DorfStadt 06-2020
Hochwertige lokale Berichte und Reportagen aus und über Rissen, Sülldorf, Iserbrook, Blankenese, Osdorf, Groß Flottbek, Nienstedten, Othmarschen, Bahrenfeld und Schenefeld. Wir sind Elbvororte.
Hochwertige lokale Berichte und Reportagen aus und über Rissen, Sülldorf, Iserbrook, Blankenese, Osdorf, Groß Flottbek, Nienstedten, Othmarschen, Bahrenfeld und Schenefeld. Wir sind Elbvororte.
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
4 • DorfStadt-Zeitung 06/2020 • 23.04.2020
AH
I, Hamburg!
Neues aus der Schifffahrt | Wolf Achim Wiegand
Elbvororte
Abschied mit Abstand – und Würde
Was den Menschen in Zeiten von Corona bei Bestattungen wichtig ist | Monika Rulfs
Dirk Abts und Daniel
Klandt, Friedhofs beauf -
trag te der beiden Ham bur -
ger Kirchenkreise, haben
stellvertretend für die über
50 kirchlichen Friedhöfe in
Hamburg und Umgebung
aktuelle Fragen beantwortet.
ELBVORORTE
Corona verändert unser Leben
in allen Bereichen. Ist unter den
gegebenen Umständen überhaupt
eine Bestattung möglich?
DorfStadt-Redakteur Wolf-Achim Wiegand
Foto: Küster
Moin, liebe Leser,
die neue Lungenkrankheit CO -
VID-19 macht auch die
Seefahrt krank. Kein Wunder,
werden doch über 90 Prozent
im Welthandel über Schiffe
abgewickelt. Wenn die Liefer -
ketten zusammenbrechen, weil
Fabriken schließen, wenn kranke
Hafenarbeiter nicht mehr
zum Dienst erscheinen und
wenn die Containerabfertigung
zum Bürokratiewettlauf wird,
dann haben Reedereien und
Logistiker ein Problem. Lesen
Sie selbst…
Seeleute
London - Die prekäre Lage von
Besatzungsmitgliedern findet
relativ selten Eingang in Be -
richte über die Coronakrise.
Dabei gehören sie zu der am
meisten gekniffenen Berufs -
gruppe. Wichtige Destinationen
wie China, Singapur oder die
USA verbieten den Matrosen
und Offizieren aus Furcht vor
dem Virus den Landgang. Da -
durch sind keine Crewwechsel
mehr möglich, zumal es weltweit
kaum noch Flugver bin -
dun gen für die Ablösen gibt.
Die Internationale Schifffahrt -
kam mer (ICS) in London
schätzt, dass rund 100.000
Crew mitglieder aus aller Herren
Länder zum Quasi-Dauerdienst
verdammt sind. Und zwar 24
Stunden täglich an sieben
Tagen der Woche. Es gibt Fälle,
wo Seeleute seit einem Drei -
vier teljahr nicht
mehr heimgekommen
sind. „Das
sind die stillen
Hel den der Coro -
na krise,“ sagt ICS-
Chef Guy Platten.
Und fordert zu -
gleich: „Das Wohl -
er ge hen unserer
Seeleute darf nicht aufs Spiel
gesetzt werden!“
Frachtschiffe
Hamburg – Für die Fracht -
schiff fahrt ist die Coronakrise
ein heftiger Schlag ins Reeder -
kontor. Vor allem die deutschen
Eigner und Betreiber hatten
sich gerade aus einem seit zehn
Jahren andauernden Loch hinausgearbeitet.
Ausgerechnet da
traf sie der Coronaschlag. So
bedeutet die nachgelassene
Nach frage in China weniger
Ladung und hat die Fracht -
preise so sehr in die Tiefe gezogen,
dass viele Liniendienste
gestrichen werden mussten. In
Hamburg stapeln sich ähnlich
wie in anderen Häfen tausende
leere Container, die niemand
abholen will.
Besonders prekär sieht es bei
den Capesize-Massengut frach -
tern aus. Sie bringen Eisenerz
und Kohle nach China. Am
Marktplatz für Schiffsmakler
und Reeder, der Baltic Ex -
change in London, verdienen
diese Spezialtransporter derzeit
weniger als 2600 Dollar pro
Tag – weit weniger, als die
Besat zungen kosten. Super tan -
ker verzeichnen den Angaben
zu folge einen zeitweisen Ein -
bruch der Preise um unglaubliche
95 Prozent. Fährbetreiber,
etwa auf der Nord- und Ostsee,
haben den Betrieb teilweise
vollständig an die Kette gelegt.
Kreuzfahrer
Miami – Die Passagier schiff -
fahrt ist weltweit quasi hundertprozentig
zum Erliegen
gekommen. Das mit 104 Schif -
fen weltgrößte Kreuzfahrt un -
ter nehmen, Carnival Corp.
(Miami), zu dem auch AIDA
und Costa gehören, gibt zwar
für sich an, bis zum Ende des
Jahres liquide zu sein. Für kleinere
Unternehmen gilt das
nicht unbedingt. Auch ist
unklar, wie sich der Stillstand
auf die Reisebereitschaft auswirken
wird: kommt es zum
wirtschaftlichen Abschwung,
hoher Arbeitslosigkeit und sinkenden
Einkommen werden
sich weniger Menschen einen
Urlaub auf See leisten wollen
und können.
Unterdessen laufen die Kosten
der Lustschiffreedereien weiter.
Die meisten stillgelegten Schif -
fe werden im Hafen oder auf
Reede liegend im sogenannten
„warm lay up“ betrieben. Dabei
ist die seemännische und technische
Crew damit beschäftigt
alle Systeme bis zum Tag X
funktionsfähig zu halten, so
auch auf der „AIDAcara“ und
der „AIDAaura“, die in Ham -
burg-Steinwerder auf bessere
Zeiten warten. Der „laufende
Stillstand“ kann schon mal
zwei bis drei Millionen Dollar
monatlich kosten. Auch der
Schiffbau sieht sich in Nöten:
Die Meyer Werft (Oldenburg)
glaubt, es könne bis 2030 dauern,
bis wieder ordentlich
Schif fe geordert werden.
Foto: Wiegand
Dirk Abts: Ja, natürlich. Die
allgemeinen Auflagen gelten
zwar auch hier, aber wir versuchen,
den Hinterbliebenen darüber
hinaus so weit wie möglich
entgegenzukommen und
eine würdevolle Bestattung zu
gewährleisten.
Welche Auflagen sind das?
Dirk Abts: Am einschneidendsten
ist wohl die Begrenzung
der Anzahl der Trauergäste auf
das unbedingt notwendige Maß.
Auch das Abstandsgebot von
zwei Metern für alle nicht in
einem Haushalt lebenden Per -
sonen sollte eingehalten werden.
Wie gehen die Hinterblie be -
nen damit um?
Daniel Klandt: Eine seelsorgerliche
Begleitung und das Ge -
spräch mit Pastorinnen oder
Pastoren vor und nach den
Trauerfeierlichkeiten sind jetzt
besonders wichtig und werden
wertgeschätzt. Auch die Zere -
monie am Grab mit Ansprache,
Gebet und Blumenschmuck
gehört dazu. Da wir uns nicht
in der Kapelle, sondern nur
draußen aufhalten dürfen,
schaffen gemeinsames Singen
oder instrumentale Begleitung
besinnliche Momente.
Wie können Hinterbliebene in
Gemeinschaft trauern?
Dirk Abts: Tatsächlich soll die
Zahl der Trauernden am Grab
möglichst klein gehalten werden.
Es kann sinnvoll sein, eine
Trauerfeier zu verschieben.
Andere Wege des gemeinsamen
Trauerns müssen gesucht werden:
zum Beispiel Telefon- oder
Videozusammenkünfte, digitale
Gästebücher, Fotoalben oder
auch virtuelle Besuche digitalisierter
Gräber. Auch eine Zu -
sammenkunft der Familie zu
einem späteren Zeitpunkt oder
an einem Gedenktag ist möglich.
Das öffentliche Leben ist stark
eingeschränkt. Wie organisieren
Sie das alles?
Daniel Klandt: Wir sind dankbar,
dass bei Bestattungen Aus -
nahmen möglich sind und die
Betroffenen weiterhin alles
rund um die Beisetzung eines
geliebten Menschen organisieren
können. Friedhofsver wal -
tungen, Bestatter, Steinmetze,
Blumengeschäfte und Gärtner -
eien sind alle erreichbar und
handlungsfähig. Manchen
Men schen ist es gerade jetzt
besonders wichtig, dass die
Gräber ihrer verstorbenen An -
ge hörigen weiter gepflegt und
gegossen werden.
Viele Friedhöfe im städtischen
Raum verzeichnen neuerdings
eine sehr hohe Besucherzahl.
Was gegen Einsamkeit hilft
Ein Blick in die Einrichtungen für Senioren, Behinderte und Obdachlose | Markus Krohn
ELBVORORTE
– Fortsetzung von Seite 1 –
Auch die Obdachlosen der
Stadt trifft die Coronakrise
hart: In den Elbvororten
merken dies Kunden besonders
daran, dass die Hinz &
Kunzt-Verkäufer aus dem Stra -
ßenbild verschwunden sind.
Normalerweise sind die Hinz&
Künztler und ihre Printausgabe
unzertrennlich. Schließlich ist
das Straßenmagazin nicht nur
eine soziale Stimme in der
Stadt und nicht nur eine
Einnahmequelle für Obdachlose
und ehemals Obdachlose – es
ist auch der Inbegriff von
Kontakt, von gegenseitigem
Interesse, von Solidarität. Aber
das Coronavirus hat den
Verkäufern allen einen Strich
durch die Rechnung gemacht.
Seit Mitte März hat das Stra -
ßen magazin den Verkauf eingestellt,
weil die meisten Ver -
käufer selbst zur Risikogruppe
gehören. Die Aprilausgabe gibt
es jetzt als Download auf der
Website ( hinzundkunzt.de).
Die Friedhöfe bieten sich für einen ausgedehnten Spaziergang an – wenn die Ruhe der Toten und
der Angehörigen nicht verletzt wird.
Foto: Friedhof Nienstedten
Familie Reuß spendet Atemschutzmasken für die Bewohner der
Else Voss Stiftung in Rissen
Foto: privat
Die Macher und die Verkäufer
hoffen auf Spenden, damit sie
die Corona-Zeit gut überstehen
können. Zahlreiche Leser haben
bereits gespendet, sodass viele
Verkäufer derzeit in Hotels
übernachten können, die ja
bekannt derzeit leer stehen.
„Nicht alle, die allein sind,
fühlen sich einsam und man
kann auch in Gesellschaft einsam
sein und sich ausgegrenzt
fühlen“, gibt Pastorin Lucia v.
Treuenfels von der Kirchen -
gemeinde Sülldorf-Iserbrook zu
bedenken. Das gelte aber ge -
nauso für junge Menschen. Sie
kümmert sich in der Gemeinde
vor allem um ältere Mitglieder.
Viele von ihnen suchen jetzt
den Kontakt untereinander –
vor allem über das Telefon,
aber auch via E-Mail oder
Smartphone. Wer sich dennoch
einsam fühlt, dem empfiehlt v.
Daniel Klandt: Ja, in Zeiten
von Corona haben viele Men -
schen unsere kirchlichen Fried -
höfe entdeckt, als Rückzugsort
oder um spazieren gehen zu
können. Alle Besucher und
Besucherinnen sind willkommen!
Wir bitten lediglich
darum, die Friedhöfe als besonderen
Ort wahrzunehmen und
die jeweils geltenden Bestim -
mungen zu beachten.
Was unterscheidet kirchliche
Friedhöfe von anderen?
Dirk Abts: Die kirchlichen
Friedhöfe lagen ursprünglich in
der Nähe oder direkt bei den
Kirchen. Bei vielen Friedhöfen
ist das immer noch so. Heute
befinden sie sich meist wohnortnah
an über 50 Orten im
Großraum Hamburg. Wer auf
einem kirchlichen Friedhof
bestattet wird, muss jedoch
nicht christlichen Glaubens
sein. Unabhängig von einer
Religionszugehörigkeit stehen
die kirchlichen Friedhöfe allen
Personen offen. Die Nähe zu
den Menschen und eine achtsame
Beratung stehen für uns im
Mittelpunkt unseres Handelns.
kirchliche-friedhoefe.de
Treuenfels möglichst wenig zu
grübeln, sondern sich zu fragen,
was einem gut helfen
könne. „Ein gutes Essen oder
einfache Tätigkeiten wie Put -
zen, Fegen, Nähen oder Spazie -
rengehen können den trüben
Gedanken entgegenwirken“,
sagt die Pastorin. „Wichtig ist,
die Einsamkeit möglichst nicht
zu bewerten“, gibt sie zu bedenken.
„Einsamkeit ist weder
etwas Gutes noch etwas
Schlech tes – man nimmt sie
wahr und überlegt, was einem
selber jetzt gut tun kann und
möglicherweise dabei hilft, eine
schwierige Zeit durchzustehen“.
Wer den Kontakt braucht, kann
sich vielleicht selber ein Herz
fassen und zum Telefonhörer
greifen, anstatt darauf zu warten,
dass irgend jemand aus der
Ferne erahnt, wie es um einen
steht.
Hilfsangebote gibt es in den
Kirchengemeinden, bei der
Stadt und weitere Hinweise auf
www.dorfstadt.de.