Leseprobe Romeo macht was er will
Leseprobe Romeo macht was er will Autorin Saskia Hula
Leseprobe Romeo macht was er will Autorin Saskia Hula
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Saskia Hula<br />
<strong>Romeo</strong> <strong>macht</strong><br />
<strong>was</strong> <strong>er</strong> <strong>will</strong>
Saskia Hula<br />
<strong>Romeo</strong> <strong>macht</strong><br />
<strong>was</strong> <strong>er</strong> <strong>will</strong><br />
mit Illustrationen<br />
von Helga Demm<strong>er</strong><br />
Obelisk-V<strong>er</strong>lag
1.<br />
Juliane ist sehr zufrieden.<br />
Sie hat jetzt alles, <strong>was</strong> sie sich schon<br />
imm<strong>er</strong> gewünscht hat: einen prächtigen<br />
schwarzen Kat<strong>er</strong>, nämlich <strong>Romeo</strong>.<br />
Eine liebevolle und wund<strong>er</strong>schöne<br />
Katzenmutt<strong>er</strong>, nämlich Kugelbauch.<br />
Die hat zwar keinen Kugelbauch<br />
5
mehr, seit sie ihre Jungen bekommen<br />
hat, ab<strong>er</strong> sie heißt trotzdem noch so.<br />
So leicht gewöhnt man sich schließlich<br />
nicht um.<br />
Auß<strong>er</strong>dem hat Juliane – und das ist<br />
das All<strong>er</strong>beste: ein Katzenbaby!<br />
Ein wahnsinnig süßes, geflecktes,<br />
v<strong>er</strong>spieltes Katzenbaby, so süß wie<br />
eben nur Katzenbabys sind.<br />
Das Katzenbaby heißt Othello und<br />
ist g<strong>er</strong>ade alt genug, um die <strong>er</strong>sten<br />
tapsigen Schritte in die Welt zu machen.<br />
Soweit Mama Kugelbauch das <strong>er</strong>laubt.<br />
Wenn es nämlich zu gefährlich wird,<br />
dann packt Mama Kugelbauch den<br />
kleinen Othello einfach am Nacken und<br />
trägt ihn zurück in sein Körbchen.<br />
Da kann <strong>er</strong> maunzen, so viel <strong>er</strong> <strong>will</strong>.<br />
Julianes Elt<strong>er</strong>n sind nicht ganz so<br />
zufrieden. Sie wollten eigentlich imm<strong>er</strong><br />
nur ihre beiden Goldfische haben.<br />
Die machen keinen Lärm und keinen<br />
6
Schmutz. Sie z<strong>er</strong>kratzen keine Polst<strong>er</strong>möbel<br />
und legen keine toten Mäuse vor<br />
die Tür.<br />
Goldfische sind die idealen Hausti<strong>er</strong>e,<br />
finden Julianes Elt<strong>er</strong>n.<br />
Trotzdem müssen sie zugeben, dass<br />
<strong>Romeo</strong>, Kugelbauch und Othello das<br />
Leben aufregend<strong>er</strong> machen.<br />
Jeden Abend steigt Juliane üb<strong>er</strong> eine<br />
schmale Treppe in ihr Dachzimm<strong>er</strong>.<br />
7
Kugelbauch und d<strong>er</strong> kleine Othello<br />
klett<strong>er</strong>n hint<strong>er</strong> ihr h<strong>er</strong>.<br />
<strong>Romeo</strong> nimmt nicht die Treppe,<br />
sond<strong>er</strong>n den Kirschbaum.<br />
Von dem aus kann man nämlich<br />
genau auf Julianes Fenst<strong>er</strong>brett springen.<br />
Dann schlüpft Juliane unt<strong>er</strong> ihre Decke.<br />
Kugelbauch rollt sich bei ihren Füßen<br />
ein.<br />
Othello hüpft üb<strong>er</strong> ihren Polst<strong>er</strong> und<br />
lässt sich neben Julianes Kopf nied<strong>er</strong>.<br />
Er schmiegt sich an ihre Schult<strong>er</strong> und<br />
bohrt seine kleine Nase gegen ihren Hals.<br />
<strong>Romeo</strong> sitzt am Fenst<strong>er</strong> und bewacht<br />
es, damit niemand es irrtümlich<br />
schließt.<br />
Irgendjemand muss ja schließlich die<br />
Mäuse ins Haus bringen!<br />
8
2.<br />
Als Juliane am Freitag von d<strong>er</strong> Schule<br />
nach Hause kommt, steht ein riesig<strong>er</strong><br />
Möbelwagen vor dem Gartentor.<br />
Die Mama kommt g<strong>er</strong>ade aus dem<br />
Haus.<br />
„Bekommen wir neue Möbel?“, fragt<br />
Juliane, ab<strong>er</strong> die Mama schüttelt den<br />
Kopf.<br />
„Leid<strong>er</strong> nein“, sagt sie. „Ab<strong>er</strong> wir<br />
bekommen neue Nachbarn.“<br />
Das ist natürlich auch eine gute<br />
Nachricht.<br />
Seit d<strong>er</strong> alte H<strong>er</strong>r Wandruschka gestorben<br />
ist, steht das Nachbarhaus le<strong>er</strong>.<br />
9
Und das ist sich<strong>er</strong> schon zwei Jahre h<strong>er</strong>.<br />
Vielleicht haben die neuen Nachbarn<br />
ja Kind<strong>er</strong>!<br />
Am besten wäre natürlich ein Mädchen<br />
so alt wie Juliane.<br />
„Jetzt gehen wir <strong>er</strong>st mal hinein“,<br />
sagt die Mama.<br />
Doch da kommt g<strong>er</strong>ade ein Mann aus<br />
dem Nachbarhaus.<br />
Er hat schwarze Haare, schwarze<br />
Augen und einen dicken schwarzen<br />
Schnauzbart.<br />
„Bin ich neu<strong>er</strong> Nachbar!“, ruft <strong>er</strong> mit<br />
laut<strong>er</strong> Stimme und streckt die Hand<br />
10
aus. „Heiß ich Branko Miladinovic!“<br />
Er nimmt Mamas Hand, schüttelt<br />
sie begeist<strong>er</strong>t und hält sie ganz fest,<br />
während die Mama sich und Juliane<br />
vorstellt.<br />
„Hab ich auch Kind“, ruft d<strong>er</strong> Mann<br />
stolz. „Ist Sohn mit acht Jahre!<br />
Gutes Sohn! Ab<strong>er</strong> jetzt muss ma Mebel<br />
auspacken. Neues Haus ist viel Arbeit!“<br />
Dann lässt <strong>er</strong> Mamas Hand los, klopft<br />
Juliane auf die Schult<strong>er</strong>, winkt und<br />
v<strong>er</strong>schwindet im Möbelwagen.<br />
„Na, d<strong>er</strong> ist doch sehr nett“, sagt die<br />
Mama und schüttelt ihre Hand aus.<br />
„Sehr h<strong>er</strong>zlich! Und es ist imm<strong>er</strong> gut,<br />
wenn man nette Nachbarn hat!“<br />
„Ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> hat keine Tocht<strong>er</strong>“,<br />
sagt Juliane unzufrieden.<br />
„Nur einen Sohn!“<br />
Die Mama lacht.<br />
„W<strong>er</strong> weiß“, sagt<br />
sie, „vielleicht
freundest du dich ja mit dem Sohn an!<br />
Als ich in deinem Alt<strong>er</strong> war, …“<br />
„Ich weiß, Mama!“, sagt Juliane, denn<br />
die Geschichte von Mama und ihrem<br />
Nachbarsbuben hat sie schon hund<strong>er</strong>t<br />
Mal gehört. „Ab<strong>er</strong> du hast ja auch<br />
Indiand<strong>er</strong>büch<strong>er</strong> gelesen und Fußball<br />
gespielt!“<br />
Das stimmt. Mama wäre als Kind am<br />
liebsten selbst ein Bub gewesen.<br />
Ab<strong>er</strong> Juliane?<br />
Nein, danke! Mit Buben hat sie noch<br />
nie viel anfangen können.<br />
Wozu auch? Es gibt schließlich genug<br />
Mädchen.<br />
Nur leid<strong>er</strong> nicht in einem Nachbarhaus!<br />
12
3.<br />
Das ganze Wochenende üb<strong>er</strong> sieht<br />
man nichts von den neuen Nachbarn.<br />
„Wahrscheinlich sind sie noch imm<strong>er</strong><br />
beim Möbel auspacken“, denkt Juliane.<br />
Den Sohn hat sie üb<strong>er</strong>haupt noch<br />
nicht gesehen.<br />
Ab<strong>er</strong> am Montag in d<strong>er</strong> <strong>er</strong>sten Stunde<br />
klopft es an d<strong>er</strong> Klassentür und die Frau<br />
Direktor schiebt einen kleinen, dünnen<br />
Buben mit schwarzen Haaren<br />
und schwarzen Augen in die<br />
Klasse.<br />
„Das ist eu<strong>er</strong> neu<strong>er</strong> Mitschül<strong>er</strong>“,<br />
sagt sie. „Er heißt<br />
Ivo Miladinovic und kommt<br />
aus Kroatien. Er spricht<br />
noch nicht so gut Deutsch.<br />
Also seid nett zu ihm und<br />
helft ihm, wenn <strong>er</strong> et<strong>was</strong><br />
braucht!“
„Das muss uns<strong>er</strong> Nachbarsbub sein“,<br />
denkt Juliane.<br />
D<strong>er</strong> Nachname stimmt jedenfalls.<br />
Auß<strong>er</strong>dem sieht <strong>er</strong> genau so aus<br />
wie sein Vat<strong>er</strong>.<br />
Bis auf den Schnauzbart natürlich.<br />
Ab<strong>er</strong> <strong>er</strong> hat die gleichen schwarzen<br />
Wuschelhaare und die gleichen schwarzen<br />
Augen.<br />
Wie acht Jahre schaut <strong>er</strong> all<strong>er</strong>dings<br />
nicht aus. Eh<strong>er</strong> wie sieben!<br />
Üb<strong>er</strong>haupt wirkt <strong>er</strong> ein bisschen<br />
mickrig, wie <strong>er</strong> da steht und auf den<br />
Boden schaut, als würde <strong>er</strong> am liebsten<br />
darin v<strong>er</strong>sinken!<br />
Die Lehr<strong>er</strong>in setzt Ivo neben David,<br />
d<strong>er</strong> sonst imm<strong>er</strong> alleine sitzt, damit <strong>er</strong><br />
nicht so stört.<br />
„Arm<strong>er</strong> Ivo“, denkt Juliane.<br />
Sie möchte ihn g<strong>er</strong>ne anlächeln,<br />
damit <strong>er</strong> sich nicht so alleine fühlt.<br />
Ab<strong>er</strong> Ivo starrt nur auf seinen Tisch<br />
14
und kaut an seinen Fing<strong>er</strong>nägeln.<br />
Nach d<strong>er</strong> Schule steht Juliane<br />
unschlüssig vor dem Schultor.<br />
Eigentlich hat sie ja nun genau den<br />
gleichen Schulweg wie d<strong>er</strong> neue Ivo.<br />
Eigentlich könnten sie ja miteinand<strong>er</strong><br />
nach Hause gehen, wenigstens heute.<br />
Vielleicht kennt Ivo den Weg noch<br />
nicht so gut. Auß<strong>er</strong>dem würden sie<br />
sich dabei gleich ein bisschen bess<strong>er</strong><br />
kennen l<strong>er</strong>nen.<br />
Imm<strong>er</strong>hin sind sie ja Nachbarn!<br />
Da kommt Ivo aus d<strong>er</strong> Schule.<br />
Er hat seine Jacke bis zur Nase<br />
zugeknöpft und seine Hände in den<br />
Jackentaschen.<br />
Mit schnellen, kleinen Schritten geht<br />
<strong>er</strong> an Juliane vorbei und schaut imm<strong>er</strong><br />
nur auf den Boden.<br />
„Er <strong>macht</strong> es einem auch nicht leicht“,<br />
denkt Juliane. „Wie soll ich nett zu jemandem<br />
sein, d<strong>er</strong> mich nie anschaut?“<br />
15
Ab<strong>er</strong> hint<strong>er</strong> Ivo h<strong>er</strong>laufen, das möchte<br />
Juliane auch nicht.<br />
Also trödelt sie noch ein bisschen vor<br />
d<strong>er</strong> Schule h<strong>er</strong>um, bevor sie sich auf<br />
den Heimweg <strong>macht</strong>.<br />
Als sie nach Hause kommt, ist von<br />
Ivo weit und breit nichts mehr zu sehen.<br />
Dafür läuft ihr <strong>Romeo</strong> entgegen, als<br />
sie das Gartentor auf<strong>macht</strong>.<br />
„Na, wo hast du denn deine Familie,<br />
mein Groß<strong>er</strong>?“, fragt Juliane.<br />
Da biegt auch schon Kugelbauch um<br />
die Ecke, und hint<strong>er</strong> ihr purzelt d<strong>er</strong><br />
kleine Othello durch das Gras.<br />
Juliane setzt sich in die Wiese, um<br />
ihre drei Katzen zu begrüßen.<br />
<strong>Romeo</strong> springt auf ihren Schoß und<br />
schnurrt wie aufgezogen.<br />
Kugelbauch legt sich auf den Rücken,<br />
damit Juliane sie am Bauch kraulen<br />
kann.<br />
Othello <strong>will</strong> auch auf Julianes Schoß<br />
16
und bekommt dafür von <strong>Romeo</strong> eine<br />
Ohrfeige.<br />
Juliane nimmt den kleinen Kat<strong>er</strong> auf<br />
den Arm und drückt ihr Gesicht in sein<br />
weiches Fell.<br />
Wofür braucht man Nachbarn, wenn<br />
man drei so liebe Katzen hat?
4.<br />
Mit Ivo ist es wirklich nicht leicht.<br />
In d<strong>er</strong> Schule sagt <strong>er</strong> nichts.<br />
Nach d<strong>er</strong> Schule rennt <strong>er</strong> sofort nach<br />
Hause.<br />
Wenn <strong>er</strong> Juliane sieht, schaut <strong>er</strong> weg.<br />
„Vielleicht kann <strong>er</strong> ja kein Deutsch!“,<br />
sagt die Mama. „Es ist nicht so leicht,<br />
wenn man in einem fremden Land ist,<br />
weißt du!“<br />
Ab<strong>er</strong> Ivos Vat<strong>er</strong> kann doch auch<br />
Deutsch! Nicht besond<strong>er</strong>s gut, ab<strong>er</strong><br />
imm<strong>er</strong>hin.<br />
18
D<strong>er</strong> Mama tut Ivo jedenfalls leid.<br />
„Lade ihn doch einmal ein“, sagt sie<br />
fast jeden Tag. „Er kennt hi<strong>er</strong> doch<br />
niemanden!“<br />
Die Mama kann leicht reden.<br />
Wie soll Juliane denn jemanden<br />
einladen, d<strong>er</strong> nie h<strong>er</strong>schaut?<br />
Und auß<strong>er</strong>dem: Was soll Juliane denn<br />
einen ganzen Nachmittag lang mit ihm<br />
machen?<br />
Sie weiß ja nicht einmal, ob Ivo sie<br />
v<strong>er</strong>steht!<br />
Meistens plaud<strong>er</strong>t Juliane deshalb<br />
nach d<strong>er</strong> Schule noch so lange mit<br />
Lena und Sofie, bis Ivo nach Hause<br />
gegangen ist.<br />
Od<strong>er</strong> sie beeilt sich und ist weg,<br />
bevor Ivo üb<strong>er</strong>haupt zusammengepackt<br />
hat.<br />
So muss sie nicht neben ihm nach<br />
Hause gehen. Und auch nicht vor ihm<br />
od<strong>er</strong> hint<strong>er</strong> ihm.<br />
19
Heute Mittag ist Juliane besond<strong>er</strong>s<br />
spät dran.<br />
Sie hat noch auf Lena gewartet,<br />
die auf ihre Schwest<strong>er</strong> gewartet hat,<br />
die ihren zweiten Schuh nicht<br />
gefunden hat, weil ihn irgendjemand im<br />
Mistkübel v<strong>er</strong>steckt hat.<br />
Die Mama wird sich schon wund<strong>er</strong>n,<br />
wo Juliane so lange bleibt.<br />
<strong>Romeo</strong>, Kugelbauch und Othello<br />
w<strong>er</strong>den sich auch schon wund<strong>er</strong>n.<br />
Sich<strong>er</strong> sitzen sie jetzt beim Gartentor<br />
und warten auf Juliane.<br />
Als Juliane ab<strong>er</strong> das Gartentor öffnet,<br />
ist weit und breit keine Katze zu sehen.
„Muzmuzmuz!“, ruft Juliane, „ich bin<br />
wied<strong>er</strong> da!“<br />
Gleich wird <strong>Romeo</strong> vom Apfelbaum<br />
h<strong>er</strong>unt<strong>er</strong>springen.<br />
Gleich wird Kugelbauch um die Ecke<br />
sausen.<br />
Gleich wird Othello hint<strong>er</strong> ihr h<strong>er</strong>purzeln.<br />
„Muzmuzmuz!“, ruft Juliane noch<br />
einmal.<br />
Ab<strong>er</strong> keine Katze lässt sich blicken.<br />
Wo die drei nur stecken?<br />
Juliane geht ins Haus.<br />
Vielleicht hat die Mama sie eingesp<strong>er</strong>rt?<br />
„Hallo, Mama!“, ruft sie. „Sind die<br />
Katzen bei dir?“<br />
Ab<strong>er</strong> auch die Mama antwortet nicht.<br />
Das gibt es doch nicht!<br />
21
Wo sind denn heute alle hingekommen?<br />
„Mama!“, schreit Juliane.<br />
Da kommt endlich eine Antwort.<br />
„Ich bin im Musikzimm<strong>er</strong>!“, ruft die<br />
Mama.<br />
Juliane runzelt die Stirn.<br />
Seit wann haben sie ein Musikzimm<strong>er</strong>?<br />
Und wo soll das Musikzimm<strong>er</strong> sein?<br />
Sie <strong>macht</strong> sich auf die Suche nach<br />
Mama und findet sie in ihrem alten<br />
Kind<strong>er</strong>zimm<strong>er</strong>.<br />
Seit Juliane ein neues Zimm<strong>er</strong> unt<strong>er</strong><br />
dem Dach bekommen hat, hängt Mama<br />
in ihrem alten Kind<strong>er</strong>zimm<strong>er</strong> die Wäsche<br />
auf.<br />
Normal<strong>er</strong>weise stehen hi<strong>er</strong> d<strong>er</strong><br />
22
Wäscheständ<strong>er</strong>, das Bügelbrett, d<strong>er</strong><br />
Staubsaug<strong>er</strong> und d<strong>er</strong> Korb mit d<strong>er</strong><br />
Bügelwäsche.<br />
Heute nicht. Heute ist das Zimm<strong>er</strong><br />
le<strong>er</strong>, bis auf die große Leit<strong>er</strong>.<br />
Auf d<strong>er</strong> Leit<strong>er</strong> steht die Mama in<br />
einem riesigen blau und weiß gefleckten<br />
Pullov<strong>er</strong>.<br />
In d<strong>er</strong> einen Hand hat sie einen Topf<br />
mit blau<strong>er</strong> Farbe, in d<strong>er</strong> and<strong>er</strong>en einen<br />
blauen Pinsel.<br />
Damit streicht sie die Wand himmelblau.<br />
„Na, <strong>was</strong> sagst du zu uns<strong>er</strong>em neuen<br />
Musikzimm<strong>er</strong>?“, ruft sie v<strong>er</strong>gnügt.<br />
„Wo ist denn d<strong>er</strong> Wäscheständ<strong>er</strong>?“,<br />
fragt Juliane.<br />
„Ach, für den finden wir schon ein<br />
Plätzchen“, sagt die Mama. „Dieses<br />
Zimm<strong>er</strong> ist doch viel zu schade für den<br />
Wäscheständ<strong>er</strong>!“<br />
Die Mama taucht den Pinsel in die<br />
23
laue Farbe und schwingt ihn dann<br />
entschlossen an die Wand.<br />
Winzige blaue Farbtröpfchen spritzen<br />
durch die Luft.<br />
„Geh ein Stück zurück!“, ruft sie.<br />
„Sonst siehst du aus wie ich!“<br />
„Und wieso ist das jetzt g<strong>er</strong>ade ein<br />
Musikzimm<strong>er</strong>?“, fragt Juliane. „Es<br />
könnte doch auch ein Theat<strong>er</strong>zimm<strong>er</strong><br />
sein. Ein Zirkuszimm<strong>er</strong>. Od<strong>er</strong> ein<br />
Puppenzimm<strong>er</strong>!“<br />
24
„Ach, ich habe mir schon imm<strong>er</strong> ein<br />
Musikzimm<strong>er</strong> gewünscht“, sagt die<br />
Mama zufrieden. „Vielleicht besorgen<br />
wir uns ja ein Klavi<strong>er</strong>! Hast du nicht<br />
schon imm<strong>er</strong> Klavi<strong>er</strong> spielen wollen?“<br />
„Eigentlich nicht“, sagt Juliane.<br />
„Weißt du übrigens, wo die Katzen<br />
sind?“<br />
Die Mama schüttelt entschieden den<br />
Kopf. Sprechen kann sie g<strong>er</strong>ade nicht,<br />
weil sie den blauen Pinsel zwischen<br />
den Zähnen hält, damit sie sich mit<br />
beiden Händen die Haare zusammenbinden<br />
kann.<br />
„Ich gehe sie suchen“, sagt Juliane.<br />
Die Mama nimmt den Pinsel aus dem<br />
Mund und ruft ihr nach:<br />
„Nimm dir doch irgendet<strong>was</strong><br />
zum Essen! Ich koche heute<br />
<strong>er</strong>st am Abend!“
5.<br />
Juliane sucht zu<strong>er</strong>st in ihrem neuen<br />
Dachzimm<strong>er</strong>.<br />
Hi<strong>er</strong> schlafen die Katzen am all<strong>er</strong>liebsten.<br />
Dann sucht sie sie im Wohnzimm<strong>er</strong>,<br />
wo die Katzen ihren Katzenkorb haben.<br />
Sie sucht sie im Schlafzimm<strong>er</strong>, wo<br />
die Katzen eigentlich nichts zu suchen<br />
haben.<br />
Hi<strong>er</strong> stehen d<strong>er</strong> Wäscheständ<strong>er</strong>,<br />
d<strong>er</strong> Staubsaug<strong>er</strong> und d<strong>er</strong> Korb mit<br />
d<strong>er</strong> Bügelwäsche.<br />
Auf d<strong>er</strong> Bügelwäsche liegt Kugelbauch<br />
und schläft.<br />
Neben Kugelbauch v<strong>er</strong>sucht Othello,<br />
26
Mamas rosa Bluse aus dem Wäscheb<strong>er</strong>g<br />
zu ziehen.<br />
Einen Ärmel hat <strong>er</strong> schon befreit.<br />
„Ist <strong>Romeo</strong> auch da?“, fragt Juliane.<br />
Ab<strong>er</strong> Kugelbauch gähnt nur, und<br />
Othello gibt auch keine Antwort.<br />
Juliane geht in den Garten.<br />
Sie sucht <strong>Romeo</strong> im Apfelbaum.<br />
Sie sucht ihn bei d<strong>er</strong> Schaukel,<br />
im Gartenhäuschen<br />
und im Gemüsegarten.<br />
<strong>Romeo</strong> ist nirgends zu sehen.<br />
Zum Schluss schaut Juliane noch<br />
hint<strong>er</strong> das Haus.<br />
Hi<strong>er</strong> ist <strong>Romeo</strong> ganz sich<strong>er</strong> nicht,<br />
denn hi<strong>er</strong> ist es ihm viel zu schattig<br />
und zu feucht.<br />
Trotzdem schaut Juliane nach.<br />
Vorsichtig zwängt sie sich durch die<br />
Büsche, die hi<strong>er</strong> wachsen.<br />
27
Da sieht sie <strong>Romeo</strong>.<br />
Er sitzt im Nachbargarten!<br />
Er sitzt auf ein<strong>er</strong> kleinen Steinmau<strong>er</strong><br />
im Nachbargarten und sonnt sich.<br />
Neben ihm sitzt Ivo.<br />
Er krault <strong>Romeo</strong> hint<strong>er</strong> den Ohren<br />
und spricht mit ihm.<br />
Kroatisch wahrscheinlich, denn<br />
Juliane v<strong>er</strong>steht kein Wort.<br />
Dann hält <strong>er</strong> ein Stück Wurst hoch.<br />
28
<strong>Romeo</strong> streckt sich und schnappt<br />
sich die Wurst.<br />
„<strong>Romeo</strong>!“, ruft Juliane empört.<br />
Ivo dreht sich <strong>er</strong>schrocken um.<br />
<strong>Romeo</strong> beginnt sich zu putzen.<br />
„Hab ich auch Katze in Kroatien“,<br />
sagt Ivo. „Heißt Maca.“<br />
Juliane nickt.<br />
„Das ist meine Katze“, sagt sie.<br />
„Sie heißt <strong>Romeo</strong>.“<br />
Ivo hält noch ein Stück Wurst vor<br />
<strong>Romeo</strong>s Nase.<br />
Schwupp, ist die Wurst auch schon<br />
weg.<br />
„Wurst ist wirklich nicht gut für<br />
Katzen“, sagt Juliane.<br />
Ivo runzelt die Stirn.<br />
„Wurst gut“, sagt <strong>er</strong> und hält Juliane<br />
ein Stück hin.<br />
„Für Katzen ist Wurst nicht gut“, sagt<br />
Juliane bestimmt. „Wurst ist gesalzen,<br />
und Salz ist nicht gut für Katzen.<br />
29
Weißt du das denn nicht?“<br />
Ivo schüttelt den Kopf und zuckt mit<br />
den Schult<strong>er</strong>n.<br />
„Wurst gut“, sagt <strong>er</strong> und steckt das<br />
letzte Stück Wurst selbst in den Mund.<br />
<strong>Romeo</strong> schaut ihm enttäuscht zu.<br />
Dann springt <strong>er</strong> von d<strong>er</strong> Steinmau<strong>er</strong><br />
und läuft zum Zaun.<br />
„Wie ist <strong>Romeo</strong> denn üb<strong>er</strong>haupt zu<br />
dir gekommen?“, fragt Juliane misstrauisch.<br />
„Hast du ihn etwa von d<strong>er</strong><br />
Straße h<strong>er</strong>eingeholt?“<br />
30
<strong>Romeo</strong> geht nämlich manchmal auf<br />
d<strong>er</strong> Straße spazi<strong>er</strong>en. Ab<strong>er</strong> in fremde<br />
Gärten geht <strong>er</strong> natürlich nicht!<br />
Ivo zuckt wied<strong>er</strong> mit den Schult<strong>er</strong>n.<br />
„Kommt Katze zu mir“, sagt <strong>er</strong>.<br />
„Mag Katze Wurst.“<br />
„Wahrscheinlich kann <strong>er</strong> einfach nicht<br />
mehr zurück“, sagt Juliane. „Gib ihn mir<br />
bitte h<strong>er</strong>üb<strong>er</strong>!“<br />
Sie streckt die Hand aus.<br />
Ivo steht auf, um <strong>Romeo</strong> aufzuheben.<br />
Da springt <strong>Romeo</strong> auf die Mau<strong>er</strong>, von<br />
d<strong>er</strong> Mau<strong>er</strong> auf einen Ast und von dem<br />
Ast üb<strong>er</strong> den Zaun.
Einfach so.<br />
Es hat nicht einmal besond<strong>er</strong>s<br />
schwi<strong>er</strong>ig ausgesehen.<br />
Schnurrend streicht <strong>Romeo</strong> um<br />
Julianes Beine.<br />
„Kann Katze gut springen“, sagt Ivo<br />
und dreht sich um.<br />
Er geht einfach ins Haus, ohne sich<br />
zu v<strong>er</strong>abschieden.<br />
„Ab<strong>er</strong> Wurst gibst du ihm keine<br />
mehr!“, ruft Juliane. „V<strong>er</strong>standen?“<br />
32