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Wasser-verbindet-ebook

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Von den Gletschern

zum Aralsee

Wasser

verbindet


Von den Gletschern zum Aralsee –

Wasser verbindet

von Jenniver Sehring und Alfred Diebold



Vorwort 5

Einleitung 7

Wassermanagement in Zentralasien—

das vermächtnis der vergangenheit 15

Wassernutzung und Wassermanagement in vorsowjetischer Zeit 15

Wassernutzung und Wassermanagement während der Sowjetunion 19

Das ökologische Erbe: Ökologische Auswirkungen

des unnachhaltigen Wassermanagements 24

Das politische Erbe: konkurrierende Nutzungsinteressen

im Bewässerungs- und Energiesektor 28

grenzüberschreitende wasserressourcen

in den sechs staaten des aralseebeckens 33

Afghanistan 34

Kasachstan 36

Kirgistan 38

Tadschikistan 40

Turkmenistan 42

Usbekistan 44

IFAS: eine geschichte post-sowjetischer kooperation 47

IFAS: Organisation und Struktur 48

Das Aralseebeckenprogramm (ASBP) 51

Die Herausforderungen effektiver regionaler Wasserkooperation 52

Zusätzliche Bemühungen für Wasserkooperation 54

Das Gipfeltreffen 2009 und der Reformprozess 55

Die rolle internationaler akteure 59

Modernisierung der Infrastruktur für bessere Wassereffizienz 59

Förderung lokalen grenzüberschreitenden Wassermanagements 61

Verbesserung von Datenverfügbarkeit und Datenaustausch 62

Schaffung von Plattformen für Dialog 63

schlussfolgerung 65

Der Weg in die Zukunft 65

Fotoessay 69

Pamir – Amu Darja 71

Karakumkanal 113

Alai / Sarafschan 151

Tian-Shan / Syr Darja 189

Aralsee 229

Anhang 253

Literaturverzeichnis 253

Datenbanken 255

Abkürzungsverzeichnis 256

Quellen/Rechtenachweise 257


i Infokästen:

Klimawandel und Wasser 8

Amu Darja und Syr Darja: die Lebensadern Zentralasiens 10

Wasser – eine Gabe Gottes, ein Wirtschaftsgut oder ein Menschenrecht? 15

Vom Aralsee zur Aralkum: Die Aralseekatastrophe 21

Wasserknappheit – was bedeutet das? 26

Wasserressourcen und Wassernutzung in Zentralasien 29

Nahrungsmittelsicherheit oder Energiesicherheit – unvereinbare Prioritäten? 30

Wasserverfügbarkeit und Wassernutzung in den Ländern des Aralseebeckens 33

Wem gehört das Wasser? Internationales Recht und grenzüberschreitende Gewässer 47

Grenzüberschreitende Grundwasservorkommen 52

Gemeinsame Erklärung der Oberhäupter der Gründungsstaaten des Internationalen Fonds

zur Rettung des Aralsees 56

IWRM: Integriertes Wasserressourcenmanagement 59

Karte Zentralasiens


VORWORT

Zentralasien ist faszinierend. Mit der Ausstellung »Von den Gletschern zum Aralsee

.– Wasser verbindet« wollen wir, das Exekutivkomitee des Internationalen Fonds zur

Rettung des Aralsees und die internationale Gebergemeinschaft, zu einem besseren

Verständnis über die Situation der Länder, die bisher immer mit der Seidenstraße in

Zusammenhang gebracht wurden, beitragen. Wir möchten zeigen, wie Menschen in

Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan leben. Wir wollen

auch zeigen, wie Wasser allen Lebewesen in der zentralasiatischen Region dient.

Das Buch besteht aus drei Teilen. Ein analytischer Teil enthält Hintergrundinformationen

zu Wasser und grenzüberschreitendem Wasserressourcen-Management, ein

zweiter Fotos und ein dritter einen langen Film und einige Kurzfilme. Filme, Fotos und

Text des Buches möchten die Region dem Betrachter näher bringen und letztlich auch

bei den Menschen in der Region Zentralasien für mehr Verständnis werben. Wir sind

überzeugt, dass die Zusammenarbeit von staatlichen, nichtstaatlichen und internationalen

Akteuren der Schlüssel für Frieden, wirtschaftliche und soziale Entwicklung ist.

Unsere Reise beginnt in den Bergen des Tian Shan und Pamirs. Wir fahren entlang

der Flüsse Amu Darja, dem Sarafschan, dem Syr Darja, dem Karakumkanal und bis wir

schließlich den Aralsee erreichen. Wir bekommen Antworten auf die Fragen, die mit

dem grenzüberschreitenden Wasserressourcenmanagement, dem Klimawandel, internationalen

Konventionen, der integrierten Bewirtschaftung der Wasserressourcen und

der Aralseekatastrophe zusammenhängen.

Es ist nun 20 Jahre her, dass die Sowjetunion zusammenbrach. Unerwartet haben

die Länder Zentralasiens ihre Unabhängigkeit erlangt. Es war sicherlich keine leichte

Aufgabe, Nationen zu errichten, Mechanismen für die Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten

zu entwickeln. Diese Ausstellung soll auch ein Bewusstsein dafür schaffen,

dass nur gegenseitiges Verständnis und Kompromisse zu besseren Ergebnissen und

Lebensbedingungen für die Menschen in Mittelasien führen können. Es sind die Menschen,

die im Mittelpunkt all unserer Entwicklungsanstrengungen stehen müssen.

Wir danken der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen, der

deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und der Schweizer Direktion

für Entwicklung und Zusammenarbeit für die großzügige finanzielle Unterstützung.

Das Buch 1 und die Ausstellung sollen zu einem noch besseren Verständnis zwischen den

Ländern beitragen und einem breiten Publikum auf der ganzen Welt zugänglich gemacht

werden.

Saghit Ibatullin, Vorsitzender, des Exekutivkomitees

des Internationalen Fonds zur Rettung des Aralsees (EC IFAS)

1 Der Text des Buches entspricht nicht in allen Fällen der Meinung von EC IFAS.

Vorwort 5



Einleitung

Zentralasien – eine vielen unbekannte Region, die sich vom Kaspischen Meer, dem größten

Binnengewässer der Erde, bis hin zu den Ausläufern der höchsten Gebirgszüge, des

Pamirs und des Himalayas, erstreckt. Über Jahrhunderte hinweg durchzogen Karawanen

das Gebiet entlang der berühmten Seidenstraße, und so bildete die Region mit ihren

endlos erscheinenden Steppen, Wüsten und Gebirgszügen eine Brücke zwischen Europa

und Asien. In den Oasengebieten entlang der Flüsse errichteten mächtige Khane Städte

wie Samarkand und Buchara, die sich zu Zentren islamischer Gelehrtheit entwickelten.

Ausgeklügelte Bewässerungssysteme wurden entwickelt, um das Land nutzbar zu machen

und die Bevölkerung zu ernähren. Unter den trockenen Umweltbedingungen war Zugang

zu Wasser durch die Geschichte hindurch eine grundlegende Frage der Lebenssicherung.

Zwei mächtige Ströme durchfließen Zentralasien: der Amu Darja (Darja ist das persische

Wort für Fluss), von den antiken Griechen Oxus genannt, und der Syr Darja, im Altertum

als Jaxartes bekannt. Vor 1991 und dem Zusammenbruch der Sowjetunion flossen beide

Ströme größtenteils innerhalb der UdSSR, mit einem kleinen Einzugsgebiet in Afghanistan.

Heute durchfließen sie mehrere unabhängige Staaten: Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan,

Turkmenistan und Usbekistan sowie Afghanistan.

Betrachtet man alleine die Gesamtmenge, ist Wasser in Zentralasien eigentlich

nicht knapp. Es ist aber räumlich höchst verteilt. Der größte Teil des erneuerbaren Oberflächenwassers

bildet sich in den Bergregionen Tadschikistans, Kirgistans und Afghanistans.

Genutzt wird es allerdings größtenteils in den Staaten flussabwärts, nämlich in

Kasachstan, Turkmenistan und Usbekistan. Übernutzung und unnachhaltiges Wassermanagement

in der Vergangenheit führten zur weltbekannten Umweltkatastrophe des

austrocknenden Aralsees, der heute nur noch ein Zehntel seiner Größe von vor 50 Jahren

umfasst. Mit dem Zerfall der Sowjetunion war diese Katastrophe und die Verteilung

der Wasserressourcen nicht mehr nur eine Angelegenheit eines Staates, sondern von fünf

jungen Staaten und ihres Nachbarn Afghanistan, die nun in diesen Fragen kooperieren

müssen.

Als ob diese Aufgabe nicht schon groß genug wäre, kommen zu dem schwierigen

Erbe der Vergangenheit noch die Herausforderungen der Zukunft: die drängendsten

sind das stetige Bevölkerungswachstum und der Klimawandel. Die globale Erwärmung

beeinflusst bereits heute die Wasserverfügbarkeit in Zentralasien: Während sich das

Wasservolumen in den Gletscher- und schneegespeisten Flüssen verringert und manche

gar ganz zu versiegen drohen, steigt der Wasserbedarf in der Landwirtschaft aufgrund

der steigenden Temperaturen und höherer Verdunstungsraten.

Einleitung 7


i

Klimawandel und Wasser

Zentralasien ist gekennzeichnet durch ein trockenes und kontinentales Klima: die Sommer

sind sehr heiß (bis zu 50°C in den Wüstengebieten), die Winter sehr kalt (bis zu -60°C in

den Hochgebirgen im Osten Tadschikistans) und die Niederschlagsmenge sehr gering. In den

letzten Jahrzehnten ist durch die globale Erwärmung auch die Durchschnittstemperatur in

Zentralasien angestiegen. Die untenstehende Karte zeigt den Anstieg pro Jahrzehnt.

Veränderung der Oberflächen-

Temperatur, 1951–2001

Veränderung der Niederschläge,

1951–2001

Temperaturwechsel

in °C pro Jahrzehnt

0,1

0,2

0,4

Veränderung des

Niederschlags in

mm pro Jahrzehnt

2

1

0

-1

-2

Auf der Karte wird deutlich, dass der Temperaturanstieg je nach Region unterschiedlich ist.

Er ist auch saisonal verschieden: Im Allgemeinen ist die Erwärmung in den Wintermonaten

stärker als in den anderen Jahreszeiten. Allerdings sind die Höchsttemperaturen im Sommer

auch angestiegen. Seit den 1950er Jahren hat sich die Anzahl der Tage mit über 40°C in den

südlichen Gebieten Zentralasiens erhöht. Klimaszenarien sagen für Zentralasien einen Temperaturanstieg

von 1–3°C bis 2030–2050 vorher. Am Ende des Jahrhunderts könnten die Temperaturen

sogar um 6°C ansteigen, sofern die weltweiten Emissionen nicht reduziert werden.

Durch den Klimawandel haben sich auch die Niederschlagsmuster verändert. Wie die Karte

zeigt, stieg der Niederschlag im Norden an, während er sich im Süden, wo viele Ackerflächen

liegen, verringerte.

in

km 3

700

600

500

400

300

200

100

0

Veränderung des Gletschervolumens

TA D S C H I K I S TA N

vor 50

Jahren

Heute

? ?

in 50

Jahren

K I R G I S TA N

vor 50

Jahren

Heute

in 50

Jahren

Der Klimawandel hat enorme

Auswirkungen auf die Wasserversorgungssicherheit:

sowohl die

Niederschlagsvariabilität als auch

die Anzahl der Wetterextremereignis

se werden zunehmen und da mit

die Wasserverfügbarkeit we niger

vorhersagbar machen. Gleichzeitig

erhöht sich aufgrund steigender

Temperaturen der Wasserbedarf.

Doch der alarmierendste

E fekt der globalen Erwärmung in

Zentralasien ist das Schmelzen der

8

Einleitung


Gletscher. Seit 1950 sind bereits zwischen 14

und 30 % der Gletscher des Tian Shans und

Pamirs abgeschmolzen. Heute wird die Reduktionsrate

auf 0,2–1 % pro Jahr geschätzt. Einige

kleine Gletscher mit einer Fläche von weniger

als 0,5 km² sind bereits völlig weggeschmolzen.

Ein damit zusammenhängendes Phänomen

ist das Risiko verheerender Gletscherseeausbrüche

(sogenannte Glacial Lake Outburst

Floods, GLOFs), die entstehen wenn

Wasser, das vom Gletscher gestaut wurde,

durchbricht. Durch die verstärkte Gletscherschmelze

ist die Anzahl von Gletscher seen

und von Ausbrüchen weltweit angestiegen.

Auch in Zentralasien ist das Risiko sehr akut.

Wissenschaftler warnen, dass alleine in Kirgistan

bei über 20 Gletscherseen das Risiko eines

Ausbruchs besteht.

Auswirkungen des Klimawandels

auf Flüsse

durchschnittlicher Wasserabfluss in km 3 pro Jahr

90

Der Rückgang der Gletscher hat enorme Auswirkungen auf die Wasserverfügbarkeit

in den Flüssen Zentralasiens. Schmelzwasser von Schnee, Gletschern und Permafrost macht

80 % des gesamten Wasserabflusses in Zentralasien aus. Insofern spielen Gletscher eine wichtige

Rolle für die Wasserversorgung sowohl für die Bewässerungslandwirtschaft als auch für

die Energieproduktion. Bisher und in naher Zukunft steigt die Abflussmenge durch die intensiveren

Schmelzprozesse leicht an. Langfristig aber, wenn die Gletscher immer kleiner geworden

sind, wird sich die Wassermenge in den Flüssen verringern. Experten schätzen, dass sich

durch Gletscherschwund, Verlust von Permafrostboden, und höherer Verdunstung aufgrund

höherer Temperaturen der Abfluss des Amu Darja bis 2050 um 7 bis 15 % verringern wird,

und der des Syr Darja um 5 %. Für die folgenden Jahrzehnte bis 2100 nimmt man einen noch

stärkeren Rückgang an, wie die Grafik zeigt. In kleineren Flüssen, die von kleinen Gletschern

gespeist werden, wird der Wasserrückgang dramatischer sein, bis hin zum völligen Austrocknen

innerhalb weniger Jahrzehnte. Aber selbst ein geringer Rückgang der Abflussmenge kann

schon katastrophale Folgen an den Unterläufen haben, die bereits heute mit Wassermangel

kämpfen. Die zentralasiatischen Wasserexperten müssen sich auf ernsthafte Wasserknappheit

in den nächsten Jahrzehnten einstellen.

Dies wird noch dadurch verschärft, dass die Nachfrage nach Wasser ansteigen wird –

aufgrund von Bevölkerungswachstum, höheren Temperaturen und niedrigeren Niederschlagsmengen

in Teilen Zentralasiens. Diese Entwicklungen betrefen auch die grenzüberschreitende

Zusammenarbeit: Eine ihrer grundlegenden Herausforderungen – sich ständig

ändernden Abflussmengen, die eine kontinuierliche Planung und Anpassung von Nutzungsanteilen

erfordern – verstärkt sich, da die Variabilität zunimmt. Grenzüberschreitende Wasserkooperation

erfordert deswegen flexible und starke Institutionen. 1

80

70

60

50

40

30

20

10

0

A M U D A R J A

Reduktion des

Wasserabflusses

Vorhersage 2071–2100

gegenüber heute

(A1B Szenario)

S Y R D A R J A

1 EDB 2009, ZOI 2009

Einleitung 9


Aufgrund dieser schwierigen Bedingungen haben nicht wenige Experten Anfang der 1990er

Jahre befürchtet, dass es in Zentralasien zu gewalttätigen Konflikten über Wasser kommen

könnte. Doch im Gegensatz dazu sind diese nicht nur ausgeblieben, sondern es hat sich in

den letzten 20 Jahren auch regionale Kooperation im Wassermanagement entwickelt und

institutionalisiert. Diese Studie gibt einen Überblick über die bisherigen Entwicklungen

und Erfolge, aber auch über nach wie vor bestehende Schwächen sowie Herausforderungen

und Perspektiven für die zukünftige Entwicklung.

i

Amu Darja und Syr Darja: die Lebensadern Zentralasiens

Die beiden größten Ströme Zentralasiens sind der Amu Darja und der Syr Darja. Beide münden

in den Aralsee; ihr Einzugsgebiet bildet das Aralseebecken. Dieses umfasst das südliche

Kasachstan, den größten Teil der Landesflächen von Kirgistan und Turkmenistan, und praktisch

das gesamte Gebiet Tadschikistans und Usbekistans, dazu auch den nördlichen Teil von

Afghanistan und ein kleines Gebiet im Iran.

Der Amu Darja hat eine durchschnittliche jährliche Abflussmenge von 74 km³ und

ist damit der mächtigste Strom Zentralasiens. Seine Quellen sind die Flüsse Pandsch und

Vachsch in Tadschikistan und Afghanistan. Nach ihrem Zusammenfluss bildet der Amu Darja

erst die Grenze Afghanistans mit Tadschikistan, dann mit Usbekistan und schließlich mit

Turkmenistan. Er durchfließt Turkmenistan nach Usbekistan, wo er das südliche Ufer des

Aralsees erreicht. Seine Gesamtlänge von der Quelle des Pandsch aus gemessen ist 2 540 km.

Sein Einzugsgebiet wird je nach Berechnung mit 465 000 km² bis 612 000 km² angegeben.

Dazu gehören auch die Flüsse Scherabad, Surchan Darja, Kaschka Darja und Sarafschan, auch

wenn die beiden letzteren nicht in den Amu Darja münden sondern vorher versanden.

Der Syr Darja ist mit 3 019 km, von der Quelle seines Hauptzuflusses Naryn gemessen,

wesentlich länger als der Amu Darja, aber seine Abflussmenge ist viel geringer: im Durchschnitt

37 km³ pro Jahr. Der Naryn entspringt in Kirgistan, fließt in das Ferganatal, wo er sich

mit dem Kara Darja vereinigt und dann Syr Darja heißt. Er fließt von Kirgistan durch usbekisches

und tadschikisches Gebiet, dann wieder nach Usbekistan und schließlich nach Kasachstan,

wo er in den nördlichen Teil des Aralsees mündet. Die Fläche seines Einzugs gebietes

wird auf 782 617 km² geschätzt.

Das Aralseebecken vor 1960

Das Aralseebecken heute

10

Einleitung


Durchschnittlicher saisonaler Abfluss des Amu Darja

Wasserabfluss in m 3 pro Sekunde

5000

Bewässerungsperiode

4000

3000

Verringerung des

Wasserabflusses

2000

1000

0

Jan Feb MÄr Apr Mai Jun Jul Aug Sep OKt Nov Dez

heute

Vorhersage 2071–2100 (A1B Emissionsszenario)

Da sich beide Flüsse vor allem aus der Schnee- und Gletscherschmelze speisen, variiert

die Abflussmenge je nach Jahreszeit, wobei sie im Frühjahr und Sommer am höchsten

ist. Auch zwischen den einzelnen Jahren kann die Wassermenge je nach Wetterbedingungen

erheblich variieren. In wasserreichen Jahren hat der Wasserabfluss im Amu Darja bis zu

96,3 km³ (1969) erreicht, während er in trockenen Jahren wie 1947 auf 52,8 km³ sank. Auch der

Syr Darja kennt diese Schwankungen: von 18,3 km³ 1917 bis zu 72,5 km³ im Jahr 1921.

Einleitung 11


Grafische Darstellung des Amu Darja

Garm (TJ)

Alajskaja (KG)

Rogun

Schurobadskaja

Nurek

Bajpasa Perepadnaja Zentralnaja

Vachsch

Sangtuda #1

Sangtuda #2

Vachsch (TJ)

Karatag-Schirkent (TJ)

Golovnaja

Flüsse

Oberer Kafirnigan (TJ)

Unterer Kafirnigan (TJ)

Dastidschum

Flüsse

Pandsch

Kafirnigan

Surkhan Darja (UZ)

Afghanistan

Pandsch (TJ)

Gorny Badachschan

(TJ)

Surkhan Darja

Kundus

Scherabad

Kelif

Ahal (TM)

Balchan (TM)

Javan

Dupuli

Kaschka Darja

(UZ)

Amu Darja

Mary (TM)

Garagumdarja

(Karakumkanal)

Sarafschan (TJ)

Samarkand (UZ)

Sarafschan

Karschi (UZ)

Karshi

Kanal

Lebap (TM)

Goldener See (TM)

(Altin Asyr)

Sultandag

Turkmenischer Hauptkanal

Syr Darja

Flussbecken

(Jizakh)

Navoi (UZ)

Buchara (UZ)

Parsankul

Amu-Buchara

Kanal

Bir-Ata

(Darganata)

Daschogus Kanal

Sarykamysch

Südl. Karakalpakstan (UZ)

Tujamujun Reservoir

und Wasserkraftwerk

Choresm (UZ)

Daschogus

(TM)

Nördl. Karakalpakstan (UZ)

Flüsse

Wassertransfer

Wasserentnahme

Südliche Aralregion & Aralsee

KZ – Kasachstan

KG – Kirgistan

TJ – Tadschikistan

Rückflüsse

Messstation

Wasserkraftwerk

TM – Turkmenistan

Planungszone (PZ)

Reservoir

See

UZ – Usbekistan

12

Einleitung


Wasserabfluss in m 3 pro Sekunde

Durchschnittlicher saisonaler Abfluss des Syr Darja

5000

Bewässerungsperiode

4000

Verringerung des

Wasserabflusses

3000

2000

1000

0

Jan Feb MÄr Apr Mai Jun Jul Aug Sep OKt Nov Dez

heute

Vorhersage 2071–2100 (A1B Emissionsszenario)

Um den Wasserfluss zu regulieren und die Wasserverfügbarkeit sicherzustellen, wurde im

Laufe des letzten Jahrhunderts ein komplexes System von Staudämmen, Stauseen, Kanälen

und anderer Infrastruktur errichtet. Einige Flüsse wie der Naryn sind fast völlig reguliert. Der

Betrieb und Unterhalt dieser Infrastruktur, die oft von grenzüberschreitender Bedeutung ist,

verlangt gute Koordinierung aller involvierten nationalen Behörden und einen grenzüberschreitenden

regulativen Rahmen. 2

2 Cawater-info.net, UNECE 2007, UNECE 2011.

Einleitung

13


Grafische Darstellung des Syr Darja

Oberer Naryn (KG)

Kambarata #1

Kambarata #2

Toktogul Reservoir und Wasserkraftwerk

Flüsse

Kurupsaj

Taschkumyr

Naryn

Naryn Mittellauf (KG)

Nördliches Ferganatal (KG)

Nördl. Ferganatal

(KG)

Schamalsusaj

Utschkurgan

Namangan-

Naryn (Uz)

Flüsse

Andischan (UZ)

Andischan Reservoir und

Wasserkraftwerk

Kara Darja

Namangan-

Naryn (UZ)

Andijan (UZ)

Namangan-

Syr Darja (UZ)

Kampyr-Ravat

(KG)

Chudschand

(TJ)

Syr Darja

Fergana (UZ)

Chudschand

(TJ)

Südl. Fer gana tal

(KG)

Flüsse

Kairakkum

Isfara (TJ)

Flüsse

Taschkent-Syr Darja (UZ)

Farchad Stausee

Farchad

Schachristan-

Lakkatsavat (TJ)

Achangaran

Tschatkal

(KG)

Hojikent

Taschkent-Tschirtschik

(UZ)

Tschirtschik Gasalkent

Tscharwak

Stausee und

TSCHAKIR (KZ)

Wasserkraftwerk

Golodnaja-Stufe

(KZ)

Amasaj

Syr Darja (UZ)

Dschissach

(UZ)

Iski

Tjatortor

ARTUR (KZ)

Schardara Stausee

Koksarai

Aidarul

Kysylkum (KZ)

Kysyorda (KZ)

in den großen

Aralsee

Flüsse

Wassertransfer

Wasseraufnahme

Nördliche Aralregion & Aralsee

KZ – Kasachstan

KG – Kirgistan

TJ – Tadschikistan

Rückflüsse

Messstation

Wasserkraftwerk

TM – Turkmenistan

Planungszone (PZ)

Reservoir

See

UZ – Usbekistan

14

Einleitung


Wassermanagement in Zentralasien –

das Vermächtnis der Vergangenheit

Die fünf ehemaligen Sowjetrepubliken im Aralseebecken, also alle Länder abgesehen von

Afghanistan, teilen eine gemeinsame Geschichte unter russischer und sowjetischer Herrschaft,

die Wassernutzung und Wassermanagement extrem beeinflusst hat. Diese gemeinsame

Vergangenheit und ihre Auswirkungen werden im folgenden Kapitel dargestellt.

Wassernutzung und Wassermanagement in vorsowjetischer Zeit

Zentralasien hat eine lange Geschichte der Bewässerungslandwirtschaft. Um das nutzbare

Land zu erschließen wurden im Laufe der Jahrhunderte aufwändige und ausgefeilte

Wassermanagementsysteme entwickelt. Der Wohlstand im 7. Jahrhundert unter arabischer

Herrschaft verdankte sich unter anderem der Erweiterung der Bewässerungssysteme in

den Gebieten mit sesshafter Bevölkerung. Die Kontrolle über die Wasserverteilung oblag

der zentralen Verwaltung, während das Management in der Verantwortung der lokalen

Beamten lag. Der Khan verstand sich als eine Art Treuhänder im Namen Allahs. Bauern

zahlten Gebühren für die Wassernutzung und waren verpflichtet, sich an den notwendigen

Instandhaltungsarbeiten zu beteiligen. Sogenannte Mirabi – »Wassermeister« – waren für

die lokalen Kanäle zuständig und Aryk Aksakaly (wörtlich: Kanalälteste) für die kleinen

Kanäle. Die höchste Position war die des Mirab Bashi, der für die Wasserverteilung zuständig

war und zum Regierungsapparat gehörte. Die Mirabi wurden von den Wassernutzern

gewählt und mit Sachleistungen bezahlt, wobei die Höhe von der Zufriedenheit mit ihrer

Arbeit abhing. Diese Wasserämter waren äußerst prestigeträchtig. Neben der Position des

Mirab gab es eine weitere wichtige informelle Institution für das Wassermanagement, das

Hashar oder Ashar. Ein Hashar ist eine kollektive freiwillige Arbeit aller Mitglieder einer

Gemeinde, die Teil eines breiteren Reziprozitätssystems auf Dorf- oder Nachbarschaftsebene

war. Hashar wurde unter anderem für Bau, Renovierung und Instandhaltung von

kleinen lokalen Kanälen organisiert.

i

Wasser – eine Gabe Gottes, ein Wirtschaftsgut

oder ein Menschenrecht?

Wasser ist eine natürliche Ressource – so wie Holz, Kohle, Öl oder Gold. Und doch ist Wasser

anders als sonstige natürliche Ressourcen. Wir können eine Zeitlang ohne Holz oder Öl

Wassermanagement in Zentralasien – das Vermächtnis der Vergangenheit

15


überleben, aber nicht ohne Wasser. Es ist die Basis des Lebens, und wird deswegen nicht nur

für viele verschiedene wirtschaftliche und technische Zwecke genutzt, sondern hat auch kulturellen,

sozialen und symbolischen Wert. Darum besitzt Wasser in vielen Religionen eine

besondere Bedeutung und steht oft am Anfang der Schöpfungsgeschichte.

Vor allem in jenen Religionen, die in wasserarmen Regionen entstanden – wie das

Judentum, Christentum und der Islam – spielt Wasser eine besondere Rolle. Die Geschichten

des Alten Testaments spiegeln die Erfahrungen der Menschen im Nahen Osten mit Wasserknappheit

wider und zeigen den Respekt, den sie sowohl der lebensspendenden wie der zerstörerischen

Kraft des Wassers zollten. Gott wird gepriesen als derjenige, der Wasser und damit

Leben gibt. Islamische Mystiker vergleichen Allah mit einem endlosen Ozean. Das Paradies

wird beschrieben als ein Garten mit kühlem klarem Wasser. Auch die reinigende Funktion des

Wassers ist mit rituellen Waschungen vor dem Gebet oder während Pilgerreisen ein gemeinsames

Element vieler Religionen. Im Christentum wird der Gläubige durch das Ritual der Taufe

gereinigt und in die christliche Gemeinschaft aufgenommen. Millionen von Hindus vollziehen

rituelle Waschungen im Ganges, dem wichtigsten der sieben heiligen Flüsse im Hinduismus. 1

Diese spirituelle Bedeutung des Wassers hat auch ganz praktische Implikationen. So

gilt Wasser im Islam als Geschenk Allahs und hat deswegen den Status eines Gemeinschaftsguts,

zu dem jeder Zugang haben sollte. Folglich argumentieren viele Interpretationen des

Korans, dass es verboten ist Wasser zu kaufen oder zu verkaufen. Wenn jedoch Infrastruktur,

Wissen oder Arbeitskraft investiert wurden um es zugänglich zu machen, dürfen Gebühren

erhoben werden. Betrachtet man Wasser als Geschenk Gottes hat dies auch Konsequenzen

für den Umgang mit Wasser: Ich sollte es als ein Geschenk wertschätzen und nicht vergeuden;

es ist ein Geschenk nicht nur für mich, sondern auch für meinen Nachbarn, also sollte

ich ihm die Nutzung nicht verwehren. Im Koran wie auch in den Hadith (Überlieferungen

über die Taten und Aussagen Mohammeds) finden sich explizite Aussagen, dass Wasser sparsam,

gerecht, in Abstimmung mit anderen Nutzern und unter Berücksichtigung der Umwelt

genutzt werden sollte. 2 Dementsprechend gaben bei einer Umfrage über die Gründe für sparsamere

Wassernutzung im Syr Darja-Becken 20 % der Befragten an, dass für sie finanzielle

Anreize entscheidend sind, während 30 % moralische und religiöse Beweggründe nannten. 3

So kann der »symbolische« Wert des Wassers in Religion und Kultur eine sehr konkrete Motivation

zum sparsamen Umgang mit Wasser sein.

Im 20. Jahrhundert haben sich jedoch die Wassermanager rund um den Globus nur auf

die technischen Fragen ausreichenden Wasserangebots konzentriert: Man nahm an, dass die

Nachfrage nach Wasser aufgrund von Bevölkerungswachstum und wirtschaftlicher Entwicklung

steigen würde. Um diese zukünftige Wassernachfrage zu bedienen wurden technische

Lösungen auf der Angebotsseite entwickelt: riesige Infrastrukturprojekte wie Staudämme,

Stauseen und Bewässerungssysteme.

Das wachsende Umweltbewusstsein ab den 1960ern führte zu vermehrter Kritik an den

ökologischen Folgen dieser Projekte und der Forderung nach Berücksichtigung ökologischer

Erfordernisse im Wassermanagement. Gleichzeitig führte der technische Fortschritt in den

1 Kürschner-Pelkmann 2003.

2 Faruqui 2001.

3 Abdullaev, Kazbekov and Molden 2007.

16 Wassernutzung und Wassermanagement in vorsowjetischer Zeit


Industrieländern zu neuen wassersparenden Technologien und widerlegte die alte Vorstellung,

dass wirtschaftliche Entwicklung und Bevölkerungswachstum zwangsläufig zu höherem

Wasserverbrauch führten. Diese Kritik wurde später ergänzt vom Konzept von Wasser als

ökonomischem Gut, das vor allem von internationalen Finanzinstitutionen und Geberorganisationen

forciert wurde.

Es basiert auf der Annahme, dass Wasser einen ökonomischen Wert hat und deswegen

auch einen Preis haben sollte. Dieser ökonomische Wert entsteht durch die Kosten, die die

Bereitstellung von Wasser verursacht, und den Wert, der durch seine Nutzung gewonnen wird.

Als einer der Hauptgründe für ineffiziente und verschwenderische Wassernutzung wird fehlende

oder unzureichende Preisgestaltung ausgemacht. Angemessene und kostendeckende

Preise würden hingegen ausreichende Finanzmittel für die Instandhaltung der Infrastruktur

garantieren, wichtig für verlässliche Wasserlieferung, und zudem einen Anreiz zum Wassersparen

bieten. Auf politischer Ebene soll das Konzept helfen, Entscheidungen über Wasserverteilung

zwischen den verschiedenen wirtschaftlichen Sektoren zu treffen.

Auf internationaler Ebene wurde dieser Ansatz mit den sogenannten Dublin-Prinzipien von

1992 anerkannt. Diese besagen:

• Trinkwasser ist ein endliches und verletzliches Gut, das absolut notwendig ist für Leben,

Entwicklung und Umwelt.

• Entwicklung und Management von Wasser muss auf einem partizipativen Ansatz beruhen,

der Verbraucher, Planer und Entscheidungsträger aller Stufen einschließt.

• Frauen spielen eine entscheidende Rolle bei Bereitstellung, Verwaltung und Schutz von

Wasser.

• Wasser hat einen wirtschaftlichen Wert in seinen konkurrierenden Nutzungsarten und

sollte als ökonomisches Gut anerkannt werden. 4

Diese Prinzipien sind seitdem zu einem wichtigen Bezugspunkt im internationalen Diskurs

über Wassermanagement geworden. Nichtsdestotrotz sind sie nach wie vor umstritten und

Gegenstand einer lebhaften Debatte zwischen Behördenvertretern, Akademikern, Praktikern,

zivilgesellschaftlichen Aktivisten und privatwirtschaftlichen Akteuren.

In den letzten Jahrzehnten haben mehrere UN Organisationen und Konferenzen Fragen

der Trinkwasserversorgung und Sanitäreinrichtungen im Menschenrechtskontext betrachtet.

Dies liegt in der Tatsache begründet, dass immer noch etwa 884 Millionen Menschen weltweit

keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und mehr als 2,6 Milliarden Menschen keinen

Zugang zu elementaren sanitären Anlagen haben. Dies ist nicht nur ein ernstes soziales und

gesundheitliches Problem. Zugang zu Wasser ist auch eine notwendige Voraussetzung für die

Erfüllung von Menschenrechten wie der Rechte auf Leben, angemessenes Wohnen, Bildung,

Nahrung, Gesundheit, Arbeit und Teilnahme am kulturellen Leben. Deswegen haben Aktivisten

argumentiert, dass der Zugang zu Wasser nicht nur ein grundlegendes Bedürfnis des

Menschen ist, sondern auch ein Menschenrecht. Nach dieser Auffassung darf der Zugang zu

Trinkwasser nicht davon abhängen, ob man es sich leisten kann. Es Armen zur Verfügung zu

stellen ist kein Akt der Wohltätigkeit sondern die Erfüllung eines berechtigten Anspruchs.

4 http://www.wmo.int/pages/prog/hwrp/documents/english/icwedece.html

Wassermanagement in Zentralasien – das Vermächtnis der Vergangenheit 17


Im Jahre 2008 hat der UN Menschenrechtsrat in Genf auf Initiative von Deutschland

und Spanien eine Resolution zu Menschenrechten und dem Zugang zu sauberem Trinkwasser

und Sanitärversorgung angenommen und das Mandat einer Unabhängigen Expertin für

das Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung geschaffen, das von

Catarina de Albuquerque wahrgenommen wird (seit März 2011 umbenannt in Sonderberichterstatterin

für das Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung). Ein

weiterer Durchbruch wurde am 28. Juli 2010 erzielt, als die Generalversammlung der Vereinten

Nationen eine nicht-bindende Resolution zum Menschenrecht auf Zugang zu sauberem

Trinkwasser und Sanitärversorgung angenommen hat. Die Resolution fordert Staaten und

internationale Organisationen auf, mittels finanzieller, professioneller und technischer Unterstützung

den Entwicklungsländern zu helfen allen Menschen sicheres, sauberes, zugängliches

und erschwingliches Trinkwasser und Sanitäranlagen zur Verfügung zu stellen. Allerdings

hat es die Staatengemeinschaft nicht geschafft, einen Konsens über den Text zu erreichen, so

dass sich 41 Staaten bei der Abstimmung enthalten haben. Im März 2011 hat auch der UN Menschenrechtsrat

eine Resolution zum Recht auf sicheres Trinkwasser und Sanitärversorgung

angenommen.

Ein Menschenrecht auf Wasser heißt allerdings nicht, dass Wasser umsonst sein muss

oder dass die Frage der Kostendeckung nicht berücksichtigt werden soll. Vielmehr heißt es,

dass Regierungen verantwortlich dafür sind, dass allen ausreichend Wasser für die grundlegende

Versorgung (zum Trinken, für die Nahrungszubereitung, für die persönliche Hygiene,

zum Waschen der Kleider und ähnliches) zu einem erschwinglichen Preis zur Verfügung steht.

Es sagt aber nichts darüber aus, ob die Wasserversorgung staatlich oder privat sein sollte und

wie der Zugang geregelt wird. 5

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam Zentralasien – damals Turkestan genannt –

unter die Herrschaft des russischen Zarenreiches. Die russische Landwirtschaftspolitik

verfolgte die massive Ausweitung des Baumwollanbaus und damit verbunden auch der

Bewässerungsanlagen. Meist wurde dabei das frühere Managementsystem beibehalten.

So wurden die Positionen des Mirab und des Aryk Aksakal formalisiert und als bezahlte

Funktionen in die Kolonialverwaltung integriert. Das bedeutete jedoch auch, dass sie

nicht mehr den Wassernutzern rechenschaftspflichtig waren sondern der Verwaltungshierarchie

und damit auch weniger Anreiz hatten, für eine gerechte und effektive Wasserverteilung

zu sorgen. Dazu kamen neue Beamte, die wenig Wissen über die Bedingungen

vor Ort hatten. Durch die Ausweitung des Baumwollanbaus intensivierte sich auch die

Konkurrenz um Wasser. All diese Faktoren führten dazu, dass die traditionellen Institutionen

des Wassermanagements geschwächt wurden, während gleichzeitig keine neuen

effektiven Kontrollmechanismen etabliert wurden. Dadurch kam es zu Korruption und

unerlaubten Wasserentnahmen. 6

5 OHCHR 2011.

6 Bichsel 2009, O’Hara 2000, Thurman 2002.

18 Wassernutzung und Wassermanagement in vorsowjetischer Zeit


Wassernutzung und Wassermanagement

während der Sowjetunion

Viele der ehrgeizigen Pläne der zaristischen Politik für Zentralasien wurden im 20. Jahrhundert

von der Sowjetunion übernommen und weitergeführt. Zum einen hatte die Sowjetregierung

das Ziel, die UdSSR auf dem weltweiten Baumwollmarkt zu etablieren, und

Zentralasien war dafür die wichtigste Anbauregion. Zum anderen war Zentralasien der

ärmste Teil der Sowjetunion mit hohem Wachstum der ländlichen Bevölkerung, dessen

sozio-ökonomische Entwicklung durch Investitionen in die Landwirtschaft gefördert werden

sollte. So finanzierte und baute die Sowjetunion Bewässerungsanlagen und andere

Wasserinfrastruktur im großen Maßstab. Dank eines riesigen Landerschließungsprogrammes

für die Steppen und Wüstengebiete konnte die bewässerte Fläche in Zentralasien

von 4,2 Millionen ha im Jahr 1950 auf 7,4 Millionen ha im Jahr 1989 ausgeweitet werden.

Damit verbunden war selbstverständlich auch ein Anstieg des Wasserverbrauchs für die

Landwirtschaft. Als Folge hat sich der Wasserzufluss von Amu Darja und Syr Darja in den

Aralsee von im Durchschnitt jährlich 56 km³ pro Jahr Anfang der 1960er Jahre auf ungefähr

6 km³ pro Jahr in den 1980ern reduziert.

Die Erschließung von Millionen Hektar Bewässerungsland und der wasserintensive

Baumwollanbau in den Republiken am Unterlauf der Flüsse verlangte ein ausgeklügeltes

System für Wasserspeicherung und -verteilung mit enormen Investitionen

in Kanäle, Stauseen und Wasserpumpstationen. In den Ebenen wurden zehntausende

Kilometer an Kanälen gebaut. Der längste davon ist der Karakumkanal in Turkmenistan,

dessen Bau 1954 begonnen wurde. Er transportiert Wasser vom Amu Darja von Kerki an

der Grenze zu Usbekistan westwärts nach Mary, zur Hauptstadt Aschgabat und weiter in

die Regionen nahe des Kaspischen Meeres. Andere große Kanalbauten sind der Große

Fergana-Kanal (gebaut 1939), das Amu-Buchara Bewässerungssystem, der Karschi Kanal,

der den Amu Darja und den Talimardschan-Stausee verbindet, und Stauseen wie der

Tujamujun in der Region Choresm, der von Usbekistan und Turkmenistan gemeinsam

genutzt wird. In einigen Gebieten war die Erschließung von neuem Bewässerungsland

nur mit der Installation von Pumpen möglich, vor allem in den usbekischen und tadschikischen

Sowjetrepubliken, wo mehr als 60 % des Bewässerungslandes ihre Wasserzufuhr

zumindest teilweise über Pumpen erhalten.

In den Bergregionen an den Oberläufen der Flüsse wurden zahlreiche Dämme und

Stauseen errichtet, um die Flüsse zugunsten der Bewässerungsbedürfnisse besser regulieren

zu können. Der größte Stausee ist der Toktogul-Stausee in der Kirgisischen SSR mit

einem Fassungsvermögen von 19,5 km³. Er ist Teil der Naryn-Syr Darja-Kaskade – einem

System von Stauseen und Dämmen am Naryn Fluss (Toktogul, Kurpsau, Taschkumyr,

Schamaldysai, Utsch-Kurgan), das eine mehrjährige Abflussregulierung ermöglicht. In

der Tadschikischen SSR wurden neun Stauseen mit einem Gesamtfassungsvermögen von

29 km³ gebaut. Die beiden größten sind der Nurek-Stausee am Vachsch-Fluss (10,5 km³)

und der Kairakkum-Stausee am Syr Darja (4,16 km³). Der Nurek-Staudamm ist mit einer

Höhe von 300 m der höchste Damm der Welt.

Wassermanagement in Zentralasien – das Vermächtnis der Vergangenheit 19


Da die Kirgisische und Tadschikische SSR durch den Bau der Anlagen Verluste

an Ackerland hatten und Kosten für den Betrieb und Unterhalt der Anlagen entstanden,

etablierte die Sowjetregierung Kompensationszahlungen im Rahmen eines gemeinsamen

Wasser- und Energiesystems für Zentralasien: Die Stauseen wurden vor allem für

die Zufuhr von Bewässerungswasser genutzt, nur in Spitzenzeiten wurde das abgelassene

Wasser zur Energiegewinnung mittels der angeschlossenen Wasserkraftwerke verwendet.

Im Gegenzug für den Wasserablass im Frühling und Sommer lieferten die Republiken an

den Unterläufen, deren Bewässerungsfelder davon profitierten, im Winter Energieträger

wie Kohle und Gas, über die sie reichlich verfügten, in die Gebirgsrepubliken. Dieses

Tauschsystem konnte gut funktionieren, da sowohl Wasser als auch Energie zentralisiert

von Moskau aus verwaltet und verteilt wurden. Ein zentrales Ministerium für Melioration

und Wassermanagement (MinVodKhoz) kontrollierte alle Wasserressourcen. Für

Zentralasien wurde zunächst eine regionale Behörde (SredAzVodKhoz) errichtet, die

aber auch dem Moskauer Ministerium unterstellt war. Später wurde sie wieder abgeschafft

und es wurden Wasserministerien auf Republikebene gegründet. Ihre Kompetenzen

beschränkten sich jedoch weitestgehend auf die Implementierung der Entscheidungen

des Unions-MinVodKhoz. Dieses verfolgte im Prinzip einen integrierten Ansatz des

Managements von Wasser und Energieressourcen, orientiert an Wassereinzugsgebieten

und nicht Verwaltungsgrenzen, in dem jede Republik eine bestimmte Funktion hatte.

Die Wasserverteilung orientierte sich an festgelegten Plänen für Republiken, Provinzen

und Kreise. Einige kleine Flüsse in Zentralasien hatten eigene Flussbeckenverwaltungen,

die es aber oft nicht leicht hatten, ihre Vorgaben bei den Provinzverwaltungen durchzusetzen,

die ihre eigene Wasserzufuhr für die notwendige Planerfüllung sichern wollten.

Das Unions-MinVodKhoz hatte viele untergeordnete Behörden und Zweige, die oft überschneidende

Funktionen und Kompetenzen hatten, was zu inkonsistenter und ineffektiver

Umsetzung führte. Darüber hinaus war mit dem Unions-MinVodKhoz ein und dieselbe

Einrichtung für Planung, Zufuhr, Erhalt und Kontrolle von Wasser zuständig, mit

lediglich minimaler externer Kontrolle. Auch auf lokaler Ebene änderte sich das Wassermanagement

durch die Sowjetunion: Mit der Kollektivierung wurden alle kleinen Felder

zu großen Kollektiv- und Staatsfarmen vereint (Kolchosen und Sowchosen), die für die

Bewässerungssysteme auf ihrem Land zuständig waren. 7

Die sowjetische Ideologie der Herrschaft über die Natur war überzeugt, natürliche

Ressourcen wie Wasser unbegrenzt ausbeuten zu können. Neben einer geringen Grundgebühr

musste Wassernutzung mengenmäßig nicht bezahlt werden. Dies, zusammen mit

unklarer und konkurrierender Kompetenzverteilung zwischen verschiedenen Behörden

und mangelnder Kontrolle, führte zu einer Erosion des lokalen Verantwortungsgefühls

und zu Nutzungsgewohnheiten, die die Interessen anderer – sei es der Natur oder anderer

Sektoren – nicht berücksichtigte. Die alten Normen und Regeln, die über Jahrhunderte

relativ hohe Erträge bei relativ niedrigem Wasserverbrauch ermöglicht hatten, erodierten.

Der Wasserkonsum erhöhte sich dramatisch, bis hin zur Wasser verschwendung.

7 Bucknall et a. 2003, ISRI, Socinformburo, FES 2004, Obertreis 2011, Sehring 2002, Thurman 2002.

20 Wassernutzung und Wassermanagement während der Sowjetunion


1960

i

Vom Aralsee zur Aralkum:

Die Aralseekatastrophe

1965

1970

1975

1980

Zu seinen besten Zeiten lieferte die Fischfabrik in der Hafenstadt

Mujnak am usbekischen südlichen Ufer des Aralsees

jährlich 22 Millionen Konservendosen Fisch in die gesamte

Sowjetunion. Heute schaut man vom früheren Landungssteg

im Hafen auf Wüste, verrostete Schiffwracks und Kamele.

Der Aralsee ist zur »Aralkum« geworden, zur Aralwüste.

Einst der viertgrößte Binnensee der Erde, schrumpfte seine

Fläche ab 1960 von 68 000 km² auf 13 500 km², das heißt um

mehr als 80 %. Gleichzeitig verringerte sich das Wasservolumen

um 90 %. Übrig blieben drei Restseen: ein nördlicher

Teil, der vom Syr Darja gespeist wird, ein recht tiefer, sichelförmiger

südwestlicher Teil und ein flacher südöstlicher Teil,

der manchmal völlig austrocknet. Die südlichen Teile wurden

vom Amu Darja gespeist, aber in den letzten Jahren hat

kaum noch Wasser den See erreicht. Der Salzgehalt beträgt

mittlerweile über 75 g/l im südwestlichen Teil und 150 g/l im

südöstlichen Teil, was mehr als fünfmal so viel ist wie im

Toten Meer. Hier überleben nur noch Salinenkrebse. 8

Die Folgen der Austrocknung sind katastrophal:

Pflanzen, Tiere und Fische sind verschwunden. Das einzigartige

Ökosystem eines riesigen Sees mitten in der Wüste

wurde zerstört. Die Bevölkerung leidet unter Erkrankungen

der Atemwege, Typhus, Hepatitis und Anämie. Die Kindersterblichkeitsrate

ist eine der höchsten der Welt. Die Fischindustrie,

die einst 50 000 Tonnen pro Jahr produziert hat, ist

zusammengebrochen; 60 000 Menschen haben ihre Arbeit

verloren. Staubstürme treten immer häufiger auf und verwehen

Salz und kontaminierte Partikel vom Seeboden über

hunderte von Kilometern. Mit dem Aralsee verschwand

auch ein wichtiges Element zur Linderung des kontinentalen

Klimas in Zentral asien – dadurch wurden die Winter

kälter und die Sommer heißer.

Wie konnte es zu dieser Katastrophe kommen? Der

Hauptgrund war die großflächige Ausweitung der Bewässerungslandwirtschaft,

die aus zwei Gründen erfolgte: zum

einen um die Sowjetunion auf dem Weltmarkt für Baumwolle

zu etablieren, und zum anderen um die Region mit

8 Cawater-info.net; Aladin 2005.

Wassermanagement in Zentralasien – das Vermächtnis der Vergangenheit 21


1985

1990

1995

2000

2009

ihrer schnell anwachsenden Bevölkerung zu entwickeln.

Zwischen dem ersten russischen Zensus 1897 und dem letzten

sowjetischen Zensus 1989 hat sich die Bevölkerung beinahe

verfünffacht – von 10,5 Millionen auf 49,5 Millionen.

Die Gründe waren sowohl hohe Geburtenraten als auch

Migration und Deportationen aus anderen Teilen der Sowjetunion.

So sah sich die sowjetische Regierung mit der Aufgabe

konfrontiert, die wachsende Bevölkerung mit Nahrung

und Arbeit zu versorgen und diesem ärmsten Teil der Sowjetunion

eine Entwicklungsperspektive zu bieten. Von 1950

bis 1989 verdoppelte sich die Bewässerungsfläche fast von

4,2 Millionen ha auf 7,4 Millionen ha, einhergehend mit dem

massiven Ausbau der Bewässerungs- und Drainagekanäle,

Stauseen und anderer Infrastruktur. Umweltaspekte wurden

nicht beachtet. Das Wasser von Amu Darja und Syr Darja

wurde fast vollständig für die Landwirtschaft verbraucht, so

dass nur einige wenige km³ im Jahr den Aralsee erreichten.

Um zumindest den nördlichen Teil des Aralsees zu

erhalten hat Kasachstan, mit einem Kredit und Beratung

der Weltbank, den 13 km langen Kok-Aral-Damm gebaut.

Er wurde 2005 fertiggestellt und verhindert, dass das Wasser

des Syr Darja in den südlichen Aralsee fließt, wo es verdunstet.

Kasachstan modernisierte auch alte Infrastruktur

und Bewässerungssysteme am Syr Darja und baute einige

neue Anlagen, um Wasserverluste zu verringern und so die

Abflussmenge im Syr Darja zu steigern. Die positiven Effekte

zeigten sich schnell: Die Fläche des Nördlichen Aralsees vergrößerte

sich um 18 % und der Wasserspiegel stieg um 2 m an.

Und vor allem: Der Salzgehalt des Wassers sank von mehr

als 26 g/l, bei dem die ursprünglich zwei Dutzend heimischen

Fischarten nicht mehr lebensfähig waren, auf weniger

als 10 g/l, wie vor 1960. Der Fisch kehrte zurück. 2011 wurde

geschätzt, dass die gesamte Biomasse – das Gewicht aller

Fische im Nördlichen Aralsee – von 3 500 Tonnen auf 18 000

Tonnen angestiegen war. Und dies ist nicht mehr wie vorher

größtenteils die vom Schwarzen Meer eingeführte Flunder,

sondern heimische Arten wie Karpfen, Zander oder Hecht.

Der kommerzielle Fischfang beträgt nun wieder 4500 Tonnen

im Jahr. In Aralsk hat eine Fischkonservenfabrik ihren

Betrieb aufgenommen, von wo aus sie auch Fisch nach Russland

und in andere Nachbarstaaten exportiert.

Für die südlichen Teile des Aralsees traf die usbekische

Regierung Maßnahmen, um die Feuchtgebiete der

22 Wassernutzung und Wassermanagement während der Sowjetunion


Deltaregion des Amu Darja zu erhalten. Trotzdem hält die Austrocknung an. Heute gibt es

keine Hoffnung mehr, dass der Aralsee als Ganzes gerettet werden könnte. Der dafür notwendige

Wasserzufluss würde die Bevölkerung entlang der beiden Flüsse der sozialen und

ökonomischen Lebensgrundlagen berauben. Als der Generalsekretär der Vereinten Nationen,

Ban Ki-moon, die frühere Hafenstadt Mojnak im April 2010 besuchte, nannte er die

Austrocknung des Aralsees »eine der schlimmsten Umweltkatastrophen der Welt« und »ein

anschaulicher Beleg dafür (…) was passiert, wenn wir unsere gemeinsamen natürlichen

Ressourcen verschwenden, wenn wir unsere Umwelt missachten, wenn wir unsere Umwelt

herunterwirtschaften.« 9

In den 1970ern wurden die ökologischen Folgen unübersehbar: die Austrocknung des Aralsees,

die Versalzung von Feldern, fortschreitende Desertifikation (Wüstenbildung), Wasserverschmutzung

durch Düngemittel und Pestizide sowie Wasserverknappung an den

Unterläufen. Einige Wissenschaftler in den zentralasiatischen Sowjetrepubliken begannen,

die verschwenderische Wassernutzung vorsichtig zu kritisieren. Die erste Reaktion seitens

der Regierung war ein perfektes Beispiel für den sowjetischen Glauben an die Überlegenheit

der Technik über die Natur: anstatt Maßnahmen zur Steigerung der Wassereffizienz

schlugen die sowjetischen Beamten vor, Wasser der sibirischen Flüsse Ob und Irtysch vom

Norden in den Süden nach Zentralasien umzuleiten, wo es sowohl den Aralsee wieder füllen

als auch zur weiteren Bewässerung verwendet werden sollte. Detaillierte Pläne wurden

entwickelt und Berechnungen angestellt, die von den meisten zentral asiatischen Wasserexperten

begrüßt wurden, obwohl es auch Kritik gab. 1986 wurde das Vorhaben allerdings

ad acta gelegt – weniger wegen der wachsenden Kritik aus ökologischer Sicht, sondern

wegen der hohen Kosten. 1988, nach der berühmten »Aral-88«-Expedition 10 , änderte die

Sowjetregierung allerdings ihren Ansatz: Ein Dekret zur Verbesserung der ökologischen

Situation im Aralseebecken wurde erlassen. Ursprünglich sah es eine 30-prozentige Verringerung

der Erschließung von Neuland und der Wasserzufuhr zu Bewässerungsfeldern

vor. Aufgrund des erheblichen Widerstandes in Zentralasien wurde letztendlich festgelegt,

dass der Wasserverbrauch pro ha im Aralseebecken um mindestens 15 % bis 1990 und um

25 % bis 2000 reduziert werden soll. Durch den Zusammenbruch der Sowjetunion wurden

die Anweisungen jedoch obsolet. Die Idee der Umleitung der sibirischen Flüsse wird allerdings

immer wieder aufgebracht. 11

Einhergehend mit der verstärkten Aufmerksamkeit für die Aralseekrise, dem

wachsenden Umweltbewusstsein und glasnost, der Politik größerer Transparenz, wurden

in den 1980ern einige institutionelle Veränderungen im Wassermanagement vorgenommen.

Um die Wasserverteilung zwischen den zentralasiatischen Republiken besser

zu regulieren wurde ein Quotensystem für die beiden großen Flüsse Amu Darja und Syr

9 Giese 1998, Micklin 2006, Sehring 2007.

10 Diese zweimonatige Expedition durch das gesamte Aralseebecken wurde von zwei Zeitschriften organisiert

und von dem Journalisten Grigor I. Resnitschenko geleitet. Fast 30 Journalisten, Schriftsteller und Akademiker

aus Moskau und Zentralasien sowie ein Vertreter der Staatsanwaltschaft und einer des Unions-MinVodKhoz

beteiligten sich daran. Die Expedition trug dazu bei, das Bewusstsein über die Aralseekrise in der gesamten Sowjetunion

zu steigern. Siehe Obertreis 2011.

11 Obertreis 2011, Sehring 2002.

Wassermanagement in Zentralasien – das Vermächtnis der Vergangenheit 23


Darja eingeführt (siehe Tabelle). Damit wurde eine Obergrenze für die Wasserentnahme

jeder Republik festgelegt.

Usbekistan

Turkmenistan Kasachstan Kirgistan Tadschikistan

Amu Darja

Syr Darja

48,2% 35,8% – 0,6% 15,6%

50,5% – 42,0% 0,5% 7,0%

Wasserentnahmequoten im Aralseebecken. NB: Afghanistan wurde hierbei nicht berücksichtigt.

Zusätzlich wurden zwei Flussbeckenbehörden (BVOs, basseynovaya vodokhozyaystvennaya

organisatsiya) für jeweils den Amu Darja und den Syr Darja gegründet, die dem Unions-

MinVodKhoz unterstellt waren. Sie waren für die gesamten Flüsse zuständig, ungeachtet der

Verwaltungsgrenzen zwischen den Republiken und Provinzen. Allerdings weigerte sich

Turkmenistan, den Karakumkanal der Behörde zu unterstellen. 1990 wurde das Unions-

MinVodKhoz aufgelöst und durch ein Staatsunternehmen für Wasser und Bau (VodStroi)

ersetzt. Die zentralasiatischen Wasserministerien auf Republikebene blieben aber bestehen.

Zusammenfassend kann man festhalten, dass zu Sowjetzeiten die Wasserressourcen

hierarchisch und zentralisiert verwaltet wurden, basierend auf einem unionsweiten

Ansatz. Es war ein rein staatliches System, ohne ökonomische Anreizmechanismen oder

Nutzerbeteiligung. Wie sich zeigte, war es sehr ineffizient und führte zu verschwenderischem

Verbrauchsverhalten, was wiederum zu Wassermangel in einigen Regionen

führte, vor allem an den Unterläufen der Flüsse. 12

Das ökologische Erbe: Strukturen und Auswirkungen

unnachhaltigen Wassermanagements

Die Übernutzung des Wassers unter Ignorierung der ökologischen Grenzen und das mangelhafte

Management während der Sowjetzeit haben erhebliche ökologische Auswirkungen

mit sich gebracht, die die unabhängigen Staaten nun bewältigen müssen: 80 % des

Aralsees haben sich in eine Wüste verwandelt. Ein Großteil der Bewässerungsflächen ist

von Versalzung, Staunässe und Wassererosion betroffen – in der Gegend nahe des Aralsees

bis zu 80 %. Die sinkende Bodenqualität reduziert die Erträge und verlangt zusätzliche

Wassermengen um das Salz auszuspülen. Die Regionen an den Mittel- und Unterläufen

der Flüsse leiden unter Wassermangel. Das Grundwasser ist durch den Zufluss von

Drainagewasser mit Düngemittelrückständen, Nitraten und Phenol verschmutzt. In den

Provinzen Kysylorda in Kasachstan, Daschogus in Turkmenistan sowie Choresm und

Karakalpakstan in Usbekistan – alle an den Unterläufen von Amu Darja und Syr Darja

gelegen – ist das Wasser aufgrund seiner Verschmutzung eigentlich weder als Trinkwasser

12 O’Hara 2000, Sehring 2002.

24 Das ökologische Erbe: Ökologische Auswirkungen des unnachhaltigen Wassermanagements


noch zur Bewässerung verwendbar. Am Syr Darja kommt noch das Risiko radioaktiver

Kontaminierung hinzu – an seinen Zuflüssen liegen mehrere Uran-Deponien, die durch

Hangrutschungen in den Wasserkreislauf gelangen könnten. 13

Durch die jahrzehntelange Übernutzung der Wasserressourcen in der Landwirtschaft

haben sich Infrastrukturen, wirtschaftliche Abhängigkeiten, soziale Strukturen und

Nutzungsgewohnheiten etabliert, die sich nicht einfach und schnell ändern lassen. Diese

Muster existieren weiter und wirken sich weiterhin aus. Wie bereits erwähnt, musste zu

Sowjetzeiten Wasserverbrauch nicht mengenmäßig bezahlt werden, so dass keine ökonomischen

Anreize zu niedrigem Verbrauch gesetzt wurden. Darüber hinaus war in der

sowjetischen Ideologie die Natur lediglich ein Mittel zur menschlichen Entwicklung und

konnte dementsprechend völlig ausgebeutet werden. Dazu kamen vernachlässigte Infrastruktur

und ineffiziente Bewässerungstechniken, die durch enorme Verluste den Wasserverbrauch

erhöhten. So wird Wasser nicht durch geschlossene Rohre geleitet, sondern in

offenen Kanälen mit hohen Verdunstungsraten, die oftmals auch nicht betoniert sind, so

dass zusätzlich Wasser versickert. Laut Schätzungen gehen dadurch im Karakumkanal ein

bis zwei Drittel des durchfließenden Wassers verloren. 14

6000

5000

in m 3 pro Jahr

5324

Wasserverbrauch pro Kopf

4000

3000

2000

1000

0

Turkmenistan

2351 2297

Kasachstan

Usbekistan

1983 1901

Kirgistan

Tadschikistan

Ägypten

977

Türkei

548

Russland

China

528 485

Nepal

399

Israel

291

Marokko

173

Mongolei

172

All diese Faktoren führen dazu, dass Zentralasien weltweit die niedrigste Wassernutzungseffizienz

hat. 15 Experten schätzen, dass zwischen 50 und 80 % des Bewässerungswassers

verloren geht, bevor es überhaupt die Felder erreicht – wo dann veraltete Bewässerungstechniken

nochmals zu einer hohen Wasserverdunstung führen. 16 Des wegen verbraucht

man in Zentralasien für die Bewässerung eine Hektars Land bis zu 12 900 m³ – bei Baumwollanbau

sogar 14 000 bis 16 000 m³. Die Tabelle zeigt, dass der Pro-Kopf-Wasserverbrauch

in Zentralasien selbst im Vergleich mit Ländern wie Ägypten oder der Türkei (die

auch nicht die neuesten und effizientesten Technologien besitzen) wesentlich höher ist. 17

13 MKUR 2006, Bucknall et al. 2003.

14 Giese et al. 2004.

15 UNDP 2006.

16 EuropeAid 2010, World Bank 2004.

17 Bucknall et al. 2004, EuropeAid 2010, UNDP 2006, UNECE 2004.

Wassermanagement in Zentralasien – das Vermächtnis der Vergangenheit 25


1000m 3 / Kopf

pro Jahr

Veränderung der Wasserverfügbarkeit in Zentralasien

10

9

8

7

6

5

4

3

2

1

8.4 Zentralasien

Europa

5.9

4.20

2.55

Kategorien der verfügbaren Wassermenge

in 1000 m 3 pro Kopf pro Jahr

=1.7 ausreichend

=1.0–1,7 Wasserstress

=1,0 Knappheit

1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050

Die Hauptursachen für die Wasserknappheit in Zentralasien sind also nicht natürlich

sondern menschlich bedingt und hängen mit der verschwenderischen Übernutzung der

Ressource zusammen. Diese Tatsache kann als Chance begriffen werden: Wenn Wasserknappheit

ein Ergebnis menschlicher Handlungen ist, kann die Situation auch durch den

Menschen verbessert werden, wenn das Verhalten zu nachhaltiger Wassernutzung und

Wassermanagement geändert wird.

i

Wasserknappheit – was bedeutet das?

Seit vielen Jahren warnen uns Experten, Journalisten und Politiker vor Wasserknappheit. Was

heißt das aber eigentlich genau?

Zunächst ist festzuhalten, dass Knappheit ein relatives Phänomen ist: Es ist das Verhältnis

zwischen dem verfügbaren Wasser und dem existierenden Bedarf. Je geringer der Bedarf

ist, mit desto weniger Wasser kann man auskommen ohne Knappheit zu spüren. Hat man

einen extrem hohen Bedarf, wird man selbst relativ viel Wasser als ungenügend wahrnehmen.

Generell gibt es genug Wasser für alle auf der Erde, es ist nur regional und jahreszeitlich

äußerst ungleich verteilt, so dass Menschen in vielen Gegenden und zu bestimmten Zeiten

mit Wassermangel konfrontiert sind. Und mit stetigem Bevölkerungswachstum und durch

den Klimawandel wird die Anzahl dieser Menschen zunehmen.

Wissenschaftler haben verschiedene Methoden entwickelt, um Wasserknappheit zu

messen. Die bekannteste ist wahrscheinlich der sogenannte Falkenmark Wasserstress-Indikator.

Er basiert auf der Berechnung der Menge Wasser, die wir zum Leben benötigen, und der

tatsächlich verfügbaren Menge erneuerbarer Wasserressourcen pro Kopf. Steht in einem Land

weniger als 1 700 m³ Wasser pro Person pro Jahr zur Verfügung, so kommt es zu Wasserstress.

Bei weniger als 1 000 m³ pro Kopf wird chronische Wasserknappheit diagnostiziert, und

bei weniger als 500 m³ absolute Wasserknappheit. Die Karte zeigt, dass Zentralasien weder

unter Wasserknappheit noch unter Wasserstress leidet, wenn man schlicht die verfügbare

26 Das ökologische Erbe: Ökologische Auswirkungen des unnachhaltigen Wassermanagements


Wassermenge pro Kopf betrachtet. Afghanistan, Tadschikistan und Usbekistan werden allerdings

als gefährdet klassifiziert, da weniger als 2 500 m³ Wasser pro Person pro Jahr verfügbar

sind.

Auch wenn dieser Indikator viel genutzt wird und einen allgemeinen Eindruck der

Wasserverfügbarkeit gibt, so hat er doch einige Schwächen. Die Wasserverfügbarkeit pro

Kopf ist ein Durchschnittswert, der ungleiche Wasserverteilung innerhalb eines Landes oder

während des Jahres nicht einbezieht. Auch die Wasserqualität wird nicht berücksichtigt,

obwohl Verschmutzung die Menge des tatsächlich verfügbaren sauberen, nutzbaren Wassers

erheblich reduzieren kann. Ebenso erfahren wir nichts über die Regelungsmechanismen des

Landes, die den de-facto-Zugang zu Wasser bestimmen.

Verfügbarkeit von Frischwasser

in m 3

pro Person

und pro Jahr, 2007

684000

70000

15000

6000

2500

1700

1000

0

Ein Indikator, der mehr Faktoren einbezieht, ist der Rural Water Livelihoods Index (RWLI,

etwa: Ländlicher Wasser- und Lebensgrundlagen-Indikator), der von der Ernährungs- und

Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) entwickelt wurde. Sein Ziel ist

es, die Sicherung ländlicher Lebensgrundlagen in ihrer Verbindung mit Wasser zu bewerten.

Der Indikator besteht aus vier Komponenten: (1) die Dienstleistungskomponente (Zugang

zu Wasser und Sanitäranlagen), (2) die Sicherheitskomponente (Wasser für Nutzpflanzen

und Viehhaltung), (3) die Umweltkomponente (sauberes und gesundes Wasser) und (4) die

Berechtigungskomponente (gesichertes und gerechtes Wasser). Die Tabelle zeigt den Rang

der zentralasiatischen Staaten unter den 158 analysierten Ländern. Die beiden Oberliegerstaaten

Afghanistan und Tadschikistan bekamen die schlechtesten Bewertungen unter den

zentralasiatischen Staaten. Betrachtet man die einzelnen Komponenten, so ist in allen zentralasiatischen

Ländern, mit Ausnahme Turkmenistans, die Berechtigungskomponente die

schwächste. Für Tadschikistan wurde sie mit lediglich 12,83 Punkten (von 100 möglichen)

bewertet, eines der niedrigsten Ergebnisse weltweit. Im Gegensatz dazu ist die Sicherheitskomponente

in allen Staaten außer Kasachstan die stärkste, mit durchweg guten Bewertungen,

Wassermanagement in Zentralasien – das Vermächtnis der Vergangenheit 27


Land

Kasachstan

Kirgistan

Tadschikistan

Turkmenistan

Usbekistan

Afghanistan

Indikator für Rural Water Liveli hoods

Wasserknappheit Index (RWLI),

(m³ pro Kopf, Rang von 1 (beste Situation)

2007) bis 158 (schlechteste Situation)

7 405

3 821

2 392

4 979

1 842

2 015

129

108

155

150

140

157

in Usbekistan sogar mit 86 (von

100) Punkten. 18

Dies zeigt, dass Wasserknappheit

kein rein physisches

Phänomen ist, sondern auch eine

Konsequenz von Verhaltensmustern

in Konsum und Nutzung von

Wasser und damit von menschlichem

Einfluss. Das wurde auch im

UN-Bericht über die Entwicklung

von 2006, der Wasser gewidmet

war, deutlich formuliert:

»Die Knappheit, die den

Kern der globalen Wasserkri se

ausmacht, hat ihre Grundursachen jedoch in den Machtverhältnissen, in Armut und

Ungleichheit, nicht in der tatsächlichen Verfügbarkeit von Wasser. (…) In vielen Ländern ist

Wasserknappheit Ergebnis politischer Maßnahmen, die durch Subventionierung und Schleuderpreise

einen übermäßigen Wasserverbrauch gefördert haben. Es ist mehr als genug Wasser

auf der Welt vorhanden, um den Bedarf von Haushalten, Landwirtschaft und Industrie

decken zu können. Das Problem ist, dass manche Menschen – speziell die Armen – durch ihre

Armut, ihre eingeschränkten gesetzlichen Rechte oder eine öffentliche Politik, die den Zugang

zur Infrastruktur von Wasser zum Leben und von Wasser als Lebensgrundlage beschränkt,

systematisch vom Zugriff auf Wasser ausgeschlossen werden. Kurzum, Wasserknappheit wird

durch politische Prozesse und Institutionen verursacht (…).«

Das politische Erbe: konkurrierende Nutzungsinteressen im

Bewässerungs- und Energiesektor

In der Sowjetunion wurden Wasser- und Energieressourcen mit einem integrierten topdown

Ansatz verwaltet. Die Nutzung orientierte sich an unionsweiten Zielen, zu denen

jede Republik beizutragen hatte. Der zentralasiatische Beitrag war in der Baumwollproduktion

festgelegt worden, und so war das gesamte zentralasiatische Wassermanagementsystem

auf diesen Zweck ausgerichtet. In dieser Hinsicht wurden zwei wichtige

inter-republikanische Mechanismen eingeführt: zum einen das Wasser-Energie-Tauschsystem

zwischen den Republiken, und zum anderen die Wasserentnahmequoten für jede

Republik. Beide haben einen immensen Effekt auf die heutigen Nutzungsmuster und

politischen Strategien.

Das Quotensystem (siehe Seite 24) ist auf die Bedürfnisse der Bewässerungslandwirtschaft

in den Staaten an den Unterläufen ausgerichtet. Schaut man sich die

18 Sullivan et al. 2009.

28 Das politische Erbe: konkurrierende Nutzungsinteressen im Bewässerungs- und Energiesektor


Zuteilungsmengen an und vergleicht diese mit den Daten zur Wasserbildung, zeigt sich,

dass diejenigen Republiken, in denen das meiste Wasser entspringt – die Kirgisischen

und Tadschikischen Sowjetrepubliken – nur Recht zur Nutzung einer kleinen Menge

haben. Im Gegensatz dazu haben die Kasachische, Usbekische und Turkmenische SSR

die größten Wassermengen zugesprochen bekommen – hier lebt auch der größte Teil

der Bevölkerung Zentralasiens und wurde der Großteil der sowjetischen Baumwolle

produziert. Die Quoten orientierten sich also nach historischen und geographischen

Bedingungen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten. Nach der Unabhängigkeit fanden

allerdings die Oberliegerstaaten, die nun ihre Ressourcen für ihre eigene nationale Entwicklung

nutzen wollten, dass ihre Interessen hierbei nicht ausreichend berücksichtigt

wurden. Nichtsdestotrotz ist das System, auch für kleinere Flüsse, immer noch in Kraft.

Eine Neubewertung und potentielle Neuaushandlung der Quoten wäre eine hochpolitische

Angelegenheit, da sie die sozio-ökonomische Stabilität ins Wanken bringen könnte.

i

Wasserressourcen und Wassernutzung in Zentralasien

Aralseebecken

km 3

pro Jahr

60

50

Entnommene Wassermenge

Verfügbare Wassermenge

40

30

20

Turkmenistan

Kasachstan

Usbekistan

Tadschikistan

Kirgistan

10

0

Die räumliche Verteilung der Wasserressourcen im Aralseebecken ist höchst ungleichmäßig.

Während die Ebenen durch Wüsten und Halbwüsten geprägt sind, nimmt der Niederschlag in

den Bergen zu und die Hochgebirge mit ihre Gletschern und Permafrostböden dienen als die

»Wassertürme« der Region. Im Durchschnitt bilden sich 43 % des jährlichen Wasserabflusses

im Becken in Tadschikistan, 24 % in Kirgistan und ungefähr 19 % in Afghanistan. Die Wassernutzung

verläuft gegenteilig: Die Oberlieger Kirgistan und Tadschikistan nutzen gerade

einmal 17 % des Wassers, während die drei Unterliegerstaaten Kasachstan, Usbekistan und

Turkmenistan 83 % nutzen. 19

19 Die Wassernutzung Afghanistans wurde in diese Berechnung nicht mit einbezogen. Giese et al. 2004.

Wassermanagement in Zentralasien – das Vermächtnis der Vergangenheit 29


Der andere wichtige Regulierungsmechanismus zwischen den Sowjetrepubliken war die

Etablierung eines integrierten Wasser-Energie-Systems. Wie oben bereits ausgeführt,

wurden die Stauseen in der Kirgisischen und Tadschikischen SSR vor allem zur Wasserspeicherung

für die Bewässerung genutzt. Die angeschlossenen Wasserkraftwerke produzierten

nur in Spitzenbedarfszeiten Strom, ansonsten wurden die Energiebedürfnisse

der beiden Republiken mit Importen durch das regionale Energiesystem gedeckt. Dies

änderte sich nach der Unabhängigkeit: Das gemeinsame Energiesystem zerbrach, und die

Unterliegerstaaten verlangten Marktpreise für ihre Energielieferungen. Daraufhin haben

die Oberliegerstaaten angefangen, die Dämme vermehrt zur Wasserkraftgewinnung zu

nutzen um ihren Energiebedarf zu decken.

Wasserkraftproduktion an sich verbraucht kein Wasser, in diesem Fall muss die

Regulierung nicht die Wasserentnahme regeln, sondern den Zeitpunkt und die Menge

des Wasserablasses aus den Stauseen. Dies ist allerdings nicht weniger strittig als die

Bestimmung der Quoten. Denn der Wasserablass für Bewässerung muss in der Vegetationsperiode

im Frühling und Sommer erfolgen, während die Energieproduktion vor

allem im Winter auf Hochtouren läuft. Die Unterlieger Kasachstan, Turkmenistan und

Usbekistan brauchen also den Wasserablass im Frühjahr und Sommer, Kirgistan und

Tadschikistan eher im Winter. Da es keine funktionierenden Regulierungsmechanismen

gibt, haben diese konkurrierenden Nutzungsinteressen in den letzten Jahren sowohl zu

Knappheit an Bewässerungswasser als auch zu Energieknappheit geführt.

Das sowjetische Erbe erforderte somit in zwei Feldern dringenden Handlungsbedarf

seitens der jungen Staaten: der mengenmäßig Wasserverteilung und der zeitlichen

Regelung des Wasserabflusses.

i Nahrungsmittelsicherheit oder Energiesicherheit –

unvereinbare Prioritäten?

Die Stauseen an den großen Flüssen Zentralasiens sollen das Wasser so regulieren, dass es genau

dann verfügbar ist, wenn es gebraucht wird. Während der Sowjetzeit wurden sie meist für die

passgenaue Zufuhr von Bewässerungswasser genutzt. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion

und ihres integrierten Wasser-Energie-Systems änderten die Oberlieger schrittweise

die Arbeitsweise der Staudämme, um im Winter Energie zu produzieren. Als Folge wird weniger

Wasser im Frühjahr und Sommer abgelassen, wenn es für die Bewässerung benötigt wird.

Dadurch entstand die Auffassung, dass die Anforderungen der beiden Sektoren – Landwirtschaft

und Energie – bezüglich des Wassermanagements nicht kompatibel sind und dass

Energiesicherheit in den Ländern flussaufwärts nur auf Kosten der Nahrungsmittelsicherheit

der Unterlieger erreicht werden kann.

Aber ist dieser Widerspruch wirklich unüberbrückbar? Zunächst ist festzuhalten, dass

Wasserkraftproduktion eine nicht-verbrauchende Art der Wassernutzung, d.h. das Wasser

steht danach noch weiteren Nutzungen zur Verfügung. Staudammkaskaden ermöglichen

die mehrmalige Nutzung von Wasser: einmal zur Energiegewinnung abgelassen, kann das

30 Das politische Erbe: konkurrierende Nutzungsinteressen im Bewässerungs- und Energiesektor


Wasser im flussabwärts gelegenen Stausee aufgefangen werden bis es für die Bewässerung

benötigt wird. Eine andere Möglichkeit ist, den Wasserablass im Sommer profitabel genug zu

machen, so dass mit den Einnahmen Kohle- und Gasimporte im Winter finanziert werden

können und weniger Energie aus Wasserkraft produziert werden muss. Der im Sommer produzierte

Strom kann von den Unterliegern aufgekauft werden (wie im Syr Darja-Abkommen

vereinbart, siehe Seite 54) oder in Regionen mit hohem Strombedarf im Sommer exportiert

werden. Dies sind z.B. die heißen Gebiete in Afghanistan, Pakistan und Indien, deren Klimaanlagen

viel Strom brauchen. Diese Option wird mit dem »Central Asia South Asia Regional

Energy and Trade«-Projekt (CASA-1000) verfolgt: 2006 unterzeichneten Kirgistan, Tadschikistan,

Afghanistan und Pakistan eine entsprechende Absichtserklärung, die auch von einigen

internationalen Gebern und privaten Investoren unterstützt wurde. Sie plant den Bau von

Hochspannungsleitungen, die die Stromproduzenten in Kirgistan und Tadschikistan mit den

Märkten in Afghanistan und Pakistan verbinden sollen.

Wasserkraftwerke im oberen Amu Darja-Becken

Vachsch

Kirgistan

China

Sarafschan

Tadschikistan

Usbekistan

Pandsch

Afghanistan

bestehend

geplant

Die Bedürfnisse von Energie und Bewässerung können also beide bedient werden. Stauseen

und Wasserkraftwerke können in einer Weise genutzt werden, die allen Seiten Vorteile bringt.

Allerdings braucht es dafür erhebliche Investitionen in die Infrastruktur, den politischen

Willen zu kooperieren und langfristige verbindliche Abkommen, um die Energie- und Nahrungsmittelsicherheit

an Stelle der kostenintensiveren Strategien zur Selbstversorgung durch

gegenseitigen Handel abzusichern.

Wassermanagement in Zentralasien – das Vermächtnis der Vergangenheit 31



Grenzüberschreitende Wasserressourcen

in den sechs Staaten

des Aralseebeckens

Während die ganze Region Zentralasien von Übernutzung und Verschmutzung der Wasserressourcen

betroffen ist, sind die Konsequenzen in jedem Land spezifisch. Jedes Land verfügt

über eine andere Ressourcenausstattung – nicht nur bezüglich Wasser, sondern auch

was andere natürliche Ressourcen betrifft. Folglich ist die wirtschaftliche Rolle und Bedeutung

von Wasser unterschiedlich – je nachdem, ob sich das Land am Ober- oder Unterlauf

befindet, wofür Wasser vorrangig genutzt wird, oder wie stark Verschmutzungsprobleme

sind. Diese individuellen Bedingungen und Interessen müssen im regionalen Wassermanagement

berücksichtigt werden, vor allem da sie seit dem Ende der Sowjet union ausschlaggebend

für die nationalen politischen Prioritäten und Strategien sind. Diese jeweiligen

nationalen Gegebenheiten und Interessen werden im nächsten Kapitel dargestellt.

i

Wasserverfügbarkeit und Wassernutzung

in den Ländern des Aralseebeckens

Kasach ­

s tan

Kirgis tan

Afghanistan

Tadschikistan

Turkmenistan

Usbe ki ­

stan

Interne Süßwasserreserven

pro Kopf

(m³/Person) (2007)

Gesamte Süßwasserreserven

pro Kopf

(m³/Person) (2007)

Wassernutzung

in der Landwirtschaft

(% der gesamten Wassernutzung)

(2007)

1 705 5 095 8 624 9 992 273 597

2 015 7 405 3 821 2 392 4 979 1 842

98% 82% 94% 92% 98% 93%

Bewässerungsfläche 3,2 Mio. ha 2,3 Mio. ha 1 Mio. ha 719 200 ha 1,1 Mio. ha 4,4 Mio. ha

Bewässertes Land

(% des gesamten Ackerlands)

5,8% 15,7% 75% 84% 100% 89%

Anteil der von Versalzung

betroffenen

Bewässerungsflächen

an der ges. Bewässerungsfläche

keine

Daten

>33% 11.5% 16% 95 5% 50 0%

Anteil der Landwirtschaft

am BIP (2009)

29 % (2008) 6% 39 % (2008) 22 % 20% 12%

Stromerzeugung

durch Wasserkraft

(kWh) ( 2008)

Stromerzeugung

durch Wasserkraft

(% der Gesamtmenge) (2008)

keine

Daten

keine

Daten

7,5 Mrd. 10,7 Mrd. 15,8 Mrd. 3 Mio. 11,4 Mrd.

9% 90% 98% 0% 23%

Grenzüberschreitende Wasserressourcen in den sechs Staaten des Aralseebeckens 33


Afghanistan

Afghanistan untergliedert sich in fünf Flussbecken.

Drei davon decken den nördlichen

Landesteil ab und gelten als Teil des Amu

Darja-Beckens: Das Pandsch-Amu-Becken

im Nordosten, das Haridud-Murghab-

Becken mit den Flüssen Murghab und Tedschen,

die nach Turkmenistan fließen, und

das sogenannte Nördliche Becken, auch

wenn seine Flüsse noch auf afghanischem

Gebiet auslaufen. Diese drei Becken machen

B A S I s I N F O R M AT I O N

Gesamtfläche

Bewässerte Fläche

Bevölkungszahl

Bevölkerungswachstum

Durchschnittsalter

Bruttoinlandsprodukt

pro Kopf (2009)

652 090 km 2

31 990 km 2

32,6 Mio.

3,2%

16,6 Jahre

$ 457

37 % der Landesfläche aus und fast 50 % der gesamten oberflächlichen Wassermenge. Der

Pandsch, der Hauptquellfluss des Amu Darja, bildet sich aus den Flüssen Vachan und

Pamir und ist der Grenzfluss zu Tadschikistan. Gemessen von der Quelle seines Quellflusses

Pamir hat der Pandsch eine Länge von 1137 km. Wichtige Zuflüsse in Afghanistan

sind der Kundus, der Kokscha, und die kleineren Flüsse in Badachschan.

Die Datenlage zu Wasserbildung und Wassernutzung im afghanischen Teil des

Amu Darja-Beckens ist äußerst begrenzt, da die meisten Messstationen in den späten

1970ern wegen des Bürgerkriegs zusammengebrochen sind. Auf Grundlage von älteren

Daten und neueren Studien schätzen Experten, dass sich zwischen 14 und 27 % des Wasserabflusses

des Amu Darja in Afghanistan bilden und dass gegenwärtig etwa 2 km³ (3 %)

des jährlichen Abflusses in Afghanistan genutzt werden. Aufgrund der gebirgigen Topographie

und der klimatischen Bedingungen ist kultivierbares Land knapp und 94 % des

Ackerlandes bewässert. So ist die Landwirtschaft mit 95 % der Hauptwasserverbraucher.

Die Bewässerungsfläche in den nördlichen Provinzen des Amu Darja-Beckens umfasst

ca. 1,16 Millionen ha (ca. 42 % der gesamten bewässerten Fläche im Land). Dabei handelt

es sich vor allem um Subsistenzlandwirtschaft, die die Lebensgrundlage für die ländliche

Bevölkerung ist. Daneben gibt es Mohnanbau.

Der Anteil des landwirtschaftlichen Sektors am BIP beträgt 33 % (2008), und er

beschäftigt ca. 60 % der Arbeitskräfte (2008). Deswegen sehen die Afghanische Nationale

Entwicklungsstrategie und internationale Geberorganisationen in der Landwirtschaft

einen wichtigen Faktor für den Wiederaufbau und die Entwicklung Afghanistans.

Die Maßnahmen für Wiederaufbau, Armutsbekämpfung und ländliche Entwicklung

beinhalten die Rehabilitierung von Bewässerungsanlagen, Rekultivierung von früheren

Bewässerungsflächen, und den Bau kleiner Wasserkraftwerke. Diese Maßnahmen werden

den Wasserverbrauch in Afghanistan steigen lassen, wenn auch nicht dramatisch. In

einer Studie für die Weltbank schätzen Ahmad und Wasiq, dass die technisch mögliche

Ausweitung und der Wiederaufbau von Bewässerungsanlagen zu einer Zunahme des

Wasserbrauchs um 0,8 bis 1 km³ pro Jahr führen könnte. Ein kurzfristiger Anstieg über

das Niveau der 1980er Jahre hinaus scheint allerdings unwahrscheinlich. Aber unter den

Bedingungen steigender Wasserknappheit in den Regionen am Unterlauf des Amu Darja

führt selbst ein geringer Anstieg zu Bedenken bei den Unterliegern.

34 Afghanistan


Obwohl Afghanistan ein integraler Teil des Amu Darja-Beckens ist, ist Afghanistan

an keiner regionalen Vereinbarung zu grenzüberschreitendem Wassermanagement

beteiligt. Verträge zwischen Russland und später der Sowjetunion und Afghanistan zu

Grenzflüssen enthalten keine Regelungen zur Wasserverteilung. Als die UdSSR in den

1980ern die Quoten für Syr Darja und Amu Darja festlegte, wurde Afghanistan nicht

einbezogen. Es wurde schlicht angenommen, dass Afghanistan 2,1 km³ Wasser pro Jahr

verbraucht. Auch nach der Auflösung der Sowjetunion ist Afghanistan nicht in die wasserbezogenen

Verträge und regionalen Institutionen der zentralasiatischen Staaten eingebunden.

1

1 Ahmand and Wasiq 2004, CPHD 2011, FAO 2010, King and Sturtewagen 2010, AQUASTAT, WDI.

Grenzüberschreitende Wasserressourcen in den sechs Staaten des Aralseebeckens 35


Kasachstan

Kasachstan ist das größte Land in Zentralasien.

Wüsten und Halbwüsten machen mehr

als zwei Drittel seiner Fläche aus, der Rest

sind größtenteils Steppen und Hügellandschaften,

mit einigen höheren Bergzügen an

den östlichen und südöstlichen Grenzen.

48 000 Seen und Stauseen befinden sich

in Kasachstan. Der größte Binnensee ist der

Balchaschsee mit einer Fläche von 18 210 km²,

der mit durchschnittlich 6m aber sehr flach

B A S I s I N F O R M AT I O N

Gesamtfläche

Bewässerte Fläche

Bevölkerungszahl (2011)

Bevölkerungswachstum

Durchschnittsalter

Bruttoinlandsprodukt

pro Kopf (2010)

2 724 900 km 2

35 560 km 2

16,6 Mio.

1,4%

29 Jahre

$ 8 764

ist. Sein einzigartiges Ökosystem besteht aus einem westlichen Teil mit Süßwasser und

einem salzwasserhaltigen östlichen Teil. Mehr als 7 000 Flüsse fließen in acht Flussbecken.

Die größten Flüsse sind Syr Daja, Irtisch und Ischim (die beide nach Russland

fließen), Ural (der aus Russland kommt) sowie Tschu und Talas (die beide aus Kirgistan

kommen). Sieben der acht Flussbecken sind grenzüberschreitend. Mehr als die Hälfte

des verfügbaren Oberflächenwassers (ca. 100,5 km²) in Kasachstan bildet sich in den

Nachbarstaaten, in Kirgistan, China, Russland und Usbekistan.

Der Syr Darja fließt 1 627 km durch Kasachstan, vom Schardara-Stausee an der

Grenze zu Usbekistan durch die südöstlichen Provinzen bis zum Aralsee. 17 % der kasachischen

Bevölkerung lebt hier, meist in ländlichen Gebieten. Insofern gehört nur ein

relativ kleiner Teil des Landes zum Aralseebecken (345 000 km² von 2 724 900 km²).

Trotzdem ist dieses Gebiet landwirtschaftlich wichtig und Kasachstan ist auf den rechtzeitigen

Wasserablass aus den Stauseen in Kirgistan und die Passage durch Usbekistan

in der Vegetationszeit angewiesen. Diese Wasserlieferungen funktionierten nicht immer

einwandfrei, so dass Kasachstan unterhalb des Schardara-Stausees noch den Koksarai-

Stausee gebaut hat. Dadurch verfügt es über genügend Kapazität um das Wasser, das im

Winter flussaufwärts abgelassen wird, bis zum Frühjahr zu stauen und Überflutungen im

Winter zu vermeiden. Dies hat die Situation am unteren Syr Darja entspannt, aber gleichzeitig

das Aidar-Arnasai-Seensystem in Usbekistan unter Druck gesetzt. Dieses Feuchtgebiet

entstand durch Drainagewasser und Wasser, das aus dem Schardara-Stausee in

die Arnasai-Senke abgelassen wurde um Überflutungen zu vermeiden. Heute ist es ein

wichtiger Lebensraum für Wasservögel. Durch einen zusätzlich gebauten Stausee wird

das Wasser zudem zur Bewässerung genutzt. Durch den Bau des Koksarai-Stausees wird

das Wasser jedoch nicht mehr in die Senke abgelassen, sondern fließt wieder in den Syr

Darja. Um das wichtige Feuchtgebiet zu schützen, haben sich Kasachstan und Usbekistan

auf einen Mindestablauf geeinigt. Kasachstan hat erhebliche Anstrengungen unternommen,

um den nördlichen Aralsee wiederzubeleben (siehe Seite 10–11). Für Kasachstan

ist heute die Situation im Ili-Balchasch-Becken wesentlich besorgniserregender. Dieses

Becken wird mit China geteilt, das vermehrt Wasser nutzt und so das fragile Ökosystem

des Balchaschsees bedroht.

36 Kasachstan


Kasachstan verfügt über große Vorräte an natürlichen Ressourcen, darunter unter

anderem Öl, Gas, Uran, Zink, Kupfer und Chrom. Im Laufe des letzten Jahrzehnts hat

die Öl-und Gasförderung enorm zugenommen und liefert einen Großteil der Staatseinnahmen.

Die Landwirtschaft macht dagegen nur 6 % des BIP aus (2009), allerdings

beschäftigt sie 15 % der Erwerbstätigen (2008). Die landwirtschaftlich nutzbare Fläche

beträgt 8,4 % des Landes. Trotzdem ist Landwirtschaft wichtig im ärmeren, ländlichen

Süden des Landes, wo Reis und Baumwolle angebaut werden. 2

2 UNECE 2008, UNECE 2011, WDI, AQUASTAT.

Grenzüberschreitende Wasserressourcen in den sechs Staaten des Aralseebeckens 37


Kirgistan

Über 65 % der Landesfläche Kirgistans werden

von den hohen Gebirgen Tien Schan

und Pamir eingenommen. Mehr als 3 500

Flüsse entspringen in Kirgistan und verteilen

sich auf sechs Flussbecken. Der größte

Teil des Landes gehört zum Syr Darja-

Becken, mit den Zuflüssen Naryn (807 km),

Kara Darja und Tschatkal, die von Kirgistan

nach Usbekistan fließen. Andere grenzüberschreitende

Flüsse sind Tschu und Talas, die

B A S I s I N F O R M AT I O N

Gesamtfläche

Bewässerte Fläche

Bevölkerungszahl (2011)

Bevölkerungswachstum

Durchschnittsalter

Bruttoinlandsprodukt

pro Kopf (2010)

199 951 km 2

10 196 km 2

5,6 Mio.

1,4%

23,8 Jahre

$ 860

nach Kasachstan fließen, und der Aksu, der den Tarim in China speist.

Mehr als 80 % der 1 923 Seen liegen auf einer Höhe von über 3000 m. Der größte

See, und auch der zweitgrößte alpine See weltweit, ist der Issyk Kul mit einer Fläche

von 6 249 km². 4 % der Landesfläche werden von Gletschern eingenommen. Aus diesen,

sowie aus der Schneeschmelze, speisen sich ca. 80 % der gesamten Wassermenge in den

Flüssen.

Aufgrund der gebirgigen Topographie sind nur 7 % des Landes nutzbar für Ackerwirtschaft.

Weiden machen dagegen 44 % der Landesfläche aus und Viehhaltung ist ein

wichtiger Zweig der Landwirtschaft. Da der Großteil des Ackerlandes bewässert wird,

entfallen 90 % des Wasserverbrauchs auf die Landwirtschaft. Das meiste Bewässerungsland

befindet sich im Ferganatal im Süden sowie in den Provinzen Talas und Tschu im

Norden. Die wichtigsten Anbauprodukte sind Futtergetreide, Weizen, Mais, Reis, Tabak,

Baumwolle, Gemüse und Obst, wobei Tabak und Baumwolle die wichtigsten landwirtschaftlichen

Exportprodukte sind.

Der Anteil der Landwirtschaft am BIP sank von 37 % 1991 auf 29 % 2008, aber

der Sektor ist immer noch wichtig, vor allem für die ländliche Bevölkerung. 36 % der

Arbeitskräfte arbeiten in der Landwirtschaft. Trotzdem ist die bedeutendste Wassernutzung

die Energieproduktion. Obwohl bisher nur ein kleiner Teil des Gesamtpotentials

genutzt wird, produzieren Wasserkraftwerke mit 10,7 Milliarden kWh mehr als 90 % des

Stroms im Land. Darüber hinaus exportiert Kirgistan 2 – 2,5 Milliarden kWh pro Jahr

nach China, Kasachstan und Usbekistan. Die fünf größten Wasserkraftwerke sind alle

am Naryn und liefern alleine 97 % der Wasserkraft. Dreizehn Stauseen mit einer Speicherkapazität

von mehr als 20 km³ wurden gebaut, um den Wasserfluss zu regulieren –

für Energieproduktion, Bewässerung und Überflutungsschutz. Der größte Stausee ist der

Toktogul. Andere Dämme und Stauseen sind der Kirov am Talas und der Orto-Say am

Tschu. Als diese Stauseen zu Sowjetzeiten gebaut wurden, waren sie für die Verbesserung

der Bewässerung flussabwärts konzipiert. Kirgistan hat dagegen 21 200 ha Ackerland

verloren. Nach der Unabhängigkeit konnte es zwar die produzierte Wasserkraft für die

eigenen Bedürfnisse nutzen und verkaufen, musste aber auch die Kosten für Betrieb und

Instandhaltung der Dämme und Infrastruktur alleine tragen. Deswegen hat Kirgistan

immer wieder verlangt, dass faire Kostenbeteiligungsmechanismen eingeführt werden.

38 Kirgisische Republik


Nachdem in den 1990ern die Lieferungen von Kohle und Gas aus den Staaten flussabwärts

ausblieben, hat Kirgistan den Wasserablass im Winter gesteigert, um damit seinen

Energiebedarf zu decken. Außerdem hat es neue Wasserkraftwerke gebaut, und baut

und plant gegenwärtig noch weitere. Die größten Projekte sind Kambarata 1 und Kambarata

2 am Naryn. Der Bau des 360 Megawatt-Wasserkraftwerks Kambarata 2 begann

bereits 1986. Nach der Unabhängigkeit verlangsamte sich der Weiterbau zunächst aus

Mangel an Finanzen, aber dank eines russischen Kredits konnte der erste Maschinensatz

im November 2010 in Betrieb gehen. An Kambarata 1 wird gegenwärtig noch gebaut,

ebenfalls in Kooperation mit Russland. Seine Kapazität soll 1 900 Megawatt sein, und es

wird schätzungsweise 2 Milliarden US-Dollar kosten. Neben diesen Großkraftwerken

gibt es mehr als 200 Kleinkraftwerke. Viele wurden zu Sowjetzeiten gebaut, etliche auch

nach der Unabhängigkeit mit der Unterstützung internationaler Geber um kleine und

abgelegene Dörfer mit Strom zu versorgen. 3

3 Antipova et al. 2002, Giese et al 2004, Sehring 2009, UNECE 2008, WDI.

Grenzüberschreitende Wasserressourcen in den sechs Staaten des Aralseebeckens 39


Tadschikistan

Tadschikistan ist ein Gebirgsland, das zur

Hälfte über 3 000 m liegt. 93 % seiner Fläche

werden zu den Tien Schan, Gissar-Alay

und Pamir Gebirgen gerechnet. Tiefebenen

finden sich nur in den Flusstälern im Südwesten

des Landes und im Ferganatal im

Norden. 6–8 % der Landesfläche werden von

Gletschern be deckt, 90 % davon liegen im

Amu Darja-Becken.

Über 1 300 Seen befinden sich in

B A S I s I N F O R M AT I O N

Gesamtfläche

Bewässerte Fläche

Bevölkerungszahl (2011)

Bevölkerungswachstum

Durchschnittsalter

Bruttoinlandsprodukt

pro Kopf (2011)

143 100 km 2

7 220 km 2

7,5 Mio.

Tadschikistan, die meisten in der östlichen Pamir-Region. Der größte ist der Karakul

(380 km²), ein Salzwassersee auf einer Höhe von 3 914 m. Der 490 m tiefe Saressee (auf

3 239 m mit einer Fläche von 86,5 km²) hat sich im Jahre 1911 gebildet, als ein Bergrutsch

nach einem Erdbeben einen natürlichen Damm formte, der den Fluss Murghab aufstaute.

4 Experten befürchten, dass dieser natürliche Damm brechen könnte oder dass häufig

vorkommende Erdbeben eine Flutwelle über den Damm auslösen könnten, die dann zu

katastrophalen Überflutungen entlang des Pandsch und Amu Darja führen würde.

Mehr als 25 000 Flüsse fließen durch das Land. Tadschikistan gehört sowohl zum

Syr Darja-Becken wie zum Amu Darja-Becken, die zusammen praktisch das ganze Land

ausmachen. Die Flüsse Vachsch, Kafirnigan und Pandsch, der Grenzfluss zu Afghanistan,

sind die Hauptzuflüsse des Amu Darjas, zu dessen Einzugsgebiet 75 % des Landes gehören.

In der nörd lichen Provinz Sughd im Ferganatal fließt der Syr Darja 195 km durch Tadschikistan

– von Usbekistan und wieder nach Usbekistan. Ein weiterer wichtiger grenzüberschreitender

Fluss ist der Sarafschan, der ebenfalls nach Usbekistan fließt. In Tadschikistan

gibt es neun Stauseen die meisten am Vachsch, der in den Amu Darja fließt.

Obwohl nur 5 % des Landes kultivierbar ist, spielt Bewässerungslandwirtschaft in

dem schwach industrialisierten Land eine wichtige wirtschaftliche Rolle. Ungefähr 90 %

der landwirtschaftlichen Produktion wird mit Bewässerung erzielt. Dabei sind mehr

als 60 % des Ackerlandes zumindest teilweise auf Pumpenbewässerung angewiesen,

wodurch Bewässerung teurer als in anderen zentralasiatischen Ländern ist. Baumwolle

macht 43 % der angebauten Nutzpflanzen aus. Auch wenn der Anteil der Landwirtschaft

am BIP seit der Unabhängigkeit zurückging – von 37 % 1991 auf 22 % 2009 – stellt Baumwolle

immer noch 11 % aller Exporte, so dass sie nach Aluminium und Strom das wichtigste

Exportgut ist. Die Landwirtschaft beschäftigt offiziell 31 % der Arbeitskräfte (2004).

In Tadschikistan hat die Wassernutzung zur Energiegewinnung Priorität. Tadschikistan

ist nach Russland der zweitgrößte Wasserkraftproduzent in der GUS; pro Kopf

gerechnet ist es sogar weltweit der größte Produzent. Und das, obwohl gerade einmal 5 %

des geschätzten Wasserkraftpotenzials genutzt werden. Die größten Wasserkraftwerke

2,4%

20,4 Jahre

$ 820

4 Dieser Fluss Murghab ist nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Fluss, der von Afghanistan nach Turkmenistan

fließt und im Haridud-Murghab Becken liegt.

40 Tadschikistan


sind Nurek (3000 MW), Sangtuda 1 (670 MW), Sangtuda 2 (220 MW), Baipasan

(600 MW) und Kairakkum (126 MW). Doch damit kann der Energiebedarf des Landes

noch nicht gedeckt werden. Ebenso wie Kirgistan bekam Tadschikistan früher Kohle

und Gas aus dem gemeinsamen sowjetischen Energieverbund geliefert, und ist durch

Ausbleiben dieser Lieferungen mit einer schweren Energiekrise konfrontiert. Ländliche

Gebiete können im Winter nur wenige Stunden am Tag mit Strom versorgt werden. Im

Winter 2010/11 war sogar in der Hauptstadt Duschanbe die Stromzufuhr eingeschränkt.

Das Problem wird dadurch verstärkt, dass ein Großteil des produzierten Stroms von der

großen Aluminiumfabrik TALCO verbraucht wird oder in dem ineffizienten Stromleitungsnetzwerk

verloren geht. Deswegen strebt die tadschikische Regierung danach, das

Wasserkraftpotenzial stärker zu nutzen. Seit der Unabhängigkeit wurden 250 Kleinwasserkraftwerke

gebaut und mehrere große, wie Sangtuda 1 und 2, die mit russischen und

iranischen Investitionen finanziert wurden.

Daneben möchte die Regierung auch den Bau des umstrittenen Roghun-Damms

wieder aufnehmen, der mit 335 m der höchste Staudamm der Welt mit einem Wasserkraftwerk

mit einer Leistung von 3 600 Megawatt werden soll. Doch die die Länder flussabwärts,

vor allem Usbekistan, befürchten negative Auswirkungen durch den Stausee.

Deswegen hat Tadschikistan eingewilligt, eine unabhängige technische Machbarkeitsstudie

und eine Sozial- und Umweltverträglichkeitsprüfung durchführen zu lassen. Diese

werden von der Weltbank finanziert. Tadschikistan hat sich verpflichtet alle Baumaßnahmen

zu stoppen bis die Ergebnisse vorliegen, was frühestens Ende 2012 sein wird. 5

5 AsiaPlus 2011, BIC 2011, Sehring 2009, UNDP 2003, UNECE 2004, WDI, WRI.

Grenzüberschreitende Wasserressourcen in den sechs Staaten des Aralseebeckens 41


Turkmenistan

Die Fläche Turkmenistans wird zu 80 % von

der riesigen Karakum-Wüste eingenommen.

Nur im Südwesten, entlang der Grenze zum

Iran, und im Osten an der Grenze zu Usbekistan

gibt es einige Gebirgszüge. Die Fläche des

landwirtschaftlich nutzbaren Landes wird

auf 4 bis 14 % geschätzt.

Es gibt kaum interne Wasserressourcen

im Land, lediglich einige kleine Flüsse

B A S I s I N F O R M AT I O N

Gesamtfläche

Bewässerte Fläche

Bevölkerungszahl (2011)

Bevölkerungswachstum

Durchschnittsalter

Bruttoinlandsprodukt

pro Kopf (2010)

488 100 km 2

18 000 km 2

5,1 Mio.

1,4%

25,5 Jahre

$ 7500

in den Kopetdag-Bergen im Süden mit einem geschätzten Abfluss von 1 km³ pro Jahr.

Kleinere grenzüberschreitende Flüsse sind der Atrek vom Iran, der Murghab aus Afghanistan

und der Tedschen, der von Afghanistan durch den Iran nach Turkmenistan fließt.

Fast 90 % der Wasserressourcen des Landes kommen jedoch vom Amu Darja über den

Karakumkanal, der mit über 1 300 km die bei weitem größte und wichtigste Wasserinfrastruktur

des Landes und auch der längste Kanal der Welt ist. Er verläuft von der

Grenze mit Usbekistan quer durch das Land bis zu den westlichen Gebieten in der Nähe

des Kaspischen Meeres. Weiter flussabwärts am Amu Darja, im Norden des Landes, liegt

der Tujamujun-Stausee, der zwar auf usbekischem Boden liegt, aber auch die turkmenische

Region Daschogus mit Wasser versorgt. Daneben gibt es 18 kleinere Stauseen mit

einer Gesamtkapazität von 2,89 km³, die vor allem der Bewässerung dienen. Der größte

von ihnen ist der Haus-Khan-Stausee am Karakumkanal mit 0,875 km³ Stauvermögen.

Durch das Rücklaufwasser von den Bewässerungsanlagen entstanden ca. 80 künstliche

Drainage-Seen. Der größte davon ist der Sarygamysch-See (8 km³), der ungefähr

200 km südwestlich des Aralsees liegt. Er bildete sich 1971 durch die Überflutung mehrerer

kleinerer Seen in der Sarygamysch-Senke, die regelmäßig mit Wasser aus dem Amu

Darja gespeist wurden, und hat sich seitdem zum größten Drainage-See entwickelt, in

dem das salzhaltige Bewässerungswasser gesammelt wird. 2009 begann die turkmenische

Regierung den Bau eines weiteren riesigen Drainage-Sees in der Karaschor-Senke im

Norden des Landes, des Altyn Asyr-Sees (See des Goldenen Zeitalters), später in Großer

Turkmenischer See umbenannt. Alte, ausgetrocknete Flussbetten und neugebaute Kanäle

mit einer Gesamtlänge von über 1000 km sollen Drainagewasser aus den verschiedenen

Landesteilen, das bisher entweder in den Amu Darja zurückfließt oder in den Sarygamysch-See,

in den neuen See bringen. Damit soll sich der See letztendlich über eine Fläche

von 1 916 km² erstrecken (103 km lang und 18,6 km breit) und 132 km³ Wasser fassen.

Die turkmenische Regierung plant, den See zu einem Naherholungsgebiet zu entwickeln,

und einen Teil des Wassers zur Bewässerung von Weiden und Obstplantagen zu nutzen.

Experten warnen allerdings, dass der See negative ökologische Auswirkungen haben

könnte und sich der Wasserrücklauf in den Amu Darja reduzieren wird.

Turkmenistan besitzt weltweit die viertgrößten Gasreserven, aber kaum kultivierbares

Land. Insofern ist auch die wirtschaftliche Bedeutung der Landwirtschaft

eher gering – sie macht gerade einmal 12 % des BIP aus (2009). Trotzdem sind 32 % der

42 Turkmenistan


Arbeitskräfte in der Landwirtschaft beschäftigt (2004), und über die Hälfte der Bevölkerung

lebt auf dem Land. So wird wie in den anderen zentralasiatischen Staaten das meiste

Wasser in der Bewässerungslandwirtschaft verbraucht, nämlich 92 %. Im Prinzip ist die

gesamte Ackerfläche bewässert, versorgt durch ein weitverzweigtes Kanalnetzwerk von

insgesamt über 39 000 km Länge. Der Großteil davon sind unbetonierte Kanäle. Angebaut

wurde während der Sowjetzeit vor allem Baumwolle, seit der Unabhängigkeit wird

aber verstärkt auf Nahrungsmittelproduktion gesetzt, wofür auch die Bewässerungs fläche

erweitert wurde. So soll eine größere Unabhängigkeit von Importen erreicht werden.

Es gibt zwar auch ein geringes Wasserkraftpotential (geschätzte 5,8 GWh), von

dem aber nur 0,7 GWh genutzt werden (1993), da der Energiebedarf durch die fossilen

Brennstoffvorkommen gedeckt wird.

Aufgrund des extrem trockenen Klimas ist Wasser enorm wichtig für das Land.

Dies zeigt sich in einem alten turkmenischen Sprichwort »Ein Tropfen Wasser ist ein

Körnchen Gold«, welches das Motto eines nationalen Feiertages ist, der jedes Jahr am

ersten Sonntag im April gefeiert wird. 6

6 Kostianoy et al. 2011, Sehring 2002, UNDP 2010, WDI, AQUASTAT.

Grenzüberschreitende Wasserressourcen in den sechs Staaten des Aralseebeckens 43


Usbekistan

Usbekistan ist einer der wenigen Staaten, der

von landumschlossenen Ländern umgeben

ist: um das nächste Meer zu erreichen, muss

man zwei Länder durchqueren. Fast 80 % der

Landesfläche wird von Wüsten eingenommen.

Im Osten erreichen die Berge allerdings

eine Höhe von über 4 000 m. Bewässerungslandwirtschaft

findet vor allem im Ferganatal

im Osten des Landes und in der Region

Choresm im Nordwesten des Landes statt.

B A S I s I N F O R M AT I O N

Gesamtfläche

Bewässerte Fläche

Bevölkerungszahl (2011)

Bevölkerungswachstum

Durchschnittsalter

Bruttoinlandsprodukt

pro Kopf (2010)

447 400 km 2

42 230 km 2

28,5 Mio.

1,9%

28,5 Jahre

$ 1384

Ebenso wie Tadschikistan wird Usbekistan sowohl vom Amu Darja wie vom Syr Darja

durchflossen. Der Syr Darja fließt durch den Osten des Landes und speist das fruchtbare

und dicht besiedelte Ferganatal. Das Amu Darja-Becken umschließt den Großteil des

Landes, zu ihm zählen auch die Flüsse Surchan Darja, Scherabad, Kaschka Darja und

Sarafschan. Dazu kommen noch unzählige – über 17 000 – kleine Flüsse und ungefähr

500 Seen, von denen die meisten allerdings mit einer Fläche von weniger als 1 km² eher

klein sind. Nur etwa 10 % der Wasserressourcen Usbekistans entspringen im Land selbst,

so dass es von den Zuflüssen aus Kirgistan, Tadschikistan und Afghanistan abhängig ist.

Neben den natürlichen Gewässern gibt es 51 Stauseen. Sie dienen größtenteils

der Wasserregulierung zur Bewässerung, aber einige werden auch zur Wasserkraftproduktion

genutzt. Ungefähr 28 000 km an Kanälen versorgen die Bewässerungsflächen.

Auch wenn das Land große Gasvorkommen hat und nur 10 % des Landes kultivierbar

sind, spielt die Landwirtschaft eine wichtige wirtschaftliche Rolle und ist für mehr

als 90 % des Wasserverbrauchs verantwortlich. Die wichtigste Handelspflanze ist Baumwolle.

1980 wurden ca. zwei Millionen Tonnen Baumwolle in Usbekistan produziert.

Nach der Unabhängigkeit begann die usbekische Regierung den landwirtschaftlichen

Sektor umzustrukturieren und mehr Nahrungsmittel anzubauen sowie den Wasserverbrauch

zu reduzieren, so dass die Baumwollproduktion um ein Drittel zurückging. Die

Anbaufläche für Baumwolle wurde von 50 % der gesamten Bewässerungsflache in den

frühen 1990ern auf 30 % reduziert und durch Anbau von Nahrungsmitteln wie Getreide

und Gemüse sowie Futtermitteln ersetzt. 2010 produzierte Usbekistan 7 Millionen Tonnen

Getreide – im Vergleich zu einer Million Tonnen 1991. Usbekistan hat außerdem

viel in neue Bewässerungstechnik investiert, was internationale Geber in den letzten 10

Jahren mit etwa einer Milliarde US-Dollar unterstützt haben. Mit diesen Maßnahmen

konnte die Wasserentnahme reduziert werden und gleichzeitig Selbstversorgung mit

Nahrungsmitteln erreicht werden. Aber immer noch gehört Usbekistan zu den sechs

größten baumwollproduzierenden Ländern und ist der zweitgrößte Baumwollexporteur

der Welt.

Der Anteil der Landwirtschaft am BIP fiel seit der Unabhängigkeit von 37 % 1991

auf 20 % 2009. Trotzdem bringt die landwirtschaftliche Produktion aufgrund der Baumwolle

immer noch 8 % des Exporteinkommens. Beinahe zwei Drittel der Bevölkerung

44 Usbekistan


leben in ländlichen Gebieten und sind direkt auf Wasser für ihre Lebensgrundlage angewiesen.

Etwa 35 % der Arbeitskräfte arbeiten in der Landwirtschaft (2004).

Ein Thema, das in Usbekistan für Beunruhigung sorgt, ist der Bau neuer Großstaudämme

und Wasserkraftanlagen an den Hauptzuflüssen von Syr Darja und Amu

Darja. Regierung und Experten fürchten, dass das Füllen der Stauseen und dann der

Betrieb der Staudämme zur Energieproduktion (Wasserablass im Winter) die Wasserzufuhr

im Frühjahr und Sommer drastisch verringern könnte. Ebenso fürchten sie, dass

Erdbeben zu einem Dammbruch führen und eine Katastrophe auslösen könnten.

Auch Usbekistan nutzt Wasserkraft, aber nur in relativ geringem Umfang. 28 kleine

und mittlere Wasserkraftwerke produzieren 12,5 % des Stroms, und die Regierung plant

noch weitere zu bauen. 7

7 WDI, WRI, UNCTAD, UNECE 2010.

Grenzüberschreitende Wasserressourcen in den sechs Staaten des Aralseebeckens 45



IFAS: Eine Geschichte

post-sowjetischer Kooperation

Während der letzten 20 Jahre haben die zentralasiatischen Staaten zahlreiche Abkommen

und Erklärungen über grenzüberschreitendes Wassermanagement unterzeichnet.

Sie haben eine organisatorische Struktur für regionales Wassermanagement und die

Bewältigung der Aralseekrise etabliert. Die wichtigste Plattform für regionale Wasserkooperation

ist der IFAS – der Internationale Fonds zur Rettung des Aralsees, in dem

alle fünf ehemaligen zentralasiatischen Sowjetrepubliken Mitglied sind. 1

i

Wem gehört das Wasser?

Internationales Recht und grenzüberschreitende Gewässer

Weltweit gibt es 263 grenzüberschreitende Flussbecken, doch in vielen von ihnen gibt es zwischen

den Anrainerstaaten kein Abkommen, das regelt wie sie die Wasserressourcen aufteilen

oder gemeinsam verwalten. Auch auf globaler Ebene ist kein rechtsverbindliches internationales

Abkommen zu grenzüberschreitenden Gewässern in Kraft. Jedoch hat sich im

Laufe des vergangenen Jahrhunderts ein starkes Gewohnheitsrecht entwickelt. Bereits 1911

hat das Institut für Internationales Recht die Madrider Erklärung zur internationalen Regulierung

betreffend der Nutzung internationaler Gewässer für andere Zwecke als Navigation

verabschiedet. Sie empfahl, keine unilateralen Veränderungen des Abflusses vorzunehmen

und gemeinsame Wasserkommissionen zu gründen. 1966 hat die Vereinigung für Internationales

Recht die Helsinki-Richtlinien für die Nutzung des Wassers internationaler Flüsse

entwickelt. Deren Kernprinzipien sind die gerechte Nutzung der geteilten Wasserressourcen

und die Verpflichtung, den anderen Anrainern keinen bedeutenden Schaden zuzufügen.

Diese Prinzipien sind auch der Kern des UN-Übereinkommens über die Nutzung internationaler

Fließgewässer zu anderen Zwecken als zur Navigation (UN-Gewässer-Konvention),

das 1997 nach 25 Jahren Vorbereitung und Verhandlung von der Generalversammlung der

Vereinten Nationen angenommen wurde. Neben der Bestätigung der Prinzipien der gerechten

und vernünftigen Nutzung und der Verpflichtung, keinen erheblichen Schaden zuzufügen,

enthält die Konvention Bestimmungen zum Austausch von Daten und Information,

zum Gewässerschutz, zur Bildung von gemeinsamen Managementmechanismen und der

Beilegung von Konflikten. Allerdings ist die Konvention nicht in Kraft, da die notwendige

Mindestzahl von 35 Ratifizierungen bisher nicht erreicht wurde. 2

1 Das folgende Kapitel basiert auf ec-ifas.org, icwc-aral.uz, Dukhovny and Sokolov 2003, IFAS 2003, Le Moigne

2003, Libert et al. 2008, Sehring 2002, Sehring 2007, Shalpykova 2002, Weinthal 2001.

2 http://untreaty.un.org/cod/avl/ha/clnuiw/clnuiw.html

IFAS: Eine Geschichte post-sowjetischer Kooperation

47


Ein Grund für die mangelnde Bereitschaft vieler Staaten der Konvention beizu treten

ist eine gewisse Vagheit in der Formulierung der Kernprinzipien, die zu widersprüchlichen

Auslegungen führen kann. So kann ein Oberlieger sein Recht auf seinen bisher ungenutzten

gerechten Anteil fordern, dessen Nutzung dem Unterlieger, der das Wasser bisher genutzt

hat, jedoch erheblichen Schaden zufügen kann. Wessen Rechte und welches Prinzip hat im

Zweifelsfall Priorität? Und was genau ist ein gerechter Anteil? Woran wird er gemessen?

Wo verläuft die Grenze zwischen einem Schaden, der akzeptiert werden muss, und einem

erheblichen Schaden? All diese Fragen werden von der Konvention nicht beantwortet, die

nur allgemeine Prinzipien und Kriterien beinhaltet. Und dies ist auch klug, denn solche

Fragen können nicht allgemein beantwortet werden, sondern nur spezifisch für jedes

Flussbecken. In dieser Hinsicht bietet das Übereinkommen ein Rahmenwerk aus gemeinsamen

Prinzipien, auf deren Basis dann spezifische regionale Vereinbarungen getroffen

werden können.

Es gibt allerdings eine bindende regionale Konvention für Europa und Zentral asien,

die diese beiden Prinzipien verpflichtend für ihre Mitglieder gemacht hat und Leitlinien für

ihre Umsetzung in konkreten Flussbecken enthält: das Übereinkommen zum Schutz und

zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen (sogenannte

Helsinki-Konvention) der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen

(UNECE) von 1992. 3 Das Übereinkommen verpflichtet seine Parteien, grenzüberschreitende

Auswirkungen ihrer Aktivitäten zu verhindern, kontrollieren und reduzieren, grenzüberschreitende

Wasserressourcen in vernünftiger und gerechter Weise zu nutzen und ihr

nachhaltiges Management zu gewährleisten. Parteien, die Anrainer desselben Gewässers

sind, sind aufgefordert zu kooperieren, spezifische Abkommen zu schließen und gemeinsame

Organe zu gründen. Die Konvention beinhaltet auch Bestimmungen zu Monitoring,

Forschung und Entwicklung, Konsultationen, Warn- und Alarmsystemen, gegenseitiger

Unterstützung, Informationsaustausch sowie öffentlichem Zugang zu Informationen.

Von den zentralasiatischen Ländern sind Kasachstan und Usbekistan der Helsinki-

Konvention beigetreten; die anderen Staaten nehmen an einigen der Programmpunkten

der Konvention teil. Obwohl das Übereinkommen gegenwärtig nur für Länder der UNECE-

Region gilt, also nicht für Afghanistan, Iran oder China, sieht ein Zusatzartikel die Ausweitung

auf nicht-UNECE-Länder vor. Sobald dieser Zusatzartikel in Kraft tritt, könnte die

Helsinki-Konvention eine Grundlage für die Kooperation zwischen den zentralasiatischen

Ländern und ihren Nachbarstaaten sein.

IFAS: Organisation und Struktur

Nach dem Ende der Sowjetunion war den fünf neuen unabhängigen zentralasiatischen

Staaten die Notwendigkeit der Kooperation über ihre geteilten Wasserressourcen

bewusst. Bereits im September 1991 verabschiedeten die Wasserminister eine

3 http://live.unece.org/env/water/

48 IFAS: Organisation und Struktur


gemeinsame Erklärung, in der sie festhielten, dass eine Lösung der regionalen Wasserprobleme

ein gemeinsames Wassermanagement erfordert, das auf den Prinzipien von

Gleichheit und gegenseitigem Nutzen erfolgen sollte.

Am 18. Februar 1992 unterzeichneten die fünf Minister das »Abkommen über

Kooperation bei gemeinsamen Management, Nutzung und Schutz der zwischenstaatlichen

Quellen von Wasserressourcen«. Darin wurde festgehalten, dass das Quotensystem,

das in den 1980ern eingerichtet wurde (siehe Seite 24f.), zunächst gültig bleiben

sollte bis eine neue Strategie entwickelt worden sei. Daneben begründete es ein gemeinsames

Organ, die Zwischenstaatliche Kommission für Wasserkoordinierung (ICWC).

Diesem Abkommen folgten das sogenannte Aral-Abkommen 1993, die Deklaration von

Nukus 1995, das Abkommen »Über den Status von IFAS und seinen Organisationen«

1999, und etliche weitere.

Die ICWC war die erste regionale Institution nach der Unabhängigkeit. Ihre Hauptaufgaben

sind die Kontrolle von Regulierung, effizienter Nutzung und Schutz der Gewässer,

die Festlegung jährlicher Wasserentnahmelimits für jedes Land und die Entwicklung

einer gemeinsamen regionalen Wasserpolitik. Seine Mitglieder sind die Leiter der jeweiligen

zuständigen Ministerien bzw. Abteilungen. Sie treffen sich vierteljährlich um die

genaue Wasserverteilung zu regeln, d.h. die allgemeinen Quoten in konkrete Mengen zu

übersetzen, basierend auf Messungen des Wasserabflusses und Wettervorhersagen. Der

Vorsitz der ICWC-Treffen wechselt zwischen den Mitgliedsstaaten. Alle Entscheidungen

werden einstimmig getroffen. Zur ICWC gehören ein Sekretariat mit Sitz in Chudschand

(Tadschikistan), ein wissenschaftliches Informationszentrum (SIC ICWC) in Taschkent

(Usbekistan), und zwei Flussbeckenbehörden – die BVOs, die bereits unter der Sowjetunion

eingerichtet wurden. Der Sitz der BVO Syr Darja ist in Taschkent, der der BVO

Amu Darja in Urgentsch (Usbekistan).

1993 wurde der Zwischenstaatliche Rat für das Aralseebecken (ICAS) gegründet

mit dem EC (Exekutivkomitee) als ausführendem Organ. Er bestand aus fünf Mitgliedern

je Staat, die sich halbjährlich trafen und die über die Pläne und Maßnahmen entschieden,

die vom EC vorgelegt wurden. Die ICWC wurde in den ICAS integriert. Im selben Jahr

wurde auch der Internationale Fonds zur Rettung des Aralsees (IFAS) mit Sitz in Almaty

gegründet. Alle Mitgliedsstaaten sollten jährlich ein Prozent ihrer Staatsausgaben in den

Fonds einzahlen und damit die Projekte des ICAS finanzieren. Das Exekutivkomitee des

IFAS (EC IFAS) setzt sich aus zwei Vertretern jedes der fünf Mitgliedstaaten zusammen.

Zunächst war die Rolle des IFAS darauf beschränkt, Geldmittel über Mitgliedsbeiträge

und Geberunterstützung aufzutreiben, während EC ICAS für das Aralseebeckenprogramm

(ASBP, siehe S.50) zuständig war.

1994 wurde eine ökologische Kommission angegliedert, die Zwischenstaatliche

Kommission für sozio-ökonomische Entwicklung und wissenschaftliche und ökologische

Kooperation (ICSDSTEC), später umbenannt in Zwischenstaatliche Kommission

für nachhaltige Entwicklung (ICSD). Ihr Ziel ist die Koordinierung der Kooperation im

Bereich Umweltschutz und nachhaltiger Entwicklung in Zentralasien. Die ICSD trifft

sich zweimal jährlich mit wechselndem Vorsitz. Ein angeschlossenes Wissenschaftliches

Informationszentrum (SIC ICSD) befindet sich in Aschgabat.

IFAS: Eine Geschichte post-sowjetischer Kooperation

49


Eine Evaluierung der ersten Phase des ASBP (siehe unten) empfahl eine Stärkung

der regionalen Institutionen und infolgedessen wurden sie 1997 umstrukturiert. Wegen

Kompetenzüberschneidungen wurden ICAS und IFAS unter dem Namen IFAS vereint.

Der Vorsitz des IFAS rotiert unter den Präsidenten der fünf Mitgliedsstaaten, und mit ihm

der Sitz des EC IFAS. So hatte das Exekutivkomitee seinen Sitz von 1993 bis 1997 in Almaty,

von 1997 bis 1999 in Taschkent, von 1999 bis 2002 in Aschgabat, und von 2003 bis 2009 in

Duschanbe (der geplante Umzug nach Bischkek fand wegen des politischen Umsturzes

2005 nicht statt). Seit 2009 befindet er sich in Almaty. Eine weitere Änderung betraf die

Mitgliedsbeiträge. Es hatte sich gezeigt, dass kein Staat seine Zahlungen vollständig leistete,

und so wurden diese herabgesetzt auf 0,3 % der Staatsausgaben für die reicheren Unterliegerstaaten

und 0,1 % der Staatsausgaben für die ärmeren Oberliegerstaaten.

Im Jahre 2002 entschied der Vorstand des IFAS ein weiteres Gremium einzurichten,

und zwar das Regionale Zentrum für Hydrologie (RCH), das dem EC IFAS angegliedert

ist. Es soll das System der hydrometeorologischen Vorhersagen, Umweltmonitoring

und Datenaustausch zwischen den nationalen hydrometeorologischen Behörden der

Region verbessern. Sein Sitz ist gegenwärtig in Almaty.

Damit hat sich folgende Struktur des IFAS ergeben (siehe Diagramm S.51). 2008

erhielt der IFAS Beobachterstatus in der UN-Generalversammlung.

Das Aralseebeckenprogramm (ASBP)

Eine der Hauptaktivitäten des IFAS ist das Aralseebeckenprogramm (ASBP). Dies ist

das wichtigste langfristige regionale Aktionsprogramm im Bereich nachhaltige Entwicklung,

vor allem zu nachhaltigem Wassermanagement. Es beinhaltet nationale und

regionale Projekte. Seine Wurzeln reichen zurück zu einem ersten Bewertungsbericht

des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP), der 1988 bis 1991 in Zusammenarbeit

mit der sowjetischen Regierung durchgeführt wurde. 1992 begannen UNEP

zusammen mit dem UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) und der Weltbank die Vorbereitungen

für das ASBP, das nach der Gründung von ICAS und IFAS 1993 offiziell als

gemeinsames Programm gestartet wurde. Seine Hauptziele waren:

1. Ökologische Stabilisierung im Aralseebecken

2. Restaurierung des Katastrophengebiets um den See

3. Verbesserung des grenzüberschreitenden Wassermanagements im Aralseebecken

4. Kapazitätenaufbau der regionalen Organisationen um das Programm zu planen und

zu implementieren.

Das ASBP entwickelte sich zum umfassendsten internationalen Programm zur Linderung

der Aralseekrise, an dem sich zahlreiche multilaterale und bilaterale Geber beteiligten.

Dazu gehörten die Asiatische Entwicklungsbank (ADB), UNESCO, die Europäische

Union und die Regierungen der USA, Kanadas, der Niederlande, der Schweiz und

andere. In der ersten Projektphase wurden 280 Millionen US-Dollar an Krediten und 48

Millionen US-Dollar an Zuschüssen bewilligt.

50 Das Aralseebeckenprogramm (ASBP)


o r g a n i s a t i o n u n d s t r u k t u r V O N I F A S

Rat der Präsidenten der zentralasiatischen Staaten

zu Problemen des Aralseebeckens

Präsident des IFAS

Prüfungskommission

Rat des Internationalen Fonds

zur Rettung des Aralsees

Zwischenstaatl.

Kommission für

Wasserkoordin.

Zwischenstaatliche

Kommission für nachhaltige

Entwicklung

Exekutivkomitee

des Internationalen Fonds

zur Rettung des Aralsees

Sekretariat

Sekretariat

Zweigstelle

Kasachstan

SIC ICWC

SIC ICSD

Regionales Zentrum

f. Hydrologie

Zweigstelle

Kirgistan

BVO

Syr Darja

Zweigstelle

Tadschikistan

BVO

Amu Darja

Zweigstelle Da shouz

(Turkmenistan)

Koordinationszentrum

für

Metereologie

RASB

Behörde

in Usbekistan

Zweigstelle

Nukus

Zweigstelle Kysylorda

(Kasachstan)

Nach einem Treffen der Staatsoberhäupter in Duschanbe am 6. Oktober 2002 wurde

eine zweite Phase des Programms für die Jahre 2003 bis 2010 entwickelt – ASBP-2. In

dieser Phase plante IFAS, eine Reihe von ökologischen, sozio-ökonomischen, institutionellen

und wassermanagementspezifischen Problemen anzugehen. Nach Angaben

von EC IFAS beteiligten sich die Mitgliedsstaaten mit über einer Milliarde US-Dollar an

den Aktivitäten des Programms, und internationale Organisationen und Geber gaben

zusätzliche Unterstützung, darunter UNDP, Weltbank, ADB, USAID, die Schweiz, Japan,

Finnland, Norwegen und weitere. Allerdings ließ diese Unterstützung mit der Zeit nach,

aufgrund von schwachen Leistungen, mangelnder Implementierung sowie unzureichender

Koordinierung und Transparenz. Der Grund für die mangelnde Effektivität des

ASBP und die zutage getretenen Probleme hängen mit der organisatorischen Struktur

des IFAS zusammen, und werden im folgenden Kapitel näher betrachtet.

IFAS: Eine Geschichte post-sowjetischer Kooperation

51


Die Herausforderungen effektiver regionaler Wasserkooperation

Der IFAS ist die einzige regionale Organisation in der alle fünf zentralasiatischen Staaten

Mitglieder sind. Seine Existenz zeigt, dass geteilte Wasserressourcen zu Kooperation

führen können. Im Gegensatz zu vielen anderen regionalen Organisationen in Zentralasien

haben der IFAS und seine angegliederten Organe über 20 Jahre hinweg funktioniert.

Allerdings haben die Ergebnisse ihrer Arbeit die hoch gesteckten Erwartungen der

Mitgliedsstaaten und Geber nicht erfüllt. Angesichts der schwierigen Startbedingungen

ist dies nicht verwunderlich: Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion mussten die

zentralasiatischen Staaten neue Strukturen, Institutionen und Strategien entwickeln um

die vormals von Moskau aus verwalteten natürlichen Ressourcen zu managen, und dies

zu einer politischen und wirtschaftlichen Krisenzeit, als sie kaum über die notwendigen

technischen, finanziellen, administrativen und politischen Kapazitäten verfügten. Diese

Schwierigkeiten haben zu einigen Schwächen in der regionalen Struktur geführt. Dazu

gehören das Fehlen eines kohärenten legalen Rahmens und einer effektiven Organisationsstruktur,

ebenso wie mangelnde Koordinierung zwischen den Unterorganisationen

und unzureichende Umsetzung der Entscheidungen der Leitungsebene. Es darf nicht

vergessen werden, dass langfristige Vereinbarungen immer mit Vorteilen sowie Risiken

für alle Seiten einhergehen. Trotzdem sollte der Beitrag des IFAS für eine friedliche und

prosperierende Entwicklung nicht unterschätzt werden.

Möchte man die bisherige Leistung des IFAS beurteilen, so bietet sich ein Blick

auf die gemeinsame Erklärung der Staatsoberhäupter Zentralasiens vom April 2009 an

(siehe Seiten 56/57). Dort stellen sie fest, dass der IFAS noch viel Potenzial hat und dementsprechend

beauftragten die Staatschefs das Exekutivkomitee des IFAS mit der Erarbeitung

von Vorschlägen für eine Verwaltungsreform der Institutionen um ihre Leistung

zu verbessern. Die Staatsoberhäupter bekannten sich auch zur internationalen Zusammenarbeit

und luden die internationalen Gebergemeinschaft ein, sich an der Entwicklung

von Programmen und Lösungsansätzen für die Wasserprobleme in Zentralasien

zu beteiligen. Verbesserte regionale Kooperation und Vertrauensbildung im grenzüberschreitenden

Wassermanagement ist ein langfristiger Prozess. Die Erfahrung in anderen

Flussbecken zeigt, dass es oft Jahrzehnte gedauert hat, um das notwendige Vertrauen und

adäquate Regelungen für effektive Kooperation aufzubauen. In dieser Hinsicht ist der

IFAS noch eine sehr junge Organisation.

i

Grenzüberschreitende Grundwasservorkommen

Neben dem Oberflächenwasser sind Grundwasser-Aquifer eine wichtige Quelle von Süßwasser

in Zentralasien. Nach Angaben der FAO betragen die gesamten erneuerbaren Grundwasserressourcen

6,1 km³ pro Jahr in Kasachstan, 13,69 km³/Jahr in Kirgistan, 6 km³/Jahr in

Tadschikistan (geschätzt), 0,36 km³/Jahr in Turkmenistan und 8,8 km³/Jahr in Usbekistan

(geschätzt). Für Afghanistan sind keine Daten verfügbar. Grundwasser wird vor allem zur

52 Die Herausforderungen effektiver regionaler Wasserkooperation


Trinkwasserversorgung genutzt, aber auch zur Bewässerung. In Turkmenistan macht es die

Hälfte des gesamten Wasserverbrauchs aus. Vor allem an den Unterläufen von Amu Darja

und Syr Darja, wo das Oberflächenwasser knapp und verschmutzt ist, ist Grundwasser eine

wichtige Trinkwasserquelle.

Allerdings hat sich auch die Qualität des Grundwassers in den letzten Jahrzehnten

verschlechtert. Mehr als 90 % der Grundwasservorkommen in Zentralasien haben bereits

einen natürlichen Salzgehalt von mehr als 1 g/l. Dazu kommt die Verschmutzung durch

Bewässerung und Drainage. Mehrere Aquifer sollen stark mit Stickstoff und Pestiziden verschmutzt

sein. Verschmutzung durch Industrie, Bergbau und Abfallhalden kommt weniger

häufig vor, aber einige Aquifer sind dadurch mit Schwermetallen, organischen Stoffen und

radioaktiven Elementen verschmutzt. Die Verschlechterung der Grundwasserqualität ist

besonders dort besorgniserregend, wo es die Bevölkerung für die Trinkwasserversorgung

besonders benötigt, wie in den Regionen Choresm und Karakalpakstan am unteren Amu

Darja und Buchara am mittleren Sarafschan. In Usbekistan sind 35–38 % des Grundwassers

nicht mehr als Trinkwasser geeignet.

Ein Großteil des genutzten Grundwassers wird grenzüberschreitenden Aquifern

entnommen. Die untenstehende Karte zeigt die Lage der grenzüberschreitenden Aquifer,

die bei einer Erhebung der UNECE identifiziert wurden. Einige von ihnen liegen tief und

haben nur schwache oder mittlere Verbindung zu lokalem Oberflächenwasser weit von der

Grenze entfernt. Andere sind flach und fließen von Nachbarstaaten zu grenzüberschreitenden

Flüssen. Obwohl die grenzüberschreitenden Grundwasservorkommen in Zentralasien

beachtlich sind, ist das Wissen über sie sehr fragmentiert und weitere Forschung dringend

notwendig. Eine legale und institutionelle Regelung für grenzüberschreitendes Grundwasser

in der Region gibt es ebenfalls nicht. 4

Verteilung des grenzüberschreitenden Grundwassers in Zentralasien

Kasachstan

Usbekistan

Kirgistan

Turkmenistan

Tadschikistan

4 UNECE 2007, Rakhmatullaev et al. 2010, MKUR 2006, AQUASTAT

IFAS: Eine Geschichte post-sowjetischer Kooperation

53


Zusätzliche Bemühungen für Wasserkooperation

Neben den Abkommen und Regelungen im Rahmen des IFAS haben die zentralasiatischen

Staaten einige weitere multilaterale und bilaterale Anstrengungen unternommen,

um gemeinsam die Wassernutzung zu regeln.

So unterzeichneten Turkmenistan und Usbekistan 1996 ein separates Abkommen

über die gleichmäßige Verteilung der Wasserressourcen. Es legt fest, dass 50 % des

Abflusses des Amu Darja an der Messstation in Kerki über den Karakumkanal Turkmenistan

zugewiesen werden und die anderen 50 % Usbekistan.

1998 vereinbarten die Regierungen von Kasachstan, der Kirgisischen Republik und

Usbekistan ein »Abkommen über die Nutzung der Wasser- und Energieressourcen im

Syr Darja-Becken«. Diese Vereinbarung legte fest, dass Kirgistan Wasser aus seinen Stauseen

im Sommer für die Unterlieger Kasachstan und Usbekistan ablässt und diese im

Gegenzug Kirgistan im Winter mit Energieträgern beliefern, so dass es keine Wasserkraft

produzieren muss. 1999 trat auch Tadschikistan dem Abkommen bei, so dass der Betrieb

des Kairakkum-Stausees mit einbezogen werden konnte. Das Abkommen erfordert jährliche

Protokolle, in denen die genauen Zeiten und Mengen des Wasserablasses, der Preis

für den im Sommer produzierten Strom (der an die Unterlieger verkauft wird) sowie die

Abgabepreise für Kohle, Gas und Strom festgelegt werden. Das Abkommen funktionierte

einige Jahre gut, dann wurden aber in manchen Jahren die vereinbarten Kohle- und Gasmengen

nicht geliefert, woraufhin Kirgistan mehr Wasser als vereinbart im Winter abließ.

Ab 2003 konnten sich die Parteien nicht mehr auf die jährlichen Protokolle einigen. Stattdessen

wurden bilaterale und ad hoc Vereinbarungen getroffen. Diese sind jedoch weniger

transparent, bieten keine langfristige Planungssicherheit und erlauben keine Sanktionen

im Falle der Nicht-Einhaltung.

Die Konsequenzen waren im Winter 2003/04 schmerzlich spürbar: Da der Sommer

2003 überdurchschnittlich niederschlagsreich war und dadurch weniger Wasserablass

notwendig war, lieferten Kasachstan und Usbekistan im folgenden Winter weniger

als die vereinbarte Menge Kohle und Gas. Um den Ausfall zu kompensieren, ließ

Kirgistan wesentlich mehr Wasser als normalerweise aus dem Toktogul-Stausee ab. Die

Wassermenge konnte vom gefrorenen Flussbett des Syr Darja und den Stauseen flussabwärts

nicht aufgenommen werden und führte zu heftigen Überflutungen in Kasachstan,

verbunden mit der Angst vor einem Dammbruch am Schardara-Stausee, wo 2 000 Menschen

evakuiert werden mussten.

Das Scheitern des Abkommens betrifft nicht nur die Energiesicherheit in den

Oberliegerstaaten im Winter und die Sicherheit der landwirtschaftlichen Wasserversorgung

für die Unterlieger, sondern auch die Sicherheit der Staudämme. In den letzten Jahren

haben sich die Staaten flussabwärts kaum an den Kosten für Betrieb und Unterhalt

der Staudämme beteiligt, die alleine von den relativ ärmeren Ländern Kirgistan und Tadschikistan

getragen werden müssen. Das Tschu-Talas-Abkommen, das eine Kostenteilung

zwischen Kirgistan und Kasachstan regelt, ist eine Ausnahme und zeigt, dass dies im

gegenseitigen Nutzen funktionieren kann. Was den Syr Darja betrifft, so ist es bezeichnend,

dass sogar eine offensichtliche win-win-Situation wie der Wasser-Energie-Tausch

54 Zusätzliche Bemühungen für Wasserkooperation


nicht in seinem gegenseitigen Nutzen wahrgenommen wird, sondern mit Misstrauen

und Argwohn. Hier gilt es zu bedenken, dass es bisher auch in anderen Feldern kaum

positive Beispiele für erfolgreiche Kooperation gibt und sich ein generelles Streben nach

Autarkie entwickelt hat.

Ein weiterer Versuch, Wasser- und Energiefragen gemeinsam anzugehen, wurde

2005 gestartet. Mit Unterstützung der Weltbank wurde der Entwurf für ein Rahmenabkommen

über ein Wasser-Energie-Konsortium vorbereitet. Dies geschah im Rahmen

der Zentralasiatischen Organisation für Zusammenarbeit (CACO), einer kurzlebigen

Organisation, die später in der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft (EurAsEC) aufging.

5 Aufgrund unterschiedlicher nationaler Interessen und geringem Engagement von

Seiten der beteiligten zentralasiatischen Staaten (Turkmenistan war kein Mitglied der

CACO) geriet der Prozess ins Stocken und Geber beendeten ihre Unterstützung.

Das Gipfeltreffen 2009 und der Reformprozess

2008 war die Wassersituation sehr angespannt, insbesondere im Syr Darja-Becken:

Da der Winter 2007/08 sehr kalt war, sah sich Kirgistan gezwungen, mehr Wasser als

gewöhnlich zur Energieproduktion aus seinen Stauseen abzulassen. Dem harten Winter

folgten ein außerordentlich trockener Frühling und Sommer. Aufgrund des niedrigen

Wasserstandes im Toktogul-Stausee konnte nicht genug Wasser für Bewässerung abgelassen

werden. Es wurde offensichtlich, dass die existierenden Institutionen und Regelungen

eine solche Krise weder verhindern noch managen konnten. Nur dank eines

außerordentlichen Treffens der Staatsoberhäupter im Oktober 2008 konnte eine vorläufige

Lösung für das kommende Jahr gefunden werden, mit zusätzlichen Energielieferungen

der Unterlieger im Winter im Tausch für genügend Wasserablass im darauffolgenden

Sommer. Vor diesem Hintergrund übernahm Kasachstan den Vorsitz des IFAS und

EC IFAS zog von Duschanbe nach Almaty.

Am 29. April 2009 trafen sich die zentralasiatischen Präsidenten zum IFAS Gipfel

in Almaty. In ihrer gemeinsamen Erklärung betonten sie die Bedeutung des IFAS, erklärten

ihre Bereitschaft seine Organisationsstruktur zu verbessern und beauftragten IFAS

mit der Entwicklung der dritten Phase des Aralseebeckenprogramms.

5 Die EurAsian Economic Community (EurAsEC) ist eine internationale ökonomische Organisation mit dem

Ziel der wirtschaftlichen Koordination und der Schaffung einer gemeinsamen Zollunion. Mitgliedsstaaten sind

Weißrussland, Kasachstan, Kirgistan, Russland, Tadschikistan und Usbekistan (ruhend).

IFAS: Eine Geschichte post-sowjetischer Kooperation

55


i

Gemeinsame Erklärung

der Oberhäupter der Gründungsstaaten des

Internationalen Fonds zur Rettung des Aralsees

Am 28. April 2009 fand das Treffen der Präsidenten der Republik Kasachstan, der Kirgisischen

Republik, der Republik Tadschikistan, Turkmenistans und der Republik Usbekistan in Almaty statt.

Während der Verhandlungen, die in einer Atmosphäre gegenseitigen Verständnisses, Vertrauens,

Freundschaft und struktureller Zusammenarbeit stattfanden, besprachen die Staatsoberhäupter

Zentralasiens Fragen bezüglich der Aktivitäten des Internationalen Fonds zur Rettung des

Aralsees, der 1993 mit dem Ziel der Umsetzung gemeinsamer praktischer Aktivitäten und perspektivischer

Programme zur Überwindung der Aralseekrise und um die ökologischen und sozioökonomischen

Bedingungen im Aralseebecken zu verbessern gegründet wurde.

Die Oberhäupter der Gründungsstaaten des IFAS, im folgenden »Parteien«,

– geleitet von jahrhundertelangen gutnachbarschaftlichen Beziehungen und gemeinsamer

Geschichte, Kultur und Traditionen, gegenseitig unterstützender Beziehungen und strategischer

Partnerschaft zwischen den Ländern, die verantwortlich sind für die grundlegenden Interessen

der Menschen der Region,

– beruhend auf der reichen Erfahrung fruchtbarer Zusammenarbeit und das gemeinsame Interesse

bekundend, die intergouvernementalen Beziehungen auf eine höhere Ebene zu bringen,

– strebend nach gegenseitiger Hilfe und Unterstützung zur Erreichung der Millenniumsziele

und zur Verbesserung der sozio-ökonomischen und ökologischen Bedingungen im Aralseebecken,

– betonend, dass die Entwicklung der gegenseitigen Zusammenarbeit der Staaten Zentralasiens

hohe Bedeutung für die Gewährleistung nachhaltiger Entwicklung und regionaler Sicherheit

hat,

– unter Berücksichtigung des Klimawandels, des intensiven Schwunds der Gletscher und Schneefelder

in der Region und des Wasserverbrauchs durch Bevölkerungswachstum und Entwicklung

der Ökonomien der Länder der Region,

– die Wichtigkeit der Bemühungen der Länder der Region um integrierte Nutzung und Schutz

der Wasserressourcen, Bekämpfung der Wüstenbildung und Landdegradierung für die Lösung

der Probleme des Aralseebeckens betonend,

– der Projektimplementierung im Rahmen des IFAS unter Berücksichtigung der Interessen aller

Länder der Region große Priorität gebend,

– unter Berücksichtigung, dass die Nutzung der Wasserressourcen in der zentralasiatischen

Region im Interesse aller Gründungsstaaten des IFAS mittels allgemein akzeptierter Prinzipien

des internationalen Rechts umgesetzt wird,

– unter Berücksichtigung der Aktivitäten des IFAS und seiner strukturellen Organisationen zur

Stärkung der regionalen Zusammenarbeit zu Verbesserung der sozio-ökonomischen und ökologischen

Bedingungen im Aralseebecken,

– ihre Genugtuung äußernd über die Resolution der UN-Generalversammlung vom 11. Dezember

2008, die dem Internationalen Fonds zur Rettung des Aralsees Beobachterstatus in der UN

Generalversammlung gibt,

56 Das Gipfeltreffen 2009 und der Reformprozess


– ihren Dank den Fachorganisationen der UN aussprechend, den internationalen Finanzinstitutionen,

den Geberländern, anderen Partnern der Entwicklungszusammenarbeit für die Hilfe

und Unterstützung für die Länder der Region bei der Lösung der Probleme des Aralseebeckens,

– beruhend auf den gemeinsamen Bemühungen zur Bewältigung der Folgen der Krise im Aralseebecken

beizutragen,

geben die folgende Erklärung ab:

1. Die Parteien betonen die Wichtigkeit des IFAS, dessen Aktivitäten die Möglichkeit bieten,

grundlegende Fragen der Zusammenarbeit zur Überwindung der Folgen der Krise des Aralseebeckens

zu koordinieren und zu lösen, und werden ihre Tätigkeiten und die Zusammenarbeit

mit den Institutionen des UN-Systems, einschließlich des Regionalen Zentrums für Präventive

Diplomatie der UN für die Länder Zentralasiens, und anderen internationalen Institutionen

erweitern und intensivieren.

2. Die Parteien erklären sich bereit, die Organisationsstruktur und den legalen Rahmen des IFAS

weiter zu verbessern, um so eine höhere Effektivität und bessere Interaktion mit Finanzinstitutionen

und Gebern bei der Umsetzung von Projekten und Programmen bezüglich der Aralseebeckenkrise

zu erreichen.

3. Die Parteien beauftragen das Exekutivkomitee, gemeinsam mit der Zwischenstaatlichen Kommission

für Wasserkoordinierung und der Zwischenstaatlichen Kommission für nachhaltige

Entwicklung sowie mit Beteiligung nationaler Experten und Geber, ein Aktionsprogramm für

den Zeitraum 2011 bis 2015 (Aralseebeckenprogramm 3) zur Unterstützung der Länder des

Aralseebeckens zu entwickeln und es den Gründungsstaaten des IFAS zur Betrachtung und

Genehmigung vorzulegen.

4. Die Parteien werden ihre Zusammenarbeit zur Verbesserung der ökologischen und sozio-ökonomischen

Situation im Aralseebecken fortführen.

5. Die Parteien bestätigen nochmals ihr Interesse an der Entwicklung für alle Seiten akzeptabler

Mechanismen für die integrierte Nutzung der Wasserressourcen und den Umweltschutz in

Zentralasien unter Berücksichtigung der Interessen aller Staaten der Region.

6. Die Parteien betonen, dass die konstruktiven Verhandlungen, die in Almaty in der Atmosphäre

von Offenheit und gegenseitigem Verständnis stattfanden, maßgeblich zur Weiterentwicklung

der traditionell guten Beziehungen und für alle Seiten vorteilhafter Zusammenarbeit der Gründungsstaaten

des IFAS bei der Lösung der Probleme des Aralsees beigetragen haben.

7. Die Staatsoberhäupter danken für die warme und freundliche Aufnahme durch den Präsidenten

der Republik Kasachstan N.A. Nasarbajew im gastfreundlichen Kasachstan.

Almaty, 28. April 2009

Der Präsident der Republik Kasachstan N.A. Nasarbajew

Der Präsident der Kirgisischen Republik K.S. Bakiew

Der Präsident der Republik Tadschikistan E. Rachmon

Der Präsident von Turkmenistan G.M. Berdymuchammedow

Der Präsident der Republik Usbekistan I.A. Karimow 6

6 Inoffzielle Übersetzung der Autorin

IFAS: Eine Geschichte post-sowjetischer Kooperation

57


Folglich begann EC IFAS 2010 mit der Vorbereitung der dritten Phase das Aralsee beckenprogramms

(ASBP-3) für die Jahre 2011-2015. Dieses Mal fanden breite Konsultationen

mit nationalen und internationalen Experten statt. EC IFAS befand sich im kontinuierlichen

Dialog mit der Gebergemeinschaft (vor allem der Weltbank, der Europäischen

Union, USAID, GIZ und DEZA) um deren Kommentare und Ideen zu Prioritätensetzung

und Projektvorschlägen zu berücksichtigen. Mehrere Koordinierungstreffen mit

regionalen Organisationen und Gebern wurden veranstaltet. Zusätzlich unterstützten

die Weltbank, die GIZ und die EU den Vorbereitungsprozess mit Beratern. Als übergeordnetes

Ziel des ASBP-3 wurde die Verbesserung der sozioökonomischen und ökologischen

Situation durch Anwendung der Prinzipien des Integrierten Wasserressourcenmanagements

festgelegt, um von allen akzeptierte Mechanismen für die vielfältige

Nutzung von Wasser zu entwickeln, die Umwelt in Zentralasien zu schützen und dabei

die Interessen aller Staaten der Region zu berücksichtigen.

Das ASBP-3 umfasst Projekte in vier Teilbereichen:

1. Integriertes Wasserressourcenmanagement

2. Umweltschutz

3. Sozio-ökonomische Entwicklung

4. Verbesserung der institutionellen und legalen Instrumente.

Für die Auswahl der Projekte wurden folgende Kriterien festgelegt:

– Nationale Projekte, die vorwiegend vom jeweiligen Staatshaushalt finanziert werden

– Regionale Projekte, die in mindestens zwei Staaten implementiert werden

– Ausrichtung auf die Ziele des ASBP-3

– Zuordnung zu einem der Teilbereiche des ASBP-3

– Bezug zu den jeweiligen nationalen und regionalen Zielen und Programmen.

Insgesamt wurden 335 Projektvorschläge bei EC IFAS eingereicht. In einem konsultativen

Prozess mit der Gebergemeinschaft und allen Interessensvertretern wurden die

vorgeschlagenen Projekte thematisch gebündelt und zusammengefasst. Letztendlich

wurden 45 Projekte als Teile des ASBP-3 ausgewählt. Für diese Projekte sucht EC IFAS

die notwendige Finanzierung.

Der letztendliche Entwurf des ASBP-3 wurde im Dezember 2010 der Gebergemeinschaft

und dem Vorstand des IFAS präsentiert. Geber und internationale Organisationen

haben ihre Unterstützung für ASBP-3 in einer gemeinsamen Erklärung bekundet.

In dieser Erklärung begrüßen die Geber die enge Zusammenarbeit mit dem IFAS.

58

Das Gipfeltreffen 2009 und der Reformprozess


Die Rolle internationaler Akteure

Schon im vorigen Kapitel wurde deutlich, dass internationale Akteure seit der Unabhängigkeit

der zentralasiatischen Republiken im grenzüberschreitenden Wassermanagement

involviert waren. Es ist unmöglich, hier alle ihre Aktivitäten zu beschreiben.

Dieses Kapitel will lediglich einige Beispiele von den wichtigsten Gebern und ihren

Aktivitäten geben, jenseits der direkten Unterstützung für IFAS und ASBP-3, die bereits

oben erwähnt wurden.

Modernisierung der Infrastruktur für bessere Wassereffizienz

Es wurde bereits angeführt, dass der schlechte Zustand der Infrastruktur und ineffiziente

Bewässerungstechniken ein häufiger Grund für den hohen Wasserverbrauch in Zentralasien

sind. Deswegen haben viele Geber in die Modernisierung der Bewässerungsanlagen

und neue Technologien investiert. Da Landwirtschaft ein wichtiger Erwerbszweig

ist, trägt dies nicht nur zu effizienterer Wassernutzung bei, sondern auch zur

Verbesserung der ländlichen Existenzgrundlage. Geber haben auch Projekte zur Modernisierung

von Wasserkraftwerken finanziert, um ihre Effizienz und Produktion zu steigern,

sowie den Bau einiger neuer Wasserkraftwerke, vor allem Kleinkraftwerke. Nichtsdestotrotz

sind sich alle Geber einig, dass technische Verbesserungen und mehr Effizienz

alleine die Wasserprobleme Zentralasiens nicht lösen können. Es kann nur eine Komponente

in einem breiteren Ansatz sein, der Management und Verwaltungsreformen auf

lokaler, nationaler und regionaler Ebene umfasst. Deswegen kombinieren viele Geber

technische Hilfen mit Unterstützung zum Institutionenaufbau. So fördern die Weltbank,

ADB, USAID und andere zum Beispiel die Gründung von Wassernutzervereinigungen,

die dann auf lokaler Ebene für die Pflege der renovierten Kanäle verantwortlich sind.

i

IWRM: Integriertes Wasserressourcenmanagement

Seit den frühen 1990ern hat sich das Konzept des Integrierten Wasserressourcenmanagements

(IWRM) zu einem der wichtigsten Konzepte im internationalen Diskurs über nachhaltiges

Wassermanagement entwickelt und stellt heute dessen Idealtyp dar.

Die Agenda 21 des Erdgipfels in Rio de Janeiro 1992 hielt fest: »die weitverbreitete

Knappheit, die allmähliche Zerstörung und die zunehmende Verschmutzung der Süßwasserressourcen

in vielen Regionen der Erde im Verbund mit der kontinuierlichen Zunahme

unverträglicher Tätigkeiten machen eine integrierte Planung und Bewirtschaftung der

Die Rolle internationaler Akteure 59


Wasserressourcen erforderlich. Bei einer solchen integrierten Vorgehensweise müssen alle

Arten von miteinander in Wechselbeziehung stehenden Süßwassergewässer, und zwar sowohl

Oberflächengewässer als auch Grundwasservorkommen, einbezogen und Mengen- und

Güteaspekte gebührend berücksichtigt werden. Der sektorübergreifende Charakter der Wasserwirtschaft

im Gesamtzusammenhang der sozioökonomischen Entwicklung muss ebenso

anerkannt werden wie die unterschiedlichen Interessen dienende Nutzung der Gewässer,

etwa für die Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung, die Landwirtschaft, die Industrie

und die Entwicklung der Städte, die Erzeugung von Wasserkraft, die Binnenfischerei und

das Verkehrswesen, Freizeit- und Erholungszwecke, die Bewirtschaftung von tiefliegenden

und Flachlandgebieten und für andere Aktivitäten. (…)« (Kapitel 18.3 der Agenda 21).

In diesem Sinne ist die Grundannahme von IWRM, dass die verschiedenen Nutzungen

von Wasser (für Landwirtschaft, Industrie, Trinkwasser, Umweltdienstleistungen, usw.)

miteinander verflochten sind und deswegen auch gesamthaft verwaltet werden sollten. Dies

erfordert einen partizipativen Ansatz in der Entscheidungsfindung, in der Planung und

der Umsetzung, der alle relevanten Interessensgruppen einbezieht um deren Anliegen zu

berücksichtigen. Die Global Water Partnership (GWP) hat IWRM als einen Prozess definiert

der darauf abzielt, koordinierte Entwicklung und Management von Wasser, Land und

zugehörigen Ressourcen zu gewährleisten und dabei die ökonomische und soziale Wohlfahrt

zu maximieren, ohne die Nachhaltigkeit lebenswichtiger Umweltsysteme zu beeinträchtigen«.

Es gibt jedoch keine allgemeingültige Definition von IWRM. Normalerweise

werden folgende Prinzipen darunter gefasst:

– Hydrographisches Management der Wasserressourcen auf Ebene des Flussbeckens oder

Einzugsgebietes und nicht nach Verwaltungsgrenzen

– Integriertes Management, das alle Wasserquellen (Grundwasser, Oberflächenwasser,

Niederschlag, Küstenressourcen, etc.) und sowohl Quantitäts- als auch Qualitätsaspekte

einbezieht

– Intersektorales Management, das die verschiedenen Wirtschaftssektoren sowie Oberund

Unterlieger umfasst

– Nachfrageorientiertes Management, das Kostendeckungsmechanismen und wassereffiziente

Technologien einschließt

– Partizipatives Management, das sicherstellt, dass die Bedürfnisse aller Interessensgruppen

berücksichtigt werden, um gerechten Wasserzugang zu gewährleisten

– Dezentralisiertes Management auf der niedrigsten angemessenen Ebene.

Es ist wichtig festzuhalten, dass diese Prinzipien nicht als strikte Regeln anzusehen sind, die

weltweit einheitlich angewendet werden sollen. Vielmehr stellen sie eine Grundlage dar um

spezifische Regeln, die den jeweiligen Bedingungen und Bedürfnissen angepasst sind, zu

formulieren.

Der Implementierungsplan des Weltgipfels zur nachhaltigen Entwicklung, der 2002

im südafrikanischen Johannesburg stattfand, forderte alle Länder auf, bis 2005 Pläne für

IWRM und Wassereffizienz zu entwickeln. Auch in Zentralasien begann man, IWRM zu

implementieren. Wie in allen anderen Ländern zeigte sich, dass dies ein äußerst anspruchsvolles

Vorhaben ist, das in der Umsetzung auf viele Hürden stößt. Viele Prinzipien des

IWRM stehen im Widerspruch zu etablierten fragmentierten, sektoralen und top-down

60 Modernisierung der Infrastruktur für bessere Wassereffizienz


Ansätzen. Insofern ist es nicht erstaunlich, dass die Realisierung oft nur langsam vorankommt

und der Weg zu den IWRM-Idealen ein langer Prozess ist.

Alle zentralasiatischen Staaten haben die Bedeutung der IWRM-Prinzipien anerkannt.

Bisher hat – abgesehen von Kasachstan – noch kein Land einen übergreifenden, kohärenten

und durchführbaren IWRM-Plan oder eine Strategie auf Regierungsebene mit angemessener

Finanzierung und konkreter Umsetzung. Aber alle Länder haben bereits Maßnahmen dafür

ergriffen, die oft von Gebern unterstützt wurden und werden. Die tadschikische Regierung

hat Ende 2009 eine Regierungserklärung zur Entwicklung einer IWRM-Strategie veröffentlicht.

Auch Usbekistan hat 2009 mit der Vorbereitung eines IWRM-Plans begonnen und wird

dabei vom UNDP unterstützt. Das kirgisische Wassergesetzbuch von 2005 verordnet IWRM-

Elemente wie die Einrichtung eines intersektoralen koordinierenden Nationalen Wasserrates

und die Festlegung von Flussbecken mit der Ernennung von Flussbeckenverwaltungen und

Flussbeckenräten. Aber bisher wurden diese Bestimmungen noch nicht umgesetzt. Turkmenistan

hat im August 2011 eine Arbeitsgruppe einberufen, um einen IWRM-Fahrplan zu

erstellen. Am weitesten fortgeschritten ist der Prozess in Kasachstan. Dort wurde mit der

Gründung von acht Flussbeckenverwaltungen hydrographisches Management auf Flussbeckenebene

eingeführt. Das Wassergesetzbuch sieht auch die Gründung von Flussbeckenräten

als beratende Organe vor, die in einigen Gebieten bereits gegründet wurden. Im Rahmen

der EU Wasserinitiative haben die meisten zentralasiatischen Länder Nationale Politikdialoge

zu IWRM gestartet, die von der UNECE organisiert werden. Daneben gibt es zahllose

Projekte unter dem Label »IWRM«, die sich oft einem bestimmten Aspekt widmen wie der

Gründung von Wassernutzervereinigungen auf lokaler Ebene, Flussbeckenmanagement,

kleinen Wasserkraftwerken oder ländlicher Wasserversorgung. Dass verschiedene Geber und

Regierungsbehörden dabei ein unterschiedliches Verständnis von IWRM haben, liegt in der

Natur des Konzeptes. Es macht noch einmal deutlich, dass ein nationaler Rahmen, in den

diese Aktivitäten eingeordnet und koordiniert werden, wichtig ist. 1

Förderung lokalen grenzüberschreitenden Wassermanagements

Die weltweite Erfahrung hat gezeigt, dass Konflikte um Wasser eher auf lokaler Ebene

ausbrechen als auf zwischenstaatlicher Ebene. Während die großen grenzüberschreitenden

Flüsse in Zentralasien seit langem Aufmerksamkeit erfahren, haben Geber auch

begonnen, das gemeinsame Management kleiner grenzüberschreitender Flüsse und von

Kanälen und Flüssen in Grenzregionen zu fördern. So finanziert die Schweizer Direktion

für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) seit 2001 ein Projekt zur Einführung

Integrierten Wasserressourcenmanagements (IWRM) im Ferganatal. Es wird vom SIC

ICWC gemeinsam mit dem Internationalen Wassermanagement-Institut (IWMI) in den

kirgisischen, tadschikischen und usbekischen Teilen des Tals durchgeführt. Das Ziel

ist die Verbesserung und Umstrukturierung der institutionellen Regelungen, z.B. durch

1 EuropeAid 2010; Nikolayenko 2009.

Die Rolle internationaler Akteure 61


die Gründung von Wassernutzervereinigungen und verbesserte Zuteilungsmechanismen

zwischen den Nutzern. Das Projekt beinhaltet auch technische Komponenten zur

Wassereinsparung und Steigerung der Produktivität. In den Pilotgebieten des Projekts

hat sich der Wasserverbrauch um 20 % verringert – durch institutionelle Reformen und

gesteigertes Bewusstsein der zuständigen Beamten und der Nutzer. 2

Im Rahmen des Programms »Grenzüberschreitendes Wassermanagement in Zentralasien«

der GIZ widmet sich eine Komponente speziell kleinen grenzüberschreitenden

Flüssen, um an diesen allgemeine grundlegende Prinzipien des Flussbeckenmanagements

anzuwenden. In den Isfara- und Chodscha-Bakirgan-Becken, die beide von

Tadschikistan und Kirgistan geteilt werden, unterstützt das Programm die Anrainer in

gemeinsamer grenzüberschreitender Flussbeckenplanung und Management. Ein Rahmenvertrag

über die Einrichtung einer gemeinsamen Wasserkommission wurde bereits

entworfen. Beide Länder sammeln, speichern und verwenden ihre Daten zu diesen Flüssen

nun in einer kompatiblen Weise. 3

Verbesserung von Datenverfügbarkeit und Datenaustausch

Eines der wesentlichen Hindernisse für regionale Wasserkooperation ist der Mangel an

zuverlässigen Daten. Das betrifft auf der einen Seite fehlende Beobachtungs- und Messdaten

aufgrund der Stilllegung von Messstationen, vor allem in den Bergregionen, in

denen sich der Abfluss bildet. Auf der anderen Seite bezieht es sich auf das Fehlen eines

beckenweit akzeptierten Systems zum Datenaustausch. Ein erster Schritt zum Aufbau

von Vertrauen und zur Initiierung von Kooperation ist oft die gegenseitige Zurverfügungstellung

von Daten und Planungen, weswegen viele Geber in diesem Feld aktiv sind.

Seit 2003 unterhält CAREWIB (Zentralasiatische regionale Wasserinformationsbasis)

ein Internetportal mit Informationen und Datenbanken zu Wasser und Umwelt in

Zentralasien, aktuelle Abflussdaten eingeschlossen. Finanziert wird CAREWIB größtenteils

von der DEZA und durchgeführt vom SIC ICWC in Kooperation mit UNECE und

GRID Arendal. Im Rahmen ihres regionalen zentralasiatischen Entwicklungsprogramms

für Wasser und Energie (CAEWDP) fördert die Weltbank die hydrometeorologischen

Dienste in Kirgistan und Tadschikistan sowie deren regionale Koordinierung. Eine

wichtige Komponente des deutschen »Berliner Prozesses« ist das regionale Forschungsnetzwerk

»Wasser in Zentralasien« (CAWa), das vom GeoForschungsZentrum Potsdam

zusammen mit dem Zentralasiatischen Institut für Angewandte Geowissenschaften

(CAIAG) in Bischkek koordiniert wird. Ziel des Netzwerkes und seiner Projekte ist, zu

einer verlässlichen wissenschaftlichen Datenbasis in der Region beizutragen, auf Grundlage

derer dann nachhaltige Wassermanagementstrategien entwickelt werden können.

2 See http://www.swiss-cooperation.admin.ch/centralasia/en/Home/Regional_Activities/Integrated_Water_

Resour ces_Management.

3 Siehe www.waterca.org

62 Verbesserung von Datenverfügbarkeit und Datenaustausch


Dazu werden unter anderen hydrometeorologische Messstationen aufgebaut und die

Auswirkungen des Klimawandels analysiert. 4

Schaffung von Plattformen für Dialog und Austausch

Die Entwicklung von IFAS und anderen regionalen Institutionen hat gezeigt, dass gegenseitiges

Misstrauen und fehlende positive Wahrnehmung der Vorteile ein wesentliches

Hindernis für regionale Kooperation sind. Deswegen versuchen Geber immer wieder

Foren für politischen Dialog zu bieten – zum Beispiel durch die Finanzierung und Organisation

regionaler Konferenzen. So hat die Europäische Union, basierend auf ihrer Strategie

für eine neue Partnerschaft mit Zentralasien von 2007, eine EU-Zentralasien-Plattform

zu Umwelt und Wasser mit regelmäßigen Ministerkonferenzen und Expertentreffen

ins Leben gerufen. Das regionale Zentrum für präventive Diplomatie der Vereinten

Na tionen (UNRCCA) hat regelmäßigen Kontakt mit den politischen Führungsebenen

zu Wasserkooperation. Die UNECE Wasserkonvention bringt Wasserexperten aus Zentralasien

und dem Kaukasus, auch von Ländern, die der Konvention noch nicht beigetreten

sind, zusammen. Die Weltbank hat, im Rahmen der beiden Studien zum kontroversen

Roghun-Staudammprojekt in Tadschikistan, einen strukturierten Konsultationsprozess

etabliert, u.a. mit Informations- und Austauschtreffen mit Vertretern von Regierungen

und Zivilgesellschaft aller betroffenen Länder. 5 Diese Konferenzen und Treffen und ihre

abschließenden Erklärungen sind oft nicht bindend und haben keine konkreten Ergebnisse.

Aber man darf ihren Beitrag zur regionalen Vertrauensbildung, zur Minderung von

Misstrauen und zur Annäherung an internationale Prinzipien und Praktiken nicht unterschätzen.

Denn ein Scheitern der Zusammenarbeit wurzelt oft nicht in einem Widerstreben

zu kooperieren oder zu teilen, sondern in einem Mangel an Vertrauen. Aus diesem

Grund ist es wichtig, dass internationale Akteure Foren bieten, wo sich hochrangige Politiker

und Experten treffen und ihre Ansichten austauschen können.

Dies waren nur einige wenige Beispiele und nicht eine erschöpfende Liste der vielfältigen

Aktivitäten und des Engagements der Geber. Ihre Aktivitäten, vorausgesetzt sie sind

gut koordiniert, sind nicht konkurrierend sondern ergänzen sich gegenseitig. Unabhängige,

als neutral wahrgenommene dritte Parteien können eine positive Rolle bei der Etablierung

grenzüberschreitenden Wassermanagements spielen. Internationale Akteure

haben Kooperation unterstützt und zusätzliche Anreize und Vorteile für die Anrainerstaaten

geschaffen. Aber auch wenn sie damit förderliche Bedingungen für regionale

Kooperation schaffen, so muss doch die Kooperation selbst von den Anrainerstaaten

ausgehen und hängt von deren Verhalten und Willen ab.

4 Siehe http://www.cawater-info.net, http://go.worldbank.org/OG3ADWOAK0, http://www.cawa-project.net/.

5 Siehe http://ec.europa.eu/europeaid/where/asia/regional-cooperation-central-asia/index_en.htm, http://

unrcca.unmissions.org/, http://go.worldbank.org/ZQXIA8J0H0.

Die Rolle internationaler Akteure 63



Schlussfolgerung

Seit ihrer Unabhängigkeit vor 20 Jahren haben die zentralasiatischen Staaten gewaltige

Anstrengungen unternommen, um das schwere ökologische Erbe der Sowjetunion zu

bewältigen und die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Auch wenn beim Aufbau

regionaler Kooperation und der Verhinderung von Konflikten über Wasser einige

Erfolge erreicht wurden, trocknet der südliche Teil des Aralsees weiter aus und eine

nachhaltige Regelung für Wassernutzung und Wasserverteilung wurde noch nicht

gefunden. Afghanistan ist bisher nicht in die regionalen Strukturen einbezogen. Zudem

behandeln die regionalen Vereinbarungen und Handlungen oft eher ad hoc die Frage der

Wasserverteilung, während Fragen der Wasserqualität und des Stauseebetriebs außen

vor bleiben. Umfassende regionale Messsysteme existieren weder für Wassermengen,

Wasserqualität noch für Grundwasser. Die enge Verknüpfung von Wasser und Energie

wird nicht ausreichend einbezogen, bzw. scheiterte als es versucht wurde.

Trotzdem ist das Aralseebecken auch ein Beispiel dafür, wie gemeinsame Wasserressourcen

zu einem Prozess der Kooperation führen können, auch unter schwierigen

Rahmenbedingungen. Auch wenn die Ergebnisse dieses Prozesses noch unbefriedigend

sind, so haben die aufgebauten Institutionen doch als eine Art »Sicherheitsgurt« 1 gedient,

um Konflikte zu verhindern. Die Präsidenten der Länder haben wiederholt ihren Willen

zu gemeinsamem Wassermanagement erklärt, wie in der Almaty Erklärung von 2009.

Internationale Akteure haben geholfen, einen Rahmen und Anreize für Zusammenarbeit

zu schaffen. Starke und effektive regionale Wasserinstitutionen, vor allem IFAS, sind

eine wichtige Stütze regionaler Stabilität.

Trotz der Probleme der Vergangenheit und der Zukunft ist Kooperation in gegenseitigem

Nutzen zu Wasser und Energieressourcen möglich. Mehr noch: gemeinsames

Handeln ist der einzige Weg, diese Herausforderungen zu bewältigen und sie von

Hindernissen zu Möglichkeiten für nachhaltige Entwicklung der Region als Ganzes

umzugestalten.

Der Weg in die Zukunft

Überall in der Welt bemühen sich Länder mit geteilten Wasserressourcen um adäquate

gemeinsame Regelungsmechanismen. In Zentralasien ist dieser Prozess mit zusätzlichen

Herausforderungen verknüpft: den katastrophalen Folgen der Austrocknung des

Aralsees, den Auswirkungen des Klimawandels, den wirtschaftlichen Zwängen in Zeiten

1 Micklin 2000: 51.

Schlussfolgerung 65


66 Der Weg in die Zukunft

von Transformation und Krise, der Gleichzeitigkeit des Aufbaus regionaler Kooperation

und interner Staatsbildung.

Weil Wasser eine so wichtige Ressource für verschiedene Sektoren ist, muss ein

ausgewogenes Wassermanagement alle diese Interessen und Bedürfnisse berücksichtigen.

Da dies bisher nicht ausreichend getan wurde, blieb die einmütige und langfristige

Unterstützung der regionalen Abkommen und Organisationen aus. Wenn Abkommen

nicht die Interessen aller Parteien berücksichtigen und von allen als gerechtfertigt

wahrgenommen werden, lässt die Implementierung und Einhaltung schnell nach und sie

schaffen es nicht, ihre Ziele zu erreichen.

Wasser ist eine äußerst wertvolle Ressource für die Menschen und die Staaten der

Region. Auf Grundlage dieser gemeinsamen Wertschätzung lassen sich weitere Schritte

in Richtung wasserbezogener Planung, Wasser-Sparmaßnahmen und Wasserproduktivität

machen, die auch die Nahrungsmittelsicherheit erhöhen. Durch ihre Beteiligung

an der Finanzierung von Infrastruktur und ihrer Modernisierung tragen internationale

Geber dazu bei, dass sich die Menge verfügbaren Wassers erhöht und Zeit besteht, um

langfristigere strukturelle Reformen in den betroffenen Sektoren auf nationaler Ebene

einzuführen. Internationale Akteure waren und werden weiterhin bereit sein, die zentralasiatischen

Länder in diesen strukturellen Veränderungen zu unterstützen. Als Mitgliedsstaaten

der UNECE können die zentralasiatischen Staaten von den Instrumenten

und der Unterstützung profitieren, die unter ihren verschiedenen Umweltkonventionen

angeboten werden, vor allem der Wasserkonvention. Sie bietet einen Rahmen aus

gemeinsamen Prinzipien, eine Plattform für Dialog und konkrete Maßnahmen zum

Kapazitätenaufbau, während gleichzeitig Raum für spezifische Vereinbarungen bleibt,

die der Situation der jeweiligen Länder angemessen sind.

Kooperation zu grenzüberschreitenden Gewässern bringt eine beachtliche

Friedensdividende. Es liegt an den zentralasiatischen Staaten, die Vorteile gemeinsamer

Kooperation zu nutzen: Stabilität und bessere sozio-ökonomische Entwicklung anstatt

der hohen Kosten völliger Autarkiepolitik und den Sicherheitsrisiken mangelnder

Kooperation. Um diese Vorteile zu nutzen braucht es Transparenz und gleichberechtigte

Beteiligung an regionalen Entscheidungsprozessen, so dass alle Interessen und

Bedürf nisse berücksichtigt werden. Eine regionale Organisation wie IFAS bietet sich als

angemessene Plattform für einen solchen Prozess an. Bisher konnte er dieses Potenzial

aufgrund von strukturellen Defiziten nicht ausschöpfen. Doch der Reformprozess, der

durch die Erklärung der zentralasiatischen Präsidenten 2009 angestoßen wurde, hat eine

historische Gelegenheit geschaffen, die regionale Kooperation wiederzubeleben und sie

auf ein robusteres Fundament zu stellen. Es wird ein langer und kein einfacher Weg sein,

die alten Gewohnheiten des gegenseitigen Misstrauens zu überwinden. Geber haben

diesen Prozess bisher unterstützt und es ist sehr wichtig, dass sie es weiterhin tun. Aber

auch wenn internationale Akteure Kooperation fördern, indem sie den Weg etwas ebnen,

sind es letztendlich die zentralasiatischen Staaten, die ihn gemeinsam gehen müssen.


Fotoessay von Alfred Diebold

»Von den Gletschern zum Aralsee – Wasser verbindet«

In diesem Katalog haben wir bisher über die Komplexität des effektiven und effizienten

Umgangs mit der Ressource Wasser gelernt. Es ging um grenzüberschreitendes Wassermanagement,

den Klimawandel, die Frage, wie internationale Konventionen dazu beitragen

können, die Zusammenarbeit in der Aralsee-Region zu verbessern, wir stellten

die regionalen Institutionen und internationale Akteure vor. Und wir haben erläutert,

wie es zur Aralsee-Katastrophe kommen konnte.

In den folgenden Kapiteln gehen wir auf Reisen: Von den Gletschern Zentralasiens zum

Aralsee. Sie beginnen in den Bergen des Tian Shan, des Pamirs und des Alaigebirges.

Wir reisen entlang des Amu Darja, des Karakumkanals, dem Sarafschan und dem Syr

Darja bis wir schließlich den Aralsee erreichen.

Diese Ausstellung soll das Bewusstsein schärfen, dass nur gegenseitiges Verständnis

und gemeinsame Programme zu besseren Ergebnissen für alle Seiten führen. Es sind

die Menschen in der Region, die im Zentrum all unserer Entwicklungsanstrengungen

stehen müssen. Denn sie sind es, die letztlich den Ausschlag geben.

Fotoessay Vorwort

67


68


Pamir / Amu Darja

Fotoessay Pamir / Amu Darja

69


Pamir / Amu Darja

Eine Reise von den Gletschern Zentralasiens zum Aralsee kann nur in großer Höhe

beginnen, am besten mit einem Hubschrauber. Dass ein solches Fluggerät Pässe von

über 5 500 m überfliegen kann, habe ich bis August 2011 auch nicht gewusst. »Nimm

die Tüte und den Sauerstoff«, sagte Jean Schneider, ein Professor aus Österreich. Ich

war gerade dabei, das Bewusstsein zu verlieren. Wir waren auf Erkundungsreise. Große

Fragen: Wie wirkt sich der Klimawandel auf Zentralasien aus, die Gletscherschmelze,

mögliche Erdrutsche und welche anderen Gefahren auf die Region zukommen, wollen

wir beantworten. Mein Blick schweift von links nach rechts, gerade aus, zurück, nahezu

senkrecht nach unten. Noch nie konnte ich ein mächtigeres Naturschauspiel beobachten.

Der Fedschenko-Gletscher ist seit Jahrhunderten in Bewegung. Vom Helikopter

sieht man den grau-weiß-braunen Eisstrom in seiner Einmaligkeit und Größe. Gletscher

haben mit Menschen einiges gemeinsam, denke ich mir. Es gibt große und kleine,

junge und alte. Keiner schaut genauso aus wie der andere. Und der Fedschenko ragt

heraus, vielleicht ist er die Mutter aller Gletscher außerhalb der Arktis und Antarktis.

Einer der längsten mit 70 km sowieso und mit Formen und Farben, wie man sie in der

Gegenwartskunst wiederfindet. Er liegt nicht weit entfernt vom Sarez-See, dem berühmten

Bergsee, den es gerade mal 100 Jahre gibt. Durch ein Erdrutsch ist er entstanden. Wie

tiefblau Wasser aussehen kann! Der Pamir, dieses junge Gebirge, ist ständig durch seismische

Aktivität bedroht. Gletscherseen können brechen, ganze Abhänge sind instabil.

Wo Gletscher sind, gibt es Wasser, und dieses wird entlang der Flüsse, wie dem Pandsch,

der Afghanistan und Tadschikistan teilt, für die Landwirtschaft genutzt. Es wird aber

auch aufgestaut, wie in Nurek, wo heute der höchste Staudamm der Welt das Vakhsch-

Tal verschließt. Wegen der Unsicherheit über die künftige Verfügbarkeit von Wasser

wird über weitere Wasserreservoire und Wasserkraftwerke nachgedacht. Projekt ideen

liegen vor, um die Flüsse weiter zu regulieren, so dass Wasser demnächst noch effizienter

und effektiver genutzt werden kann. Ein Ausgleich der Interessen zwischen Wasserenergiegewinnung

und Bewässerung muss gefunden werden.

Die Hauptstadt Duschanbe folgt den anderen Hauptstädte der Region. Auch sie

erneuert sich und die Staatenbildung schreitet fort. Präsident Rachmon, der nach einem

blutigen Bürgerkrieg Anfang der 90er an die Macht kam, wirbt für sein Lieblingsprojekt,

den Rogun-Staudamm, oberhalb von Nurek. Tausend Kilometer weiter liegt die alte

Oasenstadt Khiva in Usbekistan ganz in der Nähe des wasserreichsten Flusses Zentralasiens,

dem Amu Darja. Der Markt, die Altstadt, die Denkmäler sind Anziehungspunkte.

Menschen aus aller Welt kommen hierher, auch Reisegruppen aus dem bevölkerungsreichen

Ferghana-Tal. Hier wird klar, dass diese Region schon vor fast 1 000 Jahren eine

Hochkultur erlebt hat. Dass es hier die süßesten Wassermelonen und die größten Kürbisse

gibt, überrascht nicht, wenn man weiß, dass die Sonne immer scheint.

70 Fotoessay Pamir / Amu Darja


Orte, an den Fotos aufgenommen wurden

Fotoessay Pamir / Amu Darja

71


72 Sarezsee, Pamir, Tadschikistan


73


74 Oben: Pamirberge Unten: Hochgebirge mit Gletschern, Pamir, Tadschikistan


Sarezsee, Pamir, Tadschikistan

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76 Fedschenko Gletscher, Pamir, Tadschikistan


77


78 Gletscher an einem Gebirgspass, Pamir, Tadschikistan


Gletscherschnauze Fedchenko, Pamir Tadschikistan

79


80 Gletscher in den Pamirbergen, Tadschikistan


Gletscher in den Pamirbergen, Tadschikistan

81


82 Oben: Grenzfluss Pandsch nahe Khorog Unten: Grenzfluss Pandsch


Oben: Brücke über den Pandsch bei Khorog, im Hintergrund Tadschikistan, im Vordergrund Afghanistan Unten: Fluss Pandsch mit Khorog

83


84 Vachschtal, Tadschikistan


Dorf Rogun und Baustelle, Tadschikistan

85


86 Mündung des Flusses Vachsch in den Nurek Staudamm, Tadschikistan


87


88 Blick vom Nurek-Staudamm über das Kraftwerk, Tadschikistan


Turbinenhaus, Nurek-Staudamm, Tadschikistan

89


90 neue Hausbauprojekte entlang des Flusses Warzob, nördlich von Duschanbe, Tadschikistan


Denkmal am Platz der Freiheit, Duschanbe, Tadschikistan

91


92 Freundinnen in Duschanbe, Tadschikistan


sowjetische Architektur, Duschanbe, Tadschikistan

93


94 Werbung für Rogun mit Präsident Rachmon, Duschanbe, Tadschikistan


Denkmal des Nationalhelden Somoni Ismoil direkt auf dem Platz der Freiheit, Duschanbe, Tadschikistan

95


96 Baumwollernte in Zentralasien


Baumwollernte in Zentralasien

97


98 Markt entlang der Stadtmauer, Khiva, Usbekistan


99


100 Transport von Wassermelonen, Usbekistan


Kürbisse und Wassermelonen auf dem Markt in Khiva, Usbekistan

101


102 Kalta Minor, noch im Bau befindliches Minarett, Khiva, Usbekistan


103


104 Holzpfeiler in der Djuma Moschee, Khiva, Usbekistan, Detail


Holzpfeiler in der Djuma Moschee, Khiva, Usbekistan

105


106 Frauen aus dem Ferghanatal auf einem Stadtrundgang in Khiva, Usbekistan


Frauen aus dem Ferghanatal auf einem Stadtrundgang in Khiva, Usbekistan

107


108 Leben um die Jahrhundertwende in Khiva (Gemälde), Usbekistan, (Minarett Kalta Minor, Khiva)


Minarett Islam Khoje, Khiva, Usbekistan

109


110


Karakumkanal

Fotoessay Karakumkanal

111


Karakumkanal

Dieser Kanal veränderte nicht nur das Leben in Turkmenistan. Er veränderte die ganze

Region. Mit dem Bau des Kanals wurde Wasser in die turkmenische Wüste geleitet, das

vorher in den Aralsee floss. Die Auswirkungen von Stalins Programm zur Umgestaltung

der Natur, zugunsten des Anbaus von Baumwolle, kann auf einer Länge von über

1 000 Kilometer »bewundert« werden und natürlich auch am Aralsee. Als ich 1992 Ende

Februar in Aschgabat ankam, war es eisig kalt. In dem gas- und ölreichen Land funktionierte

damals so gut wie nichts mehr. Alles wirkte ländlich arm, improvisiert, nur

das Teppichmuseum, wo sich James Baker, der damalige amerikanische Außenminister,

in das Gästebuch eingetragen hatte, zeugte noch von ein wenig Stolz. Mit der Unabhängigkeit

von der Sowjetunion begann die Staatenbildung und der Umbau der Hauptstadt.

Der damalige Präsident Niasov, ein lebenslustiger Mann, hieß uns willkommen

in seinem Land. Seine Visionen hat er schnell umgesetzt. Personenkult verbunden mit

öffentlichem Reichtum und privater Armut wurde für jeden Besucher sichtbar. Große

neue Gebäude mit Marmorfassaden wurden hochgezogen. Kein Ort der Welt hat sich

mehr verändert als diese Stadt mitten in der Wüste. Was man mit Geld machen kann,

ist hier überall im Stadtzentrum, wo man keine Leute antrifft, zu sehen. Doch die Menschen

sind sich ihrer Traditionen bewusst und ihren Gewohnheiten treu geblieben. Die

Nationaltrachten sind farbig und geben Zeugnis von Lebensfreude. Feste werden gefeiert,

Männer und Frauen haben die Aufgaben untereinander aufgeteilt. Hier sieht man

es am besten: Überall wo es Wasser gibt, da gibt es auch Leben. Wie In Merw, dem

geschichtsträchtigen Ort mit Weltkulturerbestatus. Links und rechts der Straße liegen

die Baumwollfelder. Die turkmenische Baumwolle gilt als die beste in ganz Zentralasien.

Die wenigen verbliebenen Brachflächen werden von Kamelen, Ziegen und Schafen

bevölkert. Sie trotzen der Hitze. Wer durch die Wüste von Aschgabat nach Norden reist,

kann auch ein einmaliges Naturschauspiel beobachten. Der Boden brennt. Gas, das sich

entzündet hat, strömt seit über 20 Jahren aus dem Inneren der Erde. Dieser Krater, von

Menschenhand geschaffen und eine außergewöhnliche Sehenswürdigkeit, soll angeblich

zugeschüttet werden. Reminiszenzen an die Sowjetunion finden sich nicht nur am

Krater sondern auch am Kara-Bogas-Gol. Die Glaubersalzminen, einst profitable Anlagen,

reihen sich heute in die lange Liste der Umweltkatastrophen, die die Sowjetunion

in vielen Staaten hinterlassen hat. Auf dem Weg zurück ins Hochgebirge zu den Quellen

des Sarafschan fliegen ich über den Amu Darja, der links und rechts durch die Wüste im

Flussbett gehalten wird.

112 Fotoessay Karakumkanal


Orte, an den Fotos aufgenommen wurden

Fotoessay Karakumkanal

113


114 Kamele in der Mittagshitze, Mari, Turkmenistan


115


116 Staudamm am Murghabfluss nahe Gulja, Turkmenistan


Merv, Schloss Kyz Kala, Weltkulturerbestätte, Turkmenistan

117


118 Oben: Gore Tepe, Weltkulturerbestätte, Turkmenistan Unten: Baumwollanbau, Mari, Turkmenistan


Oben: Ziegen und Schafe am Rande der Wüste, Mari, Turkmenistan Unten: Baumwolle, Mari, Turkmenistan

119


120 Nachmittagstee eines alten Turkmenen vor der großen Feier, Gulja, Turkmenistan


121


122 Vorbereitungen für die Festlichkeiten, Gulja, Turkmenistan


Vorbereitungen für die Feierlichkeiten, Gulja, Turkmenistan

123


124 Karakumkanal nahe der Flüsse Ashgabat und Murghab in der Nähe von Gulja, Turkmenistan


Karakumkanal nahe des Ashgabat und seinen Nebenarmen in der Marioase, Turkmenistan

125


126 Straßenszenen in Aschgabat, Turkmenistan


Straßenszenen in Aschgabat, Turkmenistan

127


128 zentraler Platz in Aschgabat mit kleinem Turkmenbaschi auf einem Globus, Turkmenistan


Oben: Aschgabat Unten: Blick auf das Parlament mit Oguz-Khan-Statue (Großvater der Nation) in Aschgabat, Turkmenistan

129


130 Marktszene in Aschgabat, Turkmenistan


131


132 Oben: Frauen in traditioneller Nationalkleidung des Karakumkanals, Turkmenistan Unten: turkmenische Nationalflagge vor neuen Häusern


Oben: Flaggenständer vor dem Nationalmuseum, Aschgabat Unten: Junge Frauen am »Wassertag«, Aschgabat, Turkmenistan

133


134 Männer, Frauen und Kinder in nationaler Kleidung. »Wassertag«, Aschgabat, Turkmenistan


Dutarspieler in turkmenischer Nationalkleidung. »Wassertag«, Aschgabat, Turkmenistan

135


136 Parlamentsgebäude, Aschgabat, Turkmenistan


137


138 Aschgabat bei Nacht, Turkmenistan


Aschgabat bei Nacht, Turkmenistan

139


140 Gaskrater Darvasa in der Mitte der turkmenischen Wüste


Gaskrater Darvasa in der Mitte der turkmenischen Wüste

141


142 Junges turkmenisches Mädchen am Rande des Gaskraters Darvasa


Salzwinde am Kara-Bogas-Gol, Turkmenistan

143


144 Salzmine, Kara-Bogas-Gol, Turkmenistan


Kriegsdenkmal und Salzmine, Kara-Bogas-Gol, Turkmenistan

145


146 Blick aus dem Flugzeug auf den Amu Darja auf dem Weg von Almaty nach Aschgabat, Turkmenistan


147


148


Alai / Sarafschan

Fotoessay Alai / Sarafschan

149


Alai / Sarafschan

Zwischen Amu Darja und Syr Darja fließt der Sarafschan. Auch dieser Fluß entspringt

im Hochgebirge. Wer mit dem Flugzeug von Duschanbe nach Bischkek (der Hauptstadt

Kirgistans) fliegt, kann sich ein Bild machen. Es ist schon verwunderlich, dass das ganze

Tal bevölkert ist. Es ist unwirtlich und die steilen Berge stellen eine Bedrohung für die

kleinen Oasen dar. Die Regierung in Duschanbe macht sich wegen möglicher Bergrutsche

Sorgen. Doch die Menschen wollen hier bleiben. Seit Jahrhunderten wurde den

Bergen Ackerland abgerungen, das heute durch ein effektives System bewässert wird.

Die Menschen haben sich ihre Traditionen bewahrt. Esel sind Lasttier und Fortbewegungsmittel

zugleich. Als Fremder ist man herzlich willkommen in dieser völlig abgelegenen

Gegend, wo noch nie Touristen gesehen wurden. Auch das macht das obere

Sarafschan-Tal so einmalig. Ein Problem ist die Energieversorgung. Zu Zeiten der Sowjetunion

wurden die Dörfer noch versorgt, aber nach der Unabhängigkeit ist ein Großteil

der Infrastruktur wegen mangelnder Wartung zusammengebrochen. Heute müssen

sich die Dörfer selber helfen. Ein kleines Wasserkraftwerk wird gebaut. Die Männer von

Dashdi Obodon arbeiten mit einfachen Werkzeugen, so wird die stromfreie Zeit bald

der Vergangenheit angehören. Die Kinder der Dorfschule werden wohl bald mit Computern

arbeiten und das Krankenhaus vielleicht mit einem Ultraschallgerät ausgestattet

sein. Das Dorf hat große Pläne. Dabei baut man auch auf die Zusammenarbeit mit der

deutschen GIZ, der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit.

Verlässt man die Bergregion und folgt dem Flusslauf kommt man bald nach

Samarkand. Diese alte sagenumwobene Stadt, die weltweite Beachtung gefunden hat,

ist heute eine Industriestadt, die noch von ihrem klingenden Namen lebt. Der Registan

ist die Sehenswürdigkeit Usbekistans. Es ist ein prächtiger Platz mit drei Medressen,

islamischen Hochschulen,die zwischen 1450 und 1660 gebaut wurden. Ein paar hundert

Kilometer weiter nach Westen liegt Bukhara. In dieser Gegend verläuft sich der Sarafschan

in der Wüste, dort wo Baumwollfelder bis zum Horizont reichen. Auffällig wie

hier Geschichte und Gegenwart aufeinander treffen. Das Kalon Minarett und Zitadelle

zeugen von großartiger Architektur und einer bewegten Vergangenheit. Uralte Wasserbecken

inmitten der Altstadt werden heute von Kindern als Swimmingpool benutzt.

150 Fotoessay Alai / Sarafschan


Orte, an denen Fotos aufgenommen wurden

Fotoessay Alai / Sarafschan

151


152 Blick vom Flugzeug aus aufs Tal und die Gletscher des Sarafschan, Tadschikistan


153


154 Oase oberhalb des Flusses Sarafschan


Brücke über den Sarafschan, Tadschikistan

155


156 Oben: Alter Bergbewohner vor einem Autowrack sitzend Unten: Esel in Daschdi Obodon


Oben: Auf dem Bergpass in Ayn Unten: Begegnung in Daschdi Obodon, Tadschikistan

157


158 Bauarbeiter an einer Baustelle für das Micro-Wasserkraftwerk, Daschdi Obodon, Tadschikistan


Oben: Präsentation des Bauplans Unten: Bauarbeiter in Daschdi Obodon, Tadschikistan

159


160 Wasserstelle in der Mitte des Dorfes Daschdi Obodon


Dörfer im Sarafschantal, Tadschikistan

161


162 bunte Kleider im Hof, Daschdi Obodon


Mädchen in Daschdi Obodon, Tadschikistan

163


164 Aufenthalt in Daschdi Obodon, Tadschikistan


Aufenthalt in Daschdi Obodon, Tadschikistan

165


166 Dorfschule, Daschdi Obodon, Tadschikistan


167


168 Jungen in der Schule von Daschdi Obodon, Tadschikistan


Mädchen in der Schule von Daschdi Obodon, Tadschikistan

169


170 Registanplatz in Samarkand bei Nacht


Registanplatz in Samarkand tagsüber, Usbekistan

171


172 Eingang zur Medresa (Koranschule einer Moschee) in Buchara, Usbekistan


173


174 Kalyan Minarett Kalon Moschee, Buchara, Usbekistan


Oben rechts: Festung Darunter: Dom der Kalon Moschee Oben links: Dom der Miri Arab Medresa Unten: Besucher am Eingang

175


176 Junge Männer in Buchara, Usbekistan


Kinder im Schwimmbecken/Bassin in Buchara, Usbekistan

177


178 Festung von Buchara, Usbekistan


179


180 Frauen in Buchara, Usbekistan


Frauen in Buchara, Usbekistan

181


182 Frauen in Buchara, Usbekistan


Männer in Buchara, Usbekistan

183


184


Tian Shan / Syr Darja

Fotoessay Tian Shan / Syr Darja

185


Tian Shan / Syr Darja

Im Hochgebirge Kirgistans entspringt der geschichtsträchtige Syr Darja. Endlose Gletscher,

herrliche Gipfel, die bis über 7 000 m hoch sind, zeichnen diese Bergregion aus.

Das Phänomen des Klimawandels hat auch hier merkliche Spuren hinterlassen. Das Eis

schmilzt immer schneller von Jahr zu Jahr. Die Berge des Tian Shan sind bei Bergsteigern

beliebt, wie auch bei Minengesellschaften, die hier das begehrte Gold im Tagebau

fördern. Ein aufwändiger Prozess, bei dem viel Wasser und Zyanid zum Einsatz kommen.

Ungefährlich ist das nicht für die Umwelt, da gerade die hochgiftige Chemikalie

Risiken in sich birgt, wenn sie schließlich in Absetzbecken landet. Aber davon will man

hier oben in über 4 000 m Höhe nicht viel wissen. Über 2 000 Menschen haben in der

Mine Arbeit gefunden. Unten im Tal erfreuen sich die Nomaden des überall beliebten

Getränks Kumis. Stutenmilch schmeckt etwas stechend bitter, aber wenn man daran

denkt, dass sie heilende Kräfte in sich birgt, wird sie köstlich. Wer nach Kirgistan reist,

möchte unbedingt zum Issy-kul. Hier finden Urlauber das sauberste Wasser, die reinste

kühle Luft und ein Bergpanorama, das seinesgleichen sucht. Gerade 100 km nördlich

liegt die »singende Düne«. Es ist die Landschaft, die endlose Weite, die die Besucher in

den Bann zieht – und überall ringen die Menschen mit der Natur. Kleine Kinder sitzen

auf Pferden, sie hüten die Herde, den Schatz der Familie. Im wahrsten Sinne des Wortes,

sie leben von und mit der Natur.

Im Sommer gehen die Nomaden auf die Sommerweiden. Um den Son-kul gibt

es saftige Wiesen, auf denen die Schafsherden Nahrung finden, während die Menschen

ihren Gewohnheiten nachgehen. Ein Schaf wird geschlachtet, das traditionelle Beschbarmack

wird zubereitet. Gäste sind willkommen. Hunderte Kilometer weiter, vorbei am

bekannten Toktogulstausee durchfließt der Syr Darja das Ferghana-Tal. Hier leben, Kirgisen,

Usbeken und Tadschiken auf engstem Raum zusammen. Dem Treiben auf den

farbigen Märkten merkt man nicht an, dass diese Region von politischen Beobachtern

als Pulverfass bezeichnet wird. Hier treffen unterschiedliche Weltanschauungen und

wirtschaftliche Interessen aufeinander. Religiöser Extremismus findet einen guten Nährboden.

Auf dem Weg zum Aralsee kommt man zu der Stadt, die aus Sicht des usbekischen

Präsidenten Karimov das Zentrum Zentralasiens darstellt, Taschkent. Über zwei

Millionen Menschen leben dort. Baumwollanbau war seit Jahrzehnten das Rückgrat der

usbekischen Volkswirtschaft. Heute sind die Konsequenzen kaum zu übersehen. Die

Versalzung ganzer Landstriche setzt sich fort.

186 Fotoessay Tian Shan / Syr Darja


Locations where photos were taken

Fotoessay Tian Shan / Syr Darja

187


188 Blick aus dem Hubschrauber: Inylchek Gletscher, Kirgistan


189


190 Inylchek Gletscher, Kirgistan


Oben: Blick in Richtung Khan Tengri in Kirgistan Unten: Gletschereis, Kirgistan

191


192 Eisschmelze, Kirgistan


193


194 Kumis-Trinker (vergorene Stutenmilch) in Kirgistan


Pferde in den Bergen von Kirgistan

195


196 See Issyk Kul in Kirgistan


See Issyk Kul in Kirgistan und Straßenszene mit Verkaufsangeboten von Fisch und Gemüse in Kirgistan

197


198 Tönender Dünensand am Ily River in Altyn Emel, Kasachstan


Tönender Dünensand am Ily River in Altyn Emel, Kasachstan

199


200 Kirgisisches Mädchen beim Ziegenhüten in den Bergen


201


202 Oben: ein Mädchen hütet Ziegen Unten: eine Jurte in den Bergen, Kirgistan


ein Mann und seine Ziegenherde, Kirgistan

203


204 Oben: eine Jurte in den Bergen Unten: Nomaden am See Son Kul


Oben: Schafherde am See Son Kul Unten: Nomadenleben am See Son Kul, Kirgisistan

205


206 Bergfluss in Kirgistan


Kumtor-Goldmine im Hochgebirge von Kirgistan

207


208 Reisbauern im Ferghana-Tal, Tadschikistan


209


210 Reisbauern im Ferghana-Tal


Kuh-/Milchviehscheune auf einer Farm, Tadschikistan

211


212 Landleben nahe Khujand, Tadschikistan


Landleben nahe Khujand, Tadschikistan

213


214 Wochenmarkt von Khujand


215


216 Marktszenen


Marktszenen

217


218 Wochenmarkt in Khujand, Tadschikistan


Wochenmarkt in Khujand, Tadschikistan

219


220 Geschäftsviertel von Taschkent, Usbekistan


Fernsehturm in Taschkent, Usbekistan

221


222 Ein Telefonanruf aus der Steppe von Kasachstan


Wasserrohre entlang der Straße in Kasachstan

223


224 Bödenversalzung in der Umgebung von Kzylorda in Kasachstan


Salzkristalle

225


226


AralSee

Fotoessay Aralsee

227


Aralsee

Was mich hierherzog, weiß ich noch ganz genau. 1992 hörten wir in allen Staaten Zentralasiens

von der Aralseekatastrophe. So war es nur naheliegend, dass ich mir selbst ein

Bild davon machen wollte. Ich hatte damals, im Mai 1993 ein Flugzeug für eine Gruppe

deutscher Politiker gemietet, um nach Aralsk am Aralsee zu fliegen. Auf halber Strecke

sagte der Pilot zu mir: »Es tut mir leid, es gibt weit und breit keinen Flugplatz am

Aralsee, wir müssen in Kzyl-Orda landen«. Was tun? Am Horizent, in der Abendsonne,

stand ein Frachthelikopter der früheren Sowjetarmee. Der Pilot, ein stolzer Russe, der

in jedem Actionfilm eine Rolle finden könnte, war mit seinem kleinen Sohn unterwegs.

Glück für uns, dass er gerade nach Aralsk fliegen wollte. Er nahm uns mit und war bereit,

uns die folgenden zwei Tage die ganze Region mit seinem Hubschrauber zu zeigen. Die

Menschen in Aralsk waren von unserem Besuch nicht besonders begeistert. »Viele kommen,

stellen dumme Fragen, gehen wieder und wir bleiben – was kommt für uns dabei

heraus?«, war der Tenor. »Katastrophentourismus brauchen wir nicht«. Der See hatte

sich schon viele Kilometer von der ehemals stolzen Hafenstadt zurückgezogen. Während

des Fluges zur Kokaraldamm-Baustelle, etwa 150 km südliche Richtung, nicht weit

von Usbekistan entfernt, sahen wir die großen Frachtschiffe im Sand liegen. Es waren

Bilder, wie man sie schon so oft gesehen hat. Wir landeten genau an der Stelle, wo ich

18 Jahre später Fischer beobachten konnte, die inzwischen von einem kleinen Wunder

sprechen. Der Aralsee ist zurückgekehrt. Ein Damm wurde 2005, endlich solide gebaut,

fertiggestellt. Schnell hat sich das Ökosystem im nördlichen Teil des Aralsees erholt,

ganz im Gegensatz zu Barsakelmes, einer früheren Insel im Aralsee, die wir 1993 auch

besucht haben. Damals war es noch eine richtige Insel mit Kulan und Saigaantilopen.

Ich weiß noch genau, wie wir diese Tiere vor uns hertrieben. War wohl keine Absicht

des Piloten. Als die Sowjetunion untergegangen war, wurden die dort lebenden Menschen

einfach vergessen. Nur eine Familie und der Nationalparkverwalter mussten dort

noch aushalten. Seit Monaten hatte sich keine Menschenseele mehr gezeigt. Was war aus

der Insel und der kleinen Siedlung geworden? Die Insel, die keine mehr war, habe ich

dann im Herbst 2011 nochmals besucht. Selten habe ich eine derart tote Gegend gesehen.

Nicht einmal Käfer oder Ameisen sind geblieben. Würde man von Barsakelmes ein paar

Hundert Kilometer nach Südwesten reisen, käme man nach Moynak, der Ort auf dem

Territorium Usbekistans, der schon wirklich schöne Zeiten erlebt hat. Touristen kamen

zu Zeiten der Sowjetunion. Die warmen Sandstrände waren besonders beliebt. Heute

kommen Reisende, um sich die Schiffsskelette auf dem Aralseeboden anzusehen. Die

Fischfabrik, längst geschlossen, zeugt noch davon, dass von hier aus Fischkonserven in

die ganze Welt versandt wurden. Im örtlichen Museum kann man Bilder und Exponate

aus dieser Zeit finden. Schade, dass die Baumwolle wichtiger war als der See.

228 Fotoessay Aralsee


Orte, an denen Fotos aufgenommen wurden

Fotoessay Aralsee

229


230 Fischkonserven aus regionaler Produktion, Museum von Mojnak, Usbekistan


231


232 Alte Fischkonservenfabrik von außen, Mojnak, Usbekistan


Firmenschild: Fischer am Aralsee, Fischkonservenfabrik Mojnak, Usbekistan

233


234 Schiffswrack auf dem Grund des Aralsees bei Mojnak, Usbekistan


Schiffswrack in der Aralkumwüste bei Mojnak, Usbekistan

235


236 Schiffswracks im Sand bei Mojnak, Usbekistan


237


238 Oben: Schüler am ersten Schultag in Aralsk Unten: Warteraum im Bahnhof von Aralsk


Oben: Der alte Hafen von Aralsk ohne Wasser Unten: Motorrad aus der Sowjetzeit, nahe des Aralsees, Kasachstan

239


240 Oben: Hauptstraße von Karateren, Kasachstan Unten: Ruhepause Reisender in Karateren


Oben: Kinder auf dem Weg zur Schule, Karateren, Kasachstan Unten: Firmenschilder auf der Insel Barsakelmes

241


242 Kokaral-Damm, Aralsee, Kasachstan


Kokaral-Damm, Aralsee, Kasachstan

243


244 Fischen unterhalb des Fischwehrs/Damm, Kokaral, Aralsee, Kasachstan


Fischen unterhalb des Fischwehrs/Damm, Kokaral, Aralsee, Kasachstan

245


246 Fischer, Aralsee, Kasachstan


Fischer, Aralsee, Kasachstan

247


248 Nördlicher Aralsee in der Abendsonne


249


Dank

Der Internationale Fonds zur Rettung des Aralsees (IFAS) wurde 1992 gegründet. Seit

dieser Zeit haben internationale Organisationen, bilaterale Hilfsorganisationen und

ausländische Regierungen die Länder Zentralasiens in vielerlei Hinsicht unterstützt.

Ich möchte der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE),

der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Schweizerischen

Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) für die großzügige finan zielle

Unterstützung danken. Weiterhin danke ich Jenniver Sehring für Textbeiträge und Julie

August für Design und Layout des Katalogs. Die Fotos stammen von mir. Der Text des

Kataloges wurde von Marton Kransnai, Bo Libert, Iulia Trombitcaia, Saghit Ibatullin,

Frank Schrader, Volker Frobarth und Olivier Magnin geprüft. Dafür bin ich sehr dankbar.

Es dauerte viele Monate, bis wir diesen Katalog veröffentlichen konnten. Ich hoffe

aufrichtig, dass diese Ausstellung unsere gemeinsame Agenda voranbringen wird: Im

Dienste der Menschen Zentralasiens tätig zu sein und ein besseres Verständnis für diese

faszinierende Region zu schaffen.

Alfred Diebold

Herausgeber, Technischer Direktor des EC IFAS

250 Dank


anhang

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Population Reference Bureau (http://www.prb.org)

UNCTAD (http://unctad.org/infocomm/anglais/cotton/market.htm#prod)

UNdata (http://data.un.org)

World Bank World Development Indicators (http://data.worldbank.org/indicator)

World Resources Institute EarthTrends (http://earthtrends.wri.org/index.php)

Datenbanken

253


Abkürzungsverzeichnis

ASBP

BVO

CPHD

DEZA

EC IFAS

EDB

FAO

GIZ

GUS

ICWC

IFAS

IWRM

MinVodKhoz

OHCHR

SIC ICWC

SSR

UdSSR

UN

UNDP

UNECE

USAID

WDI

WRI

Aralseebeckenprogramm

Flussbeckenbehörde

Zentrum für Politik und menschliche Entwicklung, Universität Kabul

Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit

Exekutivkomitee des Internationalen Fonds zur Rettung des Aralsees

Eurasische Entwicklungsbank

Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen

Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit

Gemeinschaft Unabhängiger Staaten

Zwischenstaatliche Kommission für Wasserkoordinierung

Internationaler Fonds zur Rettung des Aralsees

Integriertes Wasserressourcenmanagement

Ministerium für Melioration und Wassermanagement

Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte

Wissenschaftliches Informationszentrum der

Zwischenstaatlichen Kommission für Wasserkoordinierung

Sozialistische Sowjetrepublik

Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken

Vereinte Nationen

Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen

Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen

US-Agentur für internationale Entwicklung

Weltentwicklungsindikatoren

World Resources Institute

Die Verlässlichkeit der zugänglichen wasserbezogenen Daten in Zentralasien wird oft angezweifelt.

Alle in dieser Studie verwendeten Angaben wurden nach bestem Wissen zusammengestellt

und durch Vergleich verschiedener Quellen geprüft. Trotzdem bestehen immer gewisse Ungenauigkeiten

und Widersprüchlichkeiten.

254 Abkürzungsverzeichnis


Quellen / Rechtenachweise

Seite 4 GIZ 2011; Seite 8, 9, 11, 13, 27, 29, 31 ZOI; Seite 10 eigene Erstellung; Seite 12, 14

www.cawater.org; Karten auf den Seiten 33, 35, 37, 39, 41: eigene Herstellung, auf der

Karte von Seite 4 basierend: Basisinformation (Seite 32, 34, 36, 38, 40): FAO AQUASTAT,

World Bank World Development Indicators, World Resources Institute Earth Trend,

Population Reference Bureau, UNdata; Seite 24 SPECA 2004: Seite 25 UNDP 2009: Central

Asia Regional Risk Assessment, Seite 27: http://www.unep.org/dewa/vitalwater/article69.html;

Seite 26: Saghit Ibatullin, Vortrag 2010; Seite 32 Bucknall et al. 2003, FAO

AQUASTAT, World Bank World Development Indicators, World Resources Institute

EarthTrends; Seite 51 Präsentation EC IFAS: www.ec-ifas.org; Seite 53 UNECE 2007, S. 272

Tabellen, Diagramme und Grafiken basieren auf den oben genannten Quellen und wurden

für die Publikation bzw. dem zugehörigen Film von Julie August und Fabian Tischer

neu bearbeitet.

Quellen / Rechtenachweise

255


Herausgegeben von Alfred Diebold 2012

© für die Texte p.7–66: Jenniver Sehring

© für Texte p.67–71, 111–113, 149–151, 185–187, 227–229: Alfred Diebold

Gestaltung / Produktion: Julie August, Berlin

Fotografien ©Alfred Diebold

Printed in Germany. Alle Rechte vorbehalten.

Trescher Verlag GmbH

Reinhardtstr. 9

10117 Berlin

Germany

post@trescher.de

www.trescher-verlag.de

ISBN 978-3-89794-801-3

256


Zentralasien fasziniert Wissenschaftler, Abenteurer und Reisende wie

Marco Polo seit Jahrhunderten. Die Region ist reich an einmaligen

Landschaften, Wüsten, Steppen, Hochgebirgen, fruchtbaren Oasen,

Rohstoffen und kulturellen Errungenschaften. Städte wie Samarkand

und Buchara geben Zeugnis. Die Region ist ebenfalls reich an Wasserressourcen,

die in den Hochgebirgen des Tian Shan, Alai und Pamir

entspringen. Das Buch »Von den Gletschern zum Aralsee. Wasser

verbindet« gibt Auskunft über das Leben entlang der Seidenstraße in

den Ländern Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Turkmenistan und

Usbekistan. Es zeigt wie Wasser von dort lebenden Menschen genutzt

wird und möchte einen Beitrag dazu leisten, dass die knappe

Ressource Wasser zukünftig effektiver und effizienter in der Region

verwendet wird.

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