Wasser-verbindet-ebook
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Von den Gletschern
zum Aralsee
Wasser
verbindet
Von den Gletschern zum Aralsee –
Wasser verbindet
von Jenniver Sehring und Alfred Diebold
Vorwort 5
Einleitung 7
Wassermanagement in Zentralasien—
das vermächtnis der vergangenheit 15
Wassernutzung und Wassermanagement in vorsowjetischer Zeit 15
Wassernutzung und Wassermanagement während der Sowjetunion 19
Das ökologische Erbe: Ökologische Auswirkungen
des unnachhaltigen Wassermanagements 24
Das politische Erbe: konkurrierende Nutzungsinteressen
im Bewässerungs- und Energiesektor 28
grenzüberschreitende wasserressourcen
in den sechs staaten des aralseebeckens 33
Afghanistan 34
Kasachstan 36
Kirgistan 38
Tadschikistan 40
Turkmenistan 42
Usbekistan 44
IFAS: eine geschichte post-sowjetischer kooperation 47
IFAS: Organisation und Struktur 48
Das Aralseebeckenprogramm (ASBP) 51
Die Herausforderungen effektiver regionaler Wasserkooperation 52
Zusätzliche Bemühungen für Wasserkooperation 54
Das Gipfeltreffen 2009 und der Reformprozess 55
Die rolle internationaler akteure 59
Modernisierung der Infrastruktur für bessere Wassereffizienz 59
Förderung lokalen grenzüberschreitenden Wassermanagements 61
Verbesserung von Datenverfügbarkeit und Datenaustausch 62
Schaffung von Plattformen für Dialog 63
schlussfolgerung 65
Der Weg in die Zukunft 65
Fotoessay 69
Pamir – Amu Darja 71
Karakumkanal 113
Alai / Sarafschan 151
Tian-Shan / Syr Darja 189
Aralsee 229
Anhang 253
Literaturverzeichnis 253
Datenbanken 255
Abkürzungsverzeichnis 256
Quellen/Rechtenachweise 257
i Infokästen:
Klimawandel und Wasser 8
Amu Darja und Syr Darja: die Lebensadern Zentralasiens 10
Wasser – eine Gabe Gottes, ein Wirtschaftsgut oder ein Menschenrecht? 15
Vom Aralsee zur Aralkum: Die Aralseekatastrophe 21
Wasserknappheit – was bedeutet das? 26
Wasserressourcen und Wassernutzung in Zentralasien 29
Nahrungsmittelsicherheit oder Energiesicherheit – unvereinbare Prioritäten? 30
Wasserverfügbarkeit und Wassernutzung in den Ländern des Aralseebeckens 33
Wem gehört das Wasser? Internationales Recht und grenzüberschreitende Gewässer 47
Grenzüberschreitende Grundwasservorkommen 52
Gemeinsame Erklärung der Oberhäupter der Gründungsstaaten des Internationalen Fonds
zur Rettung des Aralsees 56
IWRM: Integriertes Wasserressourcenmanagement 59
Karte Zentralasiens
VORWORT
Zentralasien ist faszinierend. Mit der Ausstellung »Von den Gletschern zum Aralsee
.– Wasser verbindet« wollen wir, das Exekutivkomitee des Internationalen Fonds zur
Rettung des Aralsees und die internationale Gebergemeinschaft, zu einem besseren
Verständnis über die Situation der Länder, die bisher immer mit der Seidenstraße in
Zusammenhang gebracht wurden, beitragen. Wir möchten zeigen, wie Menschen in
Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan leben. Wir wollen
auch zeigen, wie Wasser allen Lebewesen in der zentralasiatischen Region dient.
Das Buch besteht aus drei Teilen. Ein analytischer Teil enthält Hintergrundinformationen
zu Wasser und grenzüberschreitendem Wasserressourcen-Management, ein
zweiter Fotos und ein dritter einen langen Film und einige Kurzfilme. Filme, Fotos und
Text des Buches möchten die Region dem Betrachter näher bringen und letztlich auch
bei den Menschen in der Region Zentralasien für mehr Verständnis werben. Wir sind
überzeugt, dass die Zusammenarbeit von staatlichen, nichtstaatlichen und internationalen
Akteuren der Schlüssel für Frieden, wirtschaftliche und soziale Entwicklung ist.
Unsere Reise beginnt in den Bergen des Tian Shan und Pamirs. Wir fahren entlang
der Flüsse Amu Darja, dem Sarafschan, dem Syr Darja, dem Karakumkanal und bis wir
schließlich den Aralsee erreichen. Wir bekommen Antworten auf die Fragen, die mit
dem grenzüberschreitenden Wasserressourcenmanagement, dem Klimawandel, internationalen
Konventionen, der integrierten Bewirtschaftung der Wasserressourcen und
der Aralseekatastrophe zusammenhängen.
Es ist nun 20 Jahre her, dass die Sowjetunion zusammenbrach. Unerwartet haben
die Länder Zentralasiens ihre Unabhängigkeit erlangt. Es war sicherlich keine leichte
Aufgabe, Nationen zu errichten, Mechanismen für die Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten
zu entwickeln. Diese Ausstellung soll auch ein Bewusstsein dafür schaffen,
dass nur gegenseitiges Verständnis und Kompromisse zu besseren Ergebnissen und
Lebensbedingungen für die Menschen in Mittelasien führen können. Es sind die Menschen,
die im Mittelpunkt all unserer Entwicklungsanstrengungen stehen müssen.
Wir danken der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen, der
deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und der Schweizer Direktion
für Entwicklung und Zusammenarbeit für die großzügige finanzielle Unterstützung.
Das Buch 1 und die Ausstellung sollen zu einem noch besseren Verständnis zwischen den
Ländern beitragen und einem breiten Publikum auf der ganzen Welt zugänglich gemacht
werden.
Saghit Ibatullin, Vorsitzender, des Exekutivkomitees
des Internationalen Fonds zur Rettung des Aralsees (EC IFAS)
1 Der Text des Buches entspricht nicht in allen Fällen der Meinung von EC IFAS.
Vorwort 5
Einleitung
Zentralasien – eine vielen unbekannte Region, die sich vom Kaspischen Meer, dem größten
Binnengewässer der Erde, bis hin zu den Ausläufern der höchsten Gebirgszüge, des
Pamirs und des Himalayas, erstreckt. Über Jahrhunderte hinweg durchzogen Karawanen
das Gebiet entlang der berühmten Seidenstraße, und so bildete die Region mit ihren
endlos erscheinenden Steppen, Wüsten und Gebirgszügen eine Brücke zwischen Europa
und Asien. In den Oasengebieten entlang der Flüsse errichteten mächtige Khane Städte
wie Samarkand und Buchara, die sich zu Zentren islamischer Gelehrtheit entwickelten.
Ausgeklügelte Bewässerungssysteme wurden entwickelt, um das Land nutzbar zu machen
und die Bevölkerung zu ernähren. Unter den trockenen Umweltbedingungen war Zugang
zu Wasser durch die Geschichte hindurch eine grundlegende Frage der Lebenssicherung.
Zwei mächtige Ströme durchfließen Zentralasien: der Amu Darja (Darja ist das persische
Wort für Fluss), von den antiken Griechen Oxus genannt, und der Syr Darja, im Altertum
als Jaxartes bekannt. Vor 1991 und dem Zusammenbruch der Sowjetunion flossen beide
Ströme größtenteils innerhalb der UdSSR, mit einem kleinen Einzugsgebiet in Afghanistan.
Heute durchfließen sie mehrere unabhängige Staaten: Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan,
Turkmenistan und Usbekistan sowie Afghanistan.
Betrachtet man alleine die Gesamtmenge, ist Wasser in Zentralasien eigentlich
nicht knapp. Es ist aber räumlich höchst verteilt. Der größte Teil des erneuerbaren Oberflächenwassers
bildet sich in den Bergregionen Tadschikistans, Kirgistans und Afghanistans.
Genutzt wird es allerdings größtenteils in den Staaten flussabwärts, nämlich in
Kasachstan, Turkmenistan und Usbekistan. Übernutzung und unnachhaltiges Wassermanagement
in der Vergangenheit führten zur weltbekannten Umweltkatastrophe des
austrocknenden Aralsees, der heute nur noch ein Zehntel seiner Größe von vor 50 Jahren
umfasst. Mit dem Zerfall der Sowjetunion war diese Katastrophe und die Verteilung
der Wasserressourcen nicht mehr nur eine Angelegenheit eines Staates, sondern von fünf
jungen Staaten und ihres Nachbarn Afghanistan, die nun in diesen Fragen kooperieren
müssen.
Als ob diese Aufgabe nicht schon groß genug wäre, kommen zu dem schwierigen
Erbe der Vergangenheit noch die Herausforderungen der Zukunft: die drängendsten
sind das stetige Bevölkerungswachstum und der Klimawandel. Die globale Erwärmung
beeinflusst bereits heute die Wasserverfügbarkeit in Zentralasien: Während sich das
Wasservolumen in den Gletscher- und schneegespeisten Flüssen verringert und manche
gar ganz zu versiegen drohen, steigt der Wasserbedarf in der Landwirtschaft aufgrund
der steigenden Temperaturen und höherer Verdunstungsraten.
Einleitung 7
i
Klimawandel und Wasser
Zentralasien ist gekennzeichnet durch ein trockenes und kontinentales Klima: die Sommer
sind sehr heiß (bis zu 50°C in den Wüstengebieten), die Winter sehr kalt (bis zu -60°C in
den Hochgebirgen im Osten Tadschikistans) und die Niederschlagsmenge sehr gering. In den
letzten Jahrzehnten ist durch die globale Erwärmung auch die Durchschnittstemperatur in
Zentralasien angestiegen. Die untenstehende Karte zeigt den Anstieg pro Jahrzehnt.
Veränderung der Oberflächen-
Temperatur, 1951–2001
Veränderung der Niederschläge,
1951–2001
Temperaturwechsel
in °C pro Jahrzehnt
0,1
0,2
0,4
Veränderung des
Niederschlags in
mm pro Jahrzehnt
2
1
0
-1
-2
Auf der Karte wird deutlich, dass der Temperaturanstieg je nach Region unterschiedlich ist.
Er ist auch saisonal verschieden: Im Allgemeinen ist die Erwärmung in den Wintermonaten
stärker als in den anderen Jahreszeiten. Allerdings sind die Höchsttemperaturen im Sommer
auch angestiegen. Seit den 1950er Jahren hat sich die Anzahl der Tage mit über 40°C in den
südlichen Gebieten Zentralasiens erhöht. Klimaszenarien sagen für Zentralasien einen Temperaturanstieg
von 1–3°C bis 2030–2050 vorher. Am Ende des Jahrhunderts könnten die Temperaturen
sogar um 6°C ansteigen, sofern die weltweiten Emissionen nicht reduziert werden.
Durch den Klimawandel haben sich auch die Niederschlagsmuster verändert. Wie die Karte
zeigt, stieg der Niederschlag im Norden an, während er sich im Süden, wo viele Ackerflächen
liegen, verringerte.
in
km 3
700
600
500
400
300
200
100
0
Veränderung des Gletschervolumens
TA D S C H I K I S TA N
vor 50
Jahren
Heute
? ?
in 50
Jahren
K I R G I S TA N
vor 50
Jahren
Heute
in 50
Jahren
Der Klimawandel hat enorme
Auswirkungen auf die Wasserversorgungssicherheit:
sowohl die
Niederschlagsvariabilität als auch
die Anzahl der Wetterextremereignis
se werden zunehmen und da mit
die Wasserverfügbarkeit we niger
vorhersagbar machen. Gleichzeitig
erhöht sich aufgrund steigender
Temperaturen der Wasserbedarf.
Doch der alarmierendste
E fekt der globalen Erwärmung in
Zentralasien ist das Schmelzen der
8
Einleitung
Gletscher. Seit 1950 sind bereits zwischen 14
und 30 % der Gletscher des Tian Shans und
Pamirs abgeschmolzen. Heute wird die Reduktionsrate
auf 0,2–1 % pro Jahr geschätzt. Einige
kleine Gletscher mit einer Fläche von weniger
als 0,5 km² sind bereits völlig weggeschmolzen.
Ein damit zusammenhängendes Phänomen
ist das Risiko verheerender Gletscherseeausbrüche
(sogenannte Glacial Lake Outburst
Floods, GLOFs), die entstehen wenn
Wasser, das vom Gletscher gestaut wurde,
durchbricht. Durch die verstärkte Gletscherschmelze
ist die Anzahl von Gletscher seen
und von Ausbrüchen weltweit angestiegen.
Auch in Zentralasien ist das Risiko sehr akut.
Wissenschaftler warnen, dass alleine in Kirgistan
bei über 20 Gletscherseen das Risiko eines
Ausbruchs besteht.
Auswirkungen des Klimawandels
auf Flüsse
durchschnittlicher Wasserabfluss in km 3 pro Jahr
90
Der Rückgang der Gletscher hat enorme Auswirkungen auf die Wasserverfügbarkeit
in den Flüssen Zentralasiens. Schmelzwasser von Schnee, Gletschern und Permafrost macht
80 % des gesamten Wasserabflusses in Zentralasien aus. Insofern spielen Gletscher eine wichtige
Rolle für die Wasserversorgung sowohl für die Bewässerungslandwirtschaft als auch für
die Energieproduktion. Bisher und in naher Zukunft steigt die Abflussmenge durch die intensiveren
Schmelzprozesse leicht an. Langfristig aber, wenn die Gletscher immer kleiner geworden
sind, wird sich die Wassermenge in den Flüssen verringern. Experten schätzen, dass sich
durch Gletscherschwund, Verlust von Permafrostboden, und höherer Verdunstung aufgrund
höherer Temperaturen der Abfluss des Amu Darja bis 2050 um 7 bis 15 % verringern wird,
und der des Syr Darja um 5 %. Für die folgenden Jahrzehnte bis 2100 nimmt man einen noch
stärkeren Rückgang an, wie die Grafik zeigt. In kleineren Flüssen, die von kleinen Gletschern
gespeist werden, wird der Wasserrückgang dramatischer sein, bis hin zum völligen Austrocknen
innerhalb weniger Jahrzehnte. Aber selbst ein geringer Rückgang der Abflussmenge kann
schon katastrophale Folgen an den Unterläufen haben, die bereits heute mit Wassermangel
kämpfen. Die zentralasiatischen Wasserexperten müssen sich auf ernsthafte Wasserknappheit
in den nächsten Jahrzehnten einstellen.
Dies wird noch dadurch verschärft, dass die Nachfrage nach Wasser ansteigen wird –
aufgrund von Bevölkerungswachstum, höheren Temperaturen und niedrigeren Niederschlagsmengen
in Teilen Zentralasiens. Diese Entwicklungen betrefen auch die grenzüberschreitende
Zusammenarbeit: Eine ihrer grundlegenden Herausforderungen – sich ständig
ändernden Abflussmengen, die eine kontinuierliche Planung und Anpassung von Nutzungsanteilen
erfordern – verstärkt sich, da die Variabilität zunimmt. Grenzüberschreitende Wasserkooperation
erfordert deswegen flexible und starke Institutionen. 1
80
70
60
50
40
30
20
10
0
A M U D A R J A
Reduktion des
Wasserabflusses
Vorhersage 2071–2100
gegenüber heute
(A1B Szenario)
S Y R D A R J A
1 EDB 2009, ZOI 2009
Einleitung 9
Aufgrund dieser schwierigen Bedingungen haben nicht wenige Experten Anfang der 1990er
Jahre befürchtet, dass es in Zentralasien zu gewalttätigen Konflikten über Wasser kommen
könnte. Doch im Gegensatz dazu sind diese nicht nur ausgeblieben, sondern es hat sich in
den letzten 20 Jahren auch regionale Kooperation im Wassermanagement entwickelt und
institutionalisiert. Diese Studie gibt einen Überblick über die bisherigen Entwicklungen
und Erfolge, aber auch über nach wie vor bestehende Schwächen sowie Herausforderungen
und Perspektiven für die zukünftige Entwicklung.
i
Amu Darja und Syr Darja: die Lebensadern Zentralasiens
Die beiden größten Ströme Zentralasiens sind der Amu Darja und der Syr Darja. Beide münden
in den Aralsee; ihr Einzugsgebiet bildet das Aralseebecken. Dieses umfasst das südliche
Kasachstan, den größten Teil der Landesflächen von Kirgistan und Turkmenistan, und praktisch
das gesamte Gebiet Tadschikistans und Usbekistans, dazu auch den nördlichen Teil von
Afghanistan und ein kleines Gebiet im Iran.
Der Amu Darja hat eine durchschnittliche jährliche Abflussmenge von 74 km³ und
ist damit der mächtigste Strom Zentralasiens. Seine Quellen sind die Flüsse Pandsch und
Vachsch in Tadschikistan und Afghanistan. Nach ihrem Zusammenfluss bildet der Amu Darja
erst die Grenze Afghanistans mit Tadschikistan, dann mit Usbekistan und schließlich mit
Turkmenistan. Er durchfließt Turkmenistan nach Usbekistan, wo er das südliche Ufer des
Aralsees erreicht. Seine Gesamtlänge von der Quelle des Pandsch aus gemessen ist 2 540 km.
Sein Einzugsgebiet wird je nach Berechnung mit 465 000 km² bis 612 000 km² angegeben.
Dazu gehören auch die Flüsse Scherabad, Surchan Darja, Kaschka Darja und Sarafschan, auch
wenn die beiden letzteren nicht in den Amu Darja münden sondern vorher versanden.
Der Syr Darja ist mit 3 019 km, von der Quelle seines Hauptzuflusses Naryn gemessen,
wesentlich länger als der Amu Darja, aber seine Abflussmenge ist viel geringer: im Durchschnitt
37 km³ pro Jahr. Der Naryn entspringt in Kirgistan, fließt in das Ferganatal, wo er sich
mit dem Kara Darja vereinigt und dann Syr Darja heißt. Er fließt von Kirgistan durch usbekisches
und tadschikisches Gebiet, dann wieder nach Usbekistan und schließlich nach Kasachstan,
wo er in den nördlichen Teil des Aralsees mündet. Die Fläche seines Einzugs gebietes
wird auf 782 617 km² geschätzt.
Das Aralseebecken vor 1960
Das Aralseebecken heute
10
Einleitung
Durchschnittlicher saisonaler Abfluss des Amu Darja
Wasserabfluss in m 3 pro Sekunde
5000
Bewässerungsperiode
4000
3000
Verringerung des
Wasserabflusses
2000
1000
0
Jan Feb MÄr Apr Mai Jun Jul Aug Sep OKt Nov Dez
heute
Vorhersage 2071–2100 (A1B Emissionsszenario)
Da sich beide Flüsse vor allem aus der Schnee- und Gletscherschmelze speisen, variiert
die Abflussmenge je nach Jahreszeit, wobei sie im Frühjahr und Sommer am höchsten
ist. Auch zwischen den einzelnen Jahren kann die Wassermenge je nach Wetterbedingungen
erheblich variieren. In wasserreichen Jahren hat der Wasserabfluss im Amu Darja bis zu
96,3 km³ (1969) erreicht, während er in trockenen Jahren wie 1947 auf 52,8 km³ sank. Auch der
Syr Darja kennt diese Schwankungen: von 18,3 km³ 1917 bis zu 72,5 km³ im Jahr 1921.
Einleitung 11
Grafische Darstellung des Amu Darja
Garm (TJ)
Alajskaja (KG)
Rogun
Schurobadskaja
Nurek
Bajpasa Perepadnaja Zentralnaja
Vachsch
Sangtuda #1
Sangtuda #2
Vachsch (TJ)
Karatag-Schirkent (TJ)
Golovnaja
Flüsse
Oberer Kafirnigan (TJ)
Unterer Kafirnigan (TJ)
Dastidschum
Flüsse
Pandsch
Kafirnigan
Surkhan Darja (UZ)
Afghanistan
Pandsch (TJ)
Gorny Badachschan
(TJ)
Surkhan Darja
Kundus
Scherabad
Kelif
Ahal (TM)
Balchan (TM)
Javan
Dupuli
Kaschka Darja
(UZ)
Amu Darja
Mary (TM)
Garagumdarja
(Karakumkanal)
Sarafschan (TJ)
Samarkand (UZ)
Sarafschan
Karschi (UZ)
Karshi
Kanal
Lebap (TM)
Goldener See (TM)
(Altin Asyr)
Sultandag
Turkmenischer Hauptkanal
Syr Darja
Flussbecken
(Jizakh)
Navoi (UZ)
Buchara (UZ)
Parsankul
Amu-Buchara
Kanal
Bir-Ata
(Darganata)
Daschogus Kanal
Sarykamysch
Südl. Karakalpakstan (UZ)
Tujamujun Reservoir
und Wasserkraftwerk
Choresm (UZ)
Daschogus
(TM)
Nördl. Karakalpakstan (UZ)
Flüsse
Wassertransfer
Wasserentnahme
Südliche Aralregion & Aralsee
KZ – Kasachstan
KG – Kirgistan
TJ – Tadschikistan
Rückflüsse
Messstation
Wasserkraftwerk
TM – Turkmenistan
Planungszone (PZ)
Reservoir
See
UZ – Usbekistan
12
Einleitung
Wasserabfluss in m 3 pro Sekunde
Durchschnittlicher saisonaler Abfluss des Syr Darja
5000
Bewässerungsperiode
4000
Verringerung des
Wasserabflusses
3000
2000
1000
0
Jan Feb MÄr Apr Mai Jun Jul Aug Sep OKt Nov Dez
heute
Vorhersage 2071–2100 (A1B Emissionsszenario)
Um den Wasserfluss zu regulieren und die Wasserverfügbarkeit sicherzustellen, wurde im
Laufe des letzten Jahrhunderts ein komplexes System von Staudämmen, Stauseen, Kanälen
und anderer Infrastruktur errichtet. Einige Flüsse wie der Naryn sind fast völlig reguliert. Der
Betrieb und Unterhalt dieser Infrastruktur, die oft von grenzüberschreitender Bedeutung ist,
verlangt gute Koordinierung aller involvierten nationalen Behörden und einen grenzüberschreitenden
regulativen Rahmen. 2
2 Cawater-info.net, UNECE 2007, UNECE 2011.
Einleitung
13
Grafische Darstellung des Syr Darja
Oberer Naryn (KG)
Kambarata #1
Kambarata #2
Toktogul Reservoir und Wasserkraftwerk
Flüsse
Kurupsaj
Taschkumyr
Naryn
Naryn Mittellauf (KG)
Nördliches Ferganatal (KG)
Nördl. Ferganatal
(KG)
Schamalsusaj
Utschkurgan
Namangan-
Naryn (Uz)
Flüsse
Andischan (UZ)
Andischan Reservoir und
Wasserkraftwerk
Kara Darja
Namangan-
Naryn (UZ)
Andijan (UZ)
Namangan-
Syr Darja (UZ)
Kampyr-Ravat
(KG)
Chudschand
(TJ)
Syr Darja
Fergana (UZ)
Chudschand
(TJ)
Südl. Fer gana tal
(KG)
Flüsse
Kairakkum
Isfara (TJ)
Flüsse
Taschkent-Syr Darja (UZ)
Farchad Stausee
Farchad
Schachristan-
Lakkatsavat (TJ)
Achangaran
Tschatkal
(KG)
Hojikent
Taschkent-Tschirtschik
(UZ)
Tschirtschik Gasalkent
Tscharwak
Stausee und
TSCHAKIR (KZ)
Wasserkraftwerk
Golodnaja-Stufe
(KZ)
Amasaj
Syr Darja (UZ)
Dschissach
(UZ)
Iski
Tjatortor
ARTUR (KZ)
Schardara Stausee
Koksarai
Aidarul
Kysylkum (KZ)
Kysyorda (KZ)
in den großen
Aralsee
Flüsse
Wassertransfer
Wasseraufnahme
Nördliche Aralregion & Aralsee
KZ – Kasachstan
KG – Kirgistan
TJ – Tadschikistan
Rückflüsse
Messstation
Wasserkraftwerk
TM – Turkmenistan
Planungszone (PZ)
Reservoir
See
UZ – Usbekistan
14
Einleitung
Wassermanagement in Zentralasien –
das Vermächtnis der Vergangenheit
Die fünf ehemaligen Sowjetrepubliken im Aralseebecken, also alle Länder abgesehen von
Afghanistan, teilen eine gemeinsame Geschichte unter russischer und sowjetischer Herrschaft,
die Wassernutzung und Wassermanagement extrem beeinflusst hat. Diese gemeinsame
Vergangenheit und ihre Auswirkungen werden im folgenden Kapitel dargestellt.
Wassernutzung und Wassermanagement in vorsowjetischer Zeit
Zentralasien hat eine lange Geschichte der Bewässerungslandwirtschaft. Um das nutzbare
Land zu erschließen wurden im Laufe der Jahrhunderte aufwändige und ausgefeilte
Wassermanagementsysteme entwickelt. Der Wohlstand im 7. Jahrhundert unter arabischer
Herrschaft verdankte sich unter anderem der Erweiterung der Bewässerungssysteme in
den Gebieten mit sesshafter Bevölkerung. Die Kontrolle über die Wasserverteilung oblag
der zentralen Verwaltung, während das Management in der Verantwortung der lokalen
Beamten lag. Der Khan verstand sich als eine Art Treuhänder im Namen Allahs. Bauern
zahlten Gebühren für die Wassernutzung und waren verpflichtet, sich an den notwendigen
Instandhaltungsarbeiten zu beteiligen. Sogenannte Mirabi – »Wassermeister« – waren für
die lokalen Kanäle zuständig und Aryk Aksakaly (wörtlich: Kanalälteste) für die kleinen
Kanäle. Die höchste Position war die des Mirab Bashi, der für die Wasserverteilung zuständig
war und zum Regierungsapparat gehörte. Die Mirabi wurden von den Wassernutzern
gewählt und mit Sachleistungen bezahlt, wobei die Höhe von der Zufriedenheit mit ihrer
Arbeit abhing. Diese Wasserämter waren äußerst prestigeträchtig. Neben der Position des
Mirab gab es eine weitere wichtige informelle Institution für das Wassermanagement, das
Hashar oder Ashar. Ein Hashar ist eine kollektive freiwillige Arbeit aller Mitglieder einer
Gemeinde, die Teil eines breiteren Reziprozitätssystems auf Dorf- oder Nachbarschaftsebene
war. Hashar wurde unter anderem für Bau, Renovierung und Instandhaltung von
kleinen lokalen Kanälen organisiert.
i
Wasser – eine Gabe Gottes, ein Wirtschaftsgut
oder ein Menschenrecht?
Wasser ist eine natürliche Ressource – so wie Holz, Kohle, Öl oder Gold. Und doch ist Wasser
anders als sonstige natürliche Ressourcen. Wir können eine Zeitlang ohne Holz oder Öl
Wassermanagement in Zentralasien – das Vermächtnis der Vergangenheit
15
überleben, aber nicht ohne Wasser. Es ist die Basis des Lebens, und wird deswegen nicht nur
für viele verschiedene wirtschaftliche und technische Zwecke genutzt, sondern hat auch kulturellen,
sozialen und symbolischen Wert. Darum besitzt Wasser in vielen Religionen eine
besondere Bedeutung und steht oft am Anfang der Schöpfungsgeschichte.
Vor allem in jenen Religionen, die in wasserarmen Regionen entstanden – wie das
Judentum, Christentum und der Islam – spielt Wasser eine besondere Rolle. Die Geschichten
des Alten Testaments spiegeln die Erfahrungen der Menschen im Nahen Osten mit Wasserknappheit
wider und zeigen den Respekt, den sie sowohl der lebensspendenden wie der zerstörerischen
Kraft des Wassers zollten. Gott wird gepriesen als derjenige, der Wasser und damit
Leben gibt. Islamische Mystiker vergleichen Allah mit einem endlosen Ozean. Das Paradies
wird beschrieben als ein Garten mit kühlem klarem Wasser. Auch die reinigende Funktion des
Wassers ist mit rituellen Waschungen vor dem Gebet oder während Pilgerreisen ein gemeinsames
Element vieler Religionen. Im Christentum wird der Gläubige durch das Ritual der Taufe
gereinigt und in die christliche Gemeinschaft aufgenommen. Millionen von Hindus vollziehen
rituelle Waschungen im Ganges, dem wichtigsten der sieben heiligen Flüsse im Hinduismus. 1
Diese spirituelle Bedeutung des Wassers hat auch ganz praktische Implikationen. So
gilt Wasser im Islam als Geschenk Allahs und hat deswegen den Status eines Gemeinschaftsguts,
zu dem jeder Zugang haben sollte. Folglich argumentieren viele Interpretationen des
Korans, dass es verboten ist Wasser zu kaufen oder zu verkaufen. Wenn jedoch Infrastruktur,
Wissen oder Arbeitskraft investiert wurden um es zugänglich zu machen, dürfen Gebühren
erhoben werden. Betrachtet man Wasser als Geschenk Gottes hat dies auch Konsequenzen
für den Umgang mit Wasser: Ich sollte es als ein Geschenk wertschätzen und nicht vergeuden;
es ist ein Geschenk nicht nur für mich, sondern auch für meinen Nachbarn, also sollte
ich ihm die Nutzung nicht verwehren. Im Koran wie auch in den Hadith (Überlieferungen
über die Taten und Aussagen Mohammeds) finden sich explizite Aussagen, dass Wasser sparsam,
gerecht, in Abstimmung mit anderen Nutzern und unter Berücksichtigung der Umwelt
genutzt werden sollte. 2 Dementsprechend gaben bei einer Umfrage über die Gründe für sparsamere
Wassernutzung im Syr Darja-Becken 20 % der Befragten an, dass für sie finanzielle
Anreize entscheidend sind, während 30 % moralische und religiöse Beweggründe nannten. 3
So kann der »symbolische« Wert des Wassers in Religion und Kultur eine sehr konkrete Motivation
zum sparsamen Umgang mit Wasser sein.
Im 20. Jahrhundert haben sich jedoch die Wassermanager rund um den Globus nur auf
die technischen Fragen ausreichenden Wasserangebots konzentriert: Man nahm an, dass die
Nachfrage nach Wasser aufgrund von Bevölkerungswachstum und wirtschaftlicher Entwicklung
steigen würde. Um diese zukünftige Wassernachfrage zu bedienen wurden technische
Lösungen auf der Angebotsseite entwickelt: riesige Infrastrukturprojekte wie Staudämme,
Stauseen und Bewässerungssysteme.
Das wachsende Umweltbewusstsein ab den 1960ern führte zu vermehrter Kritik an den
ökologischen Folgen dieser Projekte und der Forderung nach Berücksichtigung ökologischer
Erfordernisse im Wassermanagement. Gleichzeitig führte der technische Fortschritt in den
1 Kürschner-Pelkmann 2003.
2 Faruqui 2001.
3 Abdullaev, Kazbekov and Molden 2007.
16 Wassernutzung und Wassermanagement in vorsowjetischer Zeit
Industrieländern zu neuen wassersparenden Technologien und widerlegte die alte Vorstellung,
dass wirtschaftliche Entwicklung und Bevölkerungswachstum zwangsläufig zu höherem
Wasserverbrauch führten. Diese Kritik wurde später ergänzt vom Konzept von Wasser als
ökonomischem Gut, das vor allem von internationalen Finanzinstitutionen und Geberorganisationen
forciert wurde.
Es basiert auf der Annahme, dass Wasser einen ökonomischen Wert hat und deswegen
auch einen Preis haben sollte. Dieser ökonomische Wert entsteht durch die Kosten, die die
Bereitstellung von Wasser verursacht, und den Wert, der durch seine Nutzung gewonnen wird.
Als einer der Hauptgründe für ineffiziente und verschwenderische Wassernutzung wird fehlende
oder unzureichende Preisgestaltung ausgemacht. Angemessene und kostendeckende
Preise würden hingegen ausreichende Finanzmittel für die Instandhaltung der Infrastruktur
garantieren, wichtig für verlässliche Wasserlieferung, und zudem einen Anreiz zum Wassersparen
bieten. Auf politischer Ebene soll das Konzept helfen, Entscheidungen über Wasserverteilung
zwischen den verschiedenen wirtschaftlichen Sektoren zu treffen.
Auf internationaler Ebene wurde dieser Ansatz mit den sogenannten Dublin-Prinzipien von
1992 anerkannt. Diese besagen:
• Trinkwasser ist ein endliches und verletzliches Gut, das absolut notwendig ist für Leben,
Entwicklung und Umwelt.
• Entwicklung und Management von Wasser muss auf einem partizipativen Ansatz beruhen,
der Verbraucher, Planer und Entscheidungsträger aller Stufen einschließt.
• Frauen spielen eine entscheidende Rolle bei Bereitstellung, Verwaltung und Schutz von
Wasser.
• Wasser hat einen wirtschaftlichen Wert in seinen konkurrierenden Nutzungsarten und
sollte als ökonomisches Gut anerkannt werden. 4
Diese Prinzipien sind seitdem zu einem wichtigen Bezugspunkt im internationalen Diskurs
über Wassermanagement geworden. Nichtsdestotrotz sind sie nach wie vor umstritten und
Gegenstand einer lebhaften Debatte zwischen Behördenvertretern, Akademikern, Praktikern,
zivilgesellschaftlichen Aktivisten und privatwirtschaftlichen Akteuren.
In den letzten Jahrzehnten haben mehrere UN Organisationen und Konferenzen Fragen
der Trinkwasserversorgung und Sanitäreinrichtungen im Menschenrechtskontext betrachtet.
Dies liegt in der Tatsache begründet, dass immer noch etwa 884 Millionen Menschen weltweit
keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und mehr als 2,6 Milliarden Menschen keinen
Zugang zu elementaren sanitären Anlagen haben. Dies ist nicht nur ein ernstes soziales und
gesundheitliches Problem. Zugang zu Wasser ist auch eine notwendige Voraussetzung für die
Erfüllung von Menschenrechten wie der Rechte auf Leben, angemessenes Wohnen, Bildung,
Nahrung, Gesundheit, Arbeit und Teilnahme am kulturellen Leben. Deswegen haben Aktivisten
argumentiert, dass der Zugang zu Wasser nicht nur ein grundlegendes Bedürfnis des
Menschen ist, sondern auch ein Menschenrecht. Nach dieser Auffassung darf der Zugang zu
Trinkwasser nicht davon abhängen, ob man es sich leisten kann. Es Armen zur Verfügung zu
stellen ist kein Akt der Wohltätigkeit sondern die Erfüllung eines berechtigten Anspruchs.
4 http://www.wmo.int/pages/prog/hwrp/documents/english/icwedece.html
Wassermanagement in Zentralasien – das Vermächtnis der Vergangenheit 17
Im Jahre 2008 hat der UN Menschenrechtsrat in Genf auf Initiative von Deutschland
und Spanien eine Resolution zu Menschenrechten und dem Zugang zu sauberem Trinkwasser
und Sanitärversorgung angenommen und das Mandat einer Unabhängigen Expertin für
das Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung geschaffen, das von
Catarina de Albuquerque wahrgenommen wird (seit März 2011 umbenannt in Sonderberichterstatterin
für das Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung). Ein
weiterer Durchbruch wurde am 28. Juli 2010 erzielt, als die Generalversammlung der Vereinten
Nationen eine nicht-bindende Resolution zum Menschenrecht auf Zugang zu sauberem
Trinkwasser und Sanitärversorgung angenommen hat. Die Resolution fordert Staaten und
internationale Organisationen auf, mittels finanzieller, professioneller und technischer Unterstützung
den Entwicklungsländern zu helfen allen Menschen sicheres, sauberes, zugängliches
und erschwingliches Trinkwasser und Sanitäranlagen zur Verfügung zu stellen. Allerdings
hat es die Staatengemeinschaft nicht geschafft, einen Konsens über den Text zu erreichen, so
dass sich 41 Staaten bei der Abstimmung enthalten haben. Im März 2011 hat auch der UN Menschenrechtsrat
eine Resolution zum Recht auf sicheres Trinkwasser und Sanitärversorgung
angenommen.
Ein Menschenrecht auf Wasser heißt allerdings nicht, dass Wasser umsonst sein muss
oder dass die Frage der Kostendeckung nicht berücksichtigt werden soll. Vielmehr heißt es,
dass Regierungen verantwortlich dafür sind, dass allen ausreichend Wasser für die grundlegende
Versorgung (zum Trinken, für die Nahrungszubereitung, für die persönliche Hygiene,
zum Waschen der Kleider und ähnliches) zu einem erschwinglichen Preis zur Verfügung steht.
Es sagt aber nichts darüber aus, ob die Wasserversorgung staatlich oder privat sein sollte und
wie der Zugang geregelt wird. 5
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam Zentralasien – damals Turkestan genannt –
unter die Herrschaft des russischen Zarenreiches. Die russische Landwirtschaftspolitik
verfolgte die massive Ausweitung des Baumwollanbaus und damit verbunden auch der
Bewässerungsanlagen. Meist wurde dabei das frühere Managementsystem beibehalten.
So wurden die Positionen des Mirab und des Aryk Aksakal formalisiert und als bezahlte
Funktionen in die Kolonialverwaltung integriert. Das bedeutete jedoch auch, dass sie
nicht mehr den Wassernutzern rechenschaftspflichtig waren sondern der Verwaltungshierarchie
und damit auch weniger Anreiz hatten, für eine gerechte und effektive Wasserverteilung
zu sorgen. Dazu kamen neue Beamte, die wenig Wissen über die Bedingungen
vor Ort hatten. Durch die Ausweitung des Baumwollanbaus intensivierte sich auch die
Konkurrenz um Wasser. All diese Faktoren führten dazu, dass die traditionellen Institutionen
des Wassermanagements geschwächt wurden, während gleichzeitig keine neuen
effektiven Kontrollmechanismen etabliert wurden. Dadurch kam es zu Korruption und
unerlaubten Wasserentnahmen. 6
5 OHCHR 2011.
6 Bichsel 2009, O’Hara 2000, Thurman 2002.
18 Wassernutzung und Wassermanagement in vorsowjetischer Zeit
Wassernutzung und Wassermanagement
während der Sowjetunion
Viele der ehrgeizigen Pläne der zaristischen Politik für Zentralasien wurden im 20. Jahrhundert
von der Sowjetunion übernommen und weitergeführt. Zum einen hatte die Sowjetregierung
das Ziel, die UdSSR auf dem weltweiten Baumwollmarkt zu etablieren, und
Zentralasien war dafür die wichtigste Anbauregion. Zum anderen war Zentralasien der
ärmste Teil der Sowjetunion mit hohem Wachstum der ländlichen Bevölkerung, dessen
sozio-ökonomische Entwicklung durch Investitionen in die Landwirtschaft gefördert werden
sollte. So finanzierte und baute die Sowjetunion Bewässerungsanlagen und andere
Wasserinfrastruktur im großen Maßstab. Dank eines riesigen Landerschließungsprogrammes
für die Steppen und Wüstengebiete konnte die bewässerte Fläche in Zentralasien
von 4,2 Millionen ha im Jahr 1950 auf 7,4 Millionen ha im Jahr 1989 ausgeweitet werden.
Damit verbunden war selbstverständlich auch ein Anstieg des Wasserverbrauchs für die
Landwirtschaft. Als Folge hat sich der Wasserzufluss von Amu Darja und Syr Darja in den
Aralsee von im Durchschnitt jährlich 56 km³ pro Jahr Anfang der 1960er Jahre auf ungefähr
6 km³ pro Jahr in den 1980ern reduziert.
Die Erschließung von Millionen Hektar Bewässerungsland und der wasserintensive
Baumwollanbau in den Republiken am Unterlauf der Flüsse verlangte ein ausgeklügeltes
System für Wasserspeicherung und -verteilung mit enormen Investitionen
in Kanäle, Stauseen und Wasserpumpstationen. In den Ebenen wurden zehntausende
Kilometer an Kanälen gebaut. Der längste davon ist der Karakumkanal in Turkmenistan,
dessen Bau 1954 begonnen wurde. Er transportiert Wasser vom Amu Darja von Kerki an
der Grenze zu Usbekistan westwärts nach Mary, zur Hauptstadt Aschgabat und weiter in
die Regionen nahe des Kaspischen Meeres. Andere große Kanalbauten sind der Große
Fergana-Kanal (gebaut 1939), das Amu-Buchara Bewässerungssystem, der Karschi Kanal,
der den Amu Darja und den Talimardschan-Stausee verbindet, und Stauseen wie der
Tujamujun in der Region Choresm, der von Usbekistan und Turkmenistan gemeinsam
genutzt wird. In einigen Gebieten war die Erschließung von neuem Bewässerungsland
nur mit der Installation von Pumpen möglich, vor allem in den usbekischen und tadschikischen
Sowjetrepubliken, wo mehr als 60 % des Bewässerungslandes ihre Wasserzufuhr
zumindest teilweise über Pumpen erhalten.
In den Bergregionen an den Oberläufen der Flüsse wurden zahlreiche Dämme und
Stauseen errichtet, um die Flüsse zugunsten der Bewässerungsbedürfnisse besser regulieren
zu können. Der größte Stausee ist der Toktogul-Stausee in der Kirgisischen SSR mit
einem Fassungsvermögen von 19,5 km³. Er ist Teil der Naryn-Syr Darja-Kaskade – einem
System von Stauseen und Dämmen am Naryn Fluss (Toktogul, Kurpsau, Taschkumyr,
Schamaldysai, Utsch-Kurgan), das eine mehrjährige Abflussregulierung ermöglicht. In
der Tadschikischen SSR wurden neun Stauseen mit einem Gesamtfassungsvermögen von
29 km³ gebaut. Die beiden größten sind der Nurek-Stausee am Vachsch-Fluss (10,5 km³)
und der Kairakkum-Stausee am Syr Darja (4,16 km³). Der Nurek-Staudamm ist mit einer
Höhe von 300 m der höchste Damm der Welt.
Wassermanagement in Zentralasien – das Vermächtnis der Vergangenheit 19
Da die Kirgisische und Tadschikische SSR durch den Bau der Anlagen Verluste
an Ackerland hatten und Kosten für den Betrieb und Unterhalt der Anlagen entstanden,
etablierte die Sowjetregierung Kompensationszahlungen im Rahmen eines gemeinsamen
Wasser- und Energiesystems für Zentralasien: Die Stauseen wurden vor allem für
die Zufuhr von Bewässerungswasser genutzt, nur in Spitzenzeiten wurde das abgelassene
Wasser zur Energiegewinnung mittels der angeschlossenen Wasserkraftwerke verwendet.
Im Gegenzug für den Wasserablass im Frühling und Sommer lieferten die Republiken an
den Unterläufen, deren Bewässerungsfelder davon profitierten, im Winter Energieträger
wie Kohle und Gas, über die sie reichlich verfügten, in die Gebirgsrepubliken. Dieses
Tauschsystem konnte gut funktionieren, da sowohl Wasser als auch Energie zentralisiert
von Moskau aus verwaltet und verteilt wurden. Ein zentrales Ministerium für Melioration
und Wassermanagement (MinVodKhoz) kontrollierte alle Wasserressourcen. Für
Zentralasien wurde zunächst eine regionale Behörde (SredAzVodKhoz) errichtet, die
aber auch dem Moskauer Ministerium unterstellt war. Später wurde sie wieder abgeschafft
und es wurden Wasserministerien auf Republikebene gegründet. Ihre Kompetenzen
beschränkten sich jedoch weitestgehend auf die Implementierung der Entscheidungen
des Unions-MinVodKhoz. Dieses verfolgte im Prinzip einen integrierten Ansatz des
Managements von Wasser und Energieressourcen, orientiert an Wassereinzugsgebieten
und nicht Verwaltungsgrenzen, in dem jede Republik eine bestimmte Funktion hatte.
Die Wasserverteilung orientierte sich an festgelegten Plänen für Republiken, Provinzen
und Kreise. Einige kleine Flüsse in Zentralasien hatten eigene Flussbeckenverwaltungen,
die es aber oft nicht leicht hatten, ihre Vorgaben bei den Provinzverwaltungen durchzusetzen,
die ihre eigene Wasserzufuhr für die notwendige Planerfüllung sichern wollten.
Das Unions-MinVodKhoz hatte viele untergeordnete Behörden und Zweige, die oft überschneidende
Funktionen und Kompetenzen hatten, was zu inkonsistenter und ineffektiver
Umsetzung führte. Darüber hinaus war mit dem Unions-MinVodKhoz ein und dieselbe
Einrichtung für Planung, Zufuhr, Erhalt und Kontrolle von Wasser zuständig, mit
lediglich minimaler externer Kontrolle. Auch auf lokaler Ebene änderte sich das Wassermanagement
durch die Sowjetunion: Mit der Kollektivierung wurden alle kleinen Felder
zu großen Kollektiv- und Staatsfarmen vereint (Kolchosen und Sowchosen), die für die
Bewässerungssysteme auf ihrem Land zuständig waren. 7
Die sowjetische Ideologie der Herrschaft über die Natur war überzeugt, natürliche
Ressourcen wie Wasser unbegrenzt ausbeuten zu können. Neben einer geringen Grundgebühr
musste Wassernutzung mengenmäßig nicht bezahlt werden. Dies, zusammen mit
unklarer und konkurrierender Kompetenzverteilung zwischen verschiedenen Behörden
und mangelnder Kontrolle, führte zu einer Erosion des lokalen Verantwortungsgefühls
und zu Nutzungsgewohnheiten, die die Interessen anderer – sei es der Natur oder anderer
Sektoren – nicht berücksichtigte. Die alten Normen und Regeln, die über Jahrhunderte
relativ hohe Erträge bei relativ niedrigem Wasserverbrauch ermöglicht hatten, erodierten.
Der Wasserkonsum erhöhte sich dramatisch, bis hin zur Wasser verschwendung.
7 Bucknall et a. 2003, ISRI, Socinformburo, FES 2004, Obertreis 2011, Sehring 2002, Thurman 2002.
20 Wassernutzung und Wassermanagement während der Sowjetunion
1960
i
Vom Aralsee zur Aralkum:
Die Aralseekatastrophe
1965
1970
1975
1980
Zu seinen besten Zeiten lieferte die Fischfabrik in der Hafenstadt
Mujnak am usbekischen südlichen Ufer des Aralsees
jährlich 22 Millionen Konservendosen Fisch in die gesamte
Sowjetunion. Heute schaut man vom früheren Landungssteg
im Hafen auf Wüste, verrostete Schiffwracks und Kamele.
Der Aralsee ist zur »Aralkum« geworden, zur Aralwüste.
Einst der viertgrößte Binnensee der Erde, schrumpfte seine
Fläche ab 1960 von 68 000 km² auf 13 500 km², das heißt um
mehr als 80 %. Gleichzeitig verringerte sich das Wasservolumen
um 90 %. Übrig blieben drei Restseen: ein nördlicher
Teil, der vom Syr Darja gespeist wird, ein recht tiefer, sichelförmiger
südwestlicher Teil und ein flacher südöstlicher Teil,
der manchmal völlig austrocknet. Die südlichen Teile wurden
vom Amu Darja gespeist, aber in den letzten Jahren hat
kaum noch Wasser den See erreicht. Der Salzgehalt beträgt
mittlerweile über 75 g/l im südwestlichen Teil und 150 g/l im
südöstlichen Teil, was mehr als fünfmal so viel ist wie im
Toten Meer. Hier überleben nur noch Salinenkrebse. 8
Die Folgen der Austrocknung sind katastrophal:
Pflanzen, Tiere und Fische sind verschwunden. Das einzigartige
Ökosystem eines riesigen Sees mitten in der Wüste
wurde zerstört. Die Bevölkerung leidet unter Erkrankungen
der Atemwege, Typhus, Hepatitis und Anämie. Die Kindersterblichkeitsrate
ist eine der höchsten der Welt. Die Fischindustrie,
die einst 50 000 Tonnen pro Jahr produziert hat, ist
zusammengebrochen; 60 000 Menschen haben ihre Arbeit
verloren. Staubstürme treten immer häufiger auf und verwehen
Salz und kontaminierte Partikel vom Seeboden über
hunderte von Kilometern. Mit dem Aralsee verschwand
auch ein wichtiges Element zur Linderung des kontinentalen
Klimas in Zentral asien – dadurch wurden die Winter
kälter und die Sommer heißer.
Wie konnte es zu dieser Katastrophe kommen? Der
Hauptgrund war die großflächige Ausweitung der Bewässerungslandwirtschaft,
die aus zwei Gründen erfolgte: zum
einen um die Sowjetunion auf dem Weltmarkt für Baumwolle
zu etablieren, und zum anderen um die Region mit
8 Cawater-info.net; Aladin 2005.
Wassermanagement in Zentralasien – das Vermächtnis der Vergangenheit 21
1985
1990
1995
2000
2009
ihrer schnell anwachsenden Bevölkerung zu entwickeln.
Zwischen dem ersten russischen Zensus 1897 und dem letzten
sowjetischen Zensus 1989 hat sich die Bevölkerung beinahe
verfünffacht – von 10,5 Millionen auf 49,5 Millionen.
Die Gründe waren sowohl hohe Geburtenraten als auch
Migration und Deportationen aus anderen Teilen der Sowjetunion.
So sah sich die sowjetische Regierung mit der Aufgabe
konfrontiert, die wachsende Bevölkerung mit Nahrung
und Arbeit zu versorgen und diesem ärmsten Teil der Sowjetunion
eine Entwicklungsperspektive zu bieten. Von 1950
bis 1989 verdoppelte sich die Bewässerungsfläche fast von
4,2 Millionen ha auf 7,4 Millionen ha, einhergehend mit dem
massiven Ausbau der Bewässerungs- und Drainagekanäle,
Stauseen und anderer Infrastruktur. Umweltaspekte wurden
nicht beachtet. Das Wasser von Amu Darja und Syr Darja
wurde fast vollständig für die Landwirtschaft verbraucht, so
dass nur einige wenige km³ im Jahr den Aralsee erreichten.
Um zumindest den nördlichen Teil des Aralsees zu
erhalten hat Kasachstan, mit einem Kredit und Beratung
der Weltbank, den 13 km langen Kok-Aral-Damm gebaut.
Er wurde 2005 fertiggestellt und verhindert, dass das Wasser
des Syr Darja in den südlichen Aralsee fließt, wo es verdunstet.
Kasachstan modernisierte auch alte Infrastruktur
und Bewässerungssysteme am Syr Darja und baute einige
neue Anlagen, um Wasserverluste zu verringern und so die
Abflussmenge im Syr Darja zu steigern. Die positiven Effekte
zeigten sich schnell: Die Fläche des Nördlichen Aralsees vergrößerte
sich um 18 % und der Wasserspiegel stieg um 2 m an.
Und vor allem: Der Salzgehalt des Wassers sank von mehr
als 26 g/l, bei dem die ursprünglich zwei Dutzend heimischen
Fischarten nicht mehr lebensfähig waren, auf weniger
als 10 g/l, wie vor 1960. Der Fisch kehrte zurück. 2011 wurde
geschätzt, dass die gesamte Biomasse – das Gewicht aller
Fische im Nördlichen Aralsee – von 3 500 Tonnen auf 18 000
Tonnen angestiegen war. Und dies ist nicht mehr wie vorher
größtenteils die vom Schwarzen Meer eingeführte Flunder,
sondern heimische Arten wie Karpfen, Zander oder Hecht.
Der kommerzielle Fischfang beträgt nun wieder 4500 Tonnen
im Jahr. In Aralsk hat eine Fischkonservenfabrik ihren
Betrieb aufgenommen, von wo aus sie auch Fisch nach Russland
und in andere Nachbarstaaten exportiert.
Für die südlichen Teile des Aralsees traf die usbekische
Regierung Maßnahmen, um die Feuchtgebiete der
22 Wassernutzung und Wassermanagement während der Sowjetunion
Deltaregion des Amu Darja zu erhalten. Trotzdem hält die Austrocknung an. Heute gibt es
keine Hoffnung mehr, dass der Aralsee als Ganzes gerettet werden könnte. Der dafür notwendige
Wasserzufluss würde die Bevölkerung entlang der beiden Flüsse der sozialen und
ökonomischen Lebensgrundlagen berauben. Als der Generalsekretär der Vereinten Nationen,
Ban Ki-moon, die frühere Hafenstadt Mojnak im April 2010 besuchte, nannte er die
Austrocknung des Aralsees »eine der schlimmsten Umweltkatastrophen der Welt« und »ein
anschaulicher Beleg dafür (…) was passiert, wenn wir unsere gemeinsamen natürlichen
Ressourcen verschwenden, wenn wir unsere Umwelt missachten, wenn wir unsere Umwelt
herunterwirtschaften.« 9
In den 1970ern wurden die ökologischen Folgen unübersehbar: die Austrocknung des Aralsees,
die Versalzung von Feldern, fortschreitende Desertifikation (Wüstenbildung), Wasserverschmutzung
durch Düngemittel und Pestizide sowie Wasserverknappung an den
Unterläufen. Einige Wissenschaftler in den zentralasiatischen Sowjetrepubliken begannen,
die verschwenderische Wassernutzung vorsichtig zu kritisieren. Die erste Reaktion seitens
der Regierung war ein perfektes Beispiel für den sowjetischen Glauben an die Überlegenheit
der Technik über die Natur: anstatt Maßnahmen zur Steigerung der Wassereffizienz
schlugen die sowjetischen Beamten vor, Wasser der sibirischen Flüsse Ob und Irtysch vom
Norden in den Süden nach Zentralasien umzuleiten, wo es sowohl den Aralsee wieder füllen
als auch zur weiteren Bewässerung verwendet werden sollte. Detaillierte Pläne wurden
entwickelt und Berechnungen angestellt, die von den meisten zentral asiatischen Wasserexperten
begrüßt wurden, obwohl es auch Kritik gab. 1986 wurde das Vorhaben allerdings
ad acta gelegt – weniger wegen der wachsenden Kritik aus ökologischer Sicht, sondern
wegen der hohen Kosten. 1988, nach der berühmten »Aral-88«-Expedition 10 , änderte die
Sowjetregierung allerdings ihren Ansatz: Ein Dekret zur Verbesserung der ökologischen
Situation im Aralseebecken wurde erlassen. Ursprünglich sah es eine 30-prozentige Verringerung
der Erschließung von Neuland und der Wasserzufuhr zu Bewässerungsfeldern
vor. Aufgrund des erheblichen Widerstandes in Zentralasien wurde letztendlich festgelegt,
dass der Wasserverbrauch pro ha im Aralseebecken um mindestens 15 % bis 1990 und um
25 % bis 2000 reduziert werden soll. Durch den Zusammenbruch der Sowjetunion wurden
die Anweisungen jedoch obsolet. Die Idee der Umleitung der sibirischen Flüsse wird allerdings
immer wieder aufgebracht. 11
Einhergehend mit der verstärkten Aufmerksamkeit für die Aralseekrise, dem
wachsenden Umweltbewusstsein und glasnost, der Politik größerer Transparenz, wurden
in den 1980ern einige institutionelle Veränderungen im Wassermanagement vorgenommen.
Um die Wasserverteilung zwischen den zentralasiatischen Republiken besser
zu regulieren wurde ein Quotensystem für die beiden großen Flüsse Amu Darja und Syr
9 Giese 1998, Micklin 2006, Sehring 2007.
10 Diese zweimonatige Expedition durch das gesamte Aralseebecken wurde von zwei Zeitschriften organisiert
und von dem Journalisten Grigor I. Resnitschenko geleitet. Fast 30 Journalisten, Schriftsteller und Akademiker
aus Moskau und Zentralasien sowie ein Vertreter der Staatsanwaltschaft und einer des Unions-MinVodKhoz
beteiligten sich daran. Die Expedition trug dazu bei, das Bewusstsein über die Aralseekrise in der gesamten Sowjetunion
zu steigern. Siehe Obertreis 2011.
11 Obertreis 2011, Sehring 2002.
Wassermanagement in Zentralasien – das Vermächtnis der Vergangenheit 23
Darja eingeführt (siehe Tabelle). Damit wurde eine Obergrenze für die Wasserentnahme
jeder Republik festgelegt.
Usbekistan
Turkmenistan Kasachstan Kirgistan Tadschikistan
Amu Darja
Syr Darja
48,2% 35,8% – 0,6% 15,6%
50,5% – 42,0% 0,5% 7,0%
Wasserentnahmequoten im Aralseebecken. NB: Afghanistan wurde hierbei nicht berücksichtigt.
Zusätzlich wurden zwei Flussbeckenbehörden (BVOs, basseynovaya vodokhozyaystvennaya
organisatsiya) für jeweils den Amu Darja und den Syr Darja gegründet, die dem Unions-
MinVodKhoz unterstellt waren. Sie waren für die gesamten Flüsse zuständig, ungeachtet der
Verwaltungsgrenzen zwischen den Republiken und Provinzen. Allerdings weigerte sich
Turkmenistan, den Karakumkanal der Behörde zu unterstellen. 1990 wurde das Unions-
MinVodKhoz aufgelöst und durch ein Staatsunternehmen für Wasser und Bau (VodStroi)
ersetzt. Die zentralasiatischen Wasserministerien auf Republikebene blieben aber bestehen.
Zusammenfassend kann man festhalten, dass zu Sowjetzeiten die Wasserressourcen
hierarchisch und zentralisiert verwaltet wurden, basierend auf einem unionsweiten
Ansatz. Es war ein rein staatliches System, ohne ökonomische Anreizmechanismen oder
Nutzerbeteiligung. Wie sich zeigte, war es sehr ineffizient und führte zu verschwenderischem
Verbrauchsverhalten, was wiederum zu Wassermangel in einigen Regionen
führte, vor allem an den Unterläufen der Flüsse. 12
Das ökologische Erbe: Strukturen und Auswirkungen
unnachhaltigen Wassermanagements
Die Übernutzung des Wassers unter Ignorierung der ökologischen Grenzen und das mangelhafte
Management während der Sowjetzeit haben erhebliche ökologische Auswirkungen
mit sich gebracht, die die unabhängigen Staaten nun bewältigen müssen: 80 % des
Aralsees haben sich in eine Wüste verwandelt. Ein Großteil der Bewässerungsflächen ist
von Versalzung, Staunässe und Wassererosion betroffen – in der Gegend nahe des Aralsees
bis zu 80 %. Die sinkende Bodenqualität reduziert die Erträge und verlangt zusätzliche
Wassermengen um das Salz auszuspülen. Die Regionen an den Mittel- und Unterläufen
der Flüsse leiden unter Wassermangel. Das Grundwasser ist durch den Zufluss von
Drainagewasser mit Düngemittelrückständen, Nitraten und Phenol verschmutzt. In den
Provinzen Kysylorda in Kasachstan, Daschogus in Turkmenistan sowie Choresm und
Karakalpakstan in Usbekistan – alle an den Unterläufen von Amu Darja und Syr Darja
gelegen – ist das Wasser aufgrund seiner Verschmutzung eigentlich weder als Trinkwasser
12 O’Hara 2000, Sehring 2002.
24 Das ökologische Erbe: Ökologische Auswirkungen des unnachhaltigen Wassermanagements
noch zur Bewässerung verwendbar. Am Syr Darja kommt noch das Risiko radioaktiver
Kontaminierung hinzu – an seinen Zuflüssen liegen mehrere Uran-Deponien, die durch
Hangrutschungen in den Wasserkreislauf gelangen könnten. 13
Durch die jahrzehntelange Übernutzung der Wasserressourcen in der Landwirtschaft
haben sich Infrastrukturen, wirtschaftliche Abhängigkeiten, soziale Strukturen und
Nutzungsgewohnheiten etabliert, die sich nicht einfach und schnell ändern lassen. Diese
Muster existieren weiter und wirken sich weiterhin aus. Wie bereits erwähnt, musste zu
Sowjetzeiten Wasserverbrauch nicht mengenmäßig bezahlt werden, so dass keine ökonomischen
Anreize zu niedrigem Verbrauch gesetzt wurden. Darüber hinaus war in der
sowjetischen Ideologie die Natur lediglich ein Mittel zur menschlichen Entwicklung und
konnte dementsprechend völlig ausgebeutet werden. Dazu kamen vernachlässigte Infrastruktur
und ineffiziente Bewässerungstechniken, die durch enorme Verluste den Wasserverbrauch
erhöhten. So wird Wasser nicht durch geschlossene Rohre geleitet, sondern in
offenen Kanälen mit hohen Verdunstungsraten, die oftmals auch nicht betoniert sind, so
dass zusätzlich Wasser versickert. Laut Schätzungen gehen dadurch im Karakumkanal ein
bis zwei Drittel des durchfließenden Wassers verloren. 14
6000
5000
in m 3 pro Jahr
5324
Wasserverbrauch pro Kopf
4000
3000
2000
1000
0
Turkmenistan
2351 2297
Kasachstan
Usbekistan
1983 1901
Kirgistan
Tadschikistan
Ägypten
977
Türkei
548
Russland
China
528 485
Nepal
399
Israel
291
Marokko
173
Mongolei
172
All diese Faktoren führen dazu, dass Zentralasien weltweit die niedrigste Wassernutzungseffizienz
hat. 15 Experten schätzen, dass zwischen 50 und 80 % des Bewässerungswassers
verloren geht, bevor es überhaupt die Felder erreicht – wo dann veraltete Bewässerungstechniken
nochmals zu einer hohen Wasserverdunstung führen. 16 Des wegen verbraucht
man in Zentralasien für die Bewässerung eine Hektars Land bis zu 12 900 m³ – bei Baumwollanbau
sogar 14 000 bis 16 000 m³. Die Tabelle zeigt, dass der Pro-Kopf-Wasserverbrauch
in Zentralasien selbst im Vergleich mit Ländern wie Ägypten oder der Türkei (die
auch nicht die neuesten und effizientesten Technologien besitzen) wesentlich höher ist. 17
13 MKUR 2006, Bucknall et al. 2003.
14 Giese et al. 2004.
15 UNDP 2006.
16 EuropeAid 2010, World Bank 2004.
17 Bucknall et al. 2004, EuropeAid 2010, UNDP 2006, UNECE 2004.
Wassermanagement in Zentralasien – das Vermächtnis der Vergangenheit 25
1000m 3 / Kopf
pro Jahr
Veränderung der Wasserverfügbarkeit in Zentralasien
10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
8.4 Zentralasien
Europa
5.9
4.20
2.55
Kategorien der verfügbaren Wassermenge
in 1000 m 3 pro Kopf pro Jahr
=1.7 ausreichend
=1.0–1,7 Wasserstress
=1,0 Knappheit
1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050
Die Hauptursachen für die Wasserknappheit in Zentralasien sind also nicht natürlich
sondern menschlich bedingt und hängen mit der verschwenderischen Übernutzung der
Ressource zusammen. Diese Tatsache kann als Chance begriffen werden: Wenn Wasserknappheit
ein Ergebnis menschlicher Handlungen ist, kann die Situation auch durch den
Menschen verbessert werden, wenn das Verhalten zu nachhaltiger Wassernutzung und
Wassermanagement geändert wird.
i
Wasserknappheit – was bedeutet das?
Seit vielen Jahren warnen uns Experten, Journalisten und Politiker vor Wasserknappheit. Was
heißt das aber eigentlich genau?
Zunächst ist festzuhalten, dass Knappheit ein relatives Phänomen ist: Es ist das Verhältnis
zwischen dem verfügbaren Wasser und dem existierenden Bedarf. Je geringer der Bedarf
ist, mit desto weniger Wasser kann man auskommen ohne Knappheit zu spüren. Hat man
einen extrem hohen Bedarf, wird man selbst relativ viel Wasser als ungenügend wahrnehmen.
Generell gibt es genug Wasser für alle auf der Erde, es ist nur regional und jahreszeitlich
äußerst ungleich verteilt, so dass Menschen in vielen Gegenden und zu bestimmten Zeiten
mit Wassermangel konfrontiert sind. Und mit stetigem Bevölkerungswachstum und durch
den Klimawandel wird die Anzahl dieser Menschen zunehmen.
Wissenschaftler haben verschiedene Methoden entwickelt, um Wasserknappheit zu
messen. Die bekannteste ist wahrscheinlich der sogenannte Falkenmark Wasserstress-Indikator.
Er basiert auf der Berechnung der Menge Wasser, die wir zum Leben benötigen, und der
tatsächlich verfügbaren Menge erneuerbarer Wasserressourcen pro Kopf. Steht in einem Land
weniger als 1 700 m³ Wasser pro Person pro Jahr zur Verfügung, so kommt es zu Wasserstress.
Bei weniger als 1 000 m³ pro Kopf wird chronische Wasserknappheit diagnostiziert, und
bei weniger als 500 m³ absolute Wasserknappheit. Die Karte zeigt, dass Zentralasien weder
unter Wasserknappheit noch unter Wasserstress leidet, wenn man schlicht die verfügbare
26 Das ökologische Erbe: Ökologische Auswirkungen des unnachhaltigen Wassermanagements
Wassermenge pro Kopf betrachtet. Afghanistan, Tadschikistan und Usbekistan werden allerdings
als gefährdet klassifiziert, da weniger als 2 500 m³ Wasser pro Person pro Jahr verfügbar
sind.
Auch wenn dieser Indikator viel genutzt wird und einen allgemeinen Eindruck der
Wasserverfügbarkeit gibt, so hat er doch einige Schwächen. Die Wasserverfügbarkeit pro
Kopf ist ein Durchschnittswert, der ungleiche Wasserverteilung innerhalb eines Landes oder
während des Jahres nicht einbezieht. Auch die Wasserqualität wird nicht berücksichtigt,
obwohl Verschmutzung die Menge des tatsächlich verfügbaren sauberen, nutzbaren Wassers
erheblich reduzieren kann. Ebenso erfahren wir nichts über die Regelungsmechanismen des
Landes, die den de-facto-Zugang zu Wasser bestimmen.
Verfügbarkeit von Frischwasser
in m 3
pro Person
und pro Jahr, 2007
684000
70000
15000
6000
2500
1700
1000
0
Ein Indikator, der mehr Faktoren einbezieht, ist der Rural Water Livelihoods Index (RWLI,
etwa: Ländlicher Wasser- und Lebensgrundlagen-Indikator), der von der Ernährungs- und
Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) entwickelt wurde. Sein Ziel ist
es, die Sicherung ländlicher Lebensgrundlagen in ihrer Verbindung mit Wasser zu bewerten.
Der Indikator besteht aus vier Komponenten: (1) die Dienstleistungskomponente (Zugang
zu Wasser und Sanitäranlagen), (2) die Sicherheitskomponente (Wasser für Nutzpflanzen
und Viehhaltung), (3) die Umweltkomponente (sauberes und gesundes Wasser) und (4) die
Berechtigungskomponente (gesichertes und gerechtes Wasser). Die Tabelle zeigt den Rang
der zentralasiatischen Staaten unter den 158 analysierten Ländern. Die beiden Oberliegerstaaten
Afghanistan und Tadschikistan bekamen die schlechtesten Bewertungen unter den
zentralasiatischen Staaten. Betrachtet man die einzelnen Komponenten, so ist in allen zentralasiatischen
Ländern, mit Ausnahme Turkmenistans, die Berechtigungskomponente die
schwächste. Für Tadschikistan wurde sie mit lediglich 12,83 Punkten (von 100 möglichen)
bewertet, eines der niedrigsten Ergebnisse weltweit. Im Gegensatz dazu ist die Sicherheitskomponente
in allen Staaten außer Kasachstan die stärkste, mit durchweg guten Bewertungen,
Wassermanagement in Zentralasien – das Vermächtnis der Vergangenheit 27
Land
Kasachstan
Kirgistan
Tadschikistan
Turkmenistan
Usbekistan
Afghanistan
Indikator für Rural Water Liveli hoods
Wasserknappheit Index (RWLI),
(m³ pro Kopf, Rang von 1 (beste Situation)
2007) bis 158 (schlechteste Situation)
7 405
3 821
2 392
4 979
1 842
2 015
129
108
155
150
140
157
in Usbekistan sogar mit 86 (von
100) Punkten. 18
Dies zeigt, dass Wasserknappheit
kein rein physisches
Phänomen ist, sondern auch eine
Konsequenz von Verhaltensmustern
in Konsum und Nutzung von
Wasser und damit von menschlichem
Einfluss. Das wurde auch im
UN-Bericht über die Entwicklung
von 2006, der Wasser gewidmet
war, deutlich formuliert:
»Die Knappheit, die den
Kern der globalen Wasserkri se
ausmacht, hat ihre Grundursachen jedoch in den Machtverhältnissen, in Armut und
Ungleichheit, nicht in der tatsächlichen Verfügbarkeit von Wasser. (…) In vielen Ländern ist
Wasserknappheit Ergebnis politischer Maßnahmen, die durch Subventionierung und Schleuderpreise
einen übermäßigen Wasserverbrauch gefördert haben. Es ist mehr als genug Wasser
auf der Welt vorhanden, um den Bedarf von Haushalten, Landwirtschaft und Industrie
decken zu können. Das Problem ist, dass manche Menschen – speziell die Armen – durch ihre
Armut, ihre eingeschränkten gesetzlichen Rechte oder eine öffentliche Politik, die den Zugang
zur Infrastruktur von Wasser zum Leben und von Wasser als Lebensgrundlage beschränkt,
systematisch vom Zugriff auf Wasser ausgeschlossen werden. Kurzum, Wasserknappheit wird
durch politische Prozesse und Institutionen verursacht (…).«
Das politische Erbe: konkurrierende Nutzungsinteressen im
Bewässerungs- und Energiesektor
In der Sowjetunion wurden Wasser- und Energieressourcen mit einem integrierten topdown
Ansatz verwaltet. Die Nutzung orientierte sich an unionsweiten Zielen, zu denen
jede Republik beizutragen hatte. Der zentralasiatische Beitrag war in der Baumwollproduktion
festgelegt worden, und so war das gesamte zentralasiatische Wassermanagementsystem
auf diesen Zweck ausgerichtet. In dieser Hinsicht wurden zwei wichtige
inter-republikanische Mechanismen eingeführt: zum einen das Wasser-Energie-Tauschsystem
zwischen den Republiken, und zum anderen die Wasserentnahmequoten für jede
Republik. Beide haben einen immensen Effekt auf die heutigen Nutzungsmuster und
politischen Strategien.
Das Quotensystem (siehe Seite 24) ist auf die Bedürfnisse der Bewässerungslandwirtschaft
in den Staaten an den Unterläufen ausgerichtet. Schaut man sich die
18 Sullivan et al. 2009.
28 Das politische Erbe: konkurrierende Nutzungsinteressen im Bewässerungs- und Energiesektor
Zuteilungsmengen an und vergleicht diese mit den Daten zur Wasserbildung, zeigt sich,
dass diejenigen Republiken, in denen das meiste Wasser entspringt – die Kirgisischen
und Tadschikischen Sowjetrepubliken – nur Recht zur Nutzung einer kleinen Menge
haben. Im Gegensatz dazu haben die Kasachische, Usbekische und Turkmenische SSR
die größten Wassermengen zugesprochen bekommen – hier lebt auch der größte Teil
der Bevölkerung Zentralasiens und wurde der Großteil der sowjetischen Baumwolle
produziert. Die Quoten orientierten sich also nach historischen und geographischen
Bedingungen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten. Nach der Unabhängigkeit fanden
allerdings die Oberliegerstaaten, die nun ihre Ressourcen für ihre eigene nationale Entwicklung
nutzen wollten, dass ihre Interessen hierbei nicht ausreichend berücksichtigt
wurden. Nichtsdestotrotz ist das System, auch für kleinere Flüsse, immer noch in Kraft.
Eine Neubewertung und potentielle Neuaushandlung der Quoten wäre eine hochpolitische
Angelegenheit, da sie die sozio-ökonomische Stabilität ins Wanken bringen könnte.
i
Wasserressourcen und Wassernutzung in Zentralasien
Aralseebecken
km 3
pro Jahr
60
50
Entnommene Wassermenge
Verfügbare Wassermenge
40
30
20
Turkmenistan
Kasachstan
Usbekistan
Tadschikistan
Kirgistan
10
0
Die räumliche Verteilung der Wasserressourcen im Aralseebecken ist höchst ungleichmäßig.
Während die Ebenen durch Wüsten und Halbwüsten geprägt sind, nimmt der Niederschlag in
den Bergen zu und die Hochgebirge mit ihre Gletschern und Permafrostböden dienen als die
»Wassertürme« der Region. Im Durchschnitt bilden sich 43 % des jährlichen Wasserabflusses
im Becken in Tadschikistan, 24 % in Kirgistan und ungefähr 19 % in Afghanistan. Die Wassernutzung
verläuft gegenteilig: Die Oberlieger Kirgistan und Tadschikistan nutzen gerade
einmal 17 % des Wassers, während die drei Unterliegerstaaten Kasachstan, Usbekistan und
Turkmenistan 83 % nutzen. 19
19 Die Wassernutzung Afghanistans wurde in diese Berechnung nicht mit einbezogen. Giese et al. 2004.
Wassermanagement in Zentralasien – das Vermächtnis der Vergangenheit 29
Der andere wichtige Regulierungsmechanismus zwischen den Sowjetrepubliken war die
Etablierung eines integrierten Wasser-Energie-Systems. Wie oben bereits ausgeführt,
wurden die Stauseen in der Kirgisischen und Tadschikischen SSR vor allem zur Wasserspeicherung
für die Bewässerung genutzt. Die angeschlossenen Wasserkraftwerke produzierten
nur in Spitzenbedarfszeiten Strom, ansonsten wurden die Energiebedürfnisse
der beiden Republiken mit Importen durch das regionale Energiesystem gedeckt. Dies
änderte sich nach der Unabhängigkeit: Das gemeinsame Energiesystem zerbrach, und die
Unterliegerstaaten verlangten Marktpreise für ihre Energielieferungen. Daraufhin haben
die Oberliegerstaaten angefangen, die Dämme vermehrt zur Wasserkraftgewinnung zu
nutzen um ihren Energiebedarf zu decken.
Wasserkraftproduktion an sich verbraucht kein Wasser, in diesem Fall muss die
Regulierung nicht die Wasserentnahme regeln, sondern den Zeitpunkt und die Menge
des Wasserablasses aus den Stauseen. Dies ist allerdings nicht weniger strittig als die
Bestimmung der Quoten. Denn der Wasserablass für Bewässerung muss in der Vegetationsperiode
im Frühling und Sommer erfolgen, während die Energieproduktion vor
allem im Winter auf Hochtouren läuft. Die Unterlieger Kasachstan, Turkmenistan und
Usbekistan brauchen also den Wasserablass im Frühjahr und Sommer, Kirgistan und
Tadschikistan eher im Winter. Da es keine funktionierenden Regulierungsmechanismen
gibt, haben diese konkurrierenden Nutzungsinteressen in den letzten Jahren sowohl zu
Knappheit an Bewässerungswasser als auch zu Energieknappheit geführt.
Das sowjetische Erbe erforderte somit in zwei Feldern dringenden Handlungsbedarf
seitens der jungen Staaten: der mengenmäßig Wasserverteilung und der zeitlichen
Regelung des Wasserabflusses.
i Nahrungsmittelsicherheit oder Energiesicherheit –
unvereinbare Prioritäten?
Die Stauseen an den großen Flüssen Zentralasiens sollen das Wasser so regulieren, dass es genau
dann verfügbar ist, wenn es gebraucht wird. Während der Sowjetzeit wurden sie meist für die
passgenaue Zufuhr von Bewässerungswasser genutzt. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion
und ihres integrierten Wasser-Energie-Systems änderten die Oberlieger schrittweise
die Arbeitsweise der Staudämme, um im Winter Energie zu produzieren. Als Folge wird weniger
Wasser im Frühjahr und Sommer abgelassen, wenn es für die Bewässerung benötigt wird.
Dadurch entstand die Auffassung, dass die Anforderungen der beiden Sektoren – Landwirtschaft
und Energie – bezüglich des Wassermanagements nicht kompatibel sind und dass
Energiesicherheit in den Ländern flussaufwärts nur auf Kosten der Nahrungsmittelsicherheit
der Unterlieger erreicht werden kann.
Aber ist dieser Widerspruch wirklich unüberbrückbar? Zunächst ist festzuhalten, dass
Wasserkraftproduktion eine nicht-verbrauchende Art der Wassernutzung, d.h. das Wasser
steht danach noch weiteren Nutzungen zur Verfügung. Staudammkaskaden ermöglichen
die mehrmalige Nutzung von Wasser: einmal zur Energiegewinnung abgelassen, kann das
30 Das politische Erbe: konkurrierende Nutzungsinteressen im Bewässerungs- und Energiesektor
Wasser im flussabwärts gelegenen Stausee aufgefangen werden bis es für die Bewässerung
benötigt wird. Eine andere Möglichkeit ist, den Wasserablass im Sommer profitabel genug zu
machen, so dass mit den Einnahmen Kohle- und Gasimporte im Winter finanziert werden
können und weniger Energie aus Wasserkraft produziert werden muss. Der im Sommer produzierte
Strom kann von den Unterliegern aufgekauft werden (wie im Syr Darja-Abkommen
vereinbart, siehe Seite 54) oder in Regionen mit hohem Strombedarf im Sommer exportiert
werden. Dies sind z.B. die heißen Gebiete in Afghanistan, Pakistan und Indien, deren Klimaanlagen
viel Strom brauchen. Diese Option wird mit dem »Central Asia South Asia Regional
Energy and Trade«-Projekt (CASA-1000) verfolgt: 2006 unterzeichneten Kirgistan, Tadschikistan,
Afghanistan und Pakistan eine entsprechende Absichtserklärung, die auch von einigen
internationalen Gebern und privaten Investoren unterstützt wurde. Sie plant den Bau von
Hochspannungsleitungen, die die Stromproduzenten in Kirgistan und Tadschikistan mit den
Märkten in Afghanistan und Pakistan verbinden sollen.
Wasserkraftwerke im oberen Amu Darja-Becken
Vachsch
Kirgistan
China
Sarafschan
Tadschikistan
Usbekistan
Pandsch
Afghanistan
bestehend
geplant
Die Bedürfnisse von Energie und Bewässerung können also beide bedient werden. Stauseen
und Wasserkraftwerke können in einer Weise genutzt werden, die allen Seiten Vorteile bringt.
Allerdings braucht es dafür erhebliche Investitionen in die Infrastruktur, den politischen
Willen zu kooperieren und langfristige verbindliche Abkommen, um die Energie- und Nahrungsmittelsicherheit
an Stelle der kostenintensiveren Strategien zur Selbstversorgung durch
gegenseitigen Handel abzusichern.
Wassermanagement in Zentralasien – das Vermächtnis der Vergangenheit 31
Grenzüberschreitende Wasserressourcen
in den sechs Staaten
des Aralseebeckens
Während die ganze Region Zentralasien von Übernutzung und Verschmutzung der Wasserressourcen
betroffen ist, sind die Konsequenzen in jedem Land spezifisch. Jedes Land verfügt
über eine andere Ressourcenausstattung – nicht nur bezüglich Wasser, sondern auch
was andere natürliche Ressourcen betrifft. Folglich ist die wirtschaftliche Rolle und Bedeutung
von Wasser unterschiedlich – je nachdem, ob sich das Land am Ober- oder Unterlauf
befindet, wofür Wasser vorrangig genutzt wird, oder wie stark Verschmutzungsprobleme
sind. Diese individuellen Bedingungen und Interessen müssen im regionalen Wassermanagement
berücksichtigt werden, vor allem da sie seit dem Ende der Sowjet union ausschlaggebend
für die nationalen politischen Prioritäten und Strategien sind. Diese jeweiligen
nationalen Gegebenheiten und Interessen werden im nächsten Kapitel dargestellt.
i
Wasserverfügbarkeit und Wassernutzung
in den Ländern des Aralseebeckens
Kasach
s tan
Kirgis tan
Afghanistan
Tadschikistan
Turkmenistan
Usbe ki
stan
Interne Süßwasserreserven
pro Kopf
(m³/Person) (2007)
Gesamte Süßwasserreserven
pro Kopf
(m³/Person) (2007)
Wassernutzung
in der Landwirtschaft
(% der gesamten Wassernutzung)
(2007)
1 705 5 095 8 624 9 992 273 597
2 015 7 405 3 821 2 392 4 979 1 842
98% 82% 94% 92% 98% 93%
Bewässerungsfläche 3,2 Mio. ha 2,3 Mio. ha 1 Mio. ha 719 200 ha 1,1 Mio. ha 4,4 Mio. ha
Bewässertes Land
(% des gesamten Ackerlands)
5,8% 15,7% 75% 84% 100% 89%
Anteil der von Versalzung
betroffenen
Bewässerungsflächen
an der ges. Bewässerungsfläche
keine
Daten
>33% 11.5% 16% 95 5% 50 0%
Anteil der Landwirtschaft
am BIP (2009)
29 % (2008) 6% 39 % (2008) 22 % 20% 12%
Stromerzeugung
durch Wasserkraft
(kWh) ( 2008)
Stromerzeugung
durch Wasserkraft
(% der Gesamtmenge) (2008)
keine
Daten
keine
Daten
7,5 Mrd. 10,7 Mrd. 15,8 Mrd. 3 Mio. 11,4 Mrd.
9% 90% 98% 0% 23%
Grenzüberschreitende Wasserressourcen in den sechs Staaten des Aralseebeckens 33
Afghanistan
Afghanistan untergliedert sich in fünf Flussbecken.
Drei davon decken den nördlichen
Landesteil ab und gelten als Teil des Amu
Darja-Beckens: Das Pandsch-Amu-Becken
im Nordosten, das Haridud-Murghab-
Becken mit den Flüssen Murghab und Tedschen,
die nach Turkmenistan fließen, und
das sogenannte Nördliche Becken, auch
wenn seine Flüsse noch auf afghanischem
Gebiet auslaufen. Diese drei Becken machen
B A S I s I N F O R M AT I O N
Gesamtfläche
Bewässerte Fläche
Bevölkungszahl
Bevölkerungswachstum
Durchschnittsalter
Bruttoinlandsprodukt
pro Kopf (2009)
652 090 km 2
31 990 km 2
32,6 Mio.
3,2%
16,6 Jahre
$ 457
37 % der Landesfläche aus und fast 50 % der gesamten oberflächlichen Wassermenge. Der
Pandsch, der Hauptquellfluss des Amu Darja, bildet sich aus den Flüssen Vachan und
Pamir und ist der Grenzfluss zu Tadschikistan. Gemessen von der Quelle seines Quellflusses
Pamir hat der Pandsch eine Länge von 1137 km. Wichtige Zuflüsse in Afghanistan
sind der Kundus, der Kokscha, und die kleineren Flüsse in Badachschan.
Die Datenlage zu Wasserbildung und Wassernutzung im afghanischen Teil des
Amu Darja-Beckens ist äußerst begrenzt, da die meisten Messstationen in den späten
1970ern wegen des Bürgerkriegs zusammengebrochen sind. Auf Grundlage von älteren
Daten und neueren Studien schätzen Experten, dass sich zwischen 14 und 27 % des Wasserabflusses
des Amu Darja in Afghanistan bilden und dass gegenwärtig etwa 2 km³ (3 %)
des jährlichen Abflusses in Afghanistan genutzt werden. Aufgrund der gebirgigen Topographie
und der klimatischen Bedingungen ist kultivierbares Land knapp und 94 % des
Ackerlandes bewässert. So ist die Landwirtschaft mit 95 % der Hauptwasserverbraucher.
Die Bewässerungsfläche in den nördlichen Provinzen des Amu Darja-Beckens umfasst
ca. 1,16 Millionen ha (ca. 42 % der gesamten bewässerten Fläche im Land). Dabei handelt
es sich vor allem um Subsistenzlandwirtschaft, die die Lebensgrundlage für die ländliche
Bevölkerung ist. Daneben gibt es Mohnanbau.
Der Anteil des landwirtschaftlichen Sektors am BIP beträgt 33 % (2008), und er
beschäftigt ca. 60 % der Arbeitskräfte (2008). Deswegen sehen die Afghanische Nationale
Entwicklungsstrategie und internationale Geberorganisationen in der Landwirtschaft
einen wichtigen Faktor für den Wiederaufbau und die Entwicklung Afghanistans.
Die Maßnahmen für Wiederaufbau, Armutsbekämpfung und ländliche Entwicklung
beinhalten die Rehabilitierung von Bewässerungsanlagen, Rekultivierung von früheren
Bewässerungsflächen, und den Bau kleiner Wasserkraftwerke. Diese Maßnahmen werden
den Wasserverbrauch in Afghanistan steigen lassen, wenn auch nicht dramatisch. In
einer Studie für die Weltbank schätzen Ahmad und Wasiq, dass die technisch mögliche
Ausweitung und der Wiederaufbau von Bewässerungsanlagen zu einer Zunahme des
Wasserbrauchs um 0,8 bis 1 km³ pro Jahr führen könnte. Ein kurzfristiger Anstieg über
das Niveau der 1980er Jahre hinaus scheint allerdings unwahrscheinlich. Aber unter den
Bedingungen steigender Wasserknappheit in den Regionen am Unterlauf des Amu Darja
führt selbst ein geringer Anstieg zu Bedenken bei den Unterliegern.
34 Afghanistan
Obwohl Afghanistan ein integraler Teil des Amu Darja-Beckens ist, ist Afghanistan
an keiner regionalen Vereinbarung zu grenzüberschreitendem Wassermanagement
beteiligt. Verträge zwischen Russland und später der Sowjetunion und Afghanistan zu
Grenzflüssen enthalten keine Regelungen zur Wasserverteilung. Als die UdSSR in den
1980ern die Quoten für Syr Darja und Amu Darja festlegte, wurde Afghanistan nicht
einbezogen. Es wurde schlicht angenommen, dass Afghanistan 2,1 km³ Wasser pro Jahr
verbraucht. Auch nach der Auflösung der Sowjetunion ist Afghanistan nicht in die wasserbezogenen
Verträge und regionalen Institutionen der zentralasiatischen Staaten eingebunden.
1
1 Ahmand and Wasiq 2004, CPHD 2011, FAO 2010, King and Sturtewagen 2010, AQUASTAT, WDI.
Grenzüberschreitende Wasserressourcen in den sechs Staaten des Aralseebeckens 35
Kasachstan
Kasachstan ist das größte Land in Zentralasien.
Wüsten und Halbwüsten machen mehr
als zwei Drittel seiner Fläche aus, der Rest
sind größtenteils Steppen und Hügellandschaften,
mit einigen höheren Bergzügen an
den östlichen und südöstlichen Grenzen.
48 000 Seen und Stauseen befinden sich
in Kasachstan. Der größte Binnensee ist der
Balchaschsee mit einer Fläche von 18 210 km²,
der mit durchschnittlich 6m aber sehr flach
B A S I s I N F O R M AT I O N
Gesamtfläche
Bewässerte Fläche
Bevölkerungszahl (2011)
Bevölkerungswachstum
Durchschnittsalter
Bruttoinlandsprodukt
pro Kopf (2010)
2 724 900 km 2
35 560 km 2
16,6 Mio.
1,4%
29 Jahre
$ 8 764
ist. Sein einzigartiges Ökosystem besteht aus einem westlichen Teil mit Süßwasser und
einem salzwasserhaltigen östlichen Teil. Mehr als 7 000 Flüsse fließen in acht Flussbecken.
Die größten Flüsse sind Syr Daja, Irtisch und Ischim (die beide nach Russland
fließen), Ural (der aus Russland kommt) sowie Tschu und Talas (die beide aus Kirgistan
kommen). Sieben der acht Flussbecken sind grenzüberschreitend. Mehr als die Hälfte
des verfügbaren Oberflächenwassers (ca. 100,5 km²) in Kasachstan bildet sich in den
Nachbarstaaten, in Kirgistan, China, Russland und Usbekistan.
Der Syr Darja fließt 1 627 km durch Kasachstan, vom Schardara-Stausee an der
Grenze zu Usbekistan durch die südöstlichen Provinzen bis zum Aralsee. 17 % der kasachischen
Bevölkerung lebt hier, meist in ländlichen Gebieten. Insofern gehört nur ein
relativ kleiner Teil des Landes zum Aralseebecken (345 000 km² von 2 724 900 km²).
Trotzdem ist dieses Gebiet landwirtschaftlich wichtig und Kasachstan ist auf den rechtzeitigen
Wasserablass aus den Stauseen in Kirgistan und die Passage durch Usbekistan
in der Vegetationszeit angewiesen. Diese Wasserlieferungen funktionierten nicht immer
einwandfrei, so dass Kasachstan unterhalb des Schardara-Stausees noch den Koksarai-
Stausee gebaut hat. Dadurch verfügt es über genügend Kapazität um das Wasser, das im
Winter flussaufwärts abgelassen wird, bis zum Frühjahr zu stauen und Überflutungen im
Winter zu vermeiden. Dies hat die Situation am unteren Syr Darja entspannt, aber gleichzeitig
das Aidar-Arnasai-Seensystem in Usbekistan unter Druck gesetzt. Dieses Feuchtgebiet
entstand durch Drainagewasser und Wasser, das aus dem Schardara-Stausee in
die Arnasai-Senke abgelassen wurde um Überflutungen zu vermeiden. Heute ist es ein
wichtiger Lebensraum für Wasservögel. Durch einen zusätzlich gebauten Stausee wird
das Wasser zudem zur Bewässerung genutzt. Durch den Bau des Koksarai-Stausees wird
das Wasser jedoch nicht mehr in die Senke abgelassen, sondern fließt wieder in den Syr
Darja. Um das wichtige Feuchtgebiet zu schützen, haben sich Kasachstan und Usbekistan
auf einen Mindestablauf geeinigt. Kasachstan hat erhebliche Anstrengungen unternommen,
um den nördlichen Aralsee wiederzubeleben (siehe Seite 10–11). Für Kasachstan
ist heute die Situation im Ili-Balchasch-Becken wesentlich besorgniserregender. Dieses
Becken wird mit China geteilt, das vermehrt Wasser nutzt und so das fragile Ökosystem
des Balchaschsees bedroht.
36 Kasachstan
Kasachstan verfügt über große Vorräte an natürlichen Ressourcen, darunter unter
anderem Öl, Gas, Uran, Zink, Kupfer und Chrom. Im Laufe des letzten Jahrzehnts hat
die Öl-und Gasförderung enorm zugenommen und liefert einen Großteil der Staatseinnahmen.
Die Landwirtschaft macht dagegen nur 6 % des BIP aus (2009), allerdings
beschäftigt sie 15 % der Erwerbstätigen (2008). Die landwirtschaftlich nutzbare Fläche
beträgt 8,4 % des Landes. Trotzdem ist Landwirtschaft wichtig im ärmeren, ländlichen
Süden des Landes, wo Reis und Baumwolle angebaut werden. 2
2 UNECE 2008, UNECE 2011, WDI, AQUASTAT.
Grenzüberschreitende Wasserressourcen in den sechs Staaten des Aralseebeckens 37
Kirgistan
Über 65 % der Landesfläche Kirgistans werden
von den hohen Gebirgen Tien Schan
und Pamir eingenommen. Mehr als 3 500
Flüsse entspringen in Kirgistan und verteilen
sich auf sechs Flussbecken. Der größte
Teil des Landes gehört zum Syr Darja-
Becken, mit den Zuflüssen Naryn (807 km),
Kara Darja und Tschatkal, die von Kirgistan
nach Usbekistan fließen. Andere grenzüberschreitende
Flüsse sind Tschu und Talas, die
B A S I s I N F O R M AT I O N
Gesamtfläche
Bewässerte Fläche
Bevölkerungszahl (2011)
Bevölkerungswachstum
Durchschnittsalter
Bruttoinlandsprodukt
pro Kopf (2010)
199 951 km 2
10 196 km 2
5,6 Mio.
1,4%
23,8 Jahre
$ 860
nach Kasachstan fließen, und der Aksu, der den Tarim in China speist.
Mehr als 80 % der 1 923 Seen liegen auf einer Höhe von über 3000 m. Der größte
See, und auch der zweitgrößte alpine See weltweit, ist der Issyk Kul mit einer Fläche
von 6 249 km². 4 % der Landesfläche werden von Gletschern eingenommen. Aus diesen,
sowie aus der Schneeschmelze, speisen sich ca. 80 % der gesamten Wassermenge in den
Flüssen.
Aufgrund der gebirgigen Topographie sind nur 7 % des Landes nutzbar für Ackerwirtschaft.
Weiden machen dagegen 44 % der Landesfläche aus und Viehhaltung ist ein
wichtiger Zweig der Landwirtschaft. Da der Großteil des Ackerlandes bewässert wird,
entfallen 90 % des Wasserverbrauchs auf die Landwirtschaft. Das meiste Bewässerungsland
befindet sich im Ferganatal im Süden sowie in den Provinzen Talas und Tschu im
Norden. Die wichtigsten Anbauprodukte sind Futtergetreide, Weizen, Mais, Reis, Tabak,
Baumwolle, Gemüse und Obst, wobei Tabak und Baumwolle die wichtigsten landwirtschaftlichen
Exportprodukte sind.
Der Anteil der Landwirtschaft am BIP sank von 37 % 1991 auf 29 % 2008, aber
der Sektor ist immer noch wichtig, vor allem für die ländliche Bevölkerung. 36 % der
Arbeitskräfte arbeiten in der Landwirtschaft. Trotzdem ist die bedeutendste Wassernutzung
die Energieproduktion. Obwohl bisher nur ein kleiner Teil des Gesamtpotentials
genutzt wird, produzieren Wasserkraftwerke mit 10,7 Milliarden kWh mehr als 90 % des
Stroms im Land. Darüber hinaus exportiert Kirgistan 2 – 2,5 Milliarden kWh pro Jahr
nach China, Kasachstan und Usbekistan. Die fünf größten Wasserkraftwerke sind alle
am Naryn und liefern alleine 97 % der Wasserkraft. Dreizehn Stauseen mit einer Speicherkapazität
von mehr als 20 km³ wurden gebaut, um den Wasserfluss zu regulieren –
für Energieproduktion, Bewässerung und Überflutungsschutz. Der größte Stausee ist der
Toktogul. Andere Dämme und Stauseen sind der Kirov am Talas und der Orto-Say am
Tschu. Als diese Stauseen zu Sowjetzeiten gebaut wurden, waren sie für die Verbesserung
der Bewässerung flussabwärts konzipiert. Kirgistan hat dagegen 21 200 ha Ackerland
verloren. Nach der Unabhängigkeit konnte es zwar die produzierte Wasserkraft für die
eigenen Bedürfnisse nutzen und verkaufen, musste aber auch die Kosten für Betrieb und
Instandhaltung der Dämme und Infrastruktur alleine tragen. Deswegen hat Kirgistan
immer wieder verlangt, dass faire Kostenbeteiligungsmechanismen eingeführt werden.
38 Kirgisische Republik
Nachdem in den 1990ern die Lieferungen von Kohle und Gas aus den Staaten flussabwärts
ausblieben, hat Kirgistan den Wasserablass im Winter gesteigert, um damit seinen
Energiebedarf zu decken. Außerdem hat es neue Wasserkraftwerke gebaut, und baut
und plant gegenwärtig noch weitere. Die größten Projekte sind Kambarata 1 und Kambarata
2 am Naryn. Der Bau des 360 Megawatt-Wasserkraftwerks Kambarata 2 begann
bereits 1986. Nach der Unabhängigkeit verlangsamte sich der Weiterbau zunächst aus
Mangel an Finanzen, aber dank eines russischen Kredits konnte der erste Maschinensatz
im November 2010 in Betrieb gehen. An Kambarata 1 wird gegenwärtig noch gebaut,
ebenfalls in Kooperation mit Russland. Seine Kapazität soll 1 900 Megawatt sein, und es
wird schätzungsweise 2 Milliarden US-Dollar kosten. Neben diesen Großkraftwerken
gibt es mehr als 200 Kleinkraftwerke. Viele wurden zu Sowjetzeiten gebaut, etliche auch
nach der Unabhängigkeit mit der Unterstützung internationaler Geber um kleine und
abgelegene Dörfer mit Strom zu versorgen. 3
3 Antipova et al. 2002, Giese et al 2004, Sehring 2009, UNECE 2008, WDI.
Grenzüberschreitende Wasserressourcen in den sechs Staaten des Aralseebeckens 39
Tadschikistan
Tadschikistan ist ein Gebirgsland, das zur
Hälfte über 3 000 m liegt. 93 % seiner Fläche
werden zu den Tien Schan, Gissar-Alay
und Pamir Gebirgen gerechnet. Tiefebenen
finden sich nur in den Flusstälern im Südwesten
des Landes und im Ferganatal im
Norden. 6–8 % der Landesfläche werden von
Gletschern be deckt, 90 % davon liegen im
Amu Darja-Becken.
Über 1 300 Seen befinden sich in
B A S I s I N F O R M AT I O N
Gesamtfläche
Bewässerte Fläche
Bevölkerungszahl (2011)
Bevölkerungswachstum
Durchschnittsalter
Bruttoinlandsprodukt
pro Kopf (2011)
143 100 km 2
7 220 km 2
7,5 Mio.
Tadschikistan, die meisten in der östlichen Pamir-Region. Der größte ist der Karakul
(380 km²), ein Salzwassersee auf einer Höhe von 3 914 m. Der 490 m tiefe Saressee (auf
3 239 m mit einer Fläche von 86,5 km²) hat sich im Jahre 1911 gebildet, als ein Bergrutsch
nach einem Erdbeben einen natürlichen Damm formte, der den Fluss Murghab aufstaute.
4 Experten befürchten, dass dieser natürliche Damm brechen könnte oder dass häufig
vorkommende Erdbeben eine Flutwelle über den Damm auslösen könnten, die dann zu
katastrophalen Überflutungen entlang des Pandsch und Amu Darja führen würde.
Mehr als 25 000 Flüsse fließen durch das Land. Tadschikistan gehört sowohl zum
Syr Darja-Becken wie zum Amu Darja-Becken, die zusammen praktisch das ganze Land
ausmachen. Die Flüsse Vachsch, Kafirnigan und Pandsch, der Grenzfluss zu Afghanistan,
sind die Hauptzuflüsse des Amu Darjas, zu dessen Einzugsgebiet 75 % des Landes gehören.
In der nörd lichen Provinz Sughd im Ferganatal fließt der Syr Darja 195 km durch Tadschikistan
– von Usbekistan und wieder nach Usbekistan. Ein weiterer wichtiger grenzüberschreitender
Fluss ist der Sarafschan, der ebenfalls nach Usbekistan fließt. In Tadschikistan
gibt es neun Stauseen die meisten am Vachsch, der in den Amu Darja fließt.
Obwohl nur 5 % des Landes kultivierbar ist, spielt Bewässerungslandwirtschaft in
dem schwach industrialisierten Land eine wichtige wirtschaftliche Rolle. Ungefähr 90 %
der landwirtschaftlichen Produktion wird mit Bewässerung erzielt. Dabei sind mehr
als 60 % des Ackerlandes zumindest teilweise auf Pumpenbewässerung angewiesen,
wodurch Bewässerung teurer als in anderen zentralasiatischen Ländern ist. Baumwolle
macht 43 % der angebauten Nutzpflanzen aus. Auch wenn der Anteil der Landwirtschaft
am BIP seit der Unabhängigkeit zurückging – von 37 % 1991 auf 22 % 2009 – stellt Baumwolle
immer noch 11 % aller Exporte, so dass sie nach Aluminium und Strom das wichtigste
Exportgut ist. Die Landwirtschaft beschäftigt offiziell 31 % der Arbeitskräfte (2004).
In Tadschikistan hat die Wassernutzung zur Energiegewinnung Priorität. Tadschikistan
ist nach Russland der zweitgrößte Wasserkraftproduzent in der GUS; pro Kopf
gerechnet ist es sogar weltweit der größte Produzent. Und das, obwohl gerade einmal 5 %
des geschätzten Wasserkraftpotenzials genutzt werden. Die größten Wasserkraftwerke
2,4%
20,4 Jahre
$ 820
4 Dieser Fluss Murghab ist nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Fluss, der von Afghanistan nach Turkmenistan
fließt und im Haridud-Murghab Becken liegt.
40 Tadschikistan
sind Nurek (3000 MW), Sangtuda 1 (670 MW), Sangtuda 2 (220 MW), Baipasan
(600 MW) und Kairakkum (126 MW). Doch damit kann der Energiebedarf des Landes
noch nicht gedeckt werden. Ebenso wie Kirgistan bekam Tadschikistan früher Kohle
und Gas aus dem gemeinsamen sowjetischen Energieverbund geliefert, und ist durch
Ausbleiben dieser Lieferungen mit einer schweren Energiekrise konfrontiert. Ländliche
Gebiete können im Winter nur wenige Stunden am Tag mit Strom versorgt werden. Im
Winter 2010/11 war sogar in der Hauptstadt Duschanbe die Stromzufuhr eingeschränkt.
Das Problem wird dadurch verstärkt, dass ein Großteil des produzierten Stroms von der
großen Aluminiumfabrik TALCO verbraucht wird oder in dem ineffizienten Stromleitungsnetzwerk
verloren geht. Deswegen strebt die tadschikische Regierung danach, das
Wasserkraftpotenzial stärker zu nutzen. Seit der Unabhängigkeit wurden 250 Kleinwasserkraftwerke
gebaut und mehrere große, wie Sangtuda 1 und 2, die mit russischen und
iranischen Investitionen finanziert wurden.
Daneben möchte die Regierung auch den Bau des umstrittenen Roghun-Damms
wieder aufnehmen, der mit 335 m der höchste Staudamm der Welt mit einem Wasserkraftwerk
mit einer Leistung von 3 600 Megawatt werden soll. Doch die die Länder flussabwärts,
vor allem Usbekistan, befürchten negative Auswirkungen durch den Stausee.
Deswegen hat Tadschikistan eingewilligt, eine unabhängige technische Machbarkeitsstudie
und eine Sozial- und Umweltverträglichkeitsprüfung durchführen zu lassen. Diese
werden von der Weltbank finanziert. Tadschikistan hat sich verpflichtet alle Baumaßnahmen
zu stoppen bis die Ergebnisse vorliegen, was frühestens Ende 2012 sein wird. 5
5 AsiaPlus 2011, BIC 2011, Sehring 2009, UNDP 2003, UNECE 2004, WDI, WRI.
Grenzüberschreitende Wasserressourcen in den sechs Staaten des Aralseebeckens 41
Turkmenistan
Die Fläche Turkmenistans wird zu 80 % von
der riesigen Karakum-Wüste eingenommen.
Nur im Südwesten, entlang der Grenze zum
Iran, und im Osten an der Grenze zu Usbekistan
gibt es einige Gebirgszüge. Die Fläche des
landwirtschaftlich nutzbaren Landes wird
auf 4 bis 14 % geschätzt.
Es gibt kaum interne Wasserressourcen
im Land, lediglich einige kleine Flüsse
B A S I s I N F O R M AT I O N
Gesamtfläche
Bewässerte Fläche
Bevölkerungszahl (2011)
Bevölkerungswachstum
Durchschnittsalter
Bruttoinlandsprodukt
pro Kopf (2010)
488 100 km 2
18 000 km 2
5,1 Mio.
1,4%
25,5 Jahre
$ 7500
in den Kopetdag-Bergen im Süden mit einem geschätzten Abfluss von 1 km³ pro Jahr.
Kleinere grenzüberschreitende Flüsse sind der Atrek vom Iran, der Murghab aus Afghanistan
und der Tedschen, der von Afghanistan durch den Iran nach Turkmenistan fließt.
Fast 90 % der Wasserressourcen des Landes kommen jedoch vom Amu Darja über den
Karakumkanal, der mit über 1 300 km die bei weitem größte und wichtigste Wasserinfrastruktur
des Landes und auch der längste Kanal der Welt ist. Er verläuft von der
Grenze mit Usbekistan quer durch das Land bis zu den westlichen Gebieten in der Nähe
des Kaspischen Meeres. Weiter flussabwärts am Amu Darja, im Norden des Landes, liegt
der Tujamujun-Stausee, der zwar auf usbekischem Boden liegt, aber auch die turkmenische
Region Daschogus mit Wasser versorgt. Daneben gibt es 18 kleinere Stauseen mit
einer Gesamtkapazität von 2,89 km³, die vor allem der Bewässerung dienen. Der größte
von ihnen ist der Haus-Khan-Stausee am Karakumkanal mit 0,875 km³ Stauvermögen.
Durch das Rücklaufwasser von den Bewässerungsanlagen entstanden ca. 80 künstliche
Drainage-Seen. Der größte davon ist der Sarygamysch-See (8 km³), der ungefähr
200 km südwestlich des Aralsees liegt. Er bildete sich 1971 durch die Überflutung mehrerer
kleinerer Seen in der Sarygamysch-Senke, die regelmäßig mit Wasser aus dem Amu
Darja gespeist wurden, und hat sich seitdem zum größten Drainage-See entwickelt, in
dem das salzhaltige Bewässerungswasser gesammelt wird. 2009 begann die turkmenische
Regierung den Bau eines weiteren riesigen Drainage-Sees in der Karaschor-Senke im
Norden des Landes, des Altyn Asyr-Sees (See des Goldenen Zeitalters), später in Großer
Turkmenischer See umbenannt. Alte, ausgetrocknete Flussbetten und neugebaute Kanäle
mit einer Gesamtlänge von über 1000 km sollen Drainagewasser aus den verschiedenen
Landesteilen, das bisher entweder in den Amu Darja zurückfließt oder in den Sarygamysch-See,
in den neuen See bringen. Damit soll sich der See letztendlich über eine Fläche
von 1 916 km² erstrecken (103 km lang und 18,6 km breit) und 132 km³ Wasser fassen.
Die turkmenische Regierung plant, den See zu einem Naherholungsgebiet zu entwickeln,
und einen Teil des Wassers zur Bewässerung von Weiden und Obstplantagen zu nutzen.
Experten warnen allerdings, dass der See negative ökologische Auswirkungen haben
könnte und sich der Wasserrücklauf in den Amu Darja reduzieren wird.
Turkmenistan besitzt weltweit die viertgrößten Gasreserven, aber kaum kultivierbares
Land. Insofern ist auch die wirtschaftliche Bedeutung der Landwirtschaft
eher gering – sie macht gerade einmal 12 % des BIP aus (2009). Trotzdem sind 32 % der
42 Turkmenistan
Arbeitskräfte in der Landwirtschaft beschäftigt (2004), und über die Hälfte der Bevölkerung
lebt auf dem Land. So wird wie in den anderen zentralasiatischen Staaten das meiste
Wasser in der Bewässerungslandwirtschaft verbraucht, nämlich 92 %. Im Prinzip ist die
gesamte Ackerfläche bewässert, versorgt durch ein weitverzweigtes Kanalnetzwerk von
insgesamt über 39 000 km Länge. Der Großteil davon sind unbetonierte Kanäle. Angebaut
wurde während der Sowjetzeit vor allem Baumwolle, seit der Unabhängigkeit wird
aber verstärkt auf Nahrungsmittelproduktion gesetzt, wofür auch die Bewässerungs fläche
erweitert wurde. So soll eine größere Unabhängigkeit von Importen erreicht werden.
Es gibt zwar auch ein geringes Wasserkraftpotential (geschätzte 5,8 GWh), von
dem aber nur 0,7 GWh genutzt werden (1993), da der Energiebedarf durch die fossilen
Brennstoffvorkommen gedeckt wird.
Aufgrund des extrem trockenen Klimas ist Wasser enorm wichtig für das Land.
Dies zeigt sich in einem alten turkmenischen Sprichwort »Ein Tropfen Wasser ist ein
Körnchen Gold«, welches das Motto eines nationalen Feiertages ist, der jedes Jahr am
ersten Sonntag im April gefeiert wird. 6
6 Kostianoy et al. 2011, Sehring 2002, UNDP 2010, WDI, AQUASTAT.
Grenzüberschreitende Wasserressourcen in den sechs Staaten des Aralseebeckens 43
Usbekistan
Usbekistan ist einer der wenigen Staaten, der
von landumschlossenen Ländern umgeben
ist: um das nächste Meer zu erreichen, muss
man zwei Länder durchqueren. Fast 80 % der
Landesfläche wird von Wüsten eingenommen.
Im Osten erreichen die Berge allerdings
eine Höhe von über 4 000 m. Bewässerungslandwirtschaft
findet vor allem im Ferganatal
im Osten des Landes und in der Region
Choresm im Nordwesten des Landes statt.
B A S I s I N F O R M AT I O N
Gesamtfläche
Bewässerte Fläche
Bevölkerungszahl (2011)
Bevölkerungswachstum
Durchschnittsalter
Bruttoinlandsprodukt
pro Kopf (2010)
447 400 km 2
42 230 km 2
28,5 Mio.
1,9%
28,5 Jahre
$ 1384
Ebenso wie Tadschikistan wird Usbekistan sowohl vom Amu Darja wie vom Syr Darja
durchflossen. Der Syr Darja fließt durch den Osten des Landes und speist das fruchtbare
und dicht besiedelte Ferganatal. Das Amu Darja-Becken umschließt den Großteil des
Landes, zu ihm zählen auch die Flüsse Surchan Darja, Scherabad, Kaschka Darja und
Sarafschan. Dazu kommen noch unzählige – über 17 000 – kleine Flüsse und ungefähr
500 Seen, von denen die meisten allerdings mit einer Fläche von weniger als 1 km² eher
klein sind. Nur etwa 10 % der Wasserressourcen Usbekistans entspringen im Land selbst,
so dass es von den Zuflüssen aus Kirgistan, Tadschikistan und Afghanistan abhängig ist.
Neben den natürlichen Gewässern gibt es 51 Stauseen. Sie dienen größtenteils
der Wasserregulierung zur Bewässerung, aber einige werden auch zur Wasserkraftproduktion
genutzt. Ungefähr 28 000 km an Kanälen versorgen die Bewässerungsflächen.
Auch wenn das Land große Gasvorkommen hat und nur 10 % des Landes kultivierbar
sind, spielt die Landwirtschaft eine wichtige wirtschaftliche Rolle und ist für mehr
als 90 % des Wasserverbrauchs verantwortlich. Die wichtigste Handelspflanze ist Baumwolle.
1980 wurden ca. zwei Millionen Tonnen Baumwolle in Usbekistan produziert.
Nach der Unabhängigkeit begann die usbekische Regierung den landwirtschaftlichen
Sektor umzustrukturieren und mehr Nahrungsmittel anzubauen sowie den Wasserverbrauch
zu reduzieren, so dass die Baumwollproduktion um ein Drittel zurückging. Die
Anbaufläche für Baumwolle wurde von 50 % der gesamten Bewässerungsflache in den
frühen 1990ern auf 30 % reduziert und durch Anbau von Nahrungsmitteln wie Getreide
und Gemüse sowie Futtermitteln ersetzt. 2010 produzierte Usbekistan 7 Millionen Tonnen
Getreide – im Vergleich zu einer Million Tonnen 1991. Usbekistan hat außerdem
viel in neue Bewässerungstechnik investiert, was internationale Geber in den letzten 10
Jahren mit etwa einer Milliarde US-Dollar unterstützt haben. Mit diesen Maßnahmen
konnte die Wasserentnahme reduziert werden und gleichzeitig Selbstversorgung mit
Nahrungsmitteln erreicht werden. Aber immer noch gehört Usbekistan zu den sechs
größten baumwollproduzierenden Ländern und ist der zweitgrößte Baumwollexporteur
der Welt.
Der Anteil der Landwirtschaft am BIP fiel seit der Unabhängigkeit von 37 % 1991
auf 20 % 2009. Trotzdem bringt die landwirtschaftliche Produktion aufgrund der Baumwolle
immer noch 8 % des Exporteinkommens. Beinahe zwei Drittel der Bevölkerung
44 Usbekistan
leben in ländlichen Gebieten und sind direkt auf Wasser für ihre Lebensgrundlage angewiesen.
Etwa 35 % der Arbeitskräfte arbeiten in der Landwirtschaft (2004).
Ein Thema, das in Usbekistan für Beunruhigung sorgt, ist der Bau neuer Großstaudämme
und Wasserkraftanlagen an den Hauptzuflüssen von Syr Darja und Amu
Darja. Regierung und Experten fürchten, dass das Füllen der Stauseen und dann der
Betrieb der Staudämme zur Energieproduktion (Wasserablass im Winter) die Wasserzufuhr
im Frühjahr und Sommer drastisch verringern könnte. Ebenso fürchten sie, dass
Erdbeben zu einem Dammbruch führen und eine Katastrophe auslösen könnten.
Auch Usbekistan nutzt Wasserkraft, aber nur in relativ geringem Umfang. 28 kleine
und mittlere Wasserkraftwerke produzieren 12,5 % des Stroms, und die Regierung plant
noch weitere zu bauen. 7
7 WDI, WRI, UNCTAD, UNECE 2010.
Grenzüberschreitende Wasserressourcen in den sechs Staaten des Aralseebeckens 45
IFAS: Eine Geschichte
post-sowjetischer Kooperation
Während der letzten 20 Jahre haben die zentralasiatischen Staaten zahlreiche Abkommen
und Erklärungen über grenzüberschreitendes Wassermanagement unterzeichnet.
Sie haben eine organisatorische Struktur für regionales Wassermanagement und die
Bewältigung der Aralseekrise etabliert. Die wichtigste Plattform für regionale Wasserkooperation
ist der IFAS – der Internationale Fonds zur Rettung des Aralsees, in dem
alle fünf ehemaligen zentralasiatischen Sowjetrepubliken Mitglied sind. 1
i
Wem gehört das Wasser?
Internationales Recht und grenzüberschreitende Gewässer
Weltweit gibt es 263 grenzüberschreitende Flussbecken, doch in vielen von ihnen gibt es zwischen
den Anrainerstaaten kein Abkommen, das regelt wie sie die Wasserressourcen aufteilen
oder gemeinsam verwalten. Auch auf globaler Ebene ist kein rechtsverbindliches internationales
Abkommen zu grenzüberschreitenden Gewässern in Kraft. Jedoch hat sich im
Laufe des vergangenen Jahrhunderts ein starkes Gewohnheitsrecht entwickelt. Bereits 1911
hat das Institut für Internationales Recht die Madrider Erklärung zur internationalen Regulierung
betreffend der Nutzung internationaler Gewässer für andere Zwecke als Navigation
verabschiedet. Sie empfahl, keine unilateralen Veränderungen des Abflusses vorzunehmen
und gemeinsame Wasserkommissionen zu gründen. 1966 hat die Vereinigung für Internationales
Recht die Helsinki-Richtlinien für die Nutzung des Wassers internationaler Flüsse
entwickelt. Deren Kernprinzipien sind die gerechte Nutzung der geteilten Wasserressourcen
und die Verpflichtung, den anderen Anrainern keinen bedeutenden Schaden zuzufügen.
Diese Prinzipien sind auch der Kern des UN-Übereinkommens über die Nutzung internationaler
Fließgewässer zu anderen Zwecken als zur Navigation (UN-Gewässer-Konvention),
das 1997 nach 25 Jahren Vorbereitung und Verhandlung von der Generalversammlung der
Vereinten Nationen angenommen wurde. Neben der Bestätigung der Prinzipien der gerechten
und vernünftigen Nutzung und der Verpflichtung, keinen erheblichen Schaden zuzufügen,
enthält die Konvention Bestimmungen zum Austausch von Daten und Information,
zum Gewässerschutz, zur Bildung von gemeinsamen Managementmechanismen und der
Beilegung von Konflikten. Allerdings ist die Konvention nicht in Kraft, da die notwendige
Mindestzahl von 35 Ratifizierungen bisher nicht erreicht wurde. 2
1 Das folgende Kapitel basiert auf ec-ifas.org, icwc-aral.uz, Dukhovny and Sokolov 2003, IFAS 2003, Le Moigne
2003, Libert et al. 2008, Sehring 2002, Sehring 2007, Shalpykova 2002, Weinthal 2001.
2 http://untreaty.un.org/cod/avl/ha/clnuiw/clnuiw.html
IFAS: Eine Geschichte post-sowjetischer Kooperation
47
Ein Grund für die mangelnde Bereitschaft vieler Staaten der Konvention beizu treten
ist eine gewisse Vagheit in der Formulierung der Kernprinzipien, die zu widersprüchlichen
Auslegungen führen kann. So kann ein Oberlieger sein Recht auf seinen bisher ungenutzten
gerechten Anteil fordern, dessen Nutzung dem Unterlieger, der das Wasser bisher genutzt
hat, jedoch erheblichen Schaden zufügen kann. Wessen Rechte und welches Prinzip hat im
Zweifelsfall Priorität? Und was genau ist ein gerechter Anteil? Woran wird er gemessen?
Wo verläuft die Grenze zwischen einem Schaden, der akzeptiert werden muss, und einem
erheblichen Schaden? All diese Fragen werden von der Konvention nicht beantwortet, die
nur allgemeine Prinzipien und Kriterien beinhaltet. Und dies ist auch klug, denn solche
Fragen können nicht allgemein beantwortet werden, sondern nur spezifisch für jedes
Flussbecken. In dieser Hinsicht bietet das Übereinkommen ein Rahmenwerk aus gemeinsamen
Prinzipien, auf deren Basis dann spezifische regionale Vereinbarungen getroffen
werden können.
Es gibt allerdings eine bindende regionale Konvention für Europa und Zentral asien,
die diese beiden Prinzipien verpflichtend für ihre Mitglieder gemacht hat und Leitlinien für
ihre Umsetzung in konkreten Flussbecken enthält: das Übereinkommen zum Schutz und
zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen (sogenannte
Helsinki-Konvention) der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen
(UNECE) von 1992. 3 Das Übereinkommen verpflichtet seine Parteien, grenzüberschreitende
Auswirkungen ihrer Aktivitäten zu verhindern, kontrollieren und reduzieren, grenzüberschreitende
Wasserressourcen in vernünftiger und gerechter Weise zu nutzen und ihr
nachhaltiges Management zu gewährleisten. Parteien, die Anrainer desselben Gewässers
sind, sind aufgefordert zu kooperieren, spezifische Abkommen zu schließen und gemeinsame
Organe zu gründen. Die Konvention beinhaltet auch Bestimmungen zu Monitoring,
Forschung und Entwicklung, Konsultationen, Warn- und Alarmsystemen, gegenseitiger
Unterstützung, Informationsaustausch sowie öffentlichem Zugang zu Informationen.
Von den zentralasiatischen Ländern sind Kasachstan und Usbekistan der Helsinki-
Konvention beigetreten; die anderen Staaten nehmen an einigen der Programmpunkten
der Konvention teil. Obwohl das Übereinkommen gegenwärtig nur für Länder der UNECE-
Region gilt, also nicht für Afghanistan, Iran oder China, sieht ein Zusatzartikel die Ausweitung
auf nicht-UNECE-Länder vor. Sobald dieser Zusatzartikel in Kraft tritt, könnte die
Helsinki-Konvention eine Grundlage für die Kooperation zwischen den zentralasiatischen
Ländern und ihren Nachbarstaaten sein.
IFAS: Organisation und Struktur
Nach dem Ende der Sowjetunion war den fünf neuen unabhängigen zentralasiatischen
Staaten die Notwendigkeit der Kooperation über ihre geteilten Wasserressourcen
bewusst. Bereits im September 1991 verabschiedeten die Wasserminister eine
3 http://live.unece.org/env/water/
48 IFAS: Organisation und Struktur
gemeinsame Erklärung, in der sie festhielten, dass eine Lösung der regionalen Wasserprobleme
ein gemeinsames Wassermanagement erfordert, das auf den Prinzipien von
Gleichheit und gegenseitigem Nutzen erfolgen sollte.
Am 18. Februar 1992 unterzeichneten die fünf Minister das »Abkommen über
Kooperation bei gemeinsamen Management, Nutzung und Schutz der zwischenstaatlichen
Quellen von Wasserressourcen«. Darin wurde festgehalten, dass das Quotensystem,
das in den 1980ern eingerichtet wurde (siehe Seite 24f.), zunächst gültig bleiben
sollte bis eine neue Strategie entwickelt worden sei. Daneben begründete es ein gemeinsames
Organ, die Zwischenstaatliche Kommission für Wasserkoordinierung (ICWC).
Diesem Abkommen folgten das sogenannte Aral-Abkommen 1993, die Deklaration von
Nukus 1995, das Abkommen »Über den Status von IFAS und seinen Organisationen«
1999, und etliche weitere.
Die ICWC war die erste regionale Institution nach der Unabhängigkeit. Ihre Hauptaufgaben
sind die Kontrolle von Regulierung, effizienter Nutzung und Schutz der Gewässer,
die Festlegung jährlicher Wasserentnahmelimits für jedes Land und die Entwicklung
einer gemeinsamen regionalen Wasserpolitik. Seine Mitglieder sind die Leiter der jeweiligen
zuständigen Ministerien bzw. Abteilungen. Sie treffen sich vierteljährlich um die
genaue Wasserverteilung zu regeln, d.h. die allgemeinen Quoten in konkrete Mengen zu
übersetzen, basierend auf Messungen des Wasserabflusses und Wettervorhersagen. Der
Vorsitz der ICWC-Treffen wechselt zwischen den Mitgliedsstaaten. Alle Entscheidungen
werden einstimmig getroffen. Zur ICWC gehören ein Sekretariat mit Sitz in Chudschand
(Tadschikistan), ein wissenschaftliches Informationszentrum (SIC ICWC) in Taschkent
(Usbekistan), und zwei Flussbeckenbehörden – die BVOs, die bereits unter der Sowjetunion
eingerichtet wurden. Der Sitz der BVO Syr Darja ist in Taschkent, der der BVO
Amu Darja in Urgentsch (Usbekistan).
1993 wurde der Zwischenstaatliche Rat für das Aralseebecken (ICAS) gegründet
mit dem EC (Exekutivkomitee) als ausführendem Organ. Er bestand aus fünf Mitgliedern
je Staat, die sich halbjährlich trafen und die über die Pläne und Maßnahmen entschieden,
die vom EC vorgelegt wurden. Die ICWC wurde in den ICAS integriert. Im selben Jahr
wurde auch der Internationale Fonds zur Rettung des Aralsees (IFAS) mit Sitz in Almaty
gegründet. Alle Mitgliedsstaaten sollten jährlich ein Prozent ihrer Staatsausgaben in den
Fonds einzahlen und damit die Projekte des ICAS finanzieren. Das Exekutivkomitee des
IFAS (EC IFAS) setzt sich aus zwei Vertretern jedes der fünf Mitgliedstaaten zusammen.
Zunächst war die Rolle des IFAS darauf beschränkt, Geldmittel über Mitgliedsbeiträge
und Geberunterstützung aufzutreiben, während EC ICAS für das Aralseebeckenprogramm
(ASBP, siehe S.50) zuständig war.
1994 wurde eine ökologische Kommission angegliedert, die Zwischenstaatliche
Kommission für sozio-ökonomische Entwicklung und wissenschaftliche und ökologische
Kooperation (ICSDSTEC), später umbenannt in Zwischenstaatliche Kommission
für nachhaltige Entwicklung (ICSD). Ihr Ziel ist die Koordinierung der Kooperation im
Bereich Umweltschutz und nachhaltiger Entwicklung in Zentralasien. Die ICSD trifft
sich zweimal jährlich mit wechselndem Vorsitz. Ein angeschlossenes Wissenschaftliches
Informationszentrum (SIC ICSD) befindet sich in Aschgabat.
IFAS: Eine Geschichte post-sowjetischer Kooperation
49
Eine Evaluierung der ersten Phase des ASBP (siehe unten) empfahl eine Stärkung
der regionalen Institutionen und infolgedessen wurden sie 1997 umstrukturiert. Wegen
Kompetenzüberschneidungen wurden ICAS und IFAS unter dem Namen IFAS vereint.
Der Vorsitz des IFAS rotiert unter den Präsidenten der fünf Mitgliedsstaaten, und mit ihm
der Sitz des EC IFAS. So hatte das Exekutivkomitee seinen Sitz von 1993 bis 1997 in Almaty,
von 1997 bis 1999 in Taschkent, von 1999 bis 2002 in Aschgabat, und von 2003 bis 2009 in
Duschanbe (der geplante Umzug nach Bischkek fand wegen des politischen Umsturzes
2005 nicht statt). Seit 2009 befindet er sich in Almaty. Eine weitere Änderung betraf die
Mitgliedsbeiträge. Es hatte sich gezeigt, dass kein Staat seine Zahlungen vollständig leistete,
und so wurden diese herabgesetzt auf 0,3 % der Staatsausgaben für die reicheren Unterliegerstaaten
und 0,1 % der Staatsausgaben für die ärmeren Oberliegerstaaten.
Im Jahre 2002 entschied der Vorstand des IFAS ein weiteres Gremium einzurichten,
und zwar das Regionale Zentrum für Hydrologie (RCH), das dem EC IFAS angegliedert
ist. Es soll das System der hydrometeorologischen Vorhersagen, Umweltmonitoring
und Datenaustausch zwischen den nationalen hydrometeorologischen Behörden der
Region verbessern. Sein Sitz ist gegenwärtig in Almaty.
Damit hat sich folgende Struktur des IFAS ergeben (siehe Diagramm S.51). 2008
erhielt der IFAS Beobachterstatus in der UN-Generalversammlung.
Das Aralseebeckenprogramm (ASBP)
Eine der Hauptaktivitäten des IFAS ist das Aralseebeckenprogramm (ASBP). Dies ist
das wichtigste langfristige regionale Aktionsprogramm im Bereich nachhaltige Entwicklung,
vor allem zu nachhaltigem Wassermanagement. Es beinhaltet nationale und
regionale Projekte. Seine Wurzeln reichen zurück zu einem ersten Bewertungsbericht
des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP), der 1988 bis 1991 in Zusammenarbeit
mit der sowjetischen Regierung durchgeführt wurde. 1992 begannen UNEP
zusammen mit dem UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) und der Weltbank die Vorbereitungen
für das ASBP, das nach der Gründung von ICAS und IFAS 1993 offiziell als
gemeinsames Programm gestartet wurde. Seine Hauptziele waren:
1. Ökologische Stabilisierung im Aralseebecken
2. Restaurierung des Katastrophengebiets um den See
3. Verbesserung des grenzüberschreitenden Wassermanagements im Aralseebecken
4. Kapazitätenaufbau der regionalen Organisationen um das Programm zu planen und
zu implementieren.
Das ASBP entwickelte sich zum umfassendsten internationalen Programm zur Linderung
der Aralseekrise, an dem sich zahlreiche multilaterale und bilaterale Geber beteiligten.
Dazu gehörten die Asiatische Entwicklungsbank (ADB), UNESCO, die Europäische
Union und die Regierungen der USA, Kanadas, der Niederlande, der Schweiz und
andere. In der ersten Projektphase wurden 280 Millionen US-Dollar an Krediten und 48
Millionen US-Dollar an Zuschüssen bewilligt.
50 Das Aralseebeckenprogramm (ASBP)
o r g a n i s a t i o n u n d s t r u k t u r V O N I F A S
Rat der Präsidenten der zentralasiatischen Staaten
zu Problemen des Aralseebeckens
Präsident des IFAS
Prüfungskommission
Rat des Internationalen Fonds
zur Rettung des Aralsees
Zwischenstaatl.
Kommission für
Wasserkoordin.
Zwischenstaatliche
Kommission für nachhaltige
Entwicklung
Exekutivkomitee
des Internationalen Fonds
zur Rettung des Aralsees
Sekretariat
Sekretariat
Zweigstelle
Kasachstan
SIC ICWC
SIC ICSD
Regionales Zentrum
f. Hydrologie
Zweigstelle
Kirgistan
BVO
Syr Darja
Zweigstelle
Tadschikistan
BVO
Amu Darja
Zweigstelle Da shouz
(Turkmenistan)
Koordinationszentrum
für
Metereologie
RASB
Behörde
in Usbekistan
Zweigstelle
Nukus
Zweigstelle Kysylorda
(Kasachstan)
Nach einem Treffen der Staatsoberhäupter in Duschanbe am 6. Oktober 2002 wurde
eine zweite Phase des Programms für die Jahre 2003 bis 2010 entwickelt – ASBP-2. In
dieser Phase plante IFAS, eine Reihe von ökologischen, sozio-ökonomischen, institutionellen
und wassermanagementspezifischen Problemen anzugehen. Nach Angaben
von EC IFAS beteiligten sich die Mitgliedsstaaten mit über einer Milliarde US-Dollar an
den Aktivitäten des Programms, und internationale Organisationen und Geber gaben
zusätzliche Unterstützung, darunter UNDP, Weltbank, ADB, USAID, die Schweiz, Japan,
Finnland, Norwegen und weitere. Allerdings ließ diese Unterstützung mit der Zeit nach,
aufgrund von schwachen Leistungen, mangelnder Implementierung sowie unzureichender
Koordinierung und Transparenz. Der Grund für die mangelnde Effektivität des
ASBP und die zutage getretenen Probleme hängen mit der organisatorischen Struktur
des IFAS zusammen, und werden im folgenden Kapitel näher betrachtet.
IFAS: Eine Geschichte post-sowjetischer Kooperation
51
Die Herausforderungen effektiver regionaler Wasserkooperation
Der IFAS ist die einzige regionale Organisation in der alle fünf zentralasiatischen Staaten
Mitglieder sind. Seine Existenz zeigt, dass geteilte Wasserressourcen zu Kooperation
führen können. Im Gegensatz zu vielen anderen regionalen Organisationen in Zentralasien
haben der IFAS und seine angegliederten Organe über 20 Jahre hinweg funktioniert.
Allerdings haben die Ergebnisse ihrer Arbeit die hoch gesteckten Erwartungen der
Mitgliedsstaaten und Geber nicht erfüllt. Angesichts der schwierigen Startbedingungen
ist dies nicht verwunderlich: Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion mussten die
zentralasiatischen Staaten neue Strukturen, Institutionen und Strategien entwickeln um
die vormals von Moskau aus verwalteten natürlichen Ressourcen zu managen, und dies
zu einer politischen und wirtschaftlichen Krisenzeit, als sie kaum über die notwendigen
technischen, finanziellen, administrativen und politischen Kapazitäten verfügten. Diese
Schwierigkeiten haben zu einigen Schwächen in der regionalen Struktur geführt. Dazu
gehören das Fehlen eines kohärenten legalen Rahmens und einer effektiven Organisationsstruktur,
ebenso wie mangelnde Koordinierung zwischen den Unterorganisationen
und unzureichende Umsetzung der Entscheidungen der Leitungsebene. Es darf nicht
vergessen werden, dass langfristige Vereinbarungen immer mit Vorteilen sowie Risiken
für alle Seiten einhergehen. Trotzdem sollte der Beitrag des IFAS für eine friedliche und
prosperierende Entwicklung nicht unterschätzt werden.
Möchte man die bisherige Leistung des IFAS beurteilen, so bietet sich ein Blick
auf die gemeinsame Erklärung der Staatsoberhäupter Zentralasiens vom April 2009 an
(siehe Seiten 56/57). Dort stellen sie fest, dass der IFAS noch viel Potenzial hat und dementsprechend
beauftragten die Staatschefs das Exekutivkomitee des IFAS mit der Erarbeitung
von Vorschlägen für eine Verwaltungsreform der Institutionen um ihre Leistung
zu verbessern. Die Staatsoberhäupter bekannten sich auch zur internationalen Zusammenarbeit
und luden die internationalen Gebergemeinschaft ein, sich an der Entwicklung
von Programmen und Lösungsansätzen für die Wasserprobleme in Zentralasien
zu beteiligen. Verbesserte regionale Kooperation und Vertrauensbildung im grenzüberschreitenden
Wassermanagement ist ein langfristiger Prozess. Die Erfahrung in anderen
Flussbecken zeigt, dass es oft Jahrzehnte gedauert hat, um das notwendige Vertrauen und
adäquate Regelungen für effektive Kooperation aufzubauen. In dieser Hinsicht ist der
IFAS noch eine sehr junge Organisation.
i
Grenzüberschreitende Grundwasservorkommen
Neben dem Oberflächenwasser sind Grundwasser-Aquifer eine wichtige Quelle von Süßwasser
in Zentralasien. Nach Angaben der FAO betragen die gesamten erneuerbaren Grundwasserressourcen
6,1 km³ pro Jahr in Kasachstan, 13,69 km³/Jahr in Kirgistan, 6 km³/Jahr in
Tadschikistan (geschätzt), 0,36 km³/Jahr in Turkmenistan und 8,8 km³/Jahr in Usbekistan
(geschätzt). Für Afghanistan sind keine Daten verfügbar. Grundwasser wird vor allem zur
52 Die Herausforderungen effektiver regionaler Wasserkooperation
Trinkwasserversorgung genutzt, aber auch zur Bewässerung. In Turkmenistan macht es die
Hälfte des gesamten Wasserverbrauchs aus. Vor allem an den Unterläufen von Amu Darja
und Syr Darja, wo das Oberflächenwasser knapp und verschmutzt ist, ist Grundwasser eine
wichtige Trinkwasserquelle.
Allerdings hat sich auch die Qualität des Grundwassers in den letzten Jahrzehnten
verschlechtert. Mehr als 90 % der Grundwasservorkommen in Zentralasien haben bereits
einen natürlichen Salzgehalt von mehr als 1 g/l. Dazu kommt die Verschmutzung durch
Bewässerung und Drainage. Mehrere Aquifer sollen stark mit Stickstoff und Pestiziden verschmutzt
sein. Verschmutzung durch Industrie, Bergbau und Abfallhalden kommt weniger
häufig vor, aber einige Aquifer sind dadurch mit Schwermetallen, organischen Stoffen und
radioaktiven Elementen verschmutzt. Die Verschlechterung der Grundwasserqualität ist
besonders dort besorgniserregend, wo es die Bevölkerung für die Trinkwasserversorgung
besonders benötigt, wie in den Regionen Choresm und Karakalpakstan am unteren Amu
Darja und Buchara am mittleren Sarafschan. In Usbekistan sind 35–38 % des Grundwassers
nicht mehr als Trinkwasser geeignet.
Ein Großteil des genutzten Grundwassers wird grenzüberschreitenden Aquifern
entnommen. Die untenstehende Karte zeigt die Lage der grenzüberschreitenden Aquifer,
die bei einer Erhebung der UNECE identifiziert wurden. Einige von ihnen liegen tief und
haben nur schwache oder mittlere Verbindung zu lokalem Oberflächenwasser weit von der
Grenze entfernt. Andere sind flach und fließen von Nachbarstaaten zu grenzüberschreitenden
Flüssen. Obwohl die grenzüberschreitenden Grundwasservorkommen in Zentralasien
beachtlich sind, ist das Wissen über sie sehr fragmentiert und weitere Forschung dringend
notwendig. Eine legale und institutionelle Regelung für grenzüberschreitendes Grundwasser
in der Region gibt es ebenfalls nicht. 4
Verteilung des grenzüberschreitenden Grundwassers in Zentralasien
Kasachstan
Usbekistan
Kirgistan
Turkmenistan
Tadschikistan
4 UNECE 2007, Rakhmatullaev et al. 2010, MKUR 2006, AQUASTAT
IFAS: Eine Geschichte post-sowjetischer Kooperation
53
Zusätzliche Bemühungen für Wasserkooperation
Neben den Abkommen und Regelungen im Rahmen des IFAS haben die zentralasiatischen
Staaten einige weitere multilaterale und bilaterale Anstrengungen unternommen,
um gemeinsam die Wassernutzung zu regeln.
So unterzeichneten Turkmenistan und Usbekistan 1996 ein separates Abkommen
über die gleichmäßige Verteilung der Wasserressourcen. Es legt fest, dass 50 % des
Abflusses des Amu Darja an der Messstation in Kerki über den Karakumkanal Turkmenistan
zugewiesen werden und die anderen 50 % Usbekistan.
1998 vereinbarten die Regierungen von Kasachstan, der Kirgisischen Republik und
Usbekistan ein »Abkommen über die Nutzung der Wasser- und Energieressourcen im
Syr Darja-Becken«. Diese Vereinbarung legte fest, dass Kirgistan Wasser aus seinen Stauseen
im Sommer für die Unterlieger Kasachstan und Usbekistan ablässt und diese im
Gegenzug Kirgistan im Winter mit Energieträgern beliefern, so dass es keine Wasserkraft
produzieren muss. 1999 trat auch Tadschikistan dem Abkommen bei, so dass der Betrieb
des Kairakkum-Stausees mit einbezogen werden konnte. Das Abkommen erfordert jährliche
Protokolle, in denen die genauen Zeiten und Mengen des Wasserablasses, der Preis
für den im Sommer produzierten Strom (der an die Unterlieger verkauft wird) sowie die
Abgabepreise für Kohle, Gas und Strom festgelegt werden. Das Abkommen funktionierte
einige Jahre gut, dann wurden aber in manchen Jahren die vereinbarten Kohle- und Gasmengen
nicht geliefert, woraufhin Kirgistan mehr Wasser als vereinbart im Winter abließ.
Ab 2003 konnten sich die Parteien nicht mehr auf die jährlichen Protokolle einigen. Stattdessen
wurden bilaterale und ad hoc Vereinbarungen getroffen. Diese sind jedoch weniger
transparent, bieten keine langfristige Planungssicherheit und erlauben keine Sanktionen
im Falle der Nicht-Einhaltung.
Die Konsequenzen waren im Winter 2003/04 schmerzlich spürbar: Da der Sommer
2003 überdurchschnittlich niederschlagsreich war und dadurch weniger Wasserablass
notwendig war, lieferten Kasachstan und Usbekistan im folgenden Winter weniger
als die vereinbarte Menge Kohle und Gas. Um den Ausfall zu kompensieren, ließ
Kirgistan wesentlich mehr Wasser als normalerweise aus dem Toktogul-Stausee ab. Die
Wassermenge konnte vom gefrorenen Flussbett des Syr Darja und den Stauseen flussabwärts
nicht aufgenommen werden und führte zu heftigen Überflutungen in Kasachstan,
verbunden mit der Angst vor einem Dammbruch am Schardara-Stausee, wo 2 000 Menschen
evakuiert werden mussten.
Das Scheitern des Abkommens betrifft nicht nur die Energiesicherheit in den
Oberliegerstaaten im Winter und die Sicherheit der landwirtschaftlichen Wasserversorgung
für die Unterlieger, sondern auch die Sicherheit der Staudämme. In den letzten Jahren
haben sich die Staaten flussabwärts kaum an den Kosten für Betrieb und Unterhalt
der Staudämme beteiligt, die alleine von den relativ ärmeren Ländern Kirgistan und Tadschikistan
getragen werden müssen. Das Tschu-Talas-Abkommen, das eine Kostenteilung
zwischen Kirgistan und Kasachstan regelt, ist eine Ausnahme und zeigt, dass dies im
gegenseitigen Nutzen funktionieren kann. Was den Syr Darja betrifft, so ist es bezeichnend,
dass sogar eine offensichtliche win-win-Situation wie der Wasser-Energie-Tausch
54 Zusätzliche Bemühungen für Wasserkooperation
nicht in seinem gegenseitigen Nutzen wahrgenommen wird, sondern mit Misstrauen
und Argwohn. Hier gilt es zu bedenken, dass es bisher auch in anderen Feldern kaum
positive Beispiele für erfolgreiche Kooperation gibt und sich ein generelles Streben nach
Autarkie entwickelt hat.
Ein weiterer Versuch, Wasser- und Energiefragen gemeinsam anzugehen, wurde
2005 gestartet. Mit Unterstützung der Weltbank wurde der Entwurf für ein Rahmenabkommen
über ein Wasser-Energie-Konsortium vorbereitet. Dies geschah im Rahmen
der Zentralasiatischen Organisation für Zusammenarbeit (CACO), einer kurzlebigen
Organisation, die später in der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft (EurAsEC) aufging.
5 Aufgrund unterschiedlicher nationaler Interessen und geringem Engagement von
Seiten der beteiligten zentralasiatischen Staaten (Turkmenistan war kein Mitglied der
CACO) geriet der Prozess ins Stocken und Geber beendeten ihre Unterstützung.
Das Gipfeltreffen 2009 und der Reformprozess
2008 war die Wassersituation sehr angespannt, insbesondere im Syr Darja-Becken:
Da der Winter 2007/08 sehr kalt war, sah sich Kirgistan gezwungen, mehr Wasser als
gewöhnlich zur Energieproduktion aus seinen Stauseen abzulassen. Dem harten Winter
folgten ein außerordentlich trockener Frühling und Sommer. Aufgrund des niedrigen
Wasserstandes im Toktogul-Stausee konnte nicht genug Wasser für Bewässerung abgelassen
werden. Es wurde offensichtlich, dass die existierenden Institutionen und Regelungen
eine solche Krise weder verhindern noch managen konnten. Nur dank eines
außerordentlichen Treffens der Staatsoberhäupter im Oktober 2008 konnte eine vorläufige
Lösung für das kommende Jahr gefunden werden, mit zusätzlichen Energielieferungen
der Unterlieger im Winter im Tausch für genügend Wasserablass im darauffolgenden
Sommer. Vor diesem Hintergrund übernahm Kasachstan den Vorsitz des IFAS und
EC IFAS zog von Duschanbe nach Almaty.
Am 29. April 2009 trafen sich die zentralasiatischen Präsidenten zum IFAS Gipfel
in Almaty. In ihrer gemeinsamen Erklärung betonten sie die Bedeutung des IFAS, erklärten
ihre Bereitschaft seine Organisationsstruktur zu verbessern und beauftragten IFAS
mit der Entwicklung der dritten Phase des Aralseebeckenprogramms.
5 Die EurAsian Economic Community (EurAsEC) ist eine internationale ökonomische Organisation mit dem
Ziel der wirtschaftlichen Koordination und der Schaffung einer gemeinsamen Zollunion. Mitgliedsstaaten sind
Weißrussland, Kasachstan, Kirgistan, Russland, Tadschikistan und Usbekistan (ruhend).
IFAS: Eine Geschichte post-sowjetischer Kooperation
55
i
Gemeinsame Erklärung
der Oberhäupter der Gründungsstaaten des
Internationalen Fonds zur Rettung des Aralsees
Am 28. April 2009 fand das Treffen der Präsidenten der Republik Kasachstan, der Kirgisischen
Republik, der Republik Tadschikistan, Turkmenistans und der Republik Usbekistan in Almaty statt.
Während der Verhandlungen, die in einer Atmosphäre gegenseitigen Verständnisses, Vertrauens,
Freundschaft und struktureller Zusammenarbeit stattfanden, besprachen die Staatsoberhäupter
Zentralasiens Fragen bezüglich der Aktivitäten des Internationalen Fonds zur Rettung des
Aralsees, der 1993 mit dem Ziel der Umsetzung gemeinsamer praktischer Aktivitäten und perspektivischer
Programme zur Überwindung der Aralseekrise und um die ökologischen und sozioökonomischen
Bedingungen im Aralseebecken zu verbessern gegründet wurde.
Die Oberhäupter der Gründungsstaaten des IFAS, im folgenden »Parteien«,
– geleitet von jahrhundertelangen gutnachbarschaftlichen Beziehungen und gemeinsamer
Geschichte, Kultur und Traditionen, gegenseitig unterstützender Beziehungen und strategischer
Partnerschaft zwischen den Ländern, die verantwortlich sind für die grundlegenden Interessen
der Menschen der Region,
– beruhend auf der reichen Erfahrung fruchtbarer Zusammenarbeit und das gemeinsame Interesse
bekundend, die intergouvernementalen Beziehungen auf eine höhere Ebene zu bringen,
– strebend nach gegenseitiger Hilfe und Unterstützung zur Erreichung der Millenniumsziele
und zur Verbesserung der sozio-ökonomischen und ökologischen Bedingungen im Aralseebecken,
– betonend, dass die Entwicklung der gegenseitigen Zusammenarbeit der Staaten Zentralasiens
hohe Bedeutung für die Gewährleistung nachhaltiger Entwicklung und regionaler Sicherheit
hat,
– unter Berücksichtigung des Klimawandels, des intensiven Schwunds der Gletscher und Schneefelder
in der Region und des Wasserverbrauchs durch Bevölkerungswachstum und Entwicklung
der Ökonomien der Länder der Region,
– die Wichtigkeit der Bemühungen der Länder der Region um integrierte Nutzung und Schutz
der Wasserressourcen, Bekämpfung der Wüstenbildung und Landdegradierung für die Lösung
der Probleme des Aralseebeckens betonend,
– der Projektimplementierung im Rahmen des IFAS unter Berücksichtigung der Interessen aller
Länder der Region große Priorität gebend,
– unter Berücksichtigung, dass die Nutzung der Wasserressourcen in der zentralasiatischen
Region im Interesse aller Gründungsstaaten des IFAS mittels allgemein akzeptierter Prinzipien
des internationalen Rechts umgesetzt wird,
– unter Berücksichtigung der Aktivitäten des IFAS und seiner strukturellen Organisationen zur
Stärkung der regionalen Zusammenarbeit zu Verbesserung der sozio-ökonomischen und ökologischen
Bedingungen im Aralseebecken,
– ihre Genugtuung äußernd über die Resolution der UN-Generalversammlung vom 11. Dezember
2008, die dem Internationalen Fonds zur Rettung des Aralsees Beobachterstatus in der UN
Generalversammlung gibt,
56 Das Gipfeltreffen 2009 und der Reformprozess
– ihren Dank den Fachorganisationen der UN aussprechend, den internationalen Finanzinstitutionen,
den Geberländern, anderen Partnern der Entwicklungszusammenarbeit für die Hilfe
und Unterstützung für die Länder der Region bei der Lösung der Probleme des Aralseebeckens,
– beruhend auf den gemeinsamen Bemühungen zur Bewältigung der Folgen der Krise im Aralseebecken
beizutragen,
geben die folgende Erklärung ab:
1. Die Parteien betonen die Wichtigkeit des IFAS, dessen Aktivitäten die Möglichkeit bieten,
grundlegende Fragen der Zusammenarbeit zur Überwindung der Folgen der Krise des Aralseebeckens
zu koordinieren und zu lösen, und werden ihre Tätigkeiten und die Zusammenarbeit
mit den Institutionen des UN-Systems, einschließlich des Regionalen Zentrums für Präventive
Diplomatie der UN für die Länder Zentralasiens, und anderen internationalen Institutionen
erweitern und intensivieren.
2. Die Parteien erklären sich bereit, die Organisationsstruktur und den legalen Rahmen des IFAS
weiter zu verbessern, um so eine höhere Effektivität und bessere Interaktion mit Finanzinstitutionen
und Gebern bei der Umsetzung von Projekten und Programmen bezüglich der Aralseebeckenkrise
zu erreichen.
3. Die Parteien beauftragen das Exekutivkomitee, gemeinsam mit der Zwischenstaatlichen Kommission
für Wasserkoordinierung und der Zwischenstaatlichen Kommission für nachhaltige
Entwicklung sowie mit Beteiligung nationaler Experten und Geber, ein Aktionsprogramm für
den Zeitraum 2011 bis 2015 (Aralseebeckenprogramm 3) zur Unterstützung der Länder des
Aralseebeckens zu entwickeln und es den Gründungsstaaten des IFAS zur Betrachtung und
Genehmigung vorzulegen.
4. Die Parteien werden ihre Zusammenarbeit zur Verbesserung der ökologischen und sozio-ökonomischen
Situation im Aralseebecken fortführen.
5. Die Parteien bestätigen nochmals ihr Interesse an der Entwicklung für alle Seiten akzeptabler
Mechanismen für die integrierte Nutzung der Wasserressourcen und den Umweltschutz in
Zentralasien unter Berücksichtigung der Interessen aller Staaten der Region.
6. Die Parteien betonen, dass die konstruktiven Verhandlungen, die in Almaty in der Atmosphäre
von Offenheit und gegenseitigem Verständnis stattfanden, maßgeblich zur Weiterentwicklung
der traditionell guten Beziehungen und für alle Seiten vorteilhafter Zusammenarbeit der Gründungsstaaten
des IFAS bei der Lösung der Probleme des Aralsees beigetragen haben.
7. Die Staatsoberhäupter danken für die warme und freundliche Aufnahme durch den Präsidenten
der Republik Kasachstan N.A. Nasarbajew im gastfreundlichen Kasachstan.
Almaty, 28. April 2009
Der Präsident der Republik Kasachstan N.A. Nasarbajew
Der Präsident der Kirgisischen Republik K.S. Bakiew
Der Präsident der Republik Tadschikistan E. Rachmon
Der Präsident von Turkmenistan G.M. Berdymuchammedow
Der Präsident der Republik Usbekistan I.A. Karimow 6
6 Inoffzielle Übersetzung der Autorin
IFAS: Eine Geschichte post-sowjetischer Kooperation
57
Folglich begann EC IFAS 2010 mit der Vorbereitung der dritten Phase das Aralsee beckenprogramms
(ASBP-3) für die Jahre 2011-2015. Dieses Mal fanden breite Konsultationen
mit nationalen und internationalen Experten statt. EC IFAS befand sich im kontinuierlichen
Dialog mit der Gebergemeinschaft (vor allem der Weltbank, der Europäischen
Union, USAID, GIZ und DEZA) um deren Kommentare und Ideen zu Prioritätensetzung
und Projektvorschlägen zu berücksichtigen. Mehrere Koordinierungstreffen mit
regionalen Organisationen und Gebern wurden veranstaltet. Zusätzlich unterstützten
die Weltbank, die GIZ und die EU den Vorbereitungsprozess mit Beratern. Als übergeordnetes
Ziel des ASBP-3 wurde die Verbesserung der sozioökonomischen und ökologischen
Situation durch Anwendung der Prinzipien des Integrierten Wasserressourcenmanagements
festgelegt, um von allen akzeptierte Mechanismen für die vielfältige
Nutzung von Wasser zu entwickeln, die Umwelt in Zentralasien zu schützen und dabei
die Interessen aller Staaten der Region zu berücksichtigen.
Das ASBP-3 umfasst Projekte in vier Teilbereichen:
1. Integriertes Wasserressourcenmanagement
2. Umweltschutz
3. Sozio-ökonomische Entwicklung
4. Verbesserung der institutionellen und legalen Instrumente.
Für die Auswahl der Projekte wurden folgende Kriterien festgelegt:
– Nationale Projekte, die vorwiegend vom jeweiligen Staatshaushalt finanziert werden
– Regionale Projekte, die in mindestens zwei Staaten implementiert werden
– Ausrichtung auf die Ziele des ASBP-3
– Zuordnung zu einem der Teilbereiche des ASBP-3
– Bezug zu den jeweiligen nationalen und regionalen Zielen und Programmen.
Insgesamt wurden 335 Projektvorschläge bei EC IFAS eingereicht. In einem konsultativen
Prozess mit der Gebergemeinschaft und allen Interessensvertretern wurden die
vorgeschlagenen Projekte thematisch gebündelt und zusammengefasst. Letztendlich
wurden 45 Projekte als Teile des ASBP-3 ausgewählt. Für diese Projekte sucht EC IFAS
die notwendige Finanzierung.
Der letztendliche Entwurf des ASBP-3 wurde im Dezember 2010 der Gebergemeinschaft
und dem Vorstand des IFAS präsentiert. Geber und internationale Organisationen
haben ihre Unterstützung für ASBP-3 in einer gemeinsamen Erklärung bekundet.
In dieser Erklärung begrüßen die Geber die enge Zusammenarbeit mit dem IFAS.
58
Das Gipfeltreffen 2009 und der Reformprozess
Die Rolle internationaler Akteure
Schon im vorigen Kapitel wurde deutlich, dass internationale Akteure seit der Unabhängigkeit
der zentralasiatischen Republiken im grenzüberschreitenden Wassermanagement
involviert waren. Es ist unmöglich, hier alle ihre Aktivitäten zu beschreiben.
Dieses Kapitel will lediglich einige Beispiele von den wichtigsten Gebern und ihren
Aktivitäten geben, jenseits der direkten Unterstützung für IFAS und ASBP-3, die bereits
oben erwähnt wurden.
Modernisierung der Infrastruktur für bessere Wassereffizienz
Es wurde bereits angeführt, dass der schlechte Zustand der Infrastruktur und ineffiziente
Bewässerungstechniken ein häufiger Grund für den hohen Wasserverbrauch in Zentralasien
sind. Deswegen haben viele Geber in die Modernisierung der Bewässerungsanlagen
und neue Technologien investiert. Da Landwirtschaft ein wichtiger Erwerbszweig
ist, trägt dies nicht nur zu effizienterer Wassernutzung bei, sondern auch zur
Verbesserung der ländlichen Existenzgrundlage. Geber haben auch Projekte zur Modernisierung
von Wasserkraftwerken finanziert, um ihre Effizienz und Produktion zu steigern,
sowie den Bau einiger neuer Wasserkraftwerke, vor allem Kleinkraftwerke. Nichtsdestotrotz
sind sich alle Geber einig, dass technische Verbesserungen und mehr Effizienz
alleine die Wasserprobleme Zentralasiens nicht lösen können. Es kann nur eine Komponente
in einem breiteren Ansatz sein, der Management und Verwaltungsreformen auf
lokaler, nationaler und regionaler Ebene umfasst. Deswegen kombinieren viele Geber
technische Hilfen mit Unterstützung zum Institutionenaufbau. So fördern die Weltbank,
ADB, USAID und andere zum Beispiel die Gründung von Wassernutzervereinigungen,
die dann auf lokaler Ebene für die Pflege der renovierten Kanäle verantwortlich sind.
i
IWRM: Integriertes Wasserressourcenmanagement
Seit den frühen 1990ern hat sich das Konzept des Integrierten Wasserressourcenmanagements
(IWRM) zu einem der wichtigsten Konzepte im internationalen Diskurs über nachhaltiges
Wassermanagement entwickelt und stellt heute dessen Idealtyp dar.
Die Agenda 21 des Erdgipfels in Rio de Janeiro 1992 hielt fest: »die weitverbreitete
Knappheit, die allmähliche Zerstörung und die zunehmende Verschmutzung der Süßwasserressourcen
in vielen Regionen der Erde im Verbund mit der kontinuierlichen Zunahme
unverträglicher Tätigkeiten machen eine integrierte Planung und Bewirtschaftung der
Die Rolle internationaler Akteure 59
Wasserressourcen erforderlich. Bei einer solchen integrierten Vorgehensweise müssen alle
Arten von miteinander in Wechselbeziehung stehenden Süßwassergewässer, und zwar sowohl
Oberflächengewässer als auch Grundwasservorkommen, einbezogen und Mengen- und
Güteaspekte gebührend berücksichtigt werden. Der sektorübergreifende Charakter der Wasserwirtschaft
im Gesamtzusammenhang der sozioökonomischen Entwicklung muss ebenso
anerkannt werden wie die unterschiedlichen Interessen dienende Nutzung der Gewässer,
etwa für die Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung, die Landwirtschaft, die Industrie
und die Entwicklung der Städte, die Erzeugung von Wasserkraft, die Binnenfischerei und
das Verkehrswesen, Freizeit- und Erholungszwecke, die Bewirtschaftung von tiefliegenden
und Flachlandgebieten und für andere Aktivitäten. (…)« (Kapitel 18.3 der Agenda 21).
In diesem Sinne ist die Grundannahme von IWRM, dass die verschiedenen Nutzungen
von Wasser (für Landwirtschaft, Industrie, Trinkwasser, Umweltdienstleistungen, usw.)
miteinander verflochten sind und deswegen auch gesamthaft verwaltet werden sollten. Dies
erfordert einen partizipativen Ansatz in der Entscheidungsfindung, in der Planung und
der Umsetzung, der alle relevanten Interessensgruppen einbezieht um deren Anliegen zu
berücksichtigen. Die Global Water Partnership (GWP) hat IWRM als einen Prozess definiert
der darauf abzielt, koordinierte Entwicklung und Management von Wasser, Land und
zugehörigen Ressourcen zu gewährleisten und dabei die ökonomische und soziale Wohlfahrt
zu maximieren, ohne die Nachhaltigkeit lebenswichtiger Umweltsysteme zu beeinträchtigen«.
Es gibt jedoch keine allgemeingültige Definition von IWRM. Normalerweise
werden folgende Prinzipen darunter gefasst:
– Hydrographisches Management der Wasserressourcen auf Ebene des Flussbeckens oder
Einzugsgebietes und nicht nach Verwaltungsgrenzen
– Integriertes Management, das alle Wasserquellen (Grundwasser, Oberflächenwasser,
Niederschlag, Küstenressourcen, etc.) und sowohl Quantitäts- als auch Qualitätsaspekte
einbezieht
– Intersektorales Management, das die verschiedenen Wirtschaftssektoren sowie Oberund
Unterlieger umfasst
– Nachfrageorientiertes Management, das Kostendeckungsmechanismen und wassereffiziente
Technologien einschließt
– Partizipatives Management, das sicherstellt, dass die Bedürfnisse aller Interessensgruppen
berücksichtigt werden, um gerechten Wasserzugang zu gewährleisten
– Dezentralisiertes Management auf der niedrigsten angemessenen Ebene.
Es ist wichtig festzuhalten, dass diese Prinzipien nicht als strikte Regeln anzusehen sind, die
weltweit einheitlich angewendet werden sollen. Vielmehr stellen sie eine Grundlage dar um
spezifische Regeln, die den jeweiligen Bedingungen und Bedürfnissen angepasst sind, zu
formulieren.
Der Implementierungsplan des Weltgipfels zur nachhaltigen Entwicklung, der 2002
im südafrikanischen Johannesburg stattfand, forderte alle Länder auf, bis 2005 Pläne für
IWRM und Wassereffizienz zu entwickeln. Auch in Zentralasien begann man, IWRM zu
implementieren. Wie in allen anderen Ländern zeigte sich, dass dies ein äußerst anspruchsvolles
Vorhaben ist, das in der Umsetzung auf viele Hürden stößt. Viele Prinzipien des
IWRM stehen im Widerspruch zu etablierten fragmentierten, sektoralen und top-down
60 Modernisierung der Infrastruktur für bessere Wassereffizienz
Ansätzen. Insofern ist es nicht erstaunlich, dass die Realisierung oft nur langsam vorankommt
und der Weg zu den IWRM-Idealen ein langer Prozess ist.
Alle zentralasiatischen Staaten haben die Bedeutung der IWRM-Prinzipien anerkannt.
Bisher hat – abgesehen von Kasachstan – noch kein Land einen übergreifenden, kohärenten
und durchführbaren IWRM-Plan oder eine Strategie auf Regierungsebene mit angemessener
Finanzierung und konkreter Umsetzung. Aber alle Länder haben bereits Maßnahmen dafür
ergriffen, die oft von Gebern unterstützt wurden und werden. Die tadschikische Regierung
hat Ende 2009 eine Regierungserklärung zur Entwicklung einer IWRM-Strategie veröffentlicht.
Auch Usbekistan hat 2009 mit der Vorbereitung eines IWRM-Plans begonnen und wird
dabei vom UNDP unterstützt. Das kirgisische Wassergesetzbuch von 2005 verordnet IWRM-
Elemente wie die Einrichtung eines intersektoralen koordinierenden Nationalen Wasserrates
und die Festlegung von Flussbecken mit der Ernennung von Flussbeckenverwaltungen und
Flussbeckenräten. Aber bisher wurden diese Bestimmungen noch nicht umgesetzt. Turkmenistan
hat im August 2011 eine Arbeitsgruppe einberufen, um einen IWRM-Fahrplan zu
erstellen. Am weitesten fortgeschritten ist der Prozess in Kasachstan. Dort wurde mit der
Gründung von acht Flussbeckenverwaltungen hydrographisches Management auf Flussbeckenebene
eingeführt. Das Wassergesetzbuch sieht auch die Gründung von Flussbeckenräten
als beratende Organe vor, die in einigen Gebieten bereits gegründet wurden. Im Rahmen
der EU Wasserinitiative haben die meisten zentralasiatischen Länder Nationale Politikdialoge
zu IWRM gestartet, die von der UNECE organisiert werden. Daneben gibt es zahllose
Projekte unter dem Label »IWRM«, die sich oft einem bestimmten Aspekt widmen wie der
Gründung von Wassernutzervereinigungen auf lokaler Ebene, Flussbeckenmanagement,
kleinen Wasserkraftwerken oder ländlicher Wasserversorgung. Dass verschiedene Geber und
Regierungsbehörden dabei ein unterschiedliches Verständnis von IWRM haben, liegt in der
Natur des Konzeptes. Es macht noch einmal deutlich, dass ein nationaler Rahmen, in den
diese Aktivitäten eingeordnet und koordiniert werden, wichtig ist. 1
Förderung lokalen grenzüberschreitenden Wassermanagements
Die weltweite Erfahrung hat gezeigt, dass Konflikte um Wasser eher auf lokaler Ebene
ausbrechen als auf zwischenstaatlicher Ebene. Während die großen grenzüberschreitenden
Flüsse in Zentralasien seit langem Aufmerksamkeit erfahren, haben Geber auch
begonnen, das gemeinsame Management kleiner grenzüberschreitender Flüsse und von
Kanälen und Flüssen in Grenzregionen zu fördern. So finanziert die Schweizer Direktion
für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) seit 2001 ein Projekt zur Einführung
Integrierten Wasserressourcenmanagements (IWRM) im Ferganatal. Es wird vom SIC
ICWC gemeinsam mit dem Internationalen Wassermanagement-Institut (IWMI) in den
kirgisischen, tadschikischen und usbekischen Teilen des Tals durchgeführt. Das Ziel
ist die Verbesserung und Umstrukturierung der institutionellen Regelungen, z.B. durch
1 EuropeAid 2010; Nikolayenko 2009.
Die Rolle internationaler Akteure 61
die Gründung von Wassernutzervereinigungen und verbesserte Zuteilungsmechanismen
zwischen den Nutzern. Das Projekt beinhaltet auch technische Komponenten zur
Wassereinsparung und Steigerung der Produktivität. In den Pilotgebieten des Projekts
hat sich der Wasserverbrauch um 20 % verringert – durch institutionelle Reformen und
gesteigertes Bewusstsein der zuständigen Beamten und der Nutzer. 2
Im Rahmen des Programms »Grenzüberschreitendes Wassermanagement in Zentralasien«
der GIZ widmet sich eine Komponente speziell kleinen grenzüberschreitenden
Flüssen, um an diesen allgemeine grundlegende Prinzipien des Flussbeckenmanagements
anzuwenden. In den Isfara- und Chodscha-Bakirgan-Becken, die beide von
Tadschikistan und Kirgistan geteilt werden, unterstützt das Programm die Anrainer in
gemeinsamer grenzüberschreitender Flussbeckenplanung und Management. Ein Rahmenvertrag
über die Einrichtung einer gemeinsamen Wasserkommission wurde bereits
entworfen. Beide Länder sammeln, speichern und verwenden ihre Daten zu diesen Flüssen
nun in einer kompatiblen Weise. 3
Verbesserung von Datenverfügbarkeit und Datenaustausch
Eines der wesentlichen Hindernisse für regionale Wasserkooperation ist der Mangel an
zuverlässigen Daten. Das betrifft auf der einen Seite fehlende Beobachtungs- und Messdaten
aufgrund der Stilllegung von Messstationen, vor allem in den Bergregionen, in
denen sich der Abfluss bildet. Auf der anderen Seite bezieht es sich auf das Fehlen eines
beckenweit akzeptierten Systems zum Datenaustausch. Ein erster Schritt zum Aufbau
von Vertrauen und zur Initiierung von Kooperation ist oft die gegenseitige Zurverfügungstellung
von Daten und Planungen, weswegen viele Geber in diesem Feld aktiv sind.
Seit 2003 unterhält CAREWIB (Zentralasiatische regionale Wasserinformationsbasis)
ein Internetportal mit Informationen und Datenbanken zu Wasser und Umwelt in
Zentralasien, aktuelle Abflussdaten eingeschlossen. Finanziert wird CAREWIB größtenteils
von der DEZA und durchgeführt vom SIC ICWC in Kooperation mit UNECE und
GRID Arendal. Im Rahmen ihres regionalen zentralasiatischen Entwicklungsprogramms
für Wasser und Energie (CAEWDP) fördert die Weltbank die hydrometeorologischen
Dienste in Kirgistan und Tadschikistan sowie deren regionale Koordinierung. Eine
wichtige Komponente des deutschen »Berliner Prozesses« ist das regionale Forschungsnetzwerk
»Wasser in Zentralasien« (CAWa), das vom GeoForschungsZentrum Potsdam
zusammen mit dem Zentralasiatischen Institut für Angewandte Geowissenschaften
(CAIAG) in Bischkek koordiniert wird. Ziel des Netzwerkes und seiner Projekte ist, zu
einer verlässlichen wissenschaftlichen Datenbasis in der Region beizutragen, auf Grundlage
derer dann nachhaltige Wassermanagementstrategien entwickelt werden können.
2 See http://www.swiss-cooperation.admin.ch/centralasia/en/Home/Regional_Activities/Integrated_Water_
Resour ces_Management.
3 Siehe www.waterca.org
62 Verbesserung von Datenverfügbarkeit und Datenaustausch
Dazu werden unter anderen hydrometeorologische Messstationen aufgebaut und die
Auswirkungen des Klimawandels analysiert. 4
Schaffung von Plattformen für Dialog und Austausch
Die Entwicklung von IFAS und anderen regionalen Institutionen hat gezeigt, dass gegenseitiges
Misstrauen und fehlende positive Wahrnehmung der Vorteile ein wesentliches
Hindernis für regionale Kooperation sind. Deswegen versuchen Geber immer wieder
Foren für politischen Dialog zu bieten – zum Beispiel durch die Finanzierung und Organisation
regionaler Konferenzen. So hat die Europäische Union, basierend auf ihrer Strategie
für eine neue Partnerschaft mit Zentralasien von 2007, eine EU-Zentralasien-Plattform
zu Umwelt und Wasser mit regelmäßigen Ministerkonferenzen und Expertentreffen
ins Leben gerufen. Das regionale Zentrum für präventive Diplomatie der Vereinten
Na tionen (UNRCCA) hat regelmäßigen Kontakt mit den politischen Führungsebenen
zu Wasserkooperation. Die UNECE Wasserkonvention bringt Wasserexperten aus Zentralasien
und dem Kaukasus, auch von Ländern, die der Konvention noch nicht beigetreten
sind, zusammen. Die Weltbank hat, im Rahmen der beiden Studien zum kontroversen
Roghun-Staudammprojekt in Tadschikistan, einen strukturierten Konsultationsprozess
etabliert, u.a. mit Informations- und Austauschtreffen mit Vertretern von Regierungen
und Zivilgesellschaft aller betroffenen Länder. 5 Diese Konferenzen und Treffen und ihre
abschließenden Erklärungen sind oft nicht bindend und haben keine konkreten Ergebnisse.
Aber man darf ihren Beitrag zur regionalen Vertrauensbildung, zur Minderung von
Misstrauen und zur Annäherung an internationale Prinzipien und Praktiken nicht unterschätzen.
Denn ein Scheitern der Zusammenarbeit wurzelt oft nicht in einem Widerstreben
zu kooperieren oder zu teilen, sondern in einem Mangel an Vertrauen. Aus diesem
Grund ist es wichtig, dass internationale Akteure Foren bieten, wo sich hochrangige Politiker
und Experten treffen und ihre Ansichten austauschen können.
Dies waren nur einige wenige Beispiele und nicht eine erschöpfende Liste der vielfältigen
Aktivitäten und des Engagements der Geber. Ihre Aktivitäten, vorausgesetzt sie sind
gut koordiniert, sind nicht konkurrierend sondern ergänzen sich gegenseitig. Unabhängige,
als neutral wahrgenommene dritte Parteien können eine positive Rolle bei der Etablierung
grenzüberschreitenden Wassermanagements spielen. Internationale Akteure
haben Kooperation unterstützt und zusätzliche Anreize und Vorteile für die Anrainerstaaten
geschaffen. Aber auch wenn sie damit förderliche Bedingungen für regionale
Kooperation schaffen, so muss doch die Kooperation selbst von den Anrainerstaaten
ausgehen und hängt von deren Verhalten und Willen ab.
4 Siehe http://www.cawater-info.net, http://go.worldbank.org/OG3ADWOAK0, http://www.cawa-project.net/.
5 Siehe http://ec.europa.eu/europeaid/where/asia/regional-cooperation-central-asia/index_en.htm, http://
unrcca.unmissions.org/, http://go.worldbank.org/ZQXIA8J0H0.
Die Rolle internationaler Akteure 63
Schlussfolgerung
Seit ihrer Unabhängigkeit vor 20 Jahren haben die zentralasiatischen Staaten gewaltige
Anstrengungen unternommen, um das schwere ökologische Erbe der Sowjetunion zu
bewältigen und die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Auch wenn beim Aufbau
regionaler Kooperation und der Verhinderung von Konflikten über Wasser einige
Erfolge erreicht wurden, trocknet der südliche Teil des Aralsees weiter aus und eine
nachhaltige Regelung für Wassernutzung und Wasserverteilung wurde noch nicht
gefunden. Afghanistan ist bisher nicht in die regionalen Strukturen einbezogen. Zudem
behandeln die regionalen Vereinbarungen und Handlungen oft eher ad hoc die Frage der
Wasserverteilung, während Fragen der Wasserqualität und des Stauseebetriebs außen
vor bleiben. Umfassende regionale Messsysteme existieren weder für Wassermengen,
Wasserqualität noch für Grundwasser. Die enge Verknüpfung von Wasser und Energie
wird nicht ausreichend einbezogen, bzw. scheiterte als es versucht wurde.
Trotzdem ist das Aralseebecken auch ein Beispiel dafür, wie gemeinsame Wasserressourcen
zu einem Prozess der Kooperation führen können, auch unter schwierigen
Rahmenbedingungen. Auch wenn die Ergebnisse dieses Prozesses noch unbefriedigend
sind, so haben die aufgebauten Institutionen doch als eine Art »Sicherheitsgurt« 1 gedient,
um Konflikte zu verhindern. Die Präsidenten der Länder haben wiederholt ihren Willen
zu gemeinsamem Wassermanagement erklärt, wie in der Almaty Erklärung von 2009.
Internationale Akteure haben geholfen, einen Rahmen und Anreize für Zusammenarbeit
zu schaffen. Starke und effektive regionale Wasserinstitutionen, vor allem IFAS, sind
eine wichtige Stütze regionaler Stabilität.
Trotz der Probleme der Vergangenheit und der Zukunft ist Kooperation in gegenseitigem
Nutzen zu Wasser und Energieressourcen möglich. Mehr noch: gemeinsames
Handeln ist der einzige Weg, diese Herausforderungen zu bewältigen und sie von
Hindernissen zu Möglichkeiten für nachhaltige Entwicklung der Region als Ganzes
umzugestalten.
Der Weg in die Zukunft
Überall in der Welt bemühen sich Länder mit geteilten Wasserressourcen um adäquate
gemeinsame Regelungsmechanismen. In Zentralasien ist dieser Prozess mit zusätzlichen
Herausforderungen verknüpft: den katastrophalen Folgen der Austrocknung des
Aralsees, den Auswirkungen des Klimawandels, den wirtschaftlichen Zwängen in Zeiten
1 Micklin 2000: 51.
Schlussfolgerung 65
66 Der Weg in die Zukunft
von Transformation und Krise, der Gleichzeitigkeit des Aufbaus regionaler Kooperation
und interner Staatsbildung.
Weil Wasser eine so wichtige Ressource für verschiedene Sektoren ist, muss ein
ausgewogenes Wassermanagement alle diese Interessen und Bedürfnisse berücksichtigen.
Da dies bisher nicht ausreichend getan wurde, blieb die einmütige und langfristige
Unterstützung der regionalen Abkommen und Organisationen aus. Wenn Abkommen
nicht die Interessen aller Parteien berücksichtigen und von allen als gerechtfertigt
wahrgenommen werden, lässt die Implementierung und Einhaltung schnell nach und sie
schaffen es nicht, ihre Ziele zu erreichen.
Wasser ist eine äußerst wertvolle Ressource für die Menschen und die Staaten der
Region. Auf Grundlage dieser gemeinsamen Wertschätzung lassen sich weitere Schritte
in Richtung wasserbezogener Planung, Wasser-Sparmaßnahmen und Wasserproduktivität
machen, die auch die Nahrungsmittelsicherheit erhöhen. Durch ihre Beteiligung
an der Finanzierung von Infrastruktur und ihrer Modernisierung tragen internationale
Geber dazu bei, dass sich die Menge verfügbaren Wassers erhöht und Zeit besteht, um
langfristigere strukturelle Reformen in den betroffenen Sektoren auf nationaler Ebene
einzuführen. Internationale Akteure waren und werden weiterhin bereit sein, die zentralasiatischen
Länder in diesen strukturellen Veränderungen zu unterstützen. Als Mitgliedsstaaten
der UNECE können die zentralasiatischen Staaten von den Instrumenten
und der Unterstützung profitieren, die unter ihren verschiedenen Umweltkonventionen
angeboten werden, vor allem der Wasserkonvention. Sie bietet einen Rahmen aus
gemeinsamen Prinzipien, eine Plattform für Dialog und konkrete Maßnahmen zum
Kapazitätenaufbau, während gleichzeitig Raum für spezifische Vereinbarungen bleibt,
die der Situation der jeweiligen Länder angemessen sind.
Kooperation zu grenzüberschreitenden Gewässern bringt eine beachtliche
Friedensdividende. Es liegt an den zentralasiatischen Staaten, die Vorteile gemeinsamer
Kooperation zu nutzen: Stabilität und bessere sozio-ökonomische Entwicklung anstatt
der hohen Kosten völliger Autarkiepolitik und den Sicherheitsrisiken mangelnder
Kooperation. Um diese Vorteile zu nutzen braucht es Transparenz und gleichberechtigte
Beteiligung an regionalen Entscheidungsprozessen, so dass alle Interessen und
Bedürf nisse berücksichtigt werden. Eine regionale Organisation wie IFAS bietet sich als
angemessene Plattform für einen solchen Prozess an. Bisher konnte er dieses Potenzial
aufgrund von strukturellen Defiziten nicht ausschöpfen. Doch der Reformprozess, der
durch die Erklärung der zentralasiatischen Präsidenten 2009 angestoßen wurde, hat eine
historische Gelegenheit geschaffen, die regionale Kooperation wiederzubeleben und sie
auf ein robusteres Fundament zu stellen. Es wird ein langer und kein einfacher Weg sein,
die alten Gewohnheiten des gegenseitigen Misstrauens zu überwinden. Geber haben
diesen Prozess bisher unterstützt und es ist sehr wichtig, dass sie es weiterhin tun. Aber
auch wenn internationale Akteure Kooperation fördern, indem sie den Weg etwas ebnen,
sind es letztendlich die zentralasiatischen Staaten, die ihn gemeinsam gehen müssen.
Fotoessay von Alfred Diebold
»Von den Gletschern zum Aralsee – Wasser verbindet«
In diesem Katalog haben wir bisher über die Komplexität des effektiven und effizienten
Umgangs mit der Ressource Wasser gelernt. Es ging um grenzüberschreitendes Wassermanagement,
den Klimawandel, die Frage, wie internationale Konventionen dazu beitragen
können, die Zusammenarbeit in der Aralsee-Region zu verbessern, wir stellten
die regionalen Institutionen und internationale Akteure vor. Und wir haben erläutert,
wie es zur Aralsee-Katastrophe kommen konnte.
In den folgenden Kapiteln gehen wir auf Reisen: Von den Gletschern Zentralasiens zum
Aralsee. Sie beginnen in den Bergen des Tian Shan, des Pamirs und des Alaigebirges.
Wir reisen entlang des Amu Darja, des Karakumkanals, dem Sarafschan und dem Syr
Darja bis wir schließlich den Aralsee erreichen.
Diese Ausstellung soll das Bewusstsein schärfen, dass nur gegenseitiges Verständnis
und gemeinsame Programme zu besseren Ergebnissen für alle Seiten führen. Es sind
die Menschen in der Region, die im Zentrum all unserer Entwicklungsanstrengungen
stehen müssen. Denn sie sind es, die letztlich den Ausschlag geben.
Fotoessay Vorwort
67
68
Pamir / Amu Darja
Fotoessay Pamir / Amu Darja
69
Pamir / Amu Darja
Eine Reise von den Gletschern Zentralasiens zum Aralsee kann nur in großer Höhe
beginnen, am besten mit einem Hubschrauber. Dass ein solches Fluggerät Pässe von
über 5 500 m überfliegen kann, habe ich bis August 2011 auch nicht gewusst. »Nimm
die Tüte und den Sauerstoff«, sagte Jean Schneider, ein Professor aus Österreich. Ich
war gerade dabei, das Bewusstsein zu verlieren. Wir waren auf Erkundungsreise. Große
Fragen: Wie wirkt sich der Klimawandel auf Zentralasien aus, die Gletscherschmelze,
mögliche Erdrutsche und welche anderen Gefahren auf die Region zukommen, wollen
wir beantworten. Mein Blick schweift von links nach rechts, gerade aus, zurück, nahezu
senkrecht nach unten. Noch nie konnte ich ein mächtigeres Naturschauspiel beobachten.
Der Fedschenko-Gletscher ist seit Jahrhunderten in Bewegung. Vom Helikopter
sieht man den grau-weiß-braunen Eisstrom in seiner Einmaligkeit und Größe. Gletscher
haben mit Menschen einiges gemeinsam, denke ich mir. Es gibt große und kleine,
junge und alte. Keiner schaut genauso aus wie der andere. Und der Fedschenko ragt
heraus, vielleicht ist er die Mutter aller Gletscher außerhalb der Arktis und Antarktis.
Einer der längsten mit 70 km sowieso und mit Formen und Farben, wie man sie in der
Gegenwartskunst wiederfindet. Er liegt nicht weit entfernt vom Sarez-See, dem berühmten
Bergsee, den es gerade mal 100 Jahre gibt. Durch ein Erdrutsch ist er entstanden. Wie
tiefblau Wasser aussehen kann! Der Pamir, dieses junge Gebirge, ist ständig durch seismische
Aktivität bedroht. Gletscherseen können brechen, ganze Abhänge sind instabil.
Wo Gletscher sind, gibt es Wasser, und dieses wird entlang der Flüsse, wie dem Pandsch,
der Afghanistan und Tadschikistan teilt, für die Landwirtschaft genutzt. Es wird aber
auch aufgestaut, wie in Nurek, wo heute der höchste Staudamm der Welt das Vakhsch-
Tal verschließt. Wegen der Unsicherheit über die künftige Verfügbarkeit von Wasser
wird über weitere Wasserreservoire und Wasserkraftwerke nachgedacht. Projekt ideen
liegen vor, um die Flüsse weiter zu regulieren, so dass Wasser demnächst noch effizienter
und effektiver genutzt werden kann. Ein Ausgleich der Interessen zwischen Wasserenergiegewinnung
und Bewässerung muss gefunden werden.
Die Hauptstadt Duschanbe folgt den anderen Hauptstädte der Region. Auch sie
erneuert sich und die Staatenbildung schreitet fort. Präsident Rachmon, der nach einem
blutigen Bürgerkrieg Anfang der 90er an die Macht kam, wirbt für sein Lieblingsprojekt,
den Rogun-Staudamm, oberhalb von Nurek. Tausend Kilometer weiter liegt die alte
Oasenstadt Khiva in Usbekistan ganz in der Nähe des wasserreichsten Flusses Zentralasiens,
dem Amu Darja. Der Markt, die Altstadt, die Denkmäler sind Anziehungspunkte.
Menschen aus aller Welt kommen hierher, auch Reisegruppen aus dem bevölkerungsreichen
Ferghana-Tal. Hier wird klar, dass diese Region schon vor fast 1 000 Jahren eine
Hochkultur erlebt hat. Dass es hier die süßesten Wassermelonen und die größten Kürbisse
gibt, überrascht nicht, wenn man weiß, dass die Sonne immer scheint.
70 Fotoessay Pamir / Amu Darja
Orte, an den Fotos aufgenommen wurden
Fotoessay Pamir / Amu Darja
71
72 Sarezsee, Pamir, Tadschikistan
73
74 Oben: Pamirberge Unten: Hochgebirge mit Gletschern, Pamir, Tadschikistan
Sarezsee, Pamir, Tadschikistan
75
76 Fedschenko Gletscher, Pamir, Tadschikistan
77
78 Gletscher an einem Gebirgspass, Pamir, Tadschikistan
Gletscherschnauze Fedchenko, Pamir Tadschikistan
79
80 Gletscher in den Pamirbergen, Tadschikistan
Gletscher in den Pamirbergen, Tadschikistan
81
82 Oben: Grenzfluss Pandsch nahe Khorog Unten: Grenzfluss Pandsch
Oben: Brücke über den Pandsch bei Khorog, im Hintergrund Tadschikistan, im Vordergrund Afghanistan Unten: Fluss Pandsch mit Khorog
83
84 Vachschtal, Tadschikistan
Dorf Rogun und Baustelle, Tadschikistan
85
86 Mündung des Flusses Vachsch in den Nurek Staudamm, Tadschikistan
87
88 Blick vom Nurek-Staudamm über das Kraftwerk, Tadschikistan
Turbinenhaus, Nurek-Staudamm, Tadschikistan
89
90 neue Hausbauprojekte entlang des Flusses Warzob, nördlich von Duschanbe, Tadschikistan
Denkmal am Platz der Freiheit, Duschanbe, Tadschikistan
91
92 Freundinnen in Duschanbe, Tadschikistan
sowjetische Architektur, Duschanbe, Tadschikistan
93
94 Werbung für Rogun mit Präsident Rachmon, Duschanbe, Tadschikistan
Denkmal des Nationalhelden Somoni Ismoil direkt auf dem Platz der Freiheit, Duschanbe, Tadschikistan
95
96 Baumwollernte in Zentralasien
Baumwollernte in Zentralasien
97
98 Markt entlang der Stadtmauer, Khiva, Usbekistan
99
100 Transport von Wassermelonen, Usbekistan
Kürbisse und Wassermelonen auf dem Markt in Khiva, Usbekistan
101
102 Kalta Minor, noch im Bau befindliches Minarett, Khiva, Usbekistan
103
104 Holzpfeiler in der Djuma Moschee, Khiva, Usbekistan, Detail
Holzpfeiler in der Djuma Moschee, Khiva, Usbekistan
105
106 Frauen aus dem Ferghanatal auf einem Stadtrundgang in Khiva, Usbekistan
Frauen aus dem Ferghanatal auf einem Stadtrundgang in Khiva, Usbekistan
107
108 Leben um die Jahrhundertwende in Khiva (Gemälde), Usbekistan, (Minarett Kalta Minor, Khiva)
Minarett Islam Khoje, Khiva, Usbekistan
109
110
Karakumkanal
Fotoessay Karakumkanal
111
Karakumkanal
Dieser Kanal veränderte nicht nur das Leben in Turkmenistan. Er veränderte die ganze
Region. Mit dem Bau des Kanals wurde Wasser in die turkmenische Wüste geleitet, das
vorher in den Aralsee floss. Die Auswirkungen von Stalins Programm zur Umgestaltung
der Natur, zugunsten des Anbaus von Baumwolle, kann auf einer Länge von über
1 000 Kilometer »bewundert« werden und natürlich auch am Aralsee. Als ich 1992 Ende
Februar in Aschgabat ankam, war es eisig kalt. In dem gas- und ölreichen Land funktionierte
damals so gut wie nichts mehr. Alles wirkte ländlich arm, improvisiert, nur
das Teppichmuseum, wo sich James Baker, der damalige amerikanische Außenminister,
in das Gästebuch eingetragen hatte, zeugte noch von ein wenig Stolz. Mit der Unabhängigkeit
von der Sowjetunion begann die Staatenbildung und der Umbau der Hauptstadt.
Der damalige Präsident Niasov, ein lebenslustiger Mann, hieß uns willkommen
in seinem Land. Seine Visionen hat er schnell umgesetzt. Personenkult verbunden mit
öffentlichem Reichtum und privater Armut wurde für jeden Besucher sichtbar. Große
neue Gebäude mit Marmorfassaden wurden hochgezogen. Kein Ort der Welt hat sich
mehr verändert als diese Stadt mitten in der Wüste. Was man mit Geld machen kann,
ist hier überall im Stadtzentrum, wo man keine Leute antrifft, zu sehen. Doch die Menschen
sind sich ihrer Traditionen bewusst und ihren Gewohnheiten treu geblieben. Die
Nationaltrachten sind farbig und geben Zeugnis von Lebensfreude. Feste werden gefeiert,
Männer und Frauen haben die Aufgaben untereinander aufgeteilt. Hier sieht man
es am besten: Überall wo es Wasser gibt, da gibt es auch Leben. Wie In Merw, dem
geschichtsträchtigen Ort mit Weltkulturerbestatus. Links und rechts der Straße liegen
die Baumwollfelder. Die turkmenische Baumwolle gilt als die beste in ganz Zentralasien.
Die wenigen verbliebenen Brachflächen werden von Kamelen, Ziegen und Schafen
bevölkert. Sie trotzen der Hitze. Wer durch die Wüste von Aschgabat nach Norden reist,
kann auch ein einmaliges Naturschauspiel beobachten. Der Boden brennt. Gas, das sich
entzündet hat, strömt seit über 20 Jahren aus dem Inneren der Erde. Dieser Krater, von
Menschenhand geschaffen und eine außergewöhnliche Sehenswürdigkeit, soll angeblich
zugeschüttet werden. Reminiszenzen an die Sowjetunion finden sich nicht nur am
Krater sondern auch am Kara-Bogas-Gol. Die Glaubersalzminen, einst profitable Anlagen,
reihen sich heute in die lange Liste der Umweltkatastrophen, die die Sowjetunion
in vielen Staaten hinterlassen hat. Auf dem Weg zurück ins Hochgebirge zu den Quellen
des Sarafschan fliegen ich über den Amu Darja, der links und rechts durch die Wüste im
Flussbett gehalten wird.
112 Fotoessay Karakumkanal
Orte, an den Fotos aufgenommen wurden
Fotoessay Karakumkanal
113
114 Kamele in der Mittagshitze, Mari, Turkmenistan
115
116 Staudamm am Murghabfluss nahe Gulja, Turkmenistan
Merv, Schloss Kyz Kala, Weltkulturerbestätte, Turkmenistan
117
118 Oben: Gore Tepe, Weltkulturerbestätte, Turkmenistan Unten: Baumwollanbau, Mari, Turkmenistan
Oben: Ziegen und Schafe am Rande der Wüste, Mari, Turkmenistan Unten: Baumwolle, Mari, Turkmenistan
119
120 Nachmittagstee eines alten Turkmenen vor der großen Feier, Gulja, Turkmenistan
121
122 Vorbereitungen für die Festlichkeiten, Gulja, Turkmenistan
Vorbereitungen für die Feierlichkeiten, Gulja, Turkmenistan
123
124 Karakumkanal nahe der Flüsse Ashgabat und Murghab in der Nähe von Gulja, Turkmenistan
Karakumkanal nahe des Ashgabat und seinen Nebenarmen in der Marioase, Turkmenistan
125
126 Straßenszenen in Aschgabat, Turkmenistan
Straßenszenen in Aschgabat, Turkmenistan
127
128 zentraler Platz in Aschgabat mit kleinem Turkmenbaschi auf einem Globus, Turkmenistan
Oben: Aschgabat Unten: Blick auf das Parlament mit Oguz-Khan-Statue (Großvater der Nation) in Aschgabat, Turkmenistan
129
130 Marktszene in Aschgabat, Turkmenistan
131
132 Oben: Frauen in traditioneller Nationalkleidung des Karakumkanals, Turkmenistan Unten: turkmenische Nationalflagge vor neuen Häusern
Oben: Flaggenständer vor dem Nationalmuseum, Aschgabat Unten: Junge Frauen am »Wassertag«, Aschgabat, Turkmenistan
133
134 Männer, Frauen und Kinder in nationaler Kleidung. »Wassertag«, Aschgabat, Turkmenistan
Dutarspieler in turkmenischer Nationalkleidung. »Wassertag«, Aschgabat, Turkmenistan
135
136 Parlamentsgebäude, Aschgabat, Turkmenistan
137
138 Aschgabat bei Nacht, Turkmenistan
Aschgabat bei Nacht, Turkmenistan
139
140 Gaskrater Darvasa in der Mitte der turkmenischen Wüste
Gaskrater Darvasa in der Mitte der turkmenischen Wüste
141
142 Junges turkmenisches Mädchen am Rande des Gaskraters Darvasa
Salzwinde am Kara-Bogas-Gol, Turkmenistan
143
144 Salzmine, Kara-Bogas-Gol, Turkmenistan
Kriegsdenkmal und Salzmine, Kara-Bogas-Gol, Turkmenistan
145
146 Blick aus dem Flugzeug auf den Amu Darja auf dem Weg von Almaty nach Aschgabat, Turkmenistan
147
148
Alai / Sarafschan
Fotoessay Alai / Sarafschan
149
Alai / Sarafschan
Zwischen Amu Darja und Syr Darja fließt der Sarafschan. Auch dieser Fluß entspringt
im Hochgebirge. Wer mit dem Flugzeug von Duschanbe nach Bischkek (der Hauptstadt
Kirgistans) fliegt, kann sich ein Bild machen. Es ist schon verwunderlich, dass das ganze
Tal bevölkert ist. Es ist unwirtlich und die steilen Berge stellen eine Bedrohung für die
kleinen Oasen dar. Die Regierung in Duschanbe macht sich wegen möglicher Bergrutsche
Sorgen. Doch die Menschen wollen hier bleiben. Seit Jahrhunderten wurde den
Bergen Ackerland abgerungen, das heute durch ein effektives System bewässert wird.
Die Menschen haben sich ihre Traditionen bewahrt. Esel sind Lasttier und Fortbewegungsmittel
zugleich. Als Fremder ist man herzlich willkommen in dieser völlig abgelegenen
Gegend, wo noch nie Touristen gesehen wurden. Auch das macht das obere
Sarafschan-Tal so einmalig. Ein Problem ist die Energieversorgung. Zu Zeiten der Sowjetunion
wurden die Dörfer noch versorgt, aber nach der Unabhängigkeit ist ein Großteil
der Infrastruktur wegen mangelnder Wartung zusammengebrochen. Heute müssen
sich die Dörfer selber helfen. Ein kleines Wasserkraftwerk wird gebaut. Die Männer von
Dashdi Obodon arbeiten mit einfachen Werkzeugen, so wird die stromfreie Zeit bald
der Vergangenheit angehören. Die Kinder der Dorfschule werden wohl bald mit Computern
arbeiten und das Krankenhaus vielleicht mit einem Ultraschallgerät ausgestattet
sein. Das Dorf hat große Pläne. Dabei baut man auch auf die Zusammenarbeit mit der
deutschen GIZ, der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit.
Verlässt man die Bergregion und folgt dem Flusslauf kommt man bald nach
Samarkand. Diese alte sagenumwobene Stadt, die weltweite Beachtung gefunden hat,
ist heute eine Industriestadt, die noch von ihrem klingenden Namen lebt. Der Registan
ist die Sehenswürdigkeit Usbekistans. Es ist ein prächtiger Platz mit drei Medressen,
islamischen Hochschulen,die zwischen 1450 und 1660 gebaut wurden. Ein paar hundert
Kilometer weiter nach Westen liegt Bukhara. In dieser Gegend verläuft sich der Sarafschan
in der Wüste, dort wo Baumwollfelder bis zum Horizont reichen. Auffällig wie
hier Geschichte und Gegenwart aufeinander treffen. Das Kalon Minarett und Zitadelle
zeugen von großartiger Architektur und einer bewegten Vergangenheit. Uralte Wasserbecken
inmitten der Altstadt werden heute von Kindern als Swimmingpool benutzt.
150 Fotoessay Alai / Sarafschan
Orte, an denen Fotos aufgenommen wurden
Fotoessay Alai / Sarafschan
151
152 Blick vom Flugzeug aus aufs Tal und die Gletscher des Sarafschan, Tadschikistan
153
154 Oase oberhalb des Flusses Sarafschan
Brücke über den Sarafschan, Tadschikistan
155
156 Oben: Alter Bergbewohner vor einem Autowrack sitzend Unten: Esel in Daschdi Obodon
Oben: Auf dem Bergpass in Ayn Unten: Begegnung in Daschdi Obodon, Tadschikistan
157
158 Bauarbeiter an einer Baustelle für das Micro-Wasserkraftwerk, Daschdi Obodon, Tadschikistan
Oben: Präsentation des Bauplans Unten: Bauarbeiter in Daschdi Obodon, Tadschikistan
159
160 Wasserstelle in der Mitte des Dorfes Daschdi Obodon
Dörfer im Sarafschantal, Tadschikistan
161
162 bunte Kleider im Hof, Daschdi Obodon
Mädchen in Daschdi Obodon, Tadschikistan
163
164 Aufenthalt in Daschdi Obodon, Tadschikistan
Aufenthalt in Daschdi Obodon, Tadschikistan
165
166 Dorfschule, Daschdi Obodon, Tadschikistan
167
168 Jungen in der Schule von Daschdi Obodon, Tadschikistan
Mädchen in der Schule von Daschdi Obodon, Tadschikistan
169
170 Registanplatz in Samarkand bei Nacht
Registanplatz in Samarkand tagsüber, Usbekistan
171
172 Eingang zur Medresa (Koranschule einer Moschee) in Buchara, Usbekistan
173
174 Kalyan Minarett Kalon Moschee, Buchara, Usbekistan
Oben rechts: Festung Darunter: Dom der Kalon Moschee Oben links: Dom der Miri Arab Medresa Unten: Besucher am Eingang
175
176 Junge Männer in Buchara, Usbekistan
Kinder im Schwimmbecken/Bassin in Buchara, Usbekistan
177
178 Festung von Buchara, Usbekistan
179
180 Frauen in Buchara, Usbekistan
Frauen in Buchara, Usbekistan
181
182 Frauen in Buchara, Usbekistan
Männer in Buchara, Usbekistan
183
184
Tian Shan / Syr Darja
Fotoessay Tian Shan / Syr Darja
185
Tian Shan / Syr Darja
Im Hochgebirge Kirgistans entspringt der geschichtsträchtige Syr Darja. Endlose Gletscher,
herrliche Gipfel, die bis über 7 000 m hoch sind, zeichnen diese Bergregion aus.
Das Phänomen des Klimawandels hat auch hier merkliche Spuren hinterlassen. Das Eis
schmilzt immer schneller von Jahr zu Jahr. Die Berge des Tian Shan sind bei Bergsteigern
beliebt, wie auch bei Minengesellschaften, die hier das begehrte Gold im Tagebau
fördern. Ein aufwändiger Prozess, bei dem viel Wasser und Zyanid zum Einsatz kommen.
Ungefährlich ist das nicht für die Umwelt, da gerade die hochgiftige Chemikalie
Risiken in sich birgt, wenn sie schließlich in Absetzbecken landet. Aber davon will man
hier oben in über 4 000 m Höhe nicht viel wissen. Über 2 000 Menschen haben in der
Mine Arbeit gefunden. Unten im Tal erfreuen sich die Nomaden des überall beliebten
Getränks Kumis. Stutenmilch schmeckt etwas stechend bitter, aber wenn man daran
denkt, dass sie heilende Kräfte in sich birgt, wird sie köstlich. Wer nach Kirgistan reist,
möchte unbedingt zum Issy-kul. Hier finden Urlauber das sauberste Wasser, die reinste
kühle Luft und ein Bergpanorama, das seinesgleichen sucht. Gerade 100 km nördlich
liegt die »singende Düne«. Es ist die Landschaft, die endlose Weite, die die Besucher in
den Bann zieht – und überall ringen die Menschen mit der Natur. Kleine Kinder sitzen
auf Pferden, sie hüten die Herde, den Schatz der Familie. Im wahrsten Sinne des Wortes,
sie leben von und mit der Natur.
Im Sommer gehen die Nomaden auf die Sommerweiden. Um den Son-kul gibt
es saftige Wiesen, auf denen die Schafsherden Nahrung finden, während die Menschen
ihren Gewohnheiten nachgehen. Ein Schaf wird geschlachtet, das traditionelle Beschbarmack
wird zubereitet. Gäste sind willkommen. Hunderte Kilometer weiter, vorbei am
bekannten Toktogulstausee durchfließt der Syr Darja das Ferghana-Tal. Hier leben, Kirgisen,
Usbeken und Tadschiken auf engstem Raum zusammen. Dem Treiben auf den
farbigen Märkten merkt man nicht an, dass diese Region von politischen Beobachtern
als Pulverfass bezeichnet wird. Hier treffen unterschiedliche Weltanschauungen und
wirtschaftliche Interessen aufeinander. Religiöser Extremismus findet einen guten Nährboden.
Auf dem Weg zum Aralsee kommt man zu der Stadt, die aus Sicht des usbekischen
Präsidenten Karimov das Zentrum Zentralasiens darstellt, Taschkent. Über zwei
Millionen Menschen leben dort. Baumwollanbau war seit Jahrzehnten das Rückgrat der
usbekischen Volkswirtschaft. Heute sind die Konsequenzen kaum zu übersehen. Die
Versalzung ganzer Landstriche setzt sich fort.
186 Fotoessay Tian Shan / Syr Darja
Locations where photos were taken
Fotoessay Tian Shan / Syr Darja
187
188 Blick aus dem Hubschrauber: Inylchek Gletscher, Kirgistan
189
190 Inylchek Gletscher, Kirgistan
Oben: Blick in Richtung Khan Tengri in Kirgistan Unten: Gletschereis, Kirgistan
191
192 Eisschmelze, Kirgistan
193
194 Kumis-Trinker (vergorene Stutenmilch) in Kirgistan
Pferde in den Bergen von Kirgistan
195
196 See Issyk Kul in Kirgistan
See Issyk Kul in Kirgistan und Straßenszene mit Verkaufsangeboten von Fisch und Gemüse in Kirgistan
197
198 Tönender Dünensand am Ily River in Altyn Emel, Kasachstan
Tönender Dünensand am Ily River in Altyn Emel, Kasachstan
199
200 Kirgisisches Mädchen beim Ziegenhüten in den Bergen
201
202 Oben: ein Mädchen hütet Ziegen Unten: eine Jurte in den Bergen, Kirgistan
ein Mann und seine Ziegenherde, Kirgistan
203
204 Oben: eine Jurte in den Bergen Unten: Nomaden am See Son Kul
Oben: Schafherde am See Son Kul Unten: Nomadenleben am See Son Kul, Kirgisistan
205
206 Bergfluss in Kirgistan
Kumtor-Goldmine im Hochgebirge von Kirgistan
207
208 Reisbauern im Ferghana-Tal, Tadschikistan
209
210 Reisbauern im Ferghana-Tal
Kuh-/Milchviehscheune auf einer Farm, Tadschikistan
211
212 Landleben nahe Khujand, Tadschikistan
Landleben nahe Khujand, Tadschikistan
213
214 Wochenmarkt von Khujand
215
216 Marktszenen
Marktszenen
217
218 Wochenmarkt in Khujand, Tadschikistan
Wochenmarkt in Khujand, Tadschikistan
219
220 Geschäftsviertel von Taschkent, Usbekistan
Fernsehturm in Taschkent, Usbekistan
221
222 Ein Telefonanruf aus der Steppe von Kasachstan
Wasserrohre entlang der Straße in Kasachstan
223
224 Bödenversalzung in der Umgebung von Kzylorda in Kasachstan
Salzkristalle
225
226
AralSee
Fotoessay Aralsee
227
Aralsee
Was mich hierherzog, weiß ich noch ganz genau. 1992 hörten wir in allen Staaten Zentralasiens
von der Aralseekatastrophe. So war es nur naheliegend, dass ich mir selbst ein
Bild davon machen wollte. Ich hatte damals, im Mai 1993 ein Flugzeug für eine Gruppe
deutscher Politiker gemietet, um nach Aralsk am Aralsee zu fliegen. Auf halber Strecke
sagte der Pilot zu mir: »Es tut mir leid, es gibt weit und breit keinen Flugplatz am
Aralsee, wir müssen in Kzyl-Orda landen«. Was tun? Am Horizent, in der Abendsonne,
stand ein Frachthelikopter der früheren Sowjetarmee. Der Pilot, ein stolzer Russe, der
in jedem Actionfilm eine Rolle finden könnte, war mit seinem kleinen Sohn unterwegs.
Glück für uns, dass er gerade nach Aralsk fliegen wollte. Er nahm uns mit und war bereit,
uns die folgenden zwei Tage die ganze Region mit seinem Hubschrauber zu zeigen. Die
Menschen in Aralsk waren von unserem Besuch nicht besonders begeistert. »Viele kommen,
stellen dumme Fragen, gehen wieder und wir bleiben – was kommt für uns dabei
heraus?«, war der Tenor. »Katastrophentourismus brauchen wir nicht«. Der See hatte
sich schon viele Kilometer von der ehemals stolzen Hafenstadt zurückgezogen. Während
des Fluges zur Kokaraldamm-Baustelle, etwa 150 km südliche Richtung, nicht weit
von Usbekistan entfernt, sahen wir die großen Frachtschiffe im Sand liegen. Es waren
Bilder, wie man sie schon so oft gesehen hat. Wir landeten genau an der Stelle, wo ich
18 Jahre später Fischer beobachten konnte, die inzwischen von einem kleinen Wunder
sprechen. Der Aralsee ist zurückgekehrt. Ein Damm wurde 2005, endlich solide gebaut,
fertiggestellt. Schnell hat sich das Ökosystem im nördlichen Teil des Aralsees erholt,
ganz im Gegensatz zu Barsakelmes, einer früheren Insel im Aralsee, die wir 1993 auch
besucht haben. Damals war es noch eine richtige Insel mit Kulan und Saigaantilopen.
Ich weiß noch genau, wie wir diese Tiere vor uns hertrieben. War wohl keine Absicht
des Piloten. Als die Sowjetunion untergegangen war, wurden die dort lebenden Menschen
einfach vergessen. Nur eine Familie und der Nationalparkverwalter mussten dort
noch aushalten. Seit Monaten hatte sich keine Menschenseele mehr gezeigt. Was war aus
der Insel und der kleinen Siedlung geworden? Die Insel, die keine mehr war, habe ich
dann im Herbst 2011 nochmals besucht. Selten habe ich eine derart tote Gegend gesehen.
Nicht einmal Käfer oder Ameisen sind geblieben. Würde man von Barsakelmes ein paar
Hundert Kilometer nach Südwesten reisen, käme man nach Moynak, der Ort auf dem
Territorium Usbekistans, der schon wirklich schöne Zeiten erlebt hat. Touristen kamen
zu Zeiten der Sowjetunion. Die warmen Sandstrände waren besonders beliebt. Heute
kommen Reisende, um sich die Schiffsskelette auf dem Aralseeboden anzusehen. Die
Fischfabrik, längst geschlossen, zeugt noch davon, dass von hier aus Fischkonserven in
die ganze Welt versandt wurden. Im örtlichen Museum kann man Bilder und Exponate
aus dieser Zeit finden. Schade, dass die Baumwolle wichtiger war als der See.
228 Fotoessay Aralsee
Orte, an denen Fotos aufgenommen wurden
Fotoessay Aralsee
229
230 Fischkonserven aus regionaler Produktion, Museum von Mojnak, Usbekistan
231
232 Alte Fischkonservenfabrik von außen, Mojnak, Usbekistan
Firmenschild: Fischer am Aralsee, Fischkonservenfabrik Mojnak, Usbekistan
233
234 Schiffswrack auf dem Grund des Aralsees bei Mojnak, Usbekistan
Schiffswrack in der Aralkumwüste bei Mojnak, Usbekistan
235
236 Schiffswracks im Sand bei Mojnak, Usbekistan
237
238 Oben: Schüler am ersten Schultag in Aralsk Unten: Warteraum im Bahnhof von Aralsk
Oben: Der alte Hafen von Aralsk ohne Wasser Unten: Motorrad aus der Sowjetzeit, nahe des Aralsees, Kasachstan
239
240 Oben: Hauptstraße von Karateren, Kasachstan Unten: Ruhepause Reisender in Karateren
Oben: Kinder auf dem Weg zur Schule, Karateren, Kasachstan Unten: Firmenschilder auf der Insel Barsakelmes
241
242 Kokaral-Damm, Aralsee, Kasachstan
Kokaral-Damm, Aralsee, Kasachstan
243
244 Fischen unterhalb des Fischwehrs/Damm, Kokaral, Aralsee, Kasachstan
Fischen unterhalb des Fischwehrs/Damm, Kokaral, Aralsee, Kasachstan
245
246 Fischer, Aralsee, Kasachstan
Fischer, Aralsee, Kasachstan
247
248 Nördlicher Aralsee in der Abendsonne
249
Dank
Der Internationale Fonds zur Rettung des Aralsees (IFAS) wurde 1992 gegründet. Seit
dieser Zeit haben internationale Organisationen, bilaterale Hilfsorganisationen und
ausländische Regierungen die Länder Zentralasiens in vielerlei Hinsicht unterstützt.
Ich möchte der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE),
der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Schweizerischen
Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) für die großzügige finan zielle
Unterstützung danken. Weiterhin danke ich Jenniver Sehring für Textbeiträge und Julie
August für Design und Layout des Katalogs. Die Fotos stammen von mir. Der Text des
Kataloges wurde von Marton Kransnai, Bo Libert, Iulia Trombitcaia, Saghit Ibatullin,
Frank Schrader, Volker Frobarth und Olivier Magnin geprüft. Dafür bin ich sehr dankbar.
Es dauerte viele Monate, bis wir diesen Katalog veröffentlichen konnten. Ich hoffe
aufrichtig, dass diese Ausstellung unsere gemeinsame Agenda voranbringen wird: Im
Dienste der Menschen Zentralasiens tätig zu sein und ein besseres Verständnis für diese
faszinierende Region zu schaffen.
Alfred Diebold
Herausgeber, Technischer Direktor des EC IFAS
250 Dank
anhang
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UNdata (http://data.un.org)
World Bank World Development Indicators (http://data.worldbank.org/indicator)
World Resources Institute EarthTrends (http://earthtrends.wri.org/index.php)
Datenbanken
253
Abkürzungsverzeichnis
ASBP
BVO
CPHD
DEZA
EC IFAS
EDB
FAO
GIZ
GUS
ICWC
IFAS
IWRM
MinVodKhoz
OHCHR
SIC ICWC
SSR
UdSSR
UN
UNDP
UNECE
USAID
WDI
WRI
Aralseebeckenprogramm
Flussbeckenbehörde
Zentrum für Politik und menschliche Entwicklung, Universität Kabul
Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit
Exekutivkomitee des Internationalen Fonds zur Rettung des Aralsees
Eurasische Entwicklungsbank
Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen
Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit
Gemeinschaft Unabhängiger Staaten
Zwischenstaatliche Kommission für Wasserkoordinierung
Internationaler Fonds zur Rettung des Aralsees
Integriertes Wasserressourcenmanagement
Ministerium für Melioration und Wassermanagement
Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte
Wissenschaftliches Informationszentrum der
Zwischenstaatlichen Kommission für Wasserkoordinierung
Sozialistische Sowjetrepublik
Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
Vereinte Nationen
Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen
Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen
US-Agentur für internationale Entwicklung
Weltentwicklungsindikatoren
World Resources Institute
Die Verlässlichkeit der zugänglichen wasserbezogenen Daten in Zentralasien wird oft angezweifelt.
Alle in dieser Studie verwendeten Angaben wurden nach bestem Wissen zusammengestellt
und durch Vergleich verschiedener Quellen geprüft. Trotzdem bestehen immer gewisse Ungenauigkeiten
und Widersprüchlichkeiten.
254 Abkürzungsverzeichnis
Quellen / Rechtenachweise
Seite 4 GIZ 2011; Seite 8, 9, 11, 13, 27, 29, 31 ZOI; Seite 10 eigene Erstellung; Seite 12, 14
www.cawater.org; Karten auf den Seiten 33, 35, 37, 39, 41: eigene Herstellung, auf der
Karte von Seite 4 basierend: Basisinformation (Seite 32, 34, 36, 38, 40): FAO AQUASTAT,
World Bank World Development Indicators, World Resources Institute Earth Trend,
Population Reference Bureau, UNdata; Seite 24 SPECA 2004: Seite 25 UNDP 2009: Central
Asia Regional Risk Assessment, Seite 27: http://www.unep.org/dewa/vitalwater/article69.html;
Seite 26: Saghit Ibatullin, Vortrag 2010; Seite 32 Bucknall et al. 2003, FAO
AQUASTAT, World Bank World Development Indicators, World Resources Institute
EarthTrends; Seite 51 Präsentation EC IFAS: www.ec-ifas.org; Seite 53 UNECE 2007, S. 272
Tabellen, Diagramme und Grafiken basieren auf den oben genannten Quellen und wurden
für die Publikation bzw. dem zugehörigen Film von Julie August und Fabian Tischer
neu bearbeitet.
Quellen / Rechtenachweise
255
Herausgegeben von Alfred Diebold 2012
© für die Texte p.7–66: Jenniver Sehring
© für Texte p.67–71, 111–113, 149–151, 185–187, 227–229: Alfred Diebold
Gestaltung / Produktion: Julie August, Berlin
Fotografien ©Alfred Diebold
Printed in Germany. Alle Rechte vorbehalten.
Trescher Verlag GmbH
Reinhardtstr. 9
10117 Berlin
Germany
post@trescher.de
www.trescher-verlag.de
ISBN 978-3-89794-801-3
256
Zentralasien fasziniert Wissenschaftler, Abenteurer und Reisende wie
Marco Polo seit Jahrhunderten. Die Region ist reich an einmaligen
Landschaften, Wüsten, Steppen, Hochgebirgen, fruchtbaren Oasen,
Rohstoffen und kulturellen Errungenschaften. Städte wie Samarkand
und Buchara geben Zeugnis. Die Region ist ebenfalls reich an Wasserressourcen,
die in den Hochgebirgen des Tian Shan, Alai und Pamir
entspringen. Das Buch »Von den Gletschern zum Aralsee. Wasser
verbindet« gibt Auskunft über das Leben entlang der Seidenstraße in
den Ländern Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Turkmenistan und
Usbekistan. Es zeigt wie Wasser von dort lebenden Menschen genutzt
wird und möchte einen Beitrag dazu leisten, dass die knappe
Ressource Wasser zukünftig effektiver und effizienter in der Region
verwendet wird.