medizin&technik 03.2020
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■ [ RECHT ]<br />
dukte zum 26. Mai 2020 gemäß MDR in<br />
Verkehr gebracht hätten werden müssen.<br />
Hiervon wären sehr viele Produkte und<br />
Hersteller betroffen gewesen, so dass das<br />
2. Corrigendum eine große Erleichterung<br />
gebracht hat. Demnach durften die genannten<br />
Produkte auch nach dem 26. Mai<br />
2020 bis längstens 26. Mai 2024 in<br />
Verkehr gebracht werden, vorausgesetzt,<br />
es hätte MDD-Konformität bestanden<br />
und es hätten keine wesentlichen Änderungen<br />
der Auslegung und der Zweckbestimmung<br />
des Produkts stattgefunden.<br />
Darüber hinaus blieben die Anforderungen<br />
der MDR an die Überwachung nach<br />
dem Inverkehrbringen, die Marktüber -<br />
wachung, die Vigilanz sowie die Registrierungspflichten<br />
davon unberührt und<br />
waren bereits ab dem 26. Mai 2020 zu erfüllen.<br />
Klasse Ir: 2. Corrigendum gilt<br />
trotz Verschiebung der MDR<br />
Die Frist dieser wichtigen Sonderregelung<br />
hatte die EU-Kommission ursprünglich<br />
nicht auf den 26. Mai 2021 angepasst. Das<br />
war nur schwer nachvollziehbar und führte<br />
zu der Frage, wie diese Produkte im<br />
Zeitraum zwischen 26. Mai 2020 und<br />
2021 zu behandeln wären. Es erschien<br />
wenig plausibel, dass die EU-Kommission<br />
die im Dezember 2019 eingeführte Erleichterung<br />
angesichts verschärfter Rahmenbedingungen<br />
zurücknehmen würde.<br />
Viele Beobachter vermuteten daher, es<br />
handele sich schlicht um ein Versehen,<br />
weil man offenbar das 2. Corrigendum<br />
nicht zur Hand hatte und mit einem veralteten<br />
MDR-Text gearbeitet hat. Wie dem<br />
auch sei, im Zuge des Gesetzgebungsprozesses<br />
zwischen Kommission, Rat und<br />
Parlament wurden diese Anpassungen<br />
dann letztlich vollzogen. Die ursprüngliche<br />
Wirkung des 2. Corrigendums bleibt<br />
also erhalten.<br />
Trotz der zahlreichen verschobenen<br />
Fristen und Termine bleibt auch etwas unverändert.<br />
Die Frist zum Inverkehrbringen<br />
von Altprodukten bleibt in den meisten<br />
Fällen der 26. Mai 2024. Das finale<br />
Datum zur Bereitstellung oder Inbetriebnahme<br />
von Altprodukten ist ebenfalls unverändert<br />
der 26. Mai 2025. Während der<br />
verlängerten Übergangszeit werden nun<br />
bis Mai 2025 MDD- und MDR-zertifizierte<br />
Produkte auf dem Markt koexistieren.<br />
Hersteller von Medizinprodukten sollten<br />
im Detail prüfen, in wie weit die jeweiligen<br />
Übergangsbestimmungen für ihre<br />
Produkte greifen.<br />
Im Schatten der Verschiebung des<br />
Geltungsbeginns der MDR hat die Kommission<br />
auch die Rahmenbedingungen<br />
für die Konformitätsbewertung und damit<br />
verbunden der CE-Kennzeichnung geändert.<br />
Sowohl die MDD als auch die MDR<br />
erlauben es den zuständigen nationalen<br />
Behörden, Medizinprodukten auch ohne<br />
Konformitätsbewertungsverfahren und<br />
damit ohne CE Kennzeichnung den Zugang<br />
zum Markt zu ermöglichen. Begründet<br />
werden kann dieses mit Aspekten des<br />
Gesundheitsschutzes oder der Patientensicherheit<br />
als Grundlage für ein nationale<br />
Ausnahmeregelung. Die EU-Kommission<br />
hat nun angesichts der Covid-19-Krise Artikel<br />
59 der MDR kurzerhand vorgezogen,<br />
um nationale Sonderregelungen innerhalb<br />
der EU übernehmen zu können. Damit<br />
sollen etwaige Engpässe bei lebenswichtigen<br />
Medizinprodukten vermieden<br />
werden.<br />
Soweit so gut, allerdings sind jetzt vermehrt<br />
Produkte zu erwarten, die zwar zur<br />
medizinischen Anwendung am Menschen<br />
bestimmt sind, aber keine Konformitätserklärung<br />
beziehungsweise keine CE-<br />
Kennzeichnung haben. Dies sollte vor allem<br />
bei Covid-19 relevanten Produkten<br />
der Fall sein. Hier besteht die Gefahr, dass<br />
Sicherheitsstandards erodieren, deren Erhöhung<br />
das erklärte Ziel der MDR in der<br />
Folge der Skandale rund um Brust- und<br />
Hüftimplantate war.<br />
Die Problematik lässt sich aktuell an<br />
den Versorgungsengpässen bei Schutzmasken<br />
ablesen. Diese können entweder<br />
als Medizinprodukt (medizinischer<br />
Mund-Nase-Schutz) oder als persönliche<br />
Schutzausrüstung (partikelfiltrierende<br />
Halbmasken) im regulierten Markt bereitgestellt<br />
werden. Für beide Maskenarten<br />
existiert ein hoher Bedarf, der durch die<br />
Einführung einer allgemeinen Maskenpflicht<br />
noch erhöht wurde. Gleichzeitig<br />
haben sowohl der europäische als auch<br />
der deutsche Gesetzgeber regulatorische<br />
Standards gesenkt, um die Bereitstellung<br />
der übernachgefragten Produkte zu beschleunigen.<br />
Angesichts dieser Konstellation kommt<br />
es, wie es kommen musste: Der deutsche<br />
Markt wird überschwemmt mit Masken,<br />
die nicht verkehrsfähig und von zweifelhafter<br />
Qualität sind. Der VDE hat daher<br />
Anfang April einen für Gesundheitseinrichtungen<br />
kostenfreien Plausibilitätscheck<br />
eingeführt, um schnell beurteilen<br />
zu können, ob angebotene Medizin- und<br />
Schutzprodukte vermarktet werden dürfen<br />
und aus seriösen Quellen stammen.<br />
Die Prüfergebnisse sind niederschmetternd.<br />
Konformitätserklärungen gibt es in<br />
den seltensten Fällen. Stattdessen werden<br />
die Bezieher der Medizin- und Schutzprodukte<br />
mit aussagelosen Zertifikaten getäuscht,<br />
die suggerieren, es gäbe eine<br />
„CE-Zertifizierung“.<br />
Sicherheit geht vor, selbst wenn<br />
es Engpässe zu verhindern gilt<br />
Zu hoffen ist, dass Patienten und Personal<br />
nicht oder nur in geringem Umfang zu<br />
Schaden kommen. Es ist nachvollziehbar,<br />
dass durch gesenkte Anforderungen fehlende<br />
medizinische Versorgungsgegenstände<br />
schneller bereitgestellt werden sollen.<br />
Das darf aber nicht auf Kosten der Sicherheit<br />
der Patienten und des Gesundheitspersonals<br />
geschehen.<br />
Aufgrund der Covid-19-Pandemie ist<br />
von weiteren Planänderungen bezüglich<br />
der MDR in hoher Schlagzahl ausgehen.<br />
Für die Verschiebung des Geltungsbeginns<br />
der MDR hat die Kommission lediglich<br />
21 Tage benötigt. Derzeit ist also<br />
„Fahren auf Sicht” angesagt, auch wenn<br />
das nicht die optimale Lösung für Patienten,<br />
Personal und Hersteller in einem<br />
hochregulierten Umfeld ist.<br />
■<br />
Dr. Cord Schlötelburg<br />
VDE Verband der Elektro<strong>technik</strong> Elektronik<br />
Informations<strong>technik</strong> e.V., Frankfurt/Main<br />
Mehr zum Thema vom VDE im Blog unter:<br />
https://meso.vde.com/de/blog<br />
Mehr dazu online<br />
Was sich in Fragen der Medical Device<br />
Regulation tut, lesen Sie auf der Themenseite<br />
im Online-Magazin:<br />
medizin-und-<strong>technik</strong>.industrie.de/<br />
themen/medical-device-regulation/<br />
50 medizin&<strong>technik</strong> 03/2020