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Touring Dezember 2019

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MOBILITÄT<br />

Peter Goetschi, was bedeutet<br />

die grüne Welle bei den Wahlen<br />

<strong>2019</strong> für die Mobilität?<br />

Peter Goetschi: Vorab, die Welle<br />

war nicht nur grün, es hat nun auch<br />

mehr Frauen und Junge im Parlament.<br />

Aber ja, der Wahlausgang ist eine klare<br />

Ansage des Stimmvolks: Die Politik soll<br />

umweltfreundlicher werden. Der Ball<br />

liegt nun beim neuen Parlament, welches<br />

konkrete Massnahmen vorschlagen<br />

muss, um diesen Erwartungen gerecht<br />

zu werden. Wir werden sehen, ob die<br />

Schweizer Bevölkerung bereit ist, den<br />

eingeschlagenen Weg nun wirklich zu<br />

gehen.<br />

Welche Rolle wird der TCS dabei<br />

spielen?<br />

Der TCS setzt sich schon seit Jahrzehnten<br />

für einen verantwortungsvollen Umgang<br />

mit den natürlichen Ressourcen ein<br />

und unterstützt auch die ambitionierten<br />

Ziele des Pariser Klimaabkommens.<br />

Wichtig ist es aber, dass es ausgewogene<br />

und ganzheitliche Lösungen gibt. Es darf<br />

weder zu einer einseitigen noch unverhältnismässigen<br />

Verteuerung der Mobilität<br />

kommen. Wir wehren uns gegen<br />

die Schaffung einer Zweiklassengesellschaft<br />

– jene, die es sich noch leisten<br />

können, mobil zu sein, und jene, die es<br />

sich nicht mehr leisten können.<br />

Wie wird sich der TCS dafür einsetzen,<br />

dass alle mobil bleiben können?<br />

Der TCS setzt sich dafür ein, dass jeder<br />

sein Verkehrsmittel frei wählen kann<br />

und in seiner persönlichen Mobilität<br />

nicht eingeschränkt wird. Es ist deshalb<br />

wichtig, transparente und langfristige<br />

Massnahmen zu ergreifen. Die im CO2-<br />

Gesetz vorgeschlagenen Massnahmen<br />

müssen beispielsweise ein Preisschild erhalten.<br />

Die Leute müssen wissen, was sie<br />

die einzelnen Massnahmen kosten. Nur<br />

wenn wir ein klares Bild haben, sind<br />

auch die wirtschaftlichen und sozialen<br />

Konsequenzen abschätzbar.<br />

Die Grünen forderten im «<strong>Touring</strong>» 10,<br />

dass ab 2025 keine mit fossilem Treibstoff<br />

betriebenen Personen wagen<br />

mehr zugelassen werden. Wie realistisch<br />

ist diese Forderung?<br />

Die Forderung ist völlig unrealistisch<br />

und auch der falsche Ansatz. Mit realitätsfremden<br />

Wunschvorstellungen und<br />

Verboten ist dem Klima nicht geholfen.<br />

Wir können aber gerne darüber reden,<br />

wie wir die Elektromobilität fördern<br />

können, zum Beispiel über eine Mitfinanzierung<br />

von Ladestationen in Mehrparteiengebäuden,<br />

Sonderabschreibungen<br />

für die gewerbliche Nutzung von<br />

Elektrofahrzeugen, Ausrüstung von<br />

«Park & Ride»-Plätzen mit Ladesäulen<br />

usw. Selbstverständlich müssten diese<br />

Massnahmen bei einer bestimmten<br />

Marktdurchdringung aber wieder aufgehoben<br />

werden, und gleichzeitig muss<br />

das Tor für anderweitige Entwicklungen<br />

offengehalten werden.<br />

Braucht es Kaufprämien für E-Autos?<br />

Aufgrund unserer Erhebung zur Elektromobilität<br />

sind heute Preis, Reichweitenangst<br />

und fehlende Ladeinfrastruktur<br />

die grössten Hindernisse für den Kauf<br />

eines E-Fahrzeugs. Das würde auf den<br />

ersten Blick für eine Kaufprämie sprechen.<br />

Trotzdem bin ich skeptisch. Lokal<br />

mögen solche Prämien Wirkung zeigen.<br />

Wir müssen diese Frage aber gesamtheitlich<br />

angehen. Es macht keinen Sinn, in<br />

der Schweiz mit Kaufprämien E-Autos in<br />

den Markt zu drücken und dafür die ersetzten,<br />

fossil betriebenen Fahrzeuge<br />

nach Afrika zu liefern. Denn Treibhausgase<br />

kennen keine Staatsgrenzen.<br />

Was wäre die Alternative zu Kaufprämien<br />

für E-Autos?<br />

Wir müssen den Leuten die Angst vor<br />

zu geringer Reichweite und mangelnder<br />

Ladeinfrastruktur nehmen. Am besten<br />

geht das mittels Information und Ausprobieren.<br />

Ich selber fahre seit einigen<br />

Monaten elektrisch und bin nicht nur<br />

vom Fahrerlebnis begeistert, sondern<br />

habe innert kürzester Zeit auch jegliche<br />

Vorbehalte in Bezug auf die Reichweite<br />

abgestreift. Sicher muss ich ein bisschen<br />

besser planen und vorausschauen, aber<br />

im Alltag in der Schweiz sind die bereits<br />

heute gängigen Reichweiten absolut<br />

genügend. Und was die Ladestationen<br />

betrifft, so scheint mir im Besonderen<br />

wichtig, dass auch die Ladestationen zu<br />

Hause und bei der Arbeit gefördert<br />

werden, denn nur fünf Prozent aller<br />

Ladungen finden unterwegs statt.<br />

Die Grünen und Grünliberalen<br />

wollen zudem Verkehr vermeiden<br />

und verlagern, sie verweisen<br />

dabei auf europäische Metropolen.<br />

Was taugen diese Rezepte?<br />

Dass wir in den Städten aufgrund der<br />

engen Platzverhältnisse und der zunehmenden<br />

Verdichtung die Mobilität neu<br />

organisieren müssen, kann nicht bestritten<br />

werden. Es gibt einige gute Beispiele,<br />

diese lassen sich aber nicht immer 1:1<br />

auf andere Städte übertragen. Im Besonderen<br />

darf nicht einfach ein fixer Modalsplit<br />

als Kompass genommen werden.<br />

Eine funktionierende Mobilität muss<br />

vielmehr alle Verkehrsmittel integrieren,<br />

und der Zugang in die Städte muss allen<br />

Verkehrsteilnehmenden einfach möglich<br />

sein. Dafür braucht es neben der Strassen-<br />

und Schieneninfrastruktur ein intelligentes<br />

Verkehrsmanagement, Parkund<br />

Umsteigemöglichkeiten und einen<br />

attraktiven und kundenfreundlichen<br />

öffentlichen Verkehr.<br />

In den Innenstädten zeichnet sich<br />

ein Kampf um den vorhandenen<br />

Platz ab. Wird das Auto aus dem<br />

urbanen Raum verdrängt?<br />

Das Auto darf nicht verteufelt werden.<br />

Auch in urbanen Gebieten hat es weiterhin<br />

seine Berechtigung. Und wie bereits<br />

gesagt: Der TCS setzt sich für die freie<br />

Verkehrsmittelwahl ein und wehrt sich<br />

gegen eine Einschränkung der Mobilität.<br />

Anstelle von Verboten braucht es attraktive<br />

Angebote und Lösungen wie beispielsweise<br />

die sinnvolle Verknüpfung<br />

von verschiedenen Verkehrsmitteln.<br />

Auch Sharing-Lösungen können in Stadtquartieren<br />

eine Möglichkeit sein.<br />

E-Fahrzeuge und Automatisierung<br />

benötigen zum Teil dieselbe, zum<br />

Teil andere Infrastruktur als Fahrzeuge<br />

mit Verbrennungsmotor. Ist<br />

die bestehende Infrastruktur bereit?<br />

Nein, denn E-Fahrzeuge brauchen eine<br />

Ladeinfrastruktur, und die Automatisierung<br />

setzt voraus, dass die Mobilfunk-<br />

Infrastruktur entsprechend aufgebaut<br />

wird und auch die Strasseninfrastruktur<br />

nach einheitlichen Kriterien signalisiert<br />

wird. Die vielen, oft fantasievoll gestalteten<br />

und bemalten Strassenoberflächen<br />

dürften von vielen Systemen aber nicht<br />

erkannt und damit eine sehr grosse<br />

Hürde für die Automatisierung werden.<br />

Hier ist besondere Weitsicht der Politik<br />

gefragt. Sie muss Grenzen und Richtlinien<br />

setzen, darf künftige Entwicklungen<br />

aber nicht einschränken, da die<br />

bauliche Umsetzung noch länger dauern<br />

dürfte.<br />

Auch neue Mobilitätsformen und<br />

Gefährte drängen auf die ohnehin<br />

schon übervollen Strassen. Wie ist<br />

da ein sinnvolles Nebeneinander<br />

möglich?<br />

28 touring | Dez <strong>2019</strong> / Jan 2020

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