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Leseprobe Selma steht Kopf

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1. <strong>Selma</strong> ist ein Teufelsbraten<br />

Jeder, der <strong>Selma</strong> zum ersten Mal sah, fand<br />

sie unheimlich süß.<br />

<strong>Selma</strong> hatte hellblonde Zöpfe,<br />

dunkelbraune Augen und eine<br />

Himmelfahrtsnase.<br />

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Jeder, der <strong>Selma</strong><br />

näher kennenlernte,<br />

fand sie zwar<br />

unheimlich süß,<br />

aber doch recht anstrengend.<br />

Alle, die <strong>Selma</strong> richtig gut kannten, fanden,<br />

dass sie eine richtige kleine Kröte war.<br />

Und <strong>Selma</strong>s große Schwester Melle fand:<br />

<strong>Selma</strong> war ein Teufelsbraten.<br />

Und sie kannte <strong>Selma</strong> sicher am<br />

allerbesten.<br />

Melle fand, dass <strong>Selma</strong> gut zu ihren<br />

Monstern passte.<br />

Schließlich war sie selbst ein kleines<br />

Monster.<br />

<strong>Selma</strong> und Melle teilten<br />

sich ein Zimmer.<br />

Sie schliefen in einem<br />

Stockbett.<br />

Unten schlief<br />

Melle mit ihren drei<br />

Lieblingspuppen in ihrer<br />

Pferdebettwäsche.<br />

Oben schlief <strong>Selma</strong> mit<br />

einem grünen Monster, einem lila Monster<br />

und einem schwarzen Monster in ihrer<br />

Monsterbettwäsche.<br />

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Melle konnte Flöte spielen und<br />

Freundschaftsbänder knüpfen.<br />

Außerdem lernte sie Karate. Leider erst seit<br />

einem halben Jahr.<br />

<strong>Selma</strong> brauchte kein Karate.<br />

Sie konnte Räder schlagen, Handstand und<br />

Salto aus dem Stand.<br />

Außerdem konnte sie zwicken, kratzen und<br />

sehr weit spucken.<br />

Karate im ersten halben Jahr fand sie<br />

ziemlich sinnlos.<br />

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Und damit hatte sie leider recht. Gegen<br />

<strong>Selma</strong> half Karate nämlich überhaupt nichts.<br />

Papa meinte, dass <strong>Selma</strong> eben sein kleines<br />

Äffchen war.<br />

Mama meinte, dass es nur gut war, wenn<br />

kleine Kinder sich wehren konnten.<br />

Melle hatte die Nase voll von kleinen<br />

Äffchen und kleinen Kindern. Sie fand, dass<br />

es höchste Zeit für <strong>Selma</strong> war, sich wie ein<br />

richtiger Mensch zu benehmen.<br />

Leider war sie mit dieser Meinung ziemlich<br />

allein.<br />

2. <strong>Selma</strong> schlägt Räder<br />

Dann kam Onkel Ruben zu Besuch.<br />

Onkel Ruben war Mamas jüngerer Bruder.<br />

Er lebte in der Schweiz.<br />

Er hatte keine eigenen Kinder.<br />

Und er kam nicht sehr oft zu Besuch.<br />

Wenn er allerdings zu Besuch kam, wollte<br />

er sich mit Mama und Papa unterhalten.<br />

Kleine Kinder fand Onkel Ruben eher<br />

anstrengend.<br />

<strong>Selma</strong> fand er besonders anstrengend.<br />

„Müssten die beiden nicht längst im Bett<br />

sein?“, fragte Onkel Ruben gleich nach dem<br />

Abendessen.<br />

„Ich darf mir noch die Millionenshow<br />

anschauen!“, sagte Melle und drehte den Ton<br />

leiser. „Das hast du mir versprochen, Mama!“<br />

„Ich schlage nur noch vierundzwanzig<br />

Räder“, sagte <strong>Selma</strong>. „Und du, Onkelchen,<br />

schaust zu!“<br />

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Onkel Ruben schaute sich die ersten drei<br />

Räder an.<br />

<strong>Selma</strong> konnte wirklich gute Räder schlagen.<br />

„Toll machst du das“, sagte Onkel Ruben<br />

nach dem dritten Rad. „Aber solltest du jetzt<br />

nicht ins Bett gehen?“<br />

„Lass sie nur“, sagte Mama. „Wenn sie<br />

so aufgedreht ist, kann sie sowieso nicht<br />

schlafen!“<br />

Also schaute sich Onkel Ruben auch die<br />

nächsten sechs Räder an.<br />

„Prima“ sagte er und gähnte. „Aber ist das<br />

nicht sehr anstrengend?“<br />

„Da kennst du mich schlecht, Onkelchen!“,<br />

rief <strong>Selma</strong>. „Ich fange doch gerade erst an!“<br />

Onkel Ruben nahm die Mama zur Seite.<br />

„Eigentlich wollte ich dir doch von Tante<br />

Hilde erzählen“, sagte er. „So geht es wirklich<br />

nicht weiter mit ihr!“<br />

Tante Hilde war Mamas und Onkel Rubens<br />

Großtante. Sie lebte auch in der Schweiz, so<br />

wie Onkel Ruben und war in letzter Zeit ein<br />

bisschen vergesslich.<br />

Aber die Mama konnte gerade nicht über<br />

Tante Hilde sprechen. Sie musste <strong>Selma</strong>s<br />

dreizehntes Rad bewundern.<br />

„Warte doch einen Augenblick“, sagte<br />

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Mama zu Onkel Ruben.<br />

Und zu <strong>Selma</strong> sagte sie: „Was du alles<br />

kannst!“<br />

Melle, die gerade die ersten drei Antworten<br />

bei der Millionenshow gewusst hatte,<br />

fand <strong>Selma</strong>s Räder ziemlich langweilig.<br />

Schließlich konnte <strong>Selma</strong> schon seit<br />

Monaten Räder schlagen. Das war echt<br />

überhaupt nichts Neues!<br />

Das war auch höchste Zeit, fand Melle.<br />

„Jetzt zeig ich dir, wie ich Schnur<br />

springen kann“, sagte <strong>Selma</strong> nach dem<br />

vierundzwanzigsten Rad zu Onkel Ruben.<br />

„Können wir das nicht auf morgen<br />

verschieben?“, fragte Onkel Ruben.<br />

Aber <strong>Selma</strong> verschob nie etwas. Sie hatte<br />

die Springschnur bereits geholt.<br />

„Du musst zählen!“, sagte sie zu Onkel<br />

Ruben.<br />

„Sei so lieb“, sagte die Mama. „Dann räume<br />

ich inzwischen den Geschirrspüler ein!“<br />

Also zählte Onkel Ruben bis<br />

siebenundneunzig.<br />

Dann stolperte <strong>Selma</strong> über die Schnur.<br />

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Aber <strong>Selma</strong> fand das nicht.<br />

„Das gilt nicht!“, schrie sie. „Ich kann noch<br />

viel öfter! Wir fangen noch einmal an!“<br />

Die Mama steckte den <strong>Kopf</strong> zur Tür herein.<br />

„Ist alles in Ordnung?“, fragte sie. „Dann<br />

hänge ich nämlich noch schnell die Wäsche<br />

auf!“<br />

„Sollte dieses Kind nicht längst im Bett<br />

sein?“, fragte Onkel Ruben.<br />

Aber die Mama war schon weg.<br />

Also fing Onkel Ruben wieder mit dem<br />

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Zählen an.<br />

Diesmal kam er bis fünfundachtzig, bevor<br />

<strong>Selma</strong> über die Schnur stolperte.<br />

„Ich glaube, du wirst müde“, sagte er.<br />

„Morgen geht es bestimmt besser!“<br />

Aber davon wollte <strong>Selma</strong> nichts hören.<br />

„Ich kann das echt viel besser!“, rief sie. „Du<br />

wirst es gleich sehen!“<br />

Aber Onkel Ruben hatte keine Lust, noch<br />

einmal zu zählen.<br />

„Ich finde, du gehörst jetzt wirklich ins<br />

Bett“, sagte er.<br />

„Ach, du hast ja keine Ahnung“, sagte<br />

<strong>Selma</strong>. „Ich wache doch gerade erst auf!“<br />

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3. <strong>Selma</strong> erfindet eine Wette<br />

Die Mama kam vom Wäscheaufhängen<br />

zurück.<br />

„Na, ist sie nicht süß?“, fragte sie und strich<br />

<strong>Selma</strong> über ihre hellblonden Zöpfe.<br />

„Sie ist großartig“, sagte Onkel Ruben.<br />

„Aber kann sie nicht einmal zehn Minuten<br />

still halten?“<br />

„Klar kann ich das!“, rief <strong>Selma</strong>. „Das<br />

glaubst du wohl nicht? Wie lange soll ich<br />

still halten?“<br />

Onkel Ruben dachte nach. „Ich wette“,<br />

sagte er schließlich, „du kannst nicht so<br />

lange still halten, bis ich Stopp sage!“<br />

„Um was willst du denn wetten?“, fragte<br />

<strong>Selma</strong> und kniff ihre dunkelbraunen<br />

Knopfaugen listig zusammen.<br />

Onkel Ruben grinste. „Um was du willst“,<br />

sagte er. „Du schaffst es ja doch nicht!“<br />

„Da hast du dich geschnitten“, sagte <strong>Selma</strong><br />

und setzte sich auf den Küchensessel.<br />

„Wir wetten um einen Hund!<br />

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Aber einen richtigen, klar? Hand drauf!“<br />

Sie streckte Onkel Ruben die Hand hin.<br />

Onkel Ruben schlug ein.<br />

„Mach dir nur keine Hoffnungen!“, sagte er.<br />

Aber <strong>Selma</strong> streckte ihre Himmelfahrtsnase<br />

in die Luft und hielt still.<br />

Onkel Ruben nützte die Zeit, um Mama zu<br />

erzählen, was Tante Hilde in letzter Zeit alles<br />

gesagt und getan hatte.<br />

Die beiden saßen am Küchentisch,<br />

plauderten und tranken Wein.<br />

<strong>Selma</strong> saß daneben und war<br />

mucksmäuschenstill.<br />

Sie hatte das heiße Öl auf dem Herd<br />

vergessen.<br />

Das Öl hatte zu brennen angefangen.<br />

Das Feuer hatte die Vorhänge in Brand<br />

gesetzt. Und die Vorhänge hatten das ganze<br />

Holzhaus angezündet.<br />

Die Feuerwehr hatte das Haus nicht mehr<br />

retten können.<br />

Nun saß Tante Hilde verzweifelt bei den<br />

Nachbarn und hatte kein Haus mehr.<br />

So könnte es ruhig öfter sein,<br />

fand Melle.<br />

Nur die Mama warf besorgte<br />

Blicke zu <strong>Selma</strong>.<br />

So viel Ruhe war sie<br />

einfach nicht gewöhnt.<br />

Dann läutete das Telefon,<br />

und Tante Hilde war dran.<br />

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„Um Himmels Willen!“, schrie Onkel Ruben.<br />

„Bleib, wo du bist, Tante Hilde! Ich komme<br />

sofort!“<br />

Er buchte seinen Flug um und fiel der<br />

Mama um den Hals.<br />

„Ich komme wieder, wenn alles geregelt<br />

ist“, sagte er und stürzte aus dem Haus.<br />

Die Mama raufte sich die Haare.<br />

„Das schöne Haus!“, rief sie.<br />

Dann erinnerte sie sich an ihre Kinder und<br />

sagte: „Höchste Zeit ins Bett zu gehen! Dreh<br />

sofort den Fernseher ab, Melle!“<br />

Erst als Melle schon im Bett lag, fiel ihr auf,<br />

dass <strong>Selma</strong> nicht da war.<br />

Also ging sie wieder in die Küche. Dort saß<br />

<strong>Selma</strong> stocksteif auf dem Küchensessel. Die<br />

Mama stand neben ihr und redete auf sie<br />

ein. Dass Onkel Ruben doch gar nicht mehr<br />

da war. Dass <strong>Selma</strong> ins Bett musste. Und<br />

dass das überhaupt eine ganz dumme Wette<br />

gewesen war, weil <strong>Selma</strong> sowieso keinen<br />

Hund bekommen konnte, weil Hunde im<br />

Haus verboten waren.<br />

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Natürlich half alles Reden nichts.<br />

Gott sei Dank kam Papa gerade nach<br />

Hause. Er schnappte <strong>Selma</strong> und trug sie ins<br />

Bett. Das war kein Problem, denn <strong>Selma</strong> hielt<br />

ganz still. Wie abgemacht.<br />

Papa gab <strong>Selma</strong> einen Gutenachtkuss und<br />

Melle auch, und dann drehte er das Licht ab<br />

und ging hinaus<br />

„Wie lange willst du denn noch still<br />

halten?“, fragte Melle.<br />

Aber <strong>Selma</strong> schnarchte schon ganz leise.<br />

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