DorfStadt 06-2020
Hochwertige lokale Berichte und Reportagen aus und über Rissen, Sülldorf, Iserbrook, Blankenese, Osdorf, Groß Flottbek, Nienstedten, Othmarschen, Bahrenfeld und Schenefeld. Wir sind Elbvororte.
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6 • DorfStadt-Zeitung 06/2020 • 23.04.2020 Elbvororte
BI Prellbock will »Stuttgart21« in Hamburg noch verhindern
Klimafreundlichere Verkehrspolitik soll Fernbanhof Diebsteich überholen · Bahn AG will schon dieses Jahr mit Vorbereitungen beginnen | Konrad Matzen
Ist der Umzug des Fern -
bahnhofes von Altona nach
Diebsteich besiegelt? Nach
monatelangen Verhand lun -
gen zwischen der Stadt, der
DB AG und dem Verkehrs -
club Deutschland (VCD
Nord), der gegen das Projekt
geklagt hatte, gab es eine Bei -
legung des Konflikts vor dem
Oberlandesgericht.
ELBVORORTE
In ihrer letzten Sitzung vor der
Wahl hatte die Bürgerschaft
dem Einigungspaket am 12.
Februar bereits einstimmig
zugestimmt. Am 30. März hat
auch die neu konstituierte
Bürgerschaft zur Einigung ja
gesagt. Somit scheint der Weg
für das 360-Millionen-Euro-
Projekt frei. Mit den bauvorbereitenden
Maßnahmen der
Verlegung soll noch in diesem
Jahr begonnen werden.
Die Pläne der Deutschen Bahn
sehen vor, dass die Fern- und
Regionalzüge in Zukunft nicht
mehr in Altona, sondern in
dem etwa zwei Kilometer nördlich
gelegenen ausgebauten S-
Bahnhof Diebsteich halten. Der
Kopfbahnhof Altona soll Platz
machen für weitere Wohnun -
gen und einen Park. Der S-
Bahnhof soll erhalten bleiben,
oberirdisch ist ein neuer und
leistungsfähigerer Busbahnhof
geplant.
Die Bürgerinitiative Prellbock
will weiter gegen die Um sied -
lung des Fernbahnhofes von
Altona nach Diebsteich vorgehen.
Seit Jahren kämpft sie
gegen das Projekt, zuletzt
gemeinsam mit dem VCD. Die
Aktiven wollen die Corona-
Krise nutzen, um mit neuen
Aktionen und Argumenten
gegen das ihrer Meinung nach
unvollkommene Projekt vorzugehen.
„Corona hält uns alle in
Wettbewerbsergebnis für den neuen Fernbahnhof Diebsteich
Atem und verändert zur Zeit
alles, was wir gewohnt waren,
was uns wichtig war. Prellbock
versucht trotzdem, sich in das
Geschehen einzumischen und
kämpft weiterhin für den Fernund
Regionalbahnhof Altona“
heisst es selbstbewusst in einem
Schreiben an die Mitglieder der
Bürgerinitiative.
Vor allem will man dort eine
Ver än de rung im Bewusstsein
der Bevölkerung zu klima -
freundlicherem Verhalten ausgemacht
haben: Mehr Rad -
verkehr, intensivere Nutzung
des öffentlichen Nahverkehrs
sagen sie voraus. Spätestens
dann wäre die Leistungs fähig -
keit des neuen Bahnhofes nicht
mehr gegeben, ist ihr Argu -
ment.
Der Bahnhof Altona könne 45
Züge pro Stunde an 8 Bahn stei -
gen abfertigen, meinten die
Prellbock-Aktiven schon vor
dem Vergleich. Diebsteich neh -
me höchstens 31 Züge an 6
Bahnsteigen auf. Sollte der
Bedarf an Bahnreisen in den
nächsten Jahren nach Corona
weiter steigen, hätte der neue
Bahnhof gleich zur Eröffnung
ein Kapazitätsproblem.
Weitere Nachteile sieht die
Bürgerinitiative durch die
Schließung des Fernbahnhofs
Altona, denn dadurch entstünde
ein weiterer Fahrtweg für
Menschen aus den Elbvororten,
die zudem in Altona zusätzlich
umsteigen müssten, um zum
Fernbahnhof nach Diebsteich
zu kommen. Der Wohnungsbau
auf dem Gelände des Bahn -
hofes sei nicht gefährdet, betonen
die Vertreter der Bürger ini -
tiative. Dafür müsste nur das
Gleisvorfeld neu organisiert
werden und die Eingleisbrücke
nach Westen verlegt werden.
Die Bürgerinitiave befürchtet,
die DB AG betreibe die Bahn -
hofs schließung, weil sie die fällige
Erneuerung von Brücken,
Gleisen, Weichen und Signal -
an lagen im bestehenden Bahn -
hof weitgehend aus eigenen
Mitteln hätte zahlen müssen,
während sie für Verlagerung
und Neubau des Bahnhofs
nahezu vollständig auf Bundes-
(=Steuerzahler-) Mittel in Höhe
von mindestens EUR 360 Mio.
zugreifen kann. Die Stadt kauft
nicht nur die Grundstücke von
der Bahn, sondern übernimmt
auch noch die Kosten für den
Abb.: C.F. Møller Architects
Abriss der alten Bahnanlagen
und die Dekontaminierung des
Bodens. Zusätzlich hat die
Stadt die Kosten für die verkehrsmäßige
Erschließung des
neuen Bahnhofsstandortes zu
tragen. Somit kämen außer den
Kosten für den Neubau in
Diebsteich noch zusätzliche
Kosten für den Rückbau des
bisherigen Bahngeländes hinzu.
„Wir befürchten, dass nach den
Erfahrungen von Stuttgart 21,
sich die Gesamtkosten inklusive
der zu erwartenden Kostenstei -
gerungen und durch Zeit ver -
zögerungen auf bis zu 1 Mrd.
EUR belaufen können.“
Noch schlimmer: In einem un -
ab hängigen Gutachten schreiben
die Züricher Berater von
SMA und Partner AG: „Der
Bahn hof Hamburg Hbf. und die
Verbindungsbahn sind aktuell
als überlastet erklärte Schie -
nenwege. Der Entfall des Halts
in Dammtor bei vielen Linien
ist zweckmäßig, um überhaupt
eine Belastung von 31 Zügen in
Altona modellieren zu können“.
Im Klartext heißt das, dass zu -
künftig Züge, die über Diebs -
teich fahren, nicht mehr in
Dammtor halten werden. Dazu
Michael Jung, Sprecher der
Bür gerinitiative Prellbock Alto -
na: „Eine bessere Bestätigung
unserer Kritik an dem Diebs -
teich-Projekt kann es gar nicht
geben. Der Senat opfert hiermit
den Messe- und Kongress bahn -
hof Dammtor – obwohl er gerade
für hunderte von Millionen
Euro hat das CCH modernisieren
lassen -, nur um ein sinn -
entleertes Prestigeprojekt Diebs -
teich im Interesse von Immo bi -
lienspekulanten durchzusetzen.
Die Interessen von Fahrgästen
und Bürgern der betroffenen
Stadtteile bleiben auf der
Strecke. Diebsteich ist ein Bei -
trag dazu, die Verkehrswende
zu verhindern.“
Gründonnerstag veröffentlichte
Michael Jung ein Eckpunkte -
papier, in dem er im Sinne der
Prellbock-Aktivisten die Ham -
burger Politiker auffordert, die
„Corona-Krise als Chance für
eine echte Verkehrswende zu
nutzen und sich von unrealistischen
Verkehrsprojekten zu
verabschieden.“ Dazu gehört
für Jung auch der Verzicht auf
„unfinanzierbare Großprojekte
mit langen Bauzeiten und
geringem Fahrgastnutzen…“
sowie die Abtrennung einer
Fahrspur auf den großen Ver -
kehrsachsen nur für den Rad -
verkehr sowie ein 365-Euro-
Ticket für den Öffentlichen
Nahverkehr im Hamburger
Stadt gebiet. Klimaschützer
dürf te das freuen.
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