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fuenfsieben. fanzine Vol. 1

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Juni 2020<br />

<strong>fuenfsieben</strong>.<br />

FANZINE<br />

D.I.Y<br />

Musik<br />

Kultur<br />

Lokal<br />

Interviews<br />

1


No culture,<br />

no life!<br />

HALLO<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Interviews:<br />

Tashenknall . . . . . . . . . 4<br />

Suicide of Society . . . . 11<br />

Slab Strike . . . . . . . . . . 15<br />

Nummerfünf! . . . . . . . 20<br />

Meadow Saffron . . . . . 24<br />

Blood by Days . . . . . . . 27<br />

Hyems . . . . . . . . . . . . . 30<br />

Beardown . . . . . . . . . . 32<br />

“No culture, no life”<br />

Niemals zuvor ist es uns so schmerzhaft<br />

bewusst geworden, welche Rolle Kultur<br />

in unserem Leben spielt. Kein Besuch in<br />

der Lieblingskneipe, keine Konzerte und<br />

nichts mehr dergleichen. Kultur findet dank<br />

Corona derzeit so gut wie nicht mehr statt.<br />

Zumindest nicht auf die Art und Weise wie<br />

wir es lieben. Alle unsere Konzerte wurden<br />

abgesagt oder verschoben und die einzige<br />

Möglichkeit mal ein Bierchen gemeinsam<br />

zu trinken ist per Videochat. Alles nicht so<br />

das Wahre.<br />

Da wir nun alle mehr Zeit haben, als dem<br />

ein oder anderen lieb ist, kam bei uns die<br />

Frage auf, wie Kultur nach Corona wohl<br />

aussehen würde. Gerade die Läden die in<br />

unserer geliebten Subkultur eine große<br />

Rolle spielen, sind von der Existenz<br />

bedroht. Da wollten wir nicht tatenlos<br />

zusehen. Ohne Kultur kein Leben. Nicht<br />

mit uns. Gemeinsam mit den Bands und<br />

Musikern aus der 57’ Area haben wir uns<br />

was einfallen lassen. Das Ergebnis seht<br />

ihr auf den folgenden Seiten. Jedenfalls<br />

einen Teil davon.<br />

Viel Spaß dabei!<br />

Markus<br />

<strong>fuenfsieben</strong>. booking<br />

3


Tashenknall<br />

Interview von Markus Thomas.<br />

Am 05. Mai habe ich mich per Skype mit<br />

der Band Tashenknall getroffen. Sie besteht<br />

aus Roman aka Mike Meister und Marijo aka<br />

Don Bosko. Das fast mehr als 90 Minuten<br />

lange Gespräch, könnt ihr im Folgenden<br />

nachlesen:<br />

Die meisten von uns kennen sicherlich den<br />

Roman, aber stellt euch doch bitte beide<br />

mal kurz vor, damit wir auch wissen wer<br />

hinter dem Namen „Tashenknall“ steht.<br />

Don Bosko: Ja der Roman ist bekannt. Den<br />

kennt schon jeder, der muss ja schon gar<br />

nichts mehr sagen. Ich bin einfach der andere<br />

Teil von Tashenknall, wir sind ja zu zweit.<br />

Wir waren mal mehr. Mein Künstlername<br />

ist Don Bosko und Roman und ich kennen<br />

uns schon seit Ewigkeiten. Wir haben uns<br />

mal beim Basketball spielen kennengelernt,<br />

sind später zusammengezogen und haben<br />

angefangen Musik zu machen. Roman hatte<br />

gewisse Musikrichtungen, die er gehört hat<br />

und ich hatte gewissen Musikrichtungen, die<br />

ich gehört habe und Rap war unsere Schnittmenge.<br />

Mike Meister: Marijo ist auch ein Tiefstapler.<br />

Der hat vorher schon eine Schallplatte<br />

released. Ansonsten hat er richtig erzählt. Wir<br />

haben ursprünglich zusammen Basketball<br />

gespielt, hatten da aber privat erstmal wenig<br />

bis gar nichts miteinander zu tun. Wir haben<br />

uns dann bei gemeinsamen Freunden wieder<br />

getroffen und suchten beide eine Wohnung<br />

und zack ist man zusammengezogen. Uns<br />

war dann relativ schnell klar, dann machen<br />

wir auch zusammen Musik, weil wir auch<br />

beide Musikfans sind. Das war natürlich<br />

nicht die schlechteste Voraussetzung. Wir reden<br />

jetzt hier von 1997. Der Marijo hat dann<br />

die Gardine über das Fenster genagelt, so das<br />

die Welt da draußen egal war und wir haben<br />

dann an Songs rumgebastelt. Während andere<br />

Leute bei 30 Grad aufwärts draußen waren,<br />

hatten wir es angenehm dunkel, haben Reime<br />

geschrieben, aufgenommen und Beats gebaut.<br />

In der Musikproduktion ist der Marijo<br />

derjenige, der schon damals mehr Erfahrung<br />

hatte. Ich habe dann immer nur daneben<br />

gesessen und habe gesagt „total super“ oder<br />

„ein bisschen weniger davon“, weil es dir<br />

schon deine Ohren weggeblasen hat.<br />

Ihr habt eben das Jahr 1997 erwähnt. War<br />

das auch der Startschuss für Tashenknall<br />

oder seit wann gibt es euch unter dem Namen<br />

„Tashenknall”. Erzählt doch mal was<br />

über eure Anfänge?<br />

Mike Meister: 1997 sind wir zusammengezogen<br />

und haben gestartet. Der Name<br />

„Tashenknall“ kam später, wir haben erstmal<br />

einfach Musik gemacht. Wir wollten hinter<br />

geschlossenen Gardinen für uns erstmal Erfahrung<br />

sammeln, trainieren und versuchen<br />

gut zu werden.<br />

Don Bosko: Am Anfang wollten wir erstmal<br />

herausfinden, wo das Ganze hinführt. Wir<br />

haben quasi nur gejammt und ausprobiert.<br />

Irgendwann hatten wir dann ein paar Sachen<br />

stehen. Die ersten zehn Stücke, die wir<br />

stehen hatten, waren quasi unser Weg um<br />

Musiker zu werden, um eine Band zu werden.<br />

Die ersten Tracks sind dann auch direkt<br />

als Album erschienen. Schon witzig. Da kann<br />

man unseren Werdegang gut nachhören. Was<br />

dann heute so ist, kann man ja auf YouTube<br />

gucken.<br />

Wo kommt der Name „Tashenknall”<br />

eigentlich her?<br />

Don Bosko: Der Name Tashenknall kam erst<br />

später. Er ist uns ziemlich spontan eingefallen.<br />

Das ist halt ein Name, wenn man den<br />

hört, dann merkt man sich ihn. Das ist der<br />

Effekt des Namens. Im Rap ist das eine elementare<br />

Sache, dass, wenn man einen Namen<br />

hat, sich der Name gemerkt wird. Man will,<br />

dass die Leute sich daran erinnern. Das ist<br />

genauso bei den Leuten, die Bilder malen, da<br />

ist es ja so eins der vier Elemente, da gibt es<br />

eine große Sparte mit Namen malen. Damit<br />

die Leute sich den Namen merken. Verbreitung<br />

seines Namens und die Verbreitung<br />

seines Styles sind elementare Sachen. Und<br />

ich denke, da haben wir einen guten Namen<br />

gefunden (lacht).<br />

Mike Meister: Wir haben oft erlebt, dass die<br />

Leute dann zunächst nochmal nachgefragt<br />

haben. Dann hat man den Namen bei der<br />

Nachfrage nochmal gehört und so hat der<br />

dämliche Name sich über die Jahre gelohnt<br />

Ihr schreibt den auch immer mit „sh“ statt<br />

„sch”.<br />

Don Bosko: Das ist ein Rechtschreibfehler<br />

Mike Meister: Das passt gut zu dem Ursprung<br />

aus den Staaten oder New York und<br />

wie das beschrieben wird, als alles anfing.<br />

Die haben ja kein sch.<br />

Seit 1997 macht ihr das schon. Mal mit<br />

zwei Personen, mal mit mehr und aktuell<br />

wieder zu zweit. Was treibt euch an<br />

weiterzumachen?<br />

Don Bosko: Hauptsächlich der Spaß. Der<br />

Spaß ist nach wie vor groß. Wenn wir irgendwann<br />

mal das Gefühl haben sollten, es macht<br />

keinen Spaß mehr und es bringt irgendwie<br />

nix mehr oder so, dann würden wir auch<br />

mal aufhören. Aber solange wir Spaß bei der<br />

Sache haben und neue Ideen haben...Wenn<br />

du einmal Musik gemacht hast, machst du<br />

dein Leben lang Musik. Wenn wir das für die<br />

Verkaufszahlen oder den Wettbewerb machen<br />

würden, dann wäre die Musik anders.<br />

Mike Meister: Ja genau. Für den Erfolg hätte<br />

wir uns von vornherein an anders verhalten<br />

müssen. Mehr Gewicht auf den Bekanntheitsgrad.<br />

Wir haben es halt auf die Musik gelegt.<br />

4 5


Wie schon gesagt, haben wir das ja erstmal<br />

nur für uns gemacht. Natürlich hat man ja<br />

auch Bock das anderen Leuten vorzustellen.<br />

Ich hab nach wie vor gerne Livekonzerte und<br />

genieße da die Situation und die Kommunikation<br />

mit dem Publikum.<br />

Man muss aber auch sagen, dass es zwischendurch<br />

mal eine längere Pause gab. Der Marijo<br />

ist 2010 in den Pott gezogen. Wir haben<br />

davor 9 oder 10 Songs aufgenommen, die<br />

dann auch eine ganze Weile brach lagen. Wir<br />

waren beide so ein bisschen frustriert von<br />

dem, wie sich der Rap Bereich entwickelt hat.<br />

Da haben wir uns von runterziehen lassen<br />

und haben lange gebraucht, wieder einen anderen<br />

Umgang damit zu finden. Wir wollten<br />

mit den Leuten, die uns nicht gefallen, nichts<br />

zu tun haben, hatten aber schon Bock wieder<br />

was zu machen.<br />

Dass es dann 2015 wieder zum Auftritt kam<br />

und dazu dass wir jedes Jahr einen Song releasen,<br />

war Zufall oder die Umstände haben<br />

es verschuldet, dass es so sein sollte.<br />

Es gab das Jubiläum vom Vortex bzw. den<br />

Abschied von Phil‘s Vorgänger Mike den<br />

ich persönlich gut kannte. Mike hatte uns nie<br />

live gesehen und hat eine Abschiedsshow<br />

veranstaltet. Mit ein paar Leuten aus Siegen<br />

und ein paar Träume hat er sich auch erfüllt<br />

mit Stargästen von außerhalb. Der hat uns<br />

gefragt, ob wir da auftreten wollen. Da es<br />

halt das Vortex war, was vieles für die Musikszene<br />

in Siegen gemacht, haben wir überlegt<br />

und haben dann auf der Soundbombing<br />

Veranstaltung den ersten Auftritt und unser<br />

Jubiläum nach ziemlich genau 10 Jahren gemacht.<br />

Auftrittfrei waren wir seit 2005. Wir<br />

haben zwar fünf Jahre noch Songs gemacht,<br />

aber die Luft war raus. Es hat uns aber gut<br />

gefallen und seitdem sind wir auch wieder<br />

angefixt und wenn uns wer fragt und es passt,<br />

dann rücken wir auch nochmal aus.<br />

Welche Einflüsse habt ihr? Welche Musiker<br />

oder Gruppierungen haben euch<br />

damals beeinflusst wo ihr gesagt habt „Hey<br />

cool, so wollen wir sein!“?<br />

Mike Meister: Für mich wäre es die Höchststrafe<br />

wenn einer sagt, du klingst wie Rapper<br />

xy. Selbst wenn es mein Lieblingsrapper<br />

wäre. Wenn mir das jemand gesagt hätte,<br />

dann hätte ich mir erstmal meine Sachen angehört<br />

und wenn ich denke „Oh man, da hat<br />

der recht“, dann hätte ich nächtelang nicht<br />

durch geschlafen und dafür gesorgt, dass ich<br />

nicht so klinge wie der. Im Hip Hop, Breakdance,<br />

Djaying geht es darum, einen Wiedererkennungswert<br />

zu haben, einen eigenen Stil,<br />

einfach individuell zu sein. Uns haben schon<br />

immer Sachen gefallen, die sich vom Rest<br />

abgehoben haben. Wir beide sind große Fans<br />

von EPMD. Wir mögen Sachen die aus dem<br />

Üblichen heraus gebrochen sind. Busta Rhymes<br />

der irre Sachen gemacht hat, wie Outkast<br />

die verrückte, spacige Sachen gemacht haben,<br />

aber auch die Boombap Sachen. Mir war<br />

wichtig, dass das Ganze passt. Wenn nicht<br />

nur die Musik cool ist und man gut rappt,<br />

sondern wenn auch noch der Inhalt passt, ist<br />

das natürlich die Krönung. Vom Inhalt hat<br />

mich schon immer Public Enemy angetörnt.<br />

An deutschen Acts liefen bei uns Kinderzimmer<br />

Productions rund. Die haben nach langer<br />

Zeit auch vor kurzem nochmal was released.<br />

Die Stieber Twins Platte „Fenster zum Hof“,<br />

Klassiker. Das Bo von Fünf Sterne Deluxe<br />

fanden wir immer lustig.<br />

Man kann euch ja schon dem linken<br />

Spektrum zuordnen, woraus ihr ja auch<br />

gar keinen Hehl macht und mit der Antifa-<br />

Flagge auf der Bühne steht. Wie wichtig ist<br />

es euch politisch Stellung zu beziehen?<br />

Mike Meister: Innerhalb eines Songs geben<br />

wir ein breites Spektrum von dem, was wir<br />

erleben wieder. Da spielt dann Gesellschaft<br />

und Politik mit rein. Manchmal erzählen wir<br />

auch einfach nur irgendeine Geschichte von<br />

einer Party, aber wir wollen anderen schon<br />

was mit auf den Weg geben. Ich würde uns<br />

jetzt nicht als linksextrem oder so bezeichnen.<br />

Wir haben was gegen Diskriminierung,<br />

gegen Rassismus, Faschismus und das ist<br />

erstmal vollkommen normal und erstmal gar<br />

nicht links oder zumindest nicht weit links<br />

außen. Also privat laufe ich nicht mit einer<br />

Antifa Fahne auf einer Demo rum. Ich hab<br />

zu dieser Aktion (Eklat über Antifa Fahne bei<br />

Tashenknall Auftritt auf dem Ride Against<br />

Racism 2019, Anm. des Autors) immer gesagt,<br />

dass die Kritik mich getroffen hätte,<br />

weil sie nämlich verständlich gewesen wäre,<br />

wenn wirklich aus der Richtung linksaußen,<br />

für die die Fahne wirklich wichtig ist und die<br />

sie sehr ernst nehmen, wenn die gesagt hätten<br />

„ihr macht da so en Rap Gekasperle und<br />

schwingt dann unsere Fahne. Die Fahne ist<br />

zu ernst, um die für ne Show zu benutzen.“<br />

Wobei natürlich Antifaschistische Aktion für<br />

uns kein Spaß ist. Wir hatten ja damals eine<br />

Stellungnahme geschrieben, wo wir uns halt<br />

auch nicht entschuldigt haben, dass wir die<br />

Fahne benutzt haben. Machen wir auch heute<br />

nicht. Die Antifa unter dieser Fahne gibt es<br />

verstreut auf der ganzen Welt, verschiedene<br />

kleine Gruppen, zum Teil vernetzt und zum<br />

Teil nicht. Wir sind halt in dem Fall die<br />

zweier Antifaschistische Aktion gewesen.<br />

Zum einen hieß die Veranstaltung „Ride<br />

Against Racism“ und zum anderen wollten<br />

wir das auch visuell rüberbringen. Auch weil<br />

unsere Texte das eventuell nicht ganz so deutlich<br />

machen, wir rappen nicht so oft, glaube<br />

ich jedenfalls „Nazis raus“ und so weiter. Wir<br />

wollten damit einfach unsere Einstellung und<br />

Unterstützung unterstreichen.<br />

Das, was ihr wegen dem „Ride Against Racism“<br />

dann letzten Endes an Kritik abbekommen<br />

habt, war ja ziemlich heftig und<br />

stellt euch weiter in eine linke Richtung als<br />

ihr euch vermutlich stellen würdet.<br />

Don Bosko: So ein krasses Echo gab es bisher<br />

auf jeden Fall noch nie und das war auch<br />

das erste Mal, dass es so negativ war. Aber<br />

ich empfinde es auch eigentlich gar nicht so<br />

negativ, sondern zum größten Teil eher als<br />

lächerlich, weil im Prinzip ist ja gar nichts<br />

passiert. Es haben sich einfach irgendwelche<br />

Leute verletzt gefühlt. Vielleicht war es<br />

auch dann gerade richtig. Im Grunde sind<br />

wir keine linke Formation, aber wir sind<br />

in unseren Texten immer kritisch. Kritisch<br />

zur Gesellschaft, kritisch zu der Hip Hop<br />

Bewegung selber bzw. zu der Rap Sparte.<br />

Politisch kritisch, gesellschaftlich kritisch.<br />

Immer irgendwie kritisch. Man würde ja auch<br />

Herbert Grönemeyer nicht in eine linke Ecke<br />

stellen, aber er hatte halt die Möglichkeit auf<br />

einer Bühne ein Mikrofon in der Hand zu<br />

haben. (Grönemeyer hat im September 2019<br />

bei einem ausverkauften Konzert in Wien vor<br />

der aktuell beunruhigenden politischen Lage<br />

gewarnt und appelierte „Keinen Millimeter<br />

nach rechts! Keinen einzigen Millimeter nach<br />

rechts! Und das ist so. Und das bleibt so.“,<br />

Anm. d. Autors). Ich finde, wenn man Leute<br />

erreichen kann und ein bisschen mit offenen<br />

Augen durch die Welt geht, gewisse Dinge<br />

sieht, sollte man die Gelegenheit ergreifen,<br />

wenn man schon ein Mikro in der Hand hat,<br />

um seine Meinung zu sagen. Vielleicht auch<br />

andere in ihrer Meinung zu bestärken. Dann<br />

gibt das in dem Moment eine kleine Gruppendynamik<br />

und sowas treibt irgendwie auch<br />

eine Bewegung immer weiter. Dazu muss<br />

man gar nicht linksextremistisch sein. Alle<br />

Dinge, die wir eben gesagt haben, müssten<br />

eigentlich von der Mitte schon kritisch gesehen<br />

werden. Aber wenn sich davon Leute<br />

getroffen gefühlt haben, hat es auf jeden Fall<br />

die richtigen getroffen.<br />

6 7


Mike Meister: Also ich habe das jetzt nicht<br />

als schlimm für Tashenknall empfunden.<br />

Ich sehe das auch gar nicht als große Kritik.<br />

Wenn man schon eine Veranstaltung hat, die<br />

das “gegen Rassismus sein” schon im Titel<br />

hat und irgendwo steht „antifaschistisch<br />

drauf“, wenn sich darüber aufgeregt wird,<br />

dann kann ich damit ganz gut leben. Es ist<br />

nicht so, dass wir gar nicht mit der Reaktion<br />

gerechnet hätten, aber AfD und Dritter Weg<br />

war nicht besonders überraschend. Bei so einer<br />

Fahne scheinen diese Leute direkt Bilder<br />

vom G20 Gipfel 2017 in Hamburg im Kopf<br />

zu haben. Ein Bild vom schwarzen Block<br />

oder so. Die Leute wollen immer alles Ruckzuck<br />

in irgendwelche Schubladen einteilen,<br />

in gut und böse. Es ist halt oft nicht so einfach.<br />

Das sagen zwar viele, aber das stimmt<br />

auch einfach. Wenn man bei dem Beispiel<br />

G20 Gipfel bleibt, dann ist da sicherlich viel<br />

Schlimmes passiert, aber auch nicht einseitig.<br />

Da kann sich jeder informieren, kann sich<br />

Videos ansehen. Da ist auch nie eine Antifa<br />

Fahne im Bild. Es ist ja auch nicht der Antifa<br />

e.V. oder die Antifa GmbH. Mir tat das jetzt<br />

auch alles eher Leid für den Veranstalter<br />

bzw. um die Veranstaltung. Es ist alles etwas<br />

in den Hintergrund geraten. Es war eine<br />

großartige Veranstaltung die fast 7 Stunden<br />

gedauert hat. In der letzten halben Stunde<br />

haben wir zwei halt die Fahne ins Bild gehalten.<br />

Die Fahne ist nicht verboten und nix.<br />

Da waren keine schwarz vermummten Leute,<br />

die Randale gemacht haben. Wir haben zum<br />

Glück die Bengalos im Auto gelassen. Das<br />

wäre dann vermutlich der Tropfen gewesen,<br />

der das Fass zum Überlaufen gebracht hätte.<br />

Aber wir waren vernünftig und haben den<br />

Part der Bühnenshow gelassen.<br />

Ihr könnt ja eine ganze Ecke zurückblicken.<br />

Was war denn in euren Augen<br />

das beste und welches das schlechteste<br />

Konzert bisher?<br />

Don Bosko: Das beste eigentlich 2015 im<br />

Vortex. Das könnte das beste oder das zweitbeste<br />

Konzert sein. Es gab noch ein Konzert<br />

in Trier, das war richtig geil. Immer anhand<br />

der Reaktion vom Publikum gesehen. Wir<br />

hatten auch schon Konzerte gehabt, da hat<br />

das Publikum total festgefroren gestanden<br />

und uns angeglotzt und wir haben nur gedacht:<br />

„Oh Gott, was machen wir mit denen?<br />

Die fallen uns doch gleich um...“. Die kamen<br />

dann nach dem Konzert zu uns und haben<br />

gesagt „<strong>Vol</strong>l geil“. Während des Konzerts<br />

hat man das dann gar nicht gemerkt. So<br />

eine richtig geile Reaktion war halt 2015 im<br />

Vortex.<br />

Mike Meister: Das mit „Da stehen, zugucken,<br />

wenig Reaktion“, das war mir vor<br />

langen Jahren schon mal aufgefallen, auch<br />

Musikstil übergreifend. Ich höre auch viel<br />

Rock‘n‘Roll, Rockabilly und so und früher<br />

wurde auf Konzerten auf jeden Fall wild getanzt.<br />

Ist halt auch Tanzmusik. Irgendwann<br />

ging es einfach ein bisschen mehr so wie als<br />

wenn man zuhause sitzt und fernsieht. „So<br />

jetzt unterhaltet uns mal da auf der Bühne“.<br />

Man hätte sich da schon mal mehr Reaktionen<br />

gewünscht. Man könnte zwar auch<br />

sagen, das lag an uns, aber das habe ich nicht<br />

nur im Rap Bereich, sondern szeneübergreifend<br />

festgestellt.<br />

Das Vortex Konzert....wir wussten gar nicht<br />

was uns erwartet. Der Laden war ja auch<br />

ziemlich voll. 230 Leute habe ich mal gehört.<br />

Meine Sorge war, das Ding überhaupt<br />

zu überstehen nach so langer Zeit und dass<br />

es nicht mein letzter Tag dort ist. Wir haben<br />

uns natürlich auch was überlegt, machen wir<br />

gerne. Mal bringt man eine Fahne mit und an<br />

dem Abend hatten wir Käsehäppchen.<br />

Don Bosko: Wir haben Käse mitgebracht<br />

(lacht)<br />

Mike Meister: An viele Konzerte können<br />

wir uns gar nicht mehr erinnern. Wir hatten<br />

aber mal ein Konzert im LYZ, da hat was mit<br />

der Technik nicht gestimmt. Wir hatten darauf<br />

hingewiesen, dass doch vorher nochmal<br />

zu testen mit den Funkmikros. Dann liefen<br />

mehrere Kompressoren, die den Effekt hatten,<br />

dass jedesmal, wenn wir was ins Mikro<br />

sagten, die Musik leiser wurde und das stört<br />

einen dann natürlich schon. Wir hatten uns<br />

dafür auch extra was überlegt und ein längeres<br />

Intro gebaut. Das war dann natürlich für<br />

uns schon ziemlich verhunzt und schade.<br />

Trier war eine super Nummer. Da waren<br />

super Graffiti Typen, die da eine Mauer von<br />

100 oder noch mehr Metern hatten. Da waren<br />

Breakdancer, alles großartig. Der Veranstaltungsort<br />

war super, der Veranstalter. Das ganze<br />

war im Exhaus. Das Wetter war schlecht<br />

und es sollte eigentlich Open Air stattfinden.<br />

Der Veranstalter sagte: „Wir haben da noch<br />

so einen Raum. Könnt ihr euch ja mal angucken“.<br />

Dann hatten die da so ein supergeiles<br />

Kellergewölbe mit fester Bühne und allem<br />

drin. Das war auf jeden Fall geil. Da waren<br />

Leute aus Luxemburg und Frankreich. Da<br />

war auch wieder der Effekt mit dem Namen.<br />

Die französisch Sprechenden fragten dann<br />

natürlich ein paar Mal nach und versuchten<br />

das nachzusprechen. Zwischen ´98 und 2005<br />

haben wir in Siegen in jedem Laden bestimmt<br />

zwei, drei Mal gespielt. VEB, Meyer,<br />

Uni. Cool war damals Creutzfeld und Jakob.<br />

Die haben wir an die Uni geholt. Wir haben<br />

früher viel selber gemacht. Wir hatten mal<br />

das alte Electrolux Gebäude in der Welterstraße<br />

in Siegen gemietet und da gab es dann<br />

zwei Floors, einer mit Live Konzerten und<br />

der andere mit Reggae, Dancehall von Platte<br />

von unserem alten DJ. Da waren 450 Leute.<br />

Hier und da waren auch mal Sachen außerhalb.<br />

Don Bosko: Wuppertal, Köln, Hachenburg<br />

Mike Meister: In Wuppertal waren damals<br />

die grandiosen Wu Tal Parties. Das waren<br />

ein paar Jungs, die da auch selbst aufgelegt<br />

haben. Im Pavillon. Die kannte man deutschlandweit<br />

und die haben uns irgendwann eingeladen.<br />

Die haben um halb zehn aufgemacht<br />

und draußen war eine riesige Schlange vor<br />

der Tür. Die Leute kamen rein und der Laden<br />

war voll. Dann lief da coole Musik und wir<br />

haben irgendwann um halb eins, eins, halb<br />

zwei, keine Ahnung, unseren Auftritt gemacht<br />

und die Leute haben gefeiert. Wu Tal<br />

war auch gut.<br />

Hachenburg hat der Marijo gerade noch<br />

angesprochen. Das war unser erster Auftritt.<br />

Das war auch der Auftritt, der es nötig<br />

machte, das man einen Namen haben muss.<br />

Eigentlich waren wir da noch in der Phase,<br />

dass wir uns ausprobieren wollten und wenn<br />

wir irgendwann mal meinen, wir könnten<br />

rausgehen und die Leute an die Wand rappen.<br />

Dann kam aber ein Angebot, was man nicht<br />

ablehnen konnte. Der Ralf Engelmann, der<br />

sich unser Manager nannte, hat gute Kontakte<br />

hier in der Gegend. Der hat den Leuten<br />

so von uns vorgeschwärmt. Wir waren dann<br />

Support vom Hauptact, die damals Videos<br />

auf VIVA und MTV laufen hatten. Die Leute<br />

kamen dahin und dachten wir wären Stars<br />

8 9


und waren um die Uhrzeit auch schon betrunken<br />

genug. Das hat den Glauben dann nur<br />

noch bestärkt. Wir haben uns aufgrund von<br />

Lampenfieber im Backstage rumgedrückt und<br />

kommen dann da in die Stadthalle rein, so<br />

durch den Vorhang und dann ist die wirklich<br />

bis hinten hin voll, 700 Leute, erster Auftritt.<br />

Da mussten wir auch erstmal schlucken.<br />

Don Bosko: Das Witzige war ja, dass die<br />

technische Probleme hatten und dadurch hat<br />

sich alles verzögert. Aber die Theke hatte<br />

schon auf. Die haben dann einfach Rockmusik<br />

laufen lassen und dann hatte das so eine<br />

Kneipenatmosphäre. Irgendwann waren dann<br />

alle schon ziemlich angetrunken und dann<br />

ging es erst los. Dann kamen wir. Die waren<br />

so froh, dass es jetzt losging und haben uns<br />

von Beginn an abgefeiert. Die wussten gar<br />

nicht, was auf sie zukommt.<br />

Was ich immer sehr, sehr cool finde, egal<br />

ob Mortal Hatred was posten, ob Slab<br />

Strike was posten oder Suicide of Society,<br />

bei euch merkt man immer, ihr seid mit<br />

Herzblut Teil der Siegener Szene. Ihr postet<br />

immer wenn irgendeine Band was Neues<br />

macht. Fühlt ihr euch in der Siegener<br />

Szene heimisch? Habt ihr auf dem Schirm<br />

was da so passiert?<br />

Mike Meister: Es gab halt die ganze Zeit<br />

nicht viele, aber dafür einige richtig gute Sachen.<br />

Siegen ist halt schon ein Dorf und man<br />

kennt sich dann, weil man Musik mag, weil<br />

man auf die gleichen Feiern und Privatparties<br />

geht. Durch meine Mitarbeit beim Push<br />

Festival kenne ich dann Bands wie Mortal<br />

Hatred und Slab Strike, die ja schon lange<br />

fester Bestandteil dieses Festivals sind. Das<br />

gehört auch einfach zum Hip Hop dazu, dass<br />

man Leute, die man mag versucht mit seinen<br />

Möglichkeiten zu unterstützen. Vielleicht<br />

hilft es ja, dass mal jemand guckt, was es hier<br />

so in der Gegend gibt, was einem bisher noch<br />

nicht begegnet ist. Wenn dann noch jemand<br />

einen Tonträger oder Merch kauft, freue ich<br />

mich.Ich habe selber früher Hardcore und<br />

Punk gehört. Jetzt nichts was wie Mörtel<br />

Härtet klingt, sondern so Hardcore Punk.<br />

Dann kam dann auch mal so Rockabilly,<br />

Psychobilly dazu. Ich war da immer breit<br />

gefächert.<br />

Wahrscheinlich für viele eine spannende<br />

Frage. Was steht denn bei euch in Zukunft<br />

an? Bleibt es bei eurem aktuellen Pensum<br />

von einem Song pro Jahr?<br />

Don Bosko: Wir ham immer wat am Backen.<br />

Wir haben auch schon wieder ein paar neue<br />

Sachen gemacht. Da kommen auf jeden Fall<br />

noch Sachen von uns. Also Tracks, Videos,<br />

T-Shirts, Unterwäsche…<br />

Mike Meister: Also von der Schlagzahl her...<br />

wir kriegen wohl einfach keine 10 Songs pro<br />

Jahr hin, aber uns drängelt ja auch keiner.<br />

Wir sind froh, dass wir die Single auf Vinyl<br />

haben. Vinyl war immer schon ein Traum.<br />

Ist nur klein geworden, aber sieht schick<br />

aus. Die Musik geht so, aber sieht gut aus.<br />

Etwas in Albumlänge wird wahrscheinlich<br />

schwierig, aber immer mal wieder eine<br />

Kleinigkeit. Wir hätten gerne den Auftritt<br />

zum 40-jährigen VEB Jubiläum gespielt. Vor<br />

allem in der Konstellation mit Kalashnikov<br />

als Siegen City Hardcore Klassiker und mit<br />

The Wow?. War auf jeden Fall ein sehr interessantes<br />

Programm. Aber es sollte nicht so<br />

sein. Vielleicht wird es ja 2021 nachgeholt.<br />

Leute können aber immer gerne anfragen, ob<br />

wir einen Auftritt machen wollen.<br />

Suicide of Society<br />

Interview von Tina Schuppert.<br />

Aufgrund von Social Distancing haben wir<br />

das Interview über Skype stattfinden lassen.<br />

Nachdem wir uns alle vorgestellt hatten, begann<br />

ich mit der wohl wichtigsten Frage:<br />

Wie kam es zur Gründung?<br />

Simon: Hans (Gitarre) und ich (Gesang) waren<br />

in der Schule in einer Klasse und haben<br />

dadurch, dass wir beide viel Metallica und<br />

Kreator hörten, beschlossen, dass wir eine<br />

Band gründen möchten. Hans wollte gerne<br />

Schlagzeug lernen, was er aber nicht durfte,<br />

weil es zu laut in seinem Kinderzimmer gewesen<br />

wäre. Ich wollte gerne Gitarre lernen,<br />

war jedoch zu faul. Als nächstes kam unser<br />

erster Schlagzeuger Robin Mester dazu, der<br />

sein Schlagzeug im Keller stehen hatte, wo<br />

wir dann perfekt proben konnten ohne jemanden<br />

zu stören. Wir wollten uns erst Nuclear<br />

Mass Destruction nennen. Später kam noch<br />

Philipp an der Gitarre und unser erster Bassist<br />

Moritz Frank dazu. Zu unserem ersten<br />

Auftritt 2010 kam es, weil wir einfach die<br />

Leute vom Push angesprochen und gefragt<br />

haben, ob wir da spielen können. Natürlich<br />

mussten wir uns dann noch richtig mit Aufnahmen<br />

bewerben. Die Aufnahmen hatten<br />

wir in der Schule mit einem Freund gemacht<br />

und ich habe die Gitarrensoli damals eingesungen.<br />

Welche Erwartungen hattest du an die<br />

Band, Philipp?<br />

Ich bin ja damals durch meine Freundschaft<br />

mit Hans in die Band mit reingekommen.<br />

Hans hat mir damals “Enemy Of God” von<br />

Kreator gegeben, was ich ziemlich gut fand.<br />

Danach hat er mir “Pleasure To Kill” ausgeliehen,<br />

was ein richtiger Knüppel zwischen<br />

die Beine war. Meine Erwartungen waren<br />

eine bestehende Band zu haben mit regelmäßigen<br />

Proben und Thrash Metal wie Kreator<br />

zu machen.<br />

Wie kam es zu eurem Namen?<br />

Simon: Damals, also 2008, habe ich einfach<br />

alles scheisse gefunden. Auf’m Scheisshaus<br />

sitzend ist mir dann der Text zu “Suicide<br />

Of Society” eingefallen und ich habe ihn<br />

dann Hans vorgeschlagen. Er war sofort<br />

einverstanden und so kamen wir zu unserem<br />

Namen. Fun Fact: Unser erstes Logo hat Kai<br />

Simon Stähler von Mortal Hatred betrunken<br />

auf einen Bierdeckel gemalt.<br />

Wie habt ihr euch von damals bis heute<br />

entwickelt?<br />

Hans: Wir waren blutige Anfänger, haben in<br />

der ersten Zeit viel Overkill, Testament und<br />

Kreator gecovert und dadurch dann letztendlich<br />

einen eigenen Stil entwickelt. Ein<br />

10 11


Highlight war es vor zwei Jahren auf dem<br />

Mise Open Air zu spielen und das, obwohl<br />

wir nichts hatten, also keine CDs und keinen<br />

Merch. Es war einfach krass zu sehen, dass<br />

man durch die Liveauftritte immer bekannter<br />

wurde. Die Zukunft der Band war zwischendurch<br />

immer wieder wackelig aufgrund der<br />

Besatzungswechsel, aber wir haben gekämpft<br />

und unseren Kampfgeist nicht verloren.<br />

Aktuell sind wir eine stabile Truppe (trotz<br />

Fehlen eines Schlagzeugers) und es hat sich<br />

eine Freundschaft entwickelt. Klar gab und<br />

gibt es hier und da Diskussionen und Streitigkeiten,<br />

um einen Konsens zu finden, wie ein<br />

Song werden soll. Aber gerade dadurch ist<br />

so manches Brett entstanden, weil wir versuchen<br />

auf Jeden einzugehen und das Beste<br />

aus den Ideen zu verweben. Und nach zehn<br />

Jahren haben wir es endlich geschafft ein<br />

Album aufzunehmen.<br />

Simon: Ich bin echt gespannt, wie es ankommt.<br />

Philipp: Es war und ist ein Prozess. Wir<br />

stellen uns nicht nach den Auftritten hin<br />

und machen Mindmaps, aber wir lassen den<br />

Auftritt dann nochmal Revue passieren und<br />

besprechen, was gut und vielleicht auch nicht<br />

so gut war. Wir versuchen die Balance zu finden<br />

zwischen dem, was wir mögen und dem,<br />

was der Menge gefällt.<br />

Simon: Wir sind auf der Suche nach einem<br />

Schlagzeuger. Wir sind Kilian echt dankbar<br />

für die Zeit, die er uns begleitet hat. Er<br />

hatte damals als Aushilfe angefangen und es<br />

hatte dann auch einfach super gepasst. Es ist<br />

schade, dass wir nun getrennte Wege gehen.<br />

Deshalb brauchen wir einen neuen. Wir suchen<br />

jemanden, der für Thrash Metal brennt<br />

und nicht „nur“ Bock hat, Schlagzeug in<br />

einer Band zu spielen. Aber wir haben aktuell<br />

jemanden, der uns aushilft.<br />

Hans: Zehn Jahre war es unser Traum, ein<br />

Album rauszubringen und jetzt kommt uns<br />

die Covid Seuche dazwischen. Wir hoffen,<br />

dass der Mist bald vorbei ist, damit wir uns<br />

wieder zum Proben treffen können, um an<br />

neuen Songs weiterzuarbeiten und endlich<br />

unser Album zu releasen.<br />

Hattet ihr schon konkrete Pläne für eine<br />

Releaseshow?<br />

Simon: Wir hatten das Vortex schon wegen<br />

einem Termin im Mai mit Space Chaser angefragt.<br />

Weil die Jungs da aber leider nicht<br />

konnten, haben wir das ganze auf Herbst<br />

verschoben, was uns eigentlich auch ganz<br />

gut passt, denn bis dahin können wir dann in<br />

Ruhe noch die CDs pressen lassen und ggf.<br />

Ideen für T-Shirts und anderen Merch umsetzen.<br />

Wir würden die Releaseshow gerne<br />

im Vortex stattfinden lassen, weil das Vortex<br />

unser Wohnzimmer ist und Phil uns immer<br />

wieder für Auftritte anfragt. Phil und das<br />

Vortex sind einfach heimisch.<br />

Wer hat euch bei dem Album unterstützt?<br />

Hans: Wir hatten bei den Backvocals Unterstützung<br />

von Freddy von Mortal Hatred,<br />

David von Davy Jones, Toli von Whiteriver,<br />

Andy, Julia und Vanessa, wobei Andy dann<br />

seine Freundin vorgeschickt hat, weil er<br />

Angst hatte, dass man ihn raushören könnte.<br />

PS: Andy, kauf’ dir mal passende Klamotten!<br />

;)<br />

Welcher Auftritt ist euch besonders im<br />

Gedächtnis geblieben?<br />

Philipp: Einer unserer Vortexauftritte. Ich<br />

ging ordentlich stramm auf die Bühne, habe<br />

so viele Biere, wie ich tragen konnte für den<br />

Auftritt geholt und mit der Erklärung, dass<br />

ich nüchtern nicht spielen kann, vorne hingestellt.<br />

Hinterher wurde mir dann erzählt,<br />

dass ich meinen Bass nach dem Auftritt auf<br />

den Boden geschlagen hätte. Davon weiß ich<br />

allerdings nichts mehr, weil ich zu besoffen<br />

war.<br />

Simon: Ich war mal vor einem Auftritt in der<br />

Bluebox bei einer Brauereibesichtigung, ging<br />

aber eigentlich alles ganz gut.<br />

Hans: Haha, bei dem selben Auftritt war<br />

ich ordentlich strahlig. Während des Auftritts<br />

habe ich gedacht, dass mein Verstärker<br />

komisch klingt. Beim vorletzten Song habe<br />

ich dann bemerkt, dass eine Einstellung bei<br />

meinem Amp verstellt war und habe das Problem<br />

behoben. Nach dem Auftritt hat jemand<br />

Tim gefragt, ob ich heute zum ersten Mal live<br />

gespielt hätte.<br />

Tim: Bei mir war es derselbe Auftritt. Also<br />

man macht ja immer die Bassisten-Witze,<br />

dass jeder Bassist sein könnte weil das so<br />

einfach ist. An dem Tag musste ich den Bass<br />

spielen, weil Philipp krank war, und habe<br />

gemerkt, dass das durch die dickeren Saiten<br />

viel anstrengender ist als Gitarre spielen.<br />

Ich habe irgendwann während des Auftritts<br />

meine Finger und meine Hand nicht mehr gespürt<br />

und konnte nichtmal mehr das Plektrum<br />

halten. Der beste Auftritt war mit Centrate<br />

im Vortex, es ist eine der besten Bands, eine<br />

absolute Hörempfehlung. Bei dem Auftritt<br />

haben wir auch Accuser kennengelernt. Man<br />

hat direkt gemerkt, dass das Publikum richtig<br />

Bock auf Thrash hat, es war Energie da wie<br />

verrückt. Philipp hatte in die Menge gerufen,<br />

dass er so nicht spielen könne, weil er zu<br />

nüchtern wäre und schon wurden etliche Biere<br />

nach vorne gereicht. Er wollte einen coolen<br />

Move machen und Bier nach oben spucken<br />

und mit dem Mund wieder auffangen,<br />

hatte allerdings schon so viel getankt, dass<br />

er einfach geradeaus in die Menge spuckte<br />

und Richard Wroblewski a.k.a. Baloonhead,<br />

der Konzertfotograf, es komplett abbekam,<br />

jedoch einfach weiter Fotos machte. An dieser<br />

Stelle möchten wir uns nochmals bei ihm<br />

entschuldigen, falls er das hier liest. Wenn<br />

man an Auftritte denkt, hat man sofort Vortex<br />

im Kopf, weil die Leute, die Location, Phil<br />

und das vegane Curry einfach mega geil sind.<br />

Simon: Was ich noch zum Vortex sagen<br />

wollte: Wir haben da mal mit Lich King<br />

gespielt und direkt im Anschluss fand eine<br />

Technoparty statt, wo wir dann den Abend<br />

spontan ausklingen ließen. Im Vortex geben<br />

sich die Szenen die Klinke in die Hand.<br />

Wie hat sich die 57 Szene in den letzten<br />

Jahren gewandelt?<br />

Simon: Ich mache das mal als Siegener.<br />

Direkt jetzt geändert nicht, eher gewandelt,<br />

würde ich sagen. Anfangs gab es zwischen<br />

den Szenen noch keine Berührungspunkte.<br />

Irgendwann hat Moe von Blood By Days<br />

aber einen Auftritt von uns mit Lowest Creature<br />

angeregt. Das war so mit einer der ersten<br />

Kontakte, inzwischen bin ich mit Moe gut<br />

befreundet. Mittlerweile hat man viele Freunde,<br />

die in einer Band spielen und dadurch hat<br />

man szeneübergreifend mit vielen Bands zu<br />

tun und es ist wie eine große Familie.<br />

12 13


Slab Strike<br />

Was wünscht ihr euch für die Zukunft?<br />

Hans: Wir arbeiten gerade schon an neuen<br />

Songs für das nächste Album, welches wir<br />

gerne in den nächsten 1-2 Jahren raushauen<br />

würden. Einfach weiter Musik machen und<br />

Spaß haben.<br />

Simon: Nach dem ganzen Scheiss endlich<br />

mal wieder live spielen. Bis dahin die Zeit<br />

nutzen um Songs zu schreiben. Einen festen<br />

Schlagzeuger finden, der auf Thrash Metal<br />

steht. Also ich habe auf jeden Fall Bock und<br />

werde die nächsten Auftritte mehr denn je<br />

genießen.<br />

Phillipp: Ich schließe mich dem allen an.<br />

Ich freue mich darauf in Zukunft Leute in<br />

unseren Shirts rumlaufen zu sehen und You-<br />

Tube Videos hochzuladen. Einfach Musik zu<br />

machen, die ich auch gerne hören würde.<br />

Was wollt ihr abschließend noch<br />

loswerden?<br />

Tim: Kauft unseren Merch!<br />

Simon: Wir leben noch und wir werden weiterhin<br />

Thrash Metal verbreiten. Unterstützt<br />

die Szene und das Vortex.<br />

Hans: Wir werden uns melden, wenn unser<br />

Album da ist und wir freuen uns schon, euch<br />

wieder von der Bühne aus zu sehen.<br />

Philipp: Also, eigentlich alles was schon<br />

gesagt worden ist. Und wenn da draußen ein<br />

Schlagzeuger ist, RUF UNS AN! Wir brauchen<br />

dich!!! Thrash on!<br />

Slab Strike mit neuem Album ‘Rough Times‘<br />

Interview von Alicia Stockhammer.<br />

Als die Idee zu diesem Fanzine aufkam, war die erste Band die für mich absolut in die erste<br />

Ausgabe gehörte, ganz klar Slab Strike. Slab Strike machen seit 2015 ballernden Hardcore<br />

und gehören zu den Unglücklichen, die während der Coronakrise neue Musik auf den Markt<br />

gebracht haben. Und der Gedanke, dass das einfach nur unfair ist, dass es ausgerechnet diese<br />

Menschen trifft, lässt mich nicht wirklich los. Ich kenne Slab Strike nun seit knapp fünf Jahren<br />

und habe ihre Entwicklung von Anfang an beobachten können. Slab Strike fallen natürlich<br />

durch mitreißende Liveshows und fette Releases auf, aber etwas sticht noch mehr ins Auge,<br />

wenn man die Band erlebt: Ihr unglaublich großer Support, den sie anderen Künstlern entgegen<br />

bringen. Ob es nun die Tatsache ist, dass sie zum Großteil des Crowds bei einer Bandcontestshow<br />

gehören, oder die Gangshouts auf der neuen Platte einer räudigen Punkrockband<br />

einsingen, oder einfach einer befreundeten Band den Arsch retten, indem sie dir den Drummer<br />

für den Soundcheck ausleihen, oder den Gitarristen für eine ganze Show oder der Shouter bei<br />

jeder sich bietenden Möglichkeit das Mikro in die Hand nimmt und ein geiles Livefeature hinlegt.<br />

Ja, ich denke es ist mehr als deutlich: Ich bin in love mit diesen fünf Idioten. Mitte April<br />

kam ihr zweites Album ‘Rough Times‘ über AKK Hardwear & Records raus und ich habe natürlich<br />

die empfohlenen Kontaktbeschränkungen berücksichtigt und das Interview über Skype<br />

geführt. Klappi, Sören und Benni hatten einiges los zu werden, also let‘s go!<br />

Ja Guten Tach, erste Frage: Wie geht es es<br />

euch?<br />

Klappi: Den Umständen entsprechend.<br />

Sören: Alles taco.<br />

Euer zweites Album ‘Rough Times‘ ist seit<br />

dem 17.4. auf dem Markt, wie sind die Reaktionen<br />

bisher?<br />

Klappi: Durchweg positiv. Besonders bei<br />

den Klickzahlen auf Spotify ist eine Steigerung<br />

zu sehen, aber die nächsten Wochen<br />

werden wahrscheinlich mehr sagen können.<br />

Ihr habt das Album mit und über AKK<br />

Hardwear & Records veröffentlicht, wie<br />

kam es zu dieser Zusammenarbeit?<br />

Sören: Wir haben Steven von AKK auf einer<br />

Show kennengelernt und da schon länger die<br />

Idee im Raum stand, das zweite Album über<br />

ein Label zu promoten, hat sich Markus, un-<br />

14 15


ser Booker, mit AKK in Verbindung gesetzt.<br />

Eins kam zum anderen und heute sieht‘s so<br />

aus, dass man über AKK unseren Merch und<br />

auch die CD erwerben kann.<br />

‘Rough Times’, der Titel passt gerade sehr<br />

gut. Wie fühlt es sich an, ein Album während<br />

dieser Krise zu veröffentlichen?<br />

Sören: Mies.<br />

Klappi: Eher mies. Natürlich passt dieser<br />

Titel jetzt gerade besonders gut, auf jeden<br />

Fall besser als noch vor einem Jahr, wo der<br />

eigentliche Release geplant war, aber wenn<br />

du zu einem Albumrelease noch nicht einmal<br />

eine Releaseshow spielen kannst und sich alles<br />

nur online abspielt, ist das wirklich naja...<br />

Die Vorfreude ist natürlich da, aber es ist<br />

nicht so, wie man es sich im Vorfeld wünscht<br />

und vorstellt.<br />

Nun zum Album: “Some men just wanna<br />

watch the world burn“. Warum dieses<br />

Intro?<br />

Sören: Weil ich ein Nerd bin und gesagt<br />

habe: „Ich möchte das haben!“ (lacht)<br />

Klappi: Der Satz stammt aus dem Batman<br />

Film - ‘The Dark Knight‘ und handelt von<br />

der Figur Joker, die vor allen Dingen für<br />

Anarchie und Chaos steht.<br />

Sören: Der Joker steht für Chaos, jemand<br />

der einfach nur die Welt in Flammen sehen<br />

will und das ist ein Thema, das sich auch in<br />

den Lyrics auf dem Album wiederfindet und<br />

somit leitet dieser Satz das Album wirklich<br />

gut ein.<br />

Erster Song ‘Blood for Blood‘ erinnert<br />

mich stark an ein Kriegsszenario, das besonders<br />

häufig im Metal aufgegriffen und<br />

beschrieben wird. Gehört Metal zu euren<br />

Einflüssen beim Songwriting?<br />

Sören: Für mich ganz klar. Ich habe, bis ich<br />

mit der Band angefangen habe, kein Hardcore<br />

gehört. Und Blood for Blood, so krank<br />

wie sich das auch anhören mag, handelt von<br />

Rache. Blut für Blut. Du hast mir weh getan,<br />

dafür tue ich dir weh.<br />

Klappi: Klar, Metal ist ein großer Bestandteil<br />

unserer Einflüsse, zumindest für uns Drei<br />

hier. Und für mich umso mehr. Das war,<br />

neben Punkrock, mein Einstieg in das Ganze<br />

hier.<br />

‘Body Count’ ist die erste Single + Musikvideo.<br />

Warum dieser Song?<br />

Benni: Dieser Song spiegelt eigentlich das<br />

Hauptthema der Platte sehr gut wieder. Der<br />

große Unterschied zwischen arm und reich<br />

und wie der finanziell besser gestellte Teil<br />

der Gesellschaft, die Armen für ihre Zwecke<br />

ausnutzt und dazu beiträgt, dass sie aus dieser<br />

Armut nicht heraus finden, sondern es zu<br />

ihrem eigenen Vorteil verstärkt.<br />

Klappi: Außerdem sticht er musikalisch<br />

heraus und war dadurch ideal als erste Single<br />

und auch die Lyrics fassen das ganze Album<br />

perfekt zusammen. Es ist einfach ein guter<br />

Mix, da er auch den klassischen Slab Strike<br />

Sound widerspiegelt. Fiese Breakdowns,<br />

gute Riffs, die Lyrics – guter Querschnitt des<br />

Albums.<br />

Politische Statements haben es mit den<br />

Songs ‘Slaves Of The Rich‘, ‘Mein Weg‘<br />

oder ‘Talking Shit‘ ebenfalls aufs Album<br />

geschafft. Themen wie Ausbeutung, Armut<br />

und Umweltverschmutzung werden dort<br />

angesprochen. Allerdings werden diese<br />

Themen nicht nur angesprochen, sondern<br />

man bekommt den Eindruck, dass dort<br />

eine Form von Machtlosigkeit gegenüber<br />

all diesen Dingen ausgesprochen wird.<br />

Sehe ich das richtig?<br />

Sören: Ja, absolut richtig. Ich habe den<br />

Eindruck, man kann auf legalem Weg nicht<br />

mehr an ein gewisses Vermögen kommen<br />

und muss somit mit unfairen Mitteln spielen<br />

und Leute bescheißen. Das ist zum kotzen.<br />

Ich sehe das jeden Tag in meinen Job im<br />

Handwerk. Du buckelst dich krumm, aber am<br />

Ende bleibt nicht wirklich viel über. Außerdem<br />

ist man ersetzbar und das hinterlässt den<br />

Eindruck bei mir, ein moderner Sklave zu<br />

sein, der das Geld für das Unternehmen verdient,<br />

das Fundament legt und trotzdem die<br />

geringste Anerkennung erhält.<br />

Klappi: Und das ist auch etwas, dass diese<br />

Krise durch Corona noch einmal verdeutlicht.<br />

Die Gesundheit der Menschen scheint<br />

nicht ansatzweise so wichtig zu sein, wie der<br />

Weitergang der Wirtschaft. Geld geht vor<br />

Menschenleben und das ist krank.<br />

Ihr habt mit den Shoutern von xViciousx<br />

und Unified Move zwei Features auf der<br />

neuen Platte. Beide Vocalisten haben einen<br />

ganz anderen Stil als Sören und bringen<br />

damit einen starken Kontrast zum bisherigen<br />

Sound der Platte. War das bewusst so<br />

gewählt?<br />

Sören: Freundschaft spielt hier eine große<br />

Rolle. Wir sind mit beiden Bands auf Tour<br />

gewesen und hatten eine super Zeit zusammen.<br />

Ich kann mir natürlich ein Feature<br />

für 2000 Euro kaufen und hoffen damit<br />

mehr Reichweite zu generieren, aber das ist<br />

uns nicht wichtig. Wir wollen lieber unsere<br />

Freunde auf unserer Platte haben und damit<br />

auch ihre Bands unterstützen, einfach weil<br />

wir denken, dass sie es verdient haben. Und<br />

die Features sind beide geil geworden. Auch<br />

nochmal danke an dieser Stelle an die Beiden!<br />

Klappi: Die Features wurden auch entsprechend<br />

der Songs ausgesucht. Zum Beispiel<br />

bei Talking Shit, der dieses schnelle Tempo<br />

mitbringt und Simon von Unified Move einfach<br />

die ideale Stimme für diesen Harcore-<br />

Punk-Sound hat.<br />

In den Songs ‘Ready To Die’, ‘Frust’ und<br />

‘Dagger’ sprichst du über deine eigenen<br />

Dämonen, Sören. Ist das eine Form von<br />

Verarbeitung und Selbstreflektion für<br />

dich, das ganze in Lyrics zu packen?<br />

Sören: Ich möchte in erster Linie über Dinge<br />

schreiben, die mich bewegen. Natürlich<br />

kann ich fiktive Welten erschaffen und über<br />

16 17


Drachen und Elfen schreiben, aber mir ist<br />

wichtig, besonders bei Liveshows, mit den<br />

Lyrics ein Gefühl hervor zu bringen, das dazu<br />

beiträgt, dass die Shouts noch mehr Kraft<br />

bekommen und ich eine Chance bekomme,<br />

meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Du<br />

kennst mich, du weißt das ich nach außen<br />

hin oft wie ein Bulle wirke, aber eigentlich<br />

bin ich der klassiche “Harte Schale, weicher<br />

Kern – Typ“. Ich habe kein Problem damit<br />

über meine Gefühle zu sprechen. Mir ist<br />

wichtig, dass ich ehrlich bin.<br />

Benni und Klappi, wie reagiert ihr auf<br />

solche Lyrics?<br />

Klappi: Ich habe den ganzen Mist ja nun mal<br />

mitbekommen und fand es auch krass, dass<br />

er das in die Texte gepackt hat. Aber wenn<br />

das seine Art ist, diese Dinge zu verarbeiten,<br />

dann soll es so sein.<br />

Benni: Ich bin vor Kurzem auf einem<br />

Konzert gewesen, wo der Sänger davon gesprochen<br />

hat, dass er nur politische Texte<br />

schreiben kann, wenn er sieht was in dieser<br />

Welt vor sich geht. Ich kann das verstehen,<br />

aber Musik ist eben auch dafür da, um seine<br />

eigenen Gedanken zu verarbeiten. Deswegen<br />

finde ich das gut, dass Sören das so gemacht hat.<br />

Ihr steht auch ganz klar dafür, ein Zeichen<br />

gegen rechte Hetze und Rassismus zu<br />

setzen, z.B. zuletzt beim Ride Against Racism,<br />

das zur Folge hatte, dass eine gewisse<br />

rechte Gruppierung einen Text zu diesem<br />

Event geschrieben hat, in dem auch ihr angegriffen<br />

worden seid. Wie geht ihr damit<br />

um?<br />

Sören: Ach, das war ja nicht das erste Mal.<br />

Wir bekommen hier und da Hassnachrichten<br />

von Rechten. Wir können uns da glücklich<br />

schätzen, dass es dabei bleibt und nicht wie<br />

bei anderen Bands soweit geht, dass es Giftgasanschläge<br />

auf Proberäume gibt.<br />

Klappi: Oder wie bei Feine Sahne Fischfilet,<br />

die durch ihre Arbeit dann im Bericht des<br />

Verfassungsschutzes landen und damit zum<br />

Problem gemacht werden. Uns ist wichtig<br />

eine antifaschistische Haltung nach außen zu<br />

tragen, da es auch einer der Gründe ist, warum<br />

wir uns überhaupt zum Hardcore hingezogen<br />

fühlen. Da dort, neben dem Punkrock,<br />

eine klare Haltung gelebt wird. Und das ist<br />

für uns auch einfach normal und keine Form<br />

von Provokation.<br />

Was gehört, neben einer klaren Haltung<br />

gegen Rassismus, Sexismus und Homophobie,<br />

als weitere Einflüsse dazu, die es<br />

in eure Musik schaffen? Musikalisch wie<br />

thematisch, nennt mir ein paar Namen.<br />

Benni: Terror, Get The Shot, Nasty<br />

Sören: Rise Of The Northstar<br />

Klappi: Risk It!, aber auch tatsächlich Stoner<br />

Rock, den Patze gerade bissig abfeiert und<br />

auch im Song „Frust“, seinen Song, hat einfließen<br />

lassen.<br />

Nun seid ihr ja nicht nur Künstler der<br />

Siegener Szene, sondern eben auch oftmals<br />

Zuschauer auf Konzerten, z.B. im Vortex.<br />

Was denkt ihr, wie sieht es nach Corona<br />

aus?<br />

Sören: Keine Ahnung, ich hoffe es ist so wie<br />

vor dem Lockdown.<br />

´Welcome To Steel City´ ist ganz deutlich<br />

eine Liebeserklärung an die 57’ Szene.<br />

Was bedeutet euch die 57?<br />

Sören: Der Song ist eine Liebeserklärung an<br />

die Musikszene in Siegen und eben auch an<br />

Siegen selber. Ich liebe mein Kaff, ich habe<br />

alle meine Freunde und meine Familie hier<br />

und fühle mich einfach wohl hier. Und Bands<br />

wie Mortal Hatred, Blood By Dayz und As<br />

The World Collapsed haben dazu beigetragen,<br />

dass wir mitmischen wollten. Ich weiß<br />

noch als ich Mortal Hatred das erste Mal im<br />

Vortex live gesehen hab, das hat mich einfach<br />

umgehauen. Natürlich ist die große Zeit des<br />

57 Hardcore vorbei, aber es hat ihn gegeben<br />

und das ist eine geile Sache und darf auch<br />

nicht in Vergessenheit geraten.<br />

Wunschdenken nach Corona: Wie soll es<br />

weiter gehen, auch im Bezug auf‘s Album?<br />

Sören: Wacken Main Stage! (lacht)<br />

Klappi: Die erste Show ist dieses Jahr Ende<br />

September beim Push Festival, darauf freuen<br />

wir uns erstmal.<br />

Sören: Eine Tour zum neuen Album spielen<br />

und somit auch die Möglichkeit bekommen,<br />

die Platte live zu promoten.<br />

Leute, ich danke euch für dieses Interview<br />

und hoffentlich sehen wir uns bald wieder.<br />

Bleibt gesund!<br />

Sören: Mach‘s gut und und danke!<br />

Klappi: Hau rein und hoffentlich bis<br />

demnächst!<br />

Benni: Bleib gesund und wir sehen uns!<br />

18 19


Nummerfunf!<br />

Interview von Nikolas Brendebach.<br />

..<br />

Sonntagnachmittag in der Siegener Oberstadt, die Prolls fahren ihre polierten Karren in der<br />

Sonne spazieren, inkl. lautem Anfahren und dem passenden Soundtrack aus den offenen Fenstern<br />

ballernd. Nicht jedermanns Ding: „Ich mach mal das Fenster zu…“, meldet sich Michel,<br />

Gitarrist bei nummerfünf!, am anderen Ende der Skype-Line, gießt sich einen Gin-Tonic ein<br />

und ist bereit für ein sehr spannendes Gespräch über das Aufwachsen und Bandsgründen in<br />

Siegens Vororten, verschiedene Publikumsreaktionen und deutsche Texte im Punkrock.<br />

Hi Michel! Meine Eröffnungsfrage tut mir<br />

schon fast leid und ich entschuldige mich<br />

im Voraus für dieses Wortspiel:<br />

Lebt nummerfünf?<br />

Michel: Haha, das Wortspiel ist vollkommen<br />

in Ordnung und auch angebracht, da man<br />

derzeit so wenig von uns hört. Das letzte<br />

Konzert ist wohl schon zwei Jahre her und<br />

der letzte Tonträger wohl noch länger. Das<br />

liegt an verschiedenen Dingen. Unser Sänger<br />

lag lange nach einem Motorradunfall im<br />

Krankenhaus. Unser Bassist wohnt in Köln<br />

und ist beruflich in ganz Deutschland unterwegs.<br />

Auch bei uns anderen hat sich beruflich<br />

in letzter Zeit immer mal wieder etwas verändert.<br />

Vor einem halben Jahr haben wir uns<br />

aber aktiv dazu entschieden nochmal weiter<br />

zu machen. Wir waren dabei, an neuem<br />

Material zu arbeiten und angefangene Ideen<br />

weiterzudenken, um auch wieder ein Album<br />

aufzunehmen. Da kam uns Corona natürlich<br />

etwas in Quere.<br />

Sind denn Konzerte konkret in Planung gewesen,<br />

die euch nun zerschossen wurden?<br />

Michel: Nicht wirklich, wobei es die ein<br />

oder andere lose Anfrage für Shows, z.B.<br />

im Vortex, gab. Wobei unser Fokus aus den<br />

eben genannten Gründen, vor allen die berufliche<br />

Situation bei uns allen, zunächst auf<br />

die neuen Songs gerichtet war und nicht auf<br />

Liveshows. Hört sich jetzt gar nicht Punkrock<br />

an… (lacht)<br />

Aber schön zu hören, dass da neues Material<br />

in Aussicht ist. Welchen Song habt ihr<br />

denn für den Soli-Sampler zur Verfügung<br />

gestellt?<br />

Michel: Wir haben „Kaputtestraßenangsttherapie“<br />

von der letzten EP angegeben. Für<br />

die Aufnahmen zu dieser EP haben wir eine<br />

Kiste Bier und eine DI-Box, weil die noch<br />

fehlte, bezahlt. Wir teilen uns in Freudenberg<br />

den Proberaum mit „For Heads Down“.<br />

Deren damaliger Bassist wollte sich an Aufnahmen<br />

versuchen und hat uns gefragt, ob<br />

wir nicht bei ihm aufnehmen wollen.<br />

Man hört immer wieder von Bands, die in<br />

diesem Proberaumkomplex in Freudenberg<br />

beheimatet sind.<br />

Michel: Ja genau, Whiteriver und Lone Gunmen<br />

proben auch dort. Aber ich bin schon<br />

lange nicht mehr da gewesen, leider.<br />

Wo wir gerade schon beim Namedropping<br />

sind, vielleicht gehen wir mal die Siegener<br />

Szene zu eurer Anfangszeit als Band, bzw.<br />

deinen Teenie-Jahren an. Wie hast du<br />

diese Jahre wahrgenommen?<br />

Michel: Als ich Teenager war, war ich bereits<br />

mit unserem Gitarristen, Richie, befreundet.<br />

Wir kommen eigentlich fast alle aus<br />

Oberschelden, einem Vorort von Siegen. Mit<br />

ihm habe ich auch die ersten bandähnlichen<br />

Strukturen gebildet. Unsere ersten Proben<br />

haben wir noch im Elternhaus unseres damaligen<br />

Schlagzeugers abgehalten. Ich habe<br />

dann meine Gitarre und meinen Verstärker<br />

fünf Straßen weiter geschleppt, um dann<br />

„Highway To Hell“ oder Nirvana zu covern.<br />

Für den Bass mussten wir noch jemanden<br />

überreden, da hatte keiner Bock drauf. Wir<br />

haben uns „Dosenpfand“genannt.<br />

Klassischer Deutsch-Punk-Name…<br />

Michel: Wir haben uns ein Wörterbuch<br />

genommen und sind tatsächlich bei diesem<br />

Wort mit dem Finger stehen geblieben.<br />

Wir dürften so ca. 13 Jahre alt gewesen sein<br />

zu diesem Zeitpunkt und seitdem mache ich<br />

auch durchgehend Musik, zumindest mit<br />

Riccardo zusammen. Und so dauerte es noch<br />

ein paar Wechsel bis dann schließlich nummerfünf!<br />

entstand.<br />

Und wie hast du die Siegener Szene als<br />

Teenager wahrgenommen? Gab es z.B.<br />

Bands aus Siegen, die ihr abgefeiert habt?<br />

Michel: Ich meine, dass die Siegener Punkszene<br />

zu der Zeit relativ groß war. Es gab den<br />

Rockförderpreis mit Konzerten im LYZ und<br />

in der Bluebox, wozu es immer Sampler gab.<br />

Da hat auch eine Band aus Oberschelden<br />

mitgemacht, die waren alle so 10-15 Jahre<br />

älter als wir, also auch Vorbilder in gewisser<br />

Weise, die hießen „Es regnet, Georgie“. Wir<br />

kannten die aus dem Dorf und sind dann auf<br />

deren Konzerte in Siegen gegangen. Darüber<br />

haben wir dann ganz viel anderes Zeug<br />

kennengelernt. Das waren ja keine reinen<br />

Punkkonzerte, sonder auch viel Metal und<br />

Hardcore.<br />

Ich erinnere mich noch an „Hyems“, die<br />

waren das Härteste, was ich bis dahin gehört<br />

habe.<br />

„Hyems“ sind ja auch auf dem ersten<br />

Sampler vertreten und haben auch ein<br />

Interview im Fanzine. Du hast eben über<br />

die Anfänge von nummerfünf! berichtet.<br />

Ihr seid eine der Siegener Bands, die es<br />

auch mal raus geschafft hat und Konzerte<br />

außerhalb Siegens gegeben hat.<br />

Michel: Das ist interessant, dass du das so<br />

siehst. Wir haben eher den Eindruck, dass wir<br />

uns nur zwischen Meyer, Vortex und Bluebox<br />

hin und her bewegen…<br />

Mir fallen jetzt auch Shows in Mainz oder<br />

Trier ein, wo wir aber nur als Ersatz für eine<br />

andere Band reingekommen sind. Das war<br />

also nicht unser Verdienst (lacht). Aber das<br />

wird dir vielleicht mehr aufgefallen sein, weil<br />

wir von dort bestimmt mehr Fotos gepostet<br />

haben.<br />

Für viele Bands ist das auch ein Anreiz,<br />

einfach mal raus zu kommen und andere<br />

Städte und Clubs zu sehen. War das euch<br />

auch von Anfang an wichtig?<br />

Michel: Natürlich ist es wesentlich cooler,<br />

wenn du mal eine andere Stadt siehst. Das<br />

Publikum von Konzerten unterscheidet sich<br />

auch von Stadt zu Stadt. Aus Siegen kennen<br />

wir die Siegerländer Stoffel, die in der<br />

Ecke rumstehen, ihr Bier trinken und nach<br />

dem Konzert zu einem kommen und sagen:<br />

„Boah, das war ein richtig gutes Konzert.“,<br />

sich aber während des Konzerts nicht bewegt<br />

haben, also wirklich kein Stück… In anderen<br />

20 21


Städten reißen Leute die Hütte komplett<br />

ab, nur weil Live-Musik läuft. Ansonsten<br />

haben wir echt viel Unterschiedliches erlebt,<br />

von bester Versorgung inkl. Schlafplatz, bis<br />

Eigenversorgung oder Aufback-Baguettes als<br />

Catering.<br />

Bei der Resonanz könnte auch Sprache<br />

eine Rolle spielen. In Reviews zu euren<br />

EPs ist mir aufgefallen, dass dort sehr<br />

intensiv auf eure Texte eingegangen wird,<br />

jedenfalls stärker als bei englisch-sprachigen<br />

Releases. Siehst du da einen Zusammenhang?<br />

Michel: Es kann ja auch sein, dass sie unsere<br />

Musik scheiße fanden, aber trotzdem etwas<br />

Nettes schreiben wollten…<br />

Wir legen wirklich großen Wert darauf, was<br />

uns über die Lippen kommt. Das Einzige,<br />

das ich persönlich zur Band beitragen kann,<br />

sind Texte. Wir waren noch nie so, dass wir<br />

politisch hau-drauf-Messages raus bringen<br />

wollten. Ich denke, wenn man sich anhört,<br />

was wir so singen, bzw. besser schreien, dann<br />

merkt man schon deutlich, wie wir politisch<br />

so ticken. Aber wir haben auch viele Songs,<br />

die sich nicht mit Politik auseinandersetzen,<br />

sondern persönlicher sind.<br />

Ich finde, es ist immer ein schwieriger Spagat<br />

zwischen Parolen-Gedresche und zu<br />

verklausulierten Texten zu balancieren.<br />

Michel: Manchmal denke ich tatsächlich,<br />

dass es einfacher gewesen wäre, wenn wir<br />

auf Englisch geschrieben hätten, um diesen<br />

Diskussionen zu entgehen. Aber andererseits<br />

ist es uns auch zu wichtig, was wir sagen,<br />

ganz abgesehen davon, dass man live sowieso<br />

kein Wort bei uns versteht.<br />

Wobei es Bands, die auf englisch singen,<br />

bestimmt auch nicht egal ist, was sie da<br />

von sich geben.<br />

Michel: Nein, ganz bestimmt nicht und das<br />

will ich auch nicht sagen. Als wir angefangen<br />

haben, war das eine ganz praktische Entscheidung,<br />

da unsere Englischkenntnisse<br />

nicht gut genug waren, um uns vernünftig<br />

auszudrücken.<br />

Und damit seid ihr ja in bester Gesellschaft.<br />

Die deutschsprachige Punkszene<br />

ist momentan sowas von vielfältig und gut<br />

aufgestellt.<br />

Michel: Ja, am besten hätten wir jetzt ein Album,<br />

das wir auf den Markt werfen könnten.<br />

Es ist immer schwer von Einflüssen zu<br />

sprechen, da man dann schnell in Verdacht<br />

steht, zu kopieren. Trotzdem wird<br />

man ja immer von außen beeinflusst.<br />

Könntest du konkrete textliche Einflüsse<br />

benennen?<br />

Michel: Der Vorwurf ist wirklich großer<br />

Quatsch. Du lebst in einer Kultur und wirst<br />

ständig beeinflusst, das ist nunmal so.<br />

Uns alle haben früh die Hosen und die<br />

Ärzte geprägt. Mich persönlich haben Kaput<br />

Krauts, Pascow und vor allen Dingen Muff<br />

Potter beeinflusst. Was Nagel (Sänger von<br />

Muff Potter und Autor Thorsten Nagelschmidt,<br />

Anm. der Redaktion) schreibt, hat<br />

mich immer sehr beeindruckt. Ansonsten<br />

vielleicht noch Lygo und KMPFSPRT. Das<br />

sind aber alles Bands, die nicht die haudrauf-Methode<br />

gewählt haben, sondern eher<br />

versuchen, ihre Nachricht im Subtext unterzubekommen.<br />

Wobei andererseits, mit zu schwierigen<br />

Texten kann ich auch nichts anfangen. Was<br />

bringt es mir, wenn ich mich mit einem Lektüreschlüssel<br />

davor setzen muss?<br />

Hast du dafür ein Beispiel?<br />

Michel: Bei den alten ...But Alive Sachen<br />

geht es mir so… Oder bei Turbostaat. Die<br />

Jungs kommen aus dem hohen Norden, da<br />

fehlt mir wahrscheinlich häufig Kontext.<br />

Turbostaat habe ich recht früh mal im Casa in<br />

Siegen gesehen.<br />

Da grätsche ich gerne nochmal rein. Ich<br />

wollte dich sowieso nach Konzerterlebnissen<br />

fragen. Hast du eine Top-3 an Konzerten<br />

in Siegen?<br />

Michel: Das Casa Konzert würde ich auf<br />

jeden Fall dazu rechnen. Ich war eigentlich<br />

viel zu jung um da zu sein. Da haben auch<br />

„Es regnet, Georgie“ gespielt. Dann habe<br />

ich an der Uni im alten Kultkaff „Außer Ich“<br />

zusammen mit „Bunkaangst“ gesehen (wobei<br />

das zählt nicht, weil wir mit nummerfünf!<br />

auch dort gespielt haben). Und dann muss<br />

ich noch Not On Tour zusammen mit Useless<br />

ID im Vortex nennen. Das war ein echt gutes<br />

Konzert, wo Not On Tour ganz klar Useless<br />

ID die Show gestohlen haben. Wer die noch<br />

nicht kennt, der hat etwas verpasst.<br />

Könntest du mir auch noch eine Lieblingsband<br />

aus Siegen nennen?<br />

Michel: Das letzte Album von For Heads<br />

Down hat mir wirklich gut gefallen. Im<br />

Songwriting sind die einfach auf einem sehr<br />

hohem musikalischen Level und diese Band<br />

ist viel zu unbekannt für das, was die drauf<br />

haben. Also ganz klar: For Heads Down.<br />

Ansonsten war der Hardcore in Siegen immer<br />

groß, wobei es die meisten Bands nicht<br />

mehr gibt. Die neue Slab Strike Platte muss<br />

ich noch hören, bevor ich da was sagen kann.<br />

Im Punk fällt mir sonst noch El Klappo ein,<br />

deren erste Show mir sehr gefallen hat.<br />

Vielen Dank für deine Tipps, Einschätzungen<br />

und das nette Gespräch.<br />

22 23


Meadow Saffron<br />

Interview von Nikolas Brendebach.<br />

Wenn du meinst, so langsam kennst du alle Bands in und um Siegen, stellen sich Meadow<br />

Saffron im Vortex auf die Bühne und bügeln dich und dein Umfeld mal gepflegt auf links. So<br />

geschehen im vergangenen Dezember, als Meadow Saffron für Sights & Sounds den Abend<br />

eröffneten. Ich traf mich nun im sonnigen April mit Drummer Chris in ihrem Proberaum und<br />

wir sprachen über Meadow Saffrons bisherige Entwicklung, ihren Sound, aber auch darüber,<br />

warum von meinem Freundeskreis diese Kapelle keiner auf dem Schirm hatte.<br />

Corona wirbelt momentan die Musikbranche<br />

durcheinander. Inwiefern seid ihr<br />

davon betroffen?<br />

Chris: Wir hatten in der nächsten Zeit keine<br />

Konzerte in Planung. Proben gestaltet sich<br />

natürlich schwerer. Seit dem Lockdown<br />

haben David und ich uns einmal getroffen,<br />

um zu zweit ein wenig zu jammen, das war‘s.<br />

Aber da geht es bei anderen Bands wahrscheinlich<br />

um Existenzängste, die sich jetzt<br />

breit machen. Davon sind wir glücklicherweise<br />

nicht betroffen.<br />

Euch gibt es mit Meadow Saffron bereits<br />

seit 2006, das ist eine verdammt lange Zeit.<br />

Wie schafft man es, so lange am Ball zu<br />

bleiben, wo doch andere Bands spätestens<br />

bei den ersten Kindern die Segel streichen?<br />

Chris: David, Timo, Henner (der erste<br />

Bassist) und ich kennen uns sogar noch<br />

länger. Seit ca. 2001 machen wir zusammen<br />

Musik und nach einem Break und nach<br />

einem Neuanfang, auch musikalisch, haben<br />

wir dann 2006 Meadow Saffron gegründet.<br />

Veränderungen gab es immer mal wieder.<br />

Henner musste durch einen Umzug leider<br />

aussteigen und wurde von Markus ersetzt.<br />

Markus wiederum blieb uns bis kurz vorm<br />

zweiten Album „Saving The Sandbanks“<br />

erhalten. Dann ist John dazu gekommen,<br />

sodass wir das Album aufnehmen konnten.<br />

Seitdem sind wir jetzt in dieser Konstellation<br />

mit John am Bass unterwegs. Es ist also<br />

nicht so geradlinig, wie es sich zunächst<br />

anhört. Kinder kamen im Laufe der Zeit dazu<br />

und andere Verpflichtungen, was uns aber<br />

nie davon abgehalten hat, die Band noch in<br />

irgendeiner Weise am Leben zu halten, auch<br />

wenn sich Prioritäten selbstverständlich verschieben.<br />

Da spielen bestimmt gemeinsame Interessen<br />

eine große Rolle. In euren Infos bei Facebook<br />

steht unter Einflüssen unter anderem<br />

„of course MTV“. Dazu hätte ich gerne<br />

eine Erklärung!<br />

Chris: Ach, ist das so? Ich würde jetzt mal<br />

klar auf „Ironie“ tippen. Obwohl wir natürlich<br />

irgendwie zur Generation MTV gehören.<br />

Habt ihr denn ein besonderes Faible für<br />

Musikvideos, die heute eher über Youtube<br />

als MTV verbreitet werden?<br />

Chris: Von einem besonderen Faible würde<br />

ich nicht sprechen. Wir haben zum Song<br />

„The Leap“ mal ein aufwendigeres Video<br />

gedreht, was wir damals einfach gerne ausprobieren<br />

wollten und eine coole Erfahrung<br />

war. Ehrlicherweise muss man aber sagen,<br />

dass wir uns schon dreimal überlegen müssen,<br />

ob wir ein aufwendiges Video drehen<br />

lassen wollen, nachdem wir die Produktion<br />

des Albums gestemmt haben. Das ist dann<br />

auch der Grund, warum wir zum neuen Album<br />

„Monadic Parade“ bisher auf ein Video<br />

verzichtet haben.<br />

Euer neues Album „Monadic Parade“<br />

habt ihr im Tonstudio 45 in Koblenz aufgenommen,<br />

in dem u.a. bereits die Donots<br />

oder Pascow aufgenommen haben. Wie ist<br />

es dazu gekommen und welche Erfahrungen<br />

habt ihr dort gemacht?<br />

Chris: Wir haben uns im Vorfeld überlegt,<br />

dass wir gerne einen fremden Blick auf unsere<br />

Musik haben wollten und dass uns von<br />

außen Input gegeben werden soll. Wir haben<br />

uns bereits zur „Saving The Sandbanks“ drei<br />

Studios angeschaut und uns dann für Kurt<br />

Ebelhäuser entschieden. Die Platten, die er<br />

bis dahin produziert hatte, sprechen einfach<br />

für sich. Wir wollten gerne diesen harten<br />

Rocksound gepaart mit dem Atmosphärischen,<br />

das Kurt schon öfter produzieren<br />

konnte.<br />

Dann darf man aber nicht zu eitel mit seinen<br />

Werken umgehen, um sich dort nochmal<br />

reinreden zu lassen.<br />

Chris: Ich sehe es eher so, dass man vielleicht<br />

etwas betriebsblind geworden ist mit<br />

seinen Songs und daher ein frischer Blick<br />

ganz gut tut. Das kann aber auch nur funktionieren,<br />

wenn die Connection zwischen<br />

Produzent und Band passt und man dem<br />

Produzenten vertraut. Bei der „Monadic Parade“<br />

dann hat Kurt die Demos gehört und zu<br />

uns gemeint, das nehmen wir so auf, da muss<br />

nichts geändert werden.<br />

Diese beiden Alben, die ihr in Koblenz<br />

aufgenommen habt, habt ihr beide bei<br />

Midsummer Records herausgebracht. Provokante<br />

These: Labels nutzen einem heutzutage<br />

nichts mehr. Widerspreche mir!<br />

Chris: [lange Pause] Ne, eigentlich hast du<br />

in gewisser Weise recht. Jedem ist es möglich,<br />

seine Musik bei Spotify etc. selbstorganisiert<br />

an den Start zu bringen und auch<br />

Platten pressen zu lassen. Dafür braucht es<br />

kein Label mehr. Andererseits kann einem<br />

ein Label eben genau diesen Stress als Band<br />

abnehmen. Meistens haben diese Labels auch<br />

ihre Promotionskanäle, wodurch es leichter<br />

fällt z.B. Reviews zu erhalten. Letztendlich<br />

finde ich es auch einfach ganz sympathisch<br />

bei einem Label zu sein, gerade wenn es so<br />

nett untereinander läuft wie bei Midsummer<br />

Records. Es wurde zum Beispiel nie ein Vertrag<br />

unterschrieben.<br />

Gibt es denn bei Midsummer Records eine<br />

besondere Verbundenheit zwischen den<br />

Bands?<br />

Chris: Man lernt sich schon nach und nach<br />

kennen und schätzen. Tim von Midsummer<br />

Records organisiert auch einmal im Jahr ein<br />

Festival mit Bands des Labels, wo man sich<br />

dann auch noch besser kennenlernt.<br />

Lass uns doch nochmal genauer auf eure<br />

Musik eingehen. Du hast selber eben<br />

bereits die Begriffe „atmosphärisch“ und<br />

„Härte“ gebraucht. Ich finde, dass diese<br />

Begriffe sowohl auf die Musik als auch auf<br />

eure Texte passen. Da höre ich eine Menge<br />

Wut und Verzweiflung raus. Jetzt bist du<br />

nicht der Sänger, aber wie ist deine Wahrnehmung?<br />

24 25


Chris: Das nehme ich auch so wahr, wobei<br />

die Wut in den letzten Jahren tendenziell<br />

zurück gegangen ist. Das hängt auch damit<br />

zusammen, dass David mittlerweile vermehrt<br />

versucht, die Parts melodischer zu lösen am<br />

Gesang.<br />

Sprecht ihr über die Texte?<br />

Chris: David schreibt die Texte. Spätestens<br />

vor dem Recording legt uns David die Texte<br />

vor. Wobei wir darüber nicht so viel reden.<br />

Ich glaube, da vertrauen wir David einfach.<br />

Über eure Musik redet ihr dann wahrscheinlich<br />

mehr. Gibt es musikalisch gesehen<br />

Denkverbote?<br />

Chris: Wenn es zu Metal-lastig wird, wird<br />

es schwierig. Ansonsten sind wir doch recht<br />

offen und schauen einfach, wohin sich ein<br />

Song entwickelt. Ich könnte mir jedoch vorstellen,<br />

dass wir bei den neuen Songs wieder<br />

etwas abwechslungsreicher werden und wir<br />

den neuen Songs noch mehr Freiraum in der<br />

Entwicklung geben werden, bzw. versuchen<br />

uns nicht zu sehr zu wiederholen.<br />

Für mich seid ihr das erste Mal als Support<br />

für Sights & Sounds in Erscheinung<br />

getreten. Wir standen nach eurem Konzert<br />

mit ein paar Leute zusammen und alle<br />

meinten, dass das ziemlich cool war und<br />

keiner euch auf dem Schirm hatte. Wer ist<br />

Schuld daran, dass wir euch nicht kannten:<br />

Ihr oder wir?<br />

Chris: Tendenziell wohl eher wir. Was Promotion<br />

etc. angeht, sind wir doch sehr träge.<br />

Umso mehr freut es uns, dass wir durch<br />

solche Shows wieder neue Leute ansprechen<br />

können. Mir geht es da ja nicht anders. Ich<br />

entdecke auch immer wieder neue Bands bei<br />

Konzerten, die aus Siegen oder Umgebung<br />

kommen und mich echt kicken.<br />

Kannst du ein paar deiner Lieblingsbands<br />

aus Siegen benennen?<br />

Chris: Also persönlich würde ich sofort<br />

For Heads Down und Blood By Days nennen<br />

wollen. Als Band sind wir mit ein paar<br />

anderen Truppen, wie Crashing Temples oder<br />

We‘ve Got Muscles, die immerhin Siegener<br />

Roots haben, befreundet. Dann gab es mal A<br />

Case Of Grenada, die ich sehr geil fand. Bestimmt<br />

fehlen noch ganz viele, die mir gerade<br />

nicht einfallen wollen.<br />

Hast du ein persönliches Highlight-Konzert,<br />

das in Siegen stattgefunden hat?<br />

Chris: Im Vortex habe ich Pascow gesehen,<br />

das war einfach nur „wow“. Sleaford Mods<br />

habe ich im VEB gesehen, das war ebenfalls<br />

richtig stark. Favez aus der Schweiz haben<br />

wir alle im VEB gesehen, auch das war ein<br />

absolutes Highlight.<br />

Es folgten zwei weitere Stunden Geplänkel<br />

über Konzerterinnerungen und Austausch<br />

über die verschiedenen Musikkulturen in<br />

Siegen, was wir beide wohl hätten ewig so<br />

weiter führen können. Ganz großer Spaß<br />

und vielen Dank für‘s Interview!<br />

Blood by Days<br />

Interview von Tim Treude.<br />

Grüß dich Moritz!<br />

Nachdem ihr euch 2017 mit eurem letzten<br />

Werk „Throughout The Years“ in den<br />

wohlverdienten Ruhestand verabschiedet<br />

habt, sind knapp 15 Jahre Bandgeschichte<br />

ins Land gegangen. Wie ist es für dich nur<br />

noch in Erinnerungen schwelgen zu können?<br />

Moritz: Hey Tim. Natürlich fehlen mir die<br />

Shows und der Hangout irgendwie, genau<br />

wie die ganze Proberaumroutine mit den<br />

Jungs. Gewissermaßen war BBD für mich in<br />

den ganzen Jahren auch immer ein bisschen<br />

ein Anker, viele Jahre lang wahrscheinlich<br />

sogar das, worauf ich mich in meinem Leben<br />

am meisten fokussiert habe. Das hat mir unendlich<br />

viel gegeben. Trotzdem war die Entscheidung<br />

aufzuhören wohlüberlegt und fühlt<br />

sich für mich immer noch richtig an. Es hat<br />

bis zum Ende viel Spaß gemacht, aber eben<br />

auch verdammt viel Energie und Zeit gekostet.<br />

Und wir wollten Schluss machen,<br />

solange es sich gut anfühlt und nicht irgendwie<br />

in so einem schleichenden Prozess<br />

dahinsiechen, bis es keinen mehr interessiert.<br />

Wir haben eine Abschiedsplatte gemacht,<br />

sind noch ein Jahr lang wochenends durch<br />

Deutschland und Belgien gekurvt, haben dabei<br />

viele alte Bekannte getroffen und schließlich<br />

im schönsten Club der Stadt “Tschüß”<br />

gesagt. Ich würde das jederzeit wieder genauso<br />

machen.<br />

„Aufhören wenn´s am schönsten ist“- Den<br />

Satz hört man oft im Zusammenhang mit<br />

dem Ende einer Band. Ich hatte das Glück<br />

eure Abschiedsshow im, ich würde sogar<br />

sagen Deutschlands, schönsten Club live<br />

mit zu erleben und kann nur bestätigen,<br />

dass sich die meist nur lose Floskel bei<br />

euch bewahrheitet hat. Welche Erlebnisse<br />

von eurer Abschiedstour sind dir am meisten<br />

im Kopf geblieben?<br />

Moritz: Umso besser, wenn Du das auch<br />

so empfunden hast. Von den letzten Shows<br />

zählt sicherlich der Abschlussweekender mit<br />

World Negation zu den coolsten BBD-Erinnerungen.<br />

Wir hatten Maik - den ursprünglichen<br />

Vortex-Chef - und Falko, den alteingesessenen<br />

Vortex-Soundmann für vier Shows<br />

dabei und das war eine besonders schöne<br />

Kombination zum Abschluss. Wir haben am<br />

ersten Abend in Hamburg gespielt und sind<br />

schließlich auf Umwegen im goldenen Handschuh<br />

gelandet, das war faszinierend und<br />

gruselig zugleich und da sind viele witzige<br />

Sachen passiert. Auf dem ganzen Weekender<br />

lag so ein bisschen diese Ausnahmestimmung<br />

in der Luft, weil jeder wusste, dass wir<br />

dieses Tour-Ding zum letzten Mal zusammen<br />

machen. Es war einfach ziemlich schön, dass<br />

26 27


wir das nochmal mitnehmen konnten und mit<br />

den World Negation Jungs auch coole Typen<br />

dabei hatten. Für mich war das ein bisschen<br />

so wie in den ersten Jahren und ich konnte<br />

mich da für ein paar Tage nochmal aus allem<br />

ausklinken, was mit Alltag und Stress zu<br />

tun hat. Das ist mir zumindest in den Jahren<br />

davor ein bisschen verloren gegangen.<br />

Was glaubst du, welche Gründe es gab,<br />

dass du diese Gedankenlosigkeit während<br />

der Shows und den Hangouts verloren<br />

hast? Ist das eher eine persönliche Entwicklung<br />

von dir oder kann man das als<br />

eine Reaktion auf die Entwicklung der<br />

Szene und des Umfeldes zurückführen?<br />

Moritz: Das hatte auf jeden Fall eher persönliche<br />

Gründe. HC war für mich stets mit<br />

viel Dedication und Energie verbunden. Wir<br />

haben ja quasi immer irgendwo gespielt oder<br />

man ist auf Shows gefahren, hat was im Vortex<br />

aufgezogen oder so. Aber umso älter man<br />

wird, umso mehr schlägt man sich halt auch<br />

mit anderen Dingen herum und es war dann<br />

nicht immer so leicht für mich den Kopf<br />

komplett frei zu haben - vollkommen unabhängig<br />

von irgendeinem besonderen Ereignis.<br />

Das ist vielleicht einfach so ein bisschen<br />

der Lauf der Zeit und ich könnte auch nicht<br />

sagen, dass die Szene sich zum Negativen<br />

verändert hat. Jetzt sind es einfach andere<br />

Bands, die sich den Arsch abspielen, andere<br />

Kids, die Shows machen. Und für mich fühlt<br />

es sich gut an, jetzt anderen die Initiative zu<br />

überlassen. Und ich hab endlich mehr Zeit<br />

Death Metal zu hören haha<br />

Welcher Track von eurer Abschiedsplatte<br />

“Throughout The Years“ war bei Release<br />

des Longplayers für dich am wichtigsten<br />

und ist es aus heutiger Sicht noch der<br />

gleiche Song?<br />

Moritz: Der “Helden der Nacht III” ist sicherlich<br />

was Besonderes. Der Song ist nicht<br />

nur der letzte auf der Platte, ich habe den<br />

Text auch erst ganz am Schluss im Studio<br />

geschrieben und das war in logischer Konsequenz<br />

schließlich auch der letzte Song, den<br />

wir live gespielt haben. Ansonsten habe ich<br />

mir bei vielen Songs ein bisschen was von<br />

der Seele geschrieben. Ich glaube, das sind<br />

insgesamt unsere persönlichsten Songs und<br />

ich bin auch jetzt noch ziemlich zufrieden damit<br />

– das war früher nicht unbedingt immer<br />

so. Es ist irgendwie schade, dass wir nicht so<br />

viel Zeit hatten uns so viel Feedback abzuholen,<br />

wie bei der „As Thick As Thieves“. In<br />

der Vergangenheit fand ich immer besonders<br />

spannend zu sehen, welche Songs oder Texte<br />

auf lange Sicht besonders gut ankommen, das<br />

hat mich dann doch auch immer mal wieder<br />

überrascht. Hast du einen Lieblingssong,<br />

oder irgendwas das du superscheiße findest?<br />

“Steel City Kids” als Hommage an das<br />

„gallische Dorf der Republik“ ist mir heute<br />

noch genauso präsent wie beim Release,<br />

damit qualifiziert sich der Track zu meinem<br />

Liebling der Platte.<br />

Moritz: Ja, “Steel City Kids“ ist eine kleine<br />

Hommage an diese schmutzig-schöne Stadt<br />

und die Szene. Aber vor allem auch ein Gruß<br />

an unsere Bollo-Vergangenheit, der Text<br />

triggert ja an der ein oder anderen Stelle ein<br />

bisschen. Es kommt aber hoffentlich rüber,<br />

dass das nicht so ernst gemeint ist. Ganz<br />

ohne sowas konnten wir dann aber halt nicht<br />

abtreten, haha...<br />

Das Album ist durch die zwei Stimmen<br />

+ Features so abwechslungsreich, dass es<br />

tatsächlich für mich jetzt nach dem gefühlt<br />

hundertsten Durchlauf immer noch keinen<br />

Song gibt, wo ich das dringende Verlangen<br />

habe, diesen zu skippen.<br />

Moritz: Freut mich, dass dir die Platte so gut<br />

gefällt. Ist vielleicht nicht jeder Song ein Hit,<br />

aber ich glaube, es ist ein guter Mix aus ein<br />

wenig mehr Musikalität und dem, was wir<br />

schon immer gemacht haben.<br />

Nachdem wir ja jetzt schon seit drei<br />

Jahren und auch in Zukunft von euch<br />

nichts mehr hören werden, würde ich<br />

gerne deine „must hear“-Releases aus den<br />

letzten drei Jahre erfahren.<br />

Moritz: Drei Alben aus den letzten drei<br />

Jahren rauszupicken ist ‘ne brutale Aufgabe.<br />

Ich höre halt echt todesviel Musik und ich<br />

höre auch ungefähr alles von Synth-Pop bis<br />

experimentellen Death Metal. Deswegen<br />

könnte ich da tausend Bands nennen. Auf<br />

den Hardcore-Subkosmos beschränkt habe<br />

ich vor allem die „27 Miles Underwater“ von<br />

Higher Power und die „Time & Space“ von<br />

Turnstile und die „Nightmare Logic“ von<br />

Power Trip sehr gefeiert, weil die Platten<br />

einfach sehr musikalisch und speziell sind.<br />

Ansonsten gab es echt viel guten HC-Metal-Kram,<br />

z.B. Full Of Hell, Cult Leader oder<br />

Time Walk. Und wer Bock auf Metal hat,<br />

sollte unbedingt mal Devil Master checken,<br />

die fetzen auch.<br />

Großartige und definitiv hörenswerte<br />

Platten, die du genannt hast, da sollte<br />

was für jeden dabei sein.<br />

Nach dieser kurzen Werbung kommen wir<br />

auch langsam zum Ende des Interviews.<br />

Ich danke dir für die aufgebrachte Zeit<br />

und die Schaukelstuhlgeschichten.<br />

Ich freue mich schon auf die Tage, wo<br />

man im Vortex wieder zusammen ein paar<br />

kühle Kaltgetränke mit nostalgischen Gesprächen<br />

und neuer Musik genießen darf<br />

und kann.<br />

Moritz: Besten Dank und viel Erfolg mit<br />

dem Zine! Wir sehen uns spätestens dann im<br />

Vortex wieder!<br />

28 29


Hyems<br />

D.M.: Dass wir keinen Bock auf NSBM<br />

haben, haben wir schon immer deutlich gemacht.<br />

Auf der letzten EP „1997“ haben wir<br />

dieses Thema dann auch mal musikalisch<br />

umgesetzt, indem wir den Bonustrack „Nazi<br />

Black Metal Fuck Off“ aufgenommen haben.<br />

Dass die selbsternannte Elite damit nicht<br />

umgehen kann, ist ein Armutszeugnis. Die<br />

Idee des Black Metal könnte nicht viel weiter<br />

davon entfernt sein, sich einem totalitären<br />

System zu verschreiben, sich unterzuordnen<br />

und selbst zu kastrieren.<br />

A.E.J.: Nichts ist nicht politisch.<br />

Ihr seid jetzt schon 20 Jahre als Band im<br />

Black Metal aktiv. Würdet ihr sagen, dass<br />

die Szene sich über die Jahre verändert<br />

hat und wenn ja wie?<br />

A.E.J.: Was?<br />

Was wünscht ihr euch für die nächsten 20<br />

Jahre?<br />

D.M.: Dass Maiden ins Vortex kommen.<br />

A.E.J.: Was?<br />

Interview von Benne Schneider.<br />

Am 01.05.2020 kommt euer neues Album<br />

“Anatomie des Scheiterns” raus. Was<br />

unterscheidet eurer Meinung nach diese<br />

Platte von früheren?<br />

D.M.: Insgesamt klingen die neuen Stücke<br />

etwas melodischer und atmosphärischer.<br />

Außerdem sind wir etwas schneller geworden,<br />

was aus der Tatsache resultiert, dass wir<br />

mit C.A. einen neuen Drummer haben, der<br />

eine verdammte Maschine ist. Wir haben uns<br />

beim Songwriting keine wirklichen Limits<br />

gesetzt und so auch mehr melodische Parts<br />

eingeflochten. Zusammen mit den schnellen<br />

Passagen sowie punkigen Momenten haben<br />

wir insgesamt einfach das umgesetzt, was wir<br />

selbst gern hören wollen. Dass da im Endeffekt<br />

Black Metal mit einer ordentlichen<br />

Portion 90er-Feeling bei rauskommt, war<br />

aber eigentlich klar.<br />

A.E.J: Und man darf nicht vergessen, dass<br />

das unser erstes komplettes Album mit unserem<br />

neuen Produzenten ist. Die EP „1997“<br />

war hier bereits ein Testlauf, der uns überzeugt<br />

hat. Vergleicht man also unser letztes<br />

Album „Devianz“ mit „Anatomie des Scheiterns“,<br />

fällt natürlich der Quantensprung im<br />

Sound auf.<br />

Ihr wohnt alle relativ weit voneinander<br />

entfernt. Wie organisiert ihr eure Bandproben?<br />

D.M.: Das ist manchmal etwas schwierig.<br />

Wir proben aber auch längst nicht mehr so<br />

oft, wie noch vor zehn Jahren. Wichtig ist,<br />

dass wir vor Shows gemeinsam proben, ansonsten<br />

treffen wir uns auch mal zu dritt oder<br />

zu viert.<br />

A.E.J.: Ich wohne seit zehn Jahren in Hamburg,<br />

trotzdem haben wir es geschafft, dass<br />

diese Fernbeziehung weiterlebt. Irgendwie<br />

bekommen wir es in pandemiefreien Zeiten<br />

hin, einmal im Monat zu proben. Zum Glück<br />

gibt es aber auch digitale Möglichkeiten,<br />

das Songwriting nicht einschlafen zu lassen,<br />

sondern sogar recht produktiv zu sein.<br />

Ihr bezieht als Band eine klare politische<br />

Stellung bzw. positioniert euch gegen<br />

“National Socialist Black Metal“, was öfter<br />

auf Kritik seitens der Black Metal Szene<br />

stieß, die sich größtenteils als nicht politisch<br />

sieht. Wie geht ihr mit solcher Kritik um?<br />

D.M.: Eigentlich fühlen wir uns nicht wirklich<br />

als Teil einer „Szene“. Wir haben zwar<br />

über die Jahre viele Bands kennengelernt,<br />

gemeinsame Konzerte gespielt und teilweise<br />

tiefe Freundschaften geschlossen, auf der<br />

anderen Seite haben wir aber einfach immer<br />

unser Ding durchgezogen. Unabhängig davon,<br />

was anderen machen oder denken.<br />

A.E.J.: Was sich hingegen verändert hat, ist<br />

die Akzeptanz von Black Metal. Ich arbeite<br />

in der Werbung, die natürlich extrem Hipster<br />

verseucht ist. Konnte ich vor Jahren meine<br />

Kollegen noch schocken, fragen mich heutzutage<br />

Kollegen, welches das beste Darkthrone<br />

Album sei und von welchem Modelabel<br />

wohl meine Emperor-Shirts seien. Die<br />

wären nämlich „lit“. Da ich kein Wächter des<br />

heiligen Black Metal-Grals bin, ist mir das<br />

recht egal. Ich finde es aber interessant.<br />

Mit welcher Band aus Siegen oder dem<br />

Raum Siegen würdet ihr gerne mal die<br />

Bühne teilen? Und gibt es auch eine außerhalb<br />

der Siegener Szene wenn ja welche?<br />

D.M.: Hätte Thomas vom Metaller Geballer<br />

es tatsächlich geschafft, Maiden ins Vortex zu<br />

holen, dann Maiden!<br />

30 31


Beardown<br />

Stichwortinterview von Markus Thomas<br />

mit Michael Breuer (ehemals Sänger<br />

bei Beardown)<br />

- DIY<br />

„…ist der Ausgang des Menschen aus seiner<br />

selbst verschuldeten Unmündigkeit.“<br />

DIY hat mir damals gezeigt, dass Kunst und<br />

freie Meinungsäußerung in der Verantwortung<br />

einzelner Menschen liegen und mit<br />

Selbstwirksamkeit belohnt wird. Wenn du<br />

Platten hören und Shows besuchen willst,<br />

dann sorg dafür dass es Bands, Labels, Booker<br />

gibt und dass es ihnen gut geht.<br />

- Vortex<br />

…ist das Siegener CBGB’s.<br />

2009 müsste es gewesen sein, als ich dort<br />

auf die erste Bro Code Show gestolpert bin<br />

und seitdem hat mich der Laden nicht mehr<br />

losgelassen. Immer verrückte Nächte zu den<br />

unterschiedlichsten Genres, aber immer mit<br />

den besten Menschen dort erlebt.<br />

- Siegen<br />

…Ist besser als verlieren.<br />

Ich habe nur gute Erinnerungen an meine<br />

Zeit in der „Steel City“ und muss retrospektiv<br />

feststellen, dass 2009-2016 - mit Blick<br />

auf die dortige Szene - eine besondere Zeit<br />

waren. Ich denke zwar, dass jede „Hardcore-<br />

Generation“ das über sich und ihre Bands<br />

sagen wird, aber so ein Spirit und krasses Gemeinschaftsgefühl<br />

habe ich selten woanders<br />

erlebt.<br />

- BroCode Committment<br />

…sexistischer Kackhaufen!<br />

Ja, wir mussten uns schon wegen des Namens<br />

rechtfertigen.<br />

Aber eigentlich waren es Moe und Simon die<br />

einfach nur Hardcore Shows buchen wollten<br />

und nach ca. zwei Jahren kurz davor waren,<br />

das Projekt zu beenden. Wir haben dann mit<br />

Beardown die Verantwortung und Aufgaben<br />

auf weitere Schultern verteilt, sodass es mit<br />

weiterer Unterstützung, besonders von Paul<br />

und Sascha, nochmal doppelt so lange weiterging.<br />

Ich freue mich sehr, dass ein Teil des<br />

Codes in Gutter Guts Cult weiterleben kann.<br />

- 57’ Borderland<br />

…ist die südöstlichste Außenstelle von 57’<br />

Hardcore.<br />

Spaß beiseite, 57’ Borderland war mit Bands<br />

wie Sheppard oder Beardown zwar ein eigenes<br />

Ding, aber doch untrennbar von 57’ und<br />

dem Vortex. Shows in der alten Kaserne zum<br />

Beispiel waren aber immer etwas eigenes und<br />

schwer Vergleichbar mit Shows in kommerziellen<br />

Venues - besonders, als die Kaserne<br />

teilweise zur Flüchtlingsunterkunft wurde.<br />

- Zukunft<br />

…wird golden!<br />

Für mich selbst will ich hier mal keine Prognose<br />

abgeben, aber was Hardcore in und um<br />

Siegen angeht, sehe ich mehr neue und junge<br />

Kids, die in die Szene kommen als anderswo.<br />

Ich hoffe, diese Kids schreiben noch ihre<br />

eigene Geschichte.<br />

- Aktuelle Projekte<br />

…sind erstmal on hold.<br />

Mit Salvation schreiben wir zwar neue<br />

Songs, aber die aktuelle Situation rund um<br />

das „Chinese Virus“ lässt keine Shows zu,<br />

die wir nach Release unserer „Imminent<br />

Ruin“ EP spielen wollten. Das Wort auf der<br />

Straße ist und bleibt real.<br />

- Familie<br />

…ist mehr als das gleiche Blut.<br />

Je älter ich werde, desto wichtiger wird mir<br />

meine eigene. Family bei Choice ist natürlich<br />

nicht weniger wichtig, aber such dir selbst<br />

keine Freunde, deren Freundschaft du nicht<br />

deinem nächsten Verwandten empfehlen<br />

würdest.<br />

- Hardcore<br />

…ist tot!?<br />

Wenn ich nicht gerade selbst eine Show spiele,<br />

findet Hardcore mittlerweile bei mir eher<br />

zu Hause statt. Oder vielleicht im Gym.<br />

- Schlimmster Auftritt<br />

…als Begleit-Musik zur Bratwurst.<br />

Irgendein Metal-Festival im Westerwald mit<br />

Beardown. Zum ersten Mal open Air, die<br />

Bühne quasi ein Treibhaus und nur ehrliche<br />

Dad Rocker auf Holzbänken davor, die uns<br />

keines Blickes gewürdigt haben.<br />

- Bester Auftritt<br />

…gibt es nicht!<br />

Aber so ziemliche jede Show mit jeder Band<br />

im Vortex. Highlight natürlich, die Split<br />

Release Show zu Iron Anthems mit den allerbesten<br />

SOP.<br />

- Krassestes Erlebnis als Band<br />

…ist die Band an sich.<br />

Alles vom Kennenlernen, über die ersten<br />

Proben und Recordings, bis hin zu Shows<br />

und Releases, erlebst du so verdammt viel.<br />

Ich könnte sagen, die Band als Prozess, ist<br />

das krasseste Erlebnis.<br />

- Peinlichster Ausrutscher<br />

…ging direkt ins Auge - literally!<br />

Simon, unser Drummer bei Beardown, ist ein<br />

Set lang in Lüdenscheid seinem Set hinterher<br />

gerutscht, weil der Teppich auf dem Holzbodens<br />

des Venues ultra abging. Hat dann mega<br />

pissed nach dem Set seine Sticks weggeworfen<br />

- einer traf Peer, unseren Gitarristen<br />

- Game over!<br />

- Ende der Band<br />

…war kurz und schmerzlos.<br />

Haben wir ein wenig kommen sehen und<br />

dann tat’s doch weh. Jetzt geht jeder seinen<br />

Weg weiter als Mensch und einige auch weiter<br />

in Bands, aber die gemeinsamen Erinnerungen<br />

schweißen einfach zusammen - auch<br />

wenn wir jetzt leider nicht mehr so oft miteinander<br />

hängen. Distanz ist eben ein Killer für<br />

die meisten Beziehungen.<br />

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Impressum<br />

<strong>fuenfsieben</strong>. <strong>fanzine</strong><br />

Markus Thomas<br />

57290 Neunkirchen<br />

Fon: 0170/4349561<br />

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Redaktion:<br />

Markus Thomas,<br />

markus@<strong>fuenfsieben</strong>booking.de<br />

Interviews: Markus Thomas, Alicia Stockhammer,<br />

Nikolas Brendebach, Tim Treude, Benne Schneider,<br />

Tina Schuppert, Sophie Linder<br />

Design & Layout: Michelle Büscher<br />

Lektorat: Nikolas Brendebach

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