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4* <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 271 · D onnerstag, 21. November 2019<br />
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Politik<br />
NACHRICHTEN<br />
Umfrage zeigt schwindendes<br />
Vertrauen in die Politik<br />
Politische Stabilität gehörtnach Einschätzung<br />
einer Mehrheit der Bevölkerung<br />
zu den Stärken Deutschlands.Allerdings<br />
ist das Grundvertrauen<br />
der Bürger bei weitem nicht<br />
mehr so hoch wie noch vorvier Jahren,<br />
wie eine am Mittwoch veröffentlichte<br />
repräsentativeUntersuchung<br />
des Allensbach-Instituts im Auftrag<br />
der Frankfurter Allgemeinen <strong>Zeitung</strong><br />
zeigt. Aufdie Frage „Was ist Ihrer<br />
Meinung nach eine Stärke Deutschlands?“<br />
nannten 57 Prozent der Befragten<br />
die „politische Stabilität“.<br />
Vier Jahrezuvor hatten noch 81 Prozent<br />
der Bürger diese Ansicht vertreten.<br />
(dpa)<br />
VW deckt Schriftzug in Halle<br />
des AfD-Parteitags ab<br />
Während des Bundesparteitags der<br />
AfD Ende November in Braunschweig<br />
wirdder Schriftzug „Volkswagen<br />
Halle“ abgedeckt sein. Auf<br />
Wunsch des Sponsors VW werdeder<br />
Name „neutralisiert“, teilte ein Sprecher<br />
des Veranstaltungsortes am<br />
Mittwoch mit. DenWunsch hatte die<br />
Belegschaftsvertretung geäußert.<br />
Auch das Unternehmen unterstützt<br />
die Haltung. (dpa)<br />
Maas will politische<br />
Weiterentwicklung der Nato<br />
Außenminister HeikoMaas will die Nato<br />
reformieren.<br />
LISELOTTE SABROE<br />
Als Reaktion auf die scharfe Kritik<br />
des französischen Präsidenten Emmanuel<br />
Macron an der Nato startet<br />
Außenminister Heiko Maas eine Initiativezur<br />
Stärkung der politischen<br />
Zusammenarbeit in dem Bündnis.<br />
Beim Nato-Außenministertreffen<br />
schlug er am Mittwoch in Brüssel die<br />
Einsetzung einer Expertenkommission<br />
vor, die Reformvorschläge erarbeiten<br />
soll. (dpa)<br />
Mehr als 20 Tote bei Israels<br />
Angriffen auf Ziele in Syrien<br />
Beineuen Angriffen der israelischen<br />
Luftwaffe im benachbarten Syrien<br />
sind mehr als 20 Menschen ums Leben<br />
gekommen. DieLuftschläge<br />
richteten sich gegen Truppen, die<br />
eng mit Israels Erzfeind Iran verbunden<br />
sind. Sieseien eine Reaktion auf<br />
iranischen Raketenbeschuss aus Syrien<br />
gewesen, teilte die israelische<br />
Armee am Mittwoch mit. Zuvorwarenvier<br />
Raketen aus Syrien abgefeuertworden.<br />
(dpa)<br />
Botschaftsanwalt in der<br />
Türkeifestgenommen<br />
Einfür die deutsche Botschaft in Ankaratätiger<br />
Anwalt ist einem Bericht<br />
zufolge wegen Spionageverdachts<br />
festgenommen worden. Dertürkische<br />
Jurist sei beauftragt gewesen, in<br />
der Türkei Informationen für Asylverfahren<br />
türkischer Staatsbürger in<br />
Deutschland einzuholen, berichtete<br />
der Spiegel. DieBundesregierung befürchte,dass<br />
durch die Festnahme<br />
sensible Daten in die Hände des türkischen<br />
Geheimdienstes MIT gelangen<br />
könnten. DerAnwalt hatte laut<br />
Spiegel etwa bei Polizei und Staatsanwaltschaft<br />
abgefragt, ob gegen die<br />
AsylbewerberVerfahren in der Türkei<br />
laufen oder ob ihnen bei der Rückkehr<br />
in ihreHeimat Haft droht. (AFP)<br />
Frust auf Hof und Feld<br />
Immer mehr Bauern protestieren gegen die strengen Auflagen des Agrarpakets der Bundesregierung<br />
VonMarina Kormbaki<br />
Vor wenigen Tagen strömen<br />
Bauern inden Bundestag.<br />
Im Sitzungssaal der Unionsfraktion,<br />
wo sonst die<br />
Abgeordneten Platz nehmen, machen<br />
die Landwirte ihrem Ärger Luft.<br />
Einer nach dem anderen treten sie<br />
ans Mikrofon. Die Bauern klagen<br />
über strenge Auflagen, sie beschweren<br />
sich über ihren schlechten Ruf.<br />
Vorne amPult sitzen mit Christian<br />
Freiherr von Stetten, Carsten Linnemann<br />
und Gitta Connemann führende<br />
Vertreter der Fraktion.<br />
„Die Bauern kommen sich von<br />
der CDU/CSU-Fraktion verraten<br />
und verkauft vor“, sagt Willi Kremer-<br />
Schillings, Landwirt aus Neuss.<br />
„Bauer Willi“, wie Kremer-Schillings<br />
sich bei Facebook und Instagram<br />
nennt, ist als Gastredner geladen. Er<br />
beschreibt eine neue politische Heimatlosigkeit<br />
seines Berufsstandes.<br />
„Da bleibt als Hoffnungsschimmer<br />
nur noch die wirtschaftsliberale<br />
FDP“, sagt er. „Und eine Partei am<br />
rechten Rand, die alle Unzufriedenen<br />
und Unverstandenen einsammelt.“<br />
Flut vonE-Mails<br />
Bauern, so lautet ein Vorurteil, jammern<br />
gern. Über Wetter und Preise,<br />
Politik und Auflagen. Und dieser<br />
Bauernaufstand hat eine neue Qualität.<br />
Er geht von Social-Media-affinen<br />
Agrarbloggern wie Bauer Willi<br />
und der Facebook-Gruppe „Land<br />
schafft Verbindung“ aus, ohne dass<br />
traditionelle Berufsvereinigungen<br />
wie der Bauernverband ihn einfangen<br />
könnten. Undertrifft mit Wucht<br />
die einstige Schutzmacht der deutschen<br />
Landwirte in der Politik: die<br />
CDU.<br />
Aufgebrachte Landwirte fluten<br />
jetzt die E-Mail-Konten der Unionsabgeordneten<br />
im Bundestag. Grüne<br />
Pakete werden in den Abgeordnetenbüros<br />
abgeliefert, mit verschrumpeltem<br />
Obst und verbeulten<br />
Kartoffeln. Die Absender wollen<br />
den Abgeordneten vor Augen führen,<br />
wie die Ernte aussieht, wenn sie<br />
nicht mit Pflanzenschutz behandelt<br />
wird.<br />
So protestieren sie gegen das Agrarpaket,<br />
mit dem Bundeslandwirtschaftsministerin<br />
Julia Klöckner<br />
(CDU) und Bundesumweltministerin<br />
Svenja Schulze (SPD) den Einsatz<br />
von Insektiziden und Düngemitteln<br />
einschränken möchten, zugunsten<br />
der Artenvielfalt und des<br />
Grundwassers.<br />
Die Unionsabgeordneten kriegen<br />
Bauernprotest Ende Oktober in Stuttgart<br />
daheim in ihren Wahlkreisen den<br />
Frust der Bauern persönlich zu spüren.<br />
Sie werden zur Verantwortung<br />
gezogen für die Agrarpolitik von<br />
Landwirtschaftsministerin Klöckner<br />
–selbst Christdemokratin und Winzertochter.<br />
Sie sollen erklären, weshalb<br />
Bauern weniger Gülle auf die<br />
Felder ausbringen sollen, wie ihr Ertrag<br />
trotz geringerem Einsatz von Insektiziden<br />
gleich hoch bleiben soll.<br />
Undimmer weniger Unionsabgeordnete<br />
sind zur Verteidigung der Ministerin<br />
bereit. Sie teilen die Einschätzung<br />
der Bauern, wonach Klöckners<br />
Politik die deutschen Landwirte vor<br />
Probleme stellt –und auch die CDU.<br />
Bauer Willi ist bei seinem Besuch<br />
IMAGO IMAGES<br />
im Bundestag die Entfremdung zwischen<br />
der Unionsfraktion und ihrer<br />
Ministerin nicht entgangen. „Mein<br />
Eindruck war: Zwischen Frau Klöckner<br />
und der Fraktion stimmt etwas<br />
nicht“, sagt er.<br />
Selbst innerhalb der Bundesregierung<br />
schauen Klöckners Parteifreunde<br />
mittlerweile skeptisch auf<br />
die Arbeit der Ministerin. „Sie hat es<br />
sich in kürzester Zeit mit der gesamten<br />
Bauernschaft verdorben“, sagt<br />
ein CDU-Mann, „das war absolut<br />
unnötig.“ Anstelle zahlreicher<br />
schwieriger Politikentscheidungen<br />
für die Landwirte hätte sie etwa bei<br />
der Ferkelkastration einen öffentlich<br />
bemerkbaren Schlussstrich ziehen<br />
Schwarze Tage im Iran<br />
können, um dann bei vielen anderen<br />
kritischen Themen im Sinne der<br />
Bauernzuentscheiden –sodie Kritik<br />
aus den eigenen Reihen. Doch<br />
Klöckner entschied anders herum.<br />
Und muss nun mit ihrem ramponierten<br />
Image leben.<br />
Auch aus den Ländernerfährtdie<br />
Ministerin Widerstand. Niedersachsens<br />
Wirtschaftsminister Bernd Althusmann<br />
warnte Klöckner dem Vernehmen<br />
nach in Anspielung auf die<br />
Proteste in Frankreich vor dem Entstehen<br />
einer Grünwesten-Bewegung.<br />
DieCDU müsse jetzt „höllisch<br />
aufpassen“, die Stimmung kippe. Es<br />
gebe bereits Parteiaustritte. Sein<br />
Landesverband hat das Thema auf<br />
die Agenda des CDU-Parteitags gesetzt,<br />
der am Freitag in Leipzig beginnt.<br />
DieParteiführung rechnet mit<br />
einer hitzigen Debatte.<br />
Merkel soll es richten<br />
Im Bundeslandwirtschaftsministerium<br />
bemüht man sich derweil um<br />
Dialog. Es laufen Gespräche mit der<br />
Unionsfraktion, aber auch mit den<br />
Initiatoren der Bauernproteste. Das<br />
Ministerium verweist auf EU-Vorgaben<br />
zum Schutz des Grundwassers:<br />
Deutschland könne sich nicht weiterhin<br />
als einziges Land in der EU<br />
über die Regeln zum Ausbringen von<br />
Gülle hinwegsetzen. Es drohen Strafzahlungen<br />
von 800 000 Euro –täglich.<br />
Bauer Willi kennt die Argumente,<br />
auch mit ihm hat die Ministerin das<br />
Gespräch gesucht. Überzeugt hat sie<br />
ihn nicht. „Frau Klöckner antwortet<br />
mir zu sehr mit den bekannten Sätzen.<br />
Ich fühle mich da von ihr nicht<br />
ernst genommen, das bringt uns<br />
nicht weiter“, sagt er. „Sie setzt sich<br />
auf Twitter und Instagram sehr für<br />
die Bauern ein –aber sie macht leider<br />
die falschen Gesetze.“<br />
Bauer Willi wird seinen Protest<br />
fortsetzen: Um auf ein drohendes Höfesterben<br />
hinzuweisen, stellte er Anfang<br />
September ein grünes Kreuz auf<br />
seinem Acker auf. Fotos davon veröffentlichte<br />
er im Internet. Tausende<br />
Landwirte machten es ihm nach. Wer<br />
dieser Tage über Land fährt, meint<br />
angesichts all der Kreuze rechts und<br />
links auf einem endlosen Friedhof<br />
unterwegs zu sein.<br />
Die Hoffnungen der Landwirte<br />
ruhen jetzt auf Angela Merkel. Die<br />
Kanzlerin hat den Aufstand der Bauern<br />
zur Chefsache erklärt und seine<br />
Initiatoren für den 2. Dezember ins<br />
Kanzleramt geladen. Merkel soll ihre<br />
Ministerin Klöckner bremsen. Die<br />
Bauern erwarten das –und viele in<br />
der CDU.<br />
Die Bevölkerung wehrt sich gegen die Benzin-Rationierung und die Abschaltung des Internets<br />
Landesweite Unruhen, viele Tote<br />
und unzählige Festnahmen: Der<br />
iranische Präsident Hassan Ruhani<br />
hat sein Land mit einer wirtschaftspolitischen<br />
Entscheidung in eine<br />
regelrechte Staatskrise gestürzt.Wegen<br />
der durch die harten US-Sanktionen<br />
entstandenen Wirtschaftskrise<br />
im Land rationierte er das subventionierte<br />
Benzin auf 60 Liter im<br />
Monat. Für alles darüber müssen<br />
die Iraner seit letzter Woche das<br />
Dreifache bezahlen. Mehrmals verteidigte<br />
Ruhani den Schritt: „Das<br />
war eine richtige und notwendige<br />
Entscheidung, besonders für die sozial<br />
schwachen Klassen,“ meint der<br />
Präsident.<br />
Wegen der harten US-Sanktionen<br />
seien die damit verbunden Einnahmen<br />
der einzige Weg, den sozial<br />
schwächeren Klassen mehr Subventionen<br />
gewähren zu können, wie Ruhani<br />
zuletzt immer wieder betont<br />
hatte.<br />
Die Iraner –besonders die sozial<br />
Schwachen –sehen das anders. Es<br />
kam zu landesweiten Protesten, bei<br />
denen Tankstellen und öffentliche<br />
Einrichtungen in Brand gesetzt wurden.<br />
Dabei soll es auch Zusammenstöße<br />
zwischen Demonstranten und<br />
Polizei gegeben haben. Die Menschenrechtsorganisation<br />
Amnesty<br />
International sprach am Dienstag<br />
von über 100 Toten seit vergangenem<br />
Freitag, Augenzeugen gar von<br />
Tausenden. Dassteht in krassem Gegensatz<br />
zu den Zahlen in staatlich<br />
kontrollierten und damit fast amtlichen<br />
Medien im Iran, wonach neun<br />
Menschen ums Leben gekommen<br />
und 1000 festgenommen worden<br />
sein sollen.<br />
Rial verliertanWert<br />
Zwar halten auch Wirtschaftsexperten<br />
Ruhanis Entscheidung für<br />
durchaus gerechtfertigt, das Timing<br />
jedoch für schlecht. Wegen der US-<br />
Sanktionen hat die nationale Währung<br />
Rial schon die Hälfte ihres<br />
Werts verloren. Mit den höheren<br />
Benzin- und somit Transportpreisen,<br />
die im Iran als „die Mutter aller<br />
Inflationen“ gelten, wird der wirtschaftliche<br />
Druck auf die Bevölkerung<br />
noch größer.<br />
„Nur Gott weiß, was sich Ruhani<br />
bei dieser Entscheidung gedacht<br />
hat“, sagt der 43-jährige Bankangestellte<br />
Babak M. aus Teheran der<br />
Deutschen Presse-Agentur. Es<br />
herrscht wenig Verständnis für den<br />
Schritt der Regierung. Befürchtet<br />
wird, dass der Rial nach der Preiserhöhung<br />
bald noch weniger wert und<br />
letztendlich zu „Domino-Geld“ werden<br />
wird.<br />
Die Proteste der letzten Tage waren<br />
die logische Folge. Doch richteten<br />
sie sich nicht nur gegen Ruhani<br />
und die neuen Benzinpreise, sondernsehr<br />
schnell auch gegen die allgemeine<br />
Politik des gesamten islamischen<br />
Establishments. Auf den<br />
Straßen und auch in der Universität<br />
Teheran waren etwa Rufe wie „Tod<br />
dem Diktator“ zu hören. Immer lauter<br />
wird auch die Kritik an der Nahostpolitik<br />
der Regierung. „Millionen<br />
für Syrien, Jemen, Libanon und Gazastreifen<br />
ausgeben, aber fürs eigene<br />
Volk die Benzinpreise erhöhen, ist<br />
inakzeptabel“, sagt der Student Parham<br />
T. stellvertretend für die Kritiker.<br />
AufTeherans Straßen wurden wegen<br />
der Unruhen Hunderte Polizeiund<br />
Sicherheitskräfte stationiert.<br />
Um die Verbreitung von Informationen,<br />
Bildern und Videos zu verhindern,<br />
stellte der Nationale Sicherheitsrat<br />
das Internet ab. Auch am<br />
fünften TaginFolge blieb das Internet<br />
am Mittwoch weitgehend blockiert.<br />
Informationen lassen sich<br />
deshalb nur schwer überprüfen.<br />
„Protestieren ist das legitime<br />
Recht der Bürger, aber Vandalismus<br />
ist etwas ganz anderes“, sagt Ruhani.<br />
Für ihn haben an den gewaltsamen<br />
Protesten hauptsächlich „Krawallmacher“<br />
teilgenommen, die vom<br />
Ausland finanziert und gelenkt worden<br />
seien. Einigen der festgenommenen<br />
Anführer droht Medienangaben<br />
zufolge die Todesstrafe.<br />
Für Irans Bevölkerung bleibt indes<br />
die Internetsperre ein großes Problem.<br />
Sie paralysiert seit Tagen viele<br />
Aktivitäten des normalen Lebens.<br />
Über 80 Millionen Menschen können<br />
weder Mails senden oder empfangen<br />
noch auf Kurznachrichtendienste<br />
oder Google-Suchen zugreifen. (dpa)<br />
Umwelt-Aktivist<br />
verharmlost<br />
den Holocaust<br />
Extinction Rebellion: Genozid<br />
„fast ein normales Ereignis“<br />
Der Mitgründer der Umweltbewegung<br />
Extinction Rebellion<br />
hat den Holocaust als „fast normales<br />
Ereignis“ in der Menschheitsgeschichte<br />
bezeichnet. „Tatsache ist,<br />
dass in unserer Geschichte Millionen<br />
vonMenschen unter schlimmen<br />
Umständen regelmäßig umgebracht<br />
worden sind“, sagte der Brite Roger<br />
Hallam der Zeit. Für ihn sei der Holocaust<br />
„nur ein weiterer Scheiß in der<br />
Menschheitsgeschichte“. Seine Äußerungen<br />
stießen auf harsche Kritik<br />
in Deutschland; der Ullstein Verlag<br />
stoppte noch am Mittwoch die Auslieferung<br />
des neuen Buchs von Hallam<br />
an deutsche Buchläden.<br />
Genozide habe es in den vergangenen<br />
500 Jahren immer wieder gegeben,<br />
sagte Hallam. „Umehrlich zu<br />
sein, könnte man sagen: Das ist fast<br />
ein normales Ereignis.“ Als Beispiele<br />
nannte der 53-Jährige Gräueltaten in<br />
China und im Kongo: „Die Belgier<br />
sind im späten 19. Jahrhundert in<br />
den Kongo und haben ihn dezimiert.“<br />
Er wisse,dass es unterschiedliche<br />
Debatten darüber gebe, obder<br />
Holocaust einzigartig sei oder nicht.<br />
Für ihn sei die Sache klar.<br />
Der Ullstein Verlag distanzierte<br />
sich umgehend von Hallam. „Die<br />
Auslieferung des Buches wurde mit<br />
sofortiger Wirkung gestoppt“, teilte<br />
derVerlag in Berlin mit. DasWerkmit<br />
dem Titel „Common Sense. Die gewaltfreie<br />
Rebellion gegen die Klimakatastrophe<br />
und für das Überleben<br />
der Menschheit“ sollte eigentlich am<br />
26. November in die deutschen<br />
Buchläden kommen.<br />
Auch Bundesaußenminister<br />
Roger Hallam ist Mitgründer der Umweltbewegung<br />
Extinction Rebellion. SOPA IMAGES<br />
Heiko Maas (SPD) reagierte empört:<br />
„Der Holocaust ist mehr als Millionen<br />
Tote und grausame Foltermethoden.<br />
Jüdinnen und Juden industriell<br />
zu ermorden und ausrotten zu<br />
wollen, ist einzigartig unmenschlich.<br />
Das muss uns immer bewusst sein,<br />
damit wir sicherstellen: nie wieder!“,<br />
schrieb er auf Twitter.<br />
Extinction Rebellion Deutschland<br />
distanzierte sich von Hallam<br />
und sprach von „verharmlosenden<br />
und relativierenden Äußerungen<br />
zum Holocaust“. Er sei bei der Bewegung<br />
in Deutschland nicht mehr<br />
willkommen.<br />
Der Bundesvorsitzende der Grünen,<br />
Robert Habeck, forderte auch<br />
andere Ableger von Extinction Rebellion<br />
(XR) dazu auf, sich von Hallam<br />
loszusagen. Die Bewegung<br />
„muss sich in Gänzeglasklar vonihm<br />
distanzieren“, sagte Habeck der Bild-<br />
<strong>Zeitung</strong>.<br />
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident<br />
Armin Laschet (CDU)<br />
sprach auf Twitter von „inakzeptablem<br />
Gerede“ Hallams, das den Holocaust<br />
relativiere. „Warum dieses<br />
antisemitische und rechtsradikale<br />
Framing, wenn es doch angeblich<br />
um Klimaschutz geht?“<br />
Extinction Rebellion ist in Großbritannien<br />
entstanden und macht<br />
mit Protestaktionen für den Klimaschutz<br />
inzwischen in vielen Ländern<br />
auf sich aufmerksam. Hallam, der im<br />
britischen Landesteil Wales lebt, ist<br />
das bekannteste Gesicht der Bewegung.<br />
Er ist Soziologe und Biobauer.<br />
(dpa)