#DNP12
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MAGAZIN DES DEUTSCHEN NACHHALTIGKEITSPREISES<br />
NACHHALTIGKEIT MADE IN GERMANY<br />
17 GLOBALE ZIELE<br />
Nachhaltig Wirtschaften<br />
für die Agenda 2030<br />
IM KANZLERAMT<br />
Sieger des DNP<br />
treffen Angela Merkel<br />
DIGITALISIERUNG<br />
Grüne Geschäftsmodelle<br />
der digitalen Zukunft<br />
DESIGNPREIS<br />
Neue Auszeichnung für<br />
nachhaltiges Design
#13<br />
3<br />
EDITORIAL.<br />
KLIMASCHUTZ<br />
FÜR ALLE!<br />
Stefan Schulze-Hausmann ist Wissenschaftsjournalist und Rechtsanwalt. Er moderiert für das ZDF seit 1989<br />
verschiedene Formate (u. a. das tägliche 3sat-Zukunftsmagazin „nano“). 2008 rief er die Stiftung Deutscher<br />
Nachhaltigkeitspreis e. V. ins Leben, deren Vorstandsvorsitzender er ist.<br />
Das Jahr 2019 ist ein Jahr auf Messers Schneide.<br />
Während Europa im Bann des Brexit verharrt, zeigen<br />
die Wahlen zum EU-Parlament, was wirklich auf<br />
der Agenda steht: Klimaschutz, Zukunftswirtschaft,<br />
Gerechtigkeit. 2019 sieht Terroranschläge, den brennenden<br />
Amazonas, Gletschersterben, Hitzerekorde.<br />
In Landtagswahlen dominieren Angst und Ablehnung.<br />
Aber 2019 hat auch ein anderes Gesicht. Das<br />
Gesicht von Hoffnung und beeindruckendem Protest.<br />
Greta Thunberg bringt mit Fridays for Future<br />
Millionen Menschen auf die Strasse, die mit ihren<br />
Forderungen nach schnellem und wirksamem<br />
Klimaschutz überwältigendes Gehör finden. Die Erneuerbaren<br />
Energien überschreiten die 40-Prozent-<br />
Marke. Das Bundeskabinett beschließt am 9. Oktober<br />
ein Klimaschutzpaket, vielen zu schwach, doch voller<br />
Maßnahmen, die eben noch vehement verweigert<br />
wurden.<br />
Dennoch ist das Jahr 2019 vor allem ein Jahr der<br />
Zukunft. Für die weltweiten Nachhaltigkeitsziele, für<br />
Klimaschutz, für Toleranz und Gerechtigkeit. Ein Jahr<br />
der Zukunft für die nachkommenden Generationen.<br />
Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis ist Teil dieser<br />
Bewegung. Wir vertrauen darauf, dass ein Wettbe-<br />
werb der Besten immer mehr Antworten liefert<br />
und die Transformation befördert – fokussiert, qualifiziert,<br />
aus erster Hand von denen, die wissen,<br />
erklären und entscheiden.<br />
Wir entwickeln den Kongress weiter, greifen aktuelle<br />
Themen in Sonderpreisen auf und verändern 2020<br />
umfassend unsere Assessments. Dann werden konkrete,<br />
messbare Beiträge zur Transformation in den<br />
Mittelpunkt aller Wettbewerbe gerückt. Und: Der<br />
Deutsche Nachhaltigkeitspreis Design feiert 2020<br />
seine Premiere.<br />
Ich lade Sie ein, uns auf den nächsten Seiten besser<br />
kennen zu lernen. Vielleicht begegnen wir uns im<br />
Wettbewerb, auf dem Kongress oder bei der<br />
Preisverleihung.<br />
Stefan Schulze-Hausmann<br />
„Wir<br />
prämieren<br />
die Vorreiter<br />
und<br />
zeigen so,<br />
wie Transformation<br />
konkret<br />
gelingen<br />
kann.“<br />
Wir setzen die UN-Nachhaltigkeitsziele um – machen Sie mit!
4<br />
INHALT.<br />
DIE ZUKUNFT DES BAUENS.<br />
06<br />
IM JAHR DES<br />
PILLEPALLE –<br />
RADIKAL IST NUR<br />
DIE REALITÄT.<br />
10<br />
IM MITTELPUNKT<br />
STEHT DER MENSCH<br />
UNTERWEGS.<br />
11<br />
MOBILITÄT<br />
DER ZUKUNFT –<br />
SICHER, SAUBER,<br />
VERNETZT.<br />
12<br />
NACHHALTIG<br />
WIRTSCHAFTEN<br />
FÜR DIE<br />
AGENDA 2030.<br />
14<br />
AGENDA 2030<br />
HEISST<br />
PARTNERSCHAFT.<br />
16<br />
INTERVIEW MIT<br />
GERD MÜLLER.<br />
18<br />
ZU BESUCH BEI<br />
DER KANZLERIN.<br />
16<br />
NACHHALTIG WIRTSCHAFTEN.<br />
Nachhaltiges Wirtschaften und eine nachhaltige<br />
Entwicklung bedeuten, niemand im gesellschaftlichen<br />
Wandel zurückzulassen und wo immer<br />
möglich für men schenwürdige und fair bezahlte<br />
Arbeitsplätze und eine gesunde Umwelt zu sorgen.<br />
Dieser Auftrag richtet sich an Regierungen und<br />
Unternehmen in gleicher Weise und ist zudem eine<br />
grundlegende Forderung der Agenda 2030.<br />
ZU BESUCH BEI DER KANZLERIN.<br />
Vorbildliches Nachhaltigkeitsengagement: Preisträger<br />
des Deutschen Nachhaltigkeitspreises informierten<br />
Angela Merkel, wie sie den Wandel hin<br />
zu einer nachhaltigen Gesellschaft unterstützen.<br />
GLOBALE PARTNERSCHAFTEN.<br />
Bis zum Jahr 2030 soll es keinen Hunger, extreme<br />
Armut und Ungleichheit mehr geben, Geschlechtergerechtigkeit<br />
weltweit gelten und gute Entwicklungschancen<br />
für eine wachsende Weltbevölkerung<br />
geschaffen werden. Dazu braucht es neue Kooperationen<br />
zwischen staatlichen und nichtstaatlichen<br />
Gruppen, die auch Sektor- und Landesgrenzen<br />
überschreiten. Im Interview spricht Bundesentwicklungsminister<br />
Gerd Müller über globale<br />
Verantwortung, nachhaltige Textilien, die Allianz für<br />
Entwicklung und Klima sowie den DNP als Plattform<br />
für nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen.<br />
17<br />
SPRACHE.<br />
34<br />
Das Rathaus Freiburg, das Schmuttertal-Gymnasium<br />
Diedorf und das Aktiv-Stadthaus in Frankfurt waren<br />
in den letzten Jahren Sieger oder unter den Top 3<br />
beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis Architektur.<br />
Sie zeigen, dass wir heute bereits die Gebäude<br />
planen und bauen können, die einen positiven<br />
Beitrag für unsere Zukunft leisten.<br />
ENGAGEMENT FÜR DIE JUGEND.<br />
Weltweit demonstrieren Kinder und Jugendliche<br />
für umfassende, schnelle und effiziente Umweltund<br />
Klimaschutzmaßnahmen und fordern zum<br />
Handeln auf. Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis<br />
für Städte und Gemeinden setzt genau dort an –<br />
hier wird nicht nur über Nachhaltigkeit geredet,<br />
sondern gehandelt. Der Preis engagiert sich schon<br />
seit vielen Jahren für die Jugend.<br />
BILDNACHWEISE<br />
26<br />
22<br />
NACHHALTIGKEIT<br />
DURCH<br />
DIGITALISIERUNG.<br />
24<br />
NEUE GESCHÄFTS-<br />
MODELLE.<br />
26<br />
STÄDTEPREIS<br />
FOR FUTURE.<br />
28<br />
ZIRKULÄRE<br />
WERTSCHÖPFUNG<br />
IN KOMMUNEN.<br />
31<br />
INTERVIEW MIT<br />
LIONEL SOUQUE.<br />
32<br />
GLOBAL<br />
VERANWORTLICH<br />
WIRTSCHAFTEN.<br />
34<br />
DIE ZUKUNFT<br />
DES BAUENS<br />
IST KLIMAPOSITIV.<br />
36<br />
DESIGN FÜR<br />
NACHHALTIGKEIT.<br />
20<br />
CIRCULAR<br />
ECONOMY –<br />
THE NEXT<br />
BIG THING.<br />
21<br />
BRAUCHT<br />
NACHHALTIGE<br />
GASTRONOMIE<br />
EINEN PREIS?<br />
18<br />
12<br />
Die vom Büro Deutscher Nachhaltigkeitspreis verfassten Beiträge sind unter<br />
Berücksichtigung von Lesbarkeit und Ästhetik in geschlechtergerechten<br />
Sprache geschrieben. Die gendergerechte Formulierung stand unseren<br />
Gastautor/innen frei.<br />
IMPRESSUM.<br />
HERAUSGEBER:<br />
Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis<br />
Neuer Zollhof 3 / 40221 Düsseldorf<br />
V.I.S.D.P.<br />
Stefan Schulze-Hausmann<br />
REDAKTION<br />
Sebastian Klement-Aschendorff<br />
GESTALTUNG<br />
Büro Deutscher Nachhaltigkeitspreis / Anna Krolzig<br />
Titel: Damir Tomas/brandmission; Seite 3: Frank Fendler; Seite 4: Michael<br />
Gottschalk/Photothek.net; Joshua Rawson Harris/unsplash.com; Ralf Rühmeier;<br />
Seite 5: Roland Halbe; Leon Bublitz/unsplash.com; Seite 6: Nick Fewings/unsplash.com;<br />
Seite 7: Victoriano Izquierdo/unsplash.com; Seite 9: Lisa<br />
Holler; Seite 10: Jonas Deister/Sozialhelden e.V.; Elke Häußler/HsKA; AutoNV_<br />
OPR; Seite 11: Andy Beales/unsplash.com; Frank Fendler; BMBF/Laurence<br />
Chaperon; Seite 12: Dariusz Misztal; Seite 13: UN Photo/Manuel Elias; Frank<br />
Fendler; Seite 14: Dariusz Misztal; Seite 15: Frank Fendler; Tcmphotography.<br />
co.za; Seite 16: Michael Gottschalk/Photothek.net; Seite 17: Dariusz Misztal;<br />
Seiten 18/19: Ralf Rühmeier (2); Seite 20: Guillaume Bolduc/unsplash.com;<br />
Seite 21: Jan Voth; Metro Germany; Seite 22: Ashwin Vaswani/unsplash.com;<br />
Seite 23: Frank Fendler; eric-kemnitz.com/Leipzig Mobil 2.0; Seite 24: Simon<br />
Veith/nachhaltige Fotografie; Seite 25: Mohdammed Ali/unsplash.com; PY-<br />
DRO GmbH; Seite 26: Leon Bublitz/unsplash.com; Markus Spiske/unsplash.<br />
com; Seite 27: Frank Fendler; Stadt Neumarkt; Seite 28: Oliver Cole/unsplash.<br />
com; Seite 29: Terry Mclaughlin/Copenhagen Media Center; Seite 31: REWE<br />
Group; Frank Fendler; Seite 32: Solidarity Center; Seite 33: ILO in Asia and<br />
the Pacific; Seite 34: HGEsch, Hennef; Seite 35: Frank Fendler; DGNB; Seite<br />
36: EET; Seite 37: Fair-Cup UG; Frank Fendler; Seite 38: betterECO GmbH;<br />
ECOFARIO GmbH; Daniela Lea Schafroth; right. based on science UG; Seite<br />
39: DIHK/Jens Schicke; Frank Fendler; Seite 40: Dean Chalkley.<br />
38<br />
GRÜNE STARTUPS.<br />
39<br />
INTERVIEW MIT<br />
ACHIM DERCKS.<br />
40<br />
MICK HUCKNALL –<br />
IF YOU DON´T<br />
KNOW HIM BY NOW.
7<br />
weder die Politik und ihr Zwilling, der Protest, noch<br />
sind es die unternehmerischen Nachhaltigkeitsstrategien<br />
der jüngsten Zeit. Radikal ist nur die Realität.<br />
und intakter Umwelt verdienen. Nicht nur, weil<br />
Wissenschaftler/innen Katastrophen voraussagen.<br />
Sondern vor allem, weil wir können.<br />
„Wo agile<br />
Selbstkorrektur<br />
gefragt ist,<br />
denken wir<br />
allzu oft<br />
prozessverliebt<br />
und in<br />
Details.“<br />
IM JAHR DES PILLEPALLE –<br />
WIRKLICH RADIKAL<br />
IST NUR DIE REALITÄT.<br />
Autor<br />
PROF. DR. GÜNTHER BACHMANN, GENERALSEKRETÄR DES RATES FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG<br />
Der Sommer war zu lange zu heiß. Fichten und<br />
Buchen sterben zu hunderttausenden. Binnen<br />
historisch kurzer Zeit sind eine Million Pflanzen-<br />
und Tierarten ausgestorben, bei der nächsten<br />
Million könnte Homo sapiens dabei sein. Der Ausbau<br />
einer nachhaltigen Infrastruktur, ob Kreislaufwirtschaft,<br />
Mobilität oder Erneuerbare Energien,<br />
schwankt zwischen Leerlauf und Rückwärtsgang.<br />
Die Bundesregierung legt zwar klimapolitisch<br />
einen Gang zu; aber es ist nur einer. Dass der nicht<br />
ausreicht, wissen alle und viele bekennen es offen.<br />
Die größte Bürde der Klimapolitik sind die verlorenen<br />
Jahre und verläpperten Chancen für eine<br />
industriepolitische, ökologische und soziale Rückbesinnung<br />
auf die Zukunft.<br />
Gerade unter diesen Bedingungen muss man einen<br />
Deutschen Nachhaltigkeitspreis vergeben! Weil<br />
alle Maßnahmen im Verkehr, in der Ernährung und<br />
beim Klima immer differenzierter und kleinteiliger<br />
werden, wird das ganzheitliche Denken wichtiger;<br />
und damit die Nachhaltigkeitsstrategien. Kommunen<br />
sind mit neuen Ideen unterwegs. Aus der Industrie<br />
wird mehr statt weniger Regulation gefordert.<br />
Auch inner-ökologische Zielkonflikte machen<br />
Nachhaltigkeitsdenken immer dringlicher. In den<br />
Wahlen überraschten Nachhaltigkeitsthemen, die<br />
sich zuvor in keinem Parteiprogramm fanden. Die<br />
Bienen schütteln die Landespolitik um. 2019 ist das<br />
Kohle-Jahr.<br />
Und natürlich: Die neue Ungeduld einer protestierenden<br />
Jugend macht den Unterschied. Eine<br />
Gesellschaft ohne jugendliche Protestkultur wäre<br />
nicht wirklich brauchbar. Diesen Mangel haben wir<br />
zu lange kaum wahrgenommen und Protestliches<br />
dem Feuilleton überlassen. Jetzt bläst das Jahr<br />
2019 mit anderem Wind. Sogar jene, denen der<br />
Protest eigentlich gilt, beklatschen die Jugend. Sie<br />
erscheinen fast wie erlöst. Wirklich radikal ist aber<br />
ANNÄHERUNG DURCH WANDEL, DIESMAL DEN<br />
EIGENEN<br />
Die Transformation einer ganzen Gesellschaft hat<br />
eine Voraussetzung, die viel zu oft als nebensächlich<br />
und unpolitisch, bisweilen auch als nervig<br />
gilt. Wir sind eine Welt gewohnt, in der mit dem<br />
Finger zunächst auf andere gezeigt wird, wenn es<br />
um Transformation geht. Das funktioniert in wohl<br />
geordneten Bahnen: Zwischen NGO und Industrie,<br />
zwischen Industrie und Handel, zwischen Vertretern<br />
sozialer Belange und ökologischer Belange,<br />
zwischen Investoren und der Realwirtschaft, Werbern<br />
und Designern. Und natürlich auch jeweils<br />
andersherum und in beliebiger Aufstellung. Mitunter<br />
löst ein klärender Krach sogar einen Fortschritt<br />
aus. Es gibt gute Beispiele für solide Konflikte, die<br />
zum Konsens reifen. Aber meist vernichtet das<br />
Alpha-Gebrüll nur wertvolle Zeit. Es simuliert Beschäftigung,<br />
Besorgnis und Bereitschaft, ohne das<br />
Risiko wirklich etwas tun zu müssen. Forderungen<br />
stellt man in der Gewissheit, dass die andere Seite<br />
ihnen ohnehin nicht nachkommt. Man ist laut ohne<br />
das Geräusch der Veränderung. Was mit Nachhaltigkeit<br />
eigentlich gemeint ist, verlottert.<br />
Wandel durch Annäherung war einst die Formel<br />
der Entspannungspolitik der 70er Jahre. Heute ist<br />
der Wandel eine noch viel größere Aufgabe. Und<br />
er ist nicht durch zwei Systeme, eine Grenze und<br />
viel Armee abgegrenzt, sondern mitten unter uns.<br />
Mit einer aktuellen Metapher: Die Gesellschaft<br />
muss ihr Betriebssystem bei laufendem Betrieb<br />
auswechseln. Beim Computer geht das nicht, in<br />
der Gesellschaft haben wir keine andere Wahl als<br />
es zu versuchen. Das wichtigste Instrument hierzu<br />
ist Glaubwürdigkeit. Und die baut sich nirgendwo<br />
sonst auf als bei und mit dem eigenen Wandel. Der<br />
Bundespolitik fehlt vieles, aber entscheidenderweise<br />
ein/e Staatsminister/in für Nachhaltigkeit.<br />
Den Märkten fehlt vieles, aber im Kern eine sichtbare<br />
(!) Hand für Innovationen zur Nachhaltigkeit,<br />
sei es Klimaneutralität oder vollständige Kreislaufwirtschaft.<br />
Kommunen müssen befähigt werden,<br />
Nachhaltigkeit zur Leistungsaufgabe zu machen,<br />
um die (oftmals viel zu vielen) Projekte zu Strukturen<br />
verbinden zu können. Wo agile Selbstkorrektur<br />
gefragt ist, denken wir allzu oft prozessverliebt<br />
und in Details. Mikromanagement verhindert Systementscheidungen.<br />
Die Folge ist das kleine Karo,<br />
das irgendwie auch immer richtig ist und trotzdem<br />
nicht hilft. So wird die deutsche Energiewende<br />
ihre selbstverschuldeten Ketten aus ideenarmen<br />
Fehlanreizen und politischer Überdeterminierung<br />
kaum abschütteln. So wirkt das Pathos von der<br />
großen Transformation kaum und wird sogar selbst<br />
zum Risiko.<br />
Es geht auch anders. Und zwar nicht nur, weil wir<br />
ganz eigentlich müssten und es dringend nötig ist.<br />
Nicht nur, weil alle Menschen ein Leben in Würde<br />
Wir können, weil viele alte und junge Menschen die<br />
Welt mit sehr realistischen Augen sehen. Daraus<br />
kann man Zukunft machen. Geld ist da, denn die<br />
Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen liegt im<br />
Rekordhoch und Gewinne steigen stärker als Umsätze.<br />
Die private Sparquote ist (man muss sagen:<br />
selbst ohne Zinsanreiz) sehr hoch. Der Staat hat<br />
volle Kassen. Steigende Löhne stärken per Konsum<br />
den Binnenmarkt gegen wilde Trump-Effekte. Uns<br />
geht es so gut, dass Milliarden Euro, die der Bund<br />
zur Förderung diverser Anliegen bereitstellt, kaum<br />
abgerufen werden.<br />
Im Ausland sieht das zuweilen völlig anders aus.<br />
Wo Hunger und Gewalt herrschen, ist Nachhaltigkeitspolitik<br />
weit schwerer. Wo fossile Rentenökonomien<br />
und Sojadiktaturen ihren Weltregionen<br />
den Stempel verzweifelten Wachstums aufdrücken,<br />
ist der Einsatz für Nachhaltigkeit mit Gefahren<br />
für Leib und Seele verbunden. Es ist kein Wunder,<br />
dass die Welt zunehmend auf Deutschland schaut.<br />
Sie will aus guten Beispielen gelingender (oder<br />
jedenfalls Beispiele von halbwegs entschlossen<br />
begonnener) Transformation lernen. Dringend<br />
versucht sie unsere Fehler zu verstehen, um Überund<br />
Unterförderung zu vermeiden. Sie will wissen,<br />
wie sie Risiken in eigene Chancen verkehren kann.<br />
Sie fragt nach den Wegen für eine Transformation<br />
ohne Angst und mit kompetenten Ergebnissen der<br />
repräsentativen Demokratie. Ausländische Partner<br />
interessieren sich dafür, welchen Unterschied ein<br />
unabhängiger Nachhaltigkeitsrat machen kann,<br />
welche Rolle Wissenschaft und Kunst spielen<br />
können, und wie man einen prestigeträchtigen<br />
Nachhaltigkeitspreis etabliert.<br />
UMDENKEN: DIE GESELLSCHAFT MUSS IHR BETRIEBSSYSTEM BEI LAUFENDEM BETRIEB AUSWECHSELN.
Düsseldorf<br />
mart – nachhaltig –<br />
zukunftsweisend<br />
Nähe trifft Freiheit<br />
Live close Feel free<br />
Düsseldorf begrüßt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer<br />
des 12. Deutschen Nachhaltigkeitstages 2019.<br />
9<br />
VERMEIDEN, DASS WIR UNS ARM WACHSEN<br />
Unsere Antworten müssen mindestens so gut<br />
sein, dass sie neue Fragen aufwerfen. Das ist der<br />
Kern des Wettbewerbs: neue Ideen und schnellere<br />
Wirkungen in Richtung nachhaltige Entwicklung.<br />
Begriffe wie Suffizienz und Substitution dürfen<br />
keine Fremdworte bleiben – weil Nachhaltigkeitslösungen<br />
für einen produktiveren und sparsameren<br />
Umgang mit Ressourcen, zur effizienten<br />
Nutzung sauberer Energien, zum innovativen<br />
Produktdesign nur mit ihnen und kaum je gegen<br />
sie bestehen können. Die Gretchenfrage ist<br />
Wachstum.<br />
Die konventionelle Wachstumsbilanz trügt. Sie<br />
zählt nur Geld und klammert einen großen Teil der<br />
zudem wichtigen Werte aus. Bis zu 60 Prozent des<br />
Wertes von Unternehmen stecken in der Lieferkette,<br />
in der Unternehmenskultur, in der für die<br />
Produktion benutzten Umwelt, in der Kompetenz<br />
der Arbeiter und Angestellten. Die Kapitalisierung<br />
anhand von Börsendaten „externalisiert“ diese<br />
relevanten Aspekte. Unternehmen wie Kämmerer<br />
können sich darauf nicht mehr verlassen, wenn sie<br />
es je konnten. Ihre Nachhaltigkeitsberichte und<br />
-strategien müssen andere Wege gehen, um die<br />
Materialität, Risiken oder Chancen zu verstehen,<br />
denken wir nur an Bananen, Kaffee, Tee, Fisch, an<br />
die textile Kette, an Konfliktminerale, an Menschenrechte<br />
in der Lieferkette, an unfaire Preise<br />
für Urproduzenten, die Sustainable Development<br />
Goals. Solange die vollen Kosten und der volle Nutzen<br />
nicht berechnet sind, bleiben „Wachstum“ und<br />
„wirtschaftlicher Erfolg“ trügerische Kategorien.<br />
Solange ist es mehr als wahrscheinlich, dass wir<br />
uns in eine neue Form von Armut hineinwachsen.<br />
Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis zeichnet Unternehmen<br />
und Kommunen für wichtige Nachhaltigkeitsstandards<br />
in den eigenen Strategien<br />
und Organisationsrichtlinien aus. Der Deutsche<br />
Nachhaltigkeitspreis ist wie ein Kompendium von<br />
Good-Practices. Es berücksichtigt die Proportionalität<br />
von großen und kleinen Unternehmen und von<br />
breiter und tiefer Nachhaltigkeit. Wo der Staat und<br />
der Markt Mindestanforderungen stellen, ergänzen<br />
Pioniere und Champions diese durch das Ausmessen<br />
des Möglichen, Leistbaren und seiner Grenzflächen.<br />
Pioniere der Nachhaltigkeit zeigen als<br />
Gewinner des Deutschen Nachhaltigkeitspreises,<br />
was heute schon machbar ist und dass noch viel<br />
mehr gehen kann.<br />
Unter den aufgeschlossenen, an Innovationen interessierten<br />
Unternehmen und Kommunen gilt die<br />
Basis dieses Handelns mittlerweile als „gelernt“:<br />
dass man das Thema organisatorisch verankert,<br />
verlässliche Strukturen schafft, mit gutem Beispiel<br />
vorangeht, um nach innen zu überzeugen und nach<br />
außen Vorteile zu erzeugen. Nachhaltigkeit zahlt<br />
sich aus. Das wird auch dadurch unterstrichen,<br />
dass Investoren und Rechnungsprüfer verstärkt<br />
nachfragen und kontrollieren. Pioniere haben ihre<br />
Verfahren zum Benchmark gemacht. Nun müssen<br />
sie jedoch aufpassen. Da, wo der Massenmarkt<br />
nachzieht, geraten entweder die Margen unter<br />
Druck oder die Qualität der Benchmarks leidet.<br />
Gravierend ist, wenn beides zusammenkommt.<br />
WAS HEUTE SCHON MACHBAR IST: DER LETZTJÄHRIGE SIEGER IN DER KATEGORIE GROSSUNTERNEHMEN.<br />
DIE AUSSICHTEN<br />
Geschäftsstrategien müssen die Chancen und<br />
Risiken der Nachhaltigkeit deshalb zu einer harten<br />
Kategorie aufwerten. Der Binnenblick ist wichtig,<br />
weil er Mitarbeiter mitnimmt und Partizipation<br />
schafft. Er kann sehr ergiebig sein. Was indessen<br />
notwendig ist und – entscheidender – was möglich<br />
ist, das erfordert mehr als nur den Binnenblick.<br />
Stallgeruch ist gut, aber Echokammern schaffen<br />
Scheinwirklichkeiten. Durchschnitt ist trügerisch,<br />
Formeln wie die Triple Bottom Line und der Fokus<br />
auf Konsens liefern nicht mehr genug. Ausschläge,<br />
Zufälle, Überraschungen, Innovationen aus<br />
Reallaboren macht oft erst der unabhängige<br />
Schulterblick erkennbar. Nur so lassen sich komplexe<br />
Herausforderungen wie Klimaneutralität,<br />
Ressourcen-Zirkularität, Reboundeffekte oder<br />
Landverbrauch und Bodenökologie überschauen.<br />
So schafft man eine bessere Chance, Zukunft nicht<br />
linear zu sehen oder sie gar abwarten zu wollen.<br />
Wird eine hohe Pendlerquote in Zukunft als Strukturschwäche<br />
gewertet werden? Zieht man sich aus<br />
Geschäftsfeldern mit fossilen Energieträgern ruckartig<br />
oder kontinuierlich zurück? Wird das Paradigma<br />
„Bauen auf der grünen Wiese“ abgelöst durch<br />
ein Bauen mit der Grauen Energie im Bestand?<br />
Wer nicht von Verzichtsforderungen überrascht<br />
werden will, der muss seine Freiheit durch innovatives<br />
Denken verteidigen.<br />
In ihr kombiniert sich Empathie, Mut und die Kunst<br />
des Experimentierens. Empathie, weil der Mensch<br />
das Zutrauen zur eigenen Kompetenz braucht und<br />
ihm dieses Zutrauen von anderen auch gelegentlich<br />
zugemutet werden muss. Mut, weil es um Lösungen<br />
geht, die es mit der Radikalität der Realität<br />
aufnehmen müssen. Experimentieren, weil man nur<br />
lernt, was man kann, wenn man es auch macht.<br />
„Solange<br />
die vollen<br />
Kosten und<br />
der volle<br />
Nutzen nicht<br />
berechnet<br />
sind, bleiben<br />
Wachstum<br />
und<br />
wirtschaftlicher<br />
Erfolg<br />
trügerische<br />
Kategorien.“
10<br />
IM MITTELPUNKT:<br />
DER MENSCH UNTERWEGS.<br />
PROJEKT ELEVATE –<br />
VORHER WISSEN, OB<br />
DER AUFZUG GEHT.<br />
Aufzüge sind insbesondere für<br />
Menschen mit Mobilitätseinschränkungen<br />
ein zentraler<br />
Bestandteil, um barrierefrei<br />
unterwegs zu sein. Nicht funktionierende<br />
Aufzüge stellen die<br />
Betroffenen vor große Herausforderungen.<br />
Per Liveauskunft<br />
will der gemeinnützige Verein<br />
„Sozialhelden“ mit dem Projekt<br />
„Elevate“ dafür sorgen, dass ein<br />
Informationsdienst Auskunft<br />
darüber gibt, wo Aufzüge vorhanden<br />
sind und ob diese auch<br />
tatsächlich funktionieren. Dieser<br />
Dienst soll durch die Nutzung<br />
und Vernetzung offener Daten<br />
bundesweit, flächendeckend und<br />
frei verfügbar genutzt werden<br />
können. Für das Projekt und die<br />
bereitgestellten Daten kooperiert<br />
Elevate mit Verkehrsunternehmen,<br />
Aufzugherstellern und weiteren<br />
Stakeholdern.<br />
REALLABOR GO KARLSRUHE –<br />
EIN FORSCHUNGSPROJEKT FÜR<br />
FUSSGÄNGER/INNEN.<br />
Der Fußverkehr ist ein elementarer Bestandteil im<br />
Rahmen einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Das<br />
Reallabor GO Karlsruhe der Hochschule Karlsruhe –<br />
Technik und Wirtschaft, setzt auf Realexperimente,<br />
um den Fußverkehr zu fördern. Dabei werden praktikable<br />
und kostengünstige Maßnahmen zur Verbesserung<br />
des Fußverkehrs eingesetzt, die in einem<br />
dynamischen Beteiligungsprozess entwickelt werden.<br />
So haben Fußgänger/innen die Möglichkeit, mittels<br />
digitaler Anwendungen die aktuelle Verkehrssituation<br />
an verschiedenen Orten zu bewerten. Beispielsweise<br />
machten Markierungen auf der Straße auf einen neun<br />
verkehrsberuhigten Bereich aufmerksam und führten<br />
zu einer signifikanten Verlangsamung des Verkehrs.<br />
AUTONV_OPR – AUTONOMER<br />
ÖFFENTLICHER NAHVERKEHR<br />
IM LÄNDLICHEN RAUM.<br />
Für viele deutsche Kommunen ist der öffentliche<br />
Nahverkehr kaum noch finanzierbar. Insbesondere im<br />
ländlichen Raum sinken die Fahrgastzahlen stetig. Dabei<br />
ist der ÖPNV gerade auf dem Land eine wichtige<br />
Voraussetzung für Menschen ohne PKW, um den Alltag<br />
selbstbestimmt zu gestalten. Das Projekt „AutoNV_<br />
OPR“, mitinitiiert von der Technischen Universität<br />
Berlin, will dieser Entwicklung mit dem Einsatz fahrerloser,<br />
elektrischer Kleinbusse im Landkreis Ostprignitz-<br />
Ruppin entgegenwirken. Die Integration des automatisierten<br />
Kleinbusses in den öffentlichen Nahverkehr<br />
soll die Versorgung und Erreichbarkeit optimieren und<br />
durch die verbesserte Infrastruktur den Individualverkehr<br />
und damit CO 2<br />
-Emissionen reduzieren.<br />
MOBILITÄT DER ZUKUNFT –<br />
SICHER, SAUBER, VERNETZT.<br />
Autorin<br />
Wir sind viel unterwegs. Bequeme und schnelle<br />
Fortbewegungsmittel erlauben eine Vielzahl von<br />
Ortswechseln und Lebensentwürfen, ermöglichen<br />
Teilhabe und sind Teil unseres Wirtschaftens. Nur so<br />
können wir Wohnort oder Arbeitsplatz frei wählen,<br />
können wir Beruf und Freizeit frei gestalten. Es steht<br />
außer Zweifel: Mobilität ist ein menschliches Grundbedürfnis.<br />
ANJA KARLICZEK, MITGLIED DES DEUTSCHEN BUNDESTAGES, BUNDESMINISTERIN FÜR BILDUNG UND FORSCHUNG<br />
Doch unsere Mobilität hinterlässt Spuren: Luftverschmutzung,<br />
Lärm und Flächenverbrauch sind die<br />
Folgen. Das Klima wird durch den Verkehr besonders<br />
stark belastet, denn Mobilität beruht noch immer<br />
– mehr als hundert Jahre nach Erfindung des Automobils<br />
– zum größten Teil auf fossilen Energieträgern.<br />
Und während in den Städten die Straßen immer<br />
voller werden, fahren auf dem Land immer weniger<br />
Busse und Bahnen. Nicht von ungefähr gehört eine<br />
umwelt- und gesellschaftsverträgliche Mobilität<br />
darum zu den Schwerpunkten des Klimapakets der<br />
Bundesregierung.<br />
Die Mobilität der Zukunft muss nachhaltig und<br />
technologieoffen sein. Dazu gehört, dass wir die<br />
individuelle Mobilität sichern, die Umwelt- und<br />
Lebensqualität insbesondere in den Städten steigern<br />
Anja Karliczek leitet das Bundesministerium für<br />
Bildung und Forschung. Seit 2013 ist sie Mitglied<br />
des Deutschen Bundestages. Von 2017 bis März<br />
2018 war sie Parlamentarische Geschäftsführerin<br />
der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.<br />
– und dabei gleichzeitig die Innovationsfähigkeit des<br />
Mobilitätssektors stärken. Im Zentrum stehen dabei<br />
die Menschen mit ihren Bedürfnissen. Technik muss<br />
dem Menschen dienen. Nur, wenn wir technologische<br />
und soziale Innovationen zusammen denken, wird<br />
die Mobilitätswende ein Erfolg.<br />
Forschung leistet dazu einen entscheidenden Beitrag.<br />
So nimmt die systemische Mobilitätsforschung<br />
die Mobilität als Ganzes in den Blick. Dazu gehört,<br />
dass Kommunen den Wandel vor Ort gestalten –<br />
zusammen mit der Wirtschaft, der Gesellschaft<br />
und der Wissenschaft. Vor allem aber brauchen wir<br />
Innovationen: leistungsfähige Batterien, Wasserstoff-<br />
Brennstoffzellen und synthetische Kraftstoffe. Und<br />
nicht zuletzt ist eine effiziente und vertrauenswürdige<br />
Mikroelektronik nötig. Sie ist ein Schlüssel,<br />
um das Potenzial von Künstlicher Intelligenz für<br />
das autonome Fahren zu heben. Mit dem Aktionsplan<br />
„Forschung für Autonomes Fahren“ bringt das<br />
Bundesforschungsministerium – zusammen mit dem<br />
Bundeswirtschaftsministerium und dem Bundesverkehrsministerium<br />
– den Wandel entschieden<br />
voran. Das Ziel unserer Forschungsförderung ist eine<br />
Mobilität, die sicher ist, sauber und vernetzt.<br />
Darum geht es auch beim Deutschen Nachhaltigkeits-<br />
preis Forschung mit dem diesjährigen Schwer-<br />
punktthema „Nachhaltige urbane Mobilität“. Die<br />
drei nominierten Projekte ELEVATE, Reallabor GO<br />
Karlsruhe und AutoNV_OPR (siehe linke Seite)<br />
demonstrieren bereits jetzt auf eindrucksvolle Weise,<br />
wie es gelingen kann, mit innovativen Ansätzen<br />
nachhaltige Lösungen zu schaffen. Besonders gut<br />
hat mir gefallen, dass diese Projekte häufig vernachlässigte<br />
Gruppen in den Mittelpunkt stellen:<br />
mobilitätseingeschränkte Menschen, Fußgänger<br />
und Menschen im ländlichen Raum.<br />
Ich bedanke mich ganz herzlich bei allen, die sich in<br />
diesem Jahr um den Preis beworben haben, gratuliere<br />
den drei Finalisten für ihre Nominierung und<br />
wünsche ihnen viel Erfolg beim Endspurt um den<br />
ersten Platz!<br />
DEUTSCHER NACH-<br />
HALTIGKEITSPREIS<br />
FORSCHUNG<br />
Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis<br />
Forschung wird in<br />
diesem Jahr zum achten Mal<br />
gemeinsam mit dem Bundesministerium<br />
für Bildung<br />
und Forschung (BMBF) vergeben.<br />
Er würdigt nachhaltigkeitsbezogene<br />
Forschungsleistungen<br />
in Deutschland. In<br />
diesem Jahr steht das Thema<br />
„Urbane Mobilität“ im Mittelpunkt<br />
der Auszeichnung.<br />
<strong>#DNP12</strong>
12<br />
NACHHALTIG WIRTSCHAFTEN<br />
FÜR DIE AGENDA 2030.<br />
Es gehört zu den Aufgaben der Bundesregierung,<br />
Umwelt und Klima zu schützen, die Lebensfähigkeit<br />
auf unserem Planeten zu erhalten und eine nachhaltige<br />
Wirtschafts- und Lebensweise zu fördern.<br />
Diese Agenda wird im Rahmen von Partnerschaften,<br />
Kooperationen und Ordnungsrecht umgesetzt und<br />
wirkt inzwischen längst über die nationalen Grenzen<br />
hinaus, denn Deutschland trägt eine enorme Verantwortung<br />
für globale Entwicklungen.<br />
Deutsche Unternehmen zählen in der Regel zu den<br />
Gewinnern der Globalisierung. Davon profitieren<br />
Viele hier in unserem Land, Konsumentinnen und<br />
Konsumenten und vor allem auch Arbeitnehmerin-<br />
aus. Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, diese<br />
Kraft unserer Wirtschaft zu erhalten und in den<br />
Dienst des Gemeinwohls zu stellen. Nachhaltiges<br />
Wirtschaften und eine nachhaltige Entwicklung<br />
bedeuten, niemand im gesellschaftlichen Wandel<br />
zurückzulassen und wo immer möglich für menschenwürdige<br />
und fair bezahlte Arbeitsplätze und<br />
eine gesunde Umwelt zu sorgen. Dieser Auftrag<br />
richtet sich an Regierungen und Unternehmen in<br />
gleicher Weise. Es ist zudem eine grundlegende<br />
Forderung der Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung<br />
der Vereinten Nationen, die ganz ausdrücklich<br />
auch die Lieferketten mit einbezieht, und<br />
zwar nationale, europäische und internationale.<br />
EINE DER GRUNDLEGENDEN FORDERUNGEN DER AGENDA 2030: EINE NACHHALTIGE WIRTSCHAFTS- UND LEBENSWEISE FÖRDERN.<br />
BUNDESMINISTERIN SVENJA SCHULZE ÜBERREICHTE 2018 DEN DEUTSCHEN NACHHALTIGKEITSPREIS UNTERNEHMEN AN DEN WUPPERTALER ZANGENHERSTELLER KNIPEX.<br />
nen und Arbeitnehmer. Der Export ist eine tragende Die Debatte dazu hat in den vergangenen Monaten<br />
Säule unserer Volkswirtschaft, wie die Zahlen eindrucksvoll<br />
belegen. Nach vorläufigen Erhebungen in der Zivilgesellschaft, von Gewerkschaften bis<br />
deutlich Fahrt aufgenommen. Ein breites Bündnis<br />
des Statistischen Bundesamtes nahmen die deutschen<br />
Ausfuhren in den vergangenen 10 Jahren um Lieferkettengesetz“ Eckpunkte für einen gesetzli-<br />
zu den Umweltverbänden, hat mit der „Initiative<br />
34 Prozent und die Einfuhren um 35 Prozent zu. Der chen Rahmen vorgelegt, mit dem der Schutz von<br />
Gesamtwert der Ausfuhren im Jahr 2018 betrug 1,32 Menschenrechten und der Umwelt in weltweiten<br />
Billionen Euro, der Einfuhren 1,09 Billionen Euro. Die Lieferketten verbessert werden soll. In der Schweiz<br />
Ausfuhren der vier größten Warengruppen (Kraftwagen<br />
und Kraftwagenteile, Maschinen, chemische antwortungsinitiative“ in den parlamentarischen<br />
befindet sich das Volksbegehren der „Konzernver-<br />
Erzeugnisse sowie Datenverarbeitungsgeräte, elektronische<br />
und optische Erzeugnisse) machten entsprechendes Sorgfaltspflichtengesetz. Darüber<br />
Beratungen. In Frankreich existiert bereits ein<br />
2018 wertmäßig die Hälfte der Gesamtausfuhren hinaus wird aktuell und durchaus streitig ein völker-<br />
rechtlicher Vertrag im Menschenrechtsrat der<br />
Vereinten Nationen verhandelt, der die Unternehmensverantwortung<br />
im Bereich der Menschenrechte<br />
künftig regulieren soll.<br />
Die Beispiele zeigen, dass es viele gute Ansätze für<br />
die Umsetzung von Nachhaltigkeit in unternehmerischen<br />
Wertschöpfungsketten gibt, die einen Beitrag<br />
zu einer gerechteren Globalisierung leisten<br />
könnten. Gleichzeitig sehen immer mehr Unternehmen<br />
darin einen zusätzlichen Wettbewerbsfaktor.<br />
Viele Unternehmen haben dies wie die Preisträgerinnen<br />
und Preisträger bereits erkannt, weitere<br />
müssen noch überzeugt werden. Aus Sicht des<br />
BMUs muss es das Ziel sein, dass Regelungen zu<br />
unternehmerischen Sorgfaltspflichten für Umweltbelange,<br />
Menschenrechte, Arbeitnehmerbelange,<br />
Sozialbelange und Antikorruption für alle Unternehmen<br />
gleichermaßen gelten müssen.<br />
Die Bundesregierung macht seit Jahren gute Erfahrungen<br />
mit dem freiwilligen Umweltmanagementsystem<br />
EMAS und seinen Kernelementen<br />
Umweltpolitik, Betrachtung von Risiken und Chancen,<br />
Ermittlung der wesentlichen Umweltaspekte,<br />
Stakeholdereinbindung, externer Überprüfung und<br />
Transparenz. Das öffentliche EMAS-Register ist eine<br />
Sammlung von „Best Practice-Beispielen“ der Umweltberichterstattung<br />
von mehr als 2000 Unternehmens-<br />
und Organisationsstandorten. Diese kommunizieren<br />
öffentlich ihre Ziele und Erfolge, aber auch<br />
die weiteren Herausforderungen.<br />
Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis ist dafür eine<br />
gute Standortbestimmung. Hier wird deutlich, wer<br />
einen wesentlichen Beitrag zum Fortschritt in unserem<br />
Land leistet. Die Preisträgerinnen und Preisträger<br />
beweisen, dass es möglich ist, Verantwortung<br />
für die ökologischen Wirkungen des eigenen Handelns<br />
zu übernehmen und das gesellschaftliche Bewusstsein<br />
dafür zu sensibilisieren. Sie zeigen auch,<br />
dass es sich lohnt, die wichtigen Debatten über eine<br />
nachhaltige Zukunft immer wieder neu anzustoßen.<br />
Das ist eine große Leistung und Grund genug, dass<br />
das Bundesumweltministerium auch in diesem Jahr<br />
den Deutschen Nachhaltigkeitspreis und das damit<br />
verbundene Engagement unterstützt.<br />
„Der Beitrag der<br />
Unternehmen zu<br />
den globalen<br />
Nachhaltigkeitszielen<br />
ist von<br />
enormer Bedeutung.<br />
Die Preisträger<br />
zeigen außerdem:<br />
Nachhaltigkeit ist<br />
auch ein<br />
business case.“<br />
SVENJA SCHULZE,<br />
BUNDESUMWELTMINISTERIN<br />
DEUTSCHER NACH-<br />
HALTIGKEITSPREIS<br />
UNTERNEHMEN<br />
Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis<br />
für Unternehmen<br />
wird in Zusammenarbeit<br />
mit dem Bundesministerium<br />
für Umwelt, Naturschutz<br />
und nukleare Sicherheit<br />
(BMU) vergeben. Er zeichnet<br />
Unternehmen aus, die<br />
mit ihren Produkten und<br />
Dienstleistungen besonders<br />
erfolgreich ökologischen und<br />
sozialen Problemen begegnen<br />
und damit Nachhaltigkeit<br />
als wirtschaftliche Chance<br />
nutzen. Die Auszeichnung<br />
wird in den drei Größenklassen<br />
KMU, mittelgroße<br />
Unternehmen und Großunternehmen<br />
vergeben.<br />
<strong>#DNP12</strong>
15<br />
terium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und<br />
Entwicklung (BMZ) Multi-Akteurs-Partnerschaften<br />
zwischen Staat, Zivilgesellschaft, Wirtschaft oder<br />
Wissenschaft.<br />
DIE KRAFT VON UNTERNEHMEN NUTZEN<br />
die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen auf<br />
globale Partnerschaften, auch auf lokaler Ebene,<br />
an der sich alle Kommunen – ob reich oder arm,<br />
groß oder klein, Nord oder Süd – beteiligen, um<br />
sich gemeinsam für eine nachhaltige Welt vor Ort<br />
einzusetzen.<br />
HERAUSFORDERUNGEN GEMEINSAM LÖSEN: BUNDESMINISTER MÜLLER ÜBERREICHTE 2018 DIE DEUTSCHEN NACHHALTIGKEITSPREISE FÜR GLOBALE PARTNERSCHAFTEN.<br />
„Um die<br />
SDGs zu<br />
erreichen,<br />
müssen sie<br />
in die<br />
Mitte der<br />
Gesellschaft<br />
getragen<br />
werden.“<br />
AGENDA 2030 HEISST<br />
PARTNERSCHAFT –<br />
IN DEUTSCHLAND UND<br />
GLOBAL.<br />
In den vergangenen Monaten sind weltweit Millionen<br />
von Menschen für mehr Klimaschutz und mehr Nachhaltigkeit<br />
auf die Straßen gegangen. Vier Jahre nach<br />
der Verabschiedung der Agenda 2030 ist sie somit<br />
aktueller denn je.<br />
Mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung<br />
drückt die Weltgemeinschaft ihre Hoffnung aus, dass<br />
sich die Herausforderungen unserer Zeit gemeinsam<br />
lösen lassen. Die 17 Ziele der Agenda 2030, die<br />
sogenannten SDGs (engl. Sustainable Development<br />
Goals) sind ambitioniert und vielfältig. Bis zum Jahr<br />
2030 soll es keinen Hunger, extreme Armut und<br />
Ungleichheit mehr geben, Geschlechtergerechtigkeit<br />
weltweit gelten und gute Entwicklungschancen<br />
für eine wachsende Weltbevölkerung geschaffen<br />
werden. Gleichzeitig geht es darum, die Erderwärmung<br />
aufzuhalten, die Folge des Klimawandels<br />
abzufedern und den Schutz natürlicher Ressourcen<br />
zu sichern.<br />
GEMEINSAM VORANSCHREITEN<br />
Mit der Agenda 2030 haben wir einen neuen Geist<br />
der internationalen Kooperation – eine globale Partnerschaft.<br />
Denn die Umsetzung der Agenda steht<br />
längst nicht mehr nur auf den Arbeitsprogrammen<br />
der Regierungen. Eine nachhaltige Entwicklung und<br />
die SDGs können nur erreicht werden, wenn alle Akteure<br />
gemeinsam zu mehr nachhaltiger Entwicklung<br />
beitragen: Regierungen, Unternehmen, Zivilgesellschaft,<br />
Wissenschaft und Bürgerinnen und Bürger.<br />
Wenn wir die SDGs wirklich erreichen wollen, dann<br />
müssen sie in die Mitte der Gesellschaft getragen<br />
werden.<br />
Dazu braucht es neue Kooperationen zwischen<br />
staatlichen und nichtstaatlichen Gruppen, die auch<br />
Sektor- und Landesgrenzen überschreiten. So kann<br />
jeder seine Stärken bei der Umsetzung der Agenda<br />
2030 einbringen. Daher fördert das Bundesminis-<br />
Unternehmen tragen als Innovatoren, Wissensträger, Immer mehr deutsche Kommunen engagieren sich<br />
Investoren und Arbeitgeber erheblich zum gesellschaftlichen<br />
Wohlstand bei. Zugleich sind sie durch schaften für eine nachhaltige Zukunft. Durch die<br />
international in Rahmen von kommunalen Partner-<br />
ihr Wirtschaften – je nach Branche, Geschäftsmodell Zusammenarbeit werden sie ihrer globalen Verantwortung<br />
gerecht. Die Agenda 2030 mit ihren<br />
und Region – der Ursprung vieler Herausforderungen,<br />
die es zu überwinden gilt. Die Privatwirtschaft 17 globalen Nachhaltigkeitszielen eignet sich dabei<br />
spielt eine wichtige Rolle. Genau deshalb fordert die hervorragend als Leitfaden für die Entwicklung und<br />
Agenda 2030 Unternehmen explizit dazu auf, ihre Umsetzung gemeinsamer Aktivitäten.<br />
Innovationskraft zu nutzen, um ihre Wirtschaftsprozesse<br />
sozial- und ressourcenverträglich umzugestalten.<br />
Nur wenn jedes Unternehmen fair schaftsarbeit auf ihre eigenen Stärken. Sie vermit-<br />
Viele Kommunen konzentrieren sich in ihrer Partner-<br />
und ökologisch wirtschaftet und für sein Handeln teln zum Beispiel Wissen zu zentralen Aufgaben<br />
Verantwortung übernimmt, wird eine nachhaltige der kommunalen Daseinsvorsorge, also darauf, die<br />
Entwicklung zum Wohle aller gelingen.<br />
für die Bevölkerung notwendigen Grundleistungen<br />
wie Energieversorgung, Verkehr, Wasserversorgung,<br />
Die Umsetzung der Agenda 2030 benötigt viele Abwasser- und Müllentsorgung, Bildung und öffentliche<br />
Sicherheit bereitzustellen – natürlich auf nach-<br />
Ressourcen. Diese Transformation ist nicht ausschließlich<br />
durch staatliche Mittel zu leisten und die haltige Weise.<br />
private Wirtschaft verfügt über gewaltige Hebel zur<br />
Erreichung der SDGs.<br />
SDG-SONDERPREISE „GLOBALE PARTNER-<br />
SCHAFTEN“<br />
Sie kann ihren Beitrag leisten, indem sie in saubere<br />
Technologien, faire Löhne und umweltverträgliche Unter dem Dach „Globale Partnerschaften“ des<br />
Geschäftsmodelle investiert. Der Staat muss nachhaltiges<br />
Wirtschaften mit Anreizen und verlässlichen 2019 zwei Preise prämiert, die vom Bundesminis-<br />
Deutschen Nachhaltigkeitspreises werden auch<br />
Rahmenbedingungen flankieren. Die Wirtschaft terium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und<br />
der Zukunft ist nachhaltig und das muss sich auch Entwicklung gefördert werden. In der Kategorie<br />
finanziell lohnen.<br />
„Unternehmenspartnerschaften“ wird die Zusammenarbeit<br />
eines deutschen und eines Unternehmens<br />
aus einem Schwellen- oder Entwicklungsland<br />
GLOBALE KOMMUNALE PARTNERSCHAFTEN<br />
IM ZEICHEN DER AGENDA 2030<br />
ausgezeichnet. Die Zusammenarbeit ist geprägt von<br />
Spitzenleistungen des privaten Sektors für eine faire<br />
Global nachhaltige Entwicklung – dieses Kernanliegen<br />
der Agenda 2030 lässt sich nur durch<br />
und nachhaltige Globalisierung.<br />
vielfältige und vielgestaltige Partnerschaften<br />
In der Kategorie „Kommunale Partnerschaften“<br />
erreichen. Partnerschaften auf allen Ebenen von wird die partnerschaftliche Zusammenarbeit einer<br />
den Vereinten Nationen über die Staaten und<br />
deutschen und einer Kommune im Globalen Süden<br />
Unternehmen bis zu den Kommunen und Vereinen. ausgezeichnet, da sie die Verantwortung und<br />
Deshalb heißt das letzte der 17 globalen Ziele für Handlungsmöglichkeiten der lokalen Ebene für<br />
nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030: „Partnerschaften<br />
zur Erreichung der Ziele“. Damit setzen macht.<br />
die Umsetzung der Agenda 2030 anschaulich<br />
KOMMUNALE PARTNERSCHAFTEN: BREMEN UND DAS SÜDAFRIKANISCHE DURBAN STEHEN BEREITS SEIT JAHRZEHNTEN IN KONTAKT.<br />
DEUTSCHER NACH-<br />
HALTIGKEITSPREIS<br />
GLOBALE<br />
PARTNERSCHAFTEN<br />
In Zusammenarbeit mit<br />
dem Bundesministerium<br />
für wirtschaftliche Zusammenarbeit<br />
und Entwicklung<br />
(BMZ) und der Servicestelle<br />
Kommunen in der Einen Welt<br />
(SKEW) von Engagement<br />
Global werden Partnerschaften<br />
zwischen Unternehmen in<br />
Deutschland und in Entwicklungs-<br />
und Schwellenländern<br />
sowie zwischen deutschen<br />
Kommunen und ihren Partnerkommunen<br />
im Globalen<br />
Süden prämiert, die sich<br />
besonders vorbildlich für die<br />
Verwirklichung der Agenda<br />
2030 engagieren.<br />
<strong>#DNP12</strong>
16<br />
17<br />
„DER DNP BIETET EINE SPANNENDE<br />
PLATTFORM FÜR NACHHALTIGKEITS-<br />
ORIENTIERTE UNTERNEHMEN.“<br />
überwacht. Darum kümmert sich die staatliche<br />
Deutsche Akkreditierungsstelle. Als „Prüfer der<br />
Prüfer“ stellt sie sicher, dass die Prüfstellen die<br />
notwendige Expertise haben und wissen, worauf<br />
es ankommt.<br />
UND DARAUF LASSEN SICH DIE UNTERNEHMEN<br />
EIN?<br />
oder dem Ausbau erneuerbarer Energien. Damit<br />
stellen Sie zusätzliche private Mittel für den internationalen<br />
Klimaschutz und den Technologietransfer in<br />
Entwicklungsländer bereit. Jede und jeder kann hier<br />
mitmachen.<br />
WAS KONNTE DIE ALLIANZ BEREITS ERREI-<br />
CHEN?<br />
Interview<br />
DR. GERD MÜLLER, BUNDESMINISTER FÜR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG<br />
HERR MÜLLER, DAS BUNDESMINISTERIUM FÜR … UND BEI UNTERNEHMEN?<br />
WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND<br />
ENTWICKLUNG (BMZ) UNTERSTÜTZT AUCH IN In der Kategorie Unternehmenspartnerschaften<br />
DIESEM JAHR DEN SDG-SONDERPREIS „GLO- wurde die Firma Fosera aus Ulm und ihr Partner<br />
BALE PARTNERSCHAFTEN“. INWIEFERN KANN VITALITE aus Sambia mit dem SDG-Preis ausgezeichnet.<br />
Gemeinsam arbeiten die Unternehmen<br />
DER PREIS VERÄNDERUNGEN BEWIRKEN?<br />
daran, Länder in Afrika, Asien und Lateinamerika mit<br />
Mit dem SDG-Sonderpreis senden wir ein wichtiges<br />
Signal an Unternehmen und Kommunen: Ihr schaffen sie zum Beispiel für viele Menschen in<br />
bezahlbarer Solarenergie zu versorgen. In Sambia<br />
Engagement ist wichtig für die Umsetzung der den ländlichen Gebieten Zugang zu erneuerbarer<br />
UN Nachhaltigkeitsziele, den sogenannten SDGs, Energie.<br />
in Deutschland und in Entwicklungsländern! Die<br />
globalen Partnerschaften schaffen einen Dialog und UM UNTERNEHMENSVERANTWORTUNG GEHT<br />
Wissensaustausch mit den Partnerländern auf Augenhöhe.<br />
Darum geht es. Die Menschen einbeziehen, SOMMER EINGEFÜHRT HABEN. WARUM BRAU-<br />
ES AUCH BEIM GRÜNEN KNOPF, DEN SIE IM<br />
die SDGs bekannt zu machen und jede und jeden CHEN WIR EIN WEITERES TEXTILSIEGEL?<br />
zum Mitmachen anregen. So schaffen wir es, die<br />
SDGs und die Agenda 2030 erfolgreich umzusetzen. Für drei Viertel der Verbraucherinnen und Verbraucher<br />
ist nachhaltige Mode wichtig. Sie wollen<br />
zu Recht kein T-Shirt tragen, das in 14-Stunden-<br />
Schichten für einen Hungerlohn genäht wurde. Aber<br />
bei den unterschiedlichen Siegeln blicken doch viele<br />
nicht mehr durch. Einige Siegel konzentrieren sich<br />
auf faire Arbeitsbedingungen, andere auf das Verbot<br />
giftiger Chemikalien. Der Grüne Knopf ändert<br />
das. Kunden haben jetzt ein Leitsiegel beim Einkauf<br />
und müssen nicht mehr 30 verschiedene Siegel<br />
vergleichen.<br />
WAS IST DAS BESONDERE AM GRÜNEN KNOPF?<br />
Der Staat legt zum ersten Mal die Kriterien fest. Und<br />
die sind hoch. Unternehmen müssen ihre komplette<br />
Produktionslinie von Bangladesch bis Berlin anhand<br />
von 46 anspruchsvollen Sozial- und Umweltstandards<br />
überprüfen lassen – von A wie Abwassergrenzwerte<br />
bis Z wie Zwangsarbeitsverbot. Das Besondere<br />
ist: Das ganze Unternehmen wird geprüft,<br />
ob es verantwortungsvoll handelt: Legt es seine<br />
WIE ZEIGT SICH DAS KONKRET BEI DEN<br />
Lieferkette offen? Gibt es überall Beschwerdemöglichkeiten<br />
für die Näherinnen vor Ort? Einzelne<br />
KOMMUNEN?<br />
Vorzeigeprodukte reichen nicht aus. In dieser Tiefe<br />
Im vergangenen Jahr wurden Wernigerode und prüft sonst keiner.<br />
die vietnamesische Stadt Hôi An ausgezeichnet.<br />
Wernigerode und Hôi An engagieren sich in ihrer UND WER SOLL DAS ALLES ÜBERPRÜFEN?<br />
Städtepartnerschaft für den Klimaschutz und profitieren<br />
gemeinsam von dem Erfahrungsaustausch auf Das machen unabhängige Prüfer wie der TÜV oder<br />
diesem Gebiet. Das Preisgeld von 60.000 Euro wird die DEKRA. Wenn notwendig, kontrollieren sie auch<br />
genutzt, um in öffentlichen Parks beider Städte je die Produktionsstätten vor Ort, in Bangladesch<br />
eine Solar- bzw. Photovoltaik-Anlage zu installieren. oder Rumänien. Der Prüfprozess wird ebenfalls<br />
Ja. Fair Fashion ist ein Mega-Trend. Das zeigt auch<br />
die Bandbreite der Unternehmen, die schon dabei<br />
sind: Nachhaltigkeits-Vorreiter wie hessnatur, große<br />
Unternehmen wie die Otto Group, Tchibo, Lidl,<br />
Aldi und Rewe, Outdoor-Spezialisten wie Vaude und<br />
Startups wie Brands Fashion und Melawear. Seit<br />
dem Start gibt es über 100 weitere Anfragen. Der<br />
Grüne Knopf holt faire Mode raus aus der Nische<br />
– rein in die Normalität. Jetzt kommt es auf die<br />
Kunden an, zuzugreifen.<br />
WIE GEHT ES WEITER?<br />
Wir werden die Anforderungen des Grünen Knopf<br />
kontinuierlich weiterentwickeln. Zum Start deckt<br />
er die wichtigsten Arbeitsschritte „Färben“ sowie<br />
„Nähen und Schneiden“ ab: Hier laufen alle 100 Milliarden<br />
Kleidungsstücke weltweit durch. Hier arbeiten<br />
75 Millionen Menschen, vor allem Frauen. Aber<br />
unser Ziel ist der Schutz von Mensch und Natur<br />
in der gesamten Lieferkette – bis zum Baumwollfeld.<br />
Ein unabhängiger Beirat aus Wissenschaft,<br />
Wirtschaft und Zivilgesellschaft wird uns dabei<br />
unterstützen.<br />
DER PARTNERSCHAFTSGEDANKE MIT UNTER-<br />
NEHMEN FUNKTIONIERT AUCH BEIM KLIMA-<br />
SCHUTZ. DIE WIRTSCHAFT IST EINER DER<br />
GRÖSSTEN EMITTENTEN VON TREIBHAUS-<br />
GASEN. GIBT ES HIER BEMÜHUNGEN VERÄNDE-<br />
RUNGEN ZU ERZIELEN?<br />
Der Schutz des Klimas ist die Überlebensfrage der<br />
Menschheit. Hauptverantwortlich für den Klimawandel<br />
sind wir in den Industrieländern. Die Hauptleidtragenden<br />
sind aber die Menschen in den Entwicklungsländern,<br />
die am wenigsten dazu beigetragen<br />
haben. Schon heute mussten bereits 20 Millionen<br />
Menschen aus den Dürreregionen Afrikas fliehen.<br />
Klimaschutz ist daher ein zentraler Schwerpunkt unserer<br />
Arbeit. Aber der Staat schafft das nicht alleine.<br />
Bürger und Unternehmen müssen mitmachen. Vor<br />
diesem Hintergrund hat das BMZ im vergangenen<br />
Herbst die „Allianz für Entwicklung und Klima“ gestartet.<br />
WOFÜR STEHT DIE ALLIANZ FÜR ENTWICK-<br />
LUNG UND KLIMA?<br />
Alle Mitglieder arbeiten daran, klimaneutral zu<br />
werden. Das heißt: Sie verringern und vermeiden<br />
CO 2<br />
wo es geht. Den restlichen CO 2<br />
-Ausstoß<br />
kompensieren sie mit qualitätsgeprüften Klimaschutzprojekten<br />
in Entwicklungs- und Schwellenländern.<br />
Etwa zur Aufforstung des Regenwaldes<br />
Nach einem Jahr machen bereits 400 Unternehmen,<br />
Städte, und Vereine mit – unter anderem Bosch,<br />
SAP, MunichRe, die TSG Hoffenheim, die Stadt Ulm<br />
und ganz neu Kühne und Nagel. Das Ziel sind 1.000<br />
klimaneutrale Unternehmen im nächsten Jahr. Das<br />
Bundesentwicklungsministerium wird übrigens bis<br />
Ende des Jahres klimaneutral.<br />
GERD MÜLLER ÜBERREICHT DEN PREIS AN DIE STÄDTE WERNIGERODE UND HOI AN AUS VIETNAM.<br />
WIE KANN MAN AUCH UNTERNEHMEN MOTI-<br />
VIEREN, DIE BISHER EHER WENIGER FOKUS<br />
AUF ENTWICKLUNG UND KLIMA LEGEN?<br />
Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis 2019 bietet eine<br />
spannende Plattform, um nachhaltigkeitsorientierte<br />
Unternehmerinnen und Unternehmern zum<br />
Mitmachen zu begeistern. Zum Beispiel bei unserer<br />
Allianz für Entwicklung und Klima – passend zum<br />
ersten Geburtstag.<br />
AUCH BEI DER FÖRDERUNG EINER WELT-<br />
WEITEN KREISLAUFWIRTSCHAFT BIETEN<br />
SICH PARTNERSCHAFTEN AN. WAS UNTER-<br />
NEHMEN SIE?<br />
Wir haben dieses Jahr die PREVENT Abfall Allianz<br />
ins Leben gerufen, um unsere Partnerländer beim<br />
Aufbau einer Abfall- und Kreislaufwirtschaft zu unterstützen.<br />
Die 60 Mitglieder setzen sich gemeinsam<br />
dafür ein, weltweit Abfälle zu minimieren, Schadstoffe<br />
zu eliminieren und Ressourcen im Kreislauf<br />
zu führen. Sie sehen: Unternehmen und Kommunen<br />
sind bereits auf verschiedenste Art und Weise aktiv,<br />
die UN Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Das wollen<br />
wir in den nächsten Jahren ausbauen!<br />
„ Der Schutz<br />
des Klimas<br />
ist die<br />
Überlebensfrage<br />
der<br />
Menschheit.“
BRIEFING FÜR DIE<br />
KANZLERIN<br />
Autor<br />
STEFAN SCHULZE-HAUSMANN, INITIATOR DES DEUTSCHEN NACHHALTIGKEITSPREISES<br />
Angekommen. Die Bundeskanzlerin informiert<br />
sich aus erster Hand über den Deutschen Nachhaltigkeitspreis<br />
und die Praxis von ausgezeichneten<br />
Unternehmen. Auf Vorschlag von Günther Bachmann<br />
hat sie den Initiator der Auszeichnung, Stefan<br />
Schulze-Hausmann, zusammen mit Vertreter/innen<br />
von fünf preisgekrönten Unternehmen zu einem<br />
einstündigen Gespräch eingeladen.<br />
Es ist 11.45 Uhr am 6. November 2019, Berlin, Willy<br />
Brandt-Platz 1, Bundeskanzleramt, Kanzlerinnen-<br />
Ebene. Protokoll- und Sicherheitskräfte haben die<br />
kleine Gruppe in den sechsten Stock geleitet. Nach<br />
einem schnellen Gruppenfoto sitzen wir im Kleinen<br />
Lageraum an einem runden Tisch mit Rundumblick<br />
auf das Berliner Regierungsviertel. Unsere Gruppe<br />
ist nach Frauen und Männern ausbalanciert. Aber<br />
die Kanzlerin toppt uns mit drei Begleiterinnen. Unter<br />
einem Gemälde von Konrad Adenauer eröffnet<br />
Bundeskanzlerin Angela Merkel verbindlich und<br />
schnörkellos das Gespräch.<br />
Mehrfach in den letzten Jahren hatte sie die jährliche<br />
Schirmherrschaft über den Deutschen Nachhaltigkeitspreis<br />
übernommen und häufiger schon<br />
die Vorreiterrolle der Preisträger angesprochen.<br />
Nun will sie aus erster Hand wissen, wie es weitergehen<br />
soll mit dem nachhaltigen Wirtschaften.<br />
Die zentralen Fragen: Was machen die „nachhaltige<br />
DIE KANZLERIN EMPFING AUSGEWÄHLTE SIEGER DES DEUTSCHEN NACHHALTIGKEITSPREISES.<br />
Unternehmen“ anders und besser als die Wettbewerber?<br />
Wo klemmt es aber auch? Wo braucht „das<br />
nachhaltige Wirtschaften“ Unterstützung durch die<br />
Regierung, und welche?<br />
DAS BRIEFING<br />
Günther Bachmann stellt die Gäste vor. Stefan<br />
Schulze-Hausmann referiert zu Erfolgen und<br />
Wirkung des Deutschen Nachhaltigkeitspreises.<br />
Konzentriert zuhören, neugierig Details nachfragen<br />
und auch schon mal im Kopf nachrechnen, informiert<br />
keine Antwort schuldig bleiben – die Bundeskanzlerin<br />
lässt sich ein. Sie moderiert das Gespräch<br />
selbst, gibt aber auch Raum für spontane Einwürfe<br />
und Rückfragen.<br />
Birgit Bohle, Vorstandsmitglied der Deutschen<br />
Telekom, legt ihren Fokus auf das ambitionierte<br />
Ziel, den steigenden Datenverkehr vom Energieverbrauch<br />
zu entkoppeln. Für sie die größte Engstelle:<br />
Energiepreise und -abgaben verhindern derzeit,<br />
dass eine Europäische Datencloud auch Server in<br />
Deutschland hat. Dr. Daniela Büchel, Bereichsvorstand<br />
bei der REWE Group, beschreibt die Rolle von<br />
wöchentlich über 75 Millionen Kundenkontakten für<br />
den Aufbau von nachhaltigeren Sortimenten, fairen<br />
Umgang mit Partnern und Lieferanten und umweltund<br />
klimabewusstere Verpackungslösungen im Massenmarkt.<br />
Gerade weil zehn Jahre Nachhaltigkeit bei<br />
REWE und im Markt viel erreicht haben, müsse jetzt<br />
STARKES ZEICHEN DER ANERKENNUNG: ANGELA MERKEL FÜHRTE EIN INTENSIVES GESPRÄCH ÜBER DIE CHANCEN NACHHALTIG WIRTSCHAFTENDER UNTERNEHMEN.<br />
die Politik helfen, die Tierwohlbelange verbindlich<br />
und klar vorzugeben. Ralf Putsch, geschäftsführender<br />
Gesellschafter von KNIPEX, berichtet über die<br />
Erfolge der Material- und Energieeffizienz seiner<br />
besonders hochwertigen Werkzeuge. Getroffen<br />
werden diese Erfolge gegenwärtig durch die amerikanische<br />
Zollpolitik und langfristig durch drohende<br />
Energiepreissteigerungen. Dass Nachhaltigkeit<br />
von Anfang an der originäre Gründungsimpuls von<br />
Sodasan war, erklärt Kerstin Stromberg, CEO von<br />
Sodasan. Mit innovativen Wirkstoffen aus ökologisch<br />
„Was machen die<br />
nachhaltigen<br />
Unternehmen besser<br />
als die Wettbewerber?“<br />
angebauten, nachwachsenden Rohstoffen macht<br />
sie Wasch- und Reinigungsmittel noch effizienter<br />
und hilft den Kunden dadurch bei der nachhaltigen<br />
Lebensweise. Michael Wiener, CEO der Unternehmensgruppe<br />
mit dem Grünen Punkt, erläutert die<br />
Situation beim Plastik-Recycling, insbesondere von<br />
Verkaufsverpackungen. Recyclingkunststoffen gehört<br />
die Zukunft, aber die Nachfrage stockt und gibt<br />
den Herstellern zu wenige Impulse. Um den Kreislauf<br />
von Kunststoffen voranzubringen, spricht er sich für<br />
eine politisch vorzugebende Einsatzquote aus. Dis-<br />
kutiert wird nicht mehr, was in den Spitzen-Unternehmen<br />
einst die ersten Schritte zur Nachhaltigkeit<br />
waren – Strukturen schaffen, Chefinnen-Sache,<br />
Stakeholder einbeziehen, Berichterstatten. In der<br />
Spitze gilt das mittlerweile als „gelernt“, aber noch<br />
nicht in der Breite. Jetzt, so wird deutlich, kann und<br />
muss die Politik nachziehen, um den Impuls der Pio-<br />
niere in die gesamte Breite zu bringen. Die Sorge vor<br />
Sonderbelastungen und kontraproduktiven Effekten<br />
insbesondere der EEG-Umlage wird ebenso deutlich<br />
wie das Setzen auf die Regierungsverantwortung für<br />
Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeitssiegel.<br />
Günther Bachmann regt zusammenfassend für<br />
die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung<br />
an, den ausgezeichneten Unternehmen und ihren<br />
Impulsen einen Platz zu geben. Angesprochen wird<br />
auch, wie die Ressorts der Bundesregierung das<br />
Bundesinteresse zur nachhaltigen Wirtschaft sehen<br />
und den DNP unterstützen. Die politische Wahrnehmung<br />
der Nachhaltigkeitsimpulse aus der Wirtschaft<br />
sei zum beiderseitigen Nutzen noch zu steigern, so<br />
Bachmann.<br />
Die Bundeskanzlerin dankt für die zahlreichen<br />
Anregungen, die ungeschminkte Diskussion und<br />
das hervorragende Nachhaltigkeitsengagement in<br />
deutschen Unternehmen.
21<br />
BRAUCHT NACHHALTIGE<br />
GASTRONOMIE EINEN PREIS?<br />
Interview<br />
ANDREA WEBER<br />
WIE BEEINFLUSST DAS UNSERE RESTAURANT-<br />
BESUCHE?<br />
Die Menschen setzen sich nicht zuletzt wegen der<br />
#FridaysForFuture zunehmend mit den Fragen des<br />
Klimawandels auseinander. Essen ist dabei zu einem<br />
Dreh- und Angelpunkt geworden, zum Beispiel die<br />
Frage, ob nun moderater Fleischgenuss, Rückbesinnung<br />
auf Regionalität oder Fleischverzicht der<br />
goldene Weg zum Klimaschutz ist, der auf unseren<br />
„Wer es<br />
schafft,<br />
seine<br />
Produkte<br />
und Services<br />
vor seinen<br />
Mitbewerbern<br />
im<br />
Kreislauf zu<br />
planen, der<br />
wird zu den<br />
Gewinnern<br />
gehören.“<br />
CIRCULAR ECONOMY –<br />
THE NEXT BIG THING.<br />
Autor<br />
Seit vielen Jahrzehnten kennt unsere Wirtschaftsweise<br />
nur eine Richtung: Herstellen, Verwenden,<br />
Entsorgen. Dies gilt für die Produktion, die globale<br />
Verteilung und die Verwendung von Produkten und<br />
ist ein wesentlicher Baustein unseres Wohlstands.<br />
Wenn man nur in eine Richtung denken muss, vereinfacht<br />
dies vieles. Doch wir merken immer mehr, dass<br />
es auf einem Planeten mit begrenztem Ökosystem<br />
und limitierten Ressourcen kein lineares Denken<br />
geben kann.<br />
DR. CARSTEN GERHARDT, PARTNER BEI A.T. KEARNEY IM BEREICH ENERGY AND PROCESS INDUSTRIES<br />
Dafür sind die massiven, menschengemachten<br />
Einträge in die natürliche Umwelt zu erheblich. Sie<br />
scheinen für uns in Europa (noch) weit weg wie im<br />
Falle des „Plastic-Ocean“, des Artensterbens oder<br />
des Klimawandels. Tatsächlich spüren wir die Folgen,<br />
seien es Mikroplastik im Fisch auf unseren Tellern<br />
oder die Rekordhitzen.<br />
Bisher sind die Kosten für diese externen Schäden<br />
nicht in die Wirtschaftlichkeitsrechnung eingepreist.<br />
Damit verschaffen sie der linearen Wirtschaft einen<br />
wichtigen Kostenvorteil gegenüber geschlossenen<br />
Systemen, auch wenn sich in vielen Ländern bei Glas<br />
oder der Abwasserreinigung schon das Kreislaufprinzip<br />
etabliert hat.<br />
Doch die Tage des linearen Wirtschaftens sind<br />
gezählt. Verbraucher und Regulatoren akzeptieren<br />
immer weniger, dass Kosten externalisiert werden.<br />
Unternehmen sehen sich damit auf drei Ebenen gefordert:<br />
In Bereichen, wo Umwelteinträge vermeidbar<br />
sind, wie bei größeren Plastikprodukten, ist die<br />
Umstellung über Recylingsysteme mehr eine Frage<br />
des Wollens. Bei unbeabsichtigten oder technisch<br />
schwer zu vermeidenden Umwelteinträgen, wie etwa<br />
Mikroplastik in Kosmetik oder Reifenabrieb, ist eine<br />
Umstellung deutlich diffiziler. Nahezu unmöglich<br />
scheint sie, wo Einträge ins Ökosystem gewollt sind –<br />
wie bei Pflanzenschutzmitteln.<br />
Wer es schafft, seine Produkte und Services vor<br />
seinen Mitbewerbern im Kreislauf zu planen, der<br />
wird zu den Gewinnern gehören. Denn der Druck zur<br />
Veränderung wird angesichts einer wachsenden und<br />
wohlhabenderen Weltbevölkerung weiter massiv<br />
zunehmen.<br />
Für alle Zögerer gilt, Optimismus aus der Vergangenheit<br />
zu schöpfen. Wann immer sinnvolle<br />
Umweltstandards gesetzt wurden, waren diese nicht<br />
der Weltuntergang und haben oft Innovationen<br />
ausgelöst. Ein Grund liegt darin, dass der Teil der<br />
Wertschöpfung, der Umweltschäden auslösen kann,<br />
weniger als 20 Prozent der Gesamtkosten ausmacht.<br />
Selbst wenn man in diesem Teil durch andere Materialien<br />
oder Recycling die Kosten um 50 Prozent<br />
steigert, so ist diese Hälfte von 20 Prozent doch<br />
nur zehn Prozent vom Gesamtpreis – wenn sie nur<br />
eins zu eins durchgereicht und nicht beaufschlagt<br />
wird. Für den Abwasserreinigungskreislauf zahlt<br />
jeder Bundesbürger beispielsweise kaum 50 Cent<br />
am Tag.<br />
Die Juristin mit dem grünen Herzen trägt in der<br />
METRO AG als Director Corporate Responsibility u. a.<br />
die Verantwortung für nachhaltige Einkaufsrichtlinien.<br />
Sie ist Teil der Jury, die 3 Gastronomen*innen<br />
für das Finale im METRO Preis für nachhaltige<br />
Gastronomie auswählt. Über den Gewinner entscheiden<br />
Jury und DNP-Publikum am 21. November um<br />
14.15 Uhr im METRO Forum gemeinsam.<br />
FRAU WEBER, WARUM SPRECHEN WIR ÜBER<br />
NACHHALTIGKEIT IN DER GASTRONOMIE?<br />
Zwei Mega-Trends, Außer-Haus-Essen und nachhaltiger<br />
Lebensstil, überschneiden sich zunehmend.<br />
Aktuell sind unsere Ausgeh-Entscheidungen davon<br />
geleitet, ob mich das Restaurant online die Karte<br />
einsehen oder einen Tisch reservieren lässt, und<br />
– noch wichtiger – wie andere Besucher das Restaurant<br />
bewerten. In Zukunft, und mit Blick auf<br />
Themen wie Klimaschutz oder Plastikmüll wird<br />
es auch entscheidend sein, wie nachhaltig ein<br />
Restaurant ist.<br />
WIE KOMMT ES, DASS DIESE THEMEN UNSERE<br />
RESTAURANTWAHL BEEINFLUSSEN?<br />
Wir alle erleben, dass unsere Umwelt unter großem<br />
Druck steht, weil wir viel zu lange nicht ausreichend<br />
verantwortungsvoll mit ihr umgegangen sind. Der<br />
Klimawandel ist eine Realität, die in den letzten<br />
Jahren durch Extremwetterereignisse, Hitzewellen<br />
und Ernteausfälle für jeden von uns spürbar wurde.<br />
Diese Entwicklungen machen auch an Restauranttüren<br />
nicht halt. Die Besucher wollen sehen, dass<br />
Themen wie Plastikmüllvermeidung, die Bekämpfung<br />
von Lebensmittelverschwendung oder Regionalität<br />
einen hohen Stellenwert haben. Zusätzlich<br />
wollen sie sich auch in ihrem Lebensstil bestätigt<br />
fühlen. Eine Karte kommt heute nicht mehr ohne<br />
vegetarische und vegane Gerichte aus.<br />
Tellern beginnt, wie viele Medien, Blogs und Politik<br />
diskutieren. Die gastronomischen Betriebe müssen<br />
sich damit auseinandersetzen, wie sie zu dem nachhaltigen<br />
Lebensstil beitragen, den ihre Kundinnen<br />
und Kunden im Alltag vermehrt anstreben. Wir<br />
essen täglich mehrmals. Mit unseren Entscheidungen<br />
können wir Veränderungen selbst und sofort<br />
herbeiführen. Deswegen ist Essen so essenziell in<br />
dieser Debatte.<br />
UND WAS WILL DER „METRO PREIS FÜR NACH-<br />
HALTIGE GASTRONOMIE“ ERREICHEN?<br />
Wir wollen mit dieser Ausschreibung zeigen, dass es<br />
bereits „grüne“ und verantwortungsbewusste Gastronomie<br />
gibt. Einreichungen aus ganz Deutschland<br />
haben uns erreicht, die unterschiedlicher nicht sein<br />
könnten – von der Betriebsgastronomie bis zum<br />
Deli. Die Bandbreite der Bewerbungen und die<br />
unterschiedlichen Konzepte haben uns gezeigt, dass<br />
Nachhaltigkeit längst ein bestimmendes Thema in<br />
der Gastronomie geworden ist.<br />
„ Nachhaltigkeit<br />
ist längst<br />
ein bestimmendes<br />
Thema in<br />
der Gastronomie<br />
geworden.“<br />
IN ZUKUNFT WIRD ES AUCH ENTSCHEIDEND SEIN, WIE NACHHALTIG EIN RESTAURANT IST.
23<br />
NACHHALTIGKEIT<br />
DURCH DIGITALISIERUNG –<br />
EINE CHANCENREICHE<br />
GRATWANDERUNG.<br />
Autor<br />
FELIX SÜHLMANN-FAUL, EXPERTE FÜR NACHHALTIGE DIGITALISIERUNG<br />
„ Es gibt<br />
viele<br />
Chancen,<br />
das Ziel der<br />
Nachhaltigkeit<br />
durch<br />
digitale<br />
Lösungen zu<br />
erreichen.“<br />
Wir befinden uns – unbestreitbar – im Zeitalter der<br />
Digitalisierung. Spezialthemen wie Blockchain,<br />
Künstliche Intelligenz oder die Beeinflussung von<br />
Wahlen durch die Hintertür sozialer Medien gehören<br />
inzwischen zu unserem Alltag. Viele Menschen<br />
fühlen sich überfordert oder fürchten um ihre Arbeit,<br />
die vielleicht bald von einer Maschine schneller erledigt<br />
werden könnte. An vielen Stellen werden wir<br />
inzwischen überwacht, registriert und analysiert.<br />
Eine öffentliche Thematisierung der wahrscheinlich<br />
größten Gefahr der Digitalisierung findet jedoch nur<br />
begrenzt statt – nämlich, dass die Digitalisierung<br />
viele Faktoren zu verstärken vermag, die eine ohnehin<br />
schon bedrohte Umwelt noch näher an den<br />
Kollaps führen. Beispiele für diese Faktoren sind der<br />
steigende Energieverbrauch, die Umweltbelastung<br />
durch Datenzentren und die stetig steigende Menge<br />
an Logistik durch schwunghaften E-Commerce oder<br />
die sozialen Folgen des Rohstoffabbaus, der in der<br />
Demokratischen Republik Kongo den Bürgerkrieg<br />
mitfinanziert. Nach wie vor wird fälschlicherweise<br />
mit Digitalisierung meist ein reiner, technologischer<br />
– ergo auch nachhaltiger – Akt assoziiert. Das hängt<br />
unter anderem mit den Potenzialen wie Dematerialisierung<br />
und Effizienzsteigerung zusammen. Das<br />
sind jedoch Potenziale, die sich empirisch selten bis<br />
nie realisieren.<br />
marktwirtschaftliche Interessen bestimmt wird. Das<br />
Leitbild eines stetigen Wirtschaftswachstums hat<br />
im exponentiellen Wachstum der Technologie einen<br />
mächtigen Verbündeten gewonnen. Durch Big Data,<br />
ständige Beobachtung durch soziale Netzwerke und<br />
Apps auf unseren Smartphones werden uns maßgeschneiderte<br />
Konsumchancen an jeder Ecke und zu<br />
jeder Uhrzeit mit niedrigsten Schwellen offeriert.<br />
Immerhin scheinen sich jedoch die Zeiten zu ändern,<br />
in denen die Stimmen der Wirtschaft einstimmig das<br />
Lied der ‚automatischen Nachhaltigkeit per Digitalisierung‘<br />
gesungen haben. Einige Unternehmen nutz-<br />
en die Chance der Digitalisierung ihrer Produktion,<br />
ihres Geschäfts- oder Betriebsmodells, um im Zuge<br />
dieser Transformation auch das Thema Nachhaltig-<br />
keit in den Vordergrund zu rücken. Es gibt Vorreiter<br />
dafür, die beide Themen – Digitalisierung und<br />
Nachhaltigkeit – beispielhaft miteinander verbinden.<br />
Bekleidungshersteller, die die Wertschöpfungskette<br />
ihrer Produkte mit den Mitteln der Digitalisierung<br />
genau überprüfen, um festzustellen, ob in den<br />
Fertigungsstätten ökologische und soziale Auflagen<br />
eingehalten werden. Oder Hosting-Unternehmen,<br />
die sich genossenschaftlich organisieren und das<br />
Unternehmensziel auf maximale Nachhaltigkeit und<br />
nicht auf Gewinnmaximierung ausrichten.<br />
in diesem Jahr erstmals der Deutsche Nachhaltigkeitspreis.<br />
Und so wird in diesem Jahr das erste Mal<br />
der Sonderpreis Digitalisierung in sämtlichen Bewerbungskategorien<br />
vergeben. Im Auswahlverfahren<br />
für die Nominierungsplätze zeigte sich, dass<br />
einige Unternehmen, Städte und Kommunen, Startups,<br />
Forschungs- und Architekturprojekte verstanden<br />
haben, worauf es wirklich bei einer nachhaltigen<br />
Digitalisierung ankommt: auf Nachhaltigkeit. Das<br />
klingt vielleicht banal – ist es aber keineswegs. Denn<br />
genauso wenig wie der Strom einfach aus der Steckdose<br />
kommt, erzeugt die Digitalisierung automatisch<br />
Nachhaltigkeit. Wenn man Nachhaltigkeit als<br />
Ziel wählt – und diese vor allem mehrdimensional<br />
denkt – kann die Digitalisierung in vielen Bereichen<br />
ein hilfreiches Werkzeug sein, Nachhaltigkeit erfolgreich<br />
zu erreichen.<br />
Beispiele aus den Nominierungsrängen zeigen, wie<br />
das geht: Das Unternehmen Stadtwerke Trier verfolgt<br />
den nachhaltigen Einsatz von regenerativem<br />
Strom in allen Sektoren. Da Energieversorgung aus<br />
erneuerbaren Quellen kleinteilig, komplex ist und<br />
dezentral erfolgt, unterstützen neuronale Netze<br />
die Steuerung der Anlagen. Ziel hierbei ist es, die<br />
gesamte Region nach und nach vollständig durch<br />
erneuerbare Energien zu versorgen. Eine von vielen<br />
Bemühungen um eine nachhaltige Digitalisierung<br />
der Stadt Ulm besteht im Test, die Verwendung von<br />
KI zur Übersetzung bestehender Informationstexte<br />
in leichte Sprache einzusetzen. Das Forschungsprojekt<br />
Leipzig mobil 2.0 ermöglicht es, über die App<br />
der Leipziger Verkehrsbetriebe sehr übersichtlich<br />
neben dem ÖPNV eine Vielzahl anderer Mobilitätsdienstleistungen<br />
wie Leihräder, Carsharing und<br />
vieles mehr zu finden, zu buchen und zu bezahlen.<br />
Dies ermöglicht individuelle, multimodale Mobilität<br />
mit Zeit- und Kostentransparenz und vor allem<br />
ökologischer Nachhaltigkeit.<br />
Die beschriebenen nominierten Projekte und<br />
Unternehmen bewegen sich auf einer Nachhaltigkeitsebene,<br />
die sich erst durch die Digitalisierung erschließen<br />
lässt. Daher handelt es sich um besonders<br />
gute Beispiele für eine nachhaltige Digitalisierung.<br />
Nun darf nur der Fehler nicht begangen werden zu<br />
denken, dass sich alles am besten durch Technologie<br />
lösen lassen würde. Zwar waren wir in der<br />
Menschheitsgeschichte nie so allgegenwärtig umfasst<br />
von Technologie und nie waren wir so abhängig:<br />
Energieerzeugung, Wasseraufbereitung,<br />
Nahrungsmittelproduktion sind nur drei sehr essenzielle<br />
Gebiete, von denen unser Leben abhängt.<br />
Und diese sind hochtechnisiert organisiert. Da liegt<br />
der Gedanke nahe, dass alle Probleme – auch auf<br />
ökologischer oder sozialer Ebene – einfach per<br />
Knopfdruck gelöst werden könnten.<br />
Der Einsatz der Werkzeuge der digitalen Transformation<br />
muss jedoch behutsam und intelligent<br />
erfolgen. Sie können eine Hilfe auf dem Weg<br />
zur Nachhaltigkeit sein – das zeigen die obigen<br />
Beispiele deutlich. Aber Nachhaltigkeit entsteht<br />
durch Digitalisierung keineswegs automatisch, da<br />
auch eine gut gemeinte digitale Lösung ihrerseits<br />
durch Energieverbrauch, die verbauten Rohstoffe<br />
oder einen sehr kurzen Lebenszyklus neue Nachhaltigkeitsprobleme<br />
erzeugen kann. Da die Chancen<br />
und Risiken der Digitalisierung so eng beieinander<br />
liegen, muss hier sauber abgewogen werden. Das<br />
Ziel muss Nachhaltigkeit sein und bleiben – das darf<br />
dabei nicht vergessen werden.<br />
DEUTSCHER NACH-<br />
HALTIGKEITSPREIS<br />
SONDERPREIS<br />
DIGITALISIERUNG<br />
Der Sonderpreis Digitalisierung<br />
prämiert Unternehmen<br />
und Startups,<br />
die mit digitalen Produkten,<br />
Prozessen oder Dienstleistungen<br />
erfolgreich Nachhaltigkeitsherausforderungen<br />
begegnen. Er honoriert Kommunen<br />
für Digitalisierung,<br />
die den Bürger/innen nutzt,<br />
sowie Forschungs-<br />
und Architekturprojekte,<br />
in denen digitaler auch<br />
nachhaltiger bedeutet. Die<br />
Auszeichnung wird in Partnerschaft<br />
mit der Deutschen<br />
Telekom AG vergeben.<br />
<strong>#DNP12</strong><br />
Ein besonderes Nachhaltigkeitsdefizit besteht darin,<br />
dass die digitale Transformation sehr stark durch<br />
Dass es viele Chancen gibt, das Ziel der Nachhaltigkeit<br />
durch digitale Lösungen zu erreichen, prämiert<br />
DIE MULTIMODALE PLATTFORM DER LEIPZIGER VERKEHRSBETRIEBE INTEGRIERT NEBEN DEN ÖFFENTLICHEN PERSONENNAHVERKEHR AUCH ALTERNATIVE VERKEHRSTRÄGER.
24<br />
25<br />
„Digitale Transformation ist nichts Magisches“ –<br />
für Sebastian Klauke, CDO der Otto Group, ist es<br />
vielmehr wichtig, offen für neue und kreative Wege<br />
zu sein und Ideen konsequent zu verfolgen. Das<br />
beinhaltet auch die Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen.<br />
Denn die Digitalisierung bedeutet<br />
zwar keine automatische Disruption von bestehenden<br />
Geschäftsmodellen, aber sie offenbart neue<br />
Möglichkeiten und schafft Chancen, die genutzt und<br />
gestaltet werden wollen (Weitkamp 2019; t3n Nr. 56<br />
S. 96 – 99).<br />
„Neue<br />
digitale<br />
Geschäftsansätze<br />
haben ein<br />
großes<br />
Potenzial<br />
für eine<br />
ökologisch<br />
positive<br />
Wirkung.“<br />
Im besten Fall antizipieren Unternehmen Markttrends<br />
oder wesentliche Änderungen auf dem Markt,<br />
die etwa durch die Digitalisierung bewirkt werden,<br />
mittels einer Anpassung ihrer Geschäftsmodelle.<br />
Angesichts der Potenziale, aber auch der Risiken<br />
von Digitalisierung für eine nachhaltige Entwicklung,<br />
liegt das Augenmerk im Folgenden darauf, wie<br />
digitale Geschäftsmodelle zu einer nachhaltigen<br />
Wirtschaftsform beitragen können.<br />
Häufig sind digitale Geschäftsumfelder komplexer<br />
und agiler als traditionelle. Konkret kann dies bedeuten,<br />
dass eine produktorientierte Sichtweise aus<br />
traditionellen Geschäftsmodellen sich nicht unbedingt<br />
langfristig gegen eine agilere durchsetzen wird.<br />
Ermöglicht werden digitale Geschäftsmodelle durch<br />
Verfahren und Technologien wie Big Data, Künstliche<br />
Intelligenz oder Digitale Plattformen – sogenannte<br />
Enabler – die neue Leistungen, Produkte und<br />
Geschäftsmodelle generieren.<br />
Doch wie kann ein Unternehmen ein neues Geschäftsmodell<br />
entwickeln? Eine Analyse des eigenen<br />
Kundenstamms kann ein guter Beginn sein. Im Fokus<br />
steht dabei, mit welchem Problem der Kunde auf das<br />
eigene Angebot zukommt und was für einen Nutzen<br />
er sich dadurch erhofft. Mit der strategischen und<br />
analytischen Beobachtung ergeben sich zielgruppenspezifischere<br />
Aussagen und Angebotsnischen für<br />
das Unternehmen. Einem Beispiel von Theodor<br />
AUFTAKTKONFERENZ: INNOVATIVE LÖSUNGSANSÄTZE FÜR EINE NACHHALTIG-DIGITALE ENTWICKLUNG.<br />
Levitt folgend hat ein Kunde, der einen Bohrer kauft,<br />
wahrscheinlich zunächst kein grundlegendes Interesse<br />
an dem Bohrer selbst, sondern an einem Loch<br />
in einer Wand, um somit etwas befestigen zu können.<br />
Ein gutes Angebot ist folglich eins, das das bestmögliche<br />
Loch bietet.<br />
Beispiel für ein solches Geschäftsmodell ist die<br />
Leih- beziehungsweise Leasingmöglichkeit einer<br />
Bohrmaschine. Sie ist kostengünstiger als der<br />
Erwerb eines herkömmlichen Bohrers und wird dadurch<br />
insbesondere für Privathaushalte attraktiv.<br />
Das Leasingmodell liefert somit nicht nur eine<br />
kostengünstigere Alternative, sondern kann auch<br />
ökologische Verbesserungen ermöglichen. Gerade<br />
in Bezug auf Alltagsgegenstände, die nicht täglich<br />
genutzt werden, wie Werkzeuge, kann ein intelligent<br />
entwickeltes Leih- bzw. Leasingmodell nicht<br />
nur neue Absatzwege ermöglichen, sondern auch<br />
große Ressourceneffizienzpotenziale erschließen<br />
– indem ein Gut mehreren Konsument*innen zugänglich<br />
gemacht, nach der Beendigung der Nutzung<br />
aufbereitet und somit der Lebenszyklus verlängert<br />
wird. Die Dynamik der Digitalisierung lässt derzeit<br />
stets neue kreative Modelle in diesem Bereich entstehen.<br />
So werden – von Rücksäcken über private<br />
Heizungsanlagen bis hin zu verschiedenen Fahrradarten<br />
– Gebrauchsgegenstände verliehen oder<br />
geleast. Solche Wirtschaftsmodelle können, ebenso<br />
wie neue Produkte oder Dienstleistungen, dazu beitragen,<br />
Stoffkreisläufe zu schließen und Ressourcen<br />
zu schonen.<br />
NEUE GESCHÄFTSMODELLE –<br />
DIGITAL UND NACHHALTIG?<br />
Autor/innen<br />
JULIA FINK UND JAN RÜTER, WISSENSCHAFTLICHE MITARBEITER NACHHALTIG.DIGITAL<br />
Und doch ist auch bei Nutzen-statt-Besitzen-Angeboten<br />
nicht grundsätzlich klar, ob sie ökologisch<br />
positiv wirken, da häufig Alltagsroutinen verändert<br />
werden müssen. So wird das flexible free-floating-<br />
Carsharing auch genutzt, um Fahrten mit dem öffentlichen<br />
Nahverkehr oder dem Fahrrad zu ersetzen,<br />
und wirkt damit nicht nur positiv im Sinne einer<br />
Substitution des eigenen Autos.<br />
Dort, wo neue digitale Geschäftsmodelle mit erhöhten<br />
Ressourcen- und Energieverbräuchen, wie<br />
zum Beispiel Rebound-Effekten, verbunden sind,<br />
gilt es daher umso mehr die ökologischen, sozialen<br />
und ethischen Implikationen mit zu berücksichtigen.<br />
Dann können neue Geschäftsansätze, wie sie<br />
häufig von Startups entwickelt werden, ein großes<br />
Potenzial für eine ökologisch positive Wirkung<br />
haben. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU)<br />
hat dieses Potenzial erkannt und ein spezielles<br />
Förderprogramm für grüne Startups mit einem<br />
Schwerpunkt auf Digitalisierung aufgelegt, um<br />
gezielt unternehmerische digitale Lösungen für noch<br />
ungelöste Umweltprobleme zu fördern.<br />
Neben dem Förderprogramm hat die Stiftung gemeinsam<br />
mit dem Unternehmensverband B.A.U.M. e.V.<br />
2018 die Kompetenzplattform nachhaltig.digital<br />
initiiert. Primär werden mit dem Mittelstand Dialoge<br />
geführt, Ideen vernetzt und über Branchengrenzen<br />
hinweg konkrete Lösungsansätze entwickelt. Die<br />
Plattform bündelt praxisrelevante Informationen,<br />
z. B. Veranstaltungshinweise oder Gastbeiträge zu<br />
den Schwerpunktthemen, neben Geschäftsmodellen<br />
insbesondere zu Künstlicher Intelligenz, New Work<br />
oder Messbarkeit. Good-Practice-Beispiele zeigen,<br />
wie Digitalisierung als Werkzeug für Nachhaltigkeit<br />
bereits eingesetzt wird. So sollen Innovationen<br />
initiiert und Übertragungsmöglichkeiten zwischen<br />
Branchen aufgezeigt werden. Haben auch Sie ein interessantes<br />
Digitalisierungsprojekt, das Sie vorstellen<br />
wollen oder möchten sich informieren, dann können<br />
Sie dieses unter https://nachhaltig.digital tun.<br />
DBU FÖRDERUNG: DAS STARTUP PYDRO WILL MIT INTELLIGENTEN WASSERROHRSYSTEMEN ENERGIE SPAREN.
27<br />
DAS JUGENDPARLAMENT<br />
und achtet man auch,“ so Lutz Spandau. Darüber<br />
hinaus wird die Voliere für Umweltbildung genutzt.<br />
2013 erhielt die Stadt Pfaffenhofen an der Ilm<br />
Besonders Kinder sollen von den Möglichkeiten<br />
den Deutschen Nachhaltigkeitspreis für Städte<br />
des interaktiven Lernens profitieren und so früh mit<br />
und Gemeinden. Hinsichtlich der Heranführung<br />
Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen in Berührung<br />
Jugendlicher an politische Verantwortung und<br />
kommen: Ein Zwitscher-Lehrpfad bietet einen<br />
soziale Integration ist das „Jugendparlament“ eine<br />
Mix aus Infotafeln und interaktiven Stationen. Da<br />
Erfolgsgeschichte. Die Kleinstadt entschloss sich<br />
einheimische Vögel in den Lehrplänen diverser<br />
dazu, die Jugendlichen entscheiden zu lassen, wel-<br />
Schulformen vorkommen, wird über den Lehrpfad<br />
che Projekte mit dem Preisgeld unterstützt werden.<br />
eine Unterrichtseinheit zu diesem Thema ausgear-<br />
U. a. wurden folgende nachhaltige Projekte bewilligt:<br />
Die Einrichtung einer Energieverbrauchsanzeige<br />
am Gymnasium, der barrierefreie Bau eines<br />
Kräuterhochbeetes durch psychisch Kranke, die<br />
Anschaffung von Materialien zur Freizeitgestaltung<br />
beitet werden.<br />
NACHHALTIGKEIT ZUM MITMACHEN<br />
Die Stadt Neumarkt in der Oberpfalz erhielt 2012<br />
DEUTSCHER NACH-<br />
HALTIGKEITSPREIS<br />
FÜR STÄDTE UND<br />
GEMEINDEN<br />
von Asylbewerbern und eine virtuelle Ausstellung<br />
den Titel als „Deutschlands nachhaltigste Stadt<br />
„ Der DNP<br />
fördert<br />
herausragende<br />
Nachhaltigkeitsinitiativen,<br />
prämiert die<br />
Besten und<br />
verschafft<br />
deren Träger<br />
hohe öffentliche<br />
Aufmerksamkeit.“<br />
STÄDTEPREIS FOR FUTURE –<br />
ENGAGEMENT FÜR<br />
DIE JUGEND.<br />
Warum sollen wir für eine Zukunft lernen, die nicht<br />
lebenswert ist? Das fragen sich weltweit Kinder und<br />
Jugendliche der sozialen Bewegung „Fridays For<br />
Future“. Es ist eine Ermahnung zum Handeln, für<br />
möglichst umfassende, schnelle und effiziente Umwelt-<br />
und Klimaschutzmaßnahmen. Der Deutsche<br />
Nachhaltigkeitspreis für Städte und Gemeinden<br />
setzt genau dort an – hier wird nicht nur über<br />
Nachhaltigkeit geredet, sondern gehandelt. Der<br />
Preis engagiert sich schon seit vielen Jahren für die<br />
Jugend: Die ausgezeichneten Kommunen erhalten<br />
von der Allianz Umweltstiftung jeweils € 30.000,-<br />
für Projekte zur nachhaltigen Stadtentwicklung. „Wir<br />
verfolgen das Ziel, nachhaltiges Handeln zu fördern<br />
und damit den Wandel zu einer nachhaltigen Gesellschaft<br />
voranzubringen“, sagt Dr. Lutz Spandau,<br />
Vorstand der Allianz Umweltstiftung. Insbesondere<br />
zukünftige Generationen, so Spandau, werden bereits<br />
seit Beginn der Auszeichnung mit Fördermitteln<br />
bedacht: „Unsere Projekte für junge Menschen<br />
zeigen, dass Umweltschutz Freude macht, wenn<br />
er sich nicht nur auf Verbote und den erhobenen<br />
Zeigefinger beschränkt – das ist gelerntes nachhaltiges<br />
Handeln und Denken.“<br />
zum Thema Klimawandel des Energie- und Solarvereines.<br />
Mittlerweile gibt es das Jugendparlament<br />
seit 20 Jahren. Durch das Einbringen von Vorschlägen<br />
in die Stadtverwaltung und eigene Aktivitäten<br />
sowie Projekte gestaltet das Jugendparlament das<br />
Pfaffenhofener Gemeinwesen aktiv mit.<br />
VERMITTLUNG VON UMWELTWISSEN<br />
Delitzsch wurde als „Deutschlands nachhaltigste<br />
Stadt mittlerer Größe 2016“ ausgezeichnet. In<br />
Abstimmung mit der Allianz Umweltstiftung entschied<br />
die Kommune, das Preisgeld in den Neubau<br />
einer Voliere im Tiergarten Delitzsch zu investieren.<br />
Sie soll einen Beitrag dazu leisten, auf die inzwischen<br />
problematische Situation der Singvögel<br />
aufmerksam zu machen: „Ich wünsche mir, dass<br />
sich die Kinder auf die Bank in der Voliere setzen,<br />
beobachten, staunen und sich an dieser Vogelwelt<br />
erfreuen. Denn was man liebt, das schützt<br />
mittlerer Größe“. Das mit der Auszeichnung verbundene<br />
Preisgeld verwendete die Kommune für<br />
die Umsetzung des Programms „Nachhaltigkeit<br />
neu lernen“. Das Prinzip ist einfach: Man wähle<br />
viele kleinere, so genannte Mikroprojekte zur<br />
Nachhaltigkeit aus, unterstütze sie mit kleineren<br />
Geldbeträgen und stifte so möglichst viele Bürger<br />
zu entsprechendem Handeln an. Die geförderten<br />
Projekte reichen von Schulprojekten zum Klimawandel<br />
über Kindergarten-Aktionen zur gesunden<br />
Ernährung bis zu Abendkursen über längst<br />
vergessene Methoden zur Haltbarmachung von<br />
Lebensmitteln. Ein Teil des Preisgeldes wurde<br />
beispielsweise zur Förderung des Mikro-Projektes<br />
„Papierrecycling mal anders“ und „Solar-Velo-Taxi“<br />
verwendet. Schüler bastelten solarbetriebene<br />
Automodelle und gemeinsam mit einem Lehrer ein<br />
solar betriebenes Fahrrad-Taxi, das es nun möglich<br />
macht, auf den Rollstuhl angewiesene Mitschüler<br />
am Wandertag mitzunehmen.<br />
Der Preis zeichnet deutsche<br />
Städte und Gemeinden<br />
aus, die im Rahmen ihrer<br />
wirtschaftlichen Mög-<br />
lichkeiten eine umfassende<br />
nachhaltige Stadtentwicklung<br />
betreiben. Der Deutsche<br />
Nachhaltigkeitspreis für<br />
Städte und Gemeinden<br />
wird jährlich an eine Groß-,<br />
Mittel- und Kleinstadt/<br />
Gemeinde vergeben. Die<br />
diesjährigen Sieger Bad<br />
Berleburg, Aschaffenburg<br />
und Osnabrück erhalten von<br />
der Allianz Umweltstiftung<br />
jeweils 30.000,- Euro für<br />
Nachhaltigkeitsprojekte.<br />
<strong>#DNP12</strong><br />
DR. LUTZ SPANDAU,<br />
VORSTAND DER ALLIANZ UMWELT-<br />
STIFTUNG<br />
DAS „SOLAR-VELO-TAXI“ IST EINES VON 52 MIKROPROJEKTEN IM RAHMEN DES FÖRDERPROGRAMMS „NACHHALTIGKEIT NEU LERNEN“.
28<br />
ZIRKULÄRE WERTSCHÖPFUNG –<br />
UNTERSCHÄTZTE POTENZIALE<br />
FÜR KOMMUNEN.<br />
Autor<br />
OLIVER HAUBNER, SENIOR PROJECT MANAGER, BERTELSMANN STIFTUNG<br />
Man könnte vermuten, das Konzept der zirkulären<br />
Wertschöpfung sei nur ein neuer, weiterer Trend der<br />
Stadtentwicklung. In Wirklichkeit jedoch birgt der<br />
Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft zahlreiche<br />
Chancen, um langfristig stabile wirtschaftliche, soziale<br />
und umwelttechnische Vorteile in Kommunen zu<br />
schaffen.<br />
Zirkuläre Wertschöpfung, Kreislaufwirtschaft,<br />
Cradle to Cradle. Drei Konzepte, die – von Akzentuierungen<br />
abgesehen – im Grunde alle denselben<br />
Paradigmenwechsel beschreiben: Die Abkehr von<br />
der klassischen linearen Ökonomie (herstellen,<br />
verwenden, entsorgen) hin zu einem Modell, das<br />
restaurativ und regenerativ angelegt ist. Das klassische<br />
„End-of-Life-Konzept“ wird durch das Prinzip<br />
der Wiederherstellung, eine zunehmende Nutzung<br />
erneuerbarer Energien, den Verzicht auf den Einsatz<br />
giftiger Chemikalien, die die Wiederverwendung<br />
und Rückführung in die Biosphäre beeinträchtigen,<br />
ersetzt. Im Kern zielt die Kreislaufwirtschaft auf die<br />
Beseitigung von Abfällen durch einen verbesserten<br />
Einsatz von Materialien, Produkten, Systemen und<br />
Geschäftsmodellen ab.<br />
VIEL PLATZ FÜR DAS STADTLEBEN IN OSLO DURCH EIN VERBOT VON PRIVAT-PKWS IN DER INNENSTADT.<br />
Konsequent zu Ende gedacht reden wir von einer<br />
Wertschöpfungsform, die eine Entkopplung des<br />
Wirtschaftswachstums von der Ressourcenentnahme<br />
ermöglicht und damit Wirtschaftswachstum<br />
in einen positiven Zusammenhang mit dem Schutz<br />
der Umwelt und von natürlichen Ressourcen bringt.<br />
DIE „R-PRINZIPIEN“<br />
Die Grundidee, Ressourcen so lange wie möglich<br />
im Einsatz zu halten und dabei den größtmöglichen<br />
Nutzen erfahrbar zu machen sowie am Ende jeder<br />
Nutzungsdauer Produkte und Materialien zurückzugewinnen<br />
und zu regenerieren, lässt sich mit einer<br />
Reihe von „R‘s“ umschreiben:<br />
Rethink: Umdenken<br />
Redesign: Neu- oder Umgestaltung<br />
Repurpose, Reuse and Share: Wiederverwendung,<br />
gemeinschaftliche Nutzung<br />
Repair<br />
Remanufacture: Wiederaufbereitung<br />
Recycle<br />
Recover: Wiedergewinnung<br />
VERANKERUNG IN DEN SDGs<br />
Die Kreislaufwirtschaft ist in den 17 Nachhaltigkeitszielen<br />
(SDGs) der Vereinten Nationen, der<br />
Agenda 2030, verankert. Querschnittsziel 12<br />
fordert zu nachhaltigem Konsum und nachhaltigen<br />
Produktionsmustern auf. Zudem lässt sich die<br />
Kreislaufwirtschaft einer ganzen Reihe weiterer<br />
Nachhaltigkeitsziele zuordnen, da sie zum Erreichen<br />
dieser Ziele einen signifikanten Beitrag leisten kann.<br />
Hierzu gehören zum Beispiel Ziel 6 (Sauberes Wasser),<br />
Ziel 11 (Nachhaltige Städte und Gemeinden),<br />
Ziel 13 (Maßnahmen zum Klimaschutz) sowie Ziel 15<br />
(Leben an Land).<br />
Was heißt das auf Kommunen übertragen? Wie<br />
können sie den Übergang zur „Kreislaufstadt“<br />
gestalten? Grundsätzlich gilt auch in diesem Fall:<br />
„One size fits all“ gibt es nicht. Was in Amsterdam,<br />
Haarlemmermeer, Kopenhagen oder Paris sinnvoll<br />
ist, muss nicht notwendigerweise auf eine deutsche<br />
Kommune zutreffen. Aber lohnend ist der Blick ins<br />
(europäische) Ausland allemal.<br />
VORBILDLICHE RADINFRASTRUKTUR: DIE HÄLFTE ALLER FAHRTEN INNERHALB KOPENHAGENS WERDEN MIT DEM FAHRRAD ERLEDIGT.<br />
DIE VISION<br />
Grundsätzlich möchte man eine kreislauforientierte<br />
Stadt so gestalten, um<br />
ein regeneratives, allgemein zugängliches<br />
und ergiebiges urbanes System zu schaffen,<br />
welches Wohlstand fördert, indem es die<br />
Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger<br />
erhöht und<br />
die Resilienz der Stadt verbessert sowie<br />
gleichzeitig<br />
die Wertschöpfung vom Verbrauch endlicher<br />
Ressourcen entkoppelt.<br />
Kein leichtes Unterfangen. Aber die Prinzipien der<br />
Kreislaufwirtschaft lassen sich in zahlreichen nachhaltigkeitsrelevanten<br />
Bereichen einer Kommune<br />
verankern.<br />
ANSATZPUNKTE FÜR EINE KREISLAUFSTADT<br />
Im Bereich Bauen geht es um modulare und flexible<br />
Gestaltung sowie die Nutzung gesunder Materialien,<br />
welche die Lebensqualität der Bewohner verbessern<br />
und den Einsatz neuwertiger Ressourcen minimiert.<br />
Die Energiesysteme bauen auf lokale, erneuerbare<br />
Energien, senken Kosten und erzeugen positive Auswirkungen<br />
auf die Umwelt. Das Mobilitätssystem ist<br />
leicht zugänglich, erschwinglich und zeichnet sich<br />
durch eine multimodale Mobilitätsstruktur aus. On-<br />
Demand-Autos als flexible Last-Mile-Lösung sind<br />
fester Bestandteil. Die urbane Bioökonomie führt<br />
die Nährstoffe in geeigneter Weise in den Boden<br />
zurück und Lebensmittelabfälle werden minimiert.<br />
Die Produktionssysteme fördern konsequent die<br />
Schaffung lokaler Wertschöpfungsketten.<br />
BEISPIELE<br />
In Kopenhagen haben breite, gut ausgebaute Radwege<br />
und eine vorbildliche Radinfrastruktur dafür<br />
gesorgt, dass die Hälfte aller Fahrten innerhalb der<br />
Stadt mit dem Fahrrad erledigt werden. Oslo hat<br />
Privatfahrzeuge in der Innenstadt ganz verboten,<br />
was mehr Platz für Fußgänger und das Stadtleben<br />
geschaffen hat. Oslos neue Hauptallee bietet Platz für<br />
Fahrräder und Straßenbahnen, 10.000 Quadratmeter<br />
an neuen Gehwegen und 600 Bäume für die neue<br />
Innenstadt.<br />
Auch in Sachen Bioökonomie kann sich Oslo sehen<br />
lassen: Basierend auf einem ausgeklügelten System<br />
der Abfalltrennung verwandelt die Stadt organische<br />
Abfälle in Biodünger und Biogas. Letzteres wird in<br />
den städtischen Müllwagen sowie in den Bussen des<br />
öffentlichen Verkehrs eingesetzt. Das Nebenprodukt<br />
der Biogasproduktion wird als Biodünger an die<br />
Landwirte weitergegeben.<br />
2015 beauftragte Amsterdam die weltweit erste<br />
stadtweite Wirtschaftserhebung „Amsterdam<br />
Circular“, um sich einen Überblick über die wichtigsten<br />
Stoffströme zu verschaffen und die Vorteile einer<br />
werthaltigeren Nutzung der Materialien zu verstehen.<br />
Eine „Roadmap for Circular Buildings“ sowie der<br />
„Sharing Economy Action Plan“ komplettieren das<br />
Engagement in Sachen zirkuläre Wertschöpfung.<br />
„ Die Prinzipien<br />
der<br />
Kreislaufwirtschaft<br />
lassen sich in<br />
zahlreichen<br />
nachhaltigkeitsrelevanten<br />
Bereichen<br />
einer<br />
Kommune<br />
verankern.“
31<br />
„WIR HABEN DIE VERPFLICHTUNG,<br />
DIE AUSWIRKUNGEN UNSERER<br />
GESCHÄFTSTÄTIGKEIT POSITIV<br />
ZU BEEINFLUSSEN.“<br />
Interview<br />
LIONEL SOUQUE<br />
HERR SOUQUE, WAS VERSTEHT DIE REWE<br />
GROUP UNTER NACHHALTIGKEIT?<br />
Als genossenschaftliches Traditionsunternehmen haben<br />
wir Nachhaltigkeit seit über 90 Jahren in unserer<br />
Kultur verankert: Zusammenhalt, Solidarität und Verantwortung<br />
sind unsere Grundwerte. Umweltschutz<br />
und soziales Engagement gehören zu unseren strategischen<br />
Prioritäten. Unser Kerngeschäft, der Handel<br />
und die Touristik, ist jeden Tag mit dem Leben<br />
von Millionen Menschen unmittelbar verbunden – in<br />
Deutschland und Europa. Als international agierender<br />
Konzern mit rund 360.000 Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeitern trägt die REWE Group große gesellschaftliche<br />
und ökologische Verantwortung. Mehr<br />
noch: Wir haben die Verpflichtung, die Auswirkungen<br />
unserer Geschäftstätigkeit, als Arbeitgeber und<br />
Wirtschaftsunternehmen, positiv zu beeinflussen.<br />
Lionel Souque trat 1996 in die REWE Group ein und<br />
besetzte führende Positionen im Ausland, 2007<br />
wurde er in den Vorstand der REWE International<br />
in Wien berufen. Seit 2009 ist er CEO von REWE<br />
Deutschland und Mitglied des REWE Group Vorstandes.<br />
Seit dem 1. Juli 2017 ist er CEO der REWE<br />
Group.<br />
DIE REWE GROUP ENGAGIERT SICH SEIT JAHREN<br />
IN SACHEN NACHHALTIGKEIT. WORAUF LEGEN<br />
SIE IHREN FOKUS?<br />
Mit 40 Millionen Kundenkontakten in der Woche<br />
leisten wir einen wichtigen Beitrag, den nachhaltigeren<br />
Konsum aus der Nische in den Massenmarkt<br />
und somit in den Alltag unserer Kunden zu übertragen.<br />
Unser Anspruch ist es, unseren Kunden<br />
grundsätzlich nachhaltigere Sortimente zu bieten.<br />
Deshalb müssen wir die Lieferketten und globale<br />
Nachhaltigkeitsherausforderungen ebenso gut kennen<br />
wie die Bedürfnisse unserer Kunden vor Ort. Die<br />
Herausforderungen werden zahlreicher: Maßnahmen<br />
gegen den zunehmenden Verlust der Artenvielfalt,<br />
der Klimaschutz, das Engagement gegen<br />
Einwegplastik, der Schutz und die Stärkung von<br />
Menschenrechten in den komplexen globalen Lieferund<br />
Wertschöpfungsketten sowie die Förderung<br />
der nachhaltigen Tier- und Landwirtschaft stehen<br />
weit oben auf einer sehr großen und weitreichenden<br />
Agenda. Wir beschreiten immer wieder neue Wege<br />
und wollen im Dialog mit Kunden, Lieferanten und<br />
Politik die besten Lösungen finden.<br />
DER VERZICHT AUF PLASTIKVERPACKUNGEN IST<br />
MOMENTAN IN ALLER MUNDE. WIE GEHEN SIE IN<br />
IHREN MÄRKTEN MIT DIESEM THEMA UM?<br />
Unser strategisches Ziel ist es, Verpackungen in<br />
unseren Sortimenten wo möglich zu vermeiden, zu<br />
reduzieren oder umweltfreundlicher zu gestalten.<br />
Wir waren die ersten im deutschen Handel, die vollständig<br />
auf Plastiktüten verzichtet haben. Aktuell<br />
konzentrieren wir uns darauf, Plastikverpackungen<br />
von Obst und Gemüse zu reduzieren. Wir setzen in<br />
unseren Märkten zudem bundesweit auf die Verwendung<br />
von Mehrwegfrischenetzen als umweltfreundlichere<br />
Alternative zu den Knotenbeuteln. Bis<br />
2030 soll jede Verpackung der REWE Group<br />
Eigenmarkenprodukte in Deutschland und Österreich<br />
einen umweltfreundlicheren Mehrwert bieten,<br />
alle unvermeidbaren Kunststoffverpackungen<br />
werden bis 2025 recyclingfähig sein.<br />
DEUTSCHER NACH-<br />
HALTIGKEITSPREIS<br />
SONDERPREIS<br />
VERPACKUNG<br />
Der Sonderpreis Verpackung<br />
prämiert in Kooperation mit<br />
der REWE Group marktreife<br />
Konzepte/Produkte und<br />
beispielhafte Ideen, die Verpackungen<br />
reduzieren,<br />
optimieren oder vermeiden,<br />
im Massenmarkt bezahlbar<br />
bleiben und in weitest<br />
möglichem Umfang den Verbraucherbedürfnissen<br />
nach<br />
Hygiene, Information und<br />
Bequemlichkeit entsprechen.<br />
<strong>#DNP12</strong>
32<br />
GLOBAL VERANTWORTLICH<br />
WIRTSCHAFTEN –<br />
HERAUSFORDERUNG<br />
MENSCHENRECHTE.<br />
Autorin<br />
EVA-MARIA REINWALD, SÜDWIND E. V.<br />
Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass<br />
Beschäftigte, die unsere Kleidung oder Schuhe<br />
herstellen, an ihrem Arbeitsplatz keine Gesundheitsschäden<br />
erleiden; dass Menschen nicht ihrer Lebensgrundlage<br />
beraubt werden, wenn Rohstoffe für<br />
unsere PKWs und Elektrogeräte abgebaut werden;<br />
dass Kinder zur Schule gehen, statt im Anbau unseres<br />
Kakaos zu arbeiten. Zahlreiche Berichte aus<br />
Fabriken, Minen, Feldern und Plantagen weltweit<br />
jedoch belegen: Menschenrechtsverletzungen<br />
sind keine Ausnahmen im grenzüberschreitenden<br />
Wirtschaften.<br />
Auch Unternehmen in Deutschland stellt die Achtung<br />
von Menschenrechten in ihren Lieferketten<br />
vor Herausforderungen. So registrierte das Portal<br />
Business and Human Rights Ressource Center seit<br />
2005 280 öffentlich gewordene Menschenrechtsvorwürfe<br />
gegen deutsche Unternehmen. Auch wenn<br />
einige Unternehmen mit gutem Beispiel vorangehen<br />
und Verantwortung übernehmen: Auf dem Weg<br />
freiwilliger Maßnahmen konnten die meisten der<br />
seit Langem bekannten Missstände nicht behoben<br />
werden.<br />
Erst ein gesetzlicher Rahmen für die Achtung von<br />
Menschenrechten und Umweltstandards würde die<br />
Basis wirksamen Handels schaffen. So argumentieren<br />
inzwischen auch eine Reihe von Unternehmen<br />
wie etwa BMW und Daimler, Tchibo und Vaude.<br />
Denn bislang sind Unternehmen im Wettbewerbsnachteil,<br />
wenn sie Zeit und Ressourcen investieren,<br />
um ihrer menschenrechtlichen Verantwortung<br />
gerecht zu werden. Die Erfahrungen zeigen: Um<br />
zu tatsächlichen Veränderungen zu gelangen,<br />
braucht es mehr als Verhaltenskataloge und Audits.<br />
Wichtiger ist oft eine langfristige Zusammenarbeit<br />
mit Zulieferern. Schulungen müssen durchgeführt,<br />
Einkaufspraktiken umgestellt und Akteure vor Ort<br />
einbezogen werden, um soziale und ökologische<br />
Verbesserungen zu erzielen. In Initiativen wie der<br />
Fair Wear Foundation oder dem Runden Tisch<br />
„Menschenrechte im Tourismus“ machen – auch<br />
kleine und mittlere – Unternehmen die Erfahrung,<br />
dass langfristiges Engagement Früchte trägt und<br />
Vertrauen bei Kundinnen und Kunden schafft.<br />
Die menschenrechtliche Verantwortung von Unternehmen<br />
wurde 2011 auf Ebene der Vereinten<br />
Nationen in den Leitprinzipien für Wirtschaft und<br />
Menschenrechte konkretisiert. Ein Unternehmen<br />
muss demnach Risiken seiner globalen Geschäftstätigkeit<br />
auf Menschenrechte und Umwelt ermitteln<br />
und vorsorgliche Maßnahmen ergreifen. Schwerwiegende<br />
Auswirkungen müssen vor Ort überprüft, Beschwerdemechanismen<br />
für Betroffene eingerichtet,<br />
bestehende Verletzungen beendet und Schäden<br />
wiedergutgemacht werden. Über all dies soll ein<br />
Unternehmen berichten.<br />
Die „Initiative Lieferkettengesetz“, ein breites<br />
Bündnis aus Gewerkschaften, Kirchen und zivilgesellschaftlichen<br />
Organisationen, fordert aktuell, dass<br />
diese menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten von<br />
Unternehmen gesetzlich festgeschrieben werden<br />
(lieferkettengesetz.de). Bislang setzt die Bundesregierung<br />
jedoch auf das Prinzip Freiwilligkeit: In<br />
ihrem 2016 beschlossenen Nationalen Aktionsplan<br />
MENSCHENRECHTE: UM ZU TATSÄCHLICHEN VERÄNDERUNGEN ZU GELANGEN, BRAUCHT ES MEHR ALS VERHALTENSKATALOGE UND AUDITS.<br />
Wirtschaft und Menschenrechte äußert sie lediglich<br />
die Erwartung an Unternehmen, dass sie Prozesse<br />
menschenrechtlicher Sorgfalt einführen. Für den<br />
Einstieg in die Thematik bietet die Bundesregierung<br />
Unterstützung an: So können sich Unternehmen<br />
z. B. über den CSR-Risiko-Check über produkt- und<br />
landesspezifische Herausforderungen in ihren Lieferketten<br />
informieren (www.csr-risiko-check.de).<br />
Aktuell wird auf Basis einer (sehr umstrittenen)<br />
Unternehmensbefragung geprüft, wie es um die<br />
Umsetzung der Sorgfaltsprozesse bei großen<br />
Unternehmen steht. Im Koalitionsvertrag kündigte<br />
die Bundesregierung an, dass sie „gesetzlich tätig“<br />
werde, falls sich der bisherige freiwillige Ansatz als<br />
unzureichend erweisen sollte.<br />
International lässt sich ein Trend hin zu verbindlichen<br />
Regeln für Unternehmensverantwortung beobachten.<br />
So hat Frankreich bereits 2017 ein Gesetz<br />
zur menschenrechtlichen Sorgfalt für sehr große<br />
Unternehmen beschlossen und in den Niederlanden<br />
wurde dieses Jahr ein Gesetz zur Vermeidung von<br />
Kinderarbeit in Lieferketten verabschiedet. Um<br />
langfristig die Spielregeln globaler Märkte auf Basis<br />
der Menschenrechte zu gestalten, wären auch<br />
Regeln auf europäischer Ebene und ein verbindliches<br />
UN-Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten<br />
notwendig. Ein starkes Lieferkettengesetz<br />
in Deutschland würde auch Dynamik und Antrieb in<br />
diese internationalen Debatten bringen.<br />
BÜRGERSCHAFTLICHES ENGAGEMENT FÜR<br />
NACHHALTIGE LIEFERKETTEN<br />
Ohne das Engagement zahlreicher zivilgesellschaftlicher<br />
Organisationen wäre die Debatte um global verantwortliches<br />
Wirtschaften längst nicht dort, wo sie heute steht. Die<br />
Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen, die<br />
Kooperationspartner des Deutschen Nachhaltigkeitstages<br />
ist, fördert daher immer wieder Projekte, welche die Achtung<br />
von Menschenrechten und Umweltstandards in Lieferketten<br />
in den Fokus stellen.<br />
Nichtregierungsorganisationen wie SÜDWIND, Femnet,<br />
FIAN, Urgewald und die Christliche Initiative Romero<br />
stoßen durch fundierte Recherchen, Publikationen, Aus-<br />
stellungen und Veranstaltungen Debatten in Nordrhein-<br />
Westfalen an, qualifizieren eine Vielzahl von Akteuren<br />
und stehen in Dialog mit Unternehmen und öffentlichen<br />
Einrichtungen.<br />
Andere Organisationen integrieren diese Themen in Bildungsprojekte<br />
für Zielgruppen aller Altersstufen. Auch das<br />
Engagement von Kommunen für nachhaltige Beschaffung<br />
wird durch die Stiftung unterstützt – aktuell über ein Projekt<br />
des Eine Welt Netz NRW.<br />
„ International<br />
lässt sich ein<br />
Trend hin zu<br />
verbindlichen<br />
Regeln<br />
für Unternehmensverantwortung<br />
beobachten.“
35<br />
„ Auf dem<br />
Weg zur<br />
Dekarbonisierung<br />
der<br />
Weltwirtschaft<br />
ist<br />
es genau<br />
richtig, beim<br />
Bauen anzufangen.“<br />
DIE ZUKUNFT DES BAUENS<br />
IST KLIMAPOSITIV.<br />
Autorin<br />
DR. CHRISTINE LEMAITRE, GESCHÄFTSFÜHRENDER VORSTAND DGNB<br />
RATHAUS FREIBURG: DAS ERSTE ÖFFENTLICHE NETTO-PLUSENERGIEGEBÄUDE DER WELT ERZEUGT IM LAUFE EINES JAHRES MEHR ENERGIE ALS ES VERBRAUCHT.<br />
Was verbindet das Rathaus Freiburg, das Schmuttertal-Gymnasium<br />
Diedorf und das Aktiv-Stadthaus<br />
in Frankfurt? Wir wissen bereits, dass sie Vorbilder<br />
des nachhaltigen Bauens sind und in den letzten<br />
Jahren Sieger oder unter den Top 3 beim Deutschen<br />
Nachhaltigkeitspreis Architektur – ehemals DGNB<br />
Preis „Nachhaltiges Bauen“ – waren. Neu ist: Alle<br />
drei gehören zu den ersten Projekten, die die Auszeichnung<br />
„Klimapositiv“ der Deutschen Gesellschaft<br />
für Nachhaltiges Bauen – DGNB e. V. erhalten.<br />
Ganzheitliche Nachhaltigkeit, wie sie der Deutsche<br />
Nachhaltigkeitspreis Architektur prämiert, geht also<br />
einher mit einem klimapositiven Kurs und ist damit<br />
nachweislich zukunftsfähig!<br />
GEBÄUDE: VOM KONSUMENTEN ZUM<br />
PRODUZENTEN<br />
Klimapositiv – was heißt das überhaupt? Technisch<br />
ausgedrückt handelt es sich um eine ausgeglichene<br />
oder idealerweise negative CO 2<br />
-Jahresbilanz als<br />
Ergebnis der folgenden Betrachtung: Auf der einen<br />
Seite steht der CO 2<br />
-Ausstoß, den das Gebäude<br />
im Jahr verursacht. Davon abgezogen werden<br />
die Emissionen, die durch den Export von selbstproduzierter,<br />
treibhausgasfreier Energie im Netz<br />
vermieden werden. Solch ein Gebäude spart also<br />
in Summe mehr Treibhausgase bei anderen ein, als<br />
es selbst ausstößt. Mit der Auszeichnung „Klimapositiv“<br />
möchte die DGNB den Gestaltungswillen<br />
der Akteure und den damit verbundenen positiven<br />
Beitrag zum globalen Klimaschutz, zur Dekarbonisierung<br />
der Weltwirtschaft und zum großen Ganzen<br />
betonen. Denn diese Vorbilder transformieren den<br />
Gebäudesektor vom Energiefresser zum produzierenden<br />
ausgleichenden Element und geben ihm<br />
damit die nötige aktive Rolle im Klimaschutz.<br />
DIE AUSZEICHNUNG FÜR VORBILDER MIT<br />
GESTALTUNGSWILLEN<br />
Noch ist die Auszeichnung etwas Besonderes; die<br />
Projekte sind Leuchttürme, die nach vorn ziehen<br />
und inspirieren. Da ist das Rathaus Freiburg,<br />
bekannt als größtes Plusenergiegebäude Europas,<br />
das den Bürgern neben allen Verwaltungsbelangen<br />
auch noch als „kleines Kraftwerk“ mit Solarenergie<br />
und Geothermie dient. Da ist das Schmuttertal-<br />
Gymnasium, das mit seinem klimapositiven Betrieb<br />
für die heranwachsende Generation hautnah erlebbar<br />
macht, was heute schon möglich ist und Begeisterung<br />
weckt. Und da ist das große innerstädtische<br />
Mehrfamilienhaus in Frankfurt am Main mit dem<br />
verheißungsvollen Namen Aktiv-Stadthaus. Der im<br />
Sommer 2015 bezogene Geschosswohnungsbau<br />
zeigt in seiner Jahresbilanz, dass klimagerechtes<br />
Wohnen in einer dichten städtebaulichen Situation<br />
möglich ist, und steht damit beispielhaft für zu-<br />
künftige städtische Konzepte. Alle drei Projekte<br />
haben einen geringen Energieverbrauch, versorgen<br />
andere Gebäude mit überschüssiger, selbstproduzierter<br />
Energie und zeigen, dass der klimapositive<br />
Kurs einhergeht mit Qualität in allen Dimensionen<br />
des nachhaltigen Bauens: Wohlbefinden des<br />
Nutzers, Umwelt- und Klimaschutz, Wirtschaftlichkeit<br />
und gute Architektur.<br />
KLARES SIGNAL AN DIE POLITIK<br />
übersetzt. Das Planungs- und Managementtool<br />
zeigt auf, dass jedes Bestandsgebäude Optimierungspotenziale<br />
hat, die in einem individuellen<br />
Was noch eine Rarität ist, soll schnellstmöglich und<br />
an vielen Projekten umgesetzt werden. Die DGNB Klimaschutzfahrplan ausgearbeitet werden können.<br />
verfolgt mit der Auszeichnung deshalb auch das Dank ganzheitlicher Betrachtung des Energie-<br />
Ziel, das Thema in die Breite zu tragen bzw. die klare bedarfs, Bilanzierung mit realen Zahlen und jährlichem<br />
Monitoring ist dieser Fahrplan zukunftssicher<br />
Botschaft an Politik, Städte, Kommunen, Investoren<br />
und Bauherren zu senden, dass wir heute bereits und lässt keine Verschleierung zu, die weder der<br />
die Gebäude planen und bauen können, die einen Welt noch dem Nutzer selbst hilft. Zum ganzheitlichen<br />
Performance-Ansatz gehört beispielsweise<br />
positiven Beitrag für unsere Zukunft leisten. Das<br />
notwendige Wissen und die Planungskompetenz auch, dass neben den Energieströmen zur Konditionierung<br />
des Gebäudes der Nutzerstrom in die<br />
sind bereits vorhanden. Man muss es jetzt einfach<br />
tun! Und wenn das nicht aus eigener Überzeugung Optimierungsmaßnahmen sowie die Bilanzierung<br />
passiert, wie es bei den genannten Projekten der integriert wird.<br />
Fall ist, dann vielleicht, weil nachhaltiges Bauen<br />
besonders attraktiv ist, in eine sichere, planbare Zukunft<br />
führt oder die gewohnten Wege zunehmend KLAR!<br />
KLIMAPOSITIV: DIE NÄCHSTEN SCHRITTE SIND<br />
ungemütlich werden. Anders gesagt: Eine konsequente<br />
Förderpolitik und ambitionierte Regularien Die Auszeichnung „Klimapositiv“ bezieht sich bis<br />
sind gefragt. Die aktuelle Klimadebatte zeigt, dass dato auf den Betrieb von Gebäuden. Das ist ein<br />
wir darauf nicht warten können, wenn wir einen klimaneutralen<br />
Gebäudebestand bis spätestens 2050 weitere folgen müssen! Einige hat die DGNB bereits<br />
wichtiger Schritt – dem so schnell wie möglich<br />
– eigentlich früher – sowie klimaneutrale Neubauten im Blick. So sollen langfristig Gebäude klimapositiv<br />
ausgezeichnet werden, bei denen sämtliche<br />
bis 2030 haben wollen.<br />
Emissionen des gesamten Lebenszyklus mitberücksichtigt<br />
werden – von der Material- und Baustoff-<br />
NUR WER MISST, KANN SICH VERBESSERN<br />
herstellung über Transporte und Bauprozesse bis<br />
Seit mehr als zehn Jahren setzt sich die DGNB dafür hin zum Rückbau. Damit wird das kreislauffähige<br />
ein, dass Wissen von den Köpfen in die Hände gelangt<br />
und mehr passiert als vorgegeben. Über 5000 kette Bau gefördert – und darüber hinaus. Denn<br />
Wirtschaftsmodell in der gesamten Wertschöpfungs-<br />
Gebäude mit DGNB Zertifikat, mit dem Deutschen letztlich hat der klimapositive Kurs des Gebäudesektors<br />
Einfluss auf Industrie, Energie, Verkehr<br />
Nachhaltigkeitspreis Architektur prämierte Projekte<br />
und viele weitere sprechen für sich. Mit ihrem Rahmenwerk<br />
für klimaneutrale Gebäude und Standorte dem Weg zur Dekarbonisierung der Weltwirt-<br />
und Landwirtschaft, kurz: auf alle Sektoren. Auf<br />
hat die DGNB im Speziellen die im Paris-Abkommen schaft ist es also genau richtig, beim Bauen anzufangen.<br />
Schließlich geht die gebaute Umwelt uns<br />
definierten Ziele für den Gebäudesektor in konkrete,<br />
handhabbare und messbare Anforderungen alle an!<br />
VERGABE DER DGNB AUSZEICHNUNG „KLIMAPOSITIV“ AN DAS SCHMUTTERTAL-GYMNASIUM DIEDORF.<br />
DEUTSCHER NACH-<br />
HALTIGKEITSPREIS<br />
ARCHITEKTUR<br />
Der Architekturpreis zeichnet<br />
Gebäude aus, die auf<br />
beispielhafte Weise Nachhaltigkeit,<br />
eine herausragende<br />
Gestaltung und eine hohe<br />
Innovationskraft verbinden.<br />
Die Projekte müssen in<br />
Deutschland stehen, zum<br />
Zeitpunkt der Bewerbung<br />
bereits in Betrieb sein und<br />
eine personenbezogene Nutzung<br />
aufweisen. Der Preis<br />
wird in Partnerschaft mit<br />
der Deutschen Gesellschaft<br />
für Nachhaltiges Bauen –<br />
DGNB e. V. vergeben und<br />
durch Caparol, den Bund<br />
Deutscher Architekten, die<br />
Bundesarchitektenkammer<br />
sowie die Bundesstiftung<br />
Baukultur unterstützt.<br />
<strong>#DNP12</strong>
36<br />
DESIGN FÜR NACHHALTIGKEIT –<br />
VOM EGODESIGN ZUM<br />
ECOSOZIALEN DESIGN.<br />
Autorin<br />
URSULA TISCHNER, CEO ECONCEPT UND DOZENTIN AN DER FH JOANNEUM GRAZ<br />
„Nachhaltiges<br />
Design<br />
schafft<br />
Lösungen, die<br />
der Gesellschaft<br />
einen<br />
sinnvollen<br />
Nutzen bringen<br />
und die<br />
Lebensqualität<br />
verbessern.“<br />
DesignerInnen arbeiten an der Schnittstelle zwischen<br />
Produzieren und Konsumieren. Sie gestalten von zuvor manuell bedienbaren Funktionen statt,<br />
Bereich des Bordcomputers und der Elektrifizierung<br />
Produkte, Kommunikation, Dienstleistungen und alles andere ist Styling.<br />
Systeme im Auftrag der Anbieter aber für die<br />
Empfänger bzw. NutzerInnen. Sie versuchen ihre Die Welt braucht etwas anderes! Nützlich wäre<br />
Gestaltung möglichst attraktiv für die KonsumentInnen<br />
und NutzerInnen und möglichst profitabel für forderungen der Menschheit zu beschäftigen: von<br />
es, sich auch im Design mit den großen Heraus-<br />
die Anbieter zu konzipieren. Umwelt und soziale Klimawandel, Umweltverschmutzung und Ressourcenverknappung,<br />
über soziale Ungerechtigkeit und<br />
Aspekte spielen dabei immer noch eine untergeordnete<br />
Rolle. Zwar ist das Design einmal angetreten, die Bedrohung der Menschenrechte, zur fortschreitenden<br />
Zerstörung der bewohnbaren Flächen auf<br />
wirkliche Probleme für die Menschen zu lösen – das<br />
beschreibt zum Beispiel die Definition von Carlos unserem Planeten. Nützlich wäre es, an der Entwicklung<br />
von nachhaltigen Produktions- und Konsumsys-<br />
Obers (1984) „Design ist Kunst, die sich nützlich<br />
macht“.<br />
temen mitzuwirken und nachhaltige Lebensstile zu<br />
unterstützen.<br />
De facto dient Design aber heute vorwiegend dazu,<br />
den Konsum und damit die Wegwerfgesellschaft Design für Nachhaltigkeit oder nachhaltiges Design<br />
anzutreiben, den Materialfluss durch die Gesellschaft<br />
immer noch weiter zu beschleunigen, die len Nutzen bringen, die Lebensqualität verbessern<br />
schafft Lösungen, die der Gesellschaft einen sinnvol-<br />
schnellen Profite der Unternehmen und Shareholder – insbesondere für weniger wohlhabende Menschen.<br />
und oft auch die Berühmtheit der Designer selbst Es schafft Wertschöpfung für Anbieter, Kunden<br />
zu steigern. Leider ist das mittlerweile nicht nur in und möglichst viele Stakeholder und vermeidet<br />
der Mode so, sondern viele andere Produktbereiche gleichzeitig Schäden an der natürlichen Umwelt<br />
funktionieren nach dem gleichen Prinzip: „Designer“ oder wirkt sogar positiv auf die Natur. Nachhaltiges<br />
Möbel sind nicht gut zu gebrauchen und halten Design sucht nach radikaleren, deutlich besseren,<br />
keinen Umzug aus, designte Smartphones unterscheiden<br />
sich von einer zur nächsten Produktge-<br />
Konsumsysteme deutlich ökologisch und sozial bes-<br />
disruptiven Lösungen, die unsere Produktions- und<br />
neration nur durch marginale Oberflächenkosmetik, ser gestalten – nicht nach der ein bisschen effizienteren<br />
Waschmaschine. Letztendlich geht es darum,<br />
technische Produkte werden durch eingebaute<br />
technische Lebensdauerverkürzung und modisches die Transformation zu einer Diversität nachhaltiger<br />
Design zu Wegwerfprodukten, in der Automobilindustrie<br />
findet Innovation lange schon vor allem im alle Bewohner des Planeten Erde zu gestalten.<br />
Lebensstile und einer wünschenswerten Zukunft für<br />
NACHHALTIGES DESIGN: MIT SOLMATE KANN IN ZUKUNFT JEDER SEINEN EIGENEN STROM PRODUZIEREN.<br />
DER FAIRCUP IST EINE RESSOURCENSCHONENDE ALTERNATIVE FÜR DIE RUND SECHS MRD. EINWEGBECHER, DIE JÄHRLICH IN DEUTSCHLAND VERBRAUCHT WERDEN.<br />
Nachhaltige Güter (Produkte, Systeme und<br />
Dienstleistungen) sind<br />
Nützlich: erfüllen eine sinnvolle soziale<br />
Funktion, lösen ein Problem.<br />
Effizient und effektiv: in der Energie-, Landund<br />
Ressourcennutzung.<br />
Solar: nutzen erneuerbarer Energien – Sonne,<br />
Wasser, Wind, Erdwärme, Muskelkraft oder<br />
nachhaltig erzeugte Biokraftstoffe.<br />
Sicher: Sind risikofrei und „narrensicher“,<br />
ergonomisch und umweltfreundlich, unbedenklich<br />
für Mensch und Natur.<br />
Angemessen dauerhaft: Je nach Funktion<br />
(kurz oder langlebig) sollte die Lebensdauer<br />
immer angemessen sein, kurzlebige Verbrauchsgüter<br />
wie Verpackungen sollten besonders<br />
zyklisch sein (siehe unten).<br />
Zyklisch: Jeglicher Abfall und Ausschuss<br />
werden als Nährstoff in gleichen oder anderen<br />
technischen oder natürlichen Anwendungen<br />
verwendet.<br />
So regional wie sinnvoll: Geringer Transport-<br />
und Verpackungsaufwand (jedoch kann es<br />
sinnvoll sein, die lokale Wirtschaft in anderen<br />
Ländern zu unterstützen, insbesondere wenn<br />
Waren in anderen Regionen effizienter<br />
produziert werden können).<br />
Sozial: Gut für das soziokulturelle Umfeld<br />
Verbesserung der Lebensqualität, Sicherung<br />
von Arbeitsplätzen, Einhaltung mindestens<br />
der Normen der Internationalen Arbeitsorganisation<br />
(ILO) und Herstellung unter<br />
(regional) akzeptablen Arbeitsbedingungen.<br />
Wertvoll: Tragen dazu bei, die langfristige<br />
Rentabilität des Anbieters zu sichern und<br />
haben ein angemessenes Preis-Leistungs-<br />
Verhältnis, das der Nutzer zu schätzen weiß.<br />
Alle diese Merkmale müssen für den gesamten Lebenszyklus<br />
und das gesamte Gütersystem berücksichtigt<br />
werden. Manchmal treten Zielkonflikte auf,<br />
dann gilt es den besten umsetzbaren Kompromiss<br />
zu finden. Selbstverständlich braucht nachhaltiges<br />
Design auch zielgruppengerechte Ästhetik, womöglich<br />
einen Wow-Effekt. Die nachhaltige Story<br />
muss attraktiv und gut erzählt werden. NutzerInnen<br />
dürfen ihre nachhaltigen Güter liebgewinnen und<br />
Freude an ihnen haben. Von zurück in die Höhle ist<br />
hier keine Rede.<br />
DEUTSCHER NACH-<br />
HALTIGKEITSPREIS<br />
DESIGN<br />
2020 ruft die Stiftung<br />
Deutscher Nachhaltigkeitspreis<br />
e. V. den DNP Design ins<br />
Leben. Der Preis sucht und<br />
prämiert die vorbildlichen<br />
Beispiele nachhaltigen<br />
Designs, um die relevanten<br />
Akteure zu mehr nachhaltigem<br />
Engagement zu<br />
motivieren und Konsumenten<br />
bei der Produktauswahl<br />
Orientierung zu geben.<br />
<strong>#DNP12</strong>
39<br />
In Zusammenarbeit mit dem Rat für Nachhaltige Entwicklung und dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) vergibt<br />
die Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis e. V. zum fünften Mal den Next Economy Award (NEA). Stellvertretend für die NEA-Kategorien<br />
„Change“, „People“ und „Resources“ stellen wir vier nachhaltige Geschäftsmodelle der Finalisten vor. Alle Startups sind zudem<br />
unter www.nexteconomyaward.de porträtiert.<br />
BETTERECO GMBH<br />
ECOFARIO GMBH<br />
„WIR HELFEN ERFOLG-<br />
VERSPRECHENDEN ANSÄTZEN<br />
AUF DIE SPRÜNGE.“<br />
Für europäische Unternehmen der Nahrungsmit-<br />
ECOFARIO hat ein neuartiges, auf Hydrozyklontech-<br />
Interview<br />
ACHIM DERCKS<br />
tel-, Pharma- und Kosmetikindustrie erschließt das<br />
nologie basiertes Verfahren entwickelt, das es kom-<br />
Berliner Startup betterECO GmbH Bio-Agrarrohstoffe<br />
munalen und industriellen Kläranlagen ermöglicht,<br />
von Großkooperativen aus Entwicklungsländern und<br />
die ausgetragene Menge an Mikroplastikpartikeln<br />
schafft durch seinen Ansatz des „Gegengeschäftes“<br />
und die damit verbundenen Schadstoffe signifikant<br />
eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Eine<br />
zu reduzieren. Die gefilterten Partikel werden an-<br />
Agrar- und Technologievermittlungsplattform ohne<br />
schließend zusammen mit den anhaftenden Toxinen<br />
IHRE ORGANISATION STEHT FÜR MILLIONEN<br />
DER DIHK UNTERSTÜTZT DEN NEXT ECONOMY<br />
Zwischenhändler garantiert internationale Erreich-<br />
und Schadstoffen der thermischen Verwertung des<br />
GEWERBLICHE UNTERNEHMEN AUS HANDEL,<br />
AWARD VON ANFANG AN. WELCHE BOTSCHAFT<br />
barkeit und damit Skalierbarkeit von Angebot und<br />
Klärschlamms zugeführt. Nur so kann garantiert<br />
DIENSTLEISTUNG UND INDUSTRIE. WIE UNTER-<br />
VERKNÜPFEN SIE DAMIT?<br />
Nachfrage der Agrar- und Technologieprodukte. Die<br />
werden, dass die Partikel und vor allem die anhaf-<br />
STÜTZEN SIE DIE WIRTSCHAFT VON MORGEN,<br />
Blockchain-Technologie gewährleistet fälschungs-<br />
tenden Gift- und Schadstoffe nicht wieder in die<br />
ALSO EXISTENZGRÜNDUNGEN UND STARTUPS?<br />
Der Next Economy Award zeigt im nunmehr fünften<br />
„Unsere<br />
Finalisten<br />
machen<br />
mit ihren<br />
grünen Geschäftsmodellen<br />
konkrete<br />
Vorschläge,<br />
wie ökologischer<br />
und<br />
sozialer<br />
Fortschritt<br />
gelingen<br />
kann.“<br />
STEFAN SCHULZE-HAUSMANN,<br />
NEA-INITIATOR<br />
sichere Rückverfolgbarkeit, Food-Security und Vertrauen<br />
in die Abläufe.<br />
NOOR MEDICAL UG<br />
Das Startup Noor Medical setzt sich unter dem Motto<br />
„Safe Surgery Anywhere“ dafür ein, Operationen<br />
in ländlichen Kliniken im Globalen Süden durch die<br />
Bereitstellung von Sterilisationsgeräten sicherer zu<br />
gestalten. In der Folge sollen postoperative Infektionen<br />
reduziert werden. Noor Medical hat mit Hybriclave<br />
einen Dampfsterilisator entwickelt, der mit<br />
Solarenergie genutzt werden kann, um medizinische<br />
Instrumente ordnungsgemäß zu sterilisieren. Das<br />
Gerät ist somit unabhängig vom Stromnetz und<br />
kann dadurch auch in Gesundheitseinrichtungen<br />
zum Einsatz kommen, die eine mangelnde Stromversorgung<br />
haben.<br />
Umwelt gelangen.<br />
RIGHT. BASED ON SCIENCE UG<br />
Das Frankfurter Startup right. based on science ist<br />
ein Modellentwickler, der den Beitrag einer einzelnen<br />
wirtschaftlichen Einheit, z. B. eines Unternehmens,<br />
zum Klimawandel berechnet. Das sogenannte XDC<br />
Modell ermöglicht die Berechnung des Beitrags zur<br />
globalen Erderwärmung. Das Modell projiziert die<br />
Eingabeparameter der Bruttowertschöpfung und<br />
Treibhausgase eines Unternehmens in die Zukunft<br />
und setzt diese in ein Klimamodell ein, wodurch sich<br />
die XDC ergibt. Diese gibt in Grad Celsius an, um wie<br />
viel sich die Erde erwärmen würde, wenn jedes Unternehmen<br />
so emissionsintensiv wirtschaften würde,<br />
wie das betrachtete Unternehmen.<br />
Die Industrie- und Handelskammern stehen Gründerinnen<br />
und Gründern vor Ort mit einem vielseitigen<br />
Service zur Seite. Sie bieten Einstiegsgespräche,<br />
Beratungen, Seminare und Gründertage mit jährlich<br />
rund 200.000 persönlichen Kontakten. Dabei stehen<br />
den Gründern 79 IHKs mit 200 Geschäftsstellen<br />
offen – niemand hat es weit zu seiner IHK. Und<br />
über unser Netzwerk der Auslandshandelskammern<br />
(AHKs) können Startups auch Kontakte in<br />
internationale Märkte anbahnen. Die AHKs geben<br />
Antworten auf viele Fragen an 140 Standorten in<br />
92 Ländern dieser Welt. Vom kleinen Kiosk bis zum<br />
innovativen Hightech-Startup – unser Netzwerk im<br />
In- und Ausland bietet Gründern passgenaue Unterstützung.<br />
DER DIHK VERTRITT ALS GROSSE WIRT-<br />
SCHAFTSORGANISATION GEGENÜBER DER<br />
POLITIK AUCH DIE INTERESSEN DER EXISTENZ-<br />
GRÜNDER. KOMMEN IHRE BOTSCHAFTEN BEI<br />
DER POLITIK AN?<br />
Ankommen tun Sie auf jeden Fall – wir bringen<br />
uns in Berlin und Brüssel bei vielen Themen von<br />
der Bildungspolitik bis zur Energiepolitik intensiv<br />
ein. Die Umsetzung ist dann aber natürlich in der<br />
politischen Diskussion oftmals ein dickes Brett.<br />
Der Bundeswirtschaftsminister hat z. B. gerade mit<br />
einer neuen Mittelstandstrategie vorgelegt. Darin<br />
finden sich viele unserer Empfehlungen – sei es zum<br />
Bürokratieabbau, zur Unternehmensnachfolge oder<br />
für innovative Startups. Jüngst hat das Bundeskabinett<br />
etwa bei der Umsatzsteuer beschlossen,<br />
Gründer um acht Voranmeldungen pro Jahr zu<br />
entlasten und diese statt monatlich nur noch vierteljährlich<br />
zu verlangen. Ein wichtiger Schritt, dem<br />
aber weitere Entlastungen folgen müssen, wie etwa<br />
Online-One-Stop-Shops zum Bürokratieabbau.<br />
Jahr, dass Innovationen von unten wachsen – oft aus<br />
den jungen Unternehmen, wo innovative und kreative<br />
Menschen zusammenarbeiten. Solche Initiativen<br />
entstehen quasi an der Graswurzel, nämlich im<br />
Markt. Es gibt tausende engagierte Menschen, deren<br />
kluge Ideen eine große Bühne verdienen. Für den<br />
DIHK ist es wichtig, solchen erfolgversprechenden<br />
Ansätzen auf die Sprünge zu helfen.<br />
WIE LAUTET IHR FAZIT NACH DEN ERSTEN<br />
FÜNF JAHREN NEXT ECONOMY AWARD?<br />
Mich faszinieren immer wieder der Pioniergeist, die<br />
Innovationskraft und die Vielfalt der Ideen. Schauen<br />
wir nur einmal auf das Tableau der Nominierten in<br />
diesem Jahr. Wir sehen Lösungen für Ressourceneffizienz<br />
in Entwicklungsländern, für die Messung<br />
der Klima-Auswirkungen des eigenen Unternehmens,<br />
für bessere Gesundheit in Regionen ohne<br />
Elektrizität, zur Therapiebegleitung für gelähmte<br />
Menschen, für sauberes Wasser. Die Debatte um<br />
Nachhaltigkeit wird derzeit engagiert und intensiv<br />
geführt. Und der Next Economy Award sendet<br />
viele hoffnungsvolle Signale.<br />
Achim Dercks ist seit 2004 stellvertretender Hauptgeschäftsführer<br />
des DIHK e.V. Er ist Mitglied des<br />
CSR-Forums der Deutschen Bundesregierung sowie<br />
Stellvertretender Vorsitzender des ZDF-Fernsehrats.<br />
Darüber hinaus ist er Geschäftsführer der DIHK<br />
Service GmbH und stellvertretender Kuratoriumsvorsitzender<br />
des Senior-Experten-Services (SES).<br />
NEXT<br />
ECONOMY<br />
AWARD<br />
Der Next Economy Award<br />
ist die nationale Spitzenauszeichnung<br />
für Startups, die<br />
auf soziale und ökologische<br />
Nachhaltigkeit setzen.<br />
Die Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis<br />
e. V. vergibt<br />
die Auszeichnung in Zusammenarbeit<br />
mit dem Rat für<br />
Nachhaltige Entwicklung und<br />
dem Deutschen Industrie- und<br />
Handelskammertag (DIHK).<br />
<strong>#DNP12</strong>
ANZEIGE<br />
IF YOU DON’T KNOW<br />
HIM BY NOW.<br />
„This earth<br />
is the only<br />
home we<br />
have and<br />
I am<br />
saddened<br />
when I see<br />
the way we<br />
humans<br />
neglect the<br />
welfare of<br />
our planet<br />
and one<br />
another.“<br />
Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis zeichnet – neben<br />
Unternehmen, Städten, Gebäuden und Forschungseinrichtungen<br />
– Jahr für Jahr auch Persönlichkeiten<br />
aus, die Verantwortung übernehmen und sich für die<br />
Idee der Nachhaltigkeit einsetzen. Unsere Ehrenpreisträger<br />
nehmen eine besondere Rolle ein: Sie<br />
setzen ihre Popularität, ihren guten Namen und<br />
ihre Strahlkraft ein, um die Idee der Nachhaltigkeit<br />
populär zu machen.<br />
Mick Hucknall feierte mit Simply Red ab 1984 Welterfolge<br />
und verkaufte weltweit über 70 Millionen<br />
Tonträger. Den Durchbruch schafft die Band aus<br />
Manchester mit ihrem Debutalbum „Picture Book“<br />
(1985), es folgen weitere erfolgreiche Alben und<br />
Songs. Mit Hits wie „If You Don’t Know Me By Now“<br />
(1989) oder „Holding Back The Years“ (1995) gehört<br />
die Musik des Frontsängers von Simply Red zu den<br />
Klassikern der Musikgeschichte.<br />
Seit Beginn seiner Karriere nutzt er seine Bekanntheit<br />
zur Unterstützung benachteiligter Menschen.<br />
Er setzt sich für Nonprofit-Organisationen wie die<br />
SOS-Kinderdörfer ein, um Kindern und Jugendlichen<br />
Unterstützung, Bildung und eine Chance auf<br />
ein besseres Leben zu ermöglichen. Gemeinsam<br />
mit internationalen Künstlern bezieht er Position in<br />
humanitären Krisen – zum Beispiel bei Veranstaltungen<br />
wie dem Konzert „Refugee Voices for Darfur“<br />
zugunsten der Opfer des Bürgerkriegs im Sudan<br />
und dem „Concert of Hope“ zum Welt-Aids-Tag.<br />
Als Teil der Initiative „Music Declares Emergency“,<br />
rief Hucknall jüngst im Namen der Musikindustrie<br />
den Klimanotstand aus. Von der britischen Regierung<br />
fordern sie, den Verlust der Biodiversität<br />
umzukehren und die Klimaneutralität bis zum Jahr<br />
2030 zu erreichen.<br />
Vermeiden,<br />
verringern,<br />
verbessern.<br />
J<br />
edes Jahr fallen in Deutschland mehr als 18 Millionen Tonnen Verpackungsmüll<br />
an. Um einen Beitrag zur Reduzierung der Abfallmenge zu<br />
leisten, setzt sich die REWE Group dafür ein, Verpackungen wo möglich zu<br />
vermeiden, zu verringern oder zu verbessern.<br />
Verpackungen sind im Alltag allgegenwärtig.<br />
Nicht ohne Grund: Sie halten Nahrungsmittel<br />
frisch, schützen sie und machen häufig ihren<br />
Transport erst möglich. Außerdem bieten<br />
sie Platz für wichtige Informationen über das<br />
Produkt.<br />
Die REWE Group hat es sich zum Ziel gesetzt,<br />
bis Ende 2030 sämtliche Verkaufs- und<br />
Serviceverpackungen der Eigenmarken von<br />
REWE, PENNY und toom Baumarkt umweltfreundlicher<br />
zu gestalten. Wo es möglich ist,<br />
soll komplett auf Verpackungen verzichtet<br />
werden. Ein Beispiel hierfür ist die Salatgurke,<br />
bei der durch Optimierung der komplexen<br />
Transportprozesse trotz ihrer hohen Empfindlichkeit<br />
ab sofort ganzjährig auf die Schutzfolie<br />
verzichtet werden kann.<br />
Häufig ist es auch möglich, Kunststoffverpackungen<br />
zu verringern, wie bei den Nudelverpackungen<br />
von REWE und PENNY. Durch die<br />
Umstellung des Verpackungsdesgins von einem<br />
Clipbeutel auf einen verschweißten Beutel<br />
werden mehrere Tonnen Kunststoff jährlich<br />
eingespart. Zur weiteren Reduzierung von<br />
Plastik wurde außerdem die Folienstärke reduziert<br />
– zum Beispiel bei den Umverpackungen<br />
von Toilettenpapier und Küchentüchern.<br />
Wie sich Verpackungen umweltfreundlicher<br />
gestalten lassen, zeigt der vermehrte Einsatz<br />
von Rezyklat bei Eigenmarken für Wasch-,<br />
Putz- und Reinigungsmittel von REWE und<br />
PENNY. Sie bestehen teilweise zu 100 Prozent<br />
aus wiederverwertetem Kunststoff, der<br />
wiederum zu einem Fünftel aus dem Gelben<br />
Sack stammt. Als erster Händler hat REWE im<br />
Frühjahr 2019 zudem eine Wasserflasche auf<br />
den Markt gebracht, die zu 100 Prozent (ausgenommen<br />
Deckel und Etikett) aus recyceltem<br />
Kunststoff besteht. Seit Sommer verkauft auch<br />
PENNY zwei Wasserflaschen, die zu 100 bzw.<br />
80 Prozent aus Rezyklat hergestellt werden.<br />
So werden Rohstoffe im Kreislauf gehalten und<br />
Ressourcen eingespart. Zur weiteren Reduzierung<br />
von Verpackungsmüll werden stetig alle<br />
Sortimente geprüft, um Schritt für Schritt die<br />
Eigenmarkenverpackungen zu optimieren. Immer<br />
getreu der Devise: vermeiden, verringern,<br />
verbessern.<br />
Insgesamt sparen wir über<br />
8.200 Tonnen Kunststoff pro Jahr!<br />
Über<br />
202<br />
Millionen<br />
Plastiktüten<br />
pro Jahr<br />
0,5<br />
Tonnen<br />
Treibhausgase bei<br />
einer Millionen<br />
Verpackungen<br />
5<br />
Tonnen<br />
Verpackung pro<br />
Jahr<br />
Rund<br />
590<br />
Tonnen Plastik<br />
pro Jahr<br />
188<br />
Millionen<br />
Stück<br />
pro Jahr<br />
Über<br />
205<br />
Tonnen Plastik<br />
pro Jahr
Druck: www.druckstudiogruppe.com