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Jahrgang 23 - März <strong>2020</strong><br />

Wo geht die Reise hin?<br />

Where are we going to?<br />

WEITERE THEMEN IN DIESER AUSGABE<br />

Zwischenseminar in Tansania<br />

Alltag in Deutschland


Seite 2 Seite 3<br />

Editorial<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Goodbye 2019 and Hello <strong>2020</strong><br />

Liebe Leser*innen,<br />

Anfang des Jahres machte beim Weltwirtschaftsforum<br />

in Davos eine junge Frau aus Sambia, Natasha<br />

Wang Mwansa, auf sich aufmerksam und stahl dem<br />

Urteil einiger Medien nach einer anderen jungen<br />

Prominenten,<br />

nämlich Greta<br />

Thunberg, die<br />

Show.<br />

Doch geht es<br />

beiden gerade<br />

nicht um<br />

Prominenz oder<br />

Show, sondern<br />

um nichts<br />

Geringeres<br />

als die<br />

Zukunft ihrer<br />

Generation.<br />

Allerdings mit<br />

unterschiedlichen Forderungen, wie der Beitrag zu<br />

Natasha Mwansa zeigt.<br />

Zu einem Perspektivwechsel regen auch Filmund<br />

Buchbesprechung in dieser Aufgabe an.<br />

Und es werden Fragen aufgeworfen: Was bewirkt<br />

Entwicklungszusammenarbeit bei den Akteuren<br />

beider Seiten? Und sind wir so frei von Rassismus, wie<br />

wir meinen?<br />

Fragen, die auch in der Vereinsarbeit des <strong>ewe</strong> eine<br />

zentrale Rolle spielen.<br />

Und natürlich geben uns auch Priscilla, Naomie<br />

und Eugine wieder ganz konkrete Einblicke in ihr<br />

Freiwilligen-Jahr.<br />

Eine anregende Lektüre und frohe Ostern wünscht<br />

2<br />

8<br />

16<br />

21<br />

Naomie<br />

Eugine<br />

Priscilla<br />

Congo Calling<br />

Why I‘m no longer<br />

talking to white<br />

people about race<br />

Editorial<br />

Natasha Mwansa<br />

Film Review<br />

Book Review<br />

3<br />

11<br />

19<br />

Goodbye 2019<br />

Der letzte Monat des Jahres war in vielerlei Hinsicht<br />

anders als sonst. Vor allem war er aber warm.<br />

Alle in der Kirche fieberten auf Weihnachten zu,<br />

jeder bereitete etwas vor. Die Kinder bereiteten ein<br />

Theaterstück vor und die Jugendlichen übten Lieder<br />

ein, die sie an den Weihnachtstagen singen würden.<br />

Und ich war mittendrin, verwirrt über das warme<br />

Wetter an Weihnachten, darüber keinen Tannenbaum<br />

zu sehen und emotional, weil ich nicht bei meiner<br />

Familie sein konnte. Dennoch fand ich irgendwie<br />

meinen Platz in dem ganzen Getummel und half Sister<br />

Charleen bei der Arbeit. Ich half ihr beim Dekorieren<br />

und Anfertigen der Kulisse für das Theaterstück und<br />

für die Krippe. Durch das Mitwirken und Helfen<br />

fühlte ich mich als ein Teil der Gemeinschaft und<br />

des Festes. Meine Schwestern konnten es kaum<br />

erwarten, dass bald Weihnachten sein würde. Sie<br />

erklärten mir oft, wie Weihnachten bei ihnen ist. Und<br />

sie waren neugierig, wie es wohl in Deutschland ist.<br />

An Heiligabend war das Kirchenprogramm gar nicht<br />

viel anders als in Deutschland unter Christen. Wir<br />

warteten, bis es dunkel war, und gingen dann zur<br />

Kirche los. Da war es ungefähr 18:30 Uhr. Die Kirche<br />

war mit vielen Kerzen beleuchtet und bekam dadurch<br />

eine leicht romantische Atmosphäre: das war für mich<br />

wohl das Schönste an dem Weihnachtsfest. Ich war die<br />

Goodbye 2019<br />

The last month of the year was different in many ways<br />

than usual. Most of all, it was warm. Everyone at<br />

church was looking forward to Christmas, everyone<br />

was preparing something. The children prepared<br />

a roleplay and the youth practiced songs that they<br />

would sing on Christmas Day. And I was right in the<br />

middle of everything, confused by the warm weather<br />

at Christmas, by not seeing a Christmas tree and also<br />

emotionally because I couldn‘t be with my family. Still,<br />

I somehow found my place in the hustle and bustle and<br />

helped Sister Charleen at work. I helped her decorate<br />

and make the background for the roleplay and the<br />

crib. By participating and helping, I felt like a part of<br />

the community and the festivity. My sisters couldn‘t<br />

wait for Christmas to come: they often explained to<br />

me what Christmas was like for them. And they were<br />

curious about what it is like in Germany. There was<br />

a church program on Christmas Eve that was not<br />

much different than in Germany among Christians.<br />

We waited until it got dark and then went to church.<br />

That was about 6:30 p.m. The church was lit with a<br />

lot of candles which created a somehow romantic<br />

atmosphere that was probably the most beautiful thing<br />

about Christmas for me. These Christmas holidays I<br />

was somewhere else with my thoughts and missed my<br />

family quite a bit. More than I thought. Because of the<br />

weather and the lack of Christmas rituals that I know<br />

and that I am used to from my family in Germany, I<br />

didn‘t really get into Christmas mood. It was a pity, a<br />

strange feeling above all. Nevertheless, it was a great<br />

experience that I had the opportunity to experience<br />

Christmas differently and to realize what I really need<br />

on the festive days, what I can do without and what<br />

just not. It was nice to see how people in another part<br />

of the world understand and define Christmas and<br />

above all how they celebrate it. As is well known, there<br />

are always two sides of the same coin and both have<br />

refilled my thoughts.<br />

Ihre/Eure Yoko Kuchiba<br />

Krippendeko/Crib decoration<br />

Christmas had passed a few days and everyone was<br />

preparing for New Year. The church, my family and<br />

me. If I had struggled a few days before, I was now<br />

looking forward to the new year. The last day of the<br />

year was also a church day, this time it was only a<br />

little bit different from Christmas Day. At New Year´s


Seite 4 Seite 5<br />

Weihnachtstage mit meinen Gedanken woanders und<br />

vermisste meine Familie doch etwas sehr. Mehr als ich<br />

dachte. Denn durch das für mich ungewohnt warme<br />

Wetter zu dieser Jahreszeit und durch die fehlenden<br />

Weihnachtsrituale, die ich von meiner Familie aus<br />

Deutschland kenne und gewohnt bin, kam ich nicht<br />

wirklich in Weihnachtsstimmung. Das war etwas<br />

schade - ein komisches Gefühl vor allem. Dennoch<br />

war es eine tolle Erfahrung, Weihnachten einmal<br />

anders zu erleben und zu merken, was ich denn<br />

wirklich an den Tagen brauche, worauf ich verzichten<br />

kann und worauf halt eben nicht. Es war schön zu<br />

sehen, wie Menschen auf einem anderen Teil der Welt<br />

Weihnachten verstehen, es definieren und vor allem<br />

feiern. Es gibt ja bekanntlich immer zwei Seiten der<br />

Medaille und beide haben meine Gedankenwelt neu<br />

erfüllt.<br />

Weihnachten war nun seit ein paar Tagen<br />

ausgeklungen und alle bereiteten sich auf das neue<br />

Jahr vor. Die Kirche, meine Familie und ich. Hatte ich<br />

die Tage zuvor ein wenig „gestruggelt“, so freute ich<br />

mich nun doch auf das neue Jahr. Der letzte Tag des<br />

Jahres war ebenso ein Kirchentag, diesmal nur etwas<br />

anders als an Weihnachten. An Silvester bleiben viele<br />

Menschen nach der Messe in der Kirche und beten<br />

bis zum frühen Morgen, wenn die Sonne aufgeht. Das<br />

war erst einmal sehr neu für mich, aber so viel anders<br />

als ich üblicherweise Silvester feiere, ist es doch nicht.<br />

Ich bete zwar gewöhnlich nicht bis morgens, aber<br />

ich tanze. Unsere Eltern stellten uns frei, ob wir in<br />

der Kirche bleiben wollten oder nicht. Zwei meiner<br />

Schwestern blieben dort mit anderen Gleichaltrigen,<br />

ich entschied mich, mit nach Hause zu fahren. Denn<br />

ich wollte mir die Option frei halten, schlafen zu gehen,<br />

wenn ich das wollte. Es war nämlich nicht erlaubt, an<br />

Silvester in der Kirche zu schlafen. Meine Gasteltern<br />

und meine anderen Geschwister gingen ungefähr um<br />

22 Uhr schlafen und so ging ich dann auch in mein<br />

Zimmer. Ich machte es mir gemütlich, telefonierte<br />

mit meinen Lieben, schaute einen Film, hörte Musik,<br />

reflektierte das Jahr und schrieb in mein Buch, was<br />

ich mir für das nächste Jahr wünschen würde. Ich<br />

betrieb „selfcare“, so würde man das heutzutage wohl<br />

sagen. Das mag für den einen oder anderen einsam<br />

klingen, für mich jedoch war es eine sehr schöne und<br />

Happy New Year<br />

Eve, many people stay in church after Mass and pray<br />

until early morning when the sun rises. At first, it<br />

was very new for me, but it is not that much different<br />

from how I usually celebrate. I usually do not pray<br />

until morning but I dance. Our parents let us choose<br />

whether we wanted to stay in church or not. Two of<br />

my sisters stayed there with other peers, but I decided<br />

to go home because I wanted to have the option to go<br />

to bed if I wanted to. It was not allowed to sleep in the<br />

church on New Year´s Eve. My host parents and my<br />

other siblings went to sleep around 10 p.m., so I went<br />

to my room. I made myself comfortable, phoned my<br />

loved ones, watched a film, listened to music, reflected<br />

on the last year and wrote into my book what I would<br />

like for the next year. I practiced self-care, that would<br />

be how you call it these days. This may sound lonely<br />

for one or the other, but it was a very nice and unique<br />

experience for me, because I will probably never<br />

celebrate New Year´s Eve alone again in my life. So, it<br />

was an interesting and nice experience and it gave me<br />

a lot. All in all, I am very grateful for the experiences<br />

made so far, they not only enriched me, but also<br />

made me stronger and I was able to develop a little bit<br />

further.<br />

Hello <strong>2020</strong><br />

At the beginning of January, I enjoyed the rest of the<br />

time with my sisters before they had to go back to<br />

school and before I went to a seminar in Tanzania. As<br />

usual, we spent the time walking, cooking, dancing<br />

and telling stories. In addition, I prepared myself<br />

a little for the seminar and the vacation afterwards.<br />

My flight went to Dar es Salaam the day before the<br />

sehr einzigartige Erfahrung, denn ich werde wohl<br />

nie wieder in meinem Leben alleine Silvester feiern.<br />

So war das eine interessante und schöne Erfahrung,<br />

die mir viel hat geben können. Alles in allem bin<br />

ich doch sehr dankbar für die bis dahin gemachten<br />

Erfahrungen. Sie haben mich nicht nur bereichert,<br />

sondern auch stärker gemacht und ich konnte mich<br />

dadurch wieder ein Stück weit weiterentwickeln.<br />

Hello <strong>2020</strong><br />

Anfang Januar genoss ich die restliche Zeit mit meinen<br />

Schwestern, ehe sie wieder zur Schule mussten<br />

und ich mich auf den Weg nach Tansania zu einem<br />

Seminar machte. Wie sonst auch verbrachten wir die<br />

Zeit damit spazieren zu gehen, zu kochen, zu tanzen<br />

und uns Stories zu erzählen. Nebenbei bereitete ich<br />

mich ein wenig auf das Seminar und den Urlaub, den<br />

ich anschließend machen wollte, vor. Mein Flug ging<br />

einen Tag vor dem Seminar nach Dar es Salaam. Ich<br />

kam abends am Flughafen in der riesigen Stadt an.<br />

Ich war ziemlich aufgeregt, da ich alleine unterwegs<br />

war. Die Sonne war schon fast verschwunden und es<br />

wurde immer dunkler. Aber alles ging gut und ich traf<br />

auf andere Freiwillige, mit denen ich mich verabredet<br />

hatte. Wir trafen uns in einer Lodge an der Küste von<br />

Dar es Salaam. Auf dem Weg dorthin unterhielt ich<br />

mich sehr gut mit einem Einheimischen aus Tansania,<br />

meinem Uber-Fahrer. Ich war anfangs noch sehr<br />

aufgeregt und überfordert von dieser großen, auch zu<br />

dieser Tageszeit immer noch vollen und beschäftigten<br />

Stadt. Meine Blicke wanderten überall hin. Vor allem<br />

zu den Menschen, die ihre verschiedenen Religionen<br />

und Kulturen nach außen trugen, aber dennoch<br />

gleichzeitig auch eine Kultur teilten. Ich fragte meinen<br />

Uber-Fahrer danach. Er sagte mir, in Dar es Salaam<br />

lebten viele verschiedene Kulturen und Religionen in<br />

Frieden zusammen und man akzeptiere die Religion<br />

der anderen ohne Hass oder Ablehnung. Das sah man<br />

auch am Stadtbild: die Menschen liefen und lebten<br />

neben-, mit- und untereinander. Mir fielen aber auch<br />

die hohen Gebäude auf. Die Architektur in Dar es<br />

Salaam war sehr interessant und durchmischt. Vor<br />

allem der Mix, der sich nicht nur in der Bevölkerung<br />

widerspiegelt, sondern auch in der Architektur. Das<br />

Stadtbild ist von vielen orientalischen und indischen<br />

seminar started. I arrived at the airport of this huge<br />

city in the evening. I was pretty excited because I was<br />

traveling alone. The sun was almost set and it was<br />

getting darker and darker. But everything went well<br />

and I met other volunteers with whom I had made<br />

an appointment. We met in a lodge on the coast of<br />

Dar es Salaam. On the way, I had a good chat with a<br />

local from Tanzania, my Uber driver. At first, I was<br />

very excited and overwhelmed by this big and even<br />

at this time of the day still crowded and busy city. My<br />

eyes wandered everywhere. Especially to the people<br />

who showed their different religions and cultures<br />

but also shared one culture. I asked my driver about<br />

this. He told me that in Dar es Salaam many different<br />

cultures and religions live together in peace and that<br />

you here accept the religion of others without hatred<br />

or rejection. You could see that in the city: people<br />

walked and lived side by side and among each other.<br />

Then I noticed the high buildings above me. The<br />

architecture in Dar es Salaam was very interesting and<br />

mixed. Above all, the mix, which is not only reflected<br />

in the population, but also in the architecture. The<br />

cityscape is characterized by many Oriental and<br />

Indian ornaments, especially on the window grilles<br />

and walls. In addition to these buildings there are<br />

very modern giant buildings that do not follow a real<br />

style, they go in all possible directions. But the mix of<br />

tradition, culture and modernity forms this city.<br />

The seminar was very instructive, varied, exhausting,<br />

very nice and helpful. It gave me the possibility<br />

to meet great new people, hear new stories and of<br />

similar or completely different experiences. It was<br />

Sansibar/Zanzibar


Seite 6 Seite 7<br />

Ornamenten geprägt, was man vor allem an den<br />

Fenstergittern und Wänden sieht. Neben diesen<br />

Gebäuden gibt es sehr moderne, riesige Gebäude,<br />

die keinem wirklichen Stil folgen, sie gehen in alle<br />

erdenklichen Richtungen. Aber der Mix aus Tradition,<br />

Kultur und Moderne macht die Stadt eben aus.<br />

Das Seminar war sehr lehrreich, vielseitig, anstrengend,<br />

sehr schön und hilfreich. Durch das Seminar konnte<br />

ich tolle neue Menschen kennenlernen, neue<br />

Geschichten und ähnliche hören, aber auch von ganz<br />

anderen Erfahrungen. Es war schön, sich endlich<br />

einmal über das Erlebte austauschen zu können.<br />

Wir kamen in einem Kloster, etwas entfernt von<br />

der Stadtmitte, unter. Die Menschen waren sehr<br />

nett und die Umgebung sehr schön und erholsam.<br />

Insgesamt waren wir 16 Freiwillige. Auch schön war,<br />

dass ich nicht die einzige über 25 Jahre war, sondern<br />

noch zwei andere im gleichen Alter da waren. Wir<br />

verstanden uns alle sehr gut und tranken abends nach<br />

dem Seminar oft noch ein Bierchen, spielten Spiele,<br />

lernten uns kennen und tauschten uns über vieles<br />

aus. Wir behandelten einige interessante Themen,<br />

wie zum Beispiel Interkulturalität, Rassismus und das<br />

Weiß sein sowie die damit einhergehenden weißen<br />

Privilegien, die man vor allem im Freiwilligendienst<br />

zu spüren bekommt, und wie man damit umgehen<br />

kann. Die Seminarwoche war sehr prägend für mich:<br />

nicht nur zum Reflektieren, sondern auch weil ich jetzt<br />

weiß, was ich, wenn ich in Deutschland bin, machen<br />

möchte. Ich möchte Aufklärungsarbeit leisten in den<br />

Bereichen Rassismus, Kolonialismus, Integration<br />

und Gleichberechtigung. Ich habe in dem Seminar<br />

noch einmal ganz klar gelernt, dass ich durch meine<br />

Interkulturalität nicht ZWISCHEN zwei Stühlen<br />

sitze, sondern AUF zwei Stühlen sitze. Das ist mein<br />

Vorteil, damit bin ich geboren und daraus möchte<br />

ich das Beste machen. Denn vor allem hier in Sambia<br />

ist mir aufgefallen, dass ich weder schwarz noch<br />

weiß bin. In Deutschland gelte ich als schwarze Frau,<br />

hier in Sambia jedoch als weiße Frau. Das hatte mir,<br />

was meine Identität angeht, in den letzten Monaten<br />

einige Kopfschmerzen bereitet. Doch jetzt kann ich<br />

es akzeptieren und sehe darin eher einen Vorteil als<br />

einen Nachteil. Zudem hat sich mein Wunsch, mit<br />

Kindern und Jugendlichen im Bereich Sozialarbeit<br />

zu arbeiten, ebenfalls verstärkt. Das Seminar war<br />

Natur/Nature<br />

nice to finally be able to exchange ideas about what<br />

had happened. We stayed in a monastery, a little away<br />

from the city center. The people were very nice and<br />

the environment was also very nice and relaxing. We<br />

were a total of 16 volunteers. It was also nice that I<br />

was not the only one over 25 years but there were<br />

two others of the same age. We all got on very well<br />

and often had a beer in the evening after the seminar,<br />

played games, got to know each other and exchanged<br />

a lot. We dealt with some interesting topics such as<br />

interculturalism, racism and whiteness and the white<br />

privileges associated, that can be felt especially during<br />

the voluntary service, and how to deal with them. The<br />

seminar week was very formative for me, not only to<br />

reflect, but also because I know now what I want to<br />

do when I am in Germany. I want to raise awareness<br />

concerning racism, colonialism, integration and<br />

equality. In the seminar I learned again very clearly<br />

that due to my intercultural nature I am not sitting<br />

BETWEEN two chairs but sitting ON two chairs.<br />

That is my advantage, and I was born with it and I<br />

want to make the best of it. Especially here in Zambia<br />

I noticed that I am neither black nor white. Because<br />

in Germany I am seen as a black woman, but here in<br />

Zambia I am seen as a white woman. That had given<br />

me a few headaches in terms of my identity in the past<br />

few months. But now I can accept it and see it as an<br />

advantage rather than a disadvantage. In addition,<br />

my wish to work with children and young people in<br />

the field of social work has also been confirmed. The<br />

seminar was therefore successful, and we had really<br />

great team leaders who shared important knowledge,<br />

skills and experience.<br />

demnach erfolgreich und wir hatten wirklich tolle<br />

Teamer, die mir Wichtiges mit auf den Weg gegeben<br />

haben.<br />

Das Untereinander mit den anderen Freiwilligen<br />

war sehr spaßig und ich habe einige tolle Menschen<br />

kennengelernt, die ich gern in Deutschland besuchen<br />

möchte. Mit wieder anderen ging es dann für mich<br />

weiter nach Sansibar. Ich reiste mit Silvan, Andreas<br />

und 5 anderen gemeinsam nach Sansibar bzw. Stone<br />

Town. Nach einem leckeren Pizzastop trennten sich<br />

dann unsere Wege. Ich blieb mit Silvan und Andreas<br />

in Stone Town. Dort machten wir eine Spicetour und<br />

schauten uns an, welche Gewürze in Sansibar angebaut<br />

und verkauft werden. Wir entdeckten gemeinsam<br />

die verschiedenen Gassen und Märkte dort, ehe uns<br />

Silvan dann verließ und auch weiterreiste. Andreas<br />

und ich blieben in Stone Town und lernten dort einige<br />

interessante Charaktere aus den verschiedensten<br />

Ecken der Welt kennen. Das Hostelleben war<br />

spannend und erholsam und gefiel mir sehr. Nach<br />

acht Tagen ging es dann wieder zurück nach Sambia,<br />

a~ber nicht mit dem Flugzeug, sondern mit dem Zug!<br />

Ich hatte schon immer davon geträumt, eine Zugreise<br />

zu machen: diese dauerte fast 3 Tage. Zusammen<br />

mit Paula, Silvan, Cara, Patricia, Anna und Andreas<br />

fuhren wir mit dem Zug zurück nach Sambia. Im Zug<br />

hatten wir 4er-Abteile für uns. Ich teilte mir das Abteil<br />

gemeinsam mit Paula, Silvan und Anna. Auf engstem<br />

Raum fuhren wir von Dar es Salaam aus nach Kapiri<br />

Mposhi in Sambia. Auf der Fahrt durchfuhren wir<br />

eine wunderschön grüne Landschaft, die von weiten<br />

Bergen umgeben war. Und auch Menschen begegneten<br />

uns auf unserer Fahrt, die wir mit Winken begrüßten.<br />

Jetzt bin ich wieder im schönen Monze und ganz<br />

schön froh, wieder da zu sein. Die Reise und kurze<br />

Auszeit hat mir gut getan und mich für den zweiten<br />

Teil meines Freiwilligendienstes vorbereitet.<br />

Bis bald und Grüße aus Monze, Naomie<br />

Naomie Rothkamp<br />

The interaction with the other volunteers was very<br />

fun and I met some great people that I would like to<br />

visit in Germany. With others, I went on to Zanzibar. I<br />

traveled together with Silvan, Andreas and 5 others to<br />

Zanzibar / Stone Town. After a delicious pizza stop we<br />

parted ways. I stayed in Stone Town with Silvan and<br />

Andreas, where we went on a spice tour and looked<br />

at which spices are grown and sold in Zanzibar. We<br />

explored the various alleys and markets there, before<br />

Silvan left us and traveled on. Andreas and I stayed<br />

in Stone Town and got to know some interesting<br />

characters from different corners of the world. The<br />

hostel life was exciting and relaxing and I really liked<br />

it. After eight days we went back to Zambia, but not<br />

by plane but by train! I had always dreamed of taking<br />

a train trip, which lasted almost 3 days. Together with<br />

Paula, Silvan, Cara, Patricia, Anna and Andreas we<br />

took the train back to Zambia. On the train we had a<br />

compartment for 4 people. I shared the compartment<br />

with Paula, Silvan and Anna. We traveled in a confined<br />

space from Dar es Salaam to Kapiri Mposhi in Zambia.<br />

On the way we passed through a beautiful green<br />

environment that was surrounded by the vastness of<br />

mountains. And people came across our journey, who<br />

we greeted with a wave. Now I am back in beautiful<br />

Monze and I am really happy to be back. The trip and<br />

the short break were good for me and prepared me for<br />

the second part of my voluntary service.<br />

See you soon and greetings from Monze, Naomie<br />

Naomie Rothkamp<br />

Zugfahrt/Journey by train


Seite 8 Seite 9<br />

Junge Menschenrechtsaktivistin aus<br />

Sambia<br />

Young human rights activist from<br />

Zambia<br />

Die junge Natasha Wang Mwansa ist mit ihren 18<br />

Jahren eine der stärksten und wichtigsten Stimmen<br />

für Sambias Frauen und Jugendliche. Sie lässt sich<br />

inspirieren von Frauen wie Malala Yousafzai und<br />

Michelle Obama und setzt sich insbesondere für<br />

die Rechte von jungen Frauen und die Bekämpfung<br />

tropischer Krankheiten ein.<br />

Zuletzt machte sie beim Weltwirtschaftsforum in<br />

Davos durch ihre frische, mitreißende Art auf sich<br />

aufmerksam.<br />

Hier nun folgt ein Auszug aus einer Rede anlässlich<br />

der Women Deliver Conference vom 3. Juni 2019 in<br />

Kanada, bei der sie viel Anerkennung, Applaus und<br />

Standing Ovations bekam. Hoffentlich ziehen ihre<br />

Worte auch Handlungen nach sich:<br />

“Zuerst einmal möchte ich klarstellen, dass man<br />

nichts für uns junge Menschen tun kann, ohne uns<br />

miteinzubeziehen, das wäre das Gleiche, wie gegen<br />

uns zu arbeiten. Ähm, darf ich mich hinstellen?<br />

Ich fühle mich stärker, wenn ich stehe! (Applaus).<br />

Also, das Wichtigste für all die hier anwesenden<br />

Politiker ist, dass wir junge Menschen<br />

in Machtpositionen brauchen, wenn es<br />

um die Gesundheit und Bildung junger<br />

Menschen geht!<br />

Zweitens möchte ich gerne etwas<br />

ansprechen, dass mit jungen Menschen<br />

und der Stärkung unserer Frauen zu tun<br />

hat. Ihr versprecht uns Geschlechter-<br />

Gerechtigkeit, ihr versprecht uns<br />

mal dies und mal das, aber lasst uns<br />

das mal überdenken: Wenn wir aus<br />

unserem Staatshaushalt nur 0.1% für<br />

die Förderung Jugendlicher und Frauen<br />

ausgeben, dann funktioniert das einfach<br />

nicht! Also erhöht die Beträge, die in<br />

unsere Zukunft investieren! (Applaus).<br />

Es gibt immer noch Dinge wie<br />

Kinderheirat, aber das ist unmenschlich.<br />

Diese Dinge müssen abgeschafft werden.<br />

Wir können unsere Mädchen nicht<br />

verheiraten und ihnen die Bildung<br />

verwehren, wir können nicht zulassen,<br />

dass sie wegen ihrer monatlichen<br />

Natasha Wang Mwansa is 18 years old, and one of the<br />

most important and powerful activists for women’s<br />

and youths’ rights in Zambia. Inspired by role models<br />

like Malala Yousafzai and Michelle Obama, she makes<br />

young women’s needs heard, and fights against the<br />

threat of tropical diseases in the country.<br />

Recently, Natasha delivered a stirring speech at the<br />

World Economic Forum in Davos.<br />

In the following, you will find an extract from another<br />

speech at the Women Deliver Conference on 3rd<br />

June 2019 in Canada. For this speech, she gained<br />

recognition and even standing ovations. We hope that<br />

her words will be followed by actions:<br />

“Firstly, one thing that has to be emphasized is that<br />

there is no way that anything is going to be done for us<br />

without us, because that’s just doing it against us. So…<br />

ehm, can I stand? I feel more powerful when I stand.<br />

(Applause). So, the key message to all political leaders<br />

here is that we need young people in positions of power,<br />

because we are not only going to be beneficiaries. So,<br />

give us power!<br />

Natasha Mwansa, Quelle: womendeliver.org<br />

Menstruation, die stigmatisiert und stereotypisiert<br />

ist, eingeschränkt werden. Nein, wir brauchen<br />

Geschlechter-Gerechtigkeit, und das muss sich in<br />

unseren Staatsausgaben widerspiegeln! (Applaus,<br />

Standing Ovations).<br />

Oh danke, vielen Dank, aber ihr macht es mir<br />

schwer weiterzureden. Ich mag, dass der kanadische<br />

Premierminister sich um die Entwicklung unserer<br />

Mädchen sorgt. Aber ihr könnt nicht zu irgendeinem<br />

Mädchen auf der Straße gehen und sie fragen, was sie<br />

braucht, und dann erwarten, dass sie euch sofort eine<br />

Liste mit Dingen gibt. Ihr müsst uns unterstützen,<br />

indem ihr uns die Bildung gebt, die uns befähigt,<br />

selbst kritisch zu denken und Entscheidungen über<br />

unsere Gesundheit zu treffen. Wir wollen nicht, dass<br />

ihr über unsere Köpfe hinweg handelt, wir wollen<br />

selbst entscheiden!<br />

So, noch zwei weitere Punkte, entschuldigen Sie:<br />

Soziale Verantwortung. Ich möchte nicht in einer Welt<br />

leben, in der ich nur die Nachrichten schaue, und mein<br />

Präsident nimmt an, dass ich dies und jenes brauche.<br />

Ich möchte ihm selbst sagen, was ich brauche, und ich<br />

verlange von ihm, dass er mir diese Bedürfnisse erfüllt.<br />

Wir müssen uns also zusammensetzen und darüber<br />

reden, was wir brauchen und was uns versprochen<br />

wird. Und darüber, was uns versprochen wird und<br />

was wir dann wirklich bekommen. Leute, die Politiker<br />

können reden, aber sie handeln nicht genug! Wir<br />

müssen sie zur Verantwortung ziehen, meine Damen<br />

und Herren, und dafür brauchen wir die richtigen<br />

politischen Mechanismen. Es reicht mit dem Reden,<br />

jeder von uns hat eine soziale Verantwortung zu<br />

handeln.<br />

Und dann zum Schluss, und das möchte ich nochmal<br />

betonen: Es reicht nicht, dass wir bestimmte Räume<br />

für Jugendliche haben, in denen sie diskutieren und<br />

mitbestimmen können. Diese Orte sind toll, aber,<br />

wenn wir uns das aus einer globalen Perspektive<br />

anschauen, wird schnell klar, dass wir ein globales<br />

System brauchen, in dem Jugendliche Verantwortung<br />

bekommen. Alle sollten daran mitwirken, denn wenn<br />

wir mal ehrlich sind, sind wir die größte Population.<br />

And then secondly, I really want to talk about<br />

prioritising things that have to do with young people<br />

and female empowerment. Look, you can promise<br />

us gender equality and this and that, but you need<br />

to reflect this: You can’t have a national budget, and<br />

adolescent health budget is about 0.1%, that’s not<br />

working. So, increase the budget when it comes to<br />

young people, general education, gender equality and<br />

female empowerment.<br />

I hate this thing called “child marriage”. It’s inhumane.<br />

These things have to be worked on. We can’t have girls<br />

being married off, having no education, not being able<br />

to take care of themselves every time of the month<br />

simply because of stereotypical behaviour. We need<br />

gender equality, and we need this reflected in the<br />

national budget.<br />

(Applause, standing ovations) Thanks, thank you, but<br />

you’re making it hard for me to speak. Another thing<br />

that has to be emphasized is that you can’t just ask<br />

any girl on the streets “What do you need?” and then<br />

you expect her to tell you everything. We need proper<br />

education, institutions that give us skills to make our<br />

own decisions concerning everything that has to do<br />

with our health. We want to know that we ourselves<br />

have power to make choices and influence whatever is<br />

going on in our lives.<br />

And then two more points, I’m sorry. We have this<br />

thing: social accountability. I do not want to live in<br />

a world where I am just watching the news, and the<br />

president just assumes what I want personally, as a<br />

girl. I want to tell him what I want, and I want him to<br />

promise me that he is going to provide those needs.<br />

So, we need to talk about what we want and what is<br />

actually provided, and about what is promised and<br />

what is actually done! Politicians can talk, guys, but<br />

actions? No! And we need to hold them accountable,<br />

ladies and gentlemen, we need proper mechanisms to<br />

hold our politicians accountable. Actions is what we<br />

need right now, so let’s act.<br />

And then last but not the least, it’s not enough that we<br />

have youth corners. They are good, but when we look<br />

at it from a global perspective, we need a global, youth


Seite 10 Seite 11<br />

Deutschland<br />

Wir verdienen diese Verantwortung, und sie wird uns<br />

weiterbringen! Also investiert in unsere Mädchen,<br />

investiert in uns junge Menschen. Und glaubt mir,<br />

ich verspreche euch, es wird uns alle weiterbringen.<br />

Danke.“<br />

Für ihr Engagement bekam Natasha eine<br />

Auszeichnung der Welt-Gesundheits-Organisation<br />

und ist damit die jüngste und einzige subsaharische<br />

Preisträgerin der Welt. Sie diskutiert in den sozialen<br />

Medien und auf Konferenzen mit Jugendlichen, unter<br />

anderem mit Greta Thunberg, wie auch mit Politikern<br />

über Möglichkeiten, die Machtstrukturen aufzureißen<br />

und mehr Gerechtigkeit zu fordern.<br />

von Jolina Bilstein<br />

Quelle des Redeauszugs:<br />

Natasha Mwansa Q&A during panel discussion of<br />

Women Deliver 2019: https://www.youtube.com/<br />

watch?v=AV7h01erzuY<br />

Bildnachweis/Proof of Images<br />

friendly and responsive system. Let’s be honest: we<br />

are the largest population, we deserve this, and this is<br />

going to benefit us. So, invest in girls, invest in young<br />

people. And trust me, you can hold me accountable<br />

for this: I promise you it will bring great benefits.<br />

Thank you.”<br />

For her activism, Natasha gained an award from the<br />

World Health Organisation, and is until now the<br />

youngest and only sub-Saharan award winner. She<br />

keeps on discussing in social media and at conferences<br />

with other youths like Swedish Greta Thunberg. She<br />

also talks to politicians and demands more balanced<br />

power structures and justice.<br />

by Jolina Bilstein<br />

Source of the speech´s extract:<br />

Natasha Mwansa Q&A during panel discussion of<br />

Women Deliver 2019: https://www.youtube.com/<br />

watch?v=AV7h01erzuY&t=13s<br />

Die Fotos in dieser Ausgabe wurden uns freundlicherweise, wie folgt, zur Verfügung gestellt/ the photos have<br />

been kindly provided by:<br />

Seite/Page 1-7, 23 Naomie Rothkamp,<br />

S./P 2, 19-20 Priscilla Daka,<br />

S./P 1-2, 11-14 Eugine Himunza,<br />

S./P 2, 8 womendeliver.org,<br />

S./P 2 Yoko Kuchiba<br />

Ich sage mir stets, „Eine tausend Meilen lange Reise<br />

beginnt mit dem ersten Schritt.“ Denn das ist für<br />

mich Inspiration. Es ist sehr interessant für mich, nun<br />

schon sechs Monate in Deutschland zu sein, weil ich<br />

vieles gelernt habe und während meines Aufenthalts<br />

hier auf viele Dinge gestoßen bin. In der Sprache<br />

meines Stammes, also auf Tonga, würde ich sagen<br />

„menso ndasanina“ (ich habe meine Augen gefüttert).<br />

Um in diesem Bild zu bleiben: ich habe meine Augen<br />

mit vielem gefüttert und ich habe eine Menge von<br />

meiner Gastfamilie, von meinem Arbeitsplatz, von<br />

den anderen Freiwilligen bei der Seminarwoche und<br />

auch von meiner Umgebung an sich gelernt.<br />

Das Wetter in Deutschland ist so faszinierend und<br />

gleichzeitig so verwirrend, weil man nie genau weiß,<br />

was kommt: stell dir vor, die Sonne scheint sehr hell,<br />

keine Wolken, der Himmel ist sehr klar, aber es ist sehr<br />

kalt! Als ich die Sonne so hell scheinen sah, fühlte ich<br />

mich so gut und ich wollte für einen Spaziergang nach<br />

draußen gehen. Allerdings ohne warme Anziehsachen.<br />

Uuuh, als ich gerade die Haustür erreichte, war es so<br />

Eugine in der Kita/In the Kindergarten<br />

“A journey with a thousand miles begins with the first<br />

step”, I will always say this because it is my inspiration.<br />

Being in Germany for six months is a very interesting<br />

thing because I have learned and I have come across<br />

many things during my stay. In my local tribe which<br />

is Tonga I would say “menso ndasanina” (I have fed<br />

my eyes). Taking this metaphor forward I have fed my<br />

eyes a lot and learned a lot from my host family, from<br />

my workplace, from fellow volunteers at the seminar<br />

week and from the surrounding itself.<br />

German weather is so amazing and confusing at the<br />

same time because you never know: imagine the sun<br />

is shining very bright without clouds, very clear sky<br />

but very cold. So, seeing the sun shining bright made<br />

me feel so nice and I made plans for going for a walk<br />

but without wearing warm clothes. Uuuuh just when I<br />

approached the door it was freezing and immediately,<br />

I changed my plan of going out and stayed indoors. If<br />

I was to compare the Zambian weather with German<br />

weather, I think you can predict the Zambian weather<br />

at times but unfortunately, the German weather you<br />

cannot. You just have to follow the weather forecast<br />

to be sure.<br />

Staying in a German family is different from staying in<br />

a Zambian family but every family -whether German<br />

or Zambian - has the advantage that one learns a lot<br />

of different interaction in a family and about the way<br />

of life. In Germany, despite calling elderly people by<br />

their first name which is not allowed or is unusual<br />

in Zambia, that does not mean you do not have<br />

respect for the elders. What matters is you behave in a<br />

respectful way and that you respect limits. Personally,<br />

I have learned them, I developed and I am reflecting,<br />

knowing what I can do and what not, what to touch<br />

and what not.<br />

Celebrating Christmas in Germany is very nice<br />

although it is different from Zambia, because we<br />

mostly celebrate it at church where we have a meal<br />

as a parish, a youth part, holy childhood activities,<br />

gatherings with friends and families at times and<br />

really enjoy Christmas in Zambia. What makes it<br />

nice in Germany is that you spend it with your family.<br />

You have a Christmas meal during which you talk to<br />

your family, you receive gifts and have a nice time<br />

remembering. Spending some time with your family


Seite 12 Seite 13<br />

is important to build your<br />

family relationship and family<br />

time is the best because you<br />

never know what happens.<br />

Having a character of being<br />

moody or short tempered<br />

does not help neither in<br />

Germany nor in any situation<br />

in real life. My personal trait<br />

of character to prefer to<br />

be quiet for no reason has<br />

become a problem for me<br />

here: it was challenging and<br />

did not help. So, my advice is<br />

to be open minded to take in<br />

new things. Communicating<br />

with the people around you<br />

is important in Germany and<br />

also in any situation anywhere<br />

Eugine im Haus der Geschichte/ Eugine at Haus der Geschichte<br />

you are. I have been a quiet<br />

frostig, dass ich auf der Stelle meine Pläne änderte und<br />

person in my first months<br />

doch im Haus blieb. Wenn ich das Wetter in Sambia here and that has not been helping. Now I am working<br />

mit dem in Deutschland vergleichen sollte, würde ich on it and I hope my ability to communicate will be<br />

sagen, dass ich das sambische Wetter dann und wann good by the end of my voluntary year.<br />

doch einschätzen kann, das deutsche Wetter hingegen Working in the kindergarten or doing my voluntary<br />

nicht. Um sicher zu gehen, sollte man sich nach der year in the daycare is a very good preparation for<br />

Wettervorhersage richten.<br />

life for me. This is because I have never worked in a<br />

In einer deutschen Familie zu leben, ist anders als big institution like this and it is preparing me for the<br />

in einer sambischen, doch egal, ob deutsche oder future. However, the challenge has been to wake up<br />

sambische Familie, es hat den Vorteil, dass man in einer early: around 05 hour in the morning from Monday<br />

Familie viel über unterschiedliche Interaktionsweisen to Friday. That was quite challenging for me despite<br />

und den Lebensstil der Menschen lernt. Obwohl man I have been in a boarding school in Zambia. But the<br />

in Deutschland ältere Personen bei ihren Vornamen good part is that I am now used to getting up early.<br />

nennen darf – was in Sambia nicht erlaubt bzw. nicht The only problem is the season: winter. When I go for<br />

üblich ist -, bedeutet dies nicht, dass man keinen work it is still dark and by the time I come back home<br />

Respekt vor den Älteren hat. Entscheidend ist, dass it is already dark again. The nights are longer than<br />

man sich respektvoll verhält und Grenzen einhält. Ich the days. So, I cannot wait for summer to come. I am<br />

persönlich habe inzwischen diese Grenzen gelernt, looking forward to the summer because it will be very<br />

habe mich entwickelt, denke nach und weiß, was ich funny moving up and down with the bicycle.<br />

tun darf und was nicht, was ich anfassen darf und was Working with children has taught me to stay calm and<br />

nicht.<br />

sometimes to be courageous.<br />

To stay calm because we have many projects with the<br />

Weihnachten feiern ist in Deutschland sehr schön, children. Unfortunately, some children are not yet old<br />

aber sehr anders als in Sambia. Denn wir feiern enough to do everything by themselves. And at times<br />

hauptsächlich in der Kirche, wo es ein gemeinsames when am stressed this sometimes annoys me because<br />

Mahl als Gemeinde gibt, Aktivitäten der Youth things look simple to me. But, of course, I have to stay<br />

Gruppe, der Holy Childhood Gruppe, von Zeit<br />

zu Zeit auch Zusammenkünfte mit Freunden und<br />

Familie, und wir Weihnachten wirklich genießen.<br />

Was es in Deutschland nett macht, ist, dass man<br />

Weihnachten mit der Familie verbringt. Es gibt ein<br />

Weihnachtsessen, bei dem man sich unterhält, man<br />

bekommt Geschenke und hat eine schöne Zeit bei<br />

gemeinsamen Erinnerungen. Zeit mit der Familie zu<br />

verbringen, ist wichtig, um die Verbindung zur Familie<br />

aufzubauen. Und Zeit mit der Familie ist sowieso das<br />

Beste, weil du nie weißt, was als nächstes passiert.<br />

Wenn man einen etwas mürrischen oder reizbaren<br />

Charakter hat, ist das weder in Deutschland noch<br />

in anderen Situationen im Leben hilfreich. Meine<br />

persönliche Eigenschaft, es vorzuziehen, ohne<br />

erkennbare Gründe still zu bleiben, war hier zunächst<br />

etwas problematisch und hat nicht geholfen. So kann<br />

ich nur raten, sich offen zu verhalten, um Neues<br />

aufnehmen zu können. Mit den Menschen deiner<br />

Umgebung zu kommunizieren, ist in Deutschland,<br />

aber auch in jeder Umgebung, wo auch immer man<br />

sich befindet, wichtig. Ich war in den ersten Monaten<br />

hier zu still und das war nicht förderlich. Aber nun<br />

arbeite ich daran und hoffe, dass zum Ende meines<br />

Freiwilligen-Jahres meine Kommunikationsfähigkeit<br />

besser sein wird.<br />

Das Arbeiten im Kindergarten oder in einer Tagesstätte<br />

ist meiner Ansicht nach<br />

eine sehr gute Vorbereitung<br />

auf das Leben. Ich denke<br />

mir das, weil ich vorher<br />

noch nie in einer größeren<br />

Einrichtung gearbeitet habe,<br />

mich das aber auf die Zukunft<br />

vorbereitet. Allerdings ist<br />

das frühe Aufstehen eine<br />

echte Herausforderung:<br />

um 5 Uhr morgens von<br />

Montag bis Freitag. Das war<br />

herausfordernd für mich,<br />

obwohl ich in Sambia in einem<br />

Internat war. Aber das Gute<br />

ist, dass ich mich inzwischen<br />

ans frühe Aufstehen gewöhnt<br />

habe. Übrig bleibt ein Problem:<br />

die Jahreszeit Winter. Wenn<br />

calm and I have to be understanding.<br />

Early this year we had a new child at the kindergarten.<br />

So, this child kept on looking at me for the whole day.<br />

I wondered why and this question was in my mind the<br />

whole day. The next morning the girl came to me and<br />

asked: “Warum hast du einen dunklen Kopf?” (Why<br />

do you have a black head?) I wondered by myself,<br />

whether she never came across an African, although<br />

there are many African people in Germany. First, I<br />

answered that I eat a lot of chocolate, but then I told<br />

her that I am from Africa and my workmate explained<br />

this to her too.<br />

Courage and motivation are very important. I am<br />

courageous – at least my workmates say so. They<br />

think that I am courageous because I am able to speak<br />

in front of the children on my own and in German,<br />

for example when leading the morning cycle called<br />

Morgenkreis. Or when we come together with other<br />

kindergartens for sports activities. Or when taking<br />

part in activities like reading with the children (A<br />

mouse took a stroll into the deep dark woods. A fox<br />

saw the mouse and the mouse looked. Where are you<br />

going to, little brown mouse? Come and have lunch in<br />

my underground house. That is terribly kind of you,<br />

fox – but I am going to have lunch with a Gruffalo.)<br />

This story is very funny and interesting. Didn’t you<br />

know: THE GRUFFALO.<br />

Eugine liest das Grüffelo vor./Eugine is reading Gruffalo


Seite 14 Seite 15<br />

ich zur Arbeit gehe, ist es noch dunkel, und wenn<br />

ich nach Hause komme, ist es schon wieder dunkel.<br />

Die Nächte sind länger als die Tage. Deshalb kann ich<br />

den Sommer kaum erwarten. Ich freu mich auf den<br />

Sommer. Denn es wird sicher sehr lustig, mit dem<br />

Fahrrad hin und her zu fahren.<br />

Mit Kindern zu arbeiten, hat mich gelehrt, ruhig zu<br />

bleiben und manchmal auch mutig zu sein.<br />

Ruhig zu bleiben, weil wir viele Projekte mit den<br />

Kindern machen: Manche Kinder sind einfach noch<br />

nicht alt genug, um alles allein schaffen zu können.<br />

Und ab und zu, wenn ich gestresst bin, dann ärgert<br />

mich das, weil die Sachen für mich so einfach aussehen.<br />

Aber ich muss in diesen Situationen selbstverständlich<br />

ruhig bleiben und Verständnis zeigen.<br />

Anfang des Jahres kam ein neues Kind in den<br />

Kindergarten. Und dieses Kind schaute mich den<br />

ganzen Tag an. Ich fragte mich warum und diese Frage<br />

kreiste den ganzen Tag durch meine Gedanken. Am<br />

nächsten Morgen kam das Mädchen dann auf mich zu<br />

und fragte: „Warum hast du einen dunklen Kopf?“ Ich<br />

fragte mich, ob es noch nie einem Afrikaner begegnet<br />

ist, obwohl es so viele Afrikaner in Deutschland gibt.<br />

Erst einmal antwortete ich ihm, dass ich ganz viel<br />

Schokolade esse. Aber danach erzählte ich ihm, dass<br />

ich aus Afrika stamme, und meine Kollegin hat ihm<br />

das auch noch einmal erklärt.<br />

Mut und Motivation sind sehr wichtig. Ich bin mutig<br />

– wenigstens sagen das meine Kollegen.<br />

Sie denken dies, weil ich mich traue, ganz allein vor<br />

den ganzen Kindern zu sprechen, z.B. wenn ich den<br />

Morgenkreis führe. Oder wenn wir uns mit anderen<br />

Kindergärten zu gemeinsamen Sportaktivitäten<br />

treffen. Oder bei anderen Aktivitäten, wie dem<br />

Lesen mit den Kindern. (Eine Maus ging in einem<br />

tiefen, dunklen Wald spazieren. Ein Fuchs sah die<br />

Maus und die Maus guckte ihn an. Wo gehst Du hin,<br />

kleine, braune Maus? Willst du nicht bei mir im Bau<br />

Götterspeise essen? Das ist schrecklich nett von dir,<br />

Fuchs, aber ich muss zu Mittag schon beim Grüffelo<br />

sein.) Diese Geschichte ist sehr lustig und interessant.<br />

Kennt ihr sie nicht: DAS GRÜFFELO?<br />

Die deutsche Kultur ist so faszinierend. Sie ist sehr<br />

einzigartig, mit ihren Werten, Festen und Bräuchen.<br />

Ich mag die Stereotypen über Deutschland. Es gibt<br />

The German culture is so amazing. It is very unique<br />

because of its values, celebrations and customs. I<br />

like German stereotypes. There are many but I know<br />

only a few: Germans are punctual and hardworking.<br />

I am hoping to be hardworking and punctual when<br />

I am back in Zambia (but also keeping Zambian<br />

time). Germans drink a lot of beer (“Bitte ein Bit” an<br />

advertising slogan for a beer called Bit-burger. “Please<br />

a Bit” in English). There are many brands of beer and<br />

wine. The German beer is very nice with “Wurst”<br />

(SAUSAGE).<br />

Eugine an Karneval/Eugine at Carnival<br />

viele davon, doch ich kenne nur einige wenige:<br />

„Deutsche sind pünktlich und arbeiten fleißig.“ Ich<br />

hoffe, auch fleißig arbeiten zu können und pünktlich<br />

zu sein, wenn ich wieder in Sambia bin (aber auch das<br />

sambische Zeitgefühl zu behalten). „Deutsche trinken<br />

viel Bier.“ („Bitte ein Bit.“ aus der Bitburger Werbung)<br />

Es gibt viele Bier- und Weinsorten. Das deutsche Bier<br />

schmeckt sehr gut zu Wurst.<br />

In Deutschland gibt es viele Feste: fast jeden Monat<br />

eins und sie sind ziemlich bunt. Im Moment bin ich<br />

gespannt auf ein großes Fest, das Karneval genannt<br />

wird, und hoffe, daran auch teilnehmen zu können.<br />

Deutschland ist auch ein Land des Sports: die meisten<br />

Menschen treiben hier Sport. Und mir als Sportler fällt<br />

es auch leicht, beim Sport mit zu machen – genauer<br />

beim Volleyball. Das Volleyballspielen hier macht mir<br />

wirklich sehr viel Spaß und ich glaube, dass sich mein<br />

Spiel sehr verbessert hat. Deshalb: Achtung, Sambia!<br />

Manche Menschen mögen behaupten, Deutsche seien<br />

nicht freundlich. Aber diese Meinung teile ich nicht.<br />

Ich denke, was wichtig ist, ist die Persönlichkeit des<br />

Einzelnen. Ich sage das aus dem Grund, weil ich<br />

immer Hilfe erhalten habe, wenn ich danach gefragt<br />

habe. Zum Beispiel hat man mir mit einem Lächeln<br />

im Gesicht geholfen, als ich mich verlaufen hatte.<br />

Und während des Freiwilligen-Seminars haben die<br />

anderen Freiwilligen mir auch geholfen, obwohl ich<br />

als einziger aus dem Ausland kam, nämlich, indem<br />

sie für mich ins Englische übersetzten, wenn es an<br />

neue Orte ging, und indem sie mich in ihre Spiele mit<br />

einbezogen (z.B. beim Werwolf).<br />

Außerdem habe ich gelernt, dass es wichtig ist,<br />

über Dinge zu sprechen, um sich darüber klar zu<br />

werden und um einen Konflikt zu lösen, wenn es<br />

zu Missverständnissen kommt. So ist z.B. während<br />

meiner letzten Woche ein Konflikt aufgetaucht, aber<br />

er konnte durch Diskussionen gelöst werden. Wege<br />

finden, Konflikte zu vermeiden, darum geht es beim<br />

Darüber-Reden, und dann obsiegt der Friede.<br />

Obwohl ich mein Zuhause vermisse, mag ich<br />

Deutschland wirklich sehr. Mein Umfeld an und<br />

für sich lindert das Heimweh und verhilft mir zu<br />

Ausgeglichenheit.<br />

Eugine Himunza (dt. Übersetzung Y.Kuchiba)<br />

Germany has a lot of celebrations: almost every<br />

month and they are so colorful. Right now, I am very<br />

interested in the big celebration known as carnival and<br />

I hope to attend it. Germany is also a land of sports<br />

activities: most of the people are engaged in sports.<br />

Being a sportsperson, it was easy for me to participate<br />

in sports activities - more precisely, in volleyball. I<br />

really enjoy playing volleyball here and I think my<br />

skills have greatly improved: Zambia watch out!<br />

Some people might say Germans are not friendly. I don’t<br />

support this. I think what matters, is the personality of<br />

a person. The reason why I say this is because whenever<br />

I ask for help, I am helped. For instance, when I found<br />

myself in a wrong place, I was helped with a smiling<br />

face. And during the volunteers´ seminar week, my<br />

fellow volunteers helped me although I was the only<br />

one from out of the country: by translating to English,<br />

when going to new places, involving me in games (for<br />

example Werwolf).<br />

I also have learned that it is important to talk about<br />

something in order to clear up your mind and when<br />

there is an issue of misunderstanding to solve a conflict.<br />

For example, a conflict occurred during my last week<br />

and it was solved through discussing. Finding ways to<br />

avoid conflicts, that is talking about them and then<br />

peace prevails.<br />

Despite missing home, I really like Germany. The<br />

environment itself heals and leads to inner peace.<br />

Eugine Himunza


Seite 16 Seite 17<br />

Filmkritik zu Congo Calling<br />

Film Review - Congo Calling<br />

Congo Calling ist ein Dokumentarfilm von Stephan<br />

Hilpert, der drei Europäer porträtiert, die in der<br />

ostkongolesischen Stadt Goma leben und arbeiten.<br />

Peter, der nach 30 Jahren Entwicklungszusammenarbeit<br />

in den Ruhestand versetzt wird, sucht nach Wegen trotz<br />

des knapper werdenden Geldes in Goma, das seine<br />

Heimat geworden ist, zu bleiben. Der junge Spanier<br />

Raúl forscht über Rebellengruppen im Ostkongo<br />

und hadert mit der Machtposition, die ihm allein<br />

durch seine Forschungsgelder und durch die Rolle<br />

als Arbeitgeber seiner einheimischen Freunde zufällt.<br />

Und Anne-Laure, die als Entwicklungshelferin nach<br />

Goma gekommen ist, diese Arbeit aber aufgegeben<br />

hat und nun Gomas größtes Musikfestival „Amani“<br />

mitorganisiert, fragt sich, ob und wie ihre Beziehung<br />

mit ihrem kongolesischen Freund Fred langfristig in<br />

Goma funktionieren kann und ob sie die Kraft hat,<br />

dauerhaft fernab ihrer Heimat Belgien zu leben.<br />

Congo Calling stellt somit nicht die Armut der<br />

Bevölkerung oder die Gewalt im Ostkongo in<br />

den Mittelpunkt, sondern schildert sehr intim die<br />

persönlichen Geschichten der drei Protagonisten, die<br />

alle auf ihre Weise eng mit Goma verbunden sind.<br />

Beeindruckt hat mich vor allem Raúl, der versucht,<br />

wertfrei zu beobachten und dabei auf Kategorien wie<br />

„richtig“ und „falsch“ zu verzichten. So lauscht er<br />

unvoreingenommen der Erzählung eines ehemaligen<br />

Rebellen, der ihm von dem Zauber seiner Mei-<br />

Mei-Tätowierung berichtet, und versucht, selbst<br />

als zwei seiner Mitarbeiter die ihnen anvertrauten<br />

Forschungsgelder veruntreuen, sie angesichts der<br />

Versuchung der „Säcke voll Geld“, die er „in einen<br />

Ozean aus Armut“ bringt, nicht zu verurteilen.<br />

Als ehemalige Freiwillige des <strong>ewe</strong> hat der Film mich<br />

besonders b<strong>ewe</strong>gt. Das Leben in Goma, das in einer der<br />

ärmsten und unsichersten Regionen der Welt liegt, und<br />

in dem zwei Drittel der Bevölkerung Flüchtlinge sind,<br />

ist sicherlich nicht direkt mit dem Leben in Mazabuka,<br />

wo ich meinen Freiwilligendienstes 2014/15 verbracht<br />

habe, vergleichbar: Blauhelm-Soldaten patrouillieren<br />

die Straßen, die Dichte an Hilfsorganisationen und<br />

Entwicklungshelfern ist extrem hoch und Gewalt und<br />

Korruption sind stets präsent. Dennoch haben viele<br />

Szenen des Films bei mir Erinnerungen an meine Zeit<br />

Congo Calling is a documentary movie done by<br />

Stephen Hilpert which portrays three Europeans who<br />

live and work in the East-Congolese town of Goma.<br />

Peter, who after 30 years of development assistance<br />

work is going into retirement, is searching for a way to<br />

stay in Goma, which has become is home, regardless of<br />

the ever growing lack of money. The young Spaniard<br />

Raúl is researching on the rebel groups in east Congo<br />

and is in conflict with the role of leadership, which has<br />

been bestowed upon him by his local friends solely<br />

due to his research money and his role as employer.<br />

Anne-Laure, who came to Goma as a development<br />

worker but had to quit the job and is now organizing<br />

Goma´s biggest music festival „Amani“, asks herself,<br />

if and how her relationship with her Congolese<br />

boyfriend Fred could work in the long term and if<br />

she could master the strength to permanently live far<br />

away from her home in Belgium.<br />

Congo Calling, therefore, does not put the poverty of<br />

the people nor the violence in east Congo front and<br />

center, but depicts intimately the personal stories of the<br />

three protagonists, who, in their own ways, are closely<br />

connected to Goma. I was most impressed by Raúl,<br />

who tries to view everything without bias and avoids<br />

categorizing things as „right“ or „wrong“. He listens<br />

unbiased to a former rebel, who tells him the story of<br />

the magic in his Mei-Mei tattoo. Raul then tries not<br />

judge two of his colleagues who are misusing research<br />

money as they have been put under temptation when<br />

he brought „bags of money“ in „an ocean of poverty“.<br />

As a former EWE-volunteer, I was very touched<br />

by the film. Life in Goma, which is in one of the<br />

poorest and unsafe regions in the world and in which<br />

two thirds of the population are refugees, cannot<br />

be directly compared to life in Mazabuka, where I<br />

did my voluntary service in 2014/15. UN-soldiers<br />

patrol the streets, the number of aid-organizations<br />

and development helpers is extremely high while<br />

violence and corruption are at a permanent high.<br />

However, several scenes from the film reminded me<br />

of my time in Mazabuka: the Airtel shop at the street<br />

corner, the music at the Amani festival or the fervent<br />

in Mazabuka g<strong>ewe</strong>ckt: Sei es der Airtel Shop an der<br />

Straßenecke, die Musik beim Amani Festival oder das<br />

inbrünstige Gehupe im Straßenverkehr. Und sie haben<br />

Fragen, die ich mir während meiner Zeit in Sambia oft<br />

gestellt habe, neu aufgeworfen: Welche Rolle hatte ich<br />

in den Augen der Einheimischen allein durch meine<br />

europäische Herkunft? Welche Hilfe können und<br />

sollten ausländische NGOs vor Ort langfristig leisten?<br />

Ist die Hilfe aus dem Norden sinnvoll oder verursacht<br />

sie nur weitere Abhängigkeiten?<br />

Der Film zeigt Situationen, die ich ähnlich erlebt<br />

habe. So wird das Kamerateam auf der Straße von<br />

Straßenkindern umringt, die rufen: „Ich will, dass ihr<br />

uns ein Haus baut.“ „Wir wollen einen Pool und alles,<br />

um wie die Weißen zu sein.“ „Wir lieben Goma. Wir<br />

wollen wie die Weißen sein.“ Dass Kinder und auch<br />

Erwachsene häufig davon ausgehen, dass man als<br />

Weiße Geld und Reichtum besitzt, habe ich auch in<br />

Sambia erfahren. Und ganz Unrecht haben sie damit ja<br />

auch nicht. Selbst ich als Freiwillige hatte damals weit<br />

mehr zur Verfügung als viele andere. Und ich hatte<br />

immer die Sicherheit, im Notfall zur Bank gehen und<br />

Geld abheben zu können. Trotzdem hat mich das Bild<br />

als reiche Weiße irgendwann sehr gestört. Ich wollte als<br />

Person und nicht als Weiße wahrgenommen werden.<br />

Dass es nicht einfach ist, die unsichtbare Grenze<br />

zwischen Ausländern aus dem globalen Norden und<br />

Einheimischen zu durchbrechen, und dass dies im<br />

Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit selten<br />

gelingt, wird auch im Film thematisiert. So erzählt<br />

Fred, dass Anne-Laure eine der wenigen Europäer<br />

in Goma ist, die die virtuelle Grenze überwunden<br />

hat, obwohl es dort von Entwicklungshelfern ja<br />

nur so wimmelt. Genau das macht die Idee des <strong>ewe</strong><br />

so wichtig. Partnerschaft auf Augenhöhe, die sich<br />

viele NGOs in der Entwicklungszusammenarbeit<br />

attestieren, funktioniert nicht, indem man sie in<br />

Leitbilder und Programme schreibt, sondern über<br />

enge Kontakte, langsam aufgebautes Vertrauen und<br />

mit der Zeit wachsende Freundschaften. Mit dem<br />

Konzept, Freiwillige in Gastfamilien und Gemeinden<br />

zu integrieren, macht es der <strong>ewe</strong> seinen Freiwilligen<br />

verhältnismäßig leicht, die virtuelle Grenze zu<br />

durchbrechen: Auch wenn ich am Ende meines<br />

Jahrs auf der Straße nach wie vor mit Muzungu<br />

angesprochen und nach Geld gefragt wurde, war ich<br />

honking of the road traffic. Questions which I had<br />

often asked myself during my time in Zambia were<br />

also mentioned: what role did I play in the view of the<br />

locals due to my European descent? What help could<br />

and should foreign NGOs offer in the area on the long<br />

term? Is aid from the north sensible or does it just lead<br />

to further dependence?<br />

The movie shows a situation which is similar to the<br />

one I experienced. The camera team would be circled<br />

by street children who shouted, „ I want you to build<br />

us a house.“ „ We want a pool and everything to be<br />

like the whites.“ „We live in Goma. We want to be<br />

like the whites.“. I also experienced that in Zambia:<br />

children and grown-ups alike, believe that being<br />

white means having money and riches. And they are<br />

not completely wrong. Back then as a volunteer, I had<br />

much more than most and I had the security, in case<br />

of an emergency, to go to the bank and withdraw some<br />

money. Nonetheless, the depiction as „rich white<br />

person“ really disturbed me. I wanted to be vi<strong>ewe</strong>d<br />

as a person and not as a „white“ person. The film<br />

shows that it is not easy to break the unseen boarders<br />

between the foreigners from the global north and the<br />

locals and it is often not achieved through partnered<br />

development work. Fred explains that Anne-Laure<br />

is one of the few Europeans in Goma who managed<br />

to break down the virtual barrier although Goma is<br />

so full of development workers. This is exactly what<br />

makes the idea of the EWE so important. Partnership<br />

on the same level doesn‘t work by writing it down<br />

in programs, as has been verified by several NGOs.<br />

It works only through close contact, trust that is<br />

built slowly and friendships that grow over time.<br />

The EWE makes it much easier for its volunteers to<br />

break through the virtual barrier with the concept of<br />

integrating them in host families and communities.<br />

Even though after the end of my year I would still be<br />

called Muzungu on the streets and some would ask<br />

me for money, I was no longer the rich white person<br />

to my family and friends but their daughter, sister and<br />

friend Lea.<br />

It doesn‘t matter if one was once in Congo or somewhere<br />

else in Africa, Congo Calling raises questions for the<br />

vi<strong>ewe</strong>r and provides food for thought on critically


Seite 18 Seite 19<br />

Mein dritter Bericht<br />

My Third Report<br />

für meine Familie und meine Freunde nicht mehr<br />

die reiche Weiße, sondern ihre Tochter, Schwester,<br />

Freundin Lea.<br />

Egal, ob man schon einmal im Kongo oder anderswo in<br />

Afrika war oder nicht, Congo Calling wirft Fragen beim<br />

Zuschauer auf und gibt Denkanstöße zur kritischen<br />

Hinterfragung von Entwicklungszusammenarbeit<br />

und zur Rolle von Europäern im Ausland. Gerade für<br />

Leser von <strong>ewe</strong>-<strong>aktuell</strong>, die alle irgendeinen Bezug zur<br />

Thematik haben, ist der Film daher sehr sehenswert.<br />

Dass er keinerlei B<strong>ewe</strong>rtung der Situation vor Ort<br />

vornimmt und für die Fragen, die er aufwirft, keine<br />

Lösungen präsentiert, finde ich persönlich sehr<br />

ansprechend, sind doch auch wir Europäer mit<br />

unseren Beurteilungen häufig zu voreilig.<br />

von Lea Hennemann<br />

Der Film wurde leider nur bis zum 9. Februar <strong>2020</strong> in<br />

der ZDF-Mediathek frei zugänglich gezeigt.<br />

Den Trailer kann man sich über folgenden Link<br />

anschauen: https://jip-film.de/congo-calling/<br />

Auf dieser Homepage lassen sich auch Termine für<br />

Kinovorführungen des Films finden:<br />

https://jip-film.de/im-kino<br />

questioning development work and the role of<br />

Europeans in foreign countries. For the readers of the<br />

EWE magazine, who in any way have a connection to<br />

the theme of the movie, I would recommend seeing<br />

the movie. I personally find it appealing that the movie<br />

neither evaluates the situation in Congo nor presents<br />

and answers to the questions that it raises, we too as<br />

Europeans are often in a rush to judge.<br />

By Lea Hennemann<br />

(English translation by Evans Chali)<br />

Unfortunately, the film was shown for free only until<br />

February 9th, <strong>2020</strong> on the ZDF-Mediathek.<br />

The following link leads to the trailer: https://jip-film.<br />

de/congo-calling/<br />

The dates on which the movie can be seen (in<br />

Germany) in the cinema can be found one the<br />

following homepage: https://jip-film.de/im-kino<br />

Seit meinem letzten Bericht ist die Zeit wirklich<br />

schnell vergangen und in den letzten Tagen ist eine<br />

Menge passiert.<br />

Zunächst war da Weihnachten und alles. Ich war<br />

wirklich erstaunt, wie sehr sich die Menschen hier<br />

auf Weihnachten vorbereiten. Denn es gab schon<br />

Ende November Weihnachtsdekoration und das war<br />

für mich wirklich überraschend. In dieser Zeit waren<br />

Eugine und ich bei Silja zuhause zu Besuch. Sie waren<br />

wirklich sehr nett zu uns und haben uns vieles gezeigt.<br />

Wir waren auch auf dem Aachener Weihnachtsmarkt,<br />

der sehr schön und groß ist. Und ich hatte keine Idee<br />

davon, wie ernst man hier Adventskalender nimmt.<br />

Weihnachten war wirklich toll. Es war viel festlicher<br />

als zuhause in Sambia.<br />

Dann wenig später kam Neujahr, was auch toll war,<br />

aber gleichzeitig auch schade, weil ich nämlich<br />

arbeiten musste. Bei der Arbeit ist alles gut, alles ist in<br />

Ordnung. Die Krankenschwestern sind sehr hilfsbereit<br />

und ich lerne im Krankenhaus viel darüber, wie man<br />

sich um Patienten kümmert und wie man ihnen<br />

helfen kann, wenn sie einen brauchen. Aber genau<br />

genommen, kann ich nicht viel machen, wenn es zum<br />

Beispiel um die Verabreichung von Medikamenten<br />

Beim Ausflug/On a trip Priscilla und Evans<br />

Time has gone by really quickly since my last report<br />

and a lot has happened in the past days.<br />

First there were the Christmas holidays and all. I really<br />

got stunned by how much people here prepare for<br />

Christmas because I could see Christmas decorations<br />

as early as the end of November and to me that was<br />

really surprising. During this time Eugene and I went<br />

to Silja´s place for the weekend and they were very<br />

nice to us and showed us around. We also saw the<br />

Christmas Market in Aachen which was nice and big.<br />

I had no idea how much advent calendars are really<br />

respected here. Christmas was really great here. It has<br />

been way more festive than that in Zambia at home.<br />

Then later came New Year and it was great but sad at<br />

the same time because I had to go to work. Work is<br />

going on just well and everything is fine. The nurses<br />

are really helpful, and I am learning a lot from the<br />

hospital about how to take care of patients and how to<br />

help people when they need you. Actually, I do not do<br />

a lot when it comes to giving medicine or things like<br />

that because I am not allowed to. Therefore, I am only<br />

helping the nurses.<br />

I am also learning a lot about the lifestyle of people<br />

here and about their daily lives. Most of the people I<br />

have met are really active and do a lot of sports. One<br />

of the most important things that people do here is<br />

that they always plan their days. They plan ahead of<br />

time which is really good and actually makes you look<br />

more organized. As a matter of fact, I am also learning<br />

to do that.<br />

I had my third seminar a few days ago and I had a great<br />

time there with everyone. Everything is fine and it is<br />

better now because I can understand some German<br />

now which is really helpful. I had fun at the seminar<br />

and it even snowed there.<br />

This time I even go for an art course and I also have<br />

piano lessons. Everything else is fine as well because<br />

I cut my timings fine in order to distract myself from<br />

thinking about home too much. The language is still<br />

hard for me to speak but I try my best. Engaging in<br />

conversations with people actually helps a lot.<br />

I have my art classes on Saturdays but not always.<br />

Mostly they are every two weeks. And my piano<br />

lessons: I have them every Tuesday. My host family


Seite 20 Seite 21<br />

Buchrezension<br />

Book Review<br />

oder Ähnlichem geht, denn das darf ich nicht. Deshalb<br />

helfe ich den Schwestern nur.<br />

Ich lerne auch viel über den Lebensstil und den<br />

Alltag der Menschen hier. Die meisten, die ich bisher<br />

kennengelernt habe, sind sehr aktiv und treiben<br />

eine Menge Sport. Eines der wichtigsten Sachen,<br />

die die Menschen hier machen, ist die Tage immer<br />

durchplanen. Man plant im Voraus, was wirklich gut<br />

ist, weil man dadurch besser organisiert scheint. Und<br />

tatsächlich lerne ich auch zu planen.<br />

Vor einigen Tagen fand mein drittes Seminar statt und<br />

ich habe eine gute Zeit mit allen dort verbracht. Alles ist<br />

gut und es ist auch besser als vorher, weil ich nun doch<br />

einiges auf Deutsch verstehe, was natürlich hilft. Ich<br />

hatte Spaß beim Seminar und es hat währenddessen<br />

sogar geschneit.<br />

Im Augenblick besuche ich sogar einen Kunstkurs<br />

und ich habe auch Klavierstunden. Alles andere ist<br />

auch gut, weil ich mir wenig zeitlichen Spielraum<br />

lasse, um abgelenkt zu sein und nicht zu viel an<br />

zuhause denken zu müssen. Es ist immer noch schwer<br />

für mich, die Sprache zu sprechen, aber ich strenge<br />

mich sehr an. Sich an Unterhaltungen von anderen zu<br />

beteiligen, hilft da eine Menge.<br />

Mein Kunstkurs ist samstags, aber nicht immer.<br />

Meistens findet er alle zwei Wochen statt. Und<br />

die Klavierstunden sind jeden Dienstag. Meine<br />

Gastfamilie unterstützt mich wirklich sehr und sie<br />

haben sehr viel Verständnis und sind sehr nett. An<br />

einem der vergangenen Tage ist meine Gastmutter<br />

mit zu meiner Arbeit gekommen, um<br />

zu sehen, wo ich arbeite und wie die<br />

Krankenstation ausschaut. Das war<br />

sehr nett von ihr.<br />

In den nächsten Tagen beginnt der<br />

Karneval und fast jeder spricht davon,<br />

wie toll Karneval ist und so. Ich weiß<br />

nicht, ob wir zuhause auch so etwas<br />

wie Karneval haben oder ob wir dafür<br />

nur eine andere Bezeichnung haben.<br />

Jedenfalls bin ich sehr gespannt darauf.<br />

Priscilla Daka<br />

(dt. Übersetzung von Y.Kuchiba)<br />

is really supportive and they are really understanding<br />

and kind. One of the past days my host mother went<br />

with me to my workplace to see where I work and how<br />

the ward is. That was really nice.<br />

Carnival is starting the next few days and almost<br />

everyone is talking about it and how great it is and<br />

all. I don‘t know if we have something like carnival at<br />

home or maybe it has another name but I can‘t wait<br />

to see.<br />

By Priscilla Daka<br />

Schneeballschlacht/ Snowball fight<br />

Zeichnung von/Drawing by Priscilla<br />

„Why I‘m no longer talking to white people about race“<br />

Mit ihrem Buch “Why I’m not longer talking to white<br />

people about race” (2017) (deutscher Titel: „Warum<br />

ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche“)<br />

schafft die Autorin Reni Eddo-Lodge es, Menschen auf<br />

der ganzen Welt wachzurütteln und uns postkoloniale<br />

Strukturen in unserer heutigen Welt aufzuzeigen.<br />

Ehrlich, reflektiert und sehr taff berichtet die<br />

Journalistin aus London von ihren Erfahrungen als<br />

schwarze Frau in einem weitgehend von Männern<br />

und Weißen dominierten Land: Großbritannien.<br />

Eddo-Lodge wuchs in London auf und beschäftigte<br />

sich schon früh mit postkolonialen Machtgefällen,<br />

weißen Privilegien und den Zusammenhängen<br />

zwischen Rassismus, Klassismus, Feminismus und<br />

Kapitalismus.<br />

Ja, das sind viele, riesige Begriffe auf einmal, das wirkt<br />

vielleicht erstmal abschreckend und anstrengend.<br />

So dachten wohl auch viele Menschen im Umfeld<br />

der Autorin. Sie berichtet von Freunden und<br />

Bekannten, die nicht zuhören wollen und denen die<br />

Auseinandersetzung mit den eigenen Privilegien<br />

besonders unangenehm zu sein scheint. Weiße, die<br />

behaupten, sie hätten nichts mit Rassismus zu tun,<br />

schließlich seien zwei von ihren Freunden schwarz.<br />

Männer, die leugnen, dass sie Privilegien genössen,<br />

schließlich gäbe es ja Frauenquoten, daher hätten sie<br />

viele weibliche Kolleginnen.<br />

Aus lauter Frustration, wie wenige Menschen<br />

wirklich bereit sind, sich mit ungerechten Strukturen<br />

auseinanderzusetzen, schrieb Eddo-Lodge auf ihrem<br />

Blog, warum sie sich nie wieder mit Weißen über<br />

Rassismus unterhalten möchte. Und daraufhin<br />

bekam sie plötzlich so viel Zuspruch von Menschen<br />

aus aller Welt, dass sie genau deren Gedanken<br />

endlich ausgesprochen hätte oder dass sie unbedingt<br />

weiterkämpfen soll, dass sie sich entschloss, das<br />

Thema doch wieder aufzunehmen und ein Buch zu<br />

schreiben.<br />

Mich persönlich hat das Buch zuerst unglaublich<br />

mitgenommen. Ich hatte als weiße Leserin das Gefühl,<br />

With her book „Why I‘m no longer talking to white<br />

people about race“ (2017), the author Reni Eddo-<br />

Lodge manages to wake up all people in the world and<br />

to show us post-colonial structures in today´s world.<br />

She, a journalist from London, reports honestly,<br />

reflected and tough about her experiences as a black<br />

woman in a country mostly dominated by men and<br />

whites: Great Britain. Eddo-Lodge grew up in London<br />

and from a young age, she made herself aware of the<br />

post-colonial power imbalance, white privilege and<br />

the connection between racism, classism, feminism<br />

and capitalism.<br />

Those are all quite big words and one might find them<br />

scary and overwhelming. Many people who were with<br />

the author thought so too. She reports of friends and<br />

acquaintances who did not want to listen to her and<br />

whom the confrontation over their privilege seemed<br />

to make very uncomfortable. Whites who believe<br />

that they have nothing to do with racism since two<br />

of their friends are black. Men who deny that they are<br />

privileged since there exists a female quota and hence,<br />

they have several female colleagues.<br />

Eddo-Lodge was so frustrated of how few people<br />

were really ready to confront unfair structures that<br />

she wrote on her blog of how she would never again<br />

speak with whites about racism. She then suddenly<br />

got several responses from people all over the world,<br />

who thought that she had spoken of what they also<br />

thought was true and that she should not give up. She<br />

then decided to take up the problem again and write<br />

a book about it.<br />

I, personally, was carried away by the book. I had the<br />

feeling as a white person, that I was placed in one<br />

category with all other white people. I constantly<br />

try to treat everyone equally, to be sensible of other<br />

cultures and nationalities and I see myself as an open<br />

and curious person. Why then would the author<br />

throw complaints at me, that I had it easy simply<br />

because of my privilege, and that I didn‘t even believe<br />

this privilege existed.


Seite 22 Seite 23<br />

mit allen anderen Weißen in eine Schublade gesteckt<br />

zu werden – dabei bemühe ich mich doch stets, allen<br />

Menschen gleich zu begegnen, sensibel mit anderen<br />

Kulturen und Herkünften umzugehen, und sehe mich<br />

generell als weltoffenen und neugierigen Menschen.<br />

Warum also maßt sich die Autorin in ihrem Buch an,<br />

mir vorzuwerfen, ich hätte ein einfaches Leben nur<br />

aufgrund meiner Privilegien, und würde diese noch<br />

nicht mal wahrnehmen?<br />

Erst nach längerem Nachdenken fiel mir auf, dass<br />

ich gerade durch das Zusammenstecken mit anderen<br />

Weißen in eine Schublade genau das erlebte, was<br />

Schwarze, Indigene und People of Colour (BIPoC)<br />

immer wieder durchleben: Stereotypisierung. Und<br />

durch mein Sträuben gegen diese Stereotypen verhielt<br />

ich mich genauso, wie es von mir als Weiße erwartet<br />

wurde – denn während beispielsweise „Afrikaner“ in<br />

vieler Hinsicht immer als fest zusammengehörende<br />

Gruppe betrachtet werden, betrachten wir Weißen<br />

uns selten als eine homogene Masse mit denselben<br />

Idealen und kulturellen Werten.<br />

Eddo-Lodge schafft es, die Machtverhältnisse dieser<br />

Welt einmal umzukehren. Und mutet jede*r weißen<br />

Leser*in das Gefühl zu, einmal diskriminiert und<br />

vorverurteilt zu werden. Zu Recht.<br />

Das Buch hat mich bzw. meine Sicht auf die Welt in<br />

vielen Hinsichten bereichert und erweitert. Obwohl ich<br />

nicht alle geschilderten Erfahrungen nachvollziehen<br />

kann und nicht allen Aussagen sofort zustimmen<br />

würde – und das muss ich ja auch gar nicht – war es<br />

doch unglaublich wichtig für mich zu erleben, wie es<br />

sich anfühlt, so verurteilt zu werden. Und das ja noch<br />

nicht mal durch ein reales Gegenüber.<br />

Ich bin mir der Tatsache viel bewusster, dass unsere<br />

kapitalistischen Wohlstandsstrukturen noch immer<br />

auf unserer kolonialen Vergangenheit aufbauen,<br />

dass Machtgefälle zwischen globalem Norden und<br />

globalem Süden nach wie vor existieren, dass ich als<br />

weiße Person viele Privilegien besitze, derer ich mir<br />

erst einmal bewusst werden musste. Und ich habe<br />

festgestellt, dass sich rassistische Strukturen nicht durch<br />

Schweigen und Farbenblindheit, sondern nur durch<br />

offene Gespräche, viel Zeit und Auseinandersetzung,<br />

Only after some thought did I realize that by being<br />

put into one category with all white people, I was<br />

experiencing that which black people, the Indigenous<br />

and People of Color (BiPoc) experience continuously:<br />

stereotyping. And by being ruffled up by this<br />

stereotyping, I behaved as was expected of me as<br />

a white person. Since Africans are often vi<strong>ewe</strong>d as<br />

a closely connected group, we as whites rarely view<br />

ourselves as a homogenous mass with similar ideals<br />

and cultural values.<br />

Eddo-Lodge therefore manages to turn the relationship<br />

of power. She brings every white reader to feel how it<br />

is, to be discriminated against and prejudiced. And<br />

rightly so.<br />

The book helped me to grow and enrich my views on<br />

the world. Even though I could not imagine all the<br />

experiences that were portrayed nor could I agree<br />

with all that was said - and I do not have to -, it was<br />

very important to experience the feelings that come<br />

along with being discriminated against. And that was<br />

not even through real confrontation.<br />

I now know clearer that our capitalistic structures are<br />

still built on our colonial history, that the imbalance<br />

of power between the Global North and the Global<br />

South still exists, that I, as a white person, have several<br />

privileges, which I had to learn of first. I now believe<br />

that racist structures cannot be fought through silence<br />

nor colorblindness, but through open conversation,<br />

time, confrontation and self-reflection. As a feminist,<br />

my goal should be equality for all people and not just<br />

men and women.<br />

To those as interested in themes like racism and<br />

sexual inequality in our everyday life as I am, and<br />

those who are ready to confront themselves in all<br />

dimensions, I strongly recommend this book done by<br />

an unbelievably fascinating woman.<br />

By Jolina Bilstein (English translation by Evans Chali)<br />

und viel Selbstreflektion bekämpfen lassen. Besonders<br />

als Feministin sollte mein Ziel die Gleichberechtigung<br />

aller Menschen sein, nicht nur die Gleichberechtigung<br />

von Mann und Frau.<br />

Wen Themen wie rassistische und<br />

geschlechterbegründete Ungerechtigkeiten in<br />

unserem Alltag genauso interessieren und erschüttern<br />

wie mich, und wer bereit ist, sich selbst einmal in allen<br />

Dimensionen zu hinterfragen – dem lege ich dieses<br />

Buch von einer unglaublich faszinierenden Frau sehr<br />

ans Herz.<br />

von Jolina Bilstein<br />

Reni Eddo-Lodge: “Why I´m No Longer Talking<br />

to White People About Race”<br />

Bloomsbury Circus, 2017 (272 pages)<br />

Deutsche Ausgabe: „Warum ich nicht länger mit<br />

Weißen über Hautfarbe spreche“<br />

Aus dem Englischen von Anette Grube erschienen<br />

bei Tropen 2019, 263 Seiten, 18 Euro<br />

Deutsche Weltwärts-Freiwillige beim Zwischenseminar in Tanzania/ german volunteers evaluation seminar in Tanzania

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