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tassilo - das Magazin rund um Weilheim und die Seen - Ausgabe Juli/August 2020

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Das kurioseste Hochzeitserlebnis?<br />

Ich war mal in Emden an der<br />

Nordsee als Hochzeitslader,<br />

was sprachlich betrachtet etwas<br />

schwierig war – <strong>die</strong> haben meinen<br />

Unterammergauer Dialekt einfach<br />

nicht verstanden. Kurzfristig habe<br />

ich mein Programm <strong>um</strong>strukturiert<br />

<strong>und</strong> Spiele mit den Gästen gemacht,<br />

bei denen jeder mitmachen<br />

konnte.<br />

Wie sehr kommt Ihnen <strong>das</strong> damalige<br />

„Unterhalten einer Hochzeitsgesellschaft“<br />

heute als Politiker zu Gute?<br />

Es bringt sicherlich was. Auch als<br />

Landrat muss man viel organisieren,<br />

kompromissbereit sein <strong>und</strong><br />

versuchen, alle miteinzubinden.<br />

Mir ist g<strong>r<strong>und</strong></strong>sätzlich wichtig, <strong>das</strong>s<br />

es <strong>um</strong> <strong>die</strong> Sache geht. Parteiübergreifend.<br />

Nur gemeinsam kann<br />

man einen Landkreis nach vorne<br />

bringen. Dafür war <strong>und</strong> ist <strong>das</strong> frühere<br />

Hochzeitslader-Dasein sicherlich<br />

von Vorteil, <strong>um</strong> mit den unterschiedlichsten<br />

Charakteren richtig<br />

<strong>um</strong>gehen zu können.<br />

Wo liegen – von der Corona-Krise<br />

abgesehen – <strong>die</strong> größten Baustellen<br />

im Landkreis Garmisch-Partenkirchen?<br />

Unsere Verkehrsprojekte mit einem<br />

Vol<strong>um</strong>en von einer dreiviertel<br />

Milliarde Euro. Umfahrung<br />

Oberau, Kramertunnel, Auerbergtunnel.<br />

Darüber hinaus muss der<br />

Wanktunnel in Angriff genommen<br />

werden. Nicht zu vergessen ist eine<br />

weitere Hochwasserfreilegung,<br />

<strong>die</strong>smal zwischen Murnau <strong>und</strong><br />

Schwaiganger.<br />

Von Verkehrsprojekten abgesehen?<br />

Wir stecken sehr viel Geld in unsere<br />

Schulen. Z<strong>um</strong> Beispiel in den<br />

Bau der Berufsschule <strong>und</strong> in den<br />

Neubau der Zugspitz-Realschule<br />

in Garmisch-Partenkirchen. Eine<br />

neue Realschule in Murnau haben<br />

wir bereits gebaut. Schülerinnen<br />

<strong>und</strong> Schüler sind unsere Zukunft.<br />

Die brauchen optimale Voraussetzungen<br />

z<strong>um</strong> Lernen.<br />

Und nicht zu vergessen ist natürlich<br />

<strong>das</strong> große Ziel, ins UNESCO-<br />

Weltkulturerbe aufgenommen zu<br />

werden.<br />

Das würde den Status unserer Region,<br />

den Tourismus, <strong>die</strong> Landwirtschaft,<br />

<strong>die</strong> Almwirtschaft, <strong>die</strong> kleinstrukturierten<br />

Betriebe, enorm<br />

nach vorne bringen. Wir sind<br />

mittlerweile im siebten Jahr der<br />

Bewerbung. Läuft alles nach Plan,<br />

könnten wir im Jahr 2023 aufgenommen<br />

werden.<br />

Sie haben immer wieder Murnau<br />

erwähnt. Welche Bedeutung hat der<br />

zweitgrößte Ort ihres Landkreises,<br />

der zugleich fester Bestandteil des<br />

„<strong>tassilo</strong>“-Verteilgebiets ist?<br />

Neben seiner Größe <strong>und</strong> dem b<strong>und</strong>esweit<br />

bekannten Unfallklinik<strong>um</strong><br />

hat Murnau sehr viel im künstlerischen<br />

<strong>und</strong> kulturellen Bereich<br />

zu bieten. Und nicht zu vergessen<br />

ist natürlich <strong>das</strong> Murnauer Moos –<br />

<strong>die</strong> größte zusammenhängende<br />

Moorlandschaft Mitteleuropas, <strong>die</strong><br />

ich ohne Übertreibung als wahres<br />

Juwel bezeichnen würde. Leider<br />

können wir aufg<strong>r<strong>und</strong></strong> Corona unsere<br />

neu errichtete Biologische<br />

Station noch nicht so nutzen wie<br />

geplant. Nach der Krise zeigen wir<br />

den Schülern <strong>die</strong> Vielfalt des Mooses<br />

dafür <strong>um</strong>so intensiver.<br />

Welche Bedeutung hat Bad Bayersoien<br />

für den Garmisch-Partenkirchener<br />

Landkreis – der Ort, der auch<br />

im Verteilgebiet unseres Schwestermagazins<br />

„altlandkreis“ liegt?<br />

Bad Bayersoien hat gemeinsam<br />

mit Bad Kohlgrub eine große Bedeutung<br />

im Bereich der Moorkur-<br />

Betriebe. Und es ist schon was<br />

Besonderes, <strong>die</strong> Bad Bayersoier<br />

Dorfstraße entlang zu gehen. In<br />

einem Ort mit einem so idyllischen<br />

See kann man sich sowohl als Einheimischer<br />

als auch Urlauber sehr<br />

wohl fühlen.<br />

Wie wichtig ist Ihnen <strong>die</strong> Zusammenarbeit<br />

mit dem Nachbarlandkreis<br />

<strong>Weilheim</strong>-Schongau?<br />

Äußerst wichtig. Die Arbeit darf<br />

nie an der Landkreis-Grenze Halt<br />

machen. Ein Paradebeispiel für<br />

grenzübergreifende Zusammenarbeit<br />

ist der Rettungszweckverband.<br />

Aber auch <strong>das</strong> Projekt „Region 17“,<br />

über <strong>das</strong> wir mit den Landkreisen<br />

Bad Tölz-Wolfratshausen, Miesbach<br />

<strong>und</strong> <strong>Weilheim</strong>-Schongau ein<br />

Struktur-Gutachten gemeinsam<br />

auf den Weg gebracht haben.<br />

Tauschen Sie sich regelmäßig mit<br />

Landrätin Andrea Jochner-Weiß<br />

aus?<br />

Sehr oft. Da wir oft <strong>die</strong> gleichen<br />

Probleme haben, versuchen wir<br />

sie gemeinsam zu lösen.<br />

Speer in Lederhose, Jochner-Weiß<br />

im Dirndl?<br />

(grinst) Da schauen <strong>die</strong> anderen<br />

Politiker immer, wenn wir beide in<br />

Tracht auftreten.<br />

Wie wichtig ist Ihnen <strong>das</strong> Verkörpern<br />

von Tradition <strong>und</strong> Braucht<strong>um</strong>?<br />

Ich bin ein eingeborener Unterammergauer,<br />

was schon Einiges heißt –<br />

<strong>die</strong> halten was aus. Letztlich muss<br />

man sich dort, wo man lebt, wohlfühlen.<br />

Und dafür sind Dinge wie<br />

Heimat, Tradition <strong>und</strong> Braucht<strong>um</strong><br />

sehr wichtig.<br />

Dazu gehört auch der Dialekt.<br />

G<strong>r<strong>und</strong></strong>sätzlich finde ich es sehr<br />

schön, <strong>das</strong>s Dialekte im Detail betrachtet<br />

sehr unterschiedlich sind.<br />

Wir in Unterammergau sprechen<br />

einen etwas anderen Dialekt als<br />

<strong>die</strong> <strong>um</strong>liegenden Gemeinden. Es ist<br />

eine Mischung aus oberbayerisch,<br />

allgäuerisch <strong>und</strong> schwäbisch, was<br />

mit unserer Wetzsteingeschichte<br />

zu tun hat – über <strong>die</strong> haben wir<br />

enge Kontakte in <strong>die</strong> <strong>um</strong>liegenden<br />

Gebiete gehabt, z<strong>um</strong> Beispiel nach<br />

Trauchgau. Wichtig ist letztlich,<br />

<strong>das</strong>s Dialekte weiter gepflegt werden,<br />

weil sie wichtig sind für <strong>die</strong><br />

Identität unserer Gemeinden.<br />

Sind Sie auch (aktives) Mitglied in<br />

Vereinen?<br />

In <strong>r<strong>und</strong></strong> 25. Darunter nach wie vor<br />

Vorsitzender des Leonhardi- <strong>und</strong><br />

Veteranenvereins in Unterammergau.<br />

Ich habe auch 600 Spiele für<br />

<strong>die</strong> Unterammergauer Fußballer<br />

bestritten. Jetzt spielt mein Sohn<br />

in der ersten Mannschaft. Ich habe<br />

enge Beziehungen z<strong>um</strong> Trachtenverein.<br />

Und im Winter mache ich<br />

für Urlauber – seit mittlerweile<br />

30 Jahren – geführte Fackelwanderungen<br />

mit Schlittenfahrten,<br />

Feuerwerk <strong>und</strong> Glühwein durch<br />

<strong>die</strong> Schleifmühlklamm <strong>und</strong> hinauf<br />

z<strong>um</strong> Pürschling.<br />

Welche Tracht ziehen Sie zu welchen<br />

Anlässen an?<br />

Volltracht mit Hut <strong>und</strong> Gamsbart<br />

bei Jubiläen, Festen <strong>und</strong> Einweihungen.<br />

Die Lederhose an sich<br />

trage ich aber auch im „normalen“<br />

Arbeitsalltag sehr häufig. Insbesondere<br />

im Sommer.<br />

War<strong>um</strong>?<br />

Für mich gehört <strong>die</strong> Tracht z<strong>um</strong><br />

Garmisch-Partenkirchener Landrat<br />

schlichtweg dazu. Sie ist genauso<br />

Teil unserer Heimat wie unsere<br />

Sprache <strong>und</strong> unsere Berge.<br />

Besitzen Sie überhaupt einen „modernen“<br />

Anzug?<br />

(lacht) Ja. Einen. Um <strong>die</strong> Leute ab<br />

<strong>und</strong> an zu überraschen. Den trage<br />

ich manchmal zu Kreistagssitzungen.<br />

„Wia schaugstn du heid<br />

aus!?“ lautet meistens <strong>die</strong> Reaktion<br />

der Kreistagskollegen.<br />

Wie reagieren denn Unternehmer<br />

<strong>und</strong> höherrangige Politiker, wenn<br />

Sie zu bestimmten Terminen als einziger<br />

in Volltracht erscheinen?<br />

Viele verraten mir mit ihrem Blick:<br />

Was will jetzt der do!? Auch dazu<br />

gibt es eine nette Anekdote: Wir<br />

haben mit den Stadtwerken München<br />

Verhandlungen geführt bezüglich<br />

der Wassergewinnung<br />

aus dem Loisachtal. Die Chefs der<br />

Stadtwerke waren alle feingeschniegelt,<br />

trugen alle Anzug mit<br />

Krawatte <strong>und</strong> schwarze Akten-<br />

12 | <strong>tassilo</strong>

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