Mit einem Vollblut quer durch die Hallertau: „ Ich bin dann mal weg ...” Ein Jahr lang trug sich Anke Röber mit dem Gedanken, einen etwas anderen Urlaub zu verbringen. Naturnah, sportlich, herausfordernd. Dann machte die 51-Jährige ernst, sattelte ihren Vollblüter Benny Benito und ritt los. Allein. Gut vorbereitet. Mit minimalem Gepäck und maximaler Neugier auf das Hopfenland und seine Menschen. Viele kleine Abenteuer und spannende Begegnungen erwarteten die Projektmanagerin und ihr Rennpferd auf dem Weg von Moosburg an der Isar bis an den Limes.
Wer wie Anke das Terminmanagement von Großprojekten und die Analyse von Risiken zum Beruf gemacht hat, würde üblicherweise Erholung in vorhersehbaren Urlaubswelten suchen. So ein entspannender all-inklusive Badeurlaub oder eine gut strukturierte Kulturreise zum Beispiel, da kann man gut loslassen, sich zurücklehnen und anderen das Planen und die Entscheidungen überlassen. Ja schon, dachte Anke, aber ... warum in die Ferne fliegen, wenn es im Sommer in der Hallertau so schön ist? Warum im Urlaub nicht Zeit mit Pferd Benny verbringen? Die unmittelbare Heimat erkunden und das Abenteuer vor der Haustüre suchen? Einfach mal der Nase nach durch das Hopfenland reiten ...! Auf diesen Gedanken kommt sie während des Sommers. Der Hopfen grün, die Hügel sanft, der Himmel blau. So schön hier. Der Plan beginnt zu reifen. Im darauffolgenden Frühjahr erzählt Anke ihrer Familie von ihrem Vorhaben. Ehemann Frank reagiert skeptisch. „Überleg dir das gut. Das wird sehr anstrengend. Und ohne Begleitung mit dem Benny ...!“ Mit Recht hat er Bedenken. Der ursprünglich für den Trabrennsport gezüchtete Vollblüter aus Schweden ist ein temperamentvolles Pferd. Alles andere als das klassische Freizeitpferd. Als Traber wurde Benny im Alter von zwei Jahren aussortiert, weil er „so gerne galoppiert“. Das verrät einiges. Benny hatte Glück, dass er bei Anke einen Platz fand. Geduldig und einfühlsam ging sie auf sein Wesen ein. In den folgenden elf Jahren wuchsen sie als Team zusammen. 15 Kilo Gepäck, Schlafsack inklusive Die Entscheidung ist gefallen. Anke ist nicht zu stoppen. Auf Wanderreiter-Seiten im Internet sammelt sie Tipps für Ausrüstung und Packlisten. Aus einer Zeltplane näht sie einen passgenauen Packsack für Benny. Auf dem empfindlichen Pferderücken darf hinter dem Sattel nicht viel liegen. Auch das Reiten mit Satteltaschen will geprobt werden, nichts darf scheuern, flattern, klappern ... Oder gar zu schwer sein: 15 Kilo Gepäck setzt sich Anke als Limit. Das ist nicht viel wenn man bedenkt, was alles mitgenommen werden muss: Schlafsack, Isomatte, Wechselkleidung, Proviant und auch die Ausrüstung für das Pferd samt Putzzeug, Halfter und Führseil. Im Reitstall fragt sie, ob jemand mitreiten will durch die Hallertau. Aber die Urlaube sind bereits anderweitig geplant. Manchem wirft die Unternehmung auch zu viele Fragen auf. Oder die Komfortbedürfnisse überwiegen. Schade. Dann halt alleine, beschließt Anke. Erfahrung im Wanderreiten hat sie nicht. Abgesehen von den Ausflügen, die sie als Jugendliche mit ihren beiden Brüdern gemacht hat: Auf einem gemütlichen Haflinger und mit einem alten Traktor streiften sie gemeinsam durch Wälder und Wiesen auf dem Vogelsberg in Mittelhessen. Ein (fast) perfekter erster Tag In der letzten Augustwoche geht es an den Start. „Sonne satt“ laut Wetterbericht, gegen Abend heftige Gewitter. Anke und Benny sind unterwegs. Um 10 Uhr haben sie Wang in Richtung Mauern verlassen. Ein seltsames Gefühl, die Pferdekoppeln der alten Pfettrach-Mühle hinter sich zulassen und zu wissen: dies ist kein gewöhnlicher Ausritt. Benny ist topfit und will Strecke machen. Anke lässt ihn nur Schritt gehen. Distanzrekord unerwünscht: Entschleunigen auf 6 km pro Stunde und die Natur um sich bewusst wahrnehmen, das ist ihre Vorstellung vom Wandern mit Pferd. Sobald die Grenze des üblichen Ausritts erreicht ist, wird der Vollblüter unruhig. Kehren wir nicht um? Nein, Benny, wir reiten weiter: über Margarethenried, Aign und Aggstall nach Großgundertshausen. Die Anspannung lässt nach, Anke wird leicht ums Herz. Ihr Pferd vertraut ihr, der Weg stimmt: alles wie erträumt. Die erste Nacht verbringt sie komfortabel auf dem Stadlerhof in Großgundertshausen. Und Benny? Der steht bei heftigem Gewitter im Freien auf einer Koppel. Und wird patschnass. Eine Regendecke mitzunehmen, das war bei 15 Kilo Gepäck einfach nicht mehr drin. Doch der Wallach nimmt das Gewitter erstaunlich gelassen hin. Sein Fell wird bei den sommerlich-lauen Temperaturen bald trocknen. Schlaflos in Maiersdorf Am nächsten Tag führen Ankes und Bennys Wege durch Hopfengärten, über Stoppelfelder und bewaldete Hügel an Seeb und Rannertshofen vorbei nach Maiersdorf auf die Morgen- Ranch. Auf diesen Aufenthalt hat sich Anke besonders gefreut. Denn auf dem Reiterhof von Bettina Schlarb und ihren Töchtern Romy und Selina werden neben Pferden, Ponys, Eseln, Hunden, Katzen, Hasen und Hühnern weitere Tierarten gehalten, Arten, denen Mensch und Pferd selten Auge in Auge direkt gegenüberstehen: Rehe, Wildschweine, Lamas und ... Kamele! Auf den weitläufigen Weiden und in den Ställen der Morgen-Ranch lebt die kunterbunt gemischte Tiergesellschaft friedlich zusammen. Für Benny ist ein Paddock mit Unterstand reserviert, theoretisch ideal, aber praktisch eine Katastrophe. Anke wird die ganze Nacht kein Auge schließen und in den frühen Morgenstunden ohne Frühstück aufbrechen. Sie erkennt ihren Benny nicht wieder. Die friedlichen Kamele versetzen den Vollblüter in Panik. Am Abend zuvor hatte ihr Pferd bei Blitz, Donner und Wolkenbruch gemütlich gegrast. Jetzt schnaubt der Wallach durch die Nüstern, rollt die Augen, wirft sich gegen den Zaun, trabt auf und ab, verweigert das Futter. Benny scheint nur einen Gedanken zu haben: Nichts wie weg hier! <strong>hallertau</strong>-Magazin 7