Welt des Vergessens - Demenz-Ratgeber Hildesheim
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REPORTAGE: Wie eine Krankheit das Leben verändert<br />
„Es wurde leichter, als ich<br />
drüber reden konnte!”<br />
Rita H. pflegt ihren demenzerkrankten Ehemann zu Hause<br />
Ein erstes Anzeichen, dass mit ihrem<br />
Mann etwas nicht stimmt, gab es vor<br />
etwa fünf Jahren. „Da fragte mich mein<br />
Mann an einem Tag dieselbe Sache<br />
dreimal!“ Sie habe sofort gewusst, dass<br />
es etwas Ernstes sei, erinnert sich Rita<br />
H. „Einmal nachfragen, das war normal,<br />
aber ein zweites oder drittes Mal – das<br />
war sehr ungewöhnlich für ihn.“ Die<br />
heute 70-Jährige erahnte auch sofort<br />
die spätere Diagnose: Dieter H., heute<br />
71 Jahre alt, hat die Alzheimer <strong>Demenz</strong>.<br />
Zunächst informierte Rita H. den langjährigen<br />
Hausarzt über das aus ihrer<br />
Sicht ungewöhnliche Verhalten ihres<br />
Mannes. „Er sagte zu mir ‚Ich glaube<br />
das nicht, ich kenne ihn doch schon so<br />
lange und sehe ihn oft, das wäre mir<br />
aufgefallen!'“ Aber er wies Rita H. auf<br />
die Möglichkeit hin, neurologische Tests<br />
machen zu lassen. Rita H. wartete erst<br />
einmal ab – und redete auch nicht mit<br />
ihrem Mann über ihren Verdacht. „Vielleicht<br />
habe ich ihm dadurch die Chance<br />
genommen, das eine oder andere für<br />
sich zu regeln, als er es noch konnte!“<br />
meint Rita H. rückblickend.<br />
Zu dieser Zeit war Dieter H. erst kurze<br />
Zeit Rentner. Der frühere Fernseh -<br />
techniker studierte nach seiner Bun<strong>des</strong>wehrzeit<br />
und war in der freien Wirtschaft<br />
als technischer Mitarbeiter tätig.<br />
Anschließend war er über 30 Jahre als<br />
Berufsschullehrer aktiv. Das Ehepaar<br />
hatte ein neues Haus in einem kleinen<br />
Ort in der Nähe Hil<strong>des</strong>heims bezogen<br />
und einige Pläne gemacht für Umbauten,<br />
die Dieter H. als Rentner vornehmen<br />
wollte. „Zuerst hat mein Mann<br />
auch noch einiges davon realisieren<br />
können“, sagt Rita H., „aber dann nahmen<br />
seine Probleme zu.“<br />
Ein dreiviertel Jahr nach den ersten<br />
Anzeichen ging sie mit ihrem Mann<br />
schließlich zu neurologischen Unter -<br />
suchungen in die Gedächtnissprechstunde<br />
eines Krankenhauses, und ihr<br />
Anfangsverdacht wurde bestätigt. „Der<br />
Arzt hat meinem Mann dann auch ausdrücklich<br />
gesagt, er dürfe nicht mehr<br />
Auto fahren“, erinnert sich die 70-Jährige.<br />
Erstaunlicherweise habe ihr Mann<br />
das auch akzeptiert. „Wahrscheinlich<br />
hatte er da schon eine gewisse Grenze<br />
überschritten, was seine Auffassungsgabe<br />
anging“, mutmaßt die Ehefrau.<br />
Zunächst aber ging das Alltagsleben <strong>des</strong><br />
Ehepaares noch einigermaßen geregelt<br />
weiter. Bis zu einem Vorfall, der sich ereignete,<br />
als Rita H. in einem jährlichen<br />
Kurzurlaub ist und ihr Mann alleine zu<br />
Hause. In diesen Tagen bittet ein Freund<br />
Dieter H. darum, sich ein Problem mit<br />
der Elektronik in seinem Haus anzu -<br />
sehen. Der gelernte Fernsehtechniker<br />
sagt zu, sieht sich das Problem <strong>des</strong><br />
Freun<strong>des</strong> vor Ort an – und geht schließlich<br />
unverrichteter Dinge, aber kommentarlos,<br />
wieder nach Hause. „Das gab<br />
dann große Irritationen“, erklärt Rita H.,<br />
„denn zu der Zeit wusste niemand, was<br />
mit meinem Mann los ist.“ Sie habe<br />
bis dahin unbedingt gewollt, „dass alles<br />
so normal wie möglich bleibt!“ Der<br />
Wunsch, den Anschein von Normalität<br />
nach außen zu erhalten, wird immer<br />
schwerer: „Es war ein ständiger<br />
Balance-Akt“, sagt Rita H. Als sie sich<br />
dann entscheidet, mit Freunden darüber<br />
zu sprechen, sei es leichter für sie<br />
geworden.<br />
Drei Jahre nach den ersten Anzeichen<br />
wurde der Alltag immer schwerer. „Mein<br />
Mann konnte bis dahin noch einige<br />
Arbeiten in Haus und Garten erledigen“,<br />
sagt Rita H., „aber dann wurde er zunehmend<br />
antriebslos und seine Bewegungen<br />
verlangsamten sich sehr stark.“<br />
Als sie ihn einmal bittet, die Bäume im<br />
Garten zu beschneiden, findet sie<br />
anschließend alles „kreuz und quer abgeschnitten<br />
vor“ – und realisiert, dass<br />
auch solche Dinge nun nicht mehr<br />
gehen.<br />
Eine Bekannte empfiehlt ihr eines Tages,<br />
Kontakt zur Alzheimer Gesellschaft in<br />
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