Leseprobe: Mahlzeit, Monster!
Leseprobe zu Saskia Hula: Mahlzeit, Monster!
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1.
In einem tiefen dunklen Wald lebten einmal
drei wilde Monster:
Hurgall, das grausame Zottelmonster.
Hobroff, das moosige Felsenmonster.
Und Hilmerald, das borstige Stachelmonster.
Alle drei hatten riesige Mäuler, winzige
Augen und Zähne, mit denen sie ganze
Knochen zermalmen konnten.
Alle drei waren hässlich, gierig und stur.
Und alle drei hatten einen Mordshunger.
Den ganzen Tag. Von früh bis spät.
Deswegen waren sie auch so schrecklich
gefährlich.
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Vor allem für kleine Kinder.
Wenn sich am Morgen die ersten spärlichen
Sonnenstrahlen durch das Dickicht kämpften,
wachten die drei wilden Monster auf.
Sie wühlten sich aus ihren Schlammlöchern.
Sie schüttelten sich, dass der Schlamm nur
so spritzte.
Sie rissen ihre Mäuler auf und gähnten,
dass man bis in ihre Bäuche sehen konnte.
Sie rollten mit den Augen und knirschten
mit den Zähnen.
Dann machten sie sich auf die Suche nach
etwas Essbarem.
Dazwischen wuchsen giftige Pilze.
Die paar Hasen, die einmal hier gelebt
hatten, waren längst von den drei wilden
Monstern gefressen worden.
Die Eichhörnchen hatten sich einen
freundlicheren Wald gesucht. Selbst die
Vögel waren fortgeflogen.
Jetzt lebten nur mehr Regenwürmer,
Maden, Käfer, Ameisen und Schnecken im
Monsterwald.
Natürlich gab es im Monsterwald weit und
breit keine kleinen Kinder.
Das war ein Glück für die Kinder. Der
Monsterwald war nämlich sehr, sehr gruselig.
Tote Bäume standen am Rand von modrigen
Sümpfen.
Brombeerdornen rankten sich über den Boden.
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Nicht gerade das richtige
Futter für drei wilde, hungrige Monster!
Den ganzen Tag waren sie damit beschäftigt,
ihre knurrenden Mägen zu füllen.
Mit spitzen Krallen klaubten sie Regenwürmer
aus der Erde. Sie knackten Käfer
und mampften Maden. Sie stopften sich
Nacktschnecken in ihre riesigen Mäuler und
kauten Ameiseneier.
Aber so sehr sie auch knackten, mampften,
stopften und kauten, ihre Mägen hörten nicht
zu knurren auf.
Es war also wirklich kein Wunder, dass
die drei wilden Monster mit jedem Tag
griesgrämiger und hungriger wurden.
2.
Weit weg vom Monsterwald packten zwei
Kinder ihre Koffer: Erik und Max.
Erik war noch ziemlich klein – vier oder fünf.
Max war nicht mehr so richtig klein, aber
auch noch nicht so richtig groß. Auf jeden
Fall nicht groß genug, um allein zu Hause zu
bleiben, wenn die Eltern einmal für ein paar
Tage wegfuhren.
Und die Eltern fuhren weg, weil sie in
einem Preisausschreiben eine Reise gewonnen
hatten. Eine Reise für zwei.
Natürlich wäre es besser gewesen, wenn
sie eine Reise für vier gewonnen hätten, das
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war klar. Aber bei Preisausschreiben kann
man sich das nicht aussuchen.
Deswegen mussten die Kinder zu Hause
bleiben – oder besser gesagt: Sie mussten
bei Tante Gerda bleiben. Denn fürs Alleinzu-Hause-bleiben
waren sie nicht groß
genug. Und Tante Gerda war die einzige Tante,
die so schnell einspringen konnte. Die einzige
Tante, die überhaupt einspringen konnte.
Ausgerechnet Tante Gerda!
„Es wird euch sicher gefallen bei Tante Gerda!“,
rief die Mama schon zum zehnten Mal.
„Sie hat ein wunderschönes altes Haus und
einen wunderschönen alten Garten.“
„Hoffentlich hat sie auch eine wunderschöne
neue Playstation“, sagte Max. „Sonst ist mir
dort sicher todlangweilig.“
Die Mama schüttelte ein bisschen betrübt
den Kopf.
„Natürlich hat Tante Gerda keine Playstation!“,
sagte sie. „Tante Gerda weiß
wahrscheinlich nicht einmal, was eine
Playstation ist!“
Max verzog das Gesicht. „Und was bitte
soll ich dann bei ihr machen?“
„Du könntest ein Buch lesen“, sagte die Mama
und ging zum Bücherregal, um eines zu holen.
„Das solltest du sowieso viel öfter tun!“
„Und was soll ich machen?“, fragte Erik.
„Ich kann doch noch nicht lesen!“
Die Mama legte einen ganzen Stapel Bücher
auf den Tisch.
„Du schaust dir die Bilder an“, sagte sie.
„Das wird sicher sehr schön.“
„Das wird sicher überhaupt nicht schön!“,
rief Erik. „Ich will viel lieber mit euch auf
Reisen gehen! Ich kenne doch diese Tante
Gerda gar nicht! Vielleicht ist sie eine Hexe!“
Die Mama seufzte und packte die Bücher
in den Koffer.
„Natürlich ist Tante Gerda keine Hexe“,
sagte sie. „Und natürlich kennst du sie. Du
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kannst dich nur nicht an sie erinnern, weil du
noch so klein warst, als du sie das letzte Mal
gesehen hast.“
„Da muss er aber sehr klein gewesen sein“,
sagte Max missmutig. „Ich kann mich
nämlich auch nicht an sie erinnern.“
„Richtig“, sagte die Mama. „Ihr wart beide
noch sehr klein. Leider haben wir Tante
Gerda in den letzten Jahren nicht mehr gesehen.
Aber jetzt werden wir das eben ändern.“
„Nur wegen eurer blöden Reise“, sagte Max.
Die Mama schaute ihn streng an. „Tante
Gerda hat einen großen Garten“, sagte sie.
„Da könnt ihr Himbeeren pflücken.“
„Himbeeren pflücken ist blöd“, sagte Max.
„Ihr könnt Schnecken beobachten“, sagte
die Mama. „Oder Kaulquappen!“
„Schnecken und Kaulquappen sind auch
blöd“, sagte Erik.
„Ihr könnt auf den Apfelbaum klettern“,
sagte die Mama.
Max stöhnte auf. „Mama! Wir sind doch
keine Babys mehr! Wozu sollen wir auf den
blöden Apfelbaum klettern?“
„Genau“, schrie Erik, „wozu überhaupt?
Wir wollen im Garten Fußball spielen!“
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Die Mama seufzte wieder. „Fußball solltet
ihr besser nicht im Garten spielen. Tante
Gerda ist ein bisschen heikel mit ihren Blumen!“
Max und Erik starrten sie düster an.
Dann fiel der Mama zum Glück etwas ein,
und ihre Augen begannen zu leuchten.
„Aber hinter dem Garten ist eine große
Wiese! Da könnt ihr Fußball spielen! Und
einen Bach gibt es dort auch! Da werdet ihr
viel Spaß haben! Und hinter dem Bach ist ein
großer Wald! Ein richtiger Monsterwald!
Der wird euch gefallen!“
„Monster sind blöd“, sagte Erik und
schaute finster. „Aber immerhin können wir
auf der blöden Wiese Fußball spielen.“
„Na bitte“, sagte die Mama erleichtert.
„Dann haben wir das ja gelöst. In vier Tagen
sind wir wieder da und bestimmt habt ihr
dann eine Menge Spaß bei Tante Gerda
gehabt.“
3.
Hurgall war der Erste, der die Nase voll hatte
von Regenwürmern und Ameiseneiern.
„Beim Hängebauch meiner Großmutter“,
knurrte er, „ich brauche frisches Fleisch
zwischen den Zähnen!“
Wütend schlug er nach einer Fliege, die
auf seiner Nase saß.
„Mhm, frisches Fleisch“, schnaubte
Hobroff und leckte sich die Lippen. „Am
besten frisches Menschenfleisch!“
„Richtig!“, sagte Hilmerald und nickte.
„Am allerbesten ein frisches, knuspriges
kleines Menschenkind!“
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Alle drei wilden Monster verdrehten vor
Entzücken die Augen.
Sie hatten allerdings noch nie ein Menschenkind
zu Gesicht bekommen. Schließlich gab
es ja keine Menschenkinder im Monsterwald.
Das war der Jammer.
Hurgall ließ sich auf einen dicken Moospolster
fallen. „Beim Mundgeruch meiner
Großmutter“, schimpfte er und angelte sich
ein Schneckenhaus aus den Zähnen. „So
kann es wirklich nicht weitergehen!“
„Richtig“, sagte Hobroff und rülpste laut.
„Wir müssen etwas tun!“
Hilmerald spuckte ein Hirschkäfergeweih
ins Gestrüpp. „Genau“, sagte er. „Aber was
können wir tun?“
Er setzte sich auf einen Baumstumpf und
starrte Hurgall und Hobroff erwartungsvoll an.
Hurgall und Hobroff starrten missmutig
zurück.
Endlich sagte Hurgall: „Lasst uns darüber
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nachdenken!“
Und genau das taten sie dann auch.
Nun hatten die drei wilden Monster zwar
außerordentlich riesige Schädel, aber in
jedem Schädel steckte nur ein ganz kleines
Gehirn. Deswegen fiel den Monstern das
Denken ziemlich schwer.
„Grmpf“, sagte Hobroff und steckte sich
einen Finger in die Nase.
„Schnrg“, sagte Hilmerald und kratzte sich
den Bauch.
„Hmshmshms“, sagte Hurgall und furzte laut.
So saßen sie lange Zeit nebeneinander und
dachten nach so fest sie konnten.
Als sich die Dämmerung bereits über den
Wald legte, räusperte sich Hurgall und fragte:
„Und?“
Hobroff und Hilmerald schraken zusammen.
„Was: Und?“, brummte Hobroff
unfreundlich. Er hasste es, wenn man ihn
beim Nachdenken störte.
„Habt ihr eine Lösung?“, fragte Hurgall.
„Lösung?“, sagte Hilmerald und spitzte
interessiert die Ohren.
„Ja, eine Lösung“, sagte Hurgall. „Für
unser Problem!“
„Was für ein Problem?“, knurrte Hobroff.
Hurgall stöhnte. Dass sich die beiden auch
nie merken konnten, worüber sie nachdenken
sollten!
„Wir wollten uns überlegen, woher wir
ein kleines Kind nehmen können!“, rief er
ungeduldig.
„Ein kleines Kind?“, fragte Hilmerald
verwundert. „Wozu brauchen wir ein kleines
Kind?“
Und Hobroff knurrte: „Ich mag keine
kleinen Kinder. Ich bin froh, dass wir keines
haben.“
Hurgall kniff die Augen zu und zog
tief die Luft ein. Dann brüllte er:
„Wir wollen doch kein kleines Kind haben!
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Wir wollen eines fressen!“
„Ach so“, sagte Hobroff und schüttelte
sich. „Das ist etwas anderes. Fressen ist
immer gut.“