syndicom magazin Nr. 17
Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.
Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.
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syndicom
Nr. 17 Juni–Juli 2020
magazin
Lernende
in Zeiten
der Krise
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Inhalt
4 Teamporträt
5 Kurz und bündig
6 Die andere Seite
7 Gastautor
8 Dossier: Die Lehrlinge
des Corona-Jahrgangs
Liebe Leserinnen und Leser
16 Arbeitswelt
18 Gute Regeln verhandeln
für Arbeit von zu Hause
22 Politik
25 Recht so!
26 Freizeit
27 1000 Worte
28 Bisch im Bild
30 Aus dem Leben von ...
31 Kreuzworträtsel
32 Inter-aktiv
Wir lernen viel in dieser Pandemie.
Zuerst mussten wir lernen, mit der Angst umzugehen.
Angst um die Gesundheit, die eigene
oder diejenige unserer Liebsten. Die Schmerzen
über den (drohenden) Verlust aushalten. Gleichzeitig
richten wir uns mit neuen Regeln bei der
Arbeit ein: Teils mühsame, aber lebensrettende
Hygienemassnahmen im Büro, in der Werkhalle,
im Laden, auf der Baustelle; die Abgrenzung
beim Homeoffice, das ständige Organisieren für
die Betreuung der Kinder.
Was die Pandemie uns auch lehrt: Auf die Gewerkschaften
ist gerade in der Krise Verlass.
Mit unserem Dachverband, dem Schweizerischen
Gewerkschaftsbund, sind wir die treibende
Kraft, welche die Stützungsmassnahmen für
die arbeitende Bevölkerung voranbringt: Ausweitung
der Kurzarbeit, Ausbau des Erwerbsersatzes
für direkt und indirekt betroffene
Arbeitnehmer*innen und Selbständige, strenge
Sicherheitsmassnahmen am Arbeitsplatz.
Jetzt geht es in die nächsten Phasen. Wir
müssen Gesundheitsschutz und Sicherheit am
Arbeitsplatz verinnerlichen und kontrollieren,
die Arbeitsplätze gegen Abbau verteidigen, unsere
Sozialwerke sichern, die untersten Löhne
anheben, die Kaufkraft aller Arbeitnehmenden
sichern, in den klimaschonenden Umbau
unserer Wirtschaft investieren.
Dank und mit euch Mitgliedern hat die Gewerkschaft
die Power, die prägendste Akteurin
in der Arbeits- und Wirtschaftswelt zu sein.
4
8
22
Stephanie Vonarburg
Vizepräsidentin syndicom
4
Teamporträt
«Die Unterschriften sammeln sich
praktisch von alleine»
Mujo Mujagic (34) lebt erst seit drei
Jahren in der Schweiz, wo er über
einen Personalvermittler bei der Post
landete – auch dank seinem guten
Deutsch. Seit gut einem Jahr ist er
fest angestellter Paketzusteller.
Davide Ramundo (29 Jahre) schloss
seine Lehre als Logistiker bei der Post
in Bülach ab und wechselte dann nach
Oerlikon, wo er als Paketzusteller arbeitet.
Er gilt in der Gruppe als das
«Zugpferd». In seiner Freizeit spielt er
mit Mujo und Andreas in einer Hobbymannschaft
Fussball.
Andreas Käser (28) stieg als Zwischenschritt
in die Paketzustellung ein, fand
heraus, dass ihm dieser Job gefällt und
blieb dann bei der Post «hängen».
In seiner Freizeit tüftelt er an seinem
Mitsubishi Lancer.
Marwan Ismail (34) fand nach einer
Büro lehre zur Post und stieg 2007 bei
Swisskurier ein. Lange Mittagspausen
füllte er mit Lieferdiensten für Unternehmen.
Als die Jobs weniger wurden,
wechselte er 2012 zum Paketdienst.
Text: Philippe Wenger
Bild: Tom Kawara
Gewisse Sachen
müssen aufhören,
deshalb unsere
Petition
Es begann damit, dass Davide eigentlich
aus syndicom austreten wollte.
Bei uns in der PostLogistics-Distributionsbasis
in Oerlikon läuft dermassen
viel schief, und von der Gewerkschaft
kam unserer Meinung nach
zu wenig Einsatz. Unsere Regionalsekretäre
Senol Kilic und Dominik
Dietrich überzeugten Davide aber davon,
dass wir jetzt aktiv werden sollten.
Wir haben uns dann in kürzester
Zeit zusammengeschlossen, zehn
neue Mitglieder geworben und uns
dafür eingesetzt, dass endlich eine
Personalkommission (PeKo) gewählt
wird. Diese Forderung haben wir bei
unserem Basisleiter deponiert.
Das Problem ist: In unserer Distributionsbasis
spüren wir den Preisund
Margendruck besonders. Bei
den Löhnen, bei der Arbeitszeiterfassung,
und wir sollen ein immer grösseres
Arbeitsvolumen mit gleichen
Ressourcen bewältigen. Und während
der Corona-Krise wurden vermehrt
zentrale Postdienstleistungen
an Private ausgelagert. Bei diesen ist
die Qualität tiefer – das sieht man an
der höheren Reklama tionsquote –
und die Arbeitsbedingungen sind
wesentlich schlechter, weil sie keinem
GAV oder einem schlechteren
als bei der Post unterstehen. Damit
unterläuft die Distributionsbasis
Oerlikon den Post-GAV. Das ging so
weit, dass Kolleg*innen, die zur Risikogruppe
gehören und darum zu
Hause bleiben müssen, befürchten
mussten, dass ihre Tour an jemand
anders vergeben wird. Solche Sachen
müssen aufhören! Wir möchten das
gute Image der Post schützen und
weiter unsere Arbeit bestmöglich erledigen
– aber dafür verlangen wir
gute Arbeitsbedingungen und Anerkennung.
Darum haben wir nun eine Petition
lanciert. Wir fordern die sofortige
Einsetzung der PeKo, das Stoppen
der Auslagerung der Zustelltouren an
Dritte unter Missachtung des GAV,
die Erhöhung des Personal bestands,
damit die ausgelagerten Touren zurückgeholt
werden können, und einen
respektvollen Umgang. Die Unterschriften
sammeln sich praktisch
von alleine, so froh sind die Leute darüber,
dass wir vier Multi-Kulti-Jungs
und syndicom der Basis eine starke
Stimme geben.
Kurz und
bündig
Entlassen trotz Krankheit \ Unterschriftensammlung AHV x 13
kann weitergehen! \ Konzernverantwortung kommt an die Urne \
Internationale Solidarität der Gewerkschaften \ Corona-Opfer in
der Westschweizer Presse \ Überbrückungsfonds gefordert
5
Entlassung trotz Krankheit
Der Corriere del Ticino hat einen krankgeschriebenen
Journalisten trotz ärztlichem
Zeugnis und Gutachten der Versicherung
entlassen. Nach 25 Jahren im
Unternehmen hat der Redaktor (59 Jahre,
zwei Söhne in Ausbildung, gewerkschaftlicher
Vertrauensmann und Leiter
des Sektors Presse von syndicom Ticino)
die Kündigung per E-Mail erhalten,
exakt nach Ablauf des 180-tägigen Kündigungsschutzes.
syndicom wird alle
nötigen Schritte unternehmen, um die
Missbräuchlichkeit nachzuweisen, und
sich für den Journalisten zur Wehr setzen,
dessen «Schuld» darin besteht, einen
dem Verleger nicht genehmen Text
veröffentlicht zu haben (s. Magazin 16).
AHV x 13: Die Unterschriftensammlung
geht weiter
Nach dem Unterbruch wegen der Pandemie
geht die Unterschriftensammlung
für die Initiative für eine 13. AHV-Rente
jetzt weiter. Sie war im vergangenen
November vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund
(SGB) lanciert worden.
Informationen: ahvx13.ch
Initiative Konzernverantwortung
kommt an die Urne
Die Konzernverantwortungs-Initiative
fordert, dass Konzerne mit Sitz in der
Schweiz gesetzlich verpflichtet werden,
Menschenrechte und Umwelt weltweit –
in allen ihren Tochtergesellschaften –
zu respektieren. Für die 120 Gewerkschaften
(darunter syndicom), Hilfswerke,
kirchlichen und Menschenrechts-
sowie Umweltorganisationen,
die die Initiative unterstützen, ist der
Gegenvorschlag ungenügend. Bei diesem
kämen Multis wie Glencore und
Syngenta mit der Publikation einer
simplen Broschüre einmal jährlich
davon. Aus diesem Grund wird voraussichtlich
im November darüber abgestimmt.
konzern-initiative.ch
Internationale Solidarität der
Schweizer Gewerkschaften
Die Auswirkungen der Pandemie zeigen
sich in der südasiatischen Textilindustrie
besonders deutlich. Als in den
europäi schen Ländern der Notstand
ausgerufen und die Geschäfte geschlossen
wurden, standen in Süd asien
von einem Tag auf den anderen
Millionen Textilarbei terinnen ohne Einkommen
auf der Strasse. Als internationaler
Solidaritätsfonds der Schweizer
Gewerkschaften unterstützt der Solifonds
in Ländern des Südens Gewerkschaften
und Basisbewegungen, die
Arbeitnehmenden ihre Hilfe anbieten.
solifonds.ch
Micro und Le Régional
Opfer der Krise geworden
Die Corona-Krise fordert Opfer in der
Westschweizer Presse. Nach Le Régional
verschwindet mit Micro ein zweiter
Titel. Bei L’Illustré werden acht Stellen
gestrichen. Mit der Schliessung öffentlicher
Gebäude und den Empfehlungen
der Bundesbehörden über von Kunden
gemeinsam benutzte Gegenstände
geriet Micro in Schwierigkeiten. Am
30. Mai erschien der Titel zum letzten
Mal. Für syndicom «braucht es dringend
neue Empfehlungen, die dazu
einladen, die Hygienemassnahmen
beim Zeitung lesen einzuhalten, statt
von deren Vorhalten in Cafés abzuraten».
Für L’Illustré müssen Alternativen
und ein Sozialplan gefunden werden.
Überbrückungsfonds für
prekäre Arbeitnehmende
Die Unia und rund zwei Dutzend unterstützende
Organisationen, darunter
syndicom, fordern Bund und Kantone
auf, die notwendigen Mittel für einen
Covid-19-Überbrückungsfonds bereitzustellen.
Er soll Arbeitnehmenden, die
von den bisherigen Unterstützungsmassnahmen
ausgeschlossen sind,
sozialen und wirtschaftlichen Schutz
gewährleisten.
Agenda
Juli
4. Juli bis 26. September
Kunst in der Stadt Solothurn
Im Rahmen des Jubiläums 2000 Jahre
Solothurn organisieren der Kunstverein
Solothurn und das Haus der Kunst St.
Josef die Ausstellung «Zart»: Bei einem
Spaziergang in und um die Stadt Solothurn
können wir Kunst und unbekannte
Orte entdecken. www.zart2020.ch
Verlängert bis 6. 9.
Jenseits von Lachen
und Weinen
Die Ausstellung im Zentrum Paul Klee
in Bern stellt das Werk von Klee den
Filmen Charlie Chaplins gegenüber –
und beleuchtet zugleich den Austausch
zwischen Klee und seinem
Freund Jacques Ernst Sonderegger,
einem Schweizer Künstler und Karikaturisten.
August
Bis 23. Oktober
factORfake
Wahrheit oder Lüge – tägliche Herausforderungen.
Das Thema «Fact or Fake»
wird in dieser Sonderausstellung aus
verschiedenen Blickwinkeln präsentiert
und beleuchtet. Rorschach, Museum
im Kornhaus.
September
24. September bis 4. Oktober
Zurich Film Festival
Das Zurich Film Festival zeichnet den
grossen Schweizer Regisseur Rolf
Lyssy für sein Lebenswerk aus und
widmet seinem Œuvre eine Retrospektive.
Lyssys neuer Film «Eden für jeden»
wird als Weltpremiere gezeigt.
Bis 4. Oktober
The Incredible World
of Photography
Das Kunstmuseum Basel zeigt Hunderte
Werke aus der Sammlung Herzog,
die über 500 000 Fotografien umfasst.
syndicom.ch/agenda
6 Die andere
Reto Graf (36, M.A. HSG) ist Chief Financial Officer und
Seite
Mitglied der Geschäftsleitung der notime AG, also der grün
leuchtenden Velokuriere, die das Bild von etlichen Schweizer
Städten prägen. Dahinter steht ein 2014 gegründetes Startup,
das mittlerweile der Schweizerischen Post gehört.
1
Ab Oktober 2020 gilt der neue Firmen-
GAV der notime AG. Welche Vorteile
ziehen Ihre Angestellten daraus?
Der neue GAV bietet insbesondere
den Teilzeitmitarbeitenden zusätzliche
Sicherheit: Dank dem neuen GAV
haben die Mitarbeitenden neu einen
Anspruch auf garantierte Arbeitsstunden,
sofern sie während sechs Monaten
ein durchschnittliches Arbeitspensum
von mindestens 40 Prozent
erreicht haben. Zudem gewährt notime
nebst weiteren Vorteilen einen
Zuschlag von 5 % für regelmässige
Sonntagsarbeit.
2
Ist ein GAV für Sie eine Chance oder
sehen Sie sich primär eingeschränkt?
Ein GAV ist eine Chance für alle Beteiligten:
die Mitarbeitenden von
notime sind das Fundament für eine
erfolgreiche Zukunft. Der GAV ist ein
weiteres Bekenntnis von notime zu
nachhaltig fairen Arbeitsbedingungen.
3
Eineinhalb Jahre nach Abschluss des
Branchen-GAV der Velokurierfirmen
kommt ein Firmen-GAV mit notime
hinzu. Welche Effekte erwarten Sie
für Ihre Firma und für die Branche?
notime nimmt aufgrund ihrer Grös se
eine wichtige Rolle in der Branche
wahr. Der GAV ist für notime ein zusätzliches
Qualitätssiegel und hilft
uns, im Markt als noch attraktivere
Arbeitgeberin aufzutreten.
4
Welche Veränderungen brachte
der Corona-Lockdown für die
Fahrer*innen?
Unsere Fahrerinnen und Fahrer
machen einen hervorragenden Job
in dieser anspruchsvollen Zeit. Die
schnelle Umsetzung von Sicherheitskonzepten
(Social Distancing, Contact
less Delivery) in Kombination mit
häufiger Kommunikation hat uns geholfen,
gemeinsam den Lockdown zu
meistern.
Text: Matthias Loosli
Bild: Alexander Egger
5
In nur wenigen Jahren ist notime
in allen grösseren Städten präsent,
was ist Ihr Erfolgsrezept?
notime hat sich als Technologie- und
Logistikunternehmen erfolgreich in
einer Nische platziert. Der Einsatz
von Technologie erlaubt es notime,
die Gleichtagszustellung von Paketen
und Mahlzeiten im urbanen Raum
besonders effizient abzuwickeln und
damit ein einmaliges Kundenerlebnis
zu schaffen.
6
Wie wird sich der Kuriermarkt in
Zukunft entwickeln und wie wollen
Sie bestehen neben UberEats?
Sowohl im Bereich der Mahlzeiten als
auch der Pakete befinden wir uns in
einem Wachstumsmarkt. Konkurrenz
belebt das Geschäft, zu unseren Mitbewerbern
äussern wir uns jedoch
nicht. Meiner Meinung nach sollten
aber alle gleich lange Spiesse haben.
Es kann nicht sein, dass regionale
Anbieter wie notime benachteiligt
werden, wenn die Konkurrenz nicht
dieselben Standards erfüllen muss.
Gastautor
Technologischer Solutionismus:
in Pandemiezeiten eine Versuchung für jeden
Verantwortungsträger. Es ist die Überzeugung,
dass alle Probleme dank der neuen Technologien
einfach und schnell gelöst werden können.
Wie Evgeny Morozov jedoch in seinem Buch
To Save Everything, Click Here gezeigt hat, kann
keine App alle gesellschaftlichen Fragen oder
auch nur unsere individuellen Probleme
lösen. Die Tracking-Apps sind ein Beweis dafür.
Zu was wären wir nicht noch bereit, um einen
erneuten Lockdown zu vermeiden?
Die Behörden wissen das nur zu genau. Damit
aber mit der App überhaupt ein Ergebnis erzielt
werden kann, müssen mehr als 60 % der Bürger
und Bürgerinnen sie auch installieren, was eine
echte Heraus forderung ist. Der Bundesrat wird
deshalb 1'950 000 Schweizer Franken in die Ausstrahlung
und Veröffentlichung von Inseraten,
Fernsehspots und elektronischen Bannern investieren,
um auch die Widerspenstigen unter
uns zu überzeugen.
Aus Datenschutzsicht wurden verschiedene
Schutzmassnahmen ergriffen. Es wurde eine
ausdrückliche und formelle gesetzliche Grundlage
vorgesehen (Änderung des Bundesgesetzes
über die Kontrolle übertragbarer Krankheiten
des Menschen), die dem Parlament in der Juni-
Session vorgelegt wurde. In der Botschaft zur
Änderung sind die getroffenen Datenschutzund
Sicherheitsmassnahmen aufgelistet, die
ein angemessenes Schutzniveau gewährleisten
sollen. Das Problem ist, dass den Experten, die
uns dies garantieren, andere Experten widersprechen,
die an derselben Eidgenössischen
Technischen Hochschule tätig sind und international
einen guten Ruf haben. Wem soll man
glauben? Im Zweifelsfall habe ich mich in Anwendung
des Vorsorgeprinzips dafür entschieden,
keine App zu installieren, die obendrein
von Apple und Google abhängig ist. Die erfassten
Daten sind zu wertvoll, um auch nur das
geringste Risiko einzugehen.
Tracking für das
öffentliche Wohl?
Sébastien Fanti ist ein auf Hochtechnologie-
und Wirtschaftsrecht spezialisierter
Fachanwalt. Er wurde zum
kantonalen Datenschutz- und Transparenzbeauftragten
des Wallis gewählt.
Als solcher ist er Garant für die Einhaltung
der kantonalen Vorschriften und
berät die Behörden oder spricht bei
nachgewiesenen Regelverstössen
Empfehlungen aus.
7
Der
Abgesagte Prüfungen und unklarer Wert der Zeugnisse
Druckindustrie: Schwierig, geeignete Lehrlinge zu finden
Krise bei Swisscom als Chance, kreativ zu sein
Europa: doppelte Bestrafung für Berufsanfänger*innen
Dossier 9
Corona-
Jahrgang
10 Dossier
Schwere Zeiten für die Lernenden
Von Lernenden, Ausbildenden und Betrieben,
die Video-Konferenzen kreativ nutzen,
an der Isolation leiden oder Home-Schooling
begrüssen: Corona hat auf die Berufsbildung
höchst individuelle Auswirkungen.
Text: Philippe Wenger
Bilder: Sandro Mahler
Die Wissenschaft hat bereits begonnen, sich mit den Auswirkungen
der Pandemie auf den Berufsbildungsmarkt
der Schweiz zu befassen. Das grösste Aufhebens erzeugte
wahrscheinlich eine Studie von Samuel Lüthi und Stefan
Wolter von der Schweizerischen Koordinationsstelle für
Bildungsforschung: Basierend auf den offiziellen Konjunkturzahlen
prognostizieren die beiden Ökonomen,
dass es bis 2025 dauern wird, bis sich die Auswirkungen
der Wirtschaftsflaute auf den Lehrstellenmarkt ausgeglichen
haben. Im schlimmsten Fall heisst das: Bis zu 20 000
Lehrstellen könnten weniger geschaffen werden, als wenn
es Covid-19 nicht gegeben hätte.
Zwar ist diese Zahl von sehr vielen Faktoren abhängig,
aber dass es zu einem Einbruch bei der Anzahl der vorhandenen
Lehrstellen kommen wird, bestätigt auch eine andere
Untersuchung: Eine Gruppe Forscherinnen und Forscher
von der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETHZ
mit der Online-Lehrstellenplattform Yousty befragt zurzeit
Tausende Unternehmen aller Grössen, in allen Landesteilen
und in allen Branchen danach, wie sich Corona
auf die betriebliche Ausbildung auswirkt. Es zeichnet sich
ab, dass ein kleiner Prozentsatz der Lehrstellen verloren
gehen wird – entweder weil die betroffenen Unternehmen
schlicht die Mittel nicht mehr haben oder weil die Unsicherheit,
wie sich die Pandemie entwickeln wird, keine
zuverlässige Planung zulässt. Ein anderer Befund lautet:
Die betriebliche Ausbildung im Shutdown war für fast einen
Drittel der Lernenden stark eingeschränkt: Sie erhielten
bloss Hausaufgaben oder gar keine Ausbildung.
Unter dem Namen «Task Force Perspektive Berufslehre
2020» hat der Bund ausserdem die Sozialpartner, die
Bundesverwaltung und die Kantone an einem Tisch versammelt,
um die Auswirkungen der Corona-Krise zu untersuchen
und Massnahmen zu planen, damit möglichst
viele Jugendliche per Anfang August 2020 eine Lehrstelle
finden – syndicom ist über den Gewerkschaftsbund dabei.
Erste Ergebnisse dieser Taskforce wurden für die Zeit
nach Redaktionsschluss angekündigt, sollten bei Erscheinen
dieser Magazin-Ausgabe aber vorliegen.
Unsicherheit über den Wert des Abschlusses
Das Wort Unsicherheit fällt im Gespräch mit Zoe Sutter
mehrmals. Die junge Frau wird diesen Sommer ihre Lehre
als Buchhändlerin abschliessen: Ohne betriebliche und
ohne schulische Abschlussprüfung. Die schulische Abschlussprüfung
wurde für alle Berufslehren in der Schweiz
dieses Jahr gestrichen, die betriebliche Prüfung fällt in
manchen Branchen weg. In anderen werden betriebliche
Prüfungen in digitaler Form abgehalten, und manche
prüfen wie immer. «Ich habe Angst vor negativen langfristigen
Konsequenzen. Was, wenn ich in zwei Jahren in einem
Bewerbungsverfahren gegen jemanden antreten
muss, der einen ‹normalen› Abschluss mit Prüfung hat?
Ist es dann ein Nachteil, keine Prüfung abgelegt zu haben?»,
sagt Sutter.
Diese Befürchtung scheint unter jungen Berufsleuten
verbreitet zu sein. Jarina Renz, die diesen Sommer als
Poly grafin ihren Abschluss machen wird, sagt: «Einige
Kolleginnen und Kollegen haben behauptet, das Streichen
der Abschlussprüfungen sei unfair gegenüber jenen,
die im vergangenen Jahr abgeschlossen haben.» Renz betont
aber, dass die Prüfung keine Aussagekraft darüber
habe, wie gut sie arbeitet: «Diese Leute vergessen, dass ich
die ganzen drei Jahre Lehre gemacht habe.»
Für die Buchhändlerin Sutter ist der Wert ihres
Abschlusses nicht das einzige Unangenehme in dieser
Situa tion: «Ich empfand den Shutdown als psychisch belastend.
Ich hatte zwar viel Zeit, um für meine Aufnahmeprüfung
für die Berufsmatura zu lernen, aber ansonsten
wenig zu tun – das minderte meinen Ansporn, von mir aus
etwas zu unternehmen. Dann bin ich im April auch noch
von zu Hause ausgezogen, was nicht unbedingt der beste
Zeitpunkt war. Als wir den Buchladen wieder öffnen konnten,
habe ich mich auf die Arbeit gefreut. Aber es ist verstörend,
wie wenig sich die Leute im Zug und die Kund*innen
im Geschäft um die Abstandsregeln kümmern.»
Sutter konnte die Krise aber auch nutzen und ihre Vorgesetzten
nach einiger Zeit überzeugen, einen Social-Media-
Account für ihre Buchhandlung zu starten, den sie gleich
selbst umsetzte.
Der unter Home-Schooling bekannte Begriff hat auch
viele Fürsprecher*innen unter den Lernenden gewonnen.
Gerade wenn man sich bei Lernenden in den Abschlussjahrgängen
oder bei Studierenden erkundigt, fällt häufig
ein Satz im Sinne von «ich könnte mir gut vorstellen, dass
das so weitergeht». Einige betonen aber, es hänge sehr von
der Persönlichkeit ab, wie gut man damit umgehen kann,
und es gebe auch Unterrichtseinheiten, bei denen
Präsenz unterricht weiterhin effektiver ist.
«Wir haben zu wenige Fachleute»
Druckereien kämpfen seit Jahren mit schwindenden Umsätzen,
und viele Arbeitsstellen gelten als unsicher. Die
Corona-Krise führte zu einem zusätzlichen Einbruch an
Aufträgen, wie etwa bei der mittelständischen Druckerei
Kromer Print AG im Kanton Aargau, deren Aufträge um
rund die Hälfte eingebrochen sind. Was die Anzahl neuer
Lehrverträge angeht, hat das aber noch keinen Einfluss:
«Wenn wir genug geeignete Kandidaten finden, werden
wir gleich viele Lernende anstellen wie im letzten Jahr»,
Bis zu 20 000
Lehrstellen
könnten
verschwinden
sagt Geschäftsleiter Andy Amrein. Bis Redaktionsschluss
waren noch vier Lehrstellen offen. Bei deren Besetzung
sieht Amrein die Probleme weniger in den aktuellen Auftragseinbrüchen,
sondern mehr darin, dass es schwierig
sei, für die «harten» Jobs (bei Kromer zum Beispiel Printmedienpraktiker
oder Medientechnologin) geeignete
Kandidierende zu finden. Auch was die Übernahme von
Lernenden angeht, die dieses Jahr abschliessen, habe
Corona keinen Einfluss – es werden mehrere sein. «Wir
bilden unsere Fachleute aus, von denen wir zu wenige
haben», sagt Amrein.
Betriebsinterne Solidarität gesucht
Unter anderen Voraussetzungen arbeitet Michel Haueter,
stellvertretender Leiter Berufsbildung bei Swisscom. Sein
Unternehmen hat erst kürzlich den Geschäftsgang für das
erste Quartal 2020 kommuniziert und dabei keine Zahl gefunden,
mit der sich ein «Corona-Effekt» beschreiben
liesse. Somit stand auch nie in Frage, dass zum 3. August
das vor einem Jahr festgelegte Kontingent bestehen bleibt
und 278 Lernende ihre Berufsausbildung bei Swisscom
starten werden.
Das Ausbildungsmodell bei Swisscom stützt sich auf
Projekte, auf die sich die insgesamt rund 900 Lernenden
selber bewerben müssen. Lediglich dem ersten Projekt
werden die neuen Lernenden zugeteilt: «Wir sind aktuell
stark damit beschäftigt, Projekte für den Lehrbeginn zu
finden. Wir schalten Intranet-News, die Lernenden drehen
Videos zum Thema und wir appellieren an die Solidarität
der Mitarbeitenden. Es ist jedes Jahr nicht ganz einfach,
genügend Projekte zu finden, aber dieses Jahr ist es
besonders anspruchsvoll», so Haueter.
«Als der Shutdown kam, haben wir alle Lernenden abgezogen
und ins Homeoffice geschickt. Dann kam die Frage:
Was nun?», so schildert Haueter die ersten Tage nach
Beginn der ausserordentlichen Lage: «Viele Lernende,
insbesondere jene in den ICT-Projekten, konnten von zu
Hause weiterarbeiten. Den anderen wollten wir aber nicht
bloss Beschäftigungstherapie anbieten, sondern sie an
ihre Stärken erinnern und sie anregen, die Krise als Möglichkeit
zur Kreativität zu nutzen.» Ein Resultat davon waren
Homeoffice-Livestreams, in denen die Lernenden
über ihren Tagesablauf berichteten oder ihre Interessen
und Stärken präsentierten. «Das entwickelte sich zum
Selbstläufer», sagt Haueter, und es habe auch geholfen,
den Zuhause-Koller abzuschwächen. «Grundsätzlich geht
es den Lernenden gut, aber natürlich gibt es Unterschiede.
Wir haben Lernende, die nun neun Wochen lang mit
den Eltern und Geschwistern auf engstem Raum gelebt
haben. Das kann belastend sein.»
Insgesamt stellt Haueter bei den Gesprächen mit den
Lernenden fest, dass sie gut auf die Herausforderung reagieren:
«In der IT-Welt ist stets davon die Rede, dass man
‹agil› auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren müsse.
Dass die Veränderung nun auf diese Weise kommt, haben
wir zwar nicht erwartet, aber die Lernenden haben die
Herausforderung angenommen.» Das hat auch damit zu
tun, dass die meisten Lernenden bei Swisscom eine Ausbildung
absolvieren, die auf dem Stellenmarkt sehr gefragt
ist.
Keine zusätzliche Corona-Baisse im Journalismus
Weniger gefragt sind zurzeit Journalistinnen und Journalisten:
Mit der Druckbranche eng verknüpft, liest man von
den grossen Redaktionen von NZZ, TX Group (ehemals Tamedia),
Ringier und CH Media meist im Zusammenhang
von Abbau und Sparmassnahmen. Die Ausbildung ist davon
ebenfalls betroffen: So hat der Tages-Anzeiger erst
2019 eine von zwei Volontariatsstellen gestrichen – immerhin
bleibt diese eine trotz Corona bestehen. Generell
12
Dossier
«Wird es zum Nachteil,
dass wir keine
Abschlussprüfung
abgelegt haben?
Manche finden das
jetzt schon unfair.»
scheint die Corona-Krise aber noch zu keinem direkten
Abbau bei den journalistischen Ausbildungsplätzen
geführt zu haben. So erhielt man in den vergangenen Wochen
den Eindruck, Redaktions-Praktika seien noch die
einzigen Stellen, die auf der einschlägigen Stellenplattform
ausgeschrieben waren. Bei der NZZ sagt der für die
Ausbildung zuständige stellvertretende Chefredaktor
Daniel Wechlin, die Corona-Krise hätte keinen Einfluss
auf die laufende Rekrutierung neuer Volontär*innen:
«Wie viele Volontariatsplätze wir letztlich vergeben werden,
hängt nur von der Qualität der Bewerberinnen und
Bewerber ab.»
Auf die Frage, wie die Corona-Krise die Ausbildung beeinflusst,
muss immer die Frage nach der Branche und
der Firma folgen. Während die Lernenden in der Paketzustellung
der Post Überstunden leisten und an manchen
Orten von der Schule dispensiert werden, müssen andere
im Gegenteil mit dem Arbeitsrückgang zurechtkommen.
Die ersten Ergebnisse der erwähnten Studie auf Panorama.ch:
Bit.ly/36SpeZn
Dieselbe Arbeit von zu Hause aus
Die Corona-Krise überraschte den Tessiner Filippo Giumelli
(Mediamatiker im 4. Lehrjahr bei Swisscom) in Lausanne,
wo er an einem Projekt arbeitete. Am 10. März kehrte er zu
seinen Eltern zurück. Filippo hat jedoch diese schwierige
Zeit genutzt und in eine Chance verwandelt. Er hat ein Video
gedreht, in dem er erklärt, wie seine Schule und seine
Klassenkameraden mit dem Online-Unterricht und den
Online-Projekten zurechtkommen. Auch wenn es nun keine
Abschluss prüfung geben wird, wird er seinem Ausbilder
dieses Video vorlegen.
Bei PostLogistics finden, wenn auch in reduzierter Form,
die praktischen Prüfungen statt. Auch hier hat sich viel geändert:
«Früher haben wir vormittags gearbeitet», berichtet
Tanja Delbiaggio, die eine Logistik-Ausbildung im Paketzentrum
Cadenazzo absolviert, «von 6 bis 15 Uhr machte ich
mit einem Kollegen die Tour mit dem Lieferwagen. Jetzt ist
das nicht mehr möglich – und das vermisse ich. Nach einer
internen Schulung arbeite ich nun von 13 bis 20 Uhr in der
Paketsortierung: Das war eine Herausforderung, und zwar für
das gesamte Team.» Nicht zuletzt auch, weil die Menge der
Pakete Rekordwerte erreicht hat: 17 Millionen (zwei Millionen
mehr als in der Vorweihnachtszeit), noch dazu sehr grosse.
Der schulische Teil wird als Online-Unterricht durchgeführt,
mit Video-Lektionen (von Lehrern aufgezeichnet oder live)
und Hausaufgaben, die eigenständig bearbeitet werden
müssen.
So war es auch bei Marco Foresti, einem Informatik-
Lehrling im 3. Jahr. Anstatt in die Firma zu gehen, machte er
dieselbe Arbeit von zu Hause aus. So ersparte er sich die
langen Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Es ist zu
hoffen, dass auch die Ausbildungsprogramme von dieser
Erfahrung profitieren werden. Giovanni Valerio
Dossier
Europas Jugend bezahlt für
die Wirtschaftskrise
13
Schon vor Coronavirus und Weltwirtschaftskrise
war die Jugendarbeitslosigkeit das
schlimmste Problem Europas. Jetzt explodiert
sie. Mehr noch: Der Crash der Berufsbildung
raubt den Jungen ihre Zukunft.
Text: Oliver Fahrni
Bilder: Sandro Mahler
OM, der Stadtklub Olympique Marseille, ist ihr Ding. Sie
trägt Weiss-Himmelblau. Ihre andere Passion sind Container.
Vor allem die kleineren 1-TEU-Container, 20 Fuss
lang (6,1 Meter), mit denen sie ihre Neujahrswünsche
2020 geschmückt hat. Manchmal, wenn sie sich am
Frachthafen herumtreibt, versucht sie zu schätzen, wie
viele TEU sie in den Kahn da draussen packen könnte.
Nadia, 17, wäre gerne Logistikerin geworden.
Übrigens, sagt sie, «in ein paar Minuten läuft in
Fos-Marseille die Atlantic West ein, die unter liberianischer
Flagge aus La Spezia kommt.» Das weiss sie von
der Internetseite Live Map auf Marinetraffic.com. Doch
Nadias Traum ist zerbrochen. Sie kann sich nicht mehr
vorstellen, was aus ihr werden soll. Die Corona-Epidemie
hat sie aus der Bahn geworfen.
Die Schiffe fahren weiter, viele Schiffe. Und nein, angesteckt
hat sie sich nicht. Aber für die Ausbildung zur
Logistikerin bräuchte sie zuerst das «Bac», die Matura.
Dann zwei Jahre technische Uni. Schliesslich 18 Monate
Ausbildung unter Lehrvertrag in einer Firma.
Nun wird sie die Matura im Juni kaum mehr schaffen.
Seit Mitte März ist ihr Gymnasium geschlossen. Zuerst hat
sie sich noch in den Fernunterricht reingehängt. Doch
dann brauchten der Vater und die Mutter, die mit ihren
Löhnen die 5-köpfige Familie gerade so durchbringen,
Nadias Laptop für die Tele-Heimarbeit. Er war der einzige
Computer im Haus. Als der Französischlehrer per Mail
42 Seiten Unterrichtsmaterial zum Ausdrucken schickte,
beendete Nadia den Versuch, dem Unterricht über iPhone
zu folgen.
Jetzt fehlt ihr die «Präsenz»-Note, der Extrabonus für
alle, die sich regelmässig zugeschaltet haben. In ihrer
Klasse haben das 6 von 17 geschafft. So oder so: Die
Uni-Anmeldung war ohnehin gelaufen. Dafür hätte sie
stundenlang auf einer Internet-Plattform verbringen,
zehn Fakultäten aussuchen und zehn Bewerbungsdossiers
ausfüllen müssen. Und hätte sie es doch getan, wäre
es vielleicht vergebens gewesen: Parcoursup, die Plattform,
hat bis Mitte Mai 272 000 Bewerbende ohne Bescheid
hängen lassen.
In knapp drei Monaten Quarantäne hat das französische
Erziehungssystem einen Fünftel bis einen Viertel der
Auszubildenden aus dem Blick verloren. Sie sind schlicht
vom Radar verschwunden. Manche nur vorübergehend,
andere, wie Nadia, wohl endgültig. Bald dürfte sie die
Masse der arbeitslosen Jungen mehren. Ein Desaster.
Der Erziehungsminister versucht, dies kleinzureden.
Die Wahrheit ist: Da tickt und wächst eine soziale Zeitbombe.
Die meisten Abgehängten kommen aus der unteren
Hälfte der Gesellschaft, dort wo Computer, Drucker
und schnelle Internetabos nicht selbstverständlich sind.
Digitale Spaltung nennen das die Soziologen. Früher
rühmte sich das französische Ausbildungs- und Berufsbildungssystem,
die Chancengleichheit zu fördern. Die
neoliberale Demontage des Service public hat es zu einer
Generation
Covid
Maschine gemacht, die Diskriminierung produziert. Heute
raubt das Coronavirus diesen Jungen die letzten Chancen,
ihre Leben selbständig zu gestalten. Der Groll wächst.
Notfallpsychiatrie und der Inlandsgeheimdienst schlagen
Alarm.
Was für Frankreich gilt, spielt sich in den meisten Ländern
Europas ab. Die Generation Covid ist das erste Opfer
der Pandemie. Millionen junge Menschen, die im kommenden
Herbst auf den Arbeitsmärkt drängen, sind doppelt
gestraft: Ihr Menschenrecht auf Ausbildung wurde
gekappt. Und schaffen sie ihre Qualifizierung dennoch,
finden sie kaum noch den Berufseinstieg. Eine Wirtschaft,
die gerade massenweise entlässt, stellt keine Arbeitenden
ohne Erfahrung ein.
Schon vor dem Virus waren in der EU gemäss Eurostat
3,21 Millionen Menschen unter 25 Jahre auf der Suche
nach einem Brotjob. In Italien: 31,4 Prozent. In Spanien
jede und jeder Dritte. Fast 40 Prozent in Griechenland. In
Frankreich, Portugal, Belgien, Schweden, Finnland um
die 20 Prozent. Nur Deutschland (5,3 Prozent), Tschechien
und die Niederlande standen besser da.
Das Problem ist alt. 2009 schrieb die EU-Kommission:
«Die Zukunft Europas hängt von seiner Jugend ab. Die
Zukunftsaussichten vieler Jugendlicher sind jedoch getrübt.»
14
Dossier
Allein in Deutschland werden laut einer Studie fast
100 000 Lehrstellen verloren gehen
Nun explodiert diese Not. Aktuelle Zahlen stehen noch
aus, aber die ersten Indikatoren lassen den Schluss zu,
dass auf die Pandemie eine weit schlimmere Seuche folgt:
eine Epidemie der Jugendarbeitslosigkeit.
Weil sie wissen, wie gefährlich das ist, wenn man den
Jungen die Zukunft stiehlt, haben zahlreiche Regierungen
im vergangenen Jahrzehnt versucht, ihre Berufsbildungssysteme
zu reformieren. Jedes Land hat seine eigenen
Praktiken, oft sogar für jede Branche ein eigenes System,
und wer in diesem Wildwuchs den Durchblick sucht,
scheitert schnell.
In der Mehrzahl der EU-Länder lernen die jungen Menschen
ihren Beruf, auch die handwerklichen Berufe, an einer
Schule. In Frankreich kommen 77 Prozent jener, die
ihre Ausbildung schaffen, mit einer Matura aus der Schule,
einer «allgemeinen Matura» oder einer berufsorientierten.
Schwedens Junge lernen ihre Metiers in «berufsbildenden
Programmen» ebenfalls in der Schule. Dasselbe
in Italien. Dort konnte man seine Fertigkeiten auch in einer
Lehre im Betrieb erwerben, aber das «apprendistato»
brachte bis vor kurzem keine offiziell anerkannten Qualifizierungen
und Abschlüsse hervor. Deshalb bleibt diese
Form der Ausbildung bis heute minoritär. Und das italienische
Berufsbildungssystem ist, wie fast in allen europäischen
Ländern, im Dauerumbau.
Dieser Umbau segelt unter dem Namen «Kopenhagen-
Prozess». 2002 hatte die EU begonnen, nach einem besseren
Berufsbildungssystem zu suchen. Fündig wurde sie in
der Schweiz. Duale Ausbildung mit Lehre im Betrieb und
in der Schule gilt seither als bestes Modell.
Mass dafür war die hohe Vermittelbarkeit der Jugendlichen
auf dem Arbeitsmarkt, wie sie Länder mit dualen
Ausbildungssystemen wie die Schweiz oder Deutschland
ausweisen. Zwar sorgen sie dafür, dass die Berufseinsteiger
sofort produktiv sind und schon während der Lehre
billige Arbeitskräfte abgeben. Ihr Problem bleiben aber
Mängel in der breiteren Bildung. Das ist in Zeiten wie der
Digitalen Revolution ein Handicap.
Auf das duale Modell bauend, jagen sich seither von
Portugal bis ans Nordkap die Berufsbildungsreformen.
Nun hat die Weltwirtschaftskrise diesen Trend scharf beschleunigt.
Mit Milliarden-Aufwand wird in eiligst gezimmerten
Programmen die Lehre forciert. Und die Schulund
Ausbildungsabschlüsse werden auf Rabatt und in
Fernprüfungen vergeben. In Italien fordern Eltern und
Lehrer in Grossdemonstrationen zwar, die höheren Schulen
noch vor den Sommerferien zu öffnen. Doch wie in
Frankreich hat ihnen die Regierung bisher nur eine kurze
mündliche Prüfung zugesagt.
Reformeifer in der EU:
die duale Lehre
schafft schnell
billige Arbeitskräfte,
also her damit
So verschieden diese Rettungspakete auch ausfallen,
gemeinsam ist ihnen eine doppelte Last. Die schweren
Trends der Krise, Digitalisierung, Bankrott vieler KMU
und Abbau sozialer Errungenschaften durch die Arbeitgeber
machen die Anstrengungen zunichte. Und Lehrstellen
werden rarer: Allein in Deutschland sollen gemäss einer
Studie des Bundesinstitutes für Berufsbildung fast
100 000 Lehrstellen verloren gehen.
Fotoreportage
Für diese Reportage hat der Luganeser Fotograf Sandro
Mahler drei Lernende an ihrem Arbeitsplatz (unter anderem
im PostLogistics-Zentrum Cadenazzo) und an ihrem Lernort
– im Lockdown war das meist ihr Zuhause – begleitet.
«Die Jungen haben diese Situation erlebt und sich über die
Zeit gut an das Homeoffice gewöhnt. Sie litten aber auch
unter den fehlenden sozialen Kontakten: Kolleginnen und
Kollegen treffen, zur Schule gehen, am Morgen aufstehen
und aus dem Haus gehen und am Abend wieder zurückkehren
– das war alles nicht möglich. Einige konnten an ihren Projekten
weiterarbeiten oder neue beginnen. Alle aber blieben
aktiv. Ich hoffe, dass ihre Bemühungen und ihre Anpassungsfähigkeit
künftig Anerkennung erhalten.»
Neben seiner Tätigkeit als Berufsfotograf, die er seit 1994
ausübt, unterrichtet Sandro Mahler in Lugano lernende Fotografinnen
und Fotografen. Den Fernunterricht hat er mit
seinen Schülerinnen und Schülern also selbst erlebt.
Sandros Webseite: fotomiller.ch
Berufsbildung in Zeiten der Seuche:
bis 20 000 Lehrstellen
weniger
Der Zustand einer Gesellschaft und einer Volkswirtschaft misst
sich unter anderem an der Frage, ob die Jugend eine berufliche
Zukunft hat – und ob sie Möglichkeiten sieht, konkret etwas für
diese eigene Zukunft zu tun. Indikatoren dafür sind zum einen die
Arbeitslosigkeit der unter 25-Jährigen, und zum anderen die Zahl
der Ausbildungsplätze. Wenn in der gerade angelaufenen grossen
Weltwirtschaftskrise die Jugendarbeitslosigkeit in unseren
Nachbarländern auf 20 Prozent ansteigt und mancherorts, wie
etwa in Italien, bald die 35-Prozent-Marke erreichen dürfte, hat
dies extreme soziale und politische Folgen.
Wie liegen die Verhältnisse in der Schweiz? Die Faktenlage ist
nicht einfach zu ergründen, weil die Statistiken ungefähr einen
Monat hinterherhinken. Dies ist in Zeiten von Corona ein Nachteil,
weil sich die Krise sehr schnell entwickelt. Und weil kaum jemand
vernünftige Prognosen über ihren Ausgang wagen kann.
Ein Beispiel: Wenn der «LehrstellenPuls», der auf dieser Seite
abgebildet wird, Anfang Mai ausweist, dass 92 % der für den
Herbst angebotenen Lehrstellen weiterhin bestehen, ist das mit
hoher Unsicherheit behaftet. Brechen, wie Ökonomen vermuten,
Zehntausende von KMU weg, ist diese Zahl nichts mehr wert.
Die grossen Trends
Die Berufsbildung steht
unter Druck
+ 61,3 %
Jugendarbeitslosigkeit
im April
(Vergleich zum
Vorjahresmonat)
–20 000
Durch die Krise
gefährdete
Lehrstellen
(bis 2025)
Nachfrage nach
Lehrstellen
in den nächsten
5 Jahren
Quellen: Seco/ Studie
Uni Bern, Uni Zürich
Besetzte Lehrstellen für Herbst 2020
81 % der Lehrstellen, die im August starten, sind bereits besetzt.
Das sagt nichts darüber aus, ob diese Lehren tatsächlich auch
stattfinden können.
Gastgewerbe, Hotellerie
Verkauf, Einkauf
Gebäudetechnik
Verkehr, Logistik, Sicherheit
Gesundheit
Bildung, Soziales
Elektrotechnik
Bau
Metall, Maschinen, Uhren
Holz, Innenausbau
Informatik
0 % 50 %
100 %
Quelle: LehrstellenPuls, ETH Zürich
Weiterbeschäftigung der Lehrabgänger*innen
Unterm Strich, so schätzt die ETH, könnte 2020 die Zahl der
Berufseinsteiger*innen, die nicht in ihrem Lehrbetrieb bleiben können,
um 18 % steigen.
14
21
4
%
2
59
Wir behalten gleich viele
Lernende
Das hängt vom Geschäftsgang
ab
Wir behalten wie immer
keine Lernenden
Wir behalten weniger
Lernende
Wir behalten mehr
Lernende
Quelle: LehrstellenPuls, ETH Zürich
221 000 75 000 2,8 %
Jugendliche standen 2019 in einer beruflichen
Grundausbildung
5,5 %
Die Situation der Lernenden im Containment
April-Umfrage der ETH Zürich
Lehrlinge sollten in diesem Sommer
ihre Lehrabschlussprüfung machen
der Lehrstellen werden wahrscheinlich
verloren gehen, sagten die Lehrbetriebe
Ende April
der Lehrstellen sind für 2020
bereits definitiv verloren gegangen
Normale Arbeit mit
Schutzmassnahmen
Begrenzter Einsatz
(z.B. in anderer
Abteilung)
Tele-Heimarbeit
Keine betriebliche
Ausbildung
Gastgewerbe, Hotellerie
Verkauf, Einkauf
Gebäudetechnik
Verkehr, Logistik, Sicherheit
Gesundheit
Bildung, Soziales
Elektrotechnik
Bau
Metall, Maschinen, Uhren
Holz, Innenausbau
Informatik
59 % 12 % 11 % 20 %
72 % 59 % 17 % 18 %
91 % 4 % 12 % 16 %
80 % 12 % 4 % 14 %
85 % 34 % 11 % 13 %
90 % 10 % 5 % 9 %
53 % 40 % 37 % 10 %
76 % 28 % 14 % 8 %
80 % 27 % 15 % 7 %
96 % 5 % 2 % 2 %
24 % 18 % 87 % 1 %
Quelle: LehrstellenPuls, ETH Zürich
16
Eine bessere
Arbeitswelt
Die grundsätzlichen
Probleme angehen
Die Resonanz auf unsere Umfrage zu
den Erwerbsausfällen bei den Freischaffenden
und selbständig Erwerbenden
war immens, die Rückmeldungen
auf unsere Telefonate waren
beeindruckend und oft berührend.
Alle waren froh, telefonisch kontaktiert
zu werden und mit jemandem
über ihre Situation sprechen zu können.
Auch waren sie erleichtert, dass
sie mit ihren Problemen nicht allein
waren. Die Probleme liegen jedoch
entsprechend tief: Eine Kollegin aus
der visuellen Kommunikation formuliert
es treffend: «Die Probleme bestanden
vor Corona, sie verschärften
sich während Corona und sie bleiben
nach Corona bestehen. Es kann nicht
sein, dass wir keinen Zugang zur Arbeitslosenversicherung
haben und
dass wir im Alter um unsere Existenz
bangen müssen.»
Die Kontakte, die wir mit dieser
Umfrage knüpfen konnten, werden
uns unglaublich stärken und uns die
Basis verleihen, soziale Absicherung
auch für diese Kolleginnen und Kollegen
zu erkämpfen. Elisabeth Fannin
Nur 15 % der von syndicom befragten Selbständigen finden die Bundeshilfe ausreichend. (© Burst)
Wegleitung und Infopaket:
syndicom.ch/corona/selbstaendige
5G: Wissenschaftliche
Erkenntnisse statt
Verschwörungstheorie
Franz Schori, Zentralsekretär ICT
Um 1850 glaubten viele Leute, dass
man in Zügen erstickt, weil der Sauerstoff
her ausgedrückt werde. Heute lachen
wir darüber. Anders lief es mit
der Atom ener gie: Wirtschaft und Politik
predigten, man habe alles im Griff.
Tscher no byl und Fukushima belehrten
uns eines Besseren. Kein Wunder,
fürchten sich viele vor dem Fortschritt.
Politik und Wirtschaft haben lange
die Dynamik der Angst vor der Mobilfunk-Technologie
unterschätzt. Ende
2019 erschien ein Bericht im Auftrag
des Bundesrats, der erstmals eine umfassende
Zusammenstellung aller
Fakten präsentiert – auch zu allfälligen
gesundheitlichen Auswirkungen.
Auf dieser Basis hat der Bundesrat im
April entschieden, dass das Monitoring
der Strahlen belastung weiterentwickelt
werden soll. Auch wird eine
neue umwelt medizinische Beratungsstelle
geschaffen, die Forschung wird
intensiviert und die Bevölkerung besser
informiert.
Der Bund hat an der Versteigerung
der 5G-Mobilfunk-Lizenzen 380 Millionen
Franken verdient. Genug Geld,
um dies – und mehr – umzusetzen.
Wie wichtig die Netzinfrastruktur ist,
haben wir besonders im Lockdown erlebt.
Doch für den forcierten Netzausbau
ist das Vertrauen der Bevölkerung
notwendig. Fehlt es, folgt Blockade
auf Blockade. Das könnte teurer zu
stehen kommen als die Einnahmen
aus der Lizenz-Versteigerung.
Franz Schori
Infos des BAFU zu Mobilfunk und 5G:
Bit.ly/2TLsdgP
«Die Nothilfe für die Medien ist absolut notwendig, eine
schnelle Unterstützung auch für die Onlinemedien wäre aber
angezeigt gewesen.» Stephanie Vonarburg
17
Endlich finanzielle Corona-Hilfe
für die Medien
Das Parlament will mit einer Überbrückungshilfe die Medien
während der Corona-Krise unterstützen und geht damit
auf die Hauptforderungen von syndicom ein. Wichtig wird aber
vor allem die angestrebte langfristige Medienförderung sein.
Werbeeinnahmen brechen teilweise
um bis zu 80 Prozent ein. Grosse Verlage
wie TX Group (vormals Tamedia),
CH Media oder NZZ beantragen Kurzarbeit.
Die Waadtländer Lokalzeitung
Le Régional geht in Konkurs. Es ist
deutlich: Die Corona-Krise macht den
Medien, die sich ohnehin schon seit
Jahren in einer Krise befinden, zusätzlich
zu schaffen. Auch wenn die Nachfrage
mit Beginn der Pandemie massiv
gestiegen ist, so fehlen auf einmal
wichtige Einnahmen.
Dieses Problem hat auch die Politik
erkannt: Der Nationalrat und der
Ständerat sind sich einig, dass es für
die Medien ein finanzielles Hilfspaket
braucht. Mit grosser Mehrheit haben
die Räte Anfang Mai zwei Motionen
der Kommissionen für Verkehr und
Fernmeldewesen (KVF) angenommen.
Konkret fordert das Parlament,
dass der Bund mit 35 Millionen Franken
die Kosten für die Nachrichtenagentur
Keystone-SDA und für die
Zustellung gedruckter Zeitungen
übernimmt, sowie mit 30 Millionen
Franken private Radios und TV-Stationen
unterstützt.
Parlament nimmt gewerkschaftliche
Forderungen auf
Damit folgen die Räte drei von vier
Forderungen, die syndicom zusammen
mit sieben weiteren Branchenorganisationen
eingereicht hatte. Auf
die vierte Forderung eines Notfallfonds
zur Unterstützung der journalistischen
Berichterstattung ist der
Stände rat nicht eingetreten. Dennoch
zieht Stephanie Vonarburg, Vizepräsidentin
syndicom und Leiterin des Sektors
Medien, eine positive Bilanz:
«Dieses Hilfspaket ist notwendig,
denn die Corona-Krise hat gezeigt,
was für eine wichtige Rolle die Medien
spielen und welche Glaubwürdigkeit
sie geniessen.»
Anders sieht dies der Publizist
und Medienwissenschaftler Matthias
Zehnder. Er kritisiert das Hilfspaket:
«Das Parlament unterstützt mit vergünstigten
Posttarifen eine Industrie
der Vergangenheit.» Die Tendenz gehe
klar von Printzeitungen zu Online-Medien,
diese würden aber im Hilfspaket
nicht berücksichtigt. Statt die Distribution
oder bestimmte Geschäftsmodelle
zu finanzieren, sollten viel eher
die Medienschaffenden selbst gefördert
werden – denn zu einem Zeitpunkt,
in dem sich die Medien in einem
Strukturwandel befinden, seien
die Menschen die einzige Konstante.
Dass Online-Medien leer ausgehen,
kritisiert auch Stephanie Vonarburg:
«Das ist sicher nicht zeitgemäss.
Aber immerhin werden die Online-Medien
durch die kostenlosen Agenturmeldungen
etwas entlastet. Und wenn
die Verlage finanziell unterstützt werden,
kommt das schlussendlich auch
vielen journalistischen Arbeitsplätzen
zugute.»
«Die gedruckte Zeitung wird nicht
sterben»
Das Abfedern der Kosten der Postzustellung
sei auch deshalb wichtig, weil
längst nicht alle Menschen nur noch
online Nachrichten lesen würden.
«Die gedruckte Zeitung wird nicht
sterben», sagt Vonarburg. Weiter fehlen
bislang die Instrumente für die
Förderung von Onlinemedien: «Bei
Radio und Fernsehen hingegen haben
wir die gesetzliche Grundlage für die
finanzielle Nothilfe, basierend auf der
Schwankungsreserve der RTVG-Abgaben,
deshalb war dies einfacher.»
Lindert diese Überbrückungshilfe
die Not einiger Medien zumindest
kurzfristig, so wird sie die allgemeine
Medienkrise allerdings nicht lösen,
das sehen sowohl Vonarburg als auch
Zehnder so. Die geplante Neuorganisation
der Medienförderung mittels
eines grossen, langfristig ausgelegten
Massnahmenpakets wird deshalb entscheidend
sein.
Der Bundesrat hat Ende April seinen
Vorschlag für eine Weiterentwicklung
der Medienförderung vorgelegt.
In diesem Massnahmenpaket sind
unter anderem erstmals auch Subventionen
für Online-Medien explizit erwähnt.
Die Vorlage sollte das Parlament
in der Juni-Session diskutiert
haben. «Da diese Massnahmen aber
eine Gesetzesänderung benötigen,
werden sie frühestens Anfang nächstes
Jahr in Kraft treten. Deshalb ist die
jetzige Überbrückungshilfe von hoher
Bedeutung», so Vonarburg.
Eva Hirschi
Das geplante umfassendere bundesrätliche Medienförderungs-Paket erwähnt zum ersten Mal auch
Subventionen für Online-Medien – es benötigt jedoch eine Gesetzesänderung. (© Matthew Henry, Burst)
Stephanie Vonarburg über Medien als
Service public: Bit.ly/3f2rgZw
18 Arbeitswelt
«Die Rahmenbedingungen dürfen nicht allein von den
Arbeitgebern diktiert werden.» Christian Capacoel
Sozialpartnerschaftliche Regeln
auch für das Homeoffice
Fast 90 % der Schweizer Angestellten sind der Meinung, dass
Homeoffice die Arbeit im Unternehmen ergänzen sollte.
Im Auftrag von syndicom führte das
Forschungsinstitut gfs.bern während
des Lockdowns eine repräsentative
Umfrage zum Thema «Homeoffice»
durch. Befragt wurden Einwohnerinnen
und Einwohner der Schweiz ab 18
Jahren, die im März/April mindestens
einen Tag pro Woche im Homeoffice
gearbeitet haben.
Die Resultate zeigen, dass Homeoffice
vor dem Durchbruch steht. Viel
wird davon abhängen, ob die Unternehmen
gute Rahmenbedingungen
unter Einbezug der Arbeitnehmenden
schaffen.
Rund 90 % der Befragten wünschen
sich Homeoffice als Ergänzung zur Arbeit
vor Ort. Für die Mehrheit der
Arbeit nehmenden führt mehr Homeoffice
zu mehr Lebensqualität. Dazu
gehört der eingesparte Arbeitsweg,
den 78 % privat und 68 % beruflich
sinnvoll nutzen können. Und für 61 %
führt Homeoffice zu einer gesteigerten
Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben
insgesamt. Unternehmen
sind also gefordert, für zeitgemässe
Homeoffice-Regelungen zu sorgen.
Für syndicom heisst das, dass sie als
Sozialpartnerin für die Mitbestimmung
des Personals sorgen muss. Die
Rahmenbedingungen dürfen nicht
von den Arbeitgebern diktiert werden.
Sozialpartnerschaftliche Lösungen
müssen besonders bei der Frage der
Finanzierung des Arbeitsplatzes gefunden
werden, ebenso beim Gesundheitsschutz
im Homeoffice, bei der
Arbeits zeit sowie in Bezug auf eine
drohende Entgrenzung der Arbeit.
Knapp zwei Drittel der Befragten
wünschen eine Kostenbeteiligung der
Arbeitgeber an das Homeoffice. Zurzeit
handhaben das die Unternehmen
sehr unterschiedlich. 45 % der Unternehmen
übernehmen gar keine Kosten,
und nur 9 % der Unternehmen
übernehmen die gesamten Kosten.
Eine weitere Schattenseite zeigt
sich bei den fehlenden informellen
Kontakten, die 71 % der Befragten beklagen.
Beim Gesundheitsschutz ist es
die Hälfte der Befragten, die eine mangelhafte
Ergonomie ausmachen. Weil
die informellen Kontakte für den Zusammenhalt
sorgen und die Arbeitgeber
für gute ergonomische Arbeitsplätze
sowie Arbeitssicherheit in der
Verantwortung stehen, kann es nicht
im Interesse der Unternehmen sein,
dauerhaft vollumfänglich Homeoffice
anzuordnen, um Kosten einzusparen.
Sondern gefragt ist ein gesunder Mix,
dessen Rahmenbedingungen sozialpartnerschaftlich
vereinbart werden
müssen. Den Anfang machen wir nun
bei Swisscom, wo wir in Kürze Verhandlungen
über die Homeoffice-Regelungen
aufnehmen werden.
Christian Capacoel
Die informellen Kontakte unter Kolleg*innen vermissen 71 % der Umfrage-Teilnehmenden. (© Burst)
Die Resultate im Detail:
syndicom.ch/homeofficebarometer
60 % sind besorgt
um die Zukunft des
Buchhandels
Mit der Schliessung der Buchhandlungen
waren die Buchhändlerinnen
eine der am direktesten betroffenen
Berufsgruppen in den Branchen von
syndicom. Eine spezifisch auf die Situation
der Buchhändlerinnen zugeschnittene
Umfrage von syndicom bestätigte
das Bild: 81 % der Befragten
gaben an, dass für sie momentan
Kurzarbeit gilt. Für ganze 50 % galt die
Kurzarbeit sogar komplett, sie konnten
während dem Lockdown also tatsächlich
überhaupt nicht mehr arbeiten
und mussten zu Hause bleiben.
36 % bekamen von ihrer Arbeitgeberin
andere Arbeit zugewiesen, und
21 % hatten sogar Überstunden zu bewältigen.
Homeoffice war nur für 27 %
der Antwortenden möglich. Die Hygienevorschriften
des Seco konnten nur
bei 4 % der Antwortenden nicht eingehalten
werden, während 87 % angaben,
dass diese eingehalten werden
konnten.
Zu denken gibt, dass sich ganze
61 % der befragten Buchhändlerinnen
Sorgen um die Zukunft des Buchhandels
machen. Immerhin 33 % sind
nach wie vor zuversichtlich.
Eine erste Analyse des Marktforschers
GfK im Auftrag des Schweizer
Buchhändler- und Verleger-Verbandes
SBVV zeigt für die Lockdownphase
einen Umsatzrückgang von 28 % auf,
wobei das Ausmass des Schadens je
nach Buchhandlung aber von praktisch
stabil bis zu minus 2/3 reicht.
Seit dem 11. Mai sind die Buchhandlungen
nun wieder geöffnet und
die ersten Reaktionen sind positiv. Die
nächsten Wochen werden jedoch essenziell
für die Zukunft der Branche
sein. Die laufenden Verhandlungen
über den Gesamtarbeitsvertrag wurden
in beiderseitigem Einverständnis
bis zum Herbst pausiert.
Michael Moser
«Ein wichtiger Schritt zur Gleichstellung aller
Chauffeur*innen von Postautos.» Sheila Winkler
19
AZG-Vereinbarung: Wer ein
Postauto fährt, erhält 500 Fr.
Zum ersten Mal profitieren alle Chauffeur*innen von der Sozialpartnerschaft
– auch Stundenlöhner und Transportpartner.
Das Arbeitszeitgesetz (AZG) lässt Flexibilisierungen
zu, die zwingend mit
dem Personal vereinbart werden
müssen. Bei PostAuto wurde diese
Flexibilität der Mitarbeitenden in der
Vergangenheit selten einvernehmlich
vereinbart und kaum entschädigt. Um
die Fahrerinnen und Fahrer auf ihre
Rechte aufmerksam zu machen, lancierten
wir eine syndicom-AZG- Vereinbarung.
Diese sieht für die Fahrerinnen
und Fahrer bei jeder Flexibilisierung
eine Entschädigung in Form von Zeit
vor. Damit sollten zusätzliche Ausgleichstage
und folglich zusätzliche
Freizeit generiert werden.
In der Folge weigerten sich die
Personal kommissionen von 30 Standorten
in der ganzen Schweiz, die von
PostAuto vorgelegte AZG-Vereinbarung
zu unterzeichnen. Kurz vor Fahrplanwechsel,
im Dezember 2018, einigten
wir uns mit PostAuto über
Verhandlungen zur AZG-Vereinbarung.
Für das Fahrplanjahr 2019 erreichten
wir eine Entschädigung für
das Fahrpersonal im Geltungsbereich
des Gesamtarbeitsvertrags bzw. des
Reglements PU-P. Ohne den kollektiven
Widerstand der 30 Standorte wäre
dies nicht möglich gewesen.
Im Rahmen der GAV-Verhandlungen
werden die AZG-Verhandlungen
heute weitergeführt. Ziel ist es, im
GAV schweizweit gültige Entschädigungen
für AZG-Flexibilisierungen
festzuhalten, welche die Personalkommissionen
an den Standorten
mittels Vereinbarung annehmen oder
ablehnen können.
Für das Fahrplanjahr 2020 haben
wir uns mit PostAuto auf eine Einmalzahlung
von 500 Franken, abhängig
vom Beschäftigungsgrad, geeinigt.
Die Auszahlung erfolgt beim Fahrpersonal
der Regie mit dem Juni-Lohn,
bei den Postautounternehmen (PU)
etwas später.
Es ist das erste Mal, dass sämtliche
Postauto-Fahrer*innen der PU von einem
sozialpartnerschaftlichen Verhandlungsergebnis
profitieren. Denn
das Fahrpersonal der sogenannten
PU-E und Transportpartner sowie alle
Stundenlöhner*innen der PU-P stehen
ausserhalb des Geltungsbereichs
des Reglements und haben bis anhin
weder von den jährlichen Lohnverhandlungen
noch von den vielen anderen
Vorteilen der Sozialpartnerschaft
profitiert.
Kurz: Wer ein Postauto fährt, erhält
bis zu 500 Fr., unabhängig vom
Anstellungsverhältnis und vom Arbeitgeber.
Das ist ein wichtiger Schritt
zur Gleichstellung der PostAuto-
Chauffeur*innen und ein Zeichen der
Wertschätzung ihrer Arbeit. Die Verhandlungen
zur Erneuerung von GAV
PostAuto und PU-Reglement 2021
sind noch im Gange. Erste Gespräche
über einen GAV für die Postautounternehmen
wurden mit dem Arbeitgeberverband
BUS CH aufgenommen.
Sheila Winkler
Mehr zu der Geschichte auf unserer Webseite
Bit.ly/302kOOc
Die Vereinbarung über die Einmalzahlung für alle ist auch ein Zeichen der Wertschätzung. (© syndicom)
Tag der Arbeit in Zeiten
der Pandemie
Das erste Mal – seit 130 Jahren. Das
erste Mal, dass die Arbeitnehmenden
am 1. Mai nicht in Massen auf die
Stras sen stürmen konnten. Das
Corona virus hat das gesellschaftliche
Leben sowie die Arbeitswelt auf den
Kopf gestellt, und damit auch den Tag
der Arbeit. Der diesjährige 1. Mai fand
dennoch statt. Nur etwas anders. Und
vor allem digital. Gewerkschaften und
linke Parteien haben gemeinsam ein
nationales Programm in Form von Online-Diskussionsrunden
zusammengestellt
– mit einem Klick in der Kundgebung.
syndicom hat den Tag
genutzt, um zentralen Anliegen aus
einzelnen Branchen eine Plattform zu
geben. Wir haben über Velo- und
Food kurier*innen in der Schweiz gesprochen,
die Plattformökonomie
und den ersten Gesamtarbeitsvertrag
für Kurier*innen in Europa. Über Sozialpartnerschaft
in Krisenzeiten beziehungsweise
über Personalpolitik und
Mitwirkung bei Swisscom. Und über
die Situation der Selbständigen und
Freischaffenden während, vor und
nach der Krise.
Mit dabei waren Vertreter der Arbeitgeber
und engagierte Mitglieder
aus den Branchen. Der Live-Chat, in
dem alle Zuschauenden Fragen an die
Referent*innen richten konnten, verlieh
den Veranstaltungen den partizipativen
Charakter. Im Schnitt haben
130 Personen an den einzelnen Veranstaltungen
teilgenommen. Ein spannender
1. Mai im Zeichen der Solidarität.
Aber eines ist klar: Der gesellige
Aspekt, das Zusammenstehen und
-sein können durch diese Form der
Veranstaltungen nicht ersetzt werden.
Deshalb nächstes Jahr, hoffentlich,
alle wieder raus zum 1. Mai.
Lena Allenspach
Die Debatten auf Youtube:
syndicom.ch/themen/1mai2020
20 Arbeitswelt
«Nun werden die jurassischen Chauffeure ihre Kolleg*innen
im Wallis unterstützen, das steht fest.» Christian Capacoel
Sieg auf der ganzen Linie
Das Warten hat sich gelohnt, denn im Jura bekommt PostAuto
den Zuschlag für sämtliche konzessionierten Buslinien.
Den Entscheid konnten interessierte
Kolleg*innen am 4. Mai gleichzeitig
mit den anwesenden Chauffeuren live
auf unserem Facebookkanal verfolgen.
Sie sahen die Erleichterung und
die Freude der Kolleg*innen im Jura.
Sie und ihre Familien können wieder
mit Zuversicht in die Zukunft blicken.
Ihre Arbeitsplätze und ihre guten,
durch den GAV PostAuto abgesicherten
Arbeitsbedingungen sind gerettet.
Doch nachdem sich die erste
Euphorie gelegt hatte, kamen auch
Wehmut und Ärger auf. Zwar hatten die
Chauffeure einen Sieg errungen, aber
die Auseinandersetzung mit der Regierung
hatte gezeigt, woran das System
krankt. Die Systemfehler bleiben bestehen,
und wir denken an die Kolleg*innen
im Wallis, denen das gleiche
Schicksal mit ungewissem Ausgang
droht. Der Kanton Wallis schreibt seine
Buslinien im Herbst neu aus.
Es waren insbesondere zwei Erfahrungen,
die die Freude trübten. Die
Chauffeure hatten von der Regierung
Garantien für ihre Arbeitsplätze und
Arbeitsbedingungen verlangt. «Es will
mir nicht in den Kopf, dass bei einem
Wechsel der Linien zu einem neuen
Unternehmen dieses zwar die Fahrzeuge
übernehmen muss, aber das
Fahrpersonal diesen Schutz nicht geniesst»,
so ein anwesender Chauffeur.
Fast drei Jahre existenzielle Angst, gewerkschaftlicher Kampf und öffentliche Auseinandersetzungen
mit der jurassischen Regierung sind diesem Sieg vorausgegangen. (© syndicom)
Andererseits hatten die Chauffeure
Anhörung verlangt. Sie wollten als
Betroffene direkt beim zuständigen
Minister ihre Interessen vertreten.
Auch hier wurden sie vom jurassischen
Parlament unterstützt, das eine
dringliche Motion angenommen hatte,
die die Anhörung der Gewerkschaft
verlangte. Beide Anliegen wischte die
Regierung mit dem Hinweis zur Seite,
dass das gegen Bundesvorgaben verstosse.
Bei der Anhörung verstieg sich
der Verkehrsminister David Eray sogar
zur Aussage, dass eine Anhörung
illegal sei.
Man könnte meinen, nun, nachdem
sich die Anspannung gelöst hat,
mache sich Müdigkeit breit. Doch
ganz im Gegenteil: Beim Apéro zur
Feier des Sieges planen die Chauffeure
schon die nächsten Schritte. Fest
steht für sie schon jetzt, dass sie die
Kolleg*innen im Wallis unterstützen
werden. Sie sprechen darüber, wie sie
eine Delegation bilden wollen, die die
Kolleg*innen im Wallis besucht und
berät. Und für alle steht fest, dass sie
ins Wallis reisen werden, wenn es zu
Demonstrationen oder Aktionen
kommt. «Ohne den gewerkschaftlichen
Kampf, ohne unsere Mobilisierungen
wäre der Entscheid anders
ausgefallen. Da bin ich mir sicher», so
ein weiterer Chauffeur. Doch um das
System zu ändern, muss syndicom auf
der politischen Ebene aktiv werden.
Bis dahin verteidigen wir die Kolleg*innen
mit gewerkschaftlichen
Mitteln. Wie wir es im Jura erfolgreich
getan haben.
Christian Capacoel
Die ganze Geschichte:
syndicom.ch/stopdumping
Es braucht politische
Garantien für
«Die Post von morgen»
Matteo Antonini ist Leiter des Sektors Logistik und
Mitglied der syndicom-Geschäftsleitung
In den vergangenen Wochen wurde
die Konzernstrategie des neuen Post-
CEO Roberto Cirillo vorgestellt: «Die
Post von morgen». Es handelt sich
nicht um eine Revolution, sondern
eher um eine Wette.
Das gilt insbesondere für die Post-
Netz AG, die an Unabhängigkeit gewinnt,
indem sie sich über die traditionellen
Dienstleistungen der Post
hin aus öffnet. Der Wett-Charakter
birgt Risiken für die verbleibenden
800 Poststellen, deshalb sind politische
Garantien erforderlich.
Die Fusion zwischen PostMail
(PM) und PostLogistics (PL) lag in der
Luft und folgt einer logischen Entwicklung.
Um eine Abwärtsspirale zu
vermeiden, wird es wichtig werden,
die Arbeitsbedingungen der beiden
Einheiten zu harmonisieren.
Die neue Zusammensetzung der
Konzernleitung – mit den durch diese
Reform entstandenen Leerstellen –
kann auch als Hinweis auf die Linie
und die Unternehmenskultur verstanden
werden, die der Gelbe Riese annehmen
wird. Mit der Zusammenlegung
aller Leitungsfunktionen von
PM und PL wird jedenfalls nicht nur
eine Phase der Überlegungen und der
Unsicherheit eingeleitet – unmittelbar
wird auch ein erstes Signal für die
1000 betroffenen Personen gesetzt.
Matteo Antonini
Das erwartet syndicom nun von der Post:
Bit.ly/3cxU2Qo
«Selbständige mit niedrigen Einkommen müssen sich teils
mit 1.60 Franken pro Tag begnügen.» Lena Allenspach
21
Soziale Sicherheit endlich auch
für Selbständige
Der Anspruch auf Ergänzungsleistungen nach Erwerbsersatzordnung
ist nur ein Etappensieg.
Am 17. März veränderte sich das Leben
in der Schweiz schlagartig. Während
einige Erwerbstätige durch die
Massnahmen des Bundesrates quasi
ein Berufsverbot erhielten, lag bei anderen
das Geschäft brach. So bei den
Selbständigen und Freien in den Kreativbranchen.
Steht das Leben still, gibt
es auch kaum Aufträge mehr.
Finanziell ergeben sich dadurch
dieselben Konsequenzen wie bei einem
faktischen Berufsverbot. Doch
bei den Unterstützungsmassnahmen
des Bundes fielen die Selbständigen
und Freischaffenden lange Zeit durch
die Maschen. Nach einem Monat des
gewerkschaftspolitischen Kampfes
auf verschiedenen Ebenen dann endlich
die erlösende Mitteilung: Die Unterstützungsmassnahmen
werden auf
alle Selbständigerwerbenden ausgeweitet.
Damit erhalten alle Selbständigen
mit einem AHV-pflichtigen Erwerbseinkommen
zwischen 10 000 und
90 000 Franken immerhin Zugang zu
Ergänzungsleistungen via Erwerbsersatzordnung
(EO). Ein wichtiger
Etappensieg. Aber eben nur ein Etappensieg.
Konstruktionsfehler
Die Unterstützungsmassnahmen gehen
jedoch weiterhin an den Realitäten
der Betroffenen vorbei. Was im Militär
normaler Bestandteil der EO ist,
wird bei diesen Massnahmen explizit
weggelassen: Ein Mindestsatz für den
Erwerbsersatz. Die Folgen dieser Entscheidung
sind frappant: Wer im vergangenen
Jahr ein tiefes steuerbares
Einkommen hatte, muss sich teilweise
sogar mit einem Tagessatz von 1.60
Franken begnügen. Selbständigerwerbende
mit einem steuerbaren Einkommen
zwischen 10 000 und 30 000
Franken pro Jahr sind keine Seltenheit,
da alle Kosten von den Einnahmen
abgezogen werden können. Der
Bundesrat hat so die weitere Prekarisierung
einer gesamten Berufsgruppe
institutionalisiert. Ein Mindestsatz
von 98 Franken pro Tag muss dringend
her – auch wenn damit nur kurzfristige
Verbesserungen gegeben sind.
Krise zeigt jahrelange Missstände auf
Die momentane Situation der Selbständigerwerbenden
und Freischaffenden
in der Schweiz zeigt auf, wie
schlecht diese vor Erwerbsausfall geschützt
sind. Es braucht jetzt eine
Überarbeitung des Sozialversicherungsstatus
der Selbständigen mit
dem Ziel, dass – analog zur Absicherung
von Angestellten – auch die Selbständigen
gegen Erwerbs ausfall und
für das Alter besser abgesichert sind.
Gemeinsam mit ihren Mitgliedern
wird syndicom sich weiterhin für
nachhaltige Verbesserungen in der
Branche einsetzen – vor, während und
nach der Krise.
Lena Allenspach
Der Sozialversicherungsstatus der Selbständigen und Freiberufler muss überarbeitet werden,
um sie endlich besser zu schützen. (© Sarah Pflug, Burst)
Unser Corona-Infopaket für Freie:
syndicom.ch/corona/selbstaendige
Der GAV Post wird
violetter
Über eine halbe Million Menschen
nahmen am Frauen*streik vom 14.
Juni 2019 teil – an der grössten Kundgebung,
die die Schweiz je gesehen
hat. Die Schalterangestellten trugen
unsere violetten syndicom-Schals und
wir zeigten in einer Wanderausstellung
mit der Post die Meilensteine der
Gleichstellung in der Schweiz. Diese
Energie schlug sich auch in unseren
Forderungen zum neuen Post-GAV
nieder: Die Post erklärt es nun ausdrücklich
zu ihrem Ziel, keine nicht
erklärbaren Lohnunterschiede zwischen
den Geschlechtern zuzulassen,
sie wird regelmässig Analysen durchführen
und stellt eine neutrale Meldestelle
für die Überprüfung von Lohnunterschieden
zur Verfügung. Und sie
sorgt bei Stellenaus schreibungen für
Lohntransparenz.
Neben dem bezahlten Mutterschaftsurlaub
(MU) von 18 Wochen
gibt es einen unbezahlten MU von 6
Wochen. Der Vaterschaftsurlaub von
4 Wochen wird mit zusätzlichen 4 Wochen
unbezahlt ergänzt. Arbeiten beide
Eltern bei der Post, gibt es Anspruch
auf einen Betreuungsurlaub,
und zwar bezahlt mindestens 14 Wochen
für die Mutter und mindestens
2 Wochen für das andere Elternteil,
dazu kommen 6 Wochen, die die Eltern
frei untereinander aufteilen können.
Eine Ausweitung auf andere Unternehmen
wird diskutiert. Weitere
Fortschritte erzielt wurden bei der
Rückkehrgarantie nach Urlaub, bei
Lohnfestlegung, Angehörigenpflege,
Weiterbildung sowie bei Bestimmungen
betreffend sexuelle Belästigung.
Patrizia Mordini,
Leiterin Gleichstellung,
Mitglied der Geschäftsleitung
Mehr zu den besseren Arbeitsbedingungen:
syndicom.ch/gavpost
22 Politik
GAV Post: modern und
familienfreundlich
Die Schweizerische Post,
syndicom und transfair
haben den neuen Dach-
Gesamtarbeitsvertrag und
den Firmen-GAV für die
Post CH AG erfolgreich ausgehandelt.
Ein Überblick
über die neuen Bestimmungen,
die am 1. Januar 2021
in Kraft treten.
Text: Matteo Antonini
Bild: syndicom
Als Ergebnis einer 18-monatigen
Vorbereitung (von der ersten Umfrage
bis zum letzten Verhandlungstermin)
ist der neue Gesamtarbeitsvertrag
der Post endlich fertig. Er
wurde Ende April 2020 von den Gremien
von syndicom ratifiziert und
tritt am 1. Januar 2021 in Kraft. In
der Zwischenzeit wurden die Welt
und die Schweizerische Post vom
Covid-19-Notstand heimgesucht,
und der Gelbe Riese kündigte Mitte
Mai eine umfassende Reform seiner
Organisation an.
Der neue Arbeitsvertrag gilt
vollumfänglich auch für die neuen
Konzerneinheiten Post CH AG, Post-
Netz AG, Logistik-Services und Kommunikations-Services.
Zur neuen
Vertragsstruktur gehört auch ein
gemeinsames Dach für die grossen
Konzernbereiche wie PostAuto oder
PostFinance. Dieser Teil des GAV regelt
den Zugang der Gewerkschaften
zu den Arbeitsplätzen, die Beziehungen
zwischen den Sozialpartnern
und den Grad der Mitwirkung
von syndicom bei den Konzerneinheiten.
Die Aufstockung der Treueprämien ist eine der Forderungen, die im neuen GAV erfüllt worden sind.
Ein wichtiger Teil des Gesamtarbeitsvertrags,
der separat ausgehandelt
wurde, ist der Sozialplan:
Er sieht einen neuen Bereich für die
berufliche Orientierung und Bildung
vor und bewahrt die siebenjährige
Beschäftigungsgarantie, mit
einer Übergangsklausel für die
«Baby boomer» im Fall einer Umstrukturierung.
Die Pensionierung
erfolgt nun freiwillig und nicht
mehr zwangsweise. Die Investitionsausgaben
zur Stützung der Übergangsrente
werden auf einem hohen
Niveau gehalten, ebenso wie
etwaige Ausgleichsfinanzierungen.
Der Gesamtarbeitsvertrag der
Schweizerischen Post, seine Überdachung
und der Sozialplan bilden
die Grundlage für die Verhandlungen
über die Gesamtarbeitsverträge
von PostFinance (siehe auch den
Kasten rechts) und PostAuto.
Partizipative Methode
Neben dem Gesamtergebnis, das
sich voraussichtlich nicht verschlechtern
wird, sind wir besonders
stolz auf den Prozess der Ratifizierung.
Die grosse Mehrheit, die
erreicht wurde, belohnt uns mit
dem Endergebnis. In diesem Zusammenhang
möchte ich den
Vertretern bei der Verhandlungsdelegation
danken, die sich vor und
während der Verhandlungen sehr
engagiert zeigten. Ich bin auch sehr
zufrieden mit der Teilnahme der
Kollegen an den Arbeitsplätzen,
die es uns während der ganzen Zeit
mit ihren Antworten auf unsere
Umfragen ermöglicht haben, die
Verhandlungen zu steuern. Diese
partizipative Methode markiert
einen Wendepunkt und wird sich
durchsetzen. Die Beteiligung bei der
beratenden Ratifizierung lag leider
unter den Erwartungen.
Doch was sind nun die Ergebnisse,
die ihr ab dem 1. Januar vorfinden
werdet, was wird sich hauptsächlich
ändern? Hier ein schneller
Überblick.
Oft zu Unrecht als flexibles Personal
eingesetzt, erhalten Teilzeitbeschäftigte
(unter 90 %) mehr
Der vierwöchige Vaterschaftsurlaub und der Urlaub zur Pflege von Angehörigen sind soziale Fortschritte,
die Vorbildcharakter für andere Sektoren haben. Weitere Verbesserungen betreffen den
Schutz von Teilzeitbeschäftigten und Arbeitnehmern, die sich für die Kolleg*innen engagieren,
und die Vergütung von Überstunden. Zum ersten Mal gilt der GAV auch für Zeitarbeitende und
Subunternehmen.
23
Rechte und fixe freie Wochentage,
wenn sie dies wünschen. Das neue
Modell wird zu einer Arbeitsplanung
führen, die verstärkt auf Beteiligung
und Ausgleich setzt und
den unterschiedlichen Bedürfnissen
der Mitarbeitenden und des Unternehmens
Rechnung trägt.
Alle Mitarbeiter, unabhängig
vom Beschäftigungsgrad, werden
dank der Einführung von zwei Zeitmarken
im Jahr für die Begleichung
von Überstunden in der Lage sein,
den Ausgleich von 50 % dieser Stunden
einfacher zu planen. Kurz gesagt:
Flexibilität wird auch vom Unternehmen
erwartet und nicht mehr
nur von den Beschäftigten. Ein weiterer
wichtiger Anspruch, den wir
durchsetzen konnten, ist die Wertschätzung
der Arbeit der Angestellten
durch die Verdoppelung der
Treueprämien nach 20 Dienstjahren.
Mit dem neuen Gesamtarbeitsvertrag
wird das Recht auf Beteiligung
am Unternehmen eindeutig
als Säule der Beziehung zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmenden
platziert.
Diese Fortschritte enthalten
eine wichtige zusätzliche Komponente,
nämlich den Schutz vor Entlassung
aus wirtschaftlichen Gründen.
Dieses Recht ist jetzt nicht nur
für Mitglieder der Betriebsausschüsse,
sondern auch für die Mitglieder
der Basisorgane von syndicom auf
nationaler Ebene verankert, wodurch
diejenigen geschützt werden,
die sich im Interesse des Gemeinwohls
exponieren.
Flexibler Elternurlaub
Die Trennung von Berufs- und Privatleben
ist im neuen Gesamtarbeitsvertrag
festgeschrieben. Dieser
Bestandteil betrifft vor allem (aber
nicht nur) Personen, die im Büro
oder an Projekten arbeiten und die
nun das Recht auf Trennung vom
Netz haben. Für junge Mitarbeiter*innen
machen der austauschbare
Mutterschafts- und Vaterschaftsurlaub
sowie der flexible
Elternurlaub die Post zu einer modernen
Arbeitgeberin. In diesem
Zusammen hang wurden auch alle
Fragen der Gleichheit und Nichtdiskriminierung
völlig neu formuliert
(lest hierzu den Kommentar von Patrizia
Mordini auf Seite 21) und finden
im Vertrag ihren eigenen Platz.
Auch für Temporäre und
Subunternehmen
Die Kosten der Krankenkassenprämien
sollen endlich als ein grundlegendes
Element für Lohnverhandlungen
berücksichtigt werden. Und
schliesslich gilt der neue Gesamtarbeitsvertrag
nicht nur für die Mitarbeitenden
der Post, sondern auch
für Temporärkräfte und Subunternehmen.
Mit dem neuen Vertrag
haben Arbeitnehmer, die von Drittfirmen
ausgeliehen werden, tatsächlich
mehr Rechte und Sicherheiten,
was ihre berufliche Zukunft betrifft.
Erstmals wird die Post Mindestlöhne
für die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter von Subunternehmen
festlegen und auch auf dieser Ebene
ihre Verantwortung wahrnehmen.
Ich möchte diesen kurzen
Überblick, der nicht erschöpfend
ist, mit dem Hinweis abschliessen,
dass sich der Solidaritätsbeitrag zukünftig
anteilig zum Gehalt bemisst
und somit solidarischer sein wird.
Es ist unsere Aufgabe, diese Vertragsverlängerung
zu nutzen, um
die Gewerkschaft bei der Post zu
stärken und die neuen vertraglichen
Möglichkeiten zu nutzen, um mehr
berufliche Bildung (mit den Movendo-Kursen)
anzubieten und ihre
Umsetzung zu verbessern. Dies ist
die nächste grosse Herausforderung.
Die Tatsache, dass wir euch
den neuen Vertrag persönlich am
Arbeitsplatz und/oder in eigenen
Kursen vorstellen können, motiviert
uns für den weiteren Verlauf des
Jahres.
Mehr zu den Verbesserungen:
syndicom.ch/gavpost
syndicom
redet mit bei
PostFinance
Kaum waren die Verhandlungen
zum GAV Post CH beendet, begannen
auch schon die nächsten
Verhandlungen. Dabei ist wichtig
zu betonen, dass die Anliegen der
PostFinance-Angestellten bereits
in die Verhandlungen des GAV
Post CH eingeflossen sind. Ein
Beispiel: In keinem Bereich des
Postkonzerns ist die ständige
Erreichbarkeit als so belastend
beurteilt worden wie von den
Angestellten der PostFinance.
Die Verankerung des Rechts auf
Nichterreichbarkeit floss auch in
die Verhandlungen über den GAV
Post CH ein. Denn von Beginn
weg war klar, dass sich diese beiden
Gesamtarbeitsverträge parallel
entwickeln werden. Und so
können auch Mitarbeitende von
PostFinance von den zahlreichen
Verbesserungen profitieren.
PostFinance will u. a. das
System für Leistungsorientierte
Entlöhnung im Verkauf (LEVER
GAV) überarbeiten. Wir haben
vereinbart, dass syndicom bei der
Überarbeitung von LEVER angehört
wird und vor der Einführung
darüber befinden kann. Wir werden
den Betroffenen unter euch
die Möglichkeit geben, sich an
dieser Entscheidung zu beteiligen.
Mitarbeitende in der Funktions
stufe 10 haben neu die Möglichkeit,
wieder unter dem GAV
zu arbeiten. Sie werden im Jahr
2021 ein entsprechendes Angebot
erhalten.
In der Konsultativabstimmung
bei den Mitgliedern hat die
überwältigende Mehrheit dem
Verhandlungsergebnis zugestimmt,
worauf auch die Delegierten
das Resultat einstimmig
genehmigten. Am 15. Mai hat
auch der Verwaltungsrat von
PostFinance sein Einverständnis
gegeben. Damit tritt der GAV ab
1. Januar 2021 in Kraft.
David Roth
24
Frauen*streik – ein Jahr danach:
Wir appellieren an die Politik
Ein Bündnis von knapp
70 Frauenorganisationen
hat ein Jahr nach dem
Frauen*streik einen Appell
an die Politik gemacht. Wir
möchten am Verhandlungstisch
mitbestimmen. Hier
sind unsere Forderungen.
Text: Patrizia Mordini, Leiterin
Gleichstellung, Mitglied der GL
Bild: syndicom
Genau vor einem Jahr kämpften wir
mit bunten Plakaten, violetten
Kleidern, Pins und Schals und gemeinsam
mit einer halben Million
Frauen* und solidarischen Männern
für Frauenrechte und die
Gleichstellung. Für unsere syndicom-Forderungen:
Lohngleichheit
und faire Löhne für alle, gute Kinderbetreuungsregelungen,
einen
ausgebauten Vaterschaftsurlaub sowie
klare Nulltoleranz-Bestimmungen
betreffend sexuelle Übergriffe
am Arbeitsplatz! Der 14. Juni 2019
ging in die Geschichte ein als grösste
Kundgebung der Schweiz.
Nun jährt sich dieses Datum,
und die Welt hat sich völlig verändert.
Grosse Kundgebungen sind
unmöglich. Und gerade Frauen*
spielen in der Corona-Krise eine
zentrale Rolle. Denn sie halten das
System mehr denn je am Laufen. Sie
sind «systemrelevant», wie es Neudeutsch
heisst. Wussten wir das
nicht schon immer? Kinder- und
Angehörigenbetreuung, Homeschooling,
Hausarbeit und Erwerbstätigkeit
im Homeoffice prägen eine
neue, erweiterte Form der bereits
bekannten Mehrfachbelastung der
Frauen*. Frauen* vor Ort in Kitas
und Schulen, Spitälern und im Verkauf,
in Briefzentren und am Postschalter
hielten und halten die
Grundversorgung in Gang.
Trotzdem drohen die Anliegen
ein Jahr nach dem Frauen*streik ins
Hintertreffen zu geraten. Aus früheren
Krisen und Rezessionen wissen
wir, dass häufig Leistungen im Service
public, so im Gesundheitswesen,
in der Bildung sowie der Kinder-
und Altenbetreuung, abgebaut
werden und grosse Rückschritte –
der sogenannte «Backlash» – in der
Gleichstellung erfolgten. Sprich: die
Finanzierung solcher Krisen fand
auf dem Buckel der Frauen* statt.
«Bundesrat und Parlament, vergesst
die Frauen* nicht!»
Damit sich Geschichte nicht wiederholt,
tat sich ein breites Bündnis
von Frauen*organisationen zusammen
und formulierte einen dringenden
Appell, der den gemeinsamen
Nenner der unterschiedlichsten Organisationen
bildet. Die Initiantinnen
sind die SP-Frauen, Frauendachorganisationen
wie Alliance F,
der Katholische Frauenbund, diverse
Frauen*streik-Kollektive, der Verband
Business & Professional Women
(BPW) – und syndicom.
Dieses Bündnis umfasst mittlerweile
knapp 70 Organisationen
und vertritt Millionen von Frauen*!
Der dringende Appell richtet sich an
den Bundesrat und das Parlament
und wurde ihnen am 30. Mai übergeben.
Denn sie entscheiden über
die finanzielle Unterstützung in der
Corona-Krise.
Die Forderungen lauten:
1. Wir bestimmen mit am Verhandlungstisch!
2. Massnahmen zum wirtschaftlichen
Aufschwung müssen die reale
Lebenssituation aller Frauen* in der
Schweiz berücksichtigen (u. a. mittels
Gender Budgeting und Lohngleichheit).
3. Die Vereinbarkeit von Beruf und
Familie muss erreicht werden –
durch Etablierung einer zeitgemässen
Familienpolitik.
4. Die Arbeitsbedingungen in den
systemrelevanten Berufen müssen
verbessert werden (u. a. Lohner höhungen
in Pflege, Kita, Verkauf).
5. Massnahmen gegen Gewalt an
Frauen* (u. a. Ausbau Beratungsstellen,
Frauen*häuser).
6. Es braucht spezifische Unterstützung
für Migrantinnen*, denn sie
tragen die Kosten der Krise doppelt
stark.
7. Die Finanzierung der Krise darf
nicht auf dem Rücken der Frauen*
geschehen (u. a. kein Abbau im
Service public).
Wie gehts nun weiter? Das Bündnis
wird weiter an der Kampagne sowie
an der Verbreitung des Appells arbeiten
und diesen online bekannter
machen. Damit die Stimmen des
Appells unüberhörbar sind für die
Entscheide in Bundesbern!
Der gesamte Appell ist zu finden auf
syndicom.ch/frauen
Recht so!
25
Hallo Rechtsdienst
Ich werde in einem Medienhaus zur Polygrafin
EFZ ausgebildet und schliesse im
Sommer meine Ausbildung ab. Aufgrund
des Coronavirus gestaltete sich in den
letzten Wochen die Arbeit etwas schwierig.
Ich musste zu Beginn der Pandemie teilweise
meine Arbeit im Homeoffice erledigen.
Nun hatten wir teils keine Arbeit mehr
und es wurde Kurzarbeit angemeldet, auch
für die Auszubildenden. Ich fürchte, dass
die Ausbildungsqualität darunter leidet und
ich die Abschlussprüfung vielleicht nicht
bestehe.
Antwort des syndicom-Rechtsdienstes
Der Lehrvertrag ist aus arbeitsrechtlicher Sicht ein Einzelarbeitsvertrag
mit einigen Besonderheiten. Eine dieser
Besonderheiten ist, dass als Gegenleistung nicht der
Lohn im Vordergrund steht, sondern die fachgemässe
Ausbildung. Auch in Zeiten der Pandemie hat die Arbeitgeberin
ihren vertraglichen Pflichten nachzukommen.
Sie hat alles Zumutbare zu unternehmen, damit sie ihrer
Pflicht zur fachgemässen Ausbildung der Auszubildenden
nachkommt. Sie hat demnach Unterstützungsmassnahmen
zu ergreifen. Sprich mit deiner Ausbildungsverantwortlichen,
sodass die Ausbildungslücken mit praktischen
Übungsarbeiten geschlossen werden können.
In Bezug auf die anstehenden Prüfungen
wird zurzeit viel geredet und ich bin
unsicher. In welchen Bereichen muss ich
eine Prüfungsarbeit machen und wo nicht?
Was gilt dann?
Habe ich nach Abschluss der Ausbildung
Anspruch auf ein Arbeitszeugnis und darf
darin ein Vermerk enthalten sein, dass ich
im Jahr der Corona-Pandemie die
Ausbildung abgeschlossen habe?
Die praktische Prüfungsarbeit für das Berufsbild Polygrafin
EFZ fällt schweizweit aus. Die praktische Qualifikation
wird ersetzt durch ein schweizweit einheitliches, berufsspezifisches
und durch den Ausbildungsbetrieb ausgefülltes
Bewertungsraster. Der theoretische Prüfungsteil,
die Berufskenntnisprüfung, ist gestrichen. Anstelle dieser
Prüfungsnote gelten die bis zum Ende des ersten Semesters
2019/20 erzielten Semesterzeugnis-Noten und
fliessen in die Gesamtbeurteilung ein. Auch die Prüfungen
der Allgemeinbildungsfächer finden nicht statt.
Auch hier gelten die bis zum Ende des ersten Semesters
2019/20 erzielten ABU-Semesterzeugnis-Noten. Die Vertiefungsarbeit
wird grundsätzlich abgeschlossen. Die
Note für den allgemeinbildenden Unterricht wird zu 50 %
aus der Vertiefungsarbeit und zu 50 % aus der Erfahrungsnote
(1.–7. Semester) gebildet.
Der Ausbildungsbetrieb muss nach Abschluss der Grundausbildung
ein Arbeitszeugnis oder eine Arbeitsbestätigung
ausstellen. Die Arbeitsbestätigung enthält nur Angaben
zur Anstellungsdauer und zur Funktion, weshalb ein
Arbeitszeugnis besser ist. Das ausführliche Arbeitszeugnis
muss enthalten: Personalien der Arbeitnehmerin,
Name und Adresse des Betriebs, Dauer der Anstellung,
eine vollständige Beschreibung der Aufgaben und Pflichten
wie auch die Beurteilung der Fähigkeiten, der Arbeitsleistungen,
das Verhalten im Team und gegenüber Vorgesetzten.
Die Arbeitgeberin ist verpflichtet, das Zeugnis
wahrheitsgemäss, aber wohlwollend zu verfassen. Das
Zeugnis darf keine versteckten Botschaften oder Angaben
zu Gesundheit, Absenzen und Privatleben enthalten.
Folglich auch keine Hinweise auf die Pandemie. Wenn du
mit dem Zeugnis nicht einverstanden bist, kannst du eine
Korrektur verlangen. syndicom unterstützt dich gerne
dabei.
syndicom.ch/rechtso
26 Freizeit
Tipps
© FFDUL
Weiterbildung geht weiter:
Movendo führt seit 8. Juni
wieder Kurse durch
Seit Mitte März konnte das gewerkschaftliche
Bildungsinstitut Movendo
aufgrund der Corona-Massnahmen
keine Präsenzveranstaltungen
durchführen. Die letzten Wochen
waren geprägt von Stornierungen
und Verschiebungen. Jetzt freuen
wir uns, am 8. Juni unser Programm
wieder aufnehmen zu können. Wir
werden uns dabei konsequent an
die Hygiene- und Distanzregeln gemäss
Schutzkonzept des Dachverbandes
für Weiterbildung (SVEB)
halten.
Während des Lockdowns konnten
wir kurzfristig einige Kurse
online organisieren. Viele Kolleginnen
und Kollegen mussten jedoch
auf ihren bereits gebuchten Movendo-Kurs
verzichten. Wir wollen möglichst
vielen von Euch einen guten
Ersatz anbieten können und organisieren
zusätzliche Kurse in diesem
und im nächsten Jahr. Die Teilnehmerinnen
und Teilnehmer werden
so bald als möglich kontaktiert.
Weiterhin kann man sich für alle
weiteren ausgeschriebenen Kurse
2020 anmelden. Wir freuen uns auf
Euch!
Michael Herzka und
Emiliana Della Torre,
Institutsleitung
Info und Anmeldung:
Movendo.ch
Wir – Fotografinnen am
Frauen*streik
Am Frauenstreiktag vom 14. Juni
2019 demonstrierten mehr als eine
halbe Million Menschen in der
Schweiz für die Gleichstellung von
Frauen. Die Berner Fotografin
Yoshiko Kusano hatte die Idee, zusammen
mit ihren Berufskolleginnen
diesen Tag umfassend zu dokumentieren.
Rasch schlossen sich
landesweit 31 Fotografinnen und
eine Fotografix zu einem Kollektiv
zusammen, um den Medien ihre
Bilder gemeinsam über die Nachrichtenagentur
Freshfocus.swiss
anzubie ten. Leider wurden aber nur
wenige der Fotos veröffentlicht. Ein
Fotobuch macht nun die Erinnerung
an diesen Tag zugänglich.
Das Buch zeugt von Dutzenden unkonventionellen
und fantasie vollen
Aktionen im ganzen Land, von
Momenten des Zusammenhalts und
der solidarischen Entschlossenheit.
Der Band Wir – Fotografinnen am
Frauen*streik zeigt denkwürdige
Szenen, etwa die beiden älteren
Frauen in einem kleinen Zürcher
Oberländer Dorf mit dem Transparent
«Gleichberechtigung. Punkt.
Amen.» Der Band enthält 83 Bilder
vom Tag des Streiks und erinnert an
die Forderungen, die mit der heutigen
Situation noch wichtiger geworden
sind: mehr Geld für die Pflege
und die Kinderbetreuung, mehr Anerkennung
der von Frauen geleisteten
Arbeit und weniger Ungleichheit
in Arbeitswelt und Gesellschaft. Die
Mobilisierungskraft der Streikenden,
die im Fotobuch zum Ausdruck
kommt, hat dafür gesorgt, dass dieser
14. Juni als historisches Datum
in die Geschichte der Schweiz eingehen
wird. Unter dem Titel Nous erscheint
das Buch im Eigenverlag des
Kollektivs Frauen*streikfotografinnen
ebenfalls auf Französisch.
140 Seiten, 126 Abb., 34 Fr., erschienen im Juni
2020 im Christoph Merian Verlag
© Christoph Merian Verlag
Filmfestival Locarno online
Die Corona-Krise ist ein riesiges
wirtschaftliches und soziales Experimentierfeld
geworden. Auch die
Filmfestivals mussten sich neu erfinden.
Das Festival Locarno 2020
geht online über die Bühne. Im
Wettbewerb stehen Filme, deren
Reali sierung von der Pandemie –
die viele Berufstätige der Branche in
eine schwierige Lage gebracht hat –
unterbrochen wurde.
Nach dem Sommer (und hoffentlich
auch nach Corona) wird vom
14. bis 18. Oktober das Filmfestival
Diritti Umani Lugano (FFDUL, Filmfestival
für Menschenrechte) durchgeführt.
Es werden Filme der letzten
Ausgabe des Internationalen Filmfestivals
und Forums für Menschenrechte
in Genf, FIFDH, zu sehen
sein, die aus aktuellem Anlass nur
online gezeigt worden waren. Das
FFDUL, mit dem syndicom seit Jahren
zusammenarbeitet, war zudem
Protagonist einer gemeinnützigen
Initiative: In den letzten Monaten
hat das FFDUL mit mehreren Filmverleihern
einige der in früheren
Ausgaben selektionierten (und – wie
Eldorado im Bild – prämierten) Filme
zum Streaming verfügbar gemacht.
Eine Möglichkeit, weiterhin
über Themen zu sprechen, die dem
Festival am Herzen liegen. Gleichzeitig
wird konkrete Unterstützung
für benachteiligte Menschen geleistet,
denn die Mittel gehen an das
Casa Astra, eine Notunterkunft für
Obdachlose in Mendrisio. GioVi
Pardo.ch (Locarno), FIFDH.org und
Festivaldirittiumani.ch (FFDUL)
1000 Worte
Ruedi Widmer
27
28 Bisch im Bild Im Mai 2020 war syndicom aktiv
mit den Teilnehmenden der Online-Debatten vom 1. Mai, mit Transparenten oder
zur Unterstützung der Demonstrierenden, mit den Chauffeur*innen von Winkel
und Embrach und online mit dem Vorstand von Ticino e Moesano.
2
1
3
4
5
1. An der 1.-Mai-Debatte über die Selbständigen nahmen teil: der
frei schaffende Fotograf Markus Forte, Michael Moser, Zentralsekretär
syndicom, die selbständige Illustratorin Rina Jost, und Lena Allenspach,
Stellvertretende Leiterin Kommunikation syndicom, die auch
moderierte. (© syndicom)
2. Über die Personalpolitik der Swisscom und die Mitwirkungsrechte
diskutierten Giorgio Pardini, Leiter Sektor ICT, und Hans Werner, CPO
Swisscom. Die Diskussion wurde geleitet von Miriam Berger, Zentralsekretärin
syndicom. (© syndicom)
3. Die Hausangestellten forderten am 1. Mai in Genf anständige Löhne.
(© Eric Roset)
4. In Luzern demonstrierten am 1. Mai kleine Gruppen im gebotenen
Abstand, so auch diese Mitglieder einer christlichen Gruppe. (© Urs Häner)
5. In Genf forderten Transparente den Schutz der Arbeitnehmenden
gegen das Coronavirus. (© Demir Sönmez)
6. Die PostAuto-Chauffeur*innen von Winkel und Embrach lancierten
eine Petition, die die Bezahlung der geschuldeten Gelder verlangt.
(© syndicom)
7. In der dritten Online-Debatte ging es um die Velokurier*innen. Dabei
waren David Roth, Zentralsekretär syndicom, Gilles Rosset, Co-Präsident
des Branchenvorstands Kuriere, und Lena Allenspach. (© syndicom)
8. Auf dem Bundesplatz forderte der Gewerkschaftsbund des Kantons
Bern mehr Solidarität. (© GSB)
9. Die Sitzung des Vorstands Ticino e Moesano vom 6. Mai wurde online
abgehalten. (© syndicom)
29
6
7
8
9
30
Aus dem
Leben von ...
Martin Beu: Vernetzung ist das A und O
erfolgreicher Gewerkschaftsarbeit
Martin Beu ist 1969 in Rüti ZH geboren
und aufgewachsen. Nach seiner Lehre
zum uniformierten Postbeamten, während
der er u. a. an der Langstrasse in
Zürich zustellte, absolvierte er eine
Lehre als Elektromonteur. Mehrere
Sprachaufenthalte, der Besuch der
Handelsschule und Weiterbildungen in
Finanz- und Rechnungswesen folgten.
Martin lebt heute mit seiner Partnerin
Sandra und ihren zwei Hunden und
zwei Katzen in Hinwil.
Neben seiner Arbeit als Zeitungsverträger
bei Presto ist er hauptberuflich
in der Finanzbuchhaltung eines
japani schen Konzerns mit Sitz in Zürich
tätig. Seit 10 Jahren ist er syndicom-
Mitglied, Präsident der Personalkommission
und Co-Präsident des Firmenvorstandes
Presto.
Text: Sheila Winkler
Bild: Alexander Egger
«Die Zeit, die das
kostet, nehme ich mir
sehr gerne»
Ich bin ein humorvoller, offenherziger
und hilfsbereiter Mensch, der
seine Mitmenschen nimmt, wie sie
sind. Deshalb ist es für mich selbstverständlich,
mich für gewerkschaftliche
Anliegen einzusetzen. Als Präsident
der Personalkommission des
Presto-Standortes Wetzikon engagiere
ich mich gerne für meine Kolleginnen
und Kollegen.
Dabei ist die Vernetzung das
A und O, was bei Presto nicht so einfach
ist: Wir Verträger*innen sind
nämlich nie an unserem Standort.
Wir holen die Zeitungen und Zeitschriften
frühmorgens direkt an den
Depotstellen ab, von denen es Hunderte
gibt. So ist es fast unmöglich,
mit den Kolleginnen und Kollegen
anderer Depotstellen in Kontakt zu
treten.
Zu Beginn war es schwierig. Ein
paar Kontakte konnte ich dank meinen
Engagements in diversen Vereinen
und Institutionen im Privaten
knüpfen. Da mein Bruder und seine
Partnerin ebenfalls Zeitungsverträger*innen
sind, konnte ich meine
Kontakte stetig erweitern. Auch meine
Partnerin unterstützt mich sehr,
indem sie in ihrem Bekanntenkreis
offen über mein gewerkschaftliches
Engagement spricht. So kommt sie
immer mal wieder mit neuen Telefonnummern
nach Hause, mit der
Bitte um Kontaktaufnahme. Dank
den Lotto-Brunches, die wir zusammen
mit syndicom organisieren, ist
es mir gelungen, mich mit vielen Kolleginnen
und Kollegen zu vernetzen.
Mit Beharrlichkeit habe ich in
den letzten Jahren meine Kontakte
aufgebaut und gepflegt. Heute kann
ich sagen, dass ich nicht nur an
meinem Standort über ein breites
Kontakt netz verfüge, sondern auch
Verträger*innen von allen sechs
Presto-Standorten kenne. Mit allen
Personalkommissionen stehe ich so
in regelmässigem Austausch.
Mittels Whatsapp und einer
selbst gegründeten, geschlossenen
Facebook-Gruppe für Presto-Leute
fördere ich den Informations- und
Erfahrungsaustausch sowohl unter
den Verträger*innen als auch zwischen
den Standorten. Momentan
bin ich dabei, eine Webseite für die
Personalkommissionen aufzubauen,
damit unsere Arbeitskolleg*innen
jederzeit unsere Kontaktdaten in
Griffnähe haben.
Das alles kostet Zeit, die ich mir
sehr gerne nehme. Für die Verhandlungen
zur Erneuerung des GAV
Presto habe ich Ferien und Überstundenguthaben
meines Hauptberufes
ein gesetzt. Das war für mich
selbstverständlich. Deshalb möchte
ich mich abschliessend bei meiner
Partnerin Sandra bedanken. Dass sie
das Ganze mitträgt und tatkräftig
mithilft, ist nämlich nicht selbstverständlich.
Danke, Schatz!
Zugang zur Facebook-Gruppe Zeitungsverträger
Presto Schweiz? Melde dich unter
logistik@syndicom.ch
Impressum
Redaktion: Sylvie Fischer, Giovanni Valerio
Tel. 058 817 18 18, redaktion@syndicom.ch
Freie Mitarbeit: Rieke Krüger
Porträts, Zeichnungen: Katja Leudolph
Fotos ohne ©Copyright-Vermerk: zVg
Layout und Druck: Stämpfli AG, Wölflistrasse 1,
3001 Bern
Adressänderungen: syndicom, Adressverwaltung,
Monbijoustrasse 33, Postfach, 3001 Bern
Tel. 058 817 18 18, Fax 058 817 18 17
Inserate: priska.zuercher@syndicom.ch
Abobestellung: info@syndicom.ch
Abopreis ist im Mitgliederbeitrag inbegriffen. Für
Nichtmitglieder: Fr. 50.– (Inland), Fr. 70.– (Ausland)
Verlegerin: syndicom – Gewerkschaft
Medien und Kommunikation, Monbijoustr. 33,
Postfach, 3001 Bern
Das syndicom-Magazin erscheint sechsmal im Jahr.
Ausgabe Nr. 18 erscheint am 4. September 2020
Redaktionsschluss: 27. Juli 2020.
31
Das syndicom-Kreuzworträtsel
Kleiner Zustupf für die Haushaltskasse:
Zu gewinnen gibt es einen Einkaufsgutschein
im Wert von 40 Franken, gespendet
von unserer Dienstleistungspartnerin
Coop. Das Lösungswort wird in der
nächsten Ausgabe zusammen mit dem
Namen der Gewinnerin oder des Gewinners
veröffentlicht.
Lösungswort und Absender auf einer
A6-Postkarte senden an: syndicom-
Magazin, Monbijoustrasse 33, Postfach,
3001 Bern. Einsendeschluss: 27. Juli.
Die Gewinnerin
Die Lösung des Kreuzwort rätsels aus
dem syndicom-Magazin Nr. 16 lautet:
MINDESTLOHN.
Gewonnen hat Helen Ebert aus Zürich.
Die Hotelcard unserer Partnerin
Hotelcard ist unterwegs.
Wir gratulieren herzlich!
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Die Konzernverantwortungsinitiative fordert
eine Selbstverständlichkeit: Wenn Konzerne
wie Glencore Flüsse vergiften oder ganze Landstriche
zerstören, dann sollen sie auch dafür
geradestehen!
www.konzern-initiative.ch/fahne
32 Inter-aktiv
syndicom social
Corona-Welle beim Medienkonsum15.05.20
Im März verzeichneten Onlinemedien
historisch hohe Zugriffszahlen.
Doch schon im April ist der Medienkonsum
wieder gesunken, im Schnitt um rund 20 %.
WOZ, Annabelle, Glückspost und SI legten auch im April
noch mal zu.
Quelle: net-metrix.ch/sites/default/files/
NMP_2020-1_Medienmitteilung_DE_1.pdf
1.-Mai-Livestreams von syndicom
sehr gut besucht 01.05.20
Die drei Gesprächsrunden, die syndicom
auf Youtube und Facebook live
übertragen hat, wurden eifrig geschaut und kommentiert.
Zu Spitzenzeiten haben bis zu 170 Leute gleichzeitig
reingeschaut, im Schnitt über alle drei Talks waren es über
100. Gesamthaft wurden via Facebook, Youtube und
syndicom.ch fast 5000 Leute erreicht.
Quelle: youtube.com/user/syndicomCH
Übernimmt KI bald unsere Arbeit? 30.04.20
Laut einer neuen Mercer-Studie gehen 34 Prozent
der Angestellten davon aus, dass ihr Job
innerhalb der nächsten drei Jahre durch Künstliche
Intelligenz und Automatisierung ersetzt
wird. Immerhin sind 61 Prozent der Meinung,
dass ihre Arbeitgeber sie gut auf die Zukunft
der Arbeit vorbereiten, 55 Prozent vertrauen
darauf, dass ihr Unternehmen sie weiterbildet,
wenn ihr Berufsbild sich verändern sollte.
Quelle: mercer.com/our-thinking/career/
global-talent-hr-trends.html
Schweizer lieben das Homeoffice26.05.20
Eine von syndicom in Auftrag gegebene gfs-Studie zeigt,
dass die allermeisten Schweizer gern im Homeoffice
arbeiten. 60 % geben an, dass es den Stress am Arbeitsplatz
reduziere. Aber die Arbeitsergonomie sei mangelhaft,
findet die Hälfte (49 %) der Befragten. 41 Prozent
gaben zudem an, dass Homeoffice nicht mit der Kinderbetreuung
vereinbar sei. Es gibt also Handlungsbedarf –
verbindliche Rahmenbedingungen für Homeoffice-Arbeit
müssen jetzt geschaffen werden.
syndicom.ch/homeofficebarometer
Zu den bundesrätlichen Hilfspaketen
im Mai 2020
Franziska Ruth Hulliger auf Facebook: Da
kommt noch etwas Anderes auf uns zu. Die
Schere tut sich nicht nur zwischen Arm und Reich weiter
auf, sondern auch zwischen den kleineren und grösseren
Unternehmen. Die grossen Unternehmen werden unterstützt
und die kleineren können schauen, wo sie bleiben
und (werden) auf das Minimum beschränkt. Das ist eine
Sauerei. Wenn, dann sollten alle gleich behandelt werden.
Ob grosses oder kleines Unternehmen. Währen die grösse
ren Unternehmen unterstützt werden und ihre Bonis
und Dividenden munter weiter verteilen, schauen die kleineren
Unternehmen in die Röhre. Das muss aufhören.
Rina Jost, selbständige Illustratorin01.05.20
«Ich wünsche mir, dass die Solidarität im
künstlerischen Bereich auch nach der Krise
anhält.» (Am 1.-Mai-Gespräch zum Thema
Freischaffende in der Krise)
Zur 500-Franken-Einmalzahlung
für alle PostAuto-Fahrer*innen20.05.20
René Hänggi auf Facebook: Da sieht
man wieder mal, wie wichtig die Gewerkschaft
für uns Fahrer ist. Für die
Chauffeure, die noch nicht dabei sind,
wird es Zeit beizutreten.
«Soziale Intelligenz»
Die Fähigkeit, in einer menschlichen Gruppe
angemessen zu (re-)agieren, etwa eine Stimmungslage
zu erkennen oder konstruktiv zu
beeinflussen, z. B. den Teamgeist.
Auf diesem Gebiet kann die Maschine bislang
nichts leisten.
Das ist einer von 52 Begriffen aus unserem
KI-Lexikon: syndicom.ch/themen/dossiers/
kuenstliche- intelligenz-ki/ki-lexikon
Markus Forte,
freischaffender Fotograf:01.05.20
«In der Krise hat sich gezeigt, was die Gewerkschaften
und die Interessensverbände wirklich
leisten. Das freut mich.» (Am 1.-Mai-Gespräch
zum Thema Freischaffende in der Krise)