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Berliner Kurier 26.01.2020

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BERLIN<br />

DER<br />

ROTE<br />

TEPPICH<br />

Ehre, wemEhregebührt!<br />

Wolfgang<br />

Joop, 75<br />

Jahrealt,<br />

vermeidet<br />

Digital-Stress,<br />

wo er nur<br />

kann.<br />

Während die halbe<br />

Stadt mit gesenktem<br />

Kopf aufs Smartphone-Display<br />

starrt, bekennt einer<br />

sich zum genauen Gegenteil.<br />

Shopping, Verabredungen,<br />

Notizen und Gespräche<br />

–all das erledigt der<br />

Designer Wolfgang Joop<br />

(75) analog. Er setzt damit<br />

einen erholsamen Gegenpunkt<br />

zum täglichen Total-<br />

Digital-Alltag der meisten<br />

Menschen. „Ich kann mit<br />

Online-Shopping nichts anfangen“,<br />

sagt Joop. Dass<br />

heute Kleidung im Karton<br />

nach Hause komme und<br />

man sie dort angucke, sei<br />

doch unerfreulich. „Man<br />

ging ja eigentlich einkaufen,<br />

um sich zu unterhalten“,<br />

sagt Joop. Bei Amazon<br />

hat Joop noch nie bestellt.<br />

Er wisse gar nicht, wie das<br />

gehe, gibt er erfrischend<br />

freimütig zu. Er habe auch<br />

keinen Laptop, nur ein Tablet,<br />

um Filme zu gucken.<br />

„Ich bin analog. Ich zeichne<br />

alles, ich schreibe mit der<br />

Hand.“<br />

Der Potsdamer Modeschöpfer<br />

ist auch Maler, bildender<br />

Künstler und Autor.<br />

Zuletzt veröffentlichte er<br />

das Buch „Die einzig mögliche<br />

Zeit“. Auf der <strong>Berliner</strong><br />

Modewoche zeigte er diesmal<br />

gleich zweimal neue<br />

Entwürfe. Zum einen für<br />

das Unternehmen van<br />

Laack, zum anderen seine<br />

Kollektion „Looks by Wolfgang<br />

Joop“.<br />

Fragen?<br />

Wünsche?<br />

Tipps?<br />

Redaktion: Tel. 030/63 33 11 456<br />

(Mo.–Fr. 10–18 Uhr)<br />

10969 Berlin, Alte Jakobstraße 105<br />

E-Mail: leser-bk@berlinerverlag.com<br />

Abo-Service: Tel. 030/232777<br />

Foto: dpa<br />

Von<br />

KERSTIN HENSE<br />

Berlin – Einer hat einen Hirntumor,<br />

der andere ist blind.<br />

Beide haben trotz ihres Handicaps<br />

ein gemeinsames Ziel,<br />

das nahezu unglaublich<br />

klingt: Sven Marx (52) und<br />

Jürgen Pansin (63) wollen auf<br />

einem Tandem von Berlin<br />

nach Tokio zur Eröffnung der<br />

Paralympischen Spiele radeln.<br />

Sie machen das, um für<br />

die Inklusion behinderter<br />

Menschen zu werben.<br />

„Es ist im Leben nahezu alles<br />

möglich“, sagt Sven Marx. Er<br />

hat das schon mal bewiesen. Vor<br />

anderthalb Jahren berichtete<br />

der KURIER schoneinmal über<br />

den Rekord-Radler, der in 17<br />

Monaten durch41Länder geradelt<br />

war. Nun sein nächstes Projekt,<br />

das er diesmal nicht allein<br />

startet.<br />

Am 7. März treffen sich die<br />

<strong>Berliner</strong> Sven Marxund Jürgen<br />

Pansin am Brandenburger Tor<br />

und wollen von dort aus 15 000<br />

Kilometer auf ihrem Tandem<br />

binnen sechs Monaten nach Tokio<br />

fahren. Wieder steht Sven<br />

Marx vor einer wahnsinnigen<br />

Herausforderung, denn sein<br />

Beifahrer ist auf beiden Augen<br />

blind und er selbst muss erneut<br />

gegen seine heimtückische Erkrankung<br />

kämpfen. „Der Tumor<br />

ist nach zehn Jahren wieder einen<br />

Quadratzentimeter gewachsen<br />

(Anm. der Redaktion:<br />

etwas kleiner als ein Cent) und<br />

musste erneut bestrahlt werden“,<br />

erzählt Marx. Trotzdem<br />

will er sein Ziel hartnäckigweiterverfolgen<br />

und die beschwerliche<br />

Reise, die durch sieben<br />

Länder, durch dasAltai-Gebirge<br />

und die Wüste Gobi führt, antreten.<br />

Schließlich haben Marx und<br />

sein Kompagnon schon ganz andere<br />

Kämpfe gefochten. 2009<br />

diagnostizierten die Ärzte bei<br />

Marx einen Hirntumor, der<br />

zwar gutartig war, aber als kompliziert<br />

zu entfernen galt, da er<br />

auf den Hirnstamm drückt.<br />

Nach einer riskanten Operation,<br />

bei der sie versuchten, einen<br />

Teil des Tumors zu entfernen,<br />

kam es zu Einblutungen im<br />

Kopf –und Sven Marx<br />

entkam nur knapp<br />

dem Tod. „Meine<br />

Ärzte hatten<br />

mich<br />

schon aufgegeben<br />

und als<br />

Pflegefall<br />

gesehen“,<br />

erinnert<br />

er<br />

sich.<br />

Jürgen<br />

Pansin erblindete<br />

an den<br />

Nebenwirkungen<br />

einer Diph-<br />

Helden<br />

mit<br />

Handicap<br />

Ein Hirntumor-Patient und ein Blinder starten<br />

gemeinsam mit dem Fahrrad nach Tokio<br />

terie-Impfung, die er als Kind<br />

bekam, wie er sagt. Später kam<br />

noch ein Venenverschluss auf<br />

der Netzhaut am rechten Auge<br />

hinzu. Nach und nach nahm seine<br />

Sehkraft und damit auch die<br />

Lebenskraft ab. 1986 musste er<br />

seinen Führerschein abgeben<br />

und tauschte sein Auto gegen<br />

ein Fahrrad ein. „Als ich drei<br />

Jahre später kaum noch sehen<br />

konnte, durfte ich auch nicht<br />

mehr aufs Rad steigen“, sagt er.<br />

So kam der Vater eines<br />

15-jährigen<br />

Sohnes<br />

Nichts kann sie stoppen:<br />

Am 7. Märzwill das Duo<br />

vonBerlin nach Tokio<br />

radeln.<br />

schließlich über den <strong>Berliner</strong><br />

Blindensportverein zum Tandemfahren.<br />

Vor einem Jahr erfuhr Pansin<br />

zufällig im Radio von Sven Marx<br />

und dessen verrückter Idee, einen<br />

blinden Beifahrer für sein<br />

Tandem zu suchen, um gemeinsam<br />

zu den Paralympics zureisen.<br />

Pansin nahm Kontakt zu<br />

Marx auf und wenig später saßen<br />

die beiden Männer bereits<br />

zusammen auf dem Drahtesel.<br />

Zehn Monate lang bereiteten sie<br />

sich intensivvor und fuhrensogar<br />

auf den Brocken,<br />

um ein Gefühl für<br />

die bevorstehende<br />

Reise zu bekommen.<br />

Durch Polen,<br />

die Ukraine, Kasachstan,<br />

China<br />

und Südkorea<br />

wollen sie radeln. Noch<br />

haben sie Probleme, für 60 Tage<br />

ein chinesisches Visum zu erhalten.<br />

„Dann müssen wirunsere<br />

Strecke kurzfristig noch ändern<br />

und den Weg durch die<br />

Mongolei wählen“, sagt Marx.<br />

Um in Tokio weltweit ein<br />

leuchtendes Zeichen für alle<br />

Menschen mit Handicapzusetzen,<br />

werden die Abenteurer eine<br />

Inklusionsfackel im Gepäck<br />

haben, die sie vom Netzwerk Inklusion<br />

Deutschland überreicht<br />

bekommen haben.Sie wollen sie<br />

dem deutschen Bundespräsidenten<br />

Frank-Walter Steinmeier<br />

zur Eröffnung der Paralympischen<br />

Spiele persönlich überreichen.<br />

Sie möchten möglichst viele<br />

Menschen erreichen und auf ihr<br />

Projekt aufmerksam machen.<br />

Wenn sie am 7. März in Berlin<br />

starten, werden sie voneiner Polizei-Eskorte<br />

vom Brandenburger<br />

Tor bis zum Antonplatz<br />

nach Weißensee begleitet. Sven<br />

Marx und Jürgen Pansin wollen<br />

durch die Bewältigung ihres eigenen<br />

Schicksals anderen Menschen<br />

mit Handicap Mut machen:<br />

„Glaubt niemals Prognosen<br />

anderer, sondern<br />

glaubt an eure eigene<br />

Kraft“, sagt Sven Marx. Er<br />

weiß, wovon er spricht.<br />

15 000 Kilometer liegen noch<br />

vor ihm, gepaart mit der Ungewissheit,<br />

ob sein Körper das alles<br />

mitmacht. Aber Sven Marx’<br />

eiserner Wille kann Berge versetzen.<br />

sven-globetrotter.com

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