,<br />

handhabbare und messbare Anforderungen alle an!<br />

VERGABE DER DGNB AUSZEICHNUNG „KLIMAPOSITIV“ AN DAS SCHMUTTERTAL-GYMNASIUM DIEDORF.<br />

DEUTSCHER NACH-<br />

HALTIGKEITSPREIS<br />

ARCHITEKTUR<br />

Der Architekturpreis zeichnet<br />

Gebäude aus, die auf<br />

beispielhafte Weise Nachhaltigkeit,<br />

eine herausragende<br />

Gestaltung und eine hohe<br />

Innovationskraft verbinden.<br />

Die Projekte müssen in<br />

Deutschland stehen, zum<br />

Zeitpunkt der Bewerbung<br />

bereits in Betrieb sein und<br />

eine personenbezogene Nutzung<br />

aufweisen. Der Preis<br />

wird in Partnerschaft mit<br />

der Deutschen Gesellschaft<br />

für Nachhaltiges Bauen –<br />

DGNB e. V. vergeben und<br />

durch Caparol, den Bund<br />

Deutscher Architekten, die<br />

Bundesarchitektenkammer<br />

sowie die Bundesstiftung<br />

Baukultur unterstützt.<br />

<strong>#DNP12</strong>


36<br />

DESIGN FÜR NACHHALTIGKEIT –<br />

VOM EGODESIGN ZUM<br />

ECOSOZIALEN DESIGN.<br />

Autorin<br />

URSULA TISCHNER, CEO ECONCEPT UND DOZENTIN AN DER FH JOANNEUM GRAZ<br />

„Nachhaltiges<br />

Design<br />

schafft<br />

Lösungen, die<br />

der Gesellschaft<br />

einen<br />

sinnvollen<br />

Nutzen bringen<br />

und die<br />

Lebensqualität<br />

verbessern.“<br />

DesignerInnen arbeiten an der Schnittstelle zwischen<br />

Produzieren und Konsumieren. Sie gestalten von zuvor manuell bedienbaren Funktionen statt,<br />

Bereich des Bordcomputers und der Elektrifizierung<br />

Produkte, Kommunikation, Dienstleistungen und alles andere ist Styling.<br />

Systeme im Auftrag der Anbieter aber für die<br />

Empfänger bzw. NutzerInnen. Sie versuchen ihre Die Welt braucht etwas anderes! Nützlich wäre<br />

Gestaltung möglichst attraktiv für die KonsumentInnen<br />

und NutzerInnen und möglichst profitabel für forderungen der Menschheit zu beschäftigen: von<br />

es, sich auch im Design mit den großen Heraus-<br />

die Anbieter zu konzipieren. Umwelt und soziale Klimawandel, Umweltverschmutzung und Ressourcenverknappung,<br />

über soziale Ungerechtigkeit und<br />

Aspekte spielen dabei immer noch eine untergeordnete<br />

Rolle. Zwar ist das Design einmal angetreten, die Bedrohung der Menschenrechte, zur fortschreitenden<br />

Zerstörung der bewohnbaren Flächen auf<br />

wirkliche Probleme für die Menschen zu lösen – das<br />

beschreibt zum Beispiel die Definition von Carlos unserem Planeten. Nützlich wäre es, an der Entwicklung<br />

von nachhaltigen Produktions- und Konsumsys-<br />

Obers (1984) „Design ist Kunst, die sich nützlich<br />

macht“.<br />

temen mitzuwirken und nachhaltige Lebensstile zu<br />

unterstützen.<br />

De facto dient Design aber heute vorwiegend dazu,<br />

den Konsum und damit die Wegwerfgesellschaft Design für Nachhaltigkeit oder nachhaltiges Design<br />

anzutreiben, den Materialfluss durch die Gesellschaft<br />

immer noch weiter zu beschleunigen, die len Nutzen bringen, die Lebensqualität verbessern<br />

schafft Lösungen, die der Gesellschaft einen sinnvol-<br />

schnellen Profite der Unternehmen und Shareholder – insbesondere für weniger wohlhabende Menschen.<br />

und oft auch die Berühmtheit der Designer selbst Es schafft Wertschöpfung für Anbieter, Kunden<br />

zu steigern. Leider ist das mittlerweile nicht nur in und möglichst viele Stakeholder und vermeidet<br />

der Mode so, sondern viele andere Produktbereiche gleichzeitig Schäden an der natürlichen Umwelt<br />

funktionieren nach dem gleichen Prinzip: „Designer“ oder wirkt sogar positiv auf die Natur. Nachhaltiges<br />

Möbel sind nicht gut zu gebrauchen und halten Design sucht nach radikaleren, deutlich besseren,<br />

keinen Umzug aus, designte Smartphones unterscheiden<br />

sich von einer zur nächsten Produktge-<br />

Konsumsysteme deutlich ökologisch und sozial bes-<br />

disruptiven Lösungen, die unsere Produktions- und<br />

neration nur durch marginale Oberflächenkosmetik, ser gestalten – nicht nach der ein bisschen effizienteren<br />

Waschmaschine. Letztendlich geht es darum,<br />

technische Produkte werden durch eingebaute<br />

technische Lebensdauerverkürzung und modisches die Transformation zu einer Diversität nachhaltiger<br />

Design zu Wegwerfprodukten, in der Automobilindustrie<br />

findet Innovation lange schon vor allem im alle Bewohner des Planeten Erde zu gestalten.<br />

Lebensstile und einer wünschenswerten Zukunft für<br />

NACHHALTIGES DESIGN: MIT SOLMATE KANN IN ZUKUNFT JEDER SEINEN EIGENEN STROM PRODUZIEREN.<br />

DER FAIRCUP IST EINE RESSOURCENSCHONENDE ALTERNATIVE FÜR DIE RUND SECHS MRD. EINWEGBECHER, DIE JÄHRLICH IN DEUTSCHLAND VERBRAUCHT WERDEN.<br />

Nachhaltige Güter (Produkte, Systeme und<br />

Dienstleistungen) sind<br />

Nützlich: erfüllen eine sinnvolle soziale<br />

Funktion, lösen ein Problem.<br />

Effizient und effektiv: in der Energie-, Landund<br />

Ressourcennutzung.<br />

Solar: nutzen erneuerbarer Energien – Sonne,<br />

Wasser, Wind, Erdwärme, Muskelkraft oder<br />

nachhaltig erzeugte Biokraftstoffe.<br />

Sicher: Sind risikofrei und „narrensicher“,<br />

ergonomisch und umweltfreundlich, unbedenklich<br />

für Mensch und Natur.<br />

Angemessen dauerhaft: Je nach Funktion<br />

(kurz oder langlebig) sollte die Lebensdauer<br />

immer angemessen sein, kurzlebige Verbrauchsgüter<br />

wie Verpackungen sollten besonders<br />

zyklisch sein (siehe unten).<br />

Zyklisch: Jeglicher Abfall und Ausschuss<br />

werden als Nährstoff in gleichen oder anderen<br />

technischen oder natürlichen Anwendungen<br />

verwendet.<br />

So regional wie sinnvoll: Geringer Transport-<br />

und Verpackungsaufwand (jedoch kann es<br />

sinnvoll sein, die lokale Wirtschaft in anderen<br />

Ländern zu unterstützen, insbesondere wenn<br />

Waren in anderen Regionen effizienter<br />

produziert werden können).<br />

Sozial: Gut für das soziokulturelle Umfeld<br />

Verbesserung der Lebensqualität, Sicherung<br />

von Arbeitsplätzen, Einhaltung mindestens<br />

der Normen der Internationalen Arbeitsorganisation<br />

(ILO) und Herstellung unter<br />

(regional) akzeptablen Arbeitsbedingungen.<br />

Wertvoll: Tragen dazu bei, die langfristige<br />

Rentabilität des Anbieters zu sichern und<br />

haben ein angemessenes Preis-Leistungs-<br />

Verhältnis, das der Nutzer zu schätzen weiß.<br />

Alle diese Merkmale müssen für den gesamten Lebenszyklus<br />

und das gesamte Gütersystem berücksichtigt<br />

werden. Manchmal treten Zielkonflikte auf,<br />

dann gilt es den besten umsetzbaren Kompromiss<br />

zu finden. Selbstverständlich braucht nachhaltiges<br />

Design auch zielgruppengerechte Ästhetik, womöglich<br />

einen Wow-Effekt. Die nachhaltige Story<br />

muss attraktiv und gut erzählt werden. NutzerInnen<br />

dürfen ihre nachhaltigen Güter liebgewinnen und<br />

Freude an ihnen haben. Von zurück in die Höhle ist<br />

hier keine Rede.<br />

DEUTSCHER NACH-<br />

HALTIGKEITSPREIS<br />

DESIGN<br />

2020 ruft die Stiftung<br />

Deutscher Nachhaltigkeitspreis<br />

e. V. den DNP Design ins<br />

Leben. Der Preis sucht und<br />

prämiert die vorbildlichen<br />

Beispiele nachhaltigen<br />

Designs, um die relevanten<br />

Akteure zu mehr nachhaltigem<br />

Engagement zu<br />

motivieren und Konsumenten<br />

bei der Produktauswahl<br />

Orientierung zu geben.<br />

<strong>#DNP12</strong>


39<br />

In Zusammenarbeit mit dem Rat für Nachhaltige Entwicklung und dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) vergibt<br />

die Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis e. V. zum fünften Mal den Next Economy Award (NEA). Stellvertretend für die NEA-Kategorien<br />

„Change“, „People“ und „Resources“ stellen wir vier nachhaltige Geschäftsmodelle der Finalisten vor. Alle Startups sind zudem<br />

unter www.nexteconomyaward.de porträtiert.<br />

BETTERECO GMBH<br />

ECOFARIO GMBH<br />

„WIR HELFEN ERFOLG-<br />

VERSPRECHENDEN ANSÄTZEN<br />

AUF DIE SPRÜNGE.“<br />

Für europäische Unternehmen der Nahrungsmit-<br />

ECOFARIO hat ein neuartiges, auf Hydrozyklontech-<br />

Interview<br />

ACHIM DERCKS<br />

tel-, Pharma- und Kosmetikindustrie erschließt das<br />

nologie basiertes Verfahren entwickelt, das es kom-<br />

Berliner Startup betterECO GmbH Bio-Agrarrohstoffe<br />

munalen und industriellen Kläranlagen ermöglicht,<br />

von Großkooperativen aus Entwicklungsländern und<br />

die ausgetragene Menge an Mikroplastikpartikeln<br />

schafft durch seinen Ansatz des „Gegengeschäftes“<br />

und die damit verbundenen Schadstoffe signifikant<br />

eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Eine<br />

zu reduzieren. Die gefilterten Partikel werden an-<br />

Agrar- und Technologievermittlungsplattform ohne<br />

schließend zusammen mit den anhaftenden Toxinen<br />

IHRE ORGANISATION STEHT FÜR MILLIONEN<br />

DER DIHK UNTERSTÜTZT DEN NEXT ECONOMY<br />

Zwischenhändler garantiert internationale Erreich-<br />

und Schadstoffen der thermischen Verwertung des<br />

GEWERBLICHE UNTERNEHMEN AUS HANDEL,<br />

AWARD VON ANFANG AN. WELCHE BOTSCHAFT<br />

barkeit und damit Skalierbarkeit von Angebot und<br />

Klärschlamms zugeführt. Nur so kann garantiert<br />

DIENSTLEISTUNG UND INDUSTRIE. WIE UNTER-<br />

VERKNÜPFEN SIE DAMIT?<br />

Nachfrage der Agrar- und Technologieprodukte. Die<br />

werden, dass die Partikel und vor allem die anhaf-<br />

STÜTZEN SIE DIE WIRTSCHAFT VON MORGEN,<br />

Blockchain-Technologie gewährleistet fälschungs-<br />

tenden Gift- und Schadstoffe nicht wieder in die<br />

ALSO EXISTENZGRÜNDUNGEN UND STARTUPS?<br />

Der Next Economy Award zeigt im nunmehr fünften<br />

„Unsere<br />

Finalisten<br />

machen<br />

mit ihren<br />

grünen Geschäftsmodellen<br />

konkrete<br />

Vorschläge,<br />

wie ökologischer<br />

und<br />

sozialer<br />

Fortschritt<br />

gelingen<br />

kann.“<br />

STEFAN SCHULZE-HAUSMANN,<br />

NEA-INITIATOR<br />

sichere Rückverfolgbarkeit, Food-Security und Vertrauen<br />

in die Abläufe.<br />

NOOR MEDICAL UG<br />

Das Startup Noor Medical setzt sich unter dem Motto<br />

„Safe Surgery Anywhere“ dafür ein, Operationen<br />

in ländlichen Kliniken im Globalen Süden durch die<br />

Bereitstellung von Sterilisationsgeräten sicherer zu<br />

gestalten. In der Folge sollen postoperative Infektionen<br />

reduziert werden. Noor Medical hat mit Hybriclave<br />

einen Dampfsterilisator entwickelt, der mit<br />

Solarenergie genutzt werden kann, um medizinische<br />

Instrumente ordnungsgemäß zu sterilisieren. Das<br />

Gerät ist somit unabhängig vom Stromnetz und<br />

kann dadurch auch in Gesundheitseinrichtungen<br />

zum Einsatz kommen, die eine mangelnde Stromversorgung<br />

haben.<br />

Umwelt gelangen.<br />

RIGHT. BASED ON SCIENCE UG<br />

Das Frankfurter Startup right. based on science ist<br />

ein Modellentwickler, der den Beitrag einer einzelnen<br />

wirtschaftlichen Einheit, z. B. eines Unternehmens,<br />

zum Klimawandel berechnet. Das sogenannte XDC<br />

Modell ermöglicht die Berechnung des Beitrags zur<br />

globalen Erderwärmung. Das Modell projiziert die<br />

Eingabeparameter der Bruttowertschöpfung und<br />

Treibhausgase eines Unternehmens in die Zukunft<br />

und setzt diese in ein Klimamodell ein, wodurch sich<br />

die XDC ergibt. Diese gibt in Grad Celsius an, um wie<br />

viel sich die Erde erwärmen würde, wenn jedes Unternehmen<br />

so emissionsintensiv wirtschaften würde,<br />

wie das betrachtete Unternehmen.<br />

Die Industrie- und Handelskammern stehen Gründerinnen<br />

und Gründern vor Ort mit einem vielseitigen<br />

Service zur Seite. Sie bieten Einstiegsgespräche,<br />

Beratungen, Seminare und Gründertage mit jährlich<br />

rund 200.000 persönlichen Kontakten. Dabei stehen<br />

den Gründern 79 IHKs mit 200 Geschäftsstellen<br />

offen – niemand hat es weit zu seiner IHK. Und<br />

über unser Netzwerk der Auslandshandelskammern<br />

(AHKs) können Startups auch Kontakte in<br />

internationale Märkte anbahnen. Die AHKs geben<br />

Antworten auf viele Fragen an 140 Standorten in<br />

92 Ländern dieser Welt. Vom kleinen Kiosk bis zum<br />

innovativen Hightech-Startup – unser Netzwerk im<br />

In- und Ausland bietet Gründern passgenaue Unterstützung.<br />

DER DIHK VERTRITT ALS GROSSE WIRT-<br />

SCHAFTSORGANISATION GEGENÜBER DER<br />

POLITIK AUCH DIE INTERESSEN DER EXISTENZ-<br />

GRÜNDER. KOMMEN IHRE BOTSCHAFTEN BEI<br />

DER POLITIK AN?<br />

Ankommen tun Sie auf jeden Fall – wir bringen<br />

uns in Berlin und Brüssel bei vielen Themen von<br />

der Bildungspolitik bis zur Energiepolitik intensiv<br />

ein. Die Umsetzung ist dann aber natürlich in der<br />

politischen Diskussion oftmals ein dickes Brett.<br />

Der Bundeswirtschaftsminister hat z. B. gerade mit<br />

einer neuen Mittelstandstrategie vorgelegt. Darin<br />

finden sich viele unserer Empfehlungen – sei es zum<br />

Bürokratieabbau, zur Unternehmensnachfolge oder<br />

für innovative Startups. Jüngst hat das Bundeskabinett<br />

etwa bei der Umsatzsteuer beschlossen,<br />

Gründer um acht Voranmeldungen pro Jahr zu<br />

entlasten und diese statt monatlich nur noch vierteljährlich<br />

zu verlangen. Ein wichtiger Schritt, dem<br />

aber weitere Entlastungen folgen müssen, wie etwa<br />

Online-One-Stop-Shops zum Bürokratieabbau.<br />

Jahr, dass Innovationen von unten wachsen – oft aus<br />

den jungen Unternehmen, wo innovative und kreative<br />

Menschen zusammenarbeiten. Solche Initiativen<br />

entstehen quasi an der Graswurzel, nämlich im<br />

Markt. Es gibt tausende engagierte Menschen, deren<br />

kluge Ideen eine große Bühne verdienen. Für den<br />

DIHK ist es wichtig, solchen erfolgversprechenden<br />

Ansätzen auf die Sprünge zu helfen.<br />

WIE LAUTET IHR FAZIT NACH DEN ERSTEN<br />

FÜNF JAHREN NEXT ECONOMY AWARD?<br />

Mich faszinieren immer wieder der Pioniergeist, die<br />

Innovationskraft und die Vielfalt der Ideen. Schauen<br />

wir nur einmal auf das Tableau der Nominierten in<br />

diesem Jahr. Wir sehen Lösungen für Ressourceneffizienz<br />

in Entwicklungsländern, für die Messung<br />

der Klima-Auswirkungen des eigenen Unternehmens,<br />

für bessere Gesundheit in Regionen ohne<br />

Elektrizität, zur Therapiebegleitung für gelähmte<br />

Menschen, für sauberes Wasser. Die Debatte um<br />

Nachhaltigkeit wird derzeit engagiert und intensiv<br />

geführt. Und der Next Economy Award sendet<br />

viele hoffnungsvolle Signale.<br />

Achim Dercks ist seit 2004 stellvertretender Hauptgeschäftsführer<br />

des DIHK e.V. Er ist Mitglied des<br />

CSR-Forums der Deutschen Bundesregierung sowie<br />

Stellvertretender Vorsitzender des ZDF-Fernsehrats.<br />

Darüber hinaus ist er Geschäftsführer der DIHK<br />

Service GmbH und stellvertretender Kuratoriumsvorsitzender<br />

des Senior-Experten-Services (SES).<br />

NEXT<br />

ECONOMY<br />

AWARD<br />

Der Next Economy Award<br />

ist die nationale Spitzenauszeichnung<br />

für Startups, die<br />

auf soziale und ökologische<br />

Nachhaltigkeit setzen.<br />

Die Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis<br />

e. V. vergibt<br />

die Auszeichnung in Zusammenarbeit<br />

mit dem Rat für<br />

Nachhaltige Entwicklung und<br />

dem Deutschen Industrie- und<br />

Handelskammertag (DIHK).<br />

<strong>#DNP12</strong>


ANZEIGE<br />

IF YOU DON’T KNOW<br />

HIM BY NOW.<br />

„This earth<br />

is the only<br />

home we<br />

have and<br />

I am<br />

saddened<br />

when I see<br />

the way we<br />

humans<br />

neglect the<br />

welfare of<br />

our planet<br />

and one<br />

another.“<br />

Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis zeichnet – neben<br />

Unternehmen, Städten, Gebäuden und Forschungseinrichtungen<br />

– Jahr für Jahr auch Persönlichkeiten<br />

aus, die Verantwortung übernehmen und sich für die<br />

Idee der Nachhaltigkeit einsetzen. Unsere Ehrenpreisträger<br />

nehmen eine besondere Rolle ein: Sie<br />

setzen ihre Popularität, ihren guten Namen und<br />

ihre Strahlkraft ein, um die Idee der Nachhaltigkeit<br />

populär zu machen.<br />

Mick Hucknall feierte mit Simply Red ab 1984 Welterfolge<br />

und verkaufte weltweit über 70 Millionen<br />

Tonträger. Den Durchbruch schafft die Band aus<br />

Manchester mit ihrem Debutalbum „Picture Book“<br />

(1985), es folgen weitere erfolgreiche Alben und<br />

Songs. Mit Hits wie „If You Don’t Know Me By Now“<br />

(1989) oder „Holding Back The Years“ (1995) gehört<br />

die Musik des Frontsängers von Simply Red zu den<br />

Klassikern der Musikgeschichte.<br />

Seit Beginn seiner Karriere nutzt er seine Bekanntheit<br />

zur Unterstützung benachteiligter Menschen.<br />

Er setzt sich für Nonprofit-Organisationen wie die<br />

SOS-Kinderdörfer ein, um Kindern und Jugendlichen<br />

Unterstützung, Bildung und eine Chance auf<br />

ein besseres Leben zu ermöglichen. Gemeinsam<br />

mit internationalen Künstlern bezieht er Position in<br />

humanitären Krisen – zum Beispiel bei Veranstaltungen<br />

wie dem Konzert „Refugee Voices for Darfur“<br />

zugunsten der Opfer des Bürgerkriegs im Sudan<br />

und dem „Concert of Hope“ zum Welt-Aids-Tag.<br />

Als Teil der Initiative „Music Declares Emergency“,<br />

rief Hucknall jüngst im Namen der Musikindustrie<br />

den Klimanotstand aus. Von der britischen Regierung<br />

fordern sie, den Verlust der Biodiversität<br />

umzukehren und die Klimaneutralität bis zum Jahr<br />

2030 zu erreichen.<br />

Vermeiden,<br />

verringern,<br />

verbessern.<br />

J<br />

edes Jahr fallen in Deutschland mehr als 18 Millionen Tonnen Verpackungsmüll<br />

an. Um einen Beitrag zur Reduzierung der Abfallmenge zu<br />

leisten, setzt sich die REWE Group dafür ein, Verpackungen wo möglich zu<br />

vermeiden, zu verringern oder zu verbessern.<br />

Verpackungen sind im Alltag allgegenwärtig.<br />

Nicht ohne Grund: Sie halten Nahrungsmittel<br />

frisch, schützen sie und machen häufig ihren<br />

Transport erst möglich. Außerdem bieten<br />

sie Platz für wichtige Informationen über das<br />

Produkt.<br />

Die REWE Group hat es sich zum Ziel gesetzt,<br />

bis Ende 2030 sämtliche Verkaufs- und<br />

Serviceverpackungen der Eigenmarken von<br />

REWE, PENNY und toom Baumarkt umweltfreundlicher<br />

zu gestalten. Wo es möglich ist,<br />

soll komplett auf Verpackungen verzichtet<br />

werden. Ein Beispiel hierfür ist die Salatgurke,<br />

bei der durch Optimierung der komplexen<br />

Transportprozesse trotz ihrer hohen Empfindlichkeit<br />

ab sofort ganzjährig auf die Schutzfolie<br />

verzichtet werden kann.<br />

Häufig ist es auch möglich, Kunststoffverpackungen<br />

zu verringern, wie bei den Nudelverpackungen<br />

von REWE und PENNY. Durch die<br />

Umstellung des Verpackungsdesgins von einem<br />

Clipbeutel auf einen verschweißten Beutel<br />

werden mehrere Tonnen Kunststoff jährlich<br />

eingespart. Zur weiteren Reduzierung von<br />

Plastik wurde außerdem die Folienstärke reduziert<br />

– zum Beispiel bei den Umverpackungen<br />

von Toilettenpapier und Küchentüchern.<br />

Wie sich Verpackungen umweltfreundlicher<br />

gestalten lassen, zeigt der vermehrte Einsatz<br />

von Rezyklat bei Eigenmarken für Wasch-,<br />

Putz- und Reinigungsmittel von REWE und<br />

PENNY. Sie bestehen teilweise zu 100 Prozent<br />

aus wiederverwertetem Kunststoff, der<br />

wiederum zu einem Fünftel aus dem Gelben<br />

Sack stammt. Als erster Händler hat REWE im<br />

Frühjahr 2019 zudem eine Wasserflasche auf<br />

den Markt gebracht, die zu 100 Prozent (ausgenommen<br />

Deckel und Etikett) aus recyceltem<br />

Kunststoff besteht. Seit Sommer verkauft auch<br />

PENNY zwei Wasserflaschen, die zu 100 bzw.<br />

80 Prozent aus Rezyklat hergestellt werden.<br />

So werden Rohstoffe im Kreislauf gehalten und<br />

Ressourcen eingespart. Zur weiteren Reduzierung<br />

von Verpackungsmüll werden stetig alle<br />

Sortimente geprüft, um Schritt für Schritt die<br />

Eigenmarkenverpackungen zu optimieren. Immer<br />

getreu der Devise: vermeiden, verringern,<br />

verbessern.<br />

Insgesamt sparen wir über<br />

8.200 Tonnen Kunststoff pro Jahr!<br />

Über<br />

202<br />

Millionen<br />

Plastiktüten<br />

pro Jahr<br />

0,5<br />

Tonnen<br />

Treibhausgase bei<br />

einer Millionen<br />

Verpackungen<br />

5<br />

Tonnen<br />

Verpackung pro<br />

Jahr<br />

Rund<br />

590<br />

Tonnen Plastik<br />

pro Jahr<br />

188<br />

Millionen<br />

Stück<br />

pro Jahr<br />

Über<br />

205<br />

Tonnen Plastik<br />

pro Jahr


Druck: www.druckstudiogruppe.com

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