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Rockabilly als Jugendkultur - AMD Berlin iMag: Home - AMD ...

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<strong>Rockabilly</strong><br />

<strong>als</strong><br />

<strong>Jugendkultur</strong><br />

„I sold<br />

my soul<br />

to Rock‘n‘Roll“


<strong>AMD</strong> Akademie Mode & Design <strong>Berlin</strong><br />

Projektarbeit zum Thema<br />

›<strong>Jugendkultur</strong>en und ihre Darstellungsformen‹.<br />

3. Semester des Ausbildungsgangs<br />

Modejournalismus/ Medienkommunikation<br />

Bilogan, Constanze<br />

<strong>Rockabilly</strong><br />

Betreuende Dozenten:<br />

Olga Blumhardt (Modejournalismus)<br />

Michi Schnaus (Visuelle Kommunikation)<br />

Diana Weis (Modetheorie)<br />

<strong>AMD</strong> Akademie Mode & Design<br />

Franklinstraße 10<br />

10587 <strong>Berlin</strong><br />

www.amdnet.de


Die Geschichte<br />

Hot Rods, Sex Kittens<br />

Alles beginnt im Amerika der 50er Jahre mit<br />

einem 19-jährigen Musiker, der die Musikwelt<br />

revolutioniert und für seinen provokanten<br />

Hüftschwung berühmt wie berüchtigt ist: Elvis<br />

Aaron Presley.<br />

Dam<strong>als</strong> noch ein unbekannter LKW-Fahrer<br />

erregt Elvis die Aufmerksamkeit von Sam<br />

Phillips, Begründer des legendären Plattenlabels<br />

Memphis Sun Records in Tennessee, <strong>als</strong><br />

er in der Stadt einen Zwischenstopp einlegt.<br />

Mit „That‘s all right (Mama)“ ist Elvis‘ erste<br />

Rock‘n‘Roll-Schallplatte geboren - der Weg<br />

für eine steile Karriere ist geebnet.<br />

Ende der 40er/Anfang der 50er Jahre ist das<br />

soziale Bild der USA von Rassentrennung und<br />

Prüderie geprägt. Schwarze hören Musik für<br />

Schwarze, in erster Linie Rythm&Blues, während<br />

Country-Musik für die Weißen bestimmt<br />

ist.<br />

Elvis, auch The Hillbilly Cat genannt, ist in dieser<br />

Zeit Teil eines revolutionären Prozesses innerhalb<br />

der Selbstfindung vieler Jugendlicher.<br />

und Greasers<br />

Männer im „Greaser-Look“ mit ausladenden Haartollen, Pomade und<br />

Koteletten, tätowierte Mädels im Tellerrock mit Petticoat, die Lippen knallrot<br />

geschminkt, Pin-Up-Girls und Teddyboys - sie alle bezeichnen sich <strong>als</strong><br />

Rockabillies.<br />

Doch wie entstand eine <strong>Jugendkultur</strong>, in der sich alles um die perfekte Wasserwelle,<br />

Oldtimer und schnelle Musik dreht? Wer sind die Vorbilder und<br />

vor allem: woran erkennt man einen echten <strong>Rockabilly</strong>?<br />

Der junge Elvis<br />

Rock‘n‘Roll in der DDR<br />

Zwar ist Elvis nicht der Erfinder des Rockabillies,<br />

denn der Begriff wird erst Jahrzehnte später<br />

geprägt, dennoch aber des Rock‘n‘Roll.<br />

Fragt man in der <strong>Rockabilly</strong>-Szene danach, was<br />

genau ihre Musikrichtung ist, könnten die Antworten<br />

kaum vielfältiger ausfallen. In einem<br />

sind sich die Meisten aber einig: echte <strong>Rockabilly</strong>-Musik<br />

stammt von weißen Südstaatlern 1<br />

neben Elvis Künstlern wie Gene Vincent, Buddy<br />

Holly, Carl Perkins oder Johnny Burnette.<br />

Ab 1958 schlägt die Stimmung in der Musikwelt<br />

rapide um. Gerade von Erwachsenen wird<br />

Rock‘n‘Roll <strong>als</strong> „Gefährdung für Anstand und<br />

Sittlichkeit“ sowie <strong>als</strong> „vulgäre, obszöne Affenmusik“<br />

bezeichnet, die die Jugend verderbe<br />

2 . Mit dem Tod Buddy Holly‘s stirbt symbolisch<br />

auch die kurze Zeit des Rock‘n‘Roll.<br />

Erst später in den 1970ern erlebt der Rock‘n‘Roll<br />

ein Revival, der Begriff des „<strong>Rockabilly</strong>“ entsteht.<br />

Er setzt sich zusammen aus den Wörtern<br />

Rock‘n‘Roll und Hillbilly, einem Begriff für<br />

Hinterwäldler.<br />

1 El-Nawab 2005, S.16-22<br />

2 El-Nawab 2005, S.22<br />

<strong>Rockabilly</strong> in Deutschland<br />

Auch in Deutschland ist der Rock‘n‘Roll in<br />

der <strong>Jugendkultur</strong> omnipräsent. Man bewundert<br />

die USA, orientiert sich am Lebensstil der<br />

Amerikaner und profitiert von vielen „neuen<br />

Wunderdingen“, die ihren Weg nach Deutschland<br />

finden: Bikinis, Bluejeans, Nescafé und<br />

Kaugummi. Leider beschert das Wirtschaftswunder<br />

der deutschen Jugend, nach Ansicht der<br />

Erwachsenen, nicht nur Gutes. Man lässt sich<br />

von Comics inspirieren und entwickelt Aufsässigkeit<br />

- eine „Erschütterung für die damalige<br />

deutsche Leitkultur.“ 3<br />

Deutsche Jugendliche der 50er Jahre werden<br />

<strong>als</strong> „Halbstarke“ bezeichnet4 , hören schmutzigen<br />

Rock‘n‘Roll und randalieren auf öffentlichen<br />

Straßen. Günther Kaiser schreibt dazu:<br />

„Gekonnte Rock‘n‘Roll-Szenen auf Bühne<br />

und Leinwand lösen bei ihnen ein tumultuarisches<br />

Getöse aus. [Sie] entledigen sich ihrer<br />

Oberbekleidung und schreien wirr durcheinander.<br />

Es kommt regelmäßig zu unerwünschten<br />

Auseinandersetzungen mit der Polizei.“ 5<br />

3 Farin 2006, S.12<br />

4 Farin 2006, S.15<br />

5 Kaiser 1959, S.24-27


Die Jugendlichen orientieren sich am „American<br />

Way of Life“, verehren Größen wie Marlon<br />

Brando und James Dean und prägen schon<br />

dam<strong>als</strong> den Stil, den die Rockabillies heute für<br />

sich entdeckt haben. Die wichtigste Tugend ist<br />

Lässigkeit: die Hände stets in der Hosentasche,<br />

die Zigarette im Mundwinkel, der Kamm steckt<br />

provokativ im Hosenbund.<br />

Die Halbstarken, später auch Rock‘n‘Roller<br />

genannt, widmen sich der aufwändigen künstlerischen<br />

Gestaltung ihres Äußeren, benutzen<br />

Pomade und achten auf „erotisch aufgeladenes<br />

Auftreten“ 6 . Rock‘n‘Roll ist ihr Lebensmotto.<br />

„Rock‘n‘Roll war wild, ungezügelt, roh und<br />

vulgär. Der gehört auf die Straße, auf den<br />

Rummelplatz und in die versifften, alkoholgeschwängerten,<br />

nach Schweiß stinkenden verräucherten<br />

Rockschuppen [...]“, schreibt Wenske<br />

in seinem Buch „Scheiß drauf“ 7 . Mit der<br />

Elvis-Welle, die aus Amerika überschwappt,<br />

wird eine brave Generation von etwas infiziert,<br />

das sie in junge Wilde verwandelt.<br />

Besonders Frauen ziehen viele Vorteile aus<br />

dem neuen Lebensstil, so Bertram/Krüger: „Es<br />

gab ihnen die Möglichkeit, Protest und ihr Unbehagen<br />

gegen die konventionellen Kleidungs-<br />

und Anstandserwartungen der Eltern zu artikulieren.“<br />

8<br />

Innerhalb des <strong>Rockabilly</strong>s gibt es nach den<br />

50ern vor allem in Deutschland mehrere Reviv<strong>als</strong>.<br />

Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre<br />

bringen die Stray Cats den Neo-<strong>Rockabilly</strong> von<br />

Großbritannien nach Deutschland.<br />

Ab Mitte der 90er bringt der <strong>Rockabilly</strong><br />

erhebliche stilistische Verschiebungen mit sich.<br />

Von nun an ist nicht mehr der Einheitslook mit<br />

Haartolle und Petticoats gefragt.<br />

6 Farin 2006, S.16<br />

7 Wenske/Hyde 2003, S.178<br />

8 Krüger 1985, S.94<br />

Die Szene spaltet sich in die härteren Lederjacken-Rockabillies<br />

und Teds, die eher auf die<br />

„authentische“ Kleidung der 40er und 50er Jahre<br />

Wert legen. Die Orientierung reicht zuweilen<br />

bis in die 30er Jahre zurück 9 .<br />

Außerdem weitet sich der Musikgeschmack<br />

der Rockabillies auch auf den Jazz aus. So entstehen<br />

stilistische Haarspaltereien, denn die<br />

„jazzigen Rockabillies“ verstehen sich nun <strong>als</strong><br />

Hepcats 10 .<br />

Ende der 90er hält auch der Swing Einzug in<br />

den <strong>Rockabilly</strong> und seitdem findet sich ein<br />

buntes Sammelsurium von Greasern 11 , Rockabillies,<br />

Hepcats, Punk‘n‘Rollern und Psychobillies,<br />

die aber alle eines gemeinsam haben:<br />

ihre Liebe zum Rock‘n‘Roll.<br />

Die Szene heute<br />

Heute ist der <strong>Rockabilly</strong> eine bunte Mischung<br />

aus 50-jährigen Alt-Rock‘n‘Rollern, die ihre<br />

Frauen auf dem Parkett herumwirbeln, wilden<br />

Jungs in Lederjacken mit Clubaufnähern,<br />

Country-Fans und Pin-Up-Mädchen. Man trifft<br />

sich zum Tanztee, tanzt den Lindy-Hop 12 oder<br />

geht auf Tiki-Parties. Die Szene ist friedlich<br />

geworden, nichts erinnert mehr an die Randalen<br />

der Halbstarken, der Altersunterschied der<br />

Anhänger ist einfach zu groß, um sich noch zu<br />

prügeln.<br />

Die Rockabillies haben ihre eigene Mode,<br />

dennoch bringt der schwedische Konzern<br />

Hennes&Mauritz (H&M) eine <strong>Rockabilly</strong>-<br />

Kollektion heraus, pünktlich <strong>als</strong> Popstar Sasha<br />

mit Dick Brave & the Backbeats einen Hit landet.<br />

Der Trend ist im Mainstream jedoch nur von<br />

kurzer Dauer und so bleiben die Rockabilliesweiterhin<br />

unter sich.<br />

9 El-Nawab 2005, S.31-40<br />

10 Hepcat= eingeweiht, trendy; aber auch Synonym für<br />

Jazzfans<br />

11 Greaser= Inspirationen für den Film „Grease“<br />

12 Lindy-Hop= Tanz der 40er Jahre<br />

Stil-Elemente<br />

Besonderes Erkennungsmerkmal der Rockabillies<br />

ist ihre Frisur. Das Tragen der Tolle: ein zur<br />

großen Locke zurückgekämmter Pony ist obligatorisch.<br />

Entweder die Stirn ist frei oder es<br />

fallen einzelne Haarsträhnen lässig ins Gesicht.<br />

Man verwendet Haarspray oder ganz klassisch<br />

Pomade. Moderne<br />

Rockabillies haben<br />

die Tolle für ihre Bedürfnisseabgewandelt<br />

und rasieren sich<br />

die Seiten- und Nackenhaare,<br />

<strong>als</strong>o G.I.-<br />

Frisuren mit Tolle.<br />

Im Gesicht findet die<br />

Frisur in Form von<br />

Koteletten statt.<br />

Frauen tragen die<br />

Haare in der Regel<br />

zum Pferdeschwanz<br />

oder zu zwei geflochtenen<br />

Zöpfen,<br />

weiblich und ordentlich<br />

gestylt. Für<br />

besondere Anlässe<br />

wird auch mit Lockenwicklerngearbeitet<br />

und die Haare<br />

zu typischen 40er-Jahre-Frisuren<br />

drapiert. Ein kurzer glatter Betty-<br />

Page13 Typische <strong>Rockabilly</strong>-Frisur<br />

-Pony ist beliebt, man trägt Blumen oder<br />

ein Nicky-Tuch im Haar.<br />

Was die Kleidung betrifft, wählen die Männer<br />

zwischen eleganten Anzügen zu Feierlichkeiten<br />

und Jeansjacken und -hosen oder Collegejacken<br />

<strong>als</strong> Freizeitkleidung.<br />

13 Betty Page= Fetisch- und Aktmodell und Vorbild der<br />

<strong>Rockabilly</strong>-Mädels<br />

Man trägt Holzfäller-, Bowling-, oder Hawaiihemden,<br />

bedruckte T-Shirts oder Matrosenkleidung.<br />

Frau bindet ihr Oberteil über dem<br />

Bauchnabel, trägt Twin-Sets oder Strickjacken.<br />

Das Leoparden- oder Tigermuster ist besonders<br />

beliebt.<br />

Als Schuhwerk bedient man sich der „Creepers“<br />

14 und schweren<br />

Biker-Boots.<br />

Die Frauen tragen<br />

zu Kleidern Plateau-<br />

oder Peeptoe-Pumps<br />

im bevorzugten Polka-Dot-Muster.<br />

15<br />

Abgesehen von ihrer<br />

Kleidung ist nahezu<br />

jeder echte <strong>Rockabilly</strong><br />

tätowiert. Bestimmte<br />

Symbole<br />

finden sich auf Körpern<br />

von Anhängern<br />

aus der ganzen Welt<br />

wieder.<br />

Man schmückt sich<br />

mit der Rebel Flag,<br />

der Südstaatenflagge<br />

<strong>als</strong> Erkennungssymbol<br />

für<br />

Rock‘n‘Roller, Motiven<br />

aus der Spielszene,<br />

vier Asse, dem 8-Ball aus dem Billardsport<br />

oder schwarz-weiß karierten Rennflaggen.<br />

Männer lassen sich Abbildungen von Pin-Ups<br />

unter die Haut stechen, Teufel oder Flammen,<br />

um auf das „böse“ Image der Szene zu verweisen.<br />

14 Schuhe aus Wildleder mit dicker Kreppsohle<br />

15 Polka-Dot, z.B. rot-weiß gepunktet


Zu guter Letzt huldigen Rockabillies dem Tiki-<br />

Kult, einem Traum vom exotischen Paradies<br />

mit Sonne, Strand und barbusigen Schönheiten,<br />

der sich in einer kitschigen Plastik-Wirklichkeit<br />

manifestiert. Man sammelt Tiki-Nippes in<br />

Form von Salzstreuern oder Cocktailbechern<br />

und besucht Tiki-Parties. Ein Trend, der 2005<br />

auch im Mainstream Einzug gehalten hat 16 .<br />

16 Quelle: Analyse der Szene und El-Nawab<br />

Tiki-Party<br />

Literaturverzeichnis:<br />

1) El-Nawab, Susanne; „Rockabillies - Rock‘n‘Roller - Psychobillies - Portrait einer Subkultur“,<br />

Archiv der <strong>Jugendkultur</strong>en Verlag KG, <strong>Berlin</strong>, 2005<br />

2) Farin, Klaus; „<strong>Jugendkultur</strong>en in Deutschland 1950-1989“, Verlag der Bundeszentrale für<br />

politische Bildung, Bonn, 2006<br />

3) Kaiser, Günther; „Randalierende Jugend. Eine soziologische und kriminologische Studie<br />

über die sogenannten Halbstarken“, Heidelberg 1959<br />

4) Wenske/Hyde; „Scheiss drauf. Eine Rock‘n‘Roll Biographie in Bildern, ein Leben gegen den<br />

Strich“, <strong>Berlin</strong>, 2003<br />

5) Krüger, Hans-Hermann; „Die Elvis Tolle, die hatte ich mir unauffällig wachsen lassen.“, Opladen<br />

1985Deutschland.<br />

<strong>Rockabilly</strong> on street<br />

Lisette 27 Jahre alt, Stylistin<br />

Welche Klamotten trägst Du?<br />

Kleid Vintage, Gürtel H&M, Schuhe aus nem<br />

<strong>Rockabilly</strong>-Laden<br />

Wie würdest Du Deinen Stil bezeichnen?<br />

Creative, but with a twist!<br />

Was bedeuten deine Tattoos für Dich?<br />

Größtenteils sind sie Spaß, oder das, was mir<br />

gerade gefällt... Manche bedeuten etwas, das<br />

Herz hier auf dem Arm erinnert mich an meine<br />

Mutter.<br />

Wie reagiert deine Umwelt auf dein Styling?<br />

Je nachdem, wo ich gerade bin. Zuhause in<br />

Köln bin ich fast anonym auf der Straße. Klar<br />

manche schauen, aber nicht auf unangenehme<br />

Weise. Aber in so kleinen Städten wird man<br />

schon angeschaut, auch wegen der Tattoos.<br />

Aber es ist mehr ein „Oh, siehst du aber schick<br />

aus, wie ein Pin-Up. Oder sowas.


Antje, 32 Jahre, Mediendesignerin<br />

Welche Marken trägst du?<br />

Mantel Vintage, Schal H&M, Tasche Bree,<br />

Schuhe aus Italien<br />

Wie würdest du selbst deinen Stil beschreiben?<br />

Also ich würde schon sagen, so in die <strong>Rockabilly</strong><br />

Richtung... ich kleide mich gerne rockig,<br />

aber liebe auch den Pin-Up-Glamour.<br />

Wie reagieren andere Menschen auf dein<br />

Styling?<br />

Eigentlich durchweg positiv. Ich werde oft<br />

angesprochen, wo ich die Sachen her habe und<br />

ernte viel Bewunderung, weil ich eine Menge<br />

selbst schneidere und entwerfe.<br />

Hast du manchmal Probleme in der Arbeitswelt<br />

aufgrund deines auffälligen Styles?<br />

Nein, überhaupt nich. Ich habe mir bewusst<br />

einen kreativen Job ausgesucht, da ist das zum<br />

Glück kein Problem.<br />

Djamila 24 Jahre & Mimi, 30<br />

Jahre, Verkäuferinnen bei Lena<br />

Hoschek<br />

Was tragt ihr im Moment?<br />

Mimi: Die Hose ist von Levi‘s, Pulli von New<br />

Yorker, Converse Chucks.<br />

Djamila: Ich bin in Lena Hoschek gekleidet.<br />

Außer das Shirt, das ist von H&M.<br />

Wie würdet ihr euren Stil beschreiben?<br />

Da sind wir uns einig: Wir sind Rockabillies!<br />

Allerdings sehen wir sonst noch mehr so aus.<br />

Was bedeuten Tattoos für Euch?<br />

Sie sind eine tolle Art, seinen Stil auszuleben<br />

und sich zu verwirklichen! Egal, ob sie was<br />

bedeuten oder nicht!<br />

Wie feiert ihr?<br />

Wir lieben Tanztees! Also wo man kleine<br />

Cupcakes isst, und tanzt, so richtig 20er Jahre<br />

mäßig. Man kann sich extra aufstylen!


Boppin‘B, Elvis und <strong>Rockabilly</strong>-Mädels -<br />

Sie alle lieben den American Diner<br />

Lena Hoschek <strong>als</strong> Matrosin


„Ich bin eine rotzige Frau“<br />

Lena Hoschek macht Mode, die sich vom Mainstream unterscheidet. Wallende 50s-Röcke mit<br />

Petticoat fi nden sich in ihren Kollektionen ebenso wieder wie Elvis-Prints oder Matrosenkleidchen.<br />

Alles ist erlaubt, Hauptsache es sieht elegant aus und betont die weiblichen Kurven. Ihr<br />

Erfolgsrezept: Selbstbewusstsein und eine großzügige Prise Rock‘n‘Roll.<br />

Wir trafen die 27-jährige Österreicherin in ihrem Laden in <strong>Berlin</strong> Mitte, der einem Wohnzimmer<br />

aus den 40ern gleicht. Dunkle Holzdielen knirschen unter den Füßen, auf Schneiderbüsten werden<br />

Teile aus der aktuellen Kollektion präsentiert. Hinter einem schweren Vorhang befi ndet sich<br />

ein großzügiges Ankleidezimmer im Boudoir-Stil. Hier spricht Lena über ihre Inspirationen, ihr<br />

unverwechselbares Frauenbild und die Persönlichkeit hinter der Mode.<br />

Lena, der Einfl uss der <strong>Rockabilly</strong>-Jugendbewegung<br />

bestimmt unverkennbar deine<br />

Kollektionen. Wie defi nierst du <strong>Rockabilly</strong><br />

für dich selbst?<br />

Das ist wirklich schwer zu sagen. <strong>Rockabilly</strong><br />

ist für mich in erster Linie eine Lebenseinstellung.<br />

Man ist eben mit dem ganzen Herzen<br />

dabei. Das spiegelt sich dann nicht nur in der<br />

Kleidung wider, sondern auch im Make-up,<br />

den Haaren, der Wohnungseinrichtung, dem<br />

Musikgeschmack und welche Partys du besuchst<br />

oder wie du feierst.<br />

Da gehört dann die Tolle mit viel Pomade oder<br />

der rote Lippenstift einfach dazu.<br />

Wovon lässt du dich sonst noch inspirieren?<br />

Das ist ganz unterschiedlich und von Saison zu<br />

Saison anders.<br />

Ich liebe die 40er- und 50erJahre, mit ihren<br />

Oldtimern und der Art, wie die Frauen sich<br />

kleideten. Sie mischten gekonnt feminine Kleidungsstücke<br />

mit sehr männlichen Dandy-Elementen<br />

und trugen Hosenträger oder Herren-<br />

schuhe - das ist unfassbar sexy! Genau wie der<br />

Pin-Up-Look, der ja auch ein wichtiger Teil des<br />

<strong>Rockabilly</strong> ist!<br />

Außerdem ist mir Musik sehr wichtig! Ich höre<br />

Swing, Rock‘n‘Roll und auch Punk. Je nachdem,<br />

welcher Stil gerade dominiert, so ist auch<br />

meine Kollektion ausgerichtet. Im kommenden<br />

Sommer wird es zum Beispiel einige Punk-Elemente<br />

in der Kolletion geben!<br />

Du sprichst vom Stil der Frauen der Nachkriegszeit.<br />

Was genau machte ihn aus und<br />

warum nimmst du ihn dir zum Vorbild?<br />

Die Frauen, die zum Ende des Krieges und danach<br />

in den 40ern/50ern zwischen 20 und 40<br />

Jahre alt waren, sind für mich richtige Frauen.<br />

Vor allem sehen sie aus wie richtige Frauen.<br />

Da sind Kurven vorhanden, tolle Dekolletés<br />

und wenigstens auch mal ein üppig geformter<br />

Hintern in der Hose! Was ist das denn bitte, was<br />

heute über den Laufsteg marschiert? Mit Frauen<br />

haben die hageren Mädchen auf jeden Fall<br />

nichts mehr zu tun.<br />

Wohin ist die Weiblichkeit nur verschwunden?<br />

Schlank, ja o.k., aber doch nicht mager. Das<br />

entspricht nicht der Natur der Frau.<br />

Die 50er leben!<br />

Ist es schwer, sich dem Trend der Magermodels<br />

zu widersetzen?<br />

Nein, gar nicht. Ich mache schließlich auch keine<br />

Sachen für Magermodels, warum sollte ich<br />

dann welche engagieren?<br />

Stell dir doch mal vor, wie eine meiner Korsagen<br />

an einer dünnen Frau aussehen würde.<br />

Nein, da sollte schon ein Busen drin stecken,<br />

dann passt das auch. Da interessiert mich irgendein<br />

Trend überhaupt nicht. Ich bleibe meiner<br />

Linie treu und mache fi gurbetonte Sachen,<br />

die feminin sind und sich keiner modischen<br />

Laune unterwerfen.<br />

Ich möchte authentisch bleiben. Aber bitte versteh<br />

mich nicht f<strong>als</strong>ch, wer von Natur aus dünn<br />

ist, sieht natürlich deshalb nicht schlecht aus!<br />

Nur gegen dieses Hungern habe ich was!<br />

Du selbst hast auch eine sehr weibliche Figur.<br />

Trägst du Lena Hoschek?<br />

(lacht) Ja klar! Ich bin quasi mein eigenes Model.<br />

Ich weiß, dass ich nicht dünn bin, aber ich<br />

liebe meine Figur und bekomme natürlich mit,<br />

dass die Herren in meiner Umgebung da auch<br />

nichts dagegen haben. Meine Sachen passen


mir selbst sehr gut und ich fühle mich extrem<br />

wohl, darin! Ich mag diese sexy Seite an mir,<br />

die mir viel Selbstvertrauen beschert!<br />

Wie sehen die Kundinnen aus, die Lena<br />

Hoschek kaufen?<br />

Das ist sehr unterschiedlich. In erster Linie<br />

sind es Frauen, die sich gerne präsentieren<br />

und nicht schüchtern sind. Dafür sind meine<br />

Sachen auch zu emanzipiert und in gewisser<br />

Weise erotisch.<br />

Ich habe viele Kundinnen, die von kräftiger<br />

Statur sind und einfach fantastisch in den Korsagen<br />

aussehen, weil sie eine tolle Sanduhrfigur<br />

haben. Es gibt aber auch Mädchen, die<br />

noch sehr jung sind und sich endlich einmal<br />

fraulich Kleiden wollen, obwohl da noch gar<br />

keine körperliche Substanz vorhanden ist.<br />

Letztens kam auch mal eine etwa 80-jährige<br />

Frau rein und hat einen meiner Sch<strong>als</strong> gekauft.<br />

Und genau diese Mischung habe ich mir<br />

gewünscht!<br />

Im Moment ist das Thema <strong>Rockabilly</strong> ein<br />

großer Trend. Bands wie „The Baseballs“<br />

interpretieren Pop-Nummern neu und hauchen<br />

ihnen Rock‘n‘Roll ein. Viele junge<br />

Mädchen sind davon fasziniert, ohne zu wissen,<br />

was dahinter steht. Wie findest du das?<br />

Nun ja, <strong>als</strong>o ich finde es natürlich gut, dass<br />

diese Art von „Bewegung“ mehr Beachtung<br />

findet, wie das ja zum Beispiel bei den Punks<br />

schon lange der Fall ist. Jeder lässt sich davon<br />

inspirieren und baut das irgendwie in seine<br />

Mode mit ein.<br />

Was diese Bands anbelangt, ist das natürlich<br />

nicht die Art von Musik, die eingefleischte<br />

Rockabillies tatsächlich auch hören. Aber es ist<br />

eine Möglichkeit für andere, sich dem Thema<br />

Paisley und <strong>Rockabilly</strong>-Romantik<br />

zu nähern. In der Szene allerdings werden die<br />

Mädchen nicht ernst genommen, die an einem<br />

Tag aussehen möchten wie ein Pin-Up und am<br />

anderen wieder wie die graue Maus. Das hat<br />

nichts mit <strong>Rockabilly</strong> zu tun.<br />

Sie haben wahrscheinlich noch nie etwas von<br />

„Hot Rods“ oder „Lindy Hop“ gehört. (Anmerkung<br />

der Redaktion: Hot Rod ist eine Bezeichnung<br />

aus der <strong>Rockabilly</strong>-Szene für eine<br />

bestimmte Art Oldtimer. Lindy Hop ist einer<br />

der Tänze aus den 50er Jahren.)<br />

Ich bin froh, dass die richtige Szene noch so<br />

unter sich ist. Unendlich viele Nachahmer gibt<br />

es bisher nicht.<br />

Gibt es Menschen, an denen du deine Mode<br />

auf keinen Fall sehen möchtest?<br />

Die gibt es ja immer. Natürlich freue ich mich<br />

<strong>als</strong> Designer über nichts mehr, <strong>als</strong> wenn ich eine<br />

umwerfende Frau in meinen Sachen sehe! Aber<br />

niemand will seine Kleider an Frauen sehen,<br />

die partout keinen Stil haben. Das ist für einen<br />

<strong>als</strong> Modeschöpfer das Todesurteil, das No-Go!<br />

Das wären zum Beispiel so Leute wie Jeanette<br />

Biedermann oder diese ganzen Popsternchen,<br />

die ansonsten nichts weiter mit meiner Mode<br />

verbinden.<br />

Mein Traum wäre es aber, mal Dita van Teese<br />

einzukleiden. Die Frau ist einfach der Wahnsinn!<br />

Ein lebendes Kunstwerk.<br />

Du bewunderst Dita van Teese, aber wer ist<br />

eigentlich Lena Hoschek?<br />

Ich bin eine rotzige Frau, wie ich immer sage.<br />

Ich liebe mein Leben. Ich liebe es, zu essen und<br />

ausgiebig zu feiern. Nichts ist schlimmer, <strong>als</strong><br />

krampfig umherzulaufen, zu schauen, wie man<br />

abnimmt, um irgendwem zu gefallen.<br />

Ich habe kein Problem damit, mir in einer Bar<br />

mein T-Shirt auszuziehen und wie wild abzufeiern.<br />

Ich bin auf keinen Fall verklemmt und<br />

das dürfen Männer, die mich interessieren,<br />

auch nicht sein. Meine Schwäche sind solche,<br />

die beides sind: Gentleman und Draufgänger in<br />

einem.<br />

Was bedeutet dein Drachentattoo auf dem<br />

linken Unterarm ?<br />

(zieht den linken Ärmel hoch) Das ist das Wappen<br />

meiner Heimat, der Steiermark! Ich hänge<br />

sehr an ihr! Ach Übrigens: Tattoos - unverzichtbar<br />

für Rockabillies.<br />

Vielen Dank für dieses charmante und unverblümte<br />

Gespräch!<br />

Lena Hoschek in ihrem Store


Aus der aktuellen Dirndl-Kollektion<br />

Hell Yeah!<br />

Die <strong>Berlin</strong>er Fotografin Spooky Sally macht aus normalen Frauen Pin-Ups. Ob dick, dünn,<br />

groß oder klein, jede kann ihre Garderobe mitbringen und wird von der <strong>Rockabilly</strong>-Lady in<br />

Szene gesetzt. Auch Bands nehmen die Dienste der Fotografin für Tourplakate oder Booklets in<br />

Anspruch.<br />

Wer ein Shooting bei Sally in den Cherrymuffin Studios in Friedrichshain bucht, bekommt das<br />

volle Programm: mit Make-up, nostalgischer Frisur und <strong>Rockabilly</strong>-Requisiten wird aus den<br />

Hausfrauen von heute die Dita van Teese von morgen.<br />

Sally in Action


Sandrine <strong>als</strong> <strong>Rockabilly</strong>-Housewife


Auch erotische Fotos sind bei<br />

Spooky Sally gern gesehen!<br />

Retro-Postkarten-Look<br />

Für Edita geht es in die weite Ferne


Da wird das Foto schnell zum Krimi!<br />

Sally selbst <strong>als</strong> Mordopfer<br />

Tanja <strong>als</strong> Burlesque-Tänzerin


In Absprache mit den Models<br />

entwickelt Sally die Idee für‘s Shooting<br />

- je nach Geschmack<br />

Lena Hoschek<br />

Givenchy<br />

Dior<br />

<strong>Rockabilly</strong><br />

Isabel Marant


in Fashion<br />

Versace<br />

Bottega Veneta<br />

Louis Vuitton<br />

Goodbye, my<br />

Dear!

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