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Fachmagazin für den Spielwaren- und Buchhandel

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CORONA SPEZIAL

planet toys

Die Stimmung im Rostocker Spielzeuggeschäft Wupatki schwankte seit dem Lockdown zwischen

schwarzem Humor, Sarkasmus und flüchtigem Neid auf Omnichannel-Anbieter. Selbst

wenn Humor heilen sollte, die Wunden, die Covid-19 dem Spielzeughandel schlägt, dürften

spürbare Narben zurücklassen, glaubt Inhaber Mike Saul.

Herr Saul, wie fühlt man sich in einem

„closed land“, das die Touristen aussperrt,

aber doch auf sie sehr angewiesen

ist?

Mike Saul: Diese Frage habe ich mir auch

schon oft selber gestellt. Meistens fühle

ich mich nur verwirrt und hilflos, dann

wieder zu fassungslos und verärgert, um

eine vernünftige Antwort darauf geben

zu können. Auf der einen Seite kann ich

diese Regeln nachvollziehen, Einzelfälle

aber überhaupt nicht. Wenn die Berliner

irgendwann sagen, ihr habt uns den Stuhl

vor die Tür gestellt, weshalb sollen wir

jetzt noch kommen, könnte ich das total

verstehen. Ich finde die Entscheidung zu

kurzsichtig.

Wie stark tangierte der Doppelpack aus

Lockdown und Tourismus-Stopp Ihr Geschäft?

M.S.: Beides trifft uns sehr hart, aber

wie alle anderen Händlern auch, die vom

Tourismus leben. Touristen stellen einen

erheblichen Teil der Kunden dar, die

wir brauchen, um auf den Jahresumsatz

zukommen. Das gilt umso mehr,

seit Weihnachten nicht mehr Weihnachten

ist, jedenfalls vom Umsatz her. Im

Grunde sorgen Touristen für unser Weihnachten

und wenn es sie nicht mehr gibt,

wird es nicht nur eng, sondern sehr eng.

Ich fühle mich aber nicht benachteiligt,

denn anderen Regionen geht es ebenso.

Hegen Sie noch die Hoffnung, dass Sie

bis Ende Jahres die Lücke wieder schließen

können?

M.S.: Nein, und ich befürchte, auch staatliche

Geldgeschenke und Kurzarbeitergeld

helfen am Ende nicht, das wettzumachen.

Außerdem möchte ich zu bedenken

geben, dass die Position Mieten, die

wir Händler in der Regel weiter zahlen,

noch nicht einmal richtig öffentlich diskutiert

worden ist, sieht man vom Unsinn

ab, den Adidas und H&M verzapft haben.

Vermieter sind ja hierzulande heilige Kühe.

Nein, rückläufige Kundenzahlen und

eine Pandemie, wie soll man so eine Lücke

schließen?

Mitte März mussten die meisten Verkaufsstellen

des Einzelhandels schließen.

Wie hat Wupatki die Zeit bis zum

20. April überbrückt? Strandbaden statt

Waldbaden?

M.S.: (lacht) Unser Plan war, die Punkte

unserer ewigen To-do-Liste abzuarbeiten,

zu denen man sonst nicht kommt. Der

Plan ist grandios gescheitert. Wir haben

unsere Kunden gepflegt, sind aber auch

nicht am Strand gewesen.

»Die Pandemie ist für mich

kein Anlass, einen Online-

Shop einzurichten, weil ich

vorkalkuliert bekommen

habe, was das im Jahr kostet

und welchen Aufwand ich

betreiben muss, damit er

funktioniert.«

MIKE SAUL

Inhaber Wupatki

Wie sah denn das Pflegeprogramm aus?

M.S.: Natürlich haben wir in dieser verzwickten

Situation versucht, irgendwie

Umsatz durch unsere Stärke, die Beratung,

zu machen, sei es ganz klassisch

über Telefon oder durch Social Media wie

Facebook und Instagram. Zusätzlich haben

wir eine WhatsApp-Nummer eingerichtet,

um Kontakt zu Kunden leichter

aufzubauen und Fotos zu verschicken.

Der Aufwand, einen Kunden so zu beraten,

ist aber um ein Vielfaches größer als

von Angesicht zu Angesicht. Bis es über

Social-Media-Kanäle zum Kauf kommt,

braucht es einen Einsatz, dass man zu

sich selbst sagte: Mike, lieber jeden Weihnachtsstress

als das noch mal. Aber wir

haben Kunden das Gefühl gegeben, wir

sind in dieser besonderen Situation für

sie da. Die Dankbarkeit, die wir erfahren

haben, war für uns was wirklich Wichtiges.

Was war an Telefon, WhatsApp oder

Facebook so anstrengend bei der Kontaktpflege?

M.S.: Das waren für uns alle vollkommen

neue Arbeitsabläufe, die ständig angepasst

und korrigiert werden mussten.

Das nahm einen Großteil des Tages in

Anspruch. Von diesen Justierungen bekommt

der Kunde erst einmal nicht viel

mit. Am Ende war ich froh, dass dieses

Spektakel ein Ende hatte. Ich hätte nicht

gewusst, ob wir das noch weitere 14 Tage

so weitergemacht hätten, ohne durchzudrehen

und für manche Stunde habe ich

sogar mal Online-Shops beneidet.

Fallen auch Sie jetzt vom Glauben ab?

M.S.: Nein, die Pandemie ist für mich kein

Anlass, einen Online-Shop einzurichten,

weil ich vorkalkuliert bekommen habe,

was das im Jahr kostet und welchen Aufwand

ich betreiben muss, damit er funktioniert.

Ich stelle mir die Frage, was dabei

am Ende netto herauskommt. Eines der

Hauptprobleme bleibt: dass ich meinen

Kunden die Differenz zwischen niedrigeren

Online-Preisen und den Preisen

im Laden nicht mit gutem Grund erklären

könnte. Der Neid auf die Webshops

war anfangs groß und dann sehr flüchtig.

Wie setzen Sie die Hygieneanforderungen

und Schutzmaßnahmen um? Gibt es

Einlasskontrollen bei Ihnen?

M.S.: Bei Wupatki ist es so, dass wir pro

10 m 2 einen Kunden in das Geschäft lassen.

Entsprechend unserer Größe stehen

Einkaufskörbe im Eingang bereit mit der

Bitte, nur dann reinzukommen, wenn ein

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