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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 289 · D onnerstag, 12. Dezember 2019 5<br />
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Politik<br />
Europas Mondlandung<br />
Die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen präsentiert ihren Plan für einen klimaneutralen Kontinent bis zum Jahr 2050<br />
Für den Klimaschutz soll die<br />
europäische Wirtschaft<br />
nach Plänen der EU-Kommission<br />
komplett umgebaut<br />
werden, damit von 2050 an<br />
keine neuen Treibhausgase mehr in<br />
die Atmosphäre gelangen. Diesen<br />
„Green Deal“ stellte Kommissionschefin<br />
Ursula von der Leyen am<br />
Mittwoch vor. Für Bürger würde das<br />
bedeuten: Autos ohne Abgase kaufen<br />
oder Bahn fahren, Häuser dämmen,<br />
Heizungen erneuern und grünen<br />
Strombeziehen. Bauernund Industrie<br />
sollen die Produktion umstellen.<br />
Allein bis 2030 soll dazu eine<br />
Billion Euro investiertwerden.<br />
Appell des Ratschefs<br />
Vonder Leyen verglich die nötigen Anstrengungen<br />
mit dem US-Programm<br />
für die Mondlandung in den 60er-Jahren<br />
und sprach von einem „Mannauf-dem-Mond-Moment“<br />
für Europa.<br />
Der„Green Deal“ ist aber zunächst nur<br />
ein angekündigtes Gesetzgebungsprogramm,<br />
die Details werden erst<br />
2020 und 2021 vorgestellt.<br />
Unddas Ziel, Europa bis 2050 klimaneutral<br />
zu machen, hat noch nicht<br />
die Unterstützung aller EU-Staaten.<br />
Vordem EU-Gipfel am Donnerstag<br />
wehrten sich Polen, Ungarn und<br />
Tschechien weiter gegen die Festlegung<br />
ohne konkrete Zusagen für finanzielle<br />
Hilfen. EU-Ratschef Charles<br />
Michel appellierte an alle Staaten, das<br />
neue Klimaziel mitzutragen. Bundeskanzlerin<br />
Angela Merkel hat dies bereits<br />
getan. Klimaneutralität bedeutet,<br />
dass von 2050 an keine neuen<br />
Ursula von der Leyen nennt den Green Deal einen Fahrplan zum Handeln.<br />
Treibhausgase aus Europa in die Atmosphäregelangen,<br />
um die Überhitzung<br />
der Erde zu bremsen. Dafür<br />
muss der größte Teil der Klimagase,<br />
die zum Beispiel beiVerbrennung von<br />
Kohle, Öloder Gas und in der Landwirtschaft<br />
entstehen, vermieden und<br />
der Rest gespeichert werden. Zum<br />
„Green Deal“ gehörtein Zwischenziel<br />
für 2030: Bisdahin sollen die Emissionen<br />
um 50 bis 55 Prozent unter dem<br />
Wert von 1990 liegen. Bisher hat sich<br />
die EU ein Minus von40Prozent vorgenommen.<br />
Vonder Leyen nannte den „Green<br />
Deal“ einen Fahrplan zum Handeln.<br />
„Er hat 50 Aktionen bis 2050 für ein<br />
klima- und umweltfreundliches Europa“,<br />
sagte sie. „Unser Ziel ist, unsere<br />
Wirtschaft mit unserem Planeten<br />
zu versöhnen und dafür zu sorgen,<br />
dass es für unsere Menschen<br />
funktioniert.“ Es gehe um die Senkung<br />
der Treibhausgase,aber in gleichem<br />
Maße auch um die Schaffung<br />
neuer Jobs. Das alte Wachstumsmodell,<br />
das auf fossilen Energien und<br />
Verschmutzung gründe, habe sich<br />
überlebt. Gefragt sei nun eine Strategie<br />
„für ein Wachstum, das mehr zurückgibt,<br />
als es wegnimmt“.<br />
Zentraler Punkt in vonder Leyens<br />
Plan ist ein Klimagesetz, mit dem das<br />
Ziel für 2050 „unumkehrbar“ festgeschrieben<br />
wird. Das neue Ziel für<br />
2030 soll im Herbst folgen. Die EU-<br />
AP<br />
Gesetze zur Energieeffizienz und<br />
zum Ausbau erneuerbarer Energien<br />
sollen den neuen Zielen angepasst<br />
werden. Die europäische Industrie,<br />
die künftig scharfe Umweltauflagen<br />
erfüllen muss, soll mit einem „Carbon<br />
Border Mechanism“ vor klimaschädlich<br />
produzierten Billigimporten<br />
geschützt werden, möglicherweise<br />
mit Zöllen. Ein Anpassungsfonds<br />
soll zudem 100 Milliarden<br />
Euro Hilfen für Regionen mobilisieren,<br />
denen die Umstellung besonders<br />
viel abverlangt.<br />
Das Emissionshandelssystem soll<br />
ausgeweitet werden, was voraussichtlich<br />
das Fliegen und Schiffstransporte<br />
teurer macht. Eine moderne<br />
Kreislaufwirtschaft soll Müll<br />
und Verschmutzung vermeiden. Geplant<br />
sind zudem neue Strategien für<br />
saubere Luft und sauberes Wasser<br />
und einen Schutz der Artenvielfalt,<br />
eine Anpassung der Landwirtschaftspolitik<br />
und eine massiveAufforstung.<br />
Signal nach Madrid<br />
DieVorstellung des„Green Deal“ nur<br />
elf Tage nach Amtsantritt der neuen<br />
EU-Kommission war auch als Signal<br />
gedacht –anden EU-Gipfel und vor<br />
allem an die UN-Klimakonferenz in<br />
Madrid. Dort wird intensiv über die<br />
Umsetzung des Pariser Klimaabkommens<br />
von2015 verhandelt.<br />
Im Europaparlament, wo von der<br />
Leyen ihr Programm am Mittwochnachmittag<br />
als Erstes vorstellte,kann<br />
sie auf breite Unterstützung zählen.<br />
Die großen Fraktionen, Europäische<br />
Volkspartei, Sozialdemokraten, Liberale<br />
und Grüne,signalisierten grundsätzliche<br />
Rückendeckung. Die Linke<br />
will ein noch ehrgeizigeres Programm.<br />
Dem Bundesverband der<br />
Deutschen Industrie (BDI) gehen<br />
von der Leyens Pläne hingegen zu<br />
weit. Die ständige Verschärfung der<br />
Klimaziele führe zu einer Verunsicherung<br />
der Konsumenten und Unternehmen,<br />
sagte BDI-Präsident<br />
Dieter Kempf. Das sei „Gift für langlebige<br />
Investitionen“. (dpa)<br />
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