Zu Besuch im Switzerland Innovation Park Biel Bienne TESTEN UND TÜFTELN FÜR DEN STANDORT SCHWEIZ Die Swiss Smart Factory betreibt in Ipsach eine Test- <strong>und</strong> Demonstrationsplattform für Industrie 4.0. In der Einrichtung, direkt an der Durchgangstrasse gelegen, geht es um nichts weniger als die Zukunft des Hochlohnstandorts Schweiz. 38 #<strong>005</strong>
LOSGRÖSSE 1 Von Markus Back Wer es nicht weiss, rauscht vorbei! Weder ein Hinweisschild noch auffällige Logos am Gebäude weisen auf die Swiss Smart Factory hin. Dabei liegt diese direkt an der Durchgangstrasse vis-à-vis des ehemaligen Produktionsgebäudes von GF. Und so verw<strong>und</strong>ert es nicht weiter, dass Michael Wendling vor dem Besuch eine dreiseitige Beschreibung verschickt. In dieser weisen mehrere Fotografien, die der Projektleiter Industrie 4.0 mit knallroten Pfeilen <strong>und</strong> kurzen Geh-Anweisungen versehen hat, den kürzesten Weg von der Strasse ins Obergeschoss einer Autogarage. Dort, abseits jeglichen Publikumsverkehrs, befassen sich er <strong>und</strong> acht weitere Mitstreiter mit der Fertigung von morgen. Autogarage, war da nicht etwas? Wer mit diesem Gedanken Silicon Valley assoziiert, wird jäh enttäuscht – dazu wirken die knapp 600 Quadratmeter grosse Halle <strong>und</strong> ihre Einrichtung zu wenig futuristisch. Der Empfangstheke an der Fensterfront schliessen sich einige Dutzend Stühle an, die äusserst spartanisch wirken. Seitlich davon bieten einige Stehtische die Möglichkeit, diesen unbequemen Sitzgelegenheiten <strong>und</strong> dem mit ihrer Benutzung befürchteten Bandscheibenvorfall zu entgehen. Ein Blick in die Tiefe der finsteren Halle lässt die Umrisse von Versuchsaufbauten <strong>und</strong> Installationen erkennen. Inwieweit diese Konturen für die Zukunft des Standorts Schweiz relevant sein sollen, entschlüsseln die getrübten Augen jedoch nicht. Daran ändert sich zunächst auch wenig, als Michael Wendling den Lichtschalter umlegt <strong>und</strong> mehrere Strahler den zuvor dunklen Raum ausleuchten. An der Wand gegenüber der Sparta- Bestuhlung stapeln sich mehrere Kartons <strong>und</strong> Kisten – deren Inhalt: die Ideen von Automationslösungsanbietern für eine intelligente <strong>und</strong> vernetzte Produktion. Diese kommen in Versuchsaufbauten zum Einsatz oder werden einfach nur spielerisch auf ihre «Schweiz-tauglichkeit» hin untersucht. Wie der Projektleiter Industrie 4.0 einen IoT-Sensor aus einer Verpackung fingert <strong>und</strong> breit <strong>und</strong> ausführlich dessen Vorzüge in einer vernetzten Produktion erklärt, wird eines klar – hier an der Ipsacherstrasser erwacht das Kind im Manne. In Anbetracht der unzähligen Papp<strong>und</strong> Holzbehälter verliert sich der in einer Ecke schlummernde Riese fast ein wenig. Dabei ist der grüne Mehrachs-Roboter, der Gewichte bis zu 35 Kilogramm mikrometergenau im Raum positioniert, das Paradebeispiel für die Mensch-Maschine-Interaktion. Und die braucht es, glaubt Michael Wendling, um die industrielle Fertigung in Helvetia dauerhaft zu verankern. Wieso, macht er am Schweizer Ökosystem fest, das insbesondere im Jura eine besondere Ausprägung hat. «Dort gibt es hinter jedem Hügel ein Gebäude, in dem irgendetwas Spezielles hergestellt wird», sagt er <strong>und</strong> ergänzt: «Weil die Losgrössen aber so klein oder die Prozesse so komplex sind, lohnt sich oftmals Automatisierung nicht. Also braucht es weiterhin den Facharbeiter.» Weil dieser aber ein Vielfaches von dem eines Werkers in Polen oder Ungarn kostet, kommt es unweigerlich zur Wettbewerbsverzerrung. Und wie kann da nun genau der Mehrachs-Roboter helfen, dessen Schutzhülle stark an Marvels Hulk erinnert? Bei geschickter Verwendung, erklärt der 28-Jährige, lassen sich mit ihm die hohen Lohnkosten hier kompensieren. Beim Miteinander übernimmt beispielsweise der Facharbeiter die filigranen <strong>und</strong> komplexen Aufgaben, die sich nur sehr schwer automatisieren lassen. Indessen garantiert sein Kollege aus Blech <strong>und</strong> Stahl mit seiner unbändigen Kraft <strong>und</strong> seiner hohen Positioniergenauigkeit vor allem bei ermüdenden <strong>und</strong> schweren Arbeiten einen wirtschaftlichen Takt. Damit dieses Zusammenspiel jedoch funktioniert, sind zwei Dinge entscheidend: die Parametrierbarkeit des Roboters <strong>und</strong> ein stringenter Datenfluss. Ersteres muss sehr einfach <strong>und</strong> intuitiv sein, damit sich ein Sechsachser auch vom gewöhnlichen Werker schnell für neue Aufgaben anlernen lässt. Den kontinuierlichen Datenfluss braucht es indes für ein effizientes <strong>und</strong> fehlerfreies Arbeiten. «Nur wenn In der Swiss Smart Factory erwacht das Kind im Manne. #<strong>005</strong> 39