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Mitteilungsblatt Wendelstein + Schwanstetten

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AUS DER REGION<br />

Ein Literaturabend in der Gemeindebücherei<br />

ganz im Zeichen von Theodor Fontane<br />

Fontane - zu Unrecht vergessen ein<br />

„Beobachter seiner Zeit“<br />

Er wurde im Dezember vor 200 Jahren in Neu-Ruppin in Brandenburg<br />

geboren, gehörte für Generationen von Schülern fest zum Lehrstoff in<br />

der Schule und ist heute doch weitgehend vergessen: Theodor Fontane.<br />

Für den Literaturkreis des <strong>Wendelstein</strong>er Heimatvereins übernahm<br />

Bernhard Rufflar gern die Aufgabe, diesen Schriftsteller in seiner Zeit<br />

mit seinem Leben, seinen Werken und vor allem auch mit Texten von<br />

ihm vorzustellen. Bereichert um Musikstücke von Werner Heinzel an der<br />

Gitarre, gelang es ihm dabei einen vielseitigen Autor in Erinnerung zu<br />

rufen und zugleich damit seine literarische Bandbreite von Gedichten<br />

über Balladen, journalistische Reiseberichte und Theaterkritiken bis hin<br />

zu den Novellen und Romanen als Alterswerk zu präsentieren.<br />

Neben aktueller Literatur und Ausstellungen mit Bezug zu regionalen wie<br />

interessanten Themen samt einer Auswahl zugehöriger Literatur gehört zu den<br />

Aktivitäten der Gemeindebücherei <strong>Wendelstein</strong> auch einmal im Jahr immer ein<br />

Vortrag zur Literaturgeschichte. In Zusammenarbeit mit dem Literaturkreis des<br />

<strong>Wendelstein</strong>er Heimatvereins werden dabei Literaturepochen oder einzelne<br />

Autoren präsentiert. Heuer hatte sich Bernhard Rufflar als Referent einen Schriftsteller<br />

ausgesucht, der im Dezember 1819 geboren wurde - also eigentlich 200.<br />

Geburtstag hat - und doch in der heutigen Zeit fast ganz als Literaturklassiker<br />

vergessen ist: Theodor Fontane.<br />

Nach der Begrüßung der Zuhörer im vollbesetzten Vortragsraum der Bücherei<br />

durch deren Leiterin Helga Löhlein stimmte Werner Heinzel das Publikum musikalisch<br />

auf den Abend ein und bereicherte den Vortrag mit mehreren Stücken<br />

von Napoleon Coste (1806-1883), einem französischen Komponisten und<br />

Zeitgenossen von Fontane. Gleich zu Beginn seines Vortrags würdigte Bernhard<br />

Rufflar den „Jubilar“ Theodor Fontane als enorm vielseitigen und aktiven Autor.<br />

Waren schon seit seinem Studium Gedichte, Balladen und Prosatexte Teil der<br />

literarischen Gesamtarbeit, kamen später journalistische Texte und Theaterkritiken<br />

dazu und in der Spätphase Romane.<br />

Musikalisch von Werner Heinzel (links) mit Stücken des 19. Jahrhunderts unterstützt,<br />

zeichnete Bernhard Rufflar (2.v. links auf dem Podium) vom „Literaturkreis“ des<br />

<strong>Wendelstein</strong>er Heimatvereins bei der jetzigen literaturhistorischen Lesung in der<br />

Gemeindebücherei ein umfassendes Bild über Leben und Werk des vor 200 Jahren geborenen<br />

Schriftstellers Theodor Fontane und dessen brandenburgische Heimatregion.<br />

Von Neu-Ruppin aus ins „Herz des Kaiserreichs“ Berlin<br />

Im Dezember 1819 kam Theodor Fontane als Sohn eines Apothekers im<br />

brandenburgischen Neu-Ruppin zur Welt und bis heute ist er nicht die einzige<br />

überregional bekannte Persönlichkeit aus diesem Ort, denn auch der bekannte<br />

Historismus-Architekt Friedrich Schinkel stammt aus dem gleichen Ort. Sein<br />

Studium und beruflicher Weg führte ihn später über Leipzig nach Berlin, wo er<br />

als angehender Autor in der literarischen Gesellschaft „Tunnel“ aufgenommen<br />

wurde und von Paul Heyse besonders gefördert wurde, einem damals schon<br />

bekannten Schriftsteller. Zu dieser „literarischen Gesellschaft“ gehörten damals<br />

viele führenden preußischen Autoren.<br />

Nach den politischen Wirren des Jahres 1848 versorgte Fontane als Auslandskorrespondent<br />

die konservative Berliner Zeitung „Preußische Zeitung“ von England<br />

aus als Wohnsitz fest mit Artikeln. In erster Linie waren dies kulturelle Berichte<br />

und Reiseartikel, zunehmend wurden es auch Theaterkritiken. Nach mehreren<br />

Jahren in England kehrte er nach Berlin zurück und schrieb für mehr als 20 Jahre<br />

für die Presse anerkannte Theaterkritiken. Dabei, so Rufflar, verteilte er gern für<br />

gute Umsetzung und Themen der Stücke Lob, zugleich versuchte er bei Kritik<br />

am Stück diese sachlich aber deutlich in Worten wiederzugeben.<br />

Vom „Bienen-Winkelried“ bis hin zu Textbeispielen aus „Stechlin“<br />

Beispiele für seine Gedichte und Balladen waren als bekanntes Stück das vom<br />

„Herrn Ribbeck auf Ribbeck zu Havelland“ und seinem Birnbaum-Vermächtnis<br />

und Rufflar ergänzte als unbekannteren Text sein Gedicht vom „Bienen-<br />

Winkelried“ als Mischung eines erdachten Kriegs zwischen Bienen und Wespen<br />

in deutlicher Anlehnung an die Sage in der Schweiz über deren Kampf gegen<br />

die Habsburger. Ein spannender weiterer Aspekt seines Werkes sind seine drei<br />

„Kriegstagesbücher“ vom deutsch-dänischen Krieg 1864, dem „deutschen<br />

Bruderkrieg“ 1866 um Schleswig-Holstein und dem deutsch-französischen<br />

Krieg 1870/71.<br />

Die Verwendung historischer Themen über Deutschland hinaus in seinen Texten<br />

zeigte sein Gedicht vom „Schloß Eger“ über den Überfall auf Wallenstein und<br />

seine Getreuen mit deren Ermordung, als dieser im 30jährigen Krieg mit dem<br />

Kaiser brechen wollte. Die letzten knapp 20 Jahre seines Schaffens bis zu seinem<br />

Tod im September 1898 galten vor allem Romanen im Stil des „poetischen<br />

Realismus“ als Leitmotiv des späten 19. Jahrhunderts. Mit zeitlichen Schwerpunkten<br />

von den Napoleonischen Kriegen 1812-14 bis ins deutsche Kaiserreich<br />

ab 1871 schuf er hier zeitkritische wie lebensnahe Alltagsbeschreibungen samt<br />

einer eigenen Wertung.<br />

Mit „Vor dem Sturm“ als Beispiel über einen geplanten Aufstand preußischer<br />

Adeliger gegen Napoleon nach dessen verlorenem Feldzug gegen Russland<br />

1812/13 zeigte Rufflar die zeitlich-europäische Bandbreite von Fontanes Romanund<br />

Novellenthemen für das 19. Jahrhundert. Den Vortrag beschloss der Referent<br />

mit Informationen und Texten aus thematisch aktuellen Werken des deutschen<br />

Kaiserreichs wie etwa den personenbezogenen Romanen „Grete Minde“, „Jenny<br />

Treibel“ oder „Effi Briest“, bei denen es Fontane um seine Kritik am damaligen<br />

Wandel bestehender Moralbegriffe wie „Ehre“ ging oder als Spiegelbild des<br />

gesellschaftlichen Alltags in Brandenburg am Beispiel von „Stechlin“.<br />

Text und Foto: (jör)<br />

Die Gemeindebücherei <strong>Wendelstein</strong>, Marktstraße 1, ist an folgenden Wochentagen<br />

geöffnet: Montag von 9 bis 12 Uhr, Dienstag 15-20 Uhr, Mittwoch<br />

15-18 Uhr, Donnerstag 9-12 Uhr, Freitag 15-18 Uhr und Samstag 9-12 Uhr<br />

sowie am Donnerstag, 1.Mai, von 11-17 Uhr; weitere Informationen unter<br />

der Telefon-Nr. 09129/401129 oder per e-mail: buecherei@wendelstein.de<br />

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DEZEMBER 2019

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