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MOBILITÄT<br />
Peter Goetschi, was bedeutet<br />
die grüne Welle bei den Wahlen<br />
<strong>2019</strong> für die Mobilität?<br />
Peter Goetschi: Vorab, die Welle<br />
war nicht nur grün, es hat nun auch<br />
mehr Frauen und Junge im Parlament.<br />
Aber ja, der Wahlausgang ist eine klare<br />
Ansage des Stimmvolks: Die Politik soll<br />
umweltfreundlicher werden. Der Ball<br />
liegt nun beim neuen Parlament, welches<br />
konkrete Massnahmen vorschlagen<br />
muss, um diesen Erwartungen gerecht<br />
zu werden. Wir werden sehen, ob die<br />
Schweizer Bevölkerung bereit ist, den<br />
eingeschlagenen Weg nun wirklich zu<br />
gehen.<br />
Welche Rolle wird der TCS dabei<br />
spielen?<br />
Der TCS setzt sich schon seit Jahrzehnten<br />
für einen verantwortungsvollen Umgang<br />
mit den natürlichen Ressourcen ein<br />
und unterstützt auch die ambitionierten<br />
Ziele des Pariser Klimaabkommens.<br />
Wichtig ist es aber, dass es ausgewogene<br />
und ganzheitliche Lösungen gibt. Es darf<br />
weder zu einer einseitigen noch unverhältnismässigen<br />
Verteuerung der Mobilität<br />
kommen. Wir wehren uns gegen<br />
die Schaffung einer Zweiklassengesellschaft<br />
– jene, die es sich noch leisten<br />
können, mobil zu sein, und jene, die es<br />
sich nicht mehr leisten können.<br />
Wie wird sich der TCS dafür einsetzen,<br />
dass alle mobil bleiben können?<br />
Der TCS setzt sich dafür ein, dass jeder<br />
sein Verkehrsmittel frei wählen kann<br />
und in seiner persönlichen Mobilität<br />
nicht eingeschränkt wird. Es ist deshalb<br />
wichtig, transparente und langfristige<br />
Massnahmen zu ergreifen. Die im CO2-<br />
Gesetz vorgeschlagenen Massnahmen<br />
müssen beispielsweise ein Preisschild erhalten.<br />
Die Leute müssen wissen, was sie<br />
die einzelnen Massnahmen kosten. Nur<br />
wenn wir ein klares Bild haben, sind<br />
auch die wirtschaftlichen und sozialen<br />
Konsequenzen abschätzbar.<br />
Die Grünen forderten im «<strong>Touring</strong>» 10,<br />
dass ab 2025 keine mit fossilem Treibstoff<br />
betriebenen Personen wagen<br />
mehr zugelassen werden. Wie realistisch<br />
ist diese Forderung?<br />
Die Forderung ist völlig unrealistisch<br />
und auch der falsche Ansatz. Mit realitätsfremden<br />
Wunschvorstellungen und<br />
Verboten ist dem Klima nicht geholfen.<br />
Wir können aber gerne darüber reden,<br />
wie wir die Elektromobilität fördern<br />
können, zum Beispiel über eine Mitfinanzierung<br />
von Ladestationen in Mehrparteiengebäuden,<br />
Sonderabschreibungen<br />
für die gewerbliche Nutzung von<br />
Elektrofahrzeugen, Ausrüstung von<br />
«Park & Ride»-Plätzen mit Ladesäulen<br />
usw. Selbstverständlich müssten diese<br />
Massnahmen bei einer bestimmten<br />
Marktdurchdringung aber wieder aufgehoben<br />
werden, und gleichzeitig muss<br />
das Tor für anderweitige Entwicklungen<br />
offengehalten werden.<br />
Braucht es Kaufprämien für E-Autos?<br />
Aufgrund unserer Erhebung zur Elektromobilität<br />
sind heute Preis, Reichweitenangst<br />
und fehlende Ladeinfrastruktur<br />
die grössten Hindernisse für den Kauf<br />
eines E-Fahrzeugs. Das würde auf den<br />
ersten Blick für eine Kaufprämie sprechen.<br />
Trotzdem bin ich skeptisch. Lokal<br />
mögen solche Prämien Wirkung zeigen.<br />
Wir müssen diese Frage aber gesamtheitlich<br />
angehen. Es macht keinen Sinn, in<br />
der Schweiz mit Kaufprämien E-Autos in<br />
den Markt zu drücken und dafür die ersetzten,<br />
fossil betriebenen Fahrzeuge<br />
nach Afrika zu liefern. Denn Treibhausgase<br />
kennen keine Staatsgrenzen.<br />
Was wäre die Alternative zu Kaufprämien<br />
für E-Autos?<br />
Wir müssen den Leuten die Angst vor<br />
zu geringer Reichweite und mangelnder<br />
Ladeinfrastruktur nehmen. Am besten<br />
geht das mittels Information und Ausprobieren.<br />
Ich selber fahre seit einigen<br />
Monaten elektrisch und bin nicht nur<br />
vom Fahrerlebnis begeistert, sondern<br />
habe innert kürzester Zeit auch jegliche<br />
Vorbehalte in Bezug auf die Reichweite<br />
abgestreift. Sicher muss ich ein bisschen<br />
besser planen und vorausschauen, aber<br />
im Alltag in der Schweiz sind die bereits<br />
heute gängigen Reichweiten absolut<br />
genügend. Und was die Ladestationen<br />
betrifft, so scheint mir im Besonderen<br />
wichtig, dass auch die Ladestationen zu<br />
Hause und bei der Arbeit gefördert<br />
werden, denn nur fünf Prozent aller<br />
Ladungen finden unterwegs statt.<br />
Die Grünen und Grünliberalen<br />
wollen zudem Verkehr vermeiden<br />
und verlagern, sie verweisen<br />
dabei auf europäische Metropolen.<br />
Was taugen diese Rezepte?<br />
Dass wir in den Städten aufgrund der<br />
engen Platzverhältnisse und der zunehmenden<br />
Verdichtung die Mobilität neu<br />
organisieren müssen, kann nicht bestritten<br />
werden. Es gibt einige gute Beispiele,<br />
diese lassen sich aber nicht immer 1:1<br />
auf andere Städte übertragen. Im Besonderen<br />
darf nicht einfach ein fixer Modalsplit<br />
als Kompass genommen werden.<br />
Eine funktionierende Mobilität muss<br />
vielmehr alle Verkehrsmittel integrieren,<br />
und der Zugang in die Städte muss allen<br />
Verkehrsteilnehmenden einfach möglich<br />
sein. Dafür braucht es neben der Strassen-<br />
und Schieneninfrastruktur ein intelligentes<br />
Verkehrsmanagement, Parkund<br />
Umsteigemöglichkeiten und einen<br />
attraktiven und kundenfreundlichen<br />
öffentlichen Verkehr.<br />
In den Innenstädten zeichnet sich<br />
ein Kampf um den vorhandenen<br />
Platz ab. Wird das Auto aus dem<br />
urbanen Raum verdrängt?<br />
Das Auto darf nicht verteufelt werden.<br />
Auch in urbanen Gebieten hat es weiterhin<br />
seine Berechtigung. Und wie bereits<br />
gesagt: Der TCS setzt sich für die freie<br />
Verkehrsmittelwahl ein und wehrt sich<br />
gegen eine Einschränkung der Mobilität.<br />
Anstelle von Verboten braucht es attraktive<br />
Angebote und Lösungen wie beispielsweise<br />
die sinnvolle Verknüpfung<br />
von verschiedenen Verkehrsmitteln.<br />
Auch Sharing-Lösungen können in Stadtquartieren<br />
eine Möglichkeit sein.<br />
E-Fahrzeuge und Automatisierung<br />
benötigen zum Teil dieselbe, zum<br />
Teil andere Infrastruktur als Fahrzeuge<br />
mit Verbrennungsmotor. Ist<br />
die bestehende Infrastruktur bereit?<br />
Nein, denn E-Fahrzeuge brauchen eine<br />
Ladeinfrastruktur, und die Automatisierung<br />
setzt voraus, dass die Mobilfunk-<br />
Infrastruktur entsprechend aufgebaut<br />
wird und auch die Strasseninfrastruktur<br />
nach einheitlichen Kriterien signalisiert<br />
wird. Die vielen, oft fantasievoll gestalteten<br />
und bemalten Strassenoberflächen<br />
dürften von vielen Systemen aber nicht<br />
erkannt und damit eine sehr grosse<br />
Hürde für die Automatisierung werden.<br />
Hier ist besondere Weitsicht der Politik<br />
gefragt. Sie muss Grenzen und Richtlinien<br />
setzen, darf künftige Entwicklungen<br />
aber nicht einschränken, da die<br />
bauliche Umsetzung noch länger dauern<br />
dürfte.<br />
Auch neue Mobilitätsformen und<br />
Gefährte drängen auf die ohnehin<br />
schon übervollen Strassen. Wie ist<br />
da ein sinnvolles Nebeneinander<br />
möglich?<br />
28 touring | Dez <strong>2019</strong> / Jan 2020