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BERLIN<br />
DER<br />
ROTE<br />
TEPPICH<br />
Ehre, wemEhregebührt!<br />
Wolfgang<br />
Joop, 75<br />
Jahrealt,<br />
vermeidet<br />
Digital-Stress,<br />
wo er nur<br />
kann.<br />
Während die halbe<br />
Stadt mit gesenktem<br />
Kopf aufs Smartphone-Display<br />
starrt, bekennt einer<br />
sich zum genauen Gegenteil.<br />
Shopping, Verabredungen,<br />
Notizen und Gespräche<br />
–all das erledigt der<br />
Designer Wolfgang Joop<br />
(75) analog. Er setzt damit<br />
einen erholsamen Gegenpunkt<br />
zum täglichen Total-<br />
Digital-Alltag der meisten<br />
Menschen. „Ich kann mit<br />
Online-Shopping nichts anfangen“,<br />
sagt Joop. Dass<br />
heute Kleidung im Karton<br />
nach Hause komme und<br />
man sie dort angucke, sei<br />
doch unerfreulich. „Man<br />
ging ja eigentlich einkaufen,<br />
um sich zu unterhalten“,<br />
sagt Joop. Bei Amazon<br />
hat Joop noch nie bestellt.<br />
Er wisse gar nicht, wie das<br />
gehe, gibt er erfrischend<br />
freimütig zu. Er habe auch<br />
keinen Laptop, nur ein Tablet,<br />
um Filme zu gucken.<br />
„Ich bin analog. Ich zeichne<br />
alles, ich schreibe mit der<br />
Hand.“<br />
Der Potsdamer Modeschöpfer<br />
ist auch Maler, bildender<br />
Künstler und Autor.<br />
Zuletzt veröffentlichte er<br />
das Buch „Die einzig mögliche<br />
Zeit“. Auf der <strong>Berliner</strong><br />
Modewoche zeigte er diesmal<br />
gleich zweimal neue<br />
Entwürfe. Zum einen für<br />
das Unternehmen van<br />
Laack, zum anderen seine<br />
Kollektion „Looks by Wolfgang<br />
Joop“.<br />
Fragen?<br />
Wünsche?<br />
Tipps?<br />
Redaktion: Tel. 030/63 33 11 456<br />
(Mo.–Fr. 10–18 Uhr)<br />
10969 Berlin, Alte Jakobstraße 105<br />
E-Mail: leser-bk@berlinerverlag.com<br />
Abo-Service: Tel. 030/232777<br />
Foto: dpa<br />
Von<br />
KERSTIN HENSE<br />
Berlin – Einer hat einen Hirntumor,<br />
der andere ist blind.<br />
Beide haben trotz ihres Handicaps<br />
ein gemeinsames Ziel,<br />
das nahezu unglaublich<br />
klingt: Sven Marx (52) und<br />
Jürgen Pansin (63) wollen auf<br />
einem Tandem von Berlin<br />
nach Tokio zur Eröffnung der<br />
Paralympischen Spiele radeln.<br />
Sie machen das, um für<br />
die Inklusion behinderter<br />
Menschen zu werben.<br />
„Es ist im Leben nahezu alles<br />
möglich“, sagt Sven Marx. Er<br />
hat das schon mal bewiesen. Vor<br />
anderthalb Jahren berichtete<br />
der KURIER schoneinmal über<br />
den Rekord-Radler, der in 17<br />
Monaten durch41Länder geradelt<br />
war. Nun sein nächstes Projekt,<br />
das er diesmal nicht allein<br />
startet.<br />
Am 7. März treffen sich die<br />
<strong>Berliner</strong> Sven Marxund Jürgen<br />
Pansin am Brandenburger Tor<br />
und wollen von dort aus 15 000<br />
Kilometer auf ihrem Tandem<br />
binnen sechs Monaten nach Tokio<br />
fahren. Wieder steht Sven<br />
Marx vor einer wahnsinnigen<br />
Herausforderung, denn sein<br />
Beifahrer ist auf beiden Augen<br />
blind und er selbst muss erneut<br />
gegen seine heimtückische Erkrankung<br />
kämpfen. „Der Tumor<br />
ist nach zehn Jahren wieder einen<br />
Quadratzentimeter gewachsen<br />
(Anm. der Redaktion:<br />
etwas kleiner als ein Cent) und<br />
musste erneut bestrahlt werden“,<br />
erzählt Marx. Trotzdem<br />
will er sein Ziel hartnäckigweiterverfolgen<br />
und die beschwerliche<br />
Reise, die durch sieben<br />
Länder, durch dasAltai-Gebirge<br />
und die Wüste Gobi führt, antreten.<br />
Schließlich haben Marx und<br />
sein Kompagnon schon ganz andere<br />
Kämpfe gefochten. 2009<br />
diagnostizierten die Ärzte bei<br />
Marx einen Hirntumor, der<br />
zwar gutartig war, aber als kompliziert<br />
zu entfernen galt, da er<br />
auf den Hirnstamm drückt.<br />
Nach einer riskanten Operation,<br />
bei der sie versuchten, einen<br />
Teil des Tumors zu entfernen,<br />
kam es zu Einblutungen im<br />
Kopf –und Sven Marx<br />
entkam nur knapp<br />
dem Tod. „Meine<br />
Ärzte hatten<br />
mich<br />
schon aufgegeben<br />
und als<br />
Pflegefall<br />
gesehen“,<br />
erinnert<br />
er<br />
sich.<br />
Jürgen<br />
Pansin erblindete<br />
an den<br />
Nebenwirkungen<br />
einer Diph-<br />
Helden<br />
mit<br />
Handicap<br />
Ein Hirntumor-Patient und ein Blinder starten<br />
gemeinsam mit dem Fahrrad nach Tokio<br />
terie-Impfung, die er als Kind<br />
bekam, wie er sagt. Später kam<br />
noch ein Venenverschluss auf<br />
der Netzhaut am rechten Auge<br />
hinzu. Nach und nach nahm seine<br />
Sehkraft und damit auch die<br />
Lebenskraft ab. 1986 musste er<br />
seinen Führerschein abgeben<br />
und tauschte sein Auto gegen<br />
ein Fahrrad ein. „Als ich drei<br />
Jahre später kaum noch sehen<br />
konnte, durfte ich auch nicht<br />
mehr aufs Rad steigen“, sagt er.<br />
So kam der Vater eines<br />
15-jährigen<br />
Sohnes<br />
Nichts kann sie stoppen:<br />
Am 7. Märzwill das Duo<br />
vonBerlin nach Tokio<br />
radeln.<br />
schließlich über den <strong>Berliner</strong><br />
Blindensportverein zum Tandemfahren.<br />
Vor einem Jahr erfuhr Pansin<br />
zufällig im Radio von Sven Marx<br />
und dessen verrückter Idee, einen<br />
blinden Beifahrer für sein<br />
Tandem zu suchen, um gemeinsam<br />
zu den Paralympics zureisen.<br />
Pansin nahm Kontakt zu<br />
Marx auf und wenig später saßen<br />
die beiden Männer bereits<br />
zusammen auf dem Drahtesel.<br />
Zehn Monate lang bereiteten sie<br />
sich intensivvor und fuhrensogar<br />
auf den Brocken,<br />
um ein Gefühl für<br />
die bevorstehende<br />
Reise zu bekommen.<br />
Durch Polen,<br />
die Ukraine, Kasachstan,<br />
China<br />
und Südkorea<br />
wollen sie radeln. Noch<br />
haben sie Probleme, für 60 Tage<br />
ein chinesisches Visum zu erhalten.<br />
„Dann müssen wirunsere<br />
Strecke kurzfristig noch ändern<br />
und den Weg durch die<br />
Mongolei wählen“, sagt Marx.<br />
Um in Tokio weltweit ein<br />
leuchtendes Zeichen für alle<br />
Menschen mit Handicapzusetzen,<br />
werden die Abenteurer eine<br />
Inklusionsfackel im Gepäck<br />
haben, die sie vom Netzwerk Inklusion<br />
Deutschland überreicht<br />
bekommen haben.Sie wollen sie<br />
dem deutschen Bundespräsidenten<br />
Frank-Walter Steinmeier<br />
zur Eröffnung der Paralympischen<br />
Spiele persönlich überreichen.<br />
Sie möchten möglichst viele<br />
Menschen erreichen und auf ihr<br />
Projekt aufmerksam machen.<br />
Wenn sie am 7. März in Berlin<br />
starten, werden sie voneiner Polizei-Eskorte<br />
vom Brandenburger<br />
Tor bis zum Antonplatz<br />
nach Weißensee begleitet. Sven<br />
Marx und Jürgen Pansin wollen<br />
durch die Bewältigung ihres eigenen<br />
Schicksals anderen Menschen<br />
mit Handicap Mut machen:<br />
„Glaubt niemals Prognosen<br />
anderer, sondern<br />
glaubt an eure eigene<br />
Kraft“, sagt Sven Marx. Er<br />
weiß, wovon er spricht.<br />
15 000 Kilometer liegen noch<br />
vor ihm, gepaart mit der Ungewissheit,<br />
ob sein Körper das alles<br />
mitmacht. Aber Sven Marx’<br />
eiserner Wille kann Berge versetzen.<br />
sven-globetrotter.com