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Leseprobe: Fiona Fee hat keine Zeit

Leseprobe zu Jutta Treiber: Fiona Fee hat keine Zeit

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1.<br />

Der große Zauberer <strong>hat</strong> schlecht geschlafen<br />

Der Große Zauberer wacht auf. Er <strong>hat</strong> schlecht<br />

geschlafen. Und schlecht geträumt. Seine Frau,<br />

die <strong>Fee</strong>npräsidentin, schnarcht friedlich neben<br />

ihm. Das ärgert den Großen Zauberer. Er hält<br />

seiner Frau die Nase zu.<br />

Die <strong>Fee</strong>npräsidentin wacht auf. „Was ist los?<br />

Warum weckst du mich?“<br />

„Weil ich nicht schlafen kann“, sagt der Große<br />

Zauberer.<br />

5


„Ach, nimm dich selbst doch nicht so wichtig!“,<br />

murrt die <strong>Fee</strong>npräsidentin.<br />

Im Nu ist ein handfester Ehestreit im Gange.<br />

Denn der Satz: „Nimm dich nicht so wichtig!“<br />

oder „Mach dich nicht so wichtig!“ ärgert den<br />

Großen Zauberer am allermeisten. Schließlich<br />

ist er ja wichtig, und deshalb darf er sich auch<br />

wichtig nehmen. Und wichtig machen.<br />

Der Große Zauberer weiß aus Erfahrung, dass<br />

die <strong>Fee</strong>npräsidentin in einem Streit immer das<br />

6 7


letzte Wort <strong>hat</strong>, und so springt er aus dem Bett und<br />

beschließt, seinen Ärger irgendwie abzureagieren.<br />

Plötzlich lacht er schallend laut. Eine – wie er<br />

meint – unheimlich gute Idee ist ihm in den Kopf<br />

geschossen …<br />

Früher haben im <strong>Fee</strong>nreich nur <strong>Fee</strong>n gelebt. Aber<br />

im Lauf der <strong>Zeit</strong> sind fremde Geister ins Land<br />

gekommen: Zauberer aus Zaubrien, (auch einige<br />

VoodooZauberer, die mit Vorliebe alte Flaschen<br />

sammeln, sie zerbrechen und sich voll Freude in<br />

den Scherben wälzen, ohne sich die Zauberhaut<br />

blutig zu schneiden), Hexen aus Hexanien, Trolle<br />

aus dem Nordland, Elfen aus dem Träumeland<br />

und noch viele andere Geister, die nun alle im<br />

<strong>Fee</strong>nreich leben.<br />

Das geht nicht immer problemlos ab, denn die<br />

fremden Wesen haben auch seltsame Gebräuche<br />

und Angewohnheiten. Dadurch kommt es manchmal<br />

zu handfesten Streitigkeiten. Doch seit jeder<br />

die Sprache der anderen gelernt <strong>hat</strong>, können sie<br />

einander besser verstehen.<br />

Der Große Zauberer, der sich so wichtig nimmt,<br />

<strong>hat</strong> die <strong>Fee</strong>npräsidentin geheiratet, die bisher das<br />

Land allein regiert <strong>hat</strong>. Und nun herrschen sie<br />

gemeinsam über das Vereinigte <strong>Fee</strong>n- und Zauberreich.<br />

Einmal im Monat laden die <strong>Fee</strong>npräsidentin und<br />

der Große Zauberer alle Bewohner des Landes zu<br />

einem Ball. In ein paar Tagen ist es wieder so weit.<br />

Aber vorher, denkt der Große Zauberer, werde<br />

ich meinen grandiosen Streich spielen. Voller Vorfreude<br />

reibt er sich die großen Hände und schwingt<br />

(zunächst einmal probeweise) den Zauberstab.<br />

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2.<br />

<strong>Fiona</strong> <strong>Fee</strong> und ihre vier unmöglichen Brüder<br />

Ein bisschen eitel ist sie schon, die kleine <strong>Fee</strong><br />

<strong>Fiona</strong>. Und so schminkt sie sich immer sehr<br />

sorgfältig, bevor sie zur Erde fliegt.<br />

Zuerst tränkt sie ihr hübsches Gesicht in Blütentau<br />

und tupft den Überschuss mit Wolkenwatte ab.<br />

Dann trägt sie zartbraunes Sonnen-Makeup auf,<br />

färbt die Augenpartie mit Gewitterschwarz und<br />

zieht die Lippen mit einem kräftigen Morgenrot-<br />

Lippenstift nach. Der Sternenstaub, den sie zum<br />

Schluss aufsprüht, lässt ihr Gesicht glitzern und<br />

die <strong>Fee</strong> strahlen.<br />

<strong>Fiona</strong> ist an diesem Morgen bester Laune. Sie<br />

ist früh aufgestanden, <strong>hat</strong> ihre Morgengymnastik<br />

gemacht, sich danach unter die Regendusche<br />

gestellt, ein hübsches Kleid angezogen, die frische<br />

Morgenluft eingeatmet und sich geschminkt.<br />

Ein bisschen getrübt wird ihre Stimmung allerdings,<br />

als sie einen Blick in das Zimmer ihres<br />

Bruders Olli wirft. Es ist – <strong>Fiona</strong> kann das nur<br />

höchst irdisch ausdrücken – ein Sauhaufen.<br />

Alles liegt kunterbunt durcheinander, der Boden<br />

ist vollständig mit Krimskrams bedeckt, sodass<br />

Olli sich nur mehr fliegend durchs Zimmer bewegen<br />

kann. Olli geht nämlich mit Vorliebe auf<br />

den <strong>Fee</strong>n-Sperrmüllplatz und schleppt alle Dinge<br />

heran, die er nur tragen kann.<br />

10<br />

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„Irgendwann werde ich ein wunderbares Kunstwerk<br />

daraus machen“, sagt Olli immer. (Bisher<br />

<strong>hat</strong> er aber die Dinge nur gesammelt.)<br />

<strong>Fiona</strong> seufzt. Sie nennt ihren Bruder Olli Krallawatsch.<br />

(„Krallawatsch“ heißt in der <strong>Fee</strong>nsprache<br />

„Unordnung, Schlamperei, Durcheinander“.)<br />

Ich verstehe nicht, wie Mama und Papa das<br />

aushalten!, denkt die kleine <strong>Fee</strong>. Und warum sie<br />

es noch immer nicht geschafft haben, Olli Krallawatsch<br />

besser zu erziehen!<br />

Aber in Erziehungsfragen sind Mama und Papa<br />

<strong>Fee</strong> wohl insgesamt nicht sehr erfolgreich gewesen.<br />

(Außer natürlich bei der kleinen <strong>Fee</strong> selbst!)<br />

Vier Brüder zu haben, das ist eine echte Plage!<br />

Bruder Hoho will unbedingt Weihnachtsmann<br />

werden. Papa <strong>Fee</strong> ist aus allen <strong>Fee</strong>nwolken gefallen,<br />

als Hoho diesen Wunsch geäußert <strong>hat</strong>.<br />

„<strong>Fee</strong>n werden <strong>keine</strong> Weihnachtsmänner!“, <strong>hat</strong><br />

Papa <strong>Fee</strong> gesagt. Aber Hoho <strong>hat</strong> gar nicht auf ihn<br />

gehört.<br />

Zur Weihnachtszeit darf er dem echten Weihnachtsmann<br />

helfen, das ist ja o.k. Aber dass Hoho<br />

sich das ganze Jahr lang mit Weihnachten beschäftigt,<br />

das nervt in höchstem Maß!<br />

Bereits im <strong>Fee</strong>n-Frühling fängt er an zu fragen:<br />

„Was wünscht ihr euch zu Weihnachten? Und wie<br />

soll ich den Christbaum schmücken? Soll ich echte<br />

Feuerblitzkerzen aufstecken? Und werden wir …“<br />

„Halt den Mund, Hoho!“, sagt <strong>Fiona</strong> dann zornig.<br />

„Wenn ich das Wort Weihnachten noch einmal<br />

höre, platze ich vor Wut!“<br />

12 13


Bruder Jaman ist ein Forscher. Mit tausend<br />

Zetteln und einem Maßband bewaffnet geht er<br />

durch die <strong>Fee</strong>nwelt und misst und schreibt und<br />

zeichnet alles auf, was ihm interessant vorkommt.<br />

Dabei stolpert er manchmal über ein Wolkenknäuel<br />

oder er stößt mit dem Kopf gegen einen<br />

Blitz. (Das macht ihm aber nichts aus, weil <strong>Fee</strong>n<br />

sich nicht wehtun können.)<br />

Bruder Jaman ist ein recht angenehmer <strong>Zeit</strong>genosse.<br />

Nur dass er immer so supergescheit tut,<br />

stört die kleine <strong>Fee</strong> ein bisschen. Denn supergescheit<br />

ist ja in Wirklichkeit nur sie selbst!<br />

Und dann ist da noch Bruder Gecko. Der <strong>hat</strong><br />

die dumme Angewohnheit, alle Schuhe zu verstecken.<br />

Meist vergisst er dann, wo er sie versteckt<br />

<strong>hat</strong>, und die kleine <strong>Fee</strong> muss stundenlang suchen.<br />

(Gecko ist also nicht nur ein Gecko Verstecko,<br />

sondern auch ein Gecko Vergesso.)<br />

Apropos Schuhe … Die guten silberglänzenden<br />

Stücke stehen immer griffbereit im Vorraum.<br />

Aber da sind sie nicht!<br />

„Gecko!“, ruft die kleine <strong>Fee</strong> zornig, „wo hast<br />

du meine Schuhe versteckt?“<br />

„Ich? Deine Schuhe? Versteckt? Wieso?“, fragt<br />

Gecko.<br />

Das ist auch so eine Unart von ihm, die <strong>Fiona</strong><br />

auf die Palme bringt. Dass Gecko nie in ganzen<br />

Sätzen spricht, sondern immer nur Wortfetzen von<br />

sich gibt. Und dabei kaum den Mund aufmacht,<br />

sodass sie die genuschelten Wortfetzen nicht verstehen<br />

kann.<br />

„Gecko! Stell dich nicht so blöd an! Mach den<br />

Mund auf, sprich deutlich und sag mir sofort,<br />

wo meine Schuhe sind!“, sagt die kleine <strong>Fee</strong> im<br />

14<br />

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Befehlston eines hochrangigen <strong>Fee</strong>ngenerals.<br />

„Ich? Deutlich? Wieso? Schuhe? Weiß nicht“,<br />

sagt Gecko.<br />

<strong>Fiona</strong> <strong>Fee</strong> tut einen abgrundtiefen Seufzer. Sie<br />

holt ein bisschen Eisluft aus dem Nordpolkasten,<br />

um sich abzukühlen. Da stehen ihre silbernen<br />

Schuhe, eisgekühlt.<br />

„Ach, Gecko!“, seufzt die kleine <strong>Fee</strong> noch einmal.<br />

Mit den hohen Stöckelschuhen erreicht sie fast<br />

normale <strong>Fee</strong>ngröße. Denn sie will schon etwas<br />

„gleichschauen“, wenn sie zu den Menschenkindern<br />

fliegt, um ihnen zu helfen.<br />

3.<br />

<strong>Fiona</strong> <strong>Fee</strong> fliegt zur Erde<br />

Die kleine <strong>Fee</strong> fliegt gemütlich zur Erde hinunter.<br />

Sie schwebt durch die Luft und freut sich schon<br />

darauf, dass sie an diesem wunderschönen Tag<br />

wieder ein paar Kinder glücklich machen kann.<br />

Denn das ist ihre Lebensaufgabe: Menschenkindern<br />

zu helfen und sie glücklich zu machen.<br />

Auf der Erde angekommen, faltet <strong>Fiona</strong> ihre<br />

Flügel zusammen und geht langsam weiter. Denn<br />

nur beim langsamen Gehen kann sie die Kinder<br />

entdecken, die ihre Hilfe brauchen. Und die kleine<br />

<strong>Fee</strong> <strong>hat</strong> alle <strong>Zeit</strong> der Welt. Denn <strong>Fee</strong>n haben<br />

immer <strong>Zeit</strong>.<br />

Als sie so die Straße entlang schlendert, kommt<br />

sie an einem Spielplatz vorbei. Dort sitzt ein<br />

Mädchen in der Sandkiste und weint.<br />

„Warum weinst du?“, fragt die kleine <strong>Fee</strong>.<br />

„Weil, weil …“, schluchzt das Mädchen.<br />

„Weil, weil, warum …?“ Die kleine <strong>Fee</strong> ermahnt<br />

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sich selbst, nicht gleich ungeduldig zu werden.<br />

Irgendwie erinnert sie die Redeweise des Mädchens<br />

an ihren Bruder Gecko.<br />

„Weil ich meinen Plastiklöwen nicht finde!“,<br />

schluchzt das Mädchen.<br />

Die kleine <strong>Fee</strong> schüttelt den Kopf. Weinen –<br />

wegen eines Plastiklöwen? Donner, Blitz und<br />

Sternenstaub, was diese Kinder für Sorgen haben!<br />

Gemeinsam beginnen sie im Sand zu buddeln<br />

und im Nu <strong>hat</strong> die kleine <strong>Fee</strong> den Plastiklöwen<br />

hervorgezaubert.<br />

„Na, siehst du“, sagt <strong>Fiona</strong>, ein bisschen vorwurfsvoll,<br />

„wer suchet, der findet!“<br />

Das Mädchen strahlt übers ganze Gesicht, läuft<br />

zu seiner Mutter und sagt: „Mama, eine <strong>Fee</strong> <strong>hat</strong><br />

mir suchen geholfen. Sie <strong>hat</strong> meinen Löwen gefunden.“<br />

„Jaja“, seufzt die Mutter. „Eine <strong>Fee</strong>, natürlich,<br />

klar!“ Was dieses Kind für eine Phantasie <strong>hat</strong>!<br />

Andauernd behauptet es, irgendwelche Märchenwesen<br />

gesehen zu haben.<br />

Die kleine <strong>Fee</strong> zerzaust lustvoll die sorgfältig<br />

frisierten Haare der Mutter. Nur weil die Erwachsenen<br />

<strong>Fee</strong>n und andere Zauberwesen nicht sehen<br />

können, leugnen sie deren Existenz. Wie dumm<br />

und engstirnig!<br />

Die Mutter greift sich an den Kopf. Was ist ihr<br />

da eben in die Haare gefahren? Es ist doch ganz<br />

windstill! Sie zieht einen Spiegel aus der Handtasche<br />

und betrachtet entsetzt ihre zerstörte Frisur.<br />

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Die kleine <strong>Fee</strong> kichert, winkt noch dem Mädchen<br />

mit dem Plastiklöwen zu und geht weiter.<br />

Aus einem geöffneten Fenster dringen Stimmen.<br />

„Ich will nicht zum Fußballtraining“, ruft laut<br />

ein Bub. „Ich mag überhaupt nicht Fußball spielen!“<br />

„Jeder Bub mag Fußball spielen!“, entgegnet der<br />

Vater noch lauter.<br />

„Ich nicht!“, ruft der Bub.<br />

„Aber alle deine Freunde gehen doch zum Fußballtraining!“,<br />

sagt der Vater.<br />

„Na und?“, sagt der Bub. „Ich will trotzdem<br />

nicht!“<br />

Dieser Fall ist ein Klacks!, denkt die kleine<br />

<strong>Fee</strong>. Sie rüttelt ein wenig am Kopf des Vaters und<br />

schüttelt eine Erinnerung hervor:<br />

Wie er als kleiner Bub auch nicht Fußball spielen<br />

wollte und wie ihn sein Vater dazu gezwungen<br />

<strong>hat</strong>. Aber das Fußballspielen <strong>hat</strong> ihm <strong>keine</strong> Freude<br />

gemacht, viel lieber wäre er zum Schwimmtraining<br />

gegangen.<br />

Der Vater greift sich an den Kopf, dann schluckt<br />

er und fragt: „Was würdest du denn lieber tun?“<br />

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