unternehmen Ausgabe71 März 2020
Das Wirtschaftsmagazin im Südwesten. Ausgabe 71 - März 2020
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SPEZIAL <strong>unternehmen</strong> [!]<br />
Was kommt denn<br />
da angerollt?<br />
Bodendrohnen wie<br />
diese werden im<br />
öffentlichen Raum<br />
eingesetzt und<br />
werden künftig zum<br />
Beispiel Waren<br />
zustellen.<br />
Zukunft kommt<br />
in Pulverform<br />
Logistik Die Digitalisierung krempelt die Branche<br />
um. Touren werden in Echtzeit optimiert. Statt<br />
Gütern werden vermehrt Daten transportiert. Ein<br />
Blick ins Logistiklabor der Hochschule Neu-Ulm.<br />
Aus dem Augenwinkel betrachtet<br />
sieht der kleine<br />
Kasten aus wie ein Kühlschrank.<br />
Bei genauerer Betrachtung<br />
entdeckt man hinter der<br />
Glastüre jedoch keine Getränke,<br />
sondern einen Druckkopf, der<br />
gleichmäßig seine Bahnen zieht. Hin<br />
und zurück. Hin und zurück. Das<br />
gute Stück ist ein 3D-Drucker und<br />
befindet sich im Logistiklabor der<br />
Hochschule Neu-Ulm und damit an<br />
einem Ort, an dem man sich dem<br />
Begriff Logistik 4.0 prima annähern<br />
kann.<br />
Mit dem Begriff kann sich der<br />
Leiter des Labors, Prof. Dr.-Ing. Oliver<br />
Kunze, jedoch nicht anfreunden.<br />
„Für mich ist das vor allem ein Marketingbegriff,<br />
der relativ schlecht<br />
definiert und daher schwer zu fassen<br />
ist“, erklärt der Professor für das<br />
Forschungs- und Lehrgebiet Betriebswirtschaftslehre<br />
mit Schwerpunkt<br />
Logistik & Ressourcenrisikomanagement<br />
seine Abneigung. Aber<br />
dass sich die Logistikbranche durch<br />
neue Technologien wie beispielsweise<br />
auch den 3D-Druck grundlegend<br />
verändern wird, davon ist er<br />
überzeugt.<br />
Smarte<br />
Bodendrohnen<br />
und 3-Drucker werden<br />
die Logistik von<br />
morgen prägen.<br />
Oliver Kunze<br />
Professor, Hochschule Neu-Ulm<br />
3D-Druck, auch additive Fertigung<br />
genannt, spielt eine immense Rolle<br />
beim digitalen Wandel in der Industrie<br />
– insbesondere bei logistischen<br />
Prozessen. „3D-Drucker gehören<br />
ebenso wie intelligent gesteuerte<br />
Bodendrohnen oder<br />
Augmented-Reality-Brillen zu den<br />
Innovationen der vergangenen Jahre,<br />
die die Logistik von morgen prägen<br />
werden“, betont Kunze. Seiner<br />
Einschätzung nach haben 3D-Drucker<br />
das disruptive Potential, den<br />
physischen Transport von Gütern<br />
durch den Transport von Daten zu<br />
ersetzen. Damit ändern sich nicht<br />
nur jahrzehntelang eingeübte Abläufe,<br />
sondern auch die Spielregeln der<br />
Branche.<br />
Denn Unternehmen, die Ersatzteile<br />
benötigen, müssen diese zukünftig<br />
nicht mehr in anderen Ländern<br />
produzieren lassen, sondern<br />
können dies selbst vor Ort tun. „Der<br />
Verwendungsort fällt mit dem Produktionsort<br />
zusammen.“ Die<br />
3D-Druck-Technologie macht am<br />
meisten Sinn, wenn beide Orte weit<br />
voneinander entfernt liegen. Ganz<br />
weit sogar. So surren zum Beispiel<br />
3D-Drucker bereits auf der Internationalen<br />
Raumstation ISS. Auch auf<br />
Öl-Plattformen werden Ersatzteile<br />
für Bohrgeräte oftmals schon in Eigenregie<br />
hergestellt – auf hoher See.<br />
Doch der Neu-Ulmer Professor<br />
schränkt ein: „Auch wenn man damit<br />
in Zukunft vermeiden kann, dass<br />
große Gütermengen über weite Entfernungen<br />
transportiert werden<br />
müssen, wird dies in den kommenden<br />
Jahren noch nicht überall im<br />
großen Stil der Fall sein. Doch bei<br />
kleinen Losgrößen ist die additive<br />
Herstellung von Teilen mit 3D-Druck<br />
oft preislich schon günstiger als zum<br />
Beispiel der Spritzguss.“<br />
Daten- statt Gütertransport<br />
Klar ist: der Anfang ist gemacht.<br />
Doch wie groß fällt der ökologische<br />
Fußabdruck dieser Technologie aus?<br />
Auch dies erforscht Kunze mit seinem<br />
Team im Logistiklabor, in dem<br />
sich eine Vielzahl von 3D-Druckern<br />
unterschiedlicher Technologien aneinanderreihen,<br />
die unterschiedliche<br />
Materialien entstehen lassen<br />
können. Scheibchen für Scheibchen.<br />
„Am Anfang steht immer ein digitales<br />
Modell, welches durch CAD-Konstruktion<br />
und immer öfter unterstützt<br />
durch 3D-Scans erstellt werden<br />
kann.“ Erforscht wird an der Wileystraße<br />
auch, wie man durch<br />
3D-Druck Lagerkapazitäten oder<br />
aber auch Material, darunter plastische<br />
und elastische Kunststoffe, Keramik<br />
oder auch Metalle, und damit<br />
Ressourcen einsparen kann.<br />
Auch für Andrea Marongiu spielt<br />
der 3D-Druck eine große Rolle bei<br />
der fortschreitenden Digitalisierung<br />
der Logistikbranche bis hin zu Logistik<br />
4.0: „Es gibt Firmen, die experimentieren<br />
bereits damit. Der Vorteil:<br />
Teile, die nicht so oft gebraucht<br />
werden, müssen auch nicht auf Lager<br />
gehalten werden, sondern werden<br />
dann gedruckt, wenn sie benötigt<br />
werden“, sagt der Geschäftsführer<br />
des Verbandes Spedition und Logistik<br />
(VSL), Baden-Württemberg