Berliner Kurier 04.01.2020
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*<br />
HINTERGRUND<br />
Geschichte, die<br />
sich wiederholt<br />
Vor100 Jahren wurde<br />
Berlin zur wahren Weltstadt.Am27.<br />
April 1920<br />
wurde das Gesetz zur<br />
Schaffung vonGroß-Berlin<br />
verabschiedet,denn die<br />
Stadt hatte ihreGrenzen<br />
schon längst in die umliegenden<br />
Gemeinden und<br />
Kreise überschritten, Planungen<br />
warenschwierig<br />
geworden. Heute ist die Situation<br />
ähnlich, und die<br />
Frage kommt auf: Sollte<br />
Berlin sich ausdehnen?<br />
Mach’snoch einmal,<br />
Groß-Berlin!<br />
Die Hauptstadt wächst immer weiter –sollte das Umland eingemeindet werden?<br />
Von<br />
JENS BLANKENNAGEL<br />
und<br />
GERHARD LEHRKE<br />
Berlin war unablässig gewachsen,<br />
Planungen hielten nicht<br />
mit. Deshalb wurde 1920 eingemeindet:<br />
97 Städte, Dörfer,<br />
Gutsbezirke und Kreise wurden<br />
Teile Berlins. Die Bevölkerungszahl<br />
verdoppelte sich auf<br />
3,8 Millionen. Nur London und<br />
New York hatten mehr.<br />
Nun boomt Berlin wieder. Es<br />
gibt kaum noch bezahlbare<br />
Wohnungen, viele <strong>Berliner</strong> ziehen<br />
ins Umland. Wäre es da<br />
nicht Zeit für ein zweites Groß-<br />
Berlin-Gesetz? Auch, um so bizarre<br />
Vorgänge zu beenden wie<br />
bei der vier Milliarden Euro<br />
schweren Ansiedlung des US-<br />
Elektroautobauers Tesla, der<br />
sich vor den Toren Berlins niederlassen<br />
will, und um den Berlin<br />
und Brandenburg gegeneinander<br />
pokerten.<br />
Gegen ein größeres Groß-<br />
Fotos: afp, dpa<br />
Die Fläche für die Tesla-Fabrik liegt scheinbar jwd,<br />
aber in Wahrheit ist die Stadt Berlin ganz in der Nähe.<br />
Berlin spricht, dass von den 2,5<br />
Millionen Brandenburgern<br />
rund 1,5 Millionen im Speckgürtel<br />
um Berlin leben. Würde<br />
Berlin das prosperierende Umland<br />
eingemeinden, wäre Brandenburg<br />
bevölkerungsarm und<br />
kaum überlebensfähig. Für ein<br />
größeres Berlin spricht, dass es<br />
viele S- und Eisenbahnverbindungen<br />
zwischen Berlin und<br />
Brandenburg gibt, an denen<br />
entlang sich Siedlungsbau entwickelt.<br />
Dieser Siedlungsstern<br />
Elon Musk will seine Elektro-Autos für<br />
Europa in Brandenburgbauen lassen.<br />
wäre innerhalb eines<br />
neuen Groß-Berlins<br />
leichter zu planen.<br />
Ähnlich sieht es bei der<br />
Frage der Anbindung des<br />
BER aus. Und so brachte<br />
Neuköllns Bürgermeister<br />
Martin Hikel (SPD) wieder eine<br />
Fusionsdebatte ins Spiel und<br />
kooperiert eng mit Schönefeld.<br />
Denn Neukölln will als Nachbar<br />
des BER vom Aufschwung<br />
von Brandenburgs reichster<br />
Gemeinde profitieren, und<br />
Schönefeld möchte<br />
eine bessere Anbindung<br />
an Berlin. Neukölln<br />
und Schönefeld<br />
wollen deshalb, dass<br />
die U7 von Rudow<br />
gen BER verlängert<br />
wird. Wegen der Landesgrenze<br />
und verbundenen<br />
Finanzierungsfragen<br />
eine<br />
kaum lösbare Herkules-Aufgabe.<br />
Auch die Wirtschaft<br />
könnte von<br />
Groß-Berlin 2.0 profitieren. Bei<br />
der Tesla-Ansiedlung zeigte<br />
sich, dass beide eben keine Einheit<br />
sind. Wirtschaftssenatorin<br />
Ramona Pop (Grüne) schrieb<br />
2018 an Tesla-Chef Elon Musk,<br />
dass das Unternehmen doch<br />
bitte nach Berlin kommen solle.<br />
Von Brandenburg sprach sie<br />
nicht. Doch Brandenburg verhandelte<br />
heimlich mit Tesla<br />
und siegte zum Schluss mit<br />
dem Standort Grünheide –vor<br />
allem wegen der Nähe zu Ber-