Andrea Behnke: Den Bauch voller Töne
Enie liebt ihre Blockflöte und die hüpfenden Noten, die ihr in die Flöte springen. Nichts ist schöner als Töne, die im Bauch kitzeln. Obwohl sie richtig gut ist, wird sie oft belächelt. Vor allem von Alina … Eines Tages landet Enie mitten im 17. Jahrhundert, wo sie Jacob van Eyck trifft. Den Komponisten! Mit ihm geht sie zurück in die Gegenwart. Eine aufregende (Zeit-Reise beginnt. Eine Geschichte über den eigenen Weg … und über die Liebe zur Musik. Für Kinder ab 8 Jahren.
Enie liebt ihre Blockflöte und die hüpfenden Noten, die ihr in die Flöte springen. Nichts ist schöner als Töne, die im Bauch kitzeln. Obwohl sie richtig gut ist, wird sie oft belächelt. Vor allem von Alina …
Eines Tages landet Enie mitten im 17. Jahrhundert, wo sie Jacob van Eyck trifft. Den Komponisten! Mit ihm geht sie zurück in die Gegenwart. Eine aufregende (Zeit-Reise beginnt.
Eine Geschichte über den eigenen Weg … und über die Liebe zur Musik.
Für Kinder ab 8 Jahren.
Verwandeln Sie Ihre PDFs in ePaper und steigern Sie Ihre Umsätze!
Nutzen Sie SEO-optimierte ePaper, starke Backlinks und multimediale Inhalte, um Ihre Produkte professionell zu präsentieren und Ihre Reichweite signifikant zu maximieren.
Andrea Behnke
Den
Bauch
voller
Töne
Mit Illustrationen
von Mele Brink
EDITION PASTORPLATZ
41
Andrea Behnke
Den
Bauch
voller
Töne
Mit Illustrationen von Mele Brink
Andrea Behnke
Den
Bauch
voller
Töne
Mit Illustrationen von Mele Brink
2
Die Liebe zur Musik
macht vieles möglich.
Sie lässt uns sogar
durch Zeiten wandern.
3
4
Tt
Enie öffnet die Filzhülle und zieht die Blockflöte heraus. Mit
zwei Fingern streicht sie über das dunkle Holz. Die Maserung
sieht aus wie Wellen. Sie steckt die Flöte unter ihren Arm,
um sie anzuwärmen. Morgens ist es noch so frisch in ihrem
Zimmer. Und eine Blockflöte hasst Kälte, dann wird sie sofort
heiser beim Spielen.
Viel Zeit zum Anwärmen hat Enie nicht. Ihr Blick fällt auf
den Wecker. Halb acht schon. Gleich muss sie los zur Schule.
Sie geht zum Notenständer und beginnt zu spielen. Gerade
übt sie ein barockes Stück, das ganz schön schwierig ist. So
viele hüpfende Noten. Enie stellt sich immer vor, dass die
Noten vom Blatt in ihre Flöte springen.
5
„Enie!“, schallt es da aus dem Flur. Sofort wird die
Kinderzimmertür aufgerissen und Enies Mama steht vor ihr.
„Ich hab dir schon mal gesagt, dass du nicht so früh Flöte
spielen kannst!“
Innerlich spricht Enie mit, was jetzt kommt: „Die Nachbarn
wollen auch mal ihre Ruhe haben, wenigstens morgens und
abends.“
Enie seufzt und schraubt das Kopfstück der Blockflöte ab.
„Ja, Mama“, sagt sie. „Mir juckte es gerade so in den Fingern …“
„Du und deine juckenden Finger.“ Mama schmunzelt.
Enie bläst die Flöte aus und packt sie wieder in die Hülle.
Denn sie muss die Flöte heute mit in die Schule nehmen, es
ist Orchesterprobe.
„Sei doch froh, dass ich übe“, sagt Enie. „Andere Mütter
würden sich freuen.“
6
„Ich freue mich auch.“ Mama strubbelt Enie durch die
Haare. „Nur morgens früh und abends spät nicht.“
Enie seufzt noch einmal. Jetzt ist es gerade einmal
zwanzig vor acht, und sie hat schon zweimal geseufzt. „Das
wird bestimmt so ein Seufztag“, denkt Enie und verstaut
ihre Blockflöte vorsichtig hinter den Schulbüchern. Ihre
Orchesternoten hat sie auch dabei. Doch die Stücke kann sie
ohnehin fast alle auswendig spielen.
7
8
Tt
Die Orchesterprobe ist in der ersten Stunde. Im Bunten
Orchester können alle mitmachen, die ein Instrument
lernen. Enie ist die Einzige mit einer Blockflöte. Ihre
Klassenkameradinnen spielen Cello, Querflöte oder wuchten
ihr Cajon auf einer Sackkarre zur Schule.
Klar, es sieht schon wichtig aus, wenn Alina ihren Geigenkasten
unterm Arm hat und im Orchester mit dem Bogen
auf den Saiten schrubbelt. Enie spürt den mitleidigen Blick,
den ihr Alina zuwirft, wenn sie ihr Flötentäschchen aus dem
Rucksack holt.
9
Heute scheinen Alinas Augen an Enie zu kleben.
Normalerweise kann Enie diese Blicke abschütteln, aber heute
gelingt ihr das nicht. Sie hält ihre Flöte fest in der Hand und
guckt weg. Die Sonne scheint auf das Holz, es schimmert
geheimnisvoll. Egal, was andere denken: Enie liebt ihre
Blockflöte und möchte sie gegen kein Instrument der Welt
tauschen.
Lara holt Enie mit einem Fluchen aus ihren Gedanken:
„Das Scheiß-Cello will nicht stehen bleiben!“ Sie versucht,
den Cellostachel richtig zu platzieren. Frau Rudolf, die
Musiklehrerin, schaut sie böse an. „Ist doch wahr“, murrt Lara.
„Da hast du es besser, mit der Flöte!“ Enies Gesicht hellt sich
auf, als Lara das sagt. Sie sagt es nicht fies. Enie merkt, wie
Alinas Blick auf einmal nicht mehr so klebrig ist wie vorhin.
10
Frau Rudolf tippt mit dem Taktstock aufs Pult. „Wir üben
noch einmal die Frühlingslieder, Reihenfolge wie letzte Woche.“
Alle nesteln an ihren Noten. Alina versucht, mit einer Hand die
Noten auf den Ständer zu bekommen. Doch sie fallen immer
wieder herunter. Enie verkneift sich ein Lachen. Vor ihr steht
kein Notenständer. Diese Lieder hat sie einfach in den Fingern.
Sie gähnt hinter vorgehaltener Hand. Aber Frau Rudolf
entgeht nichts. „Schlecht geschlafen?“, fragt sie. Enie schüttelt
den Kopf und versucht, große, wache Augen zu machen.
Sie mag es, mit anderen zusammen zu musizieren. Doch
diese Frühlingslieder lassen bei ihr nicht den Mai erwachen,
sondern sie machen sie frühjahrsmüde.
Ihre Blockflötenlehrerin sagt immer: „Wenn du dich im
Orchester langweilst, dann stellst du dir selbst Aufgaben.“
11
Erst hat Enie das komisch gefunden. Aber jetzt macht es ihr
Spaß. Während die anderen sich mit den Griffen abmühen
oder versuchen, die Noten zu lesen, probiert Enie ganz
verschiedene Sachen aus. Mal spielt sie alles gebunden oder
tupft die Töne, so wie man mit einem Pinsel Punkte aufs
Papier macht. Sie spielt mit den Klangfarben ihrer Flöte.
Frau Rudolf ist so beschäftigt, dass ihr Enies Experimente
gar nicht auffallen.
Wenn Enie spielt, dann ist sie oft ganz bei sich. Manchmal
hat sie das Gefühl, dass sie in sich drinnen ist. Das sagt sie
aber niemandem, denn irgendwie klingt es doch dämlich.
In sich drinnen sein. Aber genau so fühlt es sich an. Dann
bekommt sie noch nicht einmal mit, dass Alina sich schon zum
dritten Mal an der gleichen Stelle verspielt.
12
13
Da Lara der Cellobogen aus der Hand gefallen ist, winkt
Frau Rudolf mit ihrem Notenstock ab. Sie ist sich so oft
durch die Haare gefahren, dass sie abstehen. Enie könnte
losprusten. Frau Rudolf könnte Beethovens Schwester sein,
Beethoven hatte auch so einen abstehenden Pagenkopf.
„Ich glaube, ihr müsst noch mal Noten fressen“, sagt Frau
Rudolf und sackt zusammen. Noten fressen, wie sich das
anhört. Als ob man oben Papier in den Mund stopft und unten
kommt Musik raus. Manchmal weiß Enie wirklich nicht, ob Frau
Rudolf Musik überhaupt mag. Oder ob sie nur die Musik des
Bunten Orchesters nicht mag. Enie summt leise „Komm lieber
Mai und mache …“, als Frau Rudolf sich noch einmal gerade
hinstellt und ruft: „Ein letztes Mal. Jetzt aber mit Konzentration!
Ihr wisst: Es ist die letzte Probe vor dem Auftritt!“
14
„Ich habe keine Lust“, flüstert Lara und rollt mit den Augen.
Enie antwortet nicht. Alina raunt Lara zu: „Der musst du das
gar nicht sagen. Die isst Noten doch schon zum Frühstück!“
Wieder sagt Enie nichts. Am liebsten würde sie sich die Flöte
in die Ohren stecken. Sie seufzt, ohne dass es jemand hört.
Lautlos seufzen, das kann sie gut.
15
16
Tt
Nach der Schule holt sich Enie Pommes. Denn Mama und
Papa kommen heute spät von der Arbeit. Wenn sie mittags
alleine ist, darf sie sich manchmal Pommes kaufen. Sie isst
sie schnell am Imbiss. Die Pommes schmecken hier sowieso
nicht so gut wie in Alkmaar in Holland. Da ist sie oft in den
Ferien, denn ihr Papa ist Holländer. Mit den Fingern stopft
sich Enie die letzten Pommes in den Mund und leckt die Mayo
ab. Jetzt möchte sie unbedingt nach Hause. Üben. Irgendwann
muss dieses neue Stück mit den Hüpfenoten einfach klappen.
Mama und Papa wollen immer, dass Enie erst alles für die
Schule erledigt, bevor sie die Blockflöte auspackt. Daher liebt
17
Enie die Mama-Papa-freien Nachmittage. Da kann sie machen,
was sie will. Und was sie will, ist nun mal flöten, und zwar
sofort. Und nicht erst rechnen oder ein Sachkunde-Arbeitsblatt
zum Skelett ausfüllen. Am interessantesten am menschlichen
Körper sind für Enie sowieso die Finger. Enie findet es
Wahnsinn, dass die Hand 27 Knochen hat. 27 Knochen sowie
Muskeln und Bänder, die die Finger so flink Flöte spielen lassen.
Tatsächlich übt Enie jeden Tag. Weil sie es möchte. So wie
jetzt. Sie setzt die Flöte an den Mund und schließt die Augen.
Zum Einspielen nimmt sie nicht das Stück, das noch nicht
richtig sitzt. Sondern ein Stück, das sie ohne Noten spielen
kann. Ein Stück, das schon in ihr drin ist. Enie fällt wieder das
mit dem „Noten fressen“ ein, das Frau Rudolf gesagt hat. Man
kann keine Noten fressen, da ist sie sich sicher. Man muss
Musik einfach spüren.
18
Wenn Enie spielt, dann gibt es nur noch sie und die
Musik. Enie hört die Musik von innen. Das geht tatsächlich.
Manchmal hat sie sogar das Gefühl, dass sie nur noch aus
Musik besteht. Die Noten sind nicht nur schwarze Zeichen auf
Papier. Schon wenn Enie Noten sieht, sprechen sie mit ihr, sie
hat sofort ihren Klang im Ohr. Genau deshalb kann man keine
Noten fressen. Man kann nichts fressen, das mit einem redet.
Und das man so gernhat.
Enie mag das Holz in ihrer Hand. Es fühlt sich so schön
an. Ist doch irre, dass sie mit einem Stück Holz solche Musik
machen kann. Sie kommt sogar schon hoch bis zum D in der
dritten Oktave. Also ziemlich hoch. Das weiß aber niemand.
Für die Lieder im Bunten Orchester braucht sie sowieso nur
ein paar Töne.
Ohne nachzudenken, spielt Enie einen Tanz. Ihre Finger
öffnen und schließen die Löcher der Blockflöte ganz flink.
19
Auf, zu, tada-tada … Da kommt eine hohe Stelle. F-G-A …
Und dann wird es schwierig: F-G-A-H … C … D … Und
plötzlich gelingt ihr zum ersten Mal sogar das E in der dritten
Oktave, hell und klar.
20
21
Tt
Bevor sich Enie darüber freuen kann – die dritte Oktave zu
spielen ist echt schwer –, spürt sie Wind in den Ohren. Alles
dreht sich, ihr Bett, ihr Schrank, die Notenzettel wirbeln um sie
herum. Mit beiden Händen umgreift sie ihre Flöte, damit sie ihr
nicht aus der Hand gleitet. Sie möchte laut rufen, aber der Wind
peitscht ihr entgegen. Kurz stockt ihr Atem, nichts geht mehr.
Und dann, klatsch, landet sie mitten in einem Kirchhof.
Einem Kirchhof, der wie ein Park ist. Um Enie herum sind
Beete mit roten und gelben Tulpen und kleinen Bäumen. Der
Boden ist uneben, er besteht aus lauter alten Pflastersteinen.
Enie guckt hoch, die Kirche mit dem großen Fenster
beugt sich über sie. Von Weitem hört sie Hufgetrappel, ein
Pferdewagen nähert sich.
22
23
Sie rappelt sich auf und klopft den Staub von der Kleidung.
Enie stutzt. Wo ist ihre Jeans? Sie hat einen dicken Leinenrock
mit dunkelgrüner Schürze an. Ihre Haare, die sie sonst offen
trägt, sind zu einem Bauernzopf geflochten. Ihr Knie ist ein wenig
aufgeschlagen, da sie nur Strümpfe trägt. Aber das merkt Enie
gerade kaum. Noch einmal muss sie den Stoff ihres Rockes
anfassen. Etwas aus so einem Stoff hat sie noch nie angehabt.
Sie blickt sich um. Viele Leute gehen spazieren. Sie
tragen Hüte und Spazierstöcke. An einem Baum sitzt ein
junges Pärchen, Hand in Hand. Enie hört einige Wortfetzen.
Niederländisch! Um sie herum wird niederländisch
gesprochen. Sie erkennt es sofort, denn sie spricht mit ihrem
Vater oft niederländisch.
„Goedendag, Meneer van Eyck“, hört sie eine
Frauenstimme. „Guten Tag, Herr van Eyck. Machen Sie gerade
ein Päuschen?“ Enies Blick fällt auf einen Mann mit Spitzbart,
24
Schnauzer und längeren schwarzen Locken mit lustigem Pony,
der auf einer Parkbank sitzt. Er lächelt die Frau an, doch
scheint durch sie hindurchzublicken. Aus seiner Manteltasche
zieht er eine Blockflöte und fängt an zu spielen.
Enie hört genau hin. Vogelgezwitscher. Ganz zarte Töne
erklingen.
„Das ist doch ‚Den Nachtegael‘!“, entfährt es ihr. Die
Nachtigall. Das Stück hat sie selbst schon gespielt. Sie liebt es.
„Was für ein schöner und schlichter Name für das Stück“, sagt
der Mann. „So werde ich diese Fassung nennen.“
Er dreht den Kopf nach rechts und links, er sucht Enie. Sie
schaut ihm direkt ins Gesicht. Da bemerkt sie, wie matt seine
Augen sind. Er ist blind.
„Das Stück heißt doch schon so“, sagt Enie und hebt die
Augenbrauen.
25
Da fällt ihr ihre Flöte ein. Sie hat gar nicht gemerkt, dass
sie in der Tasche der Schürze steckt. Sie nimmt sie heraus
und spielt langsam „Den Nachtegael“.
„Woher kannst du das Stück spielen?“, fragt der Mann. „Es
ist meine Art, das Stück zu spielen. Meine ganz neue Art.“ Er
steht auf.
„Ich habe die Noten zu Hause. Ich habe alle Bände vom
Fluyten Lust-Hof.“
„Wie das? Erst vor ein paar Tagen habe ich dieses Lied
geschrieben, als die Vögel in den Bäumen trällerten.
Ich musste unbedingt diese neue Fassung spielen und
aufschreiben. Eine Erfindung, meine Erfindung, sozusagen.“
26
Tt
„Sie, Sie …“ Enie stottert. „Sie sind Jacob van Eyck?“ Sie
holt tief Luft und ergänzt: „Der Komponist?“
„Glockenspieler bin ich. Flötenspieler. Und ja, man könnte
sagen, ich komponiere.“
„Irre.“ Enie könnte tanzen. „Das ist so cooooool.“
„Was?“
„Äh, ich meine, unglaublich.“ Sie dreht sich einmal um sich
selbst und pfeift durch die Zähne. „Ich glaube, ich bin jetzt fast
400 Jahre zurückgeflogen!“
„Geflogen?“ Jacob van Eyck zwirbelt seinen Bart.
„Geflogen …“ Weitere Leute gehen an ihnen vorbei und
nicken ihnen zu. Niemand findet es seltsam, dass Enie hier
27
28
steht in ihrem dicken Rock. Sie fällt gar nicht auf. Enie kann
all das nicht fassen. Sie zwickt sich kurz in die Hand. Autsch,
es tut weh. Es ist also kein Traum. Sie steht hier ganz in
echt. Enie holt tief Luft. Wie gut es hier riecht, ganz ohne
Autoabgase.
„Deine Flöte klingt anders als meine. Darf ich sie einmal
anfassen?“, fragt Jacob van Eyck.
Enie reicht sie ihm. Er tastet das geschnörkelte Holz
vorsichtig mit den Fingerkuppen ab, er betrachtet die Flöte
mit seinen Händen. Seine eigene Flöte ist fast gerade und
ganz glatt. „Wer baut solche Flöten?“
„Keine Ahnung, die gibt’s im Musikladen.“
„Musikladen? Du gehst in ein Geschäft und kaufst dir
einfach eine Flöte?“
„Klar.“
„Ein Geschäft voller Flöten, wie einzigartig“, sagt van Eyck.
29
„Ein Paradies mit Flöten, die sich anfühlen wie gedrechselte
Tischbeine.“
Enie mustert van Eyck. Nett wirkt er. Nicht streng, sondern
ein bisschen wie ein großer Junge, obwohl er bestimmt schon
50 ist. Enie seufzt, als er wieder anfängt zu flöten. Ihr ist, als
würde sie schweben. Dieses Mal aber nicht so wie vorhin, so
stürmisch. Sondern so, als würde sie ein leichter Sommerwind
tragen. Sie bekommt Gänsehaut, obwohl es warm ist.
Dann huscht ihr noch einmal durch den Kopf, dass van Eyck
sich als Glockenspieler vorgestellt hat. Glockenspieler. Das
klingt lustig. Der Musiker ist ganz vertieft in sein Flötenspiel,
sodass Enie sich nicht traut, ihn danach zu fragen. Ihn zu
stören, während seine Finger über die Flöte fliegen. Enie
seufzt noch einmal. Ihr fällt ein, dass sie heute früh auch
schon so oft seufzen musste. Und im Orchester auch. Sie
wusste doch, dass heute ein Seufz-Tag werden würde.
30
Sofort hält van Eyck inne. „Ist etwas, mein Meisje?“
„Ich heiße Enie.“ Fast hätte sie ihm die Hand gegeben, aber
das wäre ja zu bescheuert, nachdem sie mit van Eyck schon
geplaudert hat. Scheinbar hinterlässt diese Umgebung hier
schon Spuren.
„Enie, das ist ein schöner Name“, sagt van Eyck. Enie
lächelt und findet es schade, dass van Eyck nicht sieht, wie sie
lächelt. Doch er lächelt zurück.
„Ist etwas, Enie?“, wiederholt van Eyck seine Frage.
„Ich bin zu neugierig“, sagt Enie.
„Man ist nie zu neugierig“, sagt Jacob van Eyck.
31
Andrea Behnke
Foto: Michael Thodt
Andrea Behnke ist ein Ruhrgebietskind.
Sie schreibt Geschichten – wahre und
erfundene. Sie hat Politikwissenschaft, Anglistik und
Publizistik studiert. Nach einer Zeit als Angestellte, u. a. als
Redakteurin, ist sie seit Ende 1999 freiberufliche Autorin
und Schriftstellerin. Sie arbeitet für Verlage, für den Hörfunk
und für Non-Profit-Einrichtungen. Sie hat schon viele
Kinderbücher veröffentlicht. Sie spielt wie Enie und Jacob van
Eyck Flöte.
www.andreabehnke.de
100
Mele Brink
Foto: Marco Rose
Geboren 1968 in Ostwestfalen, lebt sie seit
Ende der 80er-Jahre in Aachen. Nach einem
Architekturstudium (Diplom ’98) hat sie sich dann doch lieber
der Zeichnerei verschrieben und produziert seitdem heitere
Bilder für kleine und große Menschen. Blockflöte spielen hat
sie als Kind natürlich auch gelernt, war aber nie so gut wie
ihre große Schwester. Auch deshalb gab’s dann viele Jahre
Trompetenbläserei, obwohl die Übungsstunden im Keller
stattfanden. Womöglich wegen der Lautstärke …
www.melebrink.de
101
„Den Bauch voller Töne“ wird herausgegeben von der Edition Pastorplatz
(Mele Brink & Bernd Held GbR · Luisenstraße 52 · 52070 Aachen)
www.editionpastorplatz.de
www.facebook.com/edition.pastorplatz
www.twitter.com/ed_pastorplatz
Editionsnummer: 41 (August 2020)
ISBN 978-3-943833-41-6
1. Auflage
Idee + Text: Andrea Behnke
Zeichnungen: Mele Brink
Layout + Umsetzung: Bernd Held
Lektorat + Korrektorat: Angelika Lenz, Steinheim an der Murr
Druck: Jettenberger Internationale Druckagentur
Innenseiten: 120-g-Offsetpapier (FSC © -zertifiziert)
Umschlag: 135-g-Bilderdruckpapier (FSC © -zertifiziert)
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung
des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die
Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet
diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.dnb.de abrufbar.
Enie liebt ihre Blockflöte und die
hüpfenden Noten, die ihr in die Flöte
springen. Nichts ist schöner als Töne,
die im Bauch kitzeln. Obwohl sie
richtig gut ist, wird sie oft belächelt.
Vor allem von Alina …
Eines Tages landet Enie mitten im
17. Jahrhundert, wo sie Jacob van
Eyck trifft. Den Komponisten! Mit ihm
geht sie zurück in die Gegenwart.
Eine aufregende (Zeit-)Reise beginnt.
Eine Geschichte über den eigenen Weg … und über
die Liebe zur Musik.
Für Kinder ab 8 Jahren.
ISBN 978-3-943833-41-6
€ 12,00 (D)
€ 12,40 (A)