Wirtschaftszeitung_29062020_Beilage-Wirtschaftskreuz
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Juni 2020 | VERLAGSBEILAGE<br />
Positiv<br />
durch die<br />
Corona-<br />
Zeit<br />
Nordhorn setzt<br />
auf Flexibilität<br />
Auch in Münster wird<br />
am Impfstoff geforscht<br />
So sieht die Welt<br />
nach Corona aus<br />
Oldenburg: Menschliche<br />
Werte sorgen für Erfolg<br />
Osnabrück: Mittelstand<br />
überwiegend optimistisch<br />
02<br />
06<br />
15<br />
21<br />
31<br />
Nord-West
2<br />
<strong>Wirtschaftskreuz</strong> Nord-West<br />
<strong>Wirtschaftskreuz</strong> Nord-West<br />
03<br />
„Große Herausforderungen“<br />
Die Agentur für Arbeit in Nordhorn setzt auf Flexibilität<br />
Nordhorn<br />
Die Corona-Krise hat nicht<br />
nur die Wirtschaft, sondern<br />
auch die Arbeitsagentur mit<br />
voller Wucht getroffen. Beide<br />
befinden sich seit Mitte März<br />
im Ausnahmemodus. Die Behörde<br />
hat Dienstzeiten verlängert<br />
und Arbeitsablaufe<br />
geändert, um Firmen und<br />
Leistungsempfängern zu helfen.<br />
Noch immer ist Hans-Joachim Haming,<br />
Chef der Nordhorner Agentur<br />
für Arbeit, erstaunt darüber, in welchem<br />
Ausmaß die Corona-Pandemie<br />
seine Arbeitsverwaltung durcheinandergewirbelt<br />
hat. Praktisch über<br />
Nacht war in der Arbeitsagentur Nordhorn<br />
nichts mehr wie vorher, denn seit<br />
Mitte März haben die Arbeitsagenturen<br />
für den Publikumsverkehr geschlossen.<br />
Wo sonst der persönliche<br />
Kontakt zwischen Kunde und Berater<br />
der Normalfall ist, geht es nun darum,<br />
die Menschen auf anderen Wegen,<br />
nämlich telefonisch oder digital zu<br />
erreichen. Unter anderem wurde eine<br />
zusätzliche Hotline für die telefonische<br />
Erreichbarkeit eingerichtet.<br />
Kurzarbeit als<br />
Hauptthema<br />
Regelrecht überflutet wurde die Agentur<br />
von Fragen zum Kurzarbeitergeld.<br />
Seit Mitte März hat die Nordhorner<br />
Arbeitsagentur über 4000 Anzeigen<br />
auf Kurzarbeit erhalten. Die in den<br />
Anzeigen enthaltene Anzahl der Beschäftigten<br />
liegt bei rund 46.000. Ob<br />
und in welchem Umfang für diese Beschäftigten<br />
dann tatsächlich Kurzarbeit<br />
eintritt, lässt sich allerdings aktuell<br />
nicht prognostizieren.<br />
„Unser oberstes Ziel besteht darin,<br />
mitzuhelfen, dass unsere Betriebe, wo<br />
immer möglich, mit Kurzarbeitergeld<br />
ihr Personal halten, um dann nach der<br />
Krise wieder schnell produktiv sein zu<br />
können.“ In diesem Zusammenhang<br />
weist Haming auf die kurze Bearbeitungszeit<br />
der Anträge hin: „Die dauert<br />
in der Regel nur einige Tage.“<br />
Andere Behörden<br />
helfen mit<br />
Entsprechend hat die Agentur alle<br />
Hebel in Bewegung gesetzt, um die<br />
Zahl der Mitarbeiter im Bereich Kurzarbeit<br />
auszubauen. Verschiedene Maßnahmen<br />
wurden ergriffen, um den<br />
Ansturm zu bewältigen. So wurden<br />
kurzfristig Berufs- und Reha-Berater<br />
geschult, um die telefonische Beratung<br />
zum Thema Kurzarbeitergeld<br />
vornehmen zu können. Ruheständler,<br />
die in der Vergangenheit in Sachen<br />
Kurzarbeit beraten haben, wurden reaktiviert.<br />
Auch Studierende der<br />
BA-Hochschulen in Mannheim und<br />
Schwerin arbeiten mit, und andere<br />
Behörden leisten Amtshilfe.<br />
Flexibilität ist seit Corona ein<br />
Riesenthema in der Agentur. Viele<br />
Beschäftigte arbeiten im Homeoffice:<br />
„Wir haben den Arbeitszeitrahmen<br />
stark ausgeweitet: grundsätzlich von<br />
6 bis 22 Uhr“, sagt Haming. „Die<br />
Mitarbeiter haben sehr gut mitgezogen:<br />
sie sehen, wie sinnvoll ihre Arbeit<br />
ist.“<br />
Digitalisierungsschub<br />
Der Digitalisierungsschub, den die<br />
Corona-Krise der Arbeitsweise der<br />
Nordhorner Arbeitsagentur mit sich<br />
gebracht hat, soll auf jeden Fall auch<br />
nach der Krise genutzt werden. Sowohl<br />
bei den internen Abläufen als<br />
auch im Kontakt mit den Kunden wird<br />
in Zukunft verstärkt auf Videokonferenzen,<br />
Webinare und Chats gesetzt.<br />
„Es funktioniert sehr viel, was vorher<br />
kaum denkbar war“, sagt der Agenturleiter.<br />
Auf den persönlichen Kundenkontakt<br />
will die Behörde aber nicht<br />
verzichten.<br />
Insgesamt ist Haming zufrieden damit,<br />
wie seine Behörde die Krise gemeistert<br />
hat: „Ich glaube, wir haben<br />
die Ausnahmesituation bisher gut gemanagt.<br />
Es liegen aber noch große<br />
Herausforderungen vor uns.“ Haming<br />
denkt da insbesondere an die Bearbeitung<br />
und Berechnung der Anträge auf<br />
Kurzarbeit. Diese treffen nach wie in<br />
großer Zahl ein. Auch das liegengebliebene<br />
Vermittlungs- und Beratungsgeschäft<br />
muss nach und nach aufgeholt<br />
werden. „Aber auch das werden<br />
wir schaffen.“<br />
Von Melanie Jülisch<br />
Oldenburg<br />
Seit Jahren wartet das Oldenburger<br />
Münsterland mit positiven<br />
Entwicklungen auf: Sei<br />
es in Sachen BIP oder der demografischen<br />
Entwicklung,<br />
im Bundesvergleich konnte<br />
die Region stets eine der Spitzenpositionen<br />
einnehmen.<br />
Neu hingegen ist, dass auch<br />
der Tourismus sich zu einer<br />
starken Wirtschaftskraft entwickelt<br />
hat.<br />
Wird der Zeitraum von 2014 bis 2018<br />
betrachtet, so stieg die Zahl der Gäste<br />
um 17,5 Prozent, die der Übernachtungen<br />
um 22,4 Prozent. In einer Studie<br />
des Landkreises Vechta aus dem Jahr<br />
2016 zeigt sich, dass die Gäste im Kreisgebiet<br />
für einen Bruttoumsatz von<br />
129,44 Millionen Euro und eine Wertschöpfung<br />
von knapp 61 Millionen<br />
Euro sorgten. Dies entspricht in etwa<br />
2320 Personen, deren Einkommen<br />
durch Tourismus bestritten wird sowie<br />
einer jährlichen Steuereinnahme der<br />
Kommunen zwischen 2,3 und 2,9 Millionen<br />
Euro.<br />
Dramatische Auswirkungen<br />
„Dass diese Umsätze aufgrund der anhaltenden<br />
Corona-Pandemie starke<br />
Trotz Corona-bedingter Umstellung vieler Prozesse: Die Agentur für Arbeit in<br />
Nordhorn hat die Krise bislang gut gemeistert. Foto: Agentur für Arbeit. Einbußen erfahren, steht unweigerlich<br />
Gezielt den Tourismus stärken<br />
Johannes Knuck will nicht auf die Zahlen, sondern die Menschen<br />
dahinter blicken<br />
fest und nicht zur Debatte“, so Johannes<br />
Knuck, Abteilungsleiter Tourismus<br />
und stellv. Geschäftsführer des Verbunds<br />
Oldenburger Münsterland, der<br />
Dachverband der Landkreise Cloppenburg<br />
und Vechta mit ihren fünf Erholungsgebieten,<br />
der sich auch im überregionalen<br />
Marketing engagiert. „Viel<br />
wichtiger ist in diesem Kontext aber<br />
nicht der Blick auf die Gesamtumsatzzahlen,<br />
sondern auf die Menschen, Betriebe<br />
und Einrichtungen hinter diesen<br />
Zahlen, denn vor allem die Betreiber<br />
und Angestellten der Beherbergungs-,<br />
Gastronomie- und Freizeitbetriebe sind<br />
die Leidtragenden der teils dramatischen<br />
Auswirkungen dieser Pandemie.“<br />
Durch gezielte Kampagnen, angelehnt<br />
an das Stufenmodell der niedersächsischen<br />
Landregierung, wirbt der Verbund<br />
aktuell für die Tourismusbranche.<br />
„Auf diesem Wege standen und<br />
stehen wir unseren Leistungsträgern<br />
zur Seite und konnten erreichen, dass<br />
die Angebote der Region sowohl regional<br />
als auch überregional bekannt gemacht<br />
wurden. Das Feedback seitens<br />
unserer Betriebe und Einrichtungen<br />
zeigt, dass diese Strategie aufgegangen<br />
ist“, sagt Johannes Knuck.<br />
Drei-Schritt-Plan<br />
Schritt 1:<br />
Gestartet wurde eine umfassende Kampagne<br />
zu gastronomischem Angebot und<br />
speziellen Services der Gastronomie<br />
(Liefer- und Bestellservices). Diese Inhalte<br />
wurden auf einer eigens eingerichteten<br />
Website gesammelt und beworben,<br />
auch durch spezielles Content-Marketing:<br />
„Mutmacher-Geschichten“ aus entsprechenden<br />
Betrieben und deren Umgangsweise<br />
und Erfahrungen mit Corona<br />
konnten anderen Betrieben Chancen<br />
aufzeigen und regional für das Angebot<br />
„vor der eigenen Haustür“ werben.<br />
Schritt 2:<br />
Ergänzt wurde diese umfangreiche Content-Marketing-Kampagne<br />
durch vergleichbare<br />
Maßnahmen für Unterkünfte<br />
und Hotels ab dem 25. Mai.<br />
Schritt 3:<br />
Seit dem 8. Juni werden auch die Freizeitbetriebe<br />
im Oldenburger Münsterland<br />
durch die Kampagne unterstützt.<br />
Mit dem Rad lässt sich das Oldenburger Münsterland besonders gut erkunden, so wie hier die Thülsfelder Talsperre. <br />
Foto: OM-Tourismus Johannes Knuck. Foto: Knuck<br />
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04<br />
<strong>Wirtschaftskreuz</strong> Nord-West<br />
Innovativ und wirtschaftlich stark<br />
Das Münsterland: beliebt bei Touristen, lebenswert für Einheimische<br />
Von Jenny Hagedorn<br />
Münster<br />
Das Münsterland ist landschaftlich<br />
schön, bei Touristen<br />
beliebt und Münster als<br />
Oberzentrum ausgezeichneterweise<br />
die „lebenswerteste<br />
Stadt der Welt“. Aber auch<br />
für Arbeitnehmer hat die Region<br />
einiges zu bieten: Ein rasantes<br />
Wirtschaftswachstum,<br />
eine starke Industrie<br />
und eine seit Jahren niedrige<br />
Arbeitslosenquote zeichnen<br />
die Region aus.<br />
Mittelstand als Motor<br />
Besonders kleine und mittelständische<br />
Unternehmen und Familienunternehmen<br />
gelten als wirtschaftlicher<br />
Motor. Nirgendwo in Nordrhein-Westfalen<br />
arbeiten mehr Menschen in mittelständischen<br />
Betrieben. Insgesamt<br />
gibt es hier rund 68.000 Betriebe und<br />
Unternehmen, die wesentlich zur<br />
Wirtschaftskraft des Landes beitragen:<br />
Das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner<br />
ist zwischen 2006 und 2015<br />
um 22 Prozent angestiegen. Die Bruttowertschöpfung<br />
wuchs in den meisten<br />
Branchen im gleichen Zeitraum<br />
sogar deutlich stärker als im<br />
NRW-Durchschnitt.<br />
Der Wirtschaftsstandort Münsterland<br />
umfasst die Stadt Münster sowie die<br />
vier ländlich geprägten Kreise Borken,<br />
Coesfeld, Steinfurt und Warendorf. Im<br />
Nordwesten von NRW gelegen grenzt<br />
das Münsterland an die Niederlande<br />
und Niedersachsen. Obwohl das<br />
Münsterland flächenmäßig die drittgrößte<br />
der neun Regionen Nordrhein-Westfalens<br />
ist, ist es vergleichsweise<br />
dünn besiedelt. Nur 273 Einwohner<br />
leben durchschnittlich auf einem<br />
Quadratkilometer (NRW: 524). Insgesamt<br />
sind hier 1,62 Millionen Menschen<br />
zu Hause.<br />
Agrar und Akademiker<br />
Rund 1,08 Millionen Frauen und Männer<br />
haben hier einen Job – von ihnen<br />
sind etwa 619.000 sozialversicherungspflichtig<br />
beschäftigt. Die Arbeitslosenquote<br />
gehört seit Jahren zu<br />
den niedrigsten in NRW. In keiner<br />
anderen Region haben so viele Bürger<br />
ab 15 Jahren einen Ausbildungs- oder<br />
Hochschulabschluss wie hier. In<br />
Münster ist der Akademikeranteil zudem<br />
so groß wie in keiner anderen<br />
Region.<br />
Das Münsterland zeichnet sich durch<br />
eine große Branchenvielfalt aus. Besonders<br />
stechen dabei die Bereiche Maschinenbau,<br />
Ernährungsgewerbe, Logistik,<br />
Gesundheitswirtschaft, wissensintensive<br />
Dienstleistungen sowie innovative<br />
Werkstoffe und Ressourceneffizienz heraus.<br />
Ebenso spielt die Landwirtschaft<br />
eine wichtige Rolle, vor allem in den<br />
Kreisen Borken, Coesfeld und Warendorf.<br />
Insgesamt erwirtschaftete der<br />
Sektor 1,3 Prozent der Bruttowertschöpfung<br />
– mehr als in jeder anderen<br />
Region – und steuerte damit 31 Prozent<br />
der gesamten landwirtschaftlichen<br />
Bruttowertschöpfung in NRW bei.<br />
Schön und schlau: Die Stadt Münster bietet Sehenswürdigkeiten wie den Prinzipalmarkt und beherbergt gleichzeitig<br />
einen hohen Anteil an Akademikern. <br />
Foto: Stadt Münster<br />
„Es gibt Hoffnungszeichen“<br />
Corona-Auswirkungen im Münsterland: Interview mit Dr. Fritz Jaeckel,<br />
Hauptgeschäftsführer der IHK Nord Westfalen<br />
Von Jenny Hagedorn<br />
Münster<br />
Der Hauptgeschäftsführer<br />
der IHK Nord Westfalen, Dr.<br />
Fritz Jaeckel, äußert sich im<br />
Interview zu den Auswirkungen<br />
des Coronavirus im<br />
Münsterland – sieht aber<br />
gleichzeitig auch Anzeichen,<br />
dass die Region die Krise gut<br />
überstehen kann.<br />
Wie stark ist die Wirtschaft im<br />
Münsterland betroffen?<br />
Das ganze Ausmaß ist noch nicht abschließend<br />
abzusehen. Die Corona-Pandemie<br />
trifft die Wirtschaft auf<br />
jeden Fall in ihrer gesamten Breite.<br />
Regionale Daten zum Arbeitsmarkt<br />
sowie Anzeigen auf Kurzarbeit lassen<br />
den Schluss zu, dass sich das Münsterland<br />
nicht von der gesamtdeutschen<br />
Entwicklung abkoppeln kann. Aber es<br />
gibt Hoffnungszeichen: Mit ihren sehr<br />
vielen spezialisierten Mittelständlern<br />
und nur wenigen Großunternehmen<br />
ist die regionale Wirtschaft sehr breit<br />
und vielfältig aufgestellt. Das macht<br />
sie in Krisen standfest. Die aktuellen<br />
Zahlen zu den Industrieumsätzen im<br />
ersten Quartal zeigen zum Beispiel,<br />
dass das verarbeitende Gewerbe noch<br />
von einem Auftragspuffer zehrt. Eine<br />
starke Nahrungs- und Futtermittelindustrie<br />
hier in der Region sorgt ebenfalls<br />
für Stabilität. Aber es gibt auch<br />
leider große Einbrüche im Dienstleistungssektor,<br />
insbesondere im Reiseund<br />
Gastgewerbe oder der Eventbranche.<br />
Wie schnell wird sich unsere<br />
Wirtschaft wieder erholen?<br />
Da die Situation in vielerlei Hinsicht<br />
neu ist, können seriöse Prognosen<br />
kaum gestellt werden. Was man aber<br />
machen kann, ist anhand verschiedener<br />
Szenarien wahrscheinliche Verläufe<br />
zu zeichnen. Klar zu erkennen<br />
ist, dass die Skepsis gegenüber einer<br />
schnellen Erholung immer mehr zunimmt.<br />
Gingen zu Beginn der Krise<br />
viele Szenarien noch von einem schnellen<br />
Aufschwung nach dem Shutdown<br />
und nach ersten Lockerungen aus,<br />
wird dies mittlerweile als immer unwahrscheinlicher<br />
eingeschätzt. Der<br />
von der Bundesregierung erwartete<br />
Rückgang des Bruttoinlandsprodukts<br />
für 2020 um 6,3 Prozent wird von vielen<br />
Experten als zu optimistisch bewertet.<br />
Einige namhafte Wirtschaftsforschungsinstitute<br />
rechnen inzwischen<br />
mit minus zehn Prozent. Wie<br />
schnell der Erholungsprozess letztlich<br />
voran kommt, hängt nicht zuletzt davon<br />
ab, wie belastbar die Wertschöpfungsketten<br />
sind und wie sich die<br />
Konsum- und Investitionsneigung der<br />
Kunden und Unternehmen hier und in<br />
der Welt nach Corona entwickelt. Bei<br />
der Einschätzung ist aber Vorsicht geboten.<br />
Für großen Optimismus gibt es<br />
leider derzeit wenig Anlass. Durch<br />
unsere aktuellen Konjunkturumfrage<br />
wissen wir, dass der Großteil der Unternehmen<br />
im Münsterland nicht von<br />
einer dynamischen Entwicklung in<br />
den kommenden Monaten ausgeht.<br />
Dr. Fritz Jaeckel, Hauptgeschäftsführer<br />
der IHK Nord Westfalen.<br />
Foto: Mensing/IHK Nord Westfalen<br />
Was bedeutet Corona ganz konkret<br />
für unsere Region?<br />
In den Fußgängerzonen sehen Sie wieder<br />
Menschen, aber Handel und Gastronomie<br />
sind noch weit von ihren<br />
Umsätzen vor Corona entfernt. Dienstleister<br />
mit persönlichem Kundenkontakt<br />
müssen sich teilweise neu erfinden,<br />
um ihre Abläufe an Hygienevorschriften<br />
anzupassen. Einige Geschäftsfelder,<br />
beispielsweise rund um<br />
Freizeit und Events, bleiben nur in<br />
Teilen bestehen oder können gar nicht<br />
bearbeitet werden. Komplexe Wertschöpfungsketten<br />
sind auch in unserer<br />
Region durch lange Lockdowns in anderen<br />
europäischen Ländern betroffen.<br />
Nicht zuletzt sind Menschen und<br />
Unternehmen verunsichert, wie es mit<br />
und nach Corona weitergehen wird.<br />
Unternehmen investieren natürlich<br />
mehr, wenn sie sich ihres Geschäftserfolges<br />
sicher sind. Und auch Mitarbeiter<br />
mit sicheren Arbeitsplätzen konsumieren<br />
mehr als Beschäftigte, die um<br />
ihren Job bangen oder durch Kurzarbeit<br />
weniger Einkommen haben.<br />
Wie stellt sich die Region auf die<br />
Auswirkungen ein?<br />
Zunächst haben sich die Akteure mit<br />
wirtschaftspolitischem Bezug auf verschiedenen<br />
Ebenen schnell und unkompliziert<br />
vernetzt, um das Überleben<br />
möglichst vieler Unternehmen zu<br />
sichern und die erfolgreiche Wirtschaftsstruktur<br />
zu sichern. Das fängt<br />
bei der Bezirksregierung Münster an<br />
und reicht bis auf die Ebene der Städte<br />
und Gemeinden. Auch die IHK ist intensiv<br />
beteiligt. Das Spektrum reicht<br />
von der Hilfe bei unterbrochenen Lieferketten<br />
im Ausland über die Vermittlung<br />
von Auszubildenden aus Insolvenzbetrieben<br />
bis hin zur IHK-Finanzierungshotline.<br />
Allein an dieser Hotline<br />
haben wir über 16.000 Beratungsgespräche<br />
mit Unternehmen geführt.<br />
Es ging um die Beantragung der<br />
NRW-Soforthilfe, aber auch um andere<br />
Finanzierungshilfen.<br />
Was bedeuten die Reisebeschränkungen<br />
für die Logistik?<br />
Der Warentransport ist zunächst einmal<br />
sichergestellt. Probleme bereiten<br />
aber lange Staus an den Grenzen, von<br />
denen wir hier im Münsterland nicht<br />
allzu viel mitbekommen. Die Reisebeschränkungen<br />
haben allerdings das<br />
deutsche Fachkräfteproblem verschärft.<br />
Denn viele Erntehelfer, aber<br />
auch Arbeitskräfte in anderen Bereichen<br />
kommen aus Osteuropa. Sie durften<br />
und dürfen nicht einreisen oder<br />
müssen nach dem Grenzübertritt in<br />
Quarantäne. Letzteres hat auch dazu<br />
geführt, dass viele eingeplante Arbeitskräfte<br />
aus Osteuropa erst gar<br />
nicht nach Deutschland gereist sind,<br />
weil sich der Einsatz hier nicht lohnt.<br />
Was bedeutet die Krise für den<br />
Handel mit dem Ausland?<br />
Der grenzüberschreitende Handel ist<br />
zunächst kaum direkt betroffen, da<br />
die Verbindungen ins Ausland nach<br />
anfänglichen Komplikationen weitgehend<br />
stehen. Probleme dürften vor allem<br />
aus der fehlenden Nachfrage resultieren.<br />
Der Corona-Schock trifft<br />
auch unsere Handelspartner. Das spüren<br />
die Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen<br />
ins Ausland und deren<br />
Zulieferer<br />
Wer sind die Gewinner und<br />
Verlierer der Krise?<br />
Wie in jeder Situation gibt es Unternehmen<br />
oder Branchen, die sich aktuell<br />
besser entwickeln als andere. Kurzfristig<br />
stieg natürlich die Nachfrage<br />
bei Lebensmittel-, Drogerie- oder Baumärkten.<br />
Auch Fahrradhändler stehen<br />
hoch in der Gunst der Kunden. Unternehmen<br />
fragten für die Umstellung<br />
auf Homeoffice und Onlinekommunikation<br />
natürlich bei betreffenden Firmen<br />
verstärkt Leistungen nach. Jedoch<br />
ist langfristig eine gesunde Mischung<br />
in der Unternehmensstruktur<br />
und ein breiter Aufschwung in der<br />
Gesamtregion wichtig, um nachhaltig<br />
Wachstum zu generieren. Wir müssen<br />
verhindern, dass die Betriebe zu Verlierern<br />
werden, die gut gewirtschaftet<br />
und eine Perspektive haben. Darum<br />
sind die schnell umgesetzten Rettungsmaßnahmen<br />
von Bund und Land<br />
ganz wichtig. Die Corona-Pandemie<br />
hat den Megatrend Digitalisierung<br />
noch deutlicher auf die Tagesordnung<br />
gesetzt. Ein anderer Megatrend, der<br />
demografische Wandel, rückt dagegen<br />
gerade etwas in den Hintergrund,<br />
wird aber wieder an Bedeutung gewinnen.<br />
Verlierer werden langfristig<br />
die sein, die sich nicht auf strukturelle<br />
Veränderungen durch beide Megatrends<br />
einstellen. Daran hat die Corona-Krise<br />
grundsätzlich nichts geändert.<br />
Mit Blick auf unsere Unternehmenslandschaft<br />
bin ich optimistisch,<br />
dass die Unternehmerinnen und Unternehmer<br />
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07<br />
„Wir sind sehr zuversichtlich“<br />
Auch in Münster wird an Corona-Medikamenten geforscht<br />
Masken, Maskottchen, Millionen<br />
Osnabrücker Unternehmer produzieren Schutzmasken<br />
Von Jenny Hagedorn<br />
Münster<br />
Weltweit wird nach einem<br />
Medikament gegen das Corona-Virus<br />
gesucht. Auch in<br />
Münster – und das sehr vielversprechend.<br />
Ein Virologe<br />
der Westfälischen Wilhelms<br />
Universität hat bereits vor<br />
Jahren ein Medikament entwickelt,<br />
das nun im Kampf<br />
gegen das Corona-Virus<br />
wichtig werden könnte. Im<br />
Interview erklärt Professor<br />
Stephan Ludwig vom Institut<br />
für Virologie der WWU<br />
Münster, warum er so große<br />
Hoffnungen in dieses Medikament<br />
setzt.<br />
Herr Ludwig, das von Ihnen<br />
mitentwickelte Medikament sollte<br />
eigentlich zur Behandlung von<br />
Atemwegserkrankungen im<br />
Zusammenhang mit Grippe<br />
eingesetzt werden.<br />
Wie sind Sie auf die Idee gekommen,<br />
es beim Corona-Virus zu testen?<br />
Grippe und Corona-Viren gehören<br />
beide zur Gruppe der RNA-Viren. Bei<br />
Grippeviren konnten wir nachweisen,<br />
dass unser Wirkstoff einen doppelten<br />
Nutzen entfaltet: Er hemmt die Viren<br />
und sorgt dafür, dass das Immunsystem<br />
nicht überschießt. Daraufhin haben<br />
wir das Medikament auch auf<br />
Wirkung gegen das Corona-Virus untersucht.<br />
Dort konnten wir den doppelten<br />
Nutzen ebenfalls nachweisen.<br />
Das Medikament war eigentlich auf<br />
der Stufe zur Phase-2-Studie, sollte<br />
Anfang des kommenden Jahres in einer<br />
klinischen Studie gegen Influenza<br />
erstmalig an Patienten getestet werden.<br />
Dieses werden wir nun bereits im<br />
Juli mit Covid 19 vorziehen. Dabei<br />
werden viele Daten erfasst, gesammelt<br />
und ausgewertet. Wenn das Medikament<br />
positiv anschlägt, könnte es im<br />
kommenden Jahr bereits bei ausgewählten<br />
Patienten eingesetzt werden.<br />
Was ist das Besondere an dem<br />
Medikament?<br />
Das Besondere ist sein zweigeteilter<br />
Wirkmechanismus. Einerseits bekämpft<br />
es den Erreger selbst. Andererseits<br />
wirkt es darüber hinaus gegen<br />
die Immunantwort der Zelle auf das<br />
Corona-Virus. Diese Immunantwort<br />
ist die Reaktion des Immunsystems<br />
auf die Konfrontation des Körpers mit<br />
den Corona-Viren. Von den etwa 140<br />
derzeitigen Wirkstoffentwicklungen<br />
auf der Welt haben nur eine Handvoll<br />
diese beiden Wirkmechanismen. Das<br />
hat also schon Seltenheitswert. Vor<br />
allem in einem späteren Verlauf der<br />
Erkrankung, in dem nicht mehr das<br />
Corona-Virus selbst, sondern das<br />
überschießende Immunsystem sich<br />
gegen den menschlichen Körper richtet,<br />
ist das wichtig.<br />
<br />
Welche Herausforderungen<br />
mussten Sie in den vergangenen<br />
Monaten bewältigen?<br />
Eine Herausforderung bestand darin,<br />
die Fachwelt von unserer These zu<br />
Foto: Rolf Vennenbernd/dpa<br />
Professor Stephan Ludwig vom Institut für Virologie der WWU Münster.<br />
<br />
Foto: WWU Münster<br />
überzeugen: Diese besagt, wenn man<br />
den Viren ihre Vermehrungsgrundlage<br />
in den Zellen nimmt – also einen<br />
Faktor, den das Virus in der Zelle<br />
braucht, hemmt –, sich die Viren nicht<br />
weiter vermehren. Das gleicht einem Von Christoph Lützenkirchen<br />
Paradigmenwechsel. Daran schließt<br />
sich die zweite Herausforderung an: Osnabrück<br />
Wie setzt man das in einen weiteren Von heute auf morgen wurde<br />
Anwendungsansatz? Was uns in den<br />
in Deutschland eine Maskenpflicht<br />
in bestimmten Situati-<br />
kommenden Monaten darüber hinaus<br />
noch beschäftigen wird, ist außerdem<br />
die Finanzierung der Entwicklung. onen eingeführt. In der Region<br />
haben sich zahlreiche<br />
Denn eigentlich wollten wir viel später<br />
mit den klinischen Studien starten,<br />
Unternehmen und Privatper-<br />
mit der Maskenpro-<br />
die Gespräche mit den Investoren sind<br />
noch nicht final geführt und die Pha-sonese-2-Studien<br />
kosten Geld.<br />
duktion beschäftigt.<br />
Was macht die derzeitige Arbeit „Ich habe mir das zur Aufgabe gemacht,<br />
weil mich sowas triggert“, sagt<br />
so einmalig?<br />
Niemand unserer Mitarbeiter im La-Stefanibor hatte bisher ein Corona-Virus in werden, die ich neu denke. Die Anlei-<br />
Ludwig: „Es sollte eine Maske<br />
der Hand. Das war für uns alle ganz tungen, die man im Internet finden<br />
neu. Zudem mussten wir unter Hoch-konntesicherheitsbedingungen arbeiten. Das Inhaberin der Kostümwerkstatt in<br />
waren unbefriedigend.“ Die<br />
gesamte Team hat sich voller Motiva-Hagetion, mit Energie und Kreativität der hochwertigen Maskottchen. Diese lief<br />
a.T.W. verdient ihr Geld mit<br />
Aufgabe gewidmet, auch am Wochen-lauende viel gearbeitet. Da muss ich ein ohne Einschränkungen weiter.<br />
Ludwig auch während der Krise<br />
großes Lob aussprechen.<br />
Dennoch tüftelte die Schneiderin<br />
mehrere Nächte an ihrem Modell einer<br />
Sie wirken optimistisch. Maske. Sie sollte angenehm zu tragen<br />
Stephan Ludwig: Ja, wir sind sehr zu-seinversichtlich. In ersten Studien konn-ohne Gummibänder. Ludwig: „Außer-<br />
gut waschbar, ohne Nähte und<br />
ten wir die beschriebene doppelte dem sollten Sie möglichst jedem pas-<br />
Sie bestehen aus einem Vliesmate-<br />
Wirkungsweise an menschlichen Zel-senlen<br />
mit Virusisolaten von Corona-Pati-rialenten nachweisen. Wir konnten zei-Nachbarschaft beziehe. Der Vorteil<br />
das ich über eine Strickerei in der<br />
gen, dass sich die Viren nachhaltig von Vlies ist, dass man dadurch atmen<br />
zurückdrängen lassen. Somit steht kann.“ Insgesamt 2500 Stück ihrer<br />
laut der Zulassungsbehörde, dem Bun-Eigenschöpfundesinstitut für Arzneimittel und Medi-produziert, gut 500 davon wurden<br />
hat Stefanie Ludwig<br />
zinprodukte, weiteren Studien nichts verkauft. „Nun ist der Hype vorbei. Die<br />
mehr im Weg.<br />
restlichen Masken liegen jetzt hier. Ich<br />
In der Werkstatt der Hagenerin Stefanie Ludwig entstehen nicht nur<br />
Stoffmaskottchen, sondern jetzt auch Schutzmasken. <br />
Foto: Ludwig<br />
verkaufe sie nach und nach über einen<br />
Stand an der Straße, so wie man das<br />
von Eiern und Schnittblumen kennt“,<br />
sagt sie. Die Masken kosten fünf Euro<br />
das Stück.<br />
Produktion im<br />
großen Stil<br />
Im großen Stil ist das Osnabrücker<br />
Unternehmen Zender in die Produktion<br />
von Schutzmasken eingestiegen.<br />
„Als Automobilzulieferer haben wir<br />
ein hohes Know-how und langjährige<br />
Erfahrungen in der Verarbeitung von<br />
hochwertigen Textilien und Vliesstoffen.“,<br />
erklärt Norbert Borner, Geschäftsführer<br />
und Gesellschafter von<br />
Zender Germany. Schon Anfang April<br />
begann man, die ersten Masken herzustellen.<br />
Die Planungen dafür liefen allerdings<br />
bereits, seit im März ein Hilferuf<br />
aus Italien in Osnabrück einging.<br />
Die Zender-Muttergesellschaft sitzt im<br />
norditalienischen Caorle. Erste Prototypen<br />
wurden hergestellt und Labortests<br />
durchgeführt. Schnell erhielten<br />
die Osnabrücker eine Zulassung des<br />
Bundesinstituts für Arzneimittel und<br />
Medizinprodukte (BfArM) zum in Verkehr<br />
bringen sogenannter Corona-SARS-Cov-2-Pandemieatemschutzmasken.<br />
Die Masken sind zum Selbstund<br />
Fremdschutz geeignet und kommen<br />
in Einrichtungen des Gesundheitswesens<br />
zum Einsatz. Sie werden<br />
auch als ‚FFP2‘ oder ‚FFP3‘ Masken<br />
bezeichnet. Zukünftig will Zender zudem<br />
einfachere OP-Masken in hoher<br />
Stückzahl herstellen.<br />
„Anfang April sind wir mit fünf Produktionslinien<br />
an den Start gegangen,<br />
zurzeit sind es 15“, sagt Geschäftsführer<br />
Borner. Von der manuellen Produktion<br />
stellt Zender aktuell auf eine<br />
vollautomatische Produktion um. Dafür<br />
investiert das Unternehmen in<br />
Millionenhöhe. Mit Hilfe der Automatisierung<br />
will man wöchentlich mehrere<br />
Millionen unterschiedlicher Maskentypen<br />
am Standort Osnabrück herstellen.<br />
Mit seinem neuen Geschäftsbereich<br />
konnte Zender wegbrechende Aufträge<br />
der Autoindustrie kurzfristig<br />
kompensieren. Vor der Krise beschäftigte<br />
das Unternehmen in Osnabrück<br />
50 Mitarbeiter, aktuell sind es 300.<br />
Dennoch ist man kontinuierlich auf<br />
der Suche nach qualifiziertem Fachpersonal<br />
aus der Textilverarbeitung.<br />
„Inzwischen haben wir stabile Kundenkontakte<br />
für die Masken aufgebaut“,<br />
sagt Lena Guth. Die Produktion<br />
in Deutschland werde sehr begrüßt.<br />
Kurze Wege wirkten in der Krise beruhigend.<br />
Der Markt zeige Bereitschaft,<br />
die Masken auch dauerhaft abzunehmen.<br />
Weben, Beschichten, Laminieren,<br />
Heytex aus Bramsche entwickelt und<br />
produziert technische Textilien. Das<br />
Unternehmen bietet ab Lager thermofixierte<br />
Polyesterwirkware zur Produktion<br />
von Behelfs-Mund-Nase-Masken<br />
an. Das Material passe sich der<br />
Gesichtskontur besser an als Webware,<br />
heißt es bei Heytex. Es ist den<br />
Angaben zufolge kochfest und kann<br />
bei 90°C gewaschen werden. Außerdem<br />
haben die Bramscher auch fertig<br />
konfektionierte Behelfs-Mund-Nasen-Masken<br />
im Angebot.<br />
Masken für den<br />
Rosenhof<br />
Mit den Masken des neu gegründeten<br />
Osnabrücker Labels „Wear to go“ sollen<br />
nicht nur ihre Träger geschützt,<br />
sondern auch der Veranstaltungsort<br />
Rosenhof gerettet werden. Initiatorin<br />
ist die Rosenhof-Betreiberin Goldrush<br />
Productions. Ganz in schwarz, mit<br />
Bananen, mit einem Schnäuzer oder<br />
der Aufschrift „Ich komm zum Glück<br />
aus Osnabrück“ – zahlreiche Motive<br />
zieren die Atemschutzmasken von<br />
Wear to go. Hergestellt werden sie von<br />
dem Textilunternehmen Backdrop,<br />
das sonst Bühnenvorhängen anfertigt.<br />
Das Bramscher Siebdruckunternehmen<br />
DressDruck hat das Bedrucken<br />
der Masken übernommen. Gemeinsam<br />
soll es gelingen, den Rosenhof zu<br />
retten. Die Masken können nur online<br />
unter www.weartogo.de gekauft<br />
werden.<br />
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09<br />
„Nordhorn wird auch diese Krise meistern“<br />
Interview: Wie die Grafschafter Kreisstadt und Emlichheim mit dem Lockdown kämpfen<br />
Ebbe in den Kassen<br />
Die Städte und Gemeinden der Region ziehen die Reißleine<br />
Von Peter Zeiser<br />
Nordhorn/Emlichheim<br />
Gerade einmal 25 Jahre ist es her,<br />
als mit der Firma NINO der letzte<br />
Nordhorner Textilriese seine Produktion<br />
einstellte. Doch die Kreisstadt<br />
der Grafschaft Bentheim ist<br />
wie ein Phönix aus der Asche aufgestiegen.<br />
Bewältigen werde die<br />
Stadt auch die Corona-Krise, ist<br />
sich Wirtschaftsförderer Karsten<br />
Müller sicher. Unsere Zeitung<br />
sprach mit ihm und seinem Emlichheimer<br />
Amtskollegen Dieter<br />
Lindschulte über den Lockdown.<br />
Nordhorn hat mehr als 22.200 Beschäftigte<br />
in über 4500 Betrieben.<br />
In Emlichheim sind es gut 4500<br />
Arbeitnehmer, davon gut 1000 im<br />
GVZ Europark als grenzüberschreitendem<br />
Industriegebiet.<br />
Welche Flurschäden hat der weltweite<br />
Lockdown schon in der<br />
Wirtschaft vor Ort angerichtet?<br />
Gibt es Entlassungen oder gar Insolvenzen?<br />
Müller: Die Frage nach den Flurschäden<br />
kann zum jetzigen Zeitpunkt noch<br />
niemand seriös beantworten. Ohne<br />
Frage gibt es schwere Auswirkungen<br />
in fast allen Wirtschaftsbereichen.<br />
Zum Glück verfügen wir in Nordhorn<br />
und der Grafschaft über einen robusten,<br />
breit aufgestellten Branchenmix<br />
in unserer mittelständisch geprägten<br />
Wirtschaft. Wenig betroffen von der<br />
Corona-Krise ist beispielsweise das<br />
Baugewerbe, wo nahezu unverändert<br />
weitergearbeitet wird. Andere Branchen<br />
mussten und müssen bis heute<br />
sehr starke Einschnitte hinnehmen<br />
wie zum Beispiel der Einzelhandel.<br />
Andere überdenken ihr Geschäftsmodell<br />
zumindest in Teilen und versuchen<br />
so, den Betrieb krisenfest aufzustellen.<br />
Mit Erspartem, sonstigen<br />
Rücklagen und auch den staatlichen<br />
Förderungen wird versucht, die Zeit<br />
zu überbrücken. Mit zunehmender<br />
Dauer wird das aber für die Betriebe<br />
immer schwieriger.<br />
Lindschulte: Unsere Unternehmen<br />
sind unterschiedlich betroffen vom<br />
weltweiten Lockdown. Während es<br />
Bereiche gibt, die es wirtschaftlich<br />
wenig bis gar nicht erwischt hat, haben<br />
wir leider auch Unternehmen, die<br />
ihre Aktivitäten reduzieren oder sogar<br />
komplett einfrieren oder einstellen<br />
mussten wie zum Beispiel Gastronomie<br />
oder Reiseanbieter. Einige Unternehmen<br />
haben trotz der Umsatzeinbußen<br />
ihr Personal nicht entlassen und<br />
nutzen das Kurzarbeitergeld. Insolvenzen<br />
hat es vor Ort bislang coronabedingt<br />
nicht gegeben.<br />
Haben die Zuschuss- und Kreditprogramme<br />
von Bund und Land<br />
gegriffen und Schlimmeres verhindern<br />
können?<br />
Müller: Nach unserer Beobachtung<br />
in der Wirtschaftsförderung werden<br />
die Hilfsangebote von den betroffenen<br />
Betrieben gut angenommen. Sowohl<br />
die sehr stark nachgefragte Soforthilfe<br />
als auch die Liquiditätskredite und die<br />
KfWProgramme erfahren regen Zuspruch<br />
und helfen den Betrieben, die<br />
Zeit zu überbrücken. Bis zum 15. Mai<br />
wurden seitens der NBank bereits<br />
mehr als 1650 Soforthilfe-Anträge von<br />
Grafschafter Betrieben mit einer Gesamtsumme<br />
von rund 11,6 Millionen<br />
Euro bewilligt. In einigen Fällen konnten<br />
wir als Wirtschaftsförderung über<br />
unsere engen Kontakte zur NBank<br />
dabei helfen, dass Unternehmen ihre<br />
Anträge korrekt stellen konnten und<br />
die Gelder dann auch schnell ausgezahlt<br />
wurden.<br />
Lindschulte: Sicherlich haben diese<br />
Programme den Unternehmen in dieser<br />
besonders schwierigen Lage geholfen,<br />
Liquiditätsengpasse zu überbrücken.<br />
Nun hoffen wir, dass die schrittweisen<br />
Lockerungen den Betrieben<br />
Perspektiven geben, in der neuen Normalität<br />
wieder Fuß zu fassen. Denn<br />
bei allen Hilfen ist zu bedenken, dass<br />
jeder Kredit auch getilgt werden muss.<br />
Vieles, was seit dem Lockdown nicht<br />
erwirtschaftet werden konnte, kann<br />
auch nicht nachgeholt werden.<br />
Als Wirtschaftsförderer sind Sie<br />
in dieser Krise ja besonders gefordert.<br />
Inwiefern haben Sie auch<br />
selbst Betrieben helfen können<br />
und tun es noch immer?<br />
Müller: In der Tat erleben wir derzeit<br />
einen sehr hohen Beratungs- und Informationsbedarf<br />
der Wirtschaft.<br />
Viele kleine und mittlere Betriebe sowie<br />
Selbstständige mit wenig oder<br />
ohne Personal haben in den vergangenen<br />
Wochen telefonisch oder per<br />
E-Mail ihre Fragen bei uns platziert,<br />
sich beraten lassen und unser Netzwerk<br />
zu anderen Institutionen in Anspruch<br />
genommen. Mit gezielten Informationen<br />
wenden wir uns auch<br />
immer direkt an die Unternehmen.<br />
Die Gespräche haben uns gezeigt, dass<br />
es den Betrieben enorm hilft, diese<br />
wesentlichen und gesicherten Fakten<br />
schnell, strukturiert und vorgefiltert<br />
zu erhalten. Denn angesichts der Informationsflut<br />
zum Thema Corona<br />
und der unterschiedlichen Regelungen<br />
in den einzelnen Bundesländern<br />
ist es manchmal schwer, den Überblick<br />
zu behalten.<br />
Lindschulte: Die Hilfen sind sehr<br />
individuell. Den Unternehmen geht es<br />
nicht nur um finanzielle Unterstützungen<br />
oder um Kurzarbeitergeld. So<br />
haben wir hier zum Beispiel Unternehmen<br />
begleitet bei der Rückkehr von<br />
ausländischen Mitarbeitern.<br />
Gibt es realistische Perspektiven<br />
für die Rückkehr zu normalen<br />
Verhältnissen? Wie schätzen Sie<br />
die Lage ein?<br />
Müller: Das ist schwer zu sagen.<br />
Ohne einen Impfstoff werden wir alle<br />
noch lange mit gewissen Einschränkungen<br />
leben und arbeiten müssen.<br />
Der Vorteil für Nordhorn ist, dass unsere<br />
Wirtschaft insgesamt robust aufgestellt<br />
ist. Seit dem Niedergang der<br />
Textilindustrie hat sich bei uns eine<br />
breit diversifizierte Branchenstruktur<br />
entwickelt. Politik und Verwaltung<br />
haben wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen<br />
geschaffen.Wenn<br />
nun einzelne Unternehmen von der<br />
Krise besonders getroffen werden, Von Christoph Lützenkirchen<br />
dann bleibt die heimische Wirtschaft<br />
insgesamt trotzdem stabil.<br />
Osnabrück<br />
Lindschulte: Die schrittweisen Lo-Soforthilfenckerungen geben den Unternehmen<br />
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Hoffnung. Allerdings ist davon auszugehen,<br />
dass die Abstands- und Hygie-ineregeln uns noch lange begleiten das Geld der öffentlichen<br />
der Corona-Krise scheint<br />
werden. Diese Maßgaben stellen für Hand locker zu sitzen. Für<br />
Unternehmen aus Bereichen wie zum<br />
Bund und Länder gilt das un-<br />
Auf Ebene der<br />
Beispiel körpernahe Dienstleistungen<br />
oder Gastronomie eine große Heraus-eingeschränktforderung<br />
dar, verbunden mit Zusatz-Kommunekosten und geringeren Umsatzmög-ganz anderes Bild.<br />
bietet sich ein<br />
lichkeiten. Im Veranstaltungsbereich<br />
werden wir noch einige Zeit warten<br />
müssen, bis wieder Stadtfeste oder Schon vor Ausbruch der Krise stand es<br />
Ähnliches angeboten werden können. um die Finanzen vieler Gemeinden in<br />
der Region nicht zum Besten. Die Gewerbesteuereinnahmen<br />
der Stadt Lingen<br />
lagen im Oktober 2019 bei 22<br />
Millionen Euro, im Haushalt eingeplant<br />
waren 32 Millionen. Der Rat der<br />
Stadt Werlte verabschiedete aufgrund<br />
sinkender Einnahmen bei der Gewerbesteuer<br />
einen Nachtragshaushalt für<br />
das Jahr 2019, der Einbußen und einen<br />
neuen Kredit über 1,7 Millionen Euro<br />
umfasste. Auch die Gemeinden Melle<br />
und Belm klagten über sinkende Steuereinnahmen.<br />
Vom Überschuss ins<br />
Minus<br />
Karsten Müller, Wirtschaftsförderer<br />
der Stadt Nordhorn (links).<br />
Dieter Lindschulte, Wirtschaftsförderer<br />
der Samtgemeinde Emlichheim. nanzchef der Stadt Osnabrück, prog-<br />
Dann kam Corona. Thomas Fillep, Fi-<br />
<br />
Fotos: privatnostizierte Mitte Mai, einen Einbruch<br />
Durch die Corona-Krise haben viele Kommunen deutlich geringere Einnahmen. <br />
der Gewerbesteuereinnahmen im ersten<br />
Halbjahr um mindestens ein Viertel.<br />
Bis zum Jahresende könne der<br />
Rückgang bis auf 50 Prozent wachsen.<br />
Unternehmen führen ihre Gewerbesteuer<br />
viermal im Jahr für die jeweils<br />
folgenden Monate an die Kommune<br />
ab. Die Stadt Osnabrück kam den Unternehmen<br />
in der Krise entgegen und<br />
bot ihnen auf Antrag eine zinslose<br />
Stundung der Gewerbesteuervorauszahlung<br />
oder sogar eine Herabsetzung<br />
auf Null an. Im Ergebnis fehlten der<br />
Stadt Mitte Mai schon 28 Millionen<br />
Euro an Gewerbesteuereinnahmen.<br />
Immerhin gehört die Stadt Osnabrück<br />
zu den Gemeinden, die vor Ausbruch<br />
der Pandemie gut dastanden: der<br />
Haushaltsüberschuss belief sich 2019<br />
auf 19,2 Millionen Euro.<br />
In der Kasse der Stadt Georgsmarienhütte<br />
klaffte Anfang Juni ein Loch von<br />
8,9 Millionen Euro. Die Einnahmen<br />
der Kommune sind drastisch gesunken.<br />
Bei der Gewerbesteuer fehlen fast<br />
fünfeinhalb Millionen Euro. Für die<br />
Einnahmen aus der Einkommen- und<br />
Umsatzsteuerbeteiligung hat die Verwaltung<br />
der Stadt einen voraussichtlichen<br />
Rückgang von mehr als 20 Millionen<br />
Euro im Vorjahr auf nur noch<br />
knapp zwei Millionen Euro errechnet.<br />
Im Rat der Stadt hofft man auf Hilfen<br />
von Bund und Land.<br />
Investitionen<br />
ausgesetzt<br />
Den Kommunen steht das Wasser bis<br />
zum Halse. Schon stellen sie wichtige<br />
Zukunftsinvestitionen zurück. In<br />
Meppen konnte der Abriss des alten<br />
Rathauses an der Kirchstraße gerade<br />
noch gestoppt werden. Eigentlich<br />
sollte der Rat der Stadt<br />
im Juni den Auftrag an<br />
einen Generalunternehmer<br />
für ein neues<br />
Rathaus beschließen.<br />
Das Gebäude sollte bis<br />
2021 fertig gestellt werden und insgesamt<br />
acht Millionen Euro kosten.<br />
Doch nun rechnet die Stadt im<br />
Emsland mit nur noch knapp 21 Millionen<br />
Euro Einnahmen aus der Gewerbesteuer,<br />
ursprünglich hatte man mit<br />
„In den ersten Wochen der Pandemie<br />
waren die Einbrüche dramatisch“, so<br />
der Meppener Bürgermeister Helmut<br />
Knurbein Anfang Juni. Zunächst hatte<br />
die Gemeinde sogar ein Finanzloch<br />
von rund neun Millionen Euro befürchtet.<br />
Inzwischen habe sich die Situation<br />
leicht entspannt. Erste Gelder<br />
bei der Gewerbesteuer seien sogar bereits<br />
wieder in den Stadtsäckel geflossen.<br />
Gerade der Mittelstand scheine<br />
Mit einer Haushaltssperre reagierte<br />
die Stadt Quakenbrück Mitte Mai auf<br />
die Ebbe in den Kassen. Konkret heißt<br />
das, dass 25 Prozent der im Etat 2020<br />
genannten Ansätze für Aufwendungen<br />
und Auszahlungen der laufenden<br />
Verwaltungstätigkeit gesperrt wurden.<br />
Der Ertragseinbruch bei der Gewerbesteuer<br />
belief sich nach Berechnungen<br />
der Verwaltung auf fast 50<br />
Prozent. Der Rückgang betrage rund<br />
26 Millionen Euro kalkuliert.<br />
halbwegs glimpflich davonzukommen.<br />
3,5 Millionen Euro.<br />
Foto: iStock
10<br />
<strong>Wirtschaftskreuz</strong> Nord-West<br />
<strong>Wirtschaftskreuz</strong> Nord-West<br />
11<br />
MaßArbeit<br />
Wigos<br />
„Die MaßArbeit gehört gemeinsam<br />
mit der Wirtschaftsförderung Wigos<br />
zum Geschäftsbereich Wirtschaft<br />
und Arbeit des Landkreises<br />
Osnabrück. Für den Blick auf die<br />
Unternehmen ist die Wigos zuständig,<br />
während die MaßArbeit sich mit<br />
dem Arbeitsmarkt befasst. Die Maß-<br />
Arbeit ist als kommunales Jobcenter<br />
im Landkreis Osnabrück für die<br />
Umsetzung des SGB II zuständig.<br />
Damit haben wir alles unter einem<br />
Dach und können flexibel agieren.<br />
Wir sind Jobcenter, wir vermitteln,<br />
beraten und qualifizieren. Sofern es<br />
sich um Bezieher von Arbeitslosengeld<br />
II (Hartz IV) handelt, sind wir<br />
auch für ganze Familien sog. Bedarfsgemeinschaften<br />
zuständig.<br />
Dazu gehört beispielsweise, dass wir<br />
junge Menschen in Ausbildungsstellen<br />
vermitteln.<br />
Während der Coronakrise meldeten sich viele<br />
Selbstständige bei uns. Diese haben oft<br />
keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I.<br />
Wir haben in unserem Business Zentrum<br />
ein Team speziell für Selbstständige.<br />
Es gab in dieser Zeit eine vereinfachte<br />
Antragsstellung, um den<br />
Zugang zum Arbeitslosengeld II<br />
zu beschleunigen. Das sogenannte<br />
Sozial-Schutzpaket<br />
sorgt für einen erleichterten<br />
Zugang zum SGB II. Das beinhaltet<br />
beispielsweise das<br />
Aussetzen einer Vermögensprüfung.<br />
Wir haben dafür gesorgt,<br />
dass alles online, digital<br />
und telefonisch bearbeitet<br />
werden konnte. Es ging erst<br />
einmal darum, vielen Menschen<br />
den Zugang zu ermöglichen.<br />
Die Bedeutung<br />
der Digitalisierung in diesem<br />
Bereich wächst rasant.<br />
Viele Menschen kommunizieren<br />
gar nicht mehr per E-Mail,<br />
sondern nur noch über das<br />
Smartphone. Wir arbeiten schon<br />
länger an einer kompletten Online-Lösung,<br />
bei der alles auf dem<br />
Smartphone erledigt werden kann.<br />
Die Krise hat das beschleunigt. Vermutlich<br />
werden wir eines der ersten<br />
kommunalen Jobcenter sein, das die digitale<br />
Antragstellung einführt. Das ist eine<br />
der Konsequenzen aus den letzten Wochen.<br />
Die Kommunikationsformen in der Pandemie<br />
sind andere. Wir haben die neue App „Ausbildung<br />
plus“ ins Leben gerufen. Die richtet sich<br />
an junge Menschen. Viele von ihnen konnten<br />
ihre Ausbildung nicht fortsetzen, andere haben<br />
Sorge, ob sie einen Ausbildungsplatz finden. Mit<br />
der App bieten wir ihnen einen Weg, digital mit<br />
uns zu kommunizieren. Populäre Dienste wie<br />
WhatsApp dürfen wir aus Datenschutzgründen<br />
nicht einsetzen.<br />
Ein weiteres großes Thema in der Krise waren<br />
die Erntehelfer. Wir haben einen Aufruf gestartet<br />
und versucht, Schüler für die Arbeit auf den<br />
Bauernhöfen zu gewinnen. Am Ende durften<br />
dann aber doch rumänische Erntehelfer einreisen.<br />
Aktuell nehmen einige Unternehmen ihre Arbeit<br />
wieder auf, wir wissen das beispielsweise<br />
von Fahrschulen. In dieser Übergangszeit können<br />
Selbstständige parallel noch Arbeitslosengeld<br />
II beziehen. Wir sind sehr gespannt auf die<br />
weitere Entwicklung.“<br />
Lars Hellmers<br />
Vorstand MaßArbeit<br />
„Von Mitte März bis Ende April<br />
wandten sich fast 1500 Unternehmen<br />
an unsere eigens eingerichtete<br />
Hotline. Anfragen kamen überwiegend<br />
von Kleinst- und Soloselbständigen<br />
wie Dozenten, Journalisten,<br />
Künstlern, Alleinunterhaltern oder<br />
Fotografen. Es meldeten sich aber<br />
auch kleine Handwerksbetriebe wie<br />
Friseure, Gastronomen, Unternehmer<br />
aus der Eventbranche, Messebauer,<br />
Taxiunternehmer oder Fahrschulen.<br />
Dabei ging es vor allem um<br />
mögliche finanzielle Hilfen, Kurzarbeit,<br />
Hygienevorschriften und Quarantäneregeln<br />
sowie Lohnkostenerstattungen<br />
nach dem<br />
MASSNAHMEN GEGEN ARBEITSLOSIGKEIT<br />
Was die Agentur für Arbeit, die MaßArbeit und Wigos<br />
in Stadt und Land Osnabrück unternehmen<br />
Infektionsschutzgesetz. Ein häufiges<br />
Thema waren der persönliche Lebensunterhalt,<br />
Lohnkosten und ob<br />
auch Soloselbständige Anspruch darauf<br />
haben. Auch Kosten für Mieten<br />
und Leasing waren für viele ein Problem.<br />
Die Menschen standen unmittelbar<br />
unter Druck.<br />
Besonders Kleinstunternehmen profitierten<br />
nur marginal von den Soforthilfen, weil diese<br />
eine Förderung nur für Betriebskosten vorsahen.<br />
Oft blieb dann als einzige Option die Maßarbeit,<br />
wo die Betroffenen Hilfe zum Lebensunterhalterhalt<br />
beantragen konnten (Hartz IV).<br />
Anfangs wurden wir von den Anfragen regelrecht<br />
überschwemmt. Wir haben dann das<br />
Personal bis auf neun Mitarbeiter in einer<br />
Schicht aufgestockt. Kollegen aus der Maßarbeit<br />
und anderen Abteilungen unterstützen<br />
uns.<br />
Auch größere Unternehmen haben uns angerufen,<br />
da ging es aber eher um Fragen zur sogenannten<br />
Allgemeinverfügung. Das ist die Verordnung<br />
von Stadt und Landkreis, die zum<br />
Beispiel die Öffnung von Schulen und Geschäfte<br />
regelt oder die Hygienevorschriften. Die Nachrichtenlage<br />
war ständig in Bewegung, man<br />
spürte die Unsicherheit bei den Unternehmen.<br />
Heute richten sich die Anfragen<br />
schwerpunktmäßig auf weitere Fördermittel,<br />
den Digitalbonus und die<br />
Beratungsförderung des Bundes.<br />
Wir gelangen nach und nach wieder<br />
in unser normales Geschäft.<br />
Eine wichtige Rolle spielt da<br />
auch das Thema Kurzarbeit.<br />
Im ersten Schritt klären wir<br />
mit den Unternehmen, was<br />
für konkrete Probleme vorliegen.<br />
Dann weisen wir auf<br />
mögliche Förderhilfen hin.<br />
Der gesamte Informationsaustausch<br />
erfolgt telefonisch<br />
und per Mail. Ganz<br />
wichtig für die Unternehmen:<br />
Wir können die richtigen<br />
Ansprechpartner für<br />
das weitere Procedere vermitteln.<br />
Die Förderanträge<br />
des Landes Niedersachsen<br />
waren relativ schmal gehalten.<br />
Wir haben den Unternehmen<br />
teilweise auch dabei geholfen.<br />
Bei der NBank brach gleich zu<br />
Beginn der Server zusammen, weil<br />
es zu viele Anfragen gab. Auf eine<br />
solche Situation war niemand vorbereitet.<br />
Dennoch wurden die Hilfen in<br />
Niedersachsen schnell ausgezahlt.“<br />
Was die Agentur für Arbeit, die MaßArbeit und Wigos in Stadt und Land Osnabrück unternehmen<br />
Thomas Serries<br />
Leitung Unternehmensservice Wigos<br />
Hermes & Partner<br />
NWZ<br />
Agentur für Arbeit<br />
„Im Mai 2020 hatten wir in Stadt<br />
und Landkreis Osnabrück 3300 Arbeitslose<br />
mehr als im Mai 2019. Das<br />
entspricht einem Plus von 28 Prozent.<br />
Insgesamt waren gut 15.000 Menschen<br />
arbeitslos gemeldet. Der Anstieg<br />
begann schon im April mit einem<br />
Zuwachs um 1800 Arbeitslose .<br />
Von April auf Mai war es erneut ein<br />
Zuwachs um knapp 800. Im Mai fiel<br />
das Wachstum dann etwas geringer<br />
aus.<br />
Von Mitte März bis zum 27. Mai haben 5870 Betriebe<br />
konjunkturelle Kurzarbeit angezeigt. Das<br />
betraf mehr als 70.000 Mitarbeiter. Ich betone,<br />
die Kurzarbeit wurde nur angezeigt. Wie viele<br />
Menschen dann tatsächlich in Kurzarbeit gingen,<br />
können wir erst nach Ablauf von drei Monaten<br />
endgültig feststellen. Denn der Betrieb hat<br />
diese drei Monate Zeit, um die Erstattung von<br />
gezahltem Kurzarbeitergeld zu beantragen.<br />
Wenn dann tatsächlich alle 70.000 Mitarbeiter<br />
betroffen gewesen wären, entspräche das jedem<br />
dritten Beschäftigten in der Region.<br />
Im Mai haben wir gut 10 Millionen Euro für<br />
Kurzarbeit in der Stadt und im Landkreis ausgegeben.<br />
Darin enthalten sind aber auch Leistungen,<br />
die schon vor Ausbruch der Corona-Krise<br />
beantragt wurden. Die meisten Betriebe meldeten<br />
sich im März und im April, im Mai kamen<br />
nur noch 407 Unternehmen hinzu. Zum Vergleich:<br />
Im Vorjahreszeitraum beantragten im<br />
April und Mai insgesamt 25 Betriebe Kurzarbeit.<br />
Den Ansturm auf unsere für die Kurzarbeit zuständige<br />
Abteilung konnten wir ganz gut bewältigen,<br />
weil wir die Zahl der Mitarbeiter im betroffenen<br />
Team von 24 auf bis zu 224 gesteigert haben.<br />
Aktuell sind noch 172 Kollegen in diesem<br />
Bereich beschäftigt. Das Team, das sich um die<br />
Auszahlung des Arbeitslosengeldes kümmert,<br />
haben wir von regulär 85 Mitarbeitern für die<br />
Spitzenzeit Mitte Juni auf 137 Mitarbeiter aufgestockt.<br />
Genaue Zahlen haben wir bislang nur für Ende<br />
April. Bis zu diesem Zeitpunkt kam rund ein<br />
Fünftel der Unternehmen aus dem Handel, es<br />
waren gut 1100. Aus dem Gastgewerbe kamen<br />
650, aus dem verarbeitenden Gewerbe gut 600.<br />
Im Unterschied zur Finanzkrise sind diesmal<br />
sehr viele Branchen betroffen.<br />
Wir haben festgestellt, dass der Zuwachs an Arbeitslosen<br />
zu rund 60 Prozent auf den Landkreis<br />
zurückgeht. Besonders Jugendliche und männliche<br />
Arbeitnehmer waren von Arbeitslosigkeit<br />
betroffen, außerdem ausländische Arbeitnehmer.<br />
Es handelt sich vorwiegend um Menschen,<br />
die keine abgeschlossene Berufsausbildung haben;<br />
oft sind sie auch nur mit befristeten Verträgen<br />
angestellt, oder arbeiten auf Basis von Leiharbeitsverträgen.<br />
Häufig sind sie in den Branchen<br />
Handel, Verkehr, Logistik und Metallbau<br />
tätig. Der Landkreis ist deshalb besonders stark<br />
betroffen, weil dort mehr Menschen ohne qualifizierte<br />
Ausbildung arbeiten.“<br />
Volkmar Lenzen<br />
Pressesprecher Agentur für Arbeit
12<br />
<strong>Wirtschaftskreuz</strong> Nord-West<br />
<strong>Wirtschaftskreuz</strong> Nord-West<br />
13<br />
Von Christoph Lützenkirchen<br />
Köln<br />
Hubertus Bardt ist Geschäftsführer<br />
und Leiter Wissenschaft beim<br />
Institut der deutschen Wirtschaft<br />
in Köln. Im Interview spricht Bardt<br />
über die unternehmerischen Folgen<br />
durch die Corona-Krise. Etwa<br />
jedes siebte Unternehmen klage<br />
über Störungen in der Lieferkette.<br />
Die Politik habe aber die richtigen<br />
Maßnahmen eingeleitet. Das Konjunkturprogramm<br />
der großen Koalition<br />
sei vernünftig konzipiert.<br />
Die Region ist stolz auf ihren erfolgreichen<br />
Mittelstand.<br />
Wie schlagen sich die<br />
Unternehmen in der Krise?<br />
Wir beobachten, dass die Unternehmen<br />
extrem betroffen sind. Etwa zwei<br />
Drittel von ihnen sehen sich stark<br />
durch die Wirtschaftskrise beeinträchtigt.<br />
Eine Ausnahme bildet hier<br />
nur die Bauwirtschaft. Es ist aber noch<br />
offen, ob in den nächsten Monaten<br />
auch im Bau Aufträge wegfallen, weil<br />
Unternehmen weniger investieren.<br />
Welche Branchen stehen unter<br />
Druck, wo gibt es Corona-<br />
Profiteure?<br />
Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor<br />
sind durch die Verbote<br />
besonders stark eingeschränkt. Dazu<br />
gehören beispielsweise Kinos, jede Art<br />
von Großveranstaltungen, der gesamte<br />
Messebau und die Unterhaltungsbranche.<br />
In der Industrie sind vor allen<br />
Dingen die Autobauer betroffen. Außerdem<br />
Chemieunternehmen mit Produkten<br />
für den Automobilbau. Im<br />
Flugzeugbau dürfte die Schwächephase<br />
wohl länger andauern. Die<br />
Autobranche wird sich erholen, auch<br />
wenn das nun schwieriger ist als mit<br />
einer Förderung für Verbrenner. Die<br />
Unternehmen werden nicht untergehen.<br />
Allerdings stehen sie mit dem<br />
Wechsel zur Elektromobilität vor riesigen<br />
Herausforderungen. Die Modernisierung<br />
kostet Geld und das fehlt im<br />
Moment. Die Unternehmen robben<br />
sich Schritt für Schritt zurück an den<br />
Markt. Die Frage ist, wann die Kunden<br />
zurückkommen. Die Corona-Profiteure<br />
kann man an zwei Fingern abzählen.<br />
Das sind Softwareunternehmen,<br />
Spezialisten für Digitalisierung,<br />
für Medizintechnik und natürlich der<br />
Onlinehandel. Letzteres ist strukturell<br />
sehr problematisch für unsere Innenstädte.<br />
Die Lebensmittelbranche ist<br />
relativ ungeschoren davongekommen.<br />
Ich betrachte sie aber nicht als Profiteur<br />
der Krise.<br />
„Man hat in der Krise viel gelernt“<br />
Interview mit Dr. Hubertus Bardt, Geschäftsführer und Leiter Wissenschaft<br />
beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln<br />
Wie steht es um die<br />
Autozulieferer?<br />
Kurzfristig hängen die Zulieferer am<br />
Erfolg der Hersteller und damit an der<br />
Nachfrage der Kunden. Wenn die Autokäufer<br />
schnell zurückkommen, kann<br />
die Krise überwunden werden. Die<br />
große Herausforderung bleibt der Umstieg<br />
auf elektrische Antriebe. Für die<br />
Zulieferer hängt es sehr davon ab, wie<br />
gut sie es schaffen, sich auf die Elektromobilität<br />
einzustellen und wie bedeutsam<br />
die Veränderungen für das<br />
eigene Geschäft sind. Wenn ein Unternehmen<br />
Airbags herstellt, ist es egal,<br />
in welches Fahrzeug die später eingebaut<br />
werden. Anders sieht das im Motorenbau<br />
aus. Für Hersteller von Motorteilen<br />
wird der Wandel schwerer zu<br />
bewältigen sein. Durch die Krise ist<br />
die Herausforderung größer geworden,<br />
weil die Mittel für die Innovationen<br />
und Modernisierungsinvestitionen<br />
verloren gehen. Die staatlichen<br />
Förderprogramme stärken vor allem<br />
die Unternehmen, die in Sachen Elektromobilität<br />
bereits gut aufgestellt waren.<br />
Sind die Lieferketten gefährdet?<br />
Sehen wir das Ende der<br />
ungebremsten Globalisierung?<br />
Wenn die Globalisierung nachhaltig<br />
gestört wird, ist das für das deutsche<br />
Geschäftsmodell ein großes Problem.<br />
Besonders auch für den erfolgreichen<br />
deutschen Mittelstand. Es gab große<br />
Störungen in den globalen Lieferketten,<br />
inzwischen werden die internationalen<br />
Netzwerke aber wieder in Gang<br />
gesetzt. Die Globalisierung war über<br />
Jahrzehnte ein starker Wohlstandstreiber.<br />
Regionalisierung, Diversifizierung<br />
und Produktion im Inland<br />
stellen die internationale Arbeitsteilung<br />
in Frage. Auch verstärkte Vorratshaltung<br />
ist teuer und kann nicht für<br />
alle Eventualitäten vorsorgen. Letztlich<br />
gibt keine allumfassende Sicherheit,<br />
dass immer alle Lieferbeziehungen<br />
funktionieren. Und in der Krise ist<br />
es eigentlich ganz gut gelungen, nach<br />
kurzer Zeit wieder schnell und flexibel<br />
zu produzieren. Die Unternehmen haben<br />
unverzüglich reagiert. Aktuell<br />
sehe ich die Unternehmen nicht nachhaltig<br />
durch Störungen in der globalen<br />
Lieferkette gefährdet. Selbstverständlich<br />
sind sie betroffen, etwa jedes<br />
siebte Unternehmen sogar stark. Wir<br />
haben es aber auch mit einer weltweiten<br />
Epidemie zu tun, da ist das nicht<br />
überraschend. Und die Effekte sind<br />
rückläufig, die Ketten laufen wieder<br />
an.<br />
Hubertus Bardt. <br />
Die Zahlen im Bereich der Kurzarbeit<br />
sind stark gestiegen. Ist sie ein<br />
geeignetes Mittel, die Krise abzudämpfen?<br />
Absolut, die Kurzarbeit ist ein ganz<br />
wichtiges Mittel. Für die Betroffenen,<br />
weil sie ihren Arbeitsplatz behalten.<br />
Für die Unternehmen, weil sie hilft,<br />
Entlassungen zu vermeiden. Das Personal<br />
bleibt erhalten, das ist wichtig<br />
um nach der Krise schnell wieder starten<br />
zu können. Auch die Einkommensverluste<br />
sind nicht so groß, die Kaufzurückhaltung<br />
wird etwas gedämpft.<br />
Wie hat sich die Arbeitslosigkeit<br />
in der Region entwickelt? Rechnen<br />
Sie mit einer zeitnahen Entspannung<br />
am Arbeitsmarkt?<br />
Für das laufende Jahr rechnen wir mit<br />
steigenden Arbeitslosenzahlen. Und<br />
die Kurzarbeit wurde durch die Unternehmen<br />
stark in Anspruch genommen.<br />
Auf dem Peak gab es in Deutschland<br />
7,5 Millionen Beschäftigte in Kurzarbeit,<br />
das ist jeder fünfte sozialversicherungspflichtig<br />
Beschäftigte. Der Höhepunkt<br />
bei der Kurzarbeit ist aber<br />
bereits überschritten. Anders als von<br />
manchen befürchtet gibt es auch keinen<br />
millionenfachen Wechsel von der<br />
Kurzarbeit in die Arbeitslosigkeit. Im<br />
Mai hatten wir dennoch eine halbe<br />
Million Arbeitslose mehr als im Vorjahr.<br />
Es war ein beispielloser Einbruch.<br />
Aufs Jahr gerechnet, erwarten wir für<br />
ganz Deutschland einen Rückgang bei<br />
der Zahl der Beschäftigten um eine<br />
halbe Million; die Zahl der registrierten<br />
Arbeitslosen wird um 400.000 ansteigen.<br />
Der Abbau der Arbeitslosigkeit<br />
wird erst in 2021 beginnen.<br />
Fotos: IW<br />
Sind mehr Unternehmen<br />
insolvenzgefährdet?<br />
Die massiven Hilfsprogramme auf<br />
Bundes- und Landesebene sollten<br />
diese Gefahr nach Möglichkeit verringern.<br />
Es gab Kredite und Steuerstundungen,<br />
die Pflicht zur Insolvenzanmeldung<br />
wurde ausgesetzt. Durch die<br />
jüngsten Programme werden die Unternehmen<br />
nochmals gestärkt, weil<br />
nun nicht nur Kredite zur Verfügung<br />
stehen, sondern auch Zuschüsse möglich<br />
sind. Wir hoffen deshalb, dass sich<br />
die Insolvenzen in Grenzen halten<br />
werden. Unternehmen, die vor der<br />
Krise ein gutes Geschäft hatten, sollten<br />
überleben. Besonders groß ist die<br />
Gefahr allerdings in der Gastronomie<br />
und bei all denen, denen das Geschäft<br />
derzeit faktisch untersagt ist.<br />
Vielfach ist zu hören, dass die<br />
Krise längst fällige Entwicklungen<br />
beschleunige, besonders im<br />
Bereich der Digitalisierung. Sehen<br />
Sie hier Chancen für den<br />
Nord-Westen?<br />
Niedersachsen ist ein Land der weiten<br />
Wege, da helfen Videokonferenzen<br />
auch in der Zukunft. Voraussetzung<br />
dafür ist natürlich, dass die Technik<br />
zur Verfügung steht. Jedenfalls hat Bad Zwischenahn<br />
man in der Krise viel darüber gelernt, Wer im Ammerland unterwegs<br />
ist, dem präsentieren<br />
was geht. Man hat das jetzt wochenlang<br />
jeden Tag praktiziert. Das trifft<br />
auch auf die vielen Hidden Champions sich fast überall traumhaft<br />
im Land zu. Deren After Sales funktio-schönnierte, auch ohne dass man direkt vor Parkanlagen und die akkurat<br />
Gärten, großzügige<br />
Ort war. Die gewachsene Akzeptanz<br />
in Reihe gepflanzten Alleegegenüber<br />
der Digitalisierung hilft im<br />
Transformationsprozess. Allerdings oder Solitärbäume, Nadelmüssen<br />
sich die Unternehmen ein und Laubgehölze, Hecken-<br />
Rhododendren und<br />
Stück weit neu erfinden. Ich bin über-pflanzenzeugt<br />
davon, dass letztlich Chancen<br />
formschöne Buchs in den<br />
aus dieser Transformation erwachsen.<br />
Wir wissen, dass Innovation oft durch Baumschulen. Insgesamt<br />
Kooperation auf regionaler Ebene ent-runsteht. Mit der digitalen Technik kann hier. Einer davon ist die<br />
250 Betriebe gibt es<br />
ich mich auch überregional vernetzen<br />
Baumschule Bruns in Bad<br />
und finde mehr potentielle Partner.<br />
Zwischenahn.<br />
Bahnt sich ein Paradigmenwechsel<br />
beim Mobilitäts- und Reiseverhalten<br />
der Deutschen an?<br />
Sicher wird jetzt mancher Inlandsflug<br />
durch technische Kommunikationsmittel<br />
ersetzt. Auch das mobile Arbeiten<br />
wird dauerhaft zunehmen, in der<br />
Folge werden wir weniger Verkehr<br />
durch Pendler haben. Dass aber nun<br />
alle aufs Fahrrad umsteigen und Urlaub<br />
im Inland machen, daran glaube<br />
ich nicht.<br />
Bund und Land schütten das Füllhorn<br />
über die Unternehmen aus.<br />
Sind die Hilfen sinnvoll konzipiert,<br />
werden sie die gewünschte<br />
Wirkung entfalten?<br />
Natur. <br />
Das Konjunkturprogramm der großen<br />
Koalition ist vernünftig konzipiert. Ich<br />
halte die Hilfen für sinnvoll. Für ein<br />
zügiges Wideranfahren der Autoindustrie<br />
als Schlüsselindustrie in Deutschland<br />
wäre eine breitere Kaufförderung<br />
aber hilfreich gewesen. Natürlich gibt<br />
es in solch einem Programm immer<br />
Probleme wie Umsetzungsprobleme<br />
oder Mitnahmeeffekte. Die Diskussion<br />
darüber verfällt aber teilweise in kleinliche<br />
Scharmützel. Das finde ich in der<br />
gegenwärtigen Situation nicht angemessen.<br />
Jetzt muss zügig gehandelt<br />
werden, und das tut die Bundesregierung.<br />
Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. (IW) mit Sitz in Köln ist ein Wirtschaftsforschungsinstitut. Trägervereine sind die Bundesvereinigung der Deutschen<br />
Arbeitgeberverbände und der Bundesverband der Deutschen Industrie. Das IW erarbeitet Analysen und Stellungnahmen zu Fragen der Wirtschafts- und<br />
Sozialpolitik, des Bildungs- und Ausbildungssystems sowie der gesellschaftlichen Entwicklung.<br />
Von Baumriesen und filigranem Buchsbaum<br />
Wie die Bad Zwischenahner Baumschule Bruns durch die Corona-Zeit kommt<br />
Von Melanie Jülisch<br />
Die Ossendorf GmbH Stahlbau ist einer der<br />
Die<br />
Die erfahrensten<br />
Ossendorf<br />
Ossendorf Partner<br />
GmbH Stahlbau<br />
GmbH Stahlbau in der Region,<br />
ist einer<br />
ist einer wenn<br />
der<br />
erfahrensten<br />
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Partner<br />
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in der Region, wenn<br />
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Stahlbau in der Region, ist einer wenn der<br />
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um individuelle transportunterstützende<br />
um individuelle Partner transportunterstützende<br />
in im der XXL-Format Region, wenn für<br />
Spezial-Konstruktionen<br />
es Spezial-Konstruktionen den um Schwerlast-Transport<br />
im<br />
individuelle transportunterstützende<br />
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XXL-Format<br />
XXL-Format Das gesamte<br />
für<br />
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für<br />
Spezial-Konstruktionen den Engineering<br />
Schwerlast-Transport<br />
Schwerlast-Transport und die Fertigung<br />
geht.<br />
im geht. XXL-Format erfolgen<br />
Das gesamte<br />
Das gesamte nach<br />
Engineering<br />
für<br />
Engineering den Qualitätsmaßstäben<br />
und die Fertigung<br />
Schwerlast-Transport und die Fertigung der geht. ISO<br />
erfolgen nach<br />
den Qualitätsmaßstäben der ISO<br />
erfolgen Das 9001:2015.<br />
9001:2015.<br />
gesamte nach<br />
Engineering den Die Fertigungsprozesse<br />
Die Fertigungsprozesse<br />
Qualitätsmaßstäben und die Fertigung erfolgen<br />
erfolgen<br />
der ISO erfolgen nach<br />
nach<br />
9001:2015. DIN<br />
DIN<br />
nach EN<br />
EN<br />
den Die 1090:EXEC<br />
1090:EXEC<br />
Fertigungsprozesse Qualitätsmaßstäben 3.<br />
3.<br />
erfolgen der ISO nach 9001:2015. DIN EN<br />
Die 1090:EXEC Fertigungsprozesse 3. erfolgen nach DIN EN<br />
1090:EXEC 3.<br />
Bislang ist der 1876 gegründete Familienbetrieb<br />
ganz gut durch die Krise<br />
gekommen. „Zurzeit gehen insbesondere<br />
die Containerpflanzen der Ammerländer<br />
Baumschulen für Gartencenter<br />
und große Baumärkte in ganz<br />
Deutschland wie geschnitten Brot“, so<br />
Jan-Dieter Bruns, der den Betrieb in<br />
vierter Generation führt. „Schwierig<br />
war es natürlich während der wochenlangen<br />
Schließung um Ostern. Anders<br />
als die Produzenten von Schnittblumen<br />
sind wir Ammerländer Baumschulen<br />
jedoch glücklicherweise nie<br />
gezwungen gewesen, die Ware zu vernichten.“<br />
Mit Cocooning durch<br />
die Krise<br />
Das Traditionsunternehmen beliefert Kunden in aller Welt mit prachtvoller<br />
Fotos: Baumschile Bruns<br />
Inzwischen haben die hiesigen Baumschulen<br />
zumindest in diesem Vertriebszweig<br />
wieder ihren alten Zustand erreicht<br />
– wenn nicht sogar einen höheren<br />
Absatz als im Vorjahr erzielt.<br />
„Pflanzen und Erden sind derzeit das<br />
Toilettenpapier der Garten- und Baumärkte,<br />
sie werden den Ammerländer<br />
Gärtnern sogar aus den Händen gerissen,<br />
wenn sie noch gar nicht fertig<br />
sind“, so der 67-jährige Jan-Dieter Bruns.<br />
Das gilt insbesondere auch für<br />
den Hauptabsatzzweig der Baumschule<br />
Bruns: den Garten- und Landschaftsbau.<br />
„Dieser war nie geschlossen<br />
und man hat derzeit jede Menge zu<br />
tun. Die Menschen machen es sich zu<br />
Hause schön und damit auch im Garten,<br />
der Erweiterung des Wohnraums.“<br />
So haben nicht nur Gehölze und Co.<br />
Hochsaison, sondern auch die Anlage<br />
von kleinen Pools sowie Schwimmund<br />
Gartenteichen. „Cocooning ist in,<br />
und damit nicht nur der Wunsch nach<br />
einem schönen Zuhause. Auch der heimische<br />
Garten oder der Balkon sind<br />
Teil dieser Oase.“<br />
Kontaktpflege zahlt<br />
sich aus<br />
„Es hätte auch schlimmer kommen<br />
können, beispielsweise durch eine Betriebsschließung“,<br />
äußert der Pflanzenfan<br />
seine anfänglichen Befürchtungen.<br />
Daher haben Jan-Dieter Bruns<br />
und seine Ammerländer Kollegen<br />
schon früh die Initiative ergriffen und<br />
den guten Draht zur Politik genutzt.<br />
So waren viele Politiker bereits zu Gast<br />
in Ammerländer Betrieben, auch hat<br />
der Niedersächsische Ministerpräsident<br />
Stephan Weil Jan-Dieter Bruns<br />
den Niedersächsischen Staatspreis für<br />
die Entwicklung der Baumschule Bruns<br />
als internationalen „Player“‚ und<br />
sein Engagement als Netzwerker und<br />
Förderer von Kunst und Kultur im<br />
Ammerland verliehen. Um die Bedeutung<br />
der Baumschulen weiß man also<br />
auch in der Politik.<br />
Zwischen Moskwa<br />
und Loire<br />
Bereits seit vielen Jahren ist das Unternehmen<br />
auch in Ländern wie Russland,<br />
Frankreich und Großbritannien<br />
erfolgreich. Baumriesen, die oft Jahrzehnte<br />
in der Baumschule gewachsen<br />
sind, stehen nun im Gorki Park, Figuren<br />
aus Eiben und Linden im Schlossgarten<br />
von Villandry im Loiretal,<br />
Blaufichten am Grabmal des unbekannten<br />
Soldaten in Moskau. Etwa 40<br />
Prozent macht der Export aus. Nicht<br />
zu vergessen die Spreeeichen am Berliner<br />
Reichstag, von denen ebenfalls<br />
ein großer Teil aus dem mehr als 500<br />
Hektar großen Betrieb stammen. Wegen<br />
der Grenzschließungen kam es in<br />
einigen Ländern allerdings zu Lieferengpässen.<br />
Bonus für die<br />
Mitarbeiter<br />
Rund 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
gehören zum Team, davon<br />
etwa zehn Prozent Saisonkräfte aus<br />
Ländern wie Polen oder Rumänien.<br />
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Jan-Dieter Bruns führt die Baumschule<br />
in vierter Generation.<br />
„Ich habe mich sehr gefreut, dass sie<br />
trotz der Krise bei uns geblieben<br />
sind“, so Bruns – der nicht gezögert<br />
hat, sofort alle möglichen Hygienemaßnahmen<br />
umzusetzen. „Wir arbeiten<br />
seit März in zwei Teams, die sich<br />
nicht begegnen dürfen und ihre Pausen<br />
auch in verschiedenen Räumen<br />
verbringen. Ein Corona-Ausbruch<br />
hätte schlimmstenfalls den ganzen<br />
Betrieb lahm gelegt. Außerdem waren<br />
alle Mitarbeiter dazu angehalten,<br />
selbst bei ersten Anzeichen einer Erkältung<br />
zu Hause zu bleiben. „Das<br />
brachte zwar einen relativ hohen<br />
Krankheitsstand mit sich, dafür gibt<br />
es bei uns aber bislang keinen einzigen<br />
Coronafall“, sagt der Inhaber des<br />
Familienunternehmens zufrieden.<br />
Dafür gab`s als Dankeschön einen<br />
Bonus für alle.<br />
Westerstede<br />
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14<br />
<strong>Wirtschaftskreuz</strong> Nord-West<br />
<strong>Wirtschaftskreuz</strong> Nord-West<br />
15<br />
Der Kampf um jeden Stein<br />
Stahlbeton-Fertigteile von Lehde stützen uraltes Kirchenportal<br />
So sieht die Welt nach Corona aus<br />
Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx gibt Antworten<br />
Von Jenny Hagedorn<br />
Attendorn / Soest<br />
Der Soester Stahlbeton-Spezialist<br />
Lehde unterstützt mit<br />
Spezialanfertigungen den<br />
heimischen Steinmetz und<br />
Restaurator Markus Madeia<br />
bei der Wiederherstellung eines<br />
Grünsandstein-Kirchenportals<br />
aus dem 17. Jahrhundert.<br />
Madeia, der sich weit<br />
über die Grenzen Soests hinaus<br />
in den vergangenen 18<br />
Jahren als Spezialist für<br />
handwerkliche Denkmalpflege<br />
einen Namen gemacht<br />
hat, arbeitet in seiner Werkstatt<br />
in Berlingsen an der<br />
Wiederherstellung des Portals<br />
der historischen Klosterkirche<br />
zu Attendorn.<br />
„Angesprochen wurde ich von Landschaftsarchitekt<br />
Klaus Schulze, der in<br />
Attendorn ein Stadtplanungsprojekt<br />
betreut. Daraufhin haben wir uns an<br />
der entsprechenden Ausschreibung<br />
beteiligt und den Auftrag gewonnen“,<br />
berichtet Madeia. Schulze war im<br />
wahrsten Wortsinne über das Kirchenportal<br />
gestolpert. Es lag nämlich<br />
flach, in Stücken, vor dem Rathaus in<br />
Attendorn. Dort wird es nach der Restaurierung<br />
auch wieder seinen Platz<br />
finden. Diesmal allerdings aufrechtstehend.<br />
Keine Disneyland-<br />
Version<br />
Bis dahin müssen Madeia und seine<br />
fünf Gesellen in den kommenden Monaten<br />
die vorhandenen Grünsandsteinelemente<br />
mit neuen Elementen verbinden<br />
und die Übergänge herstellen.<br />
Die Stahlbetonteile von Lehde werden<br />
dabei das Rückgrat bilden. „Wir kämpfen<br />
ja um jeden Stein. Wir wollen, dass<br />
das Alter der Steine sichtbar bleibt.<br />
Deshalb machen wir keine quietschneue<br />
Disneyland-Version von dem Kirchenportal,<br />
sondern wir gehen behutsam<br />
mit dem alten und dem neuen<br />
Material um.“<br />
Im Ergebnis werden alte Steinfragmente<br />
mit neuen Steinen fast unsichtbar<br />
verbunden, wobei die Linien und<br />
Reliefs in den neuen Teilen von den<br />
Steinmetzen fortgeführt werden. Dort<br />
wo Nahtstellen sind, kommt so genannter<br />
Antragemörtel zum Einsatz,<br />
so dass die Ergänzungen kaum mehr<br />
wahrnehmbar sind. Im Innern werden<br />
alte und neue Komponenten mit Epoxidharz<br />
und speziellen Steckdübeln<br />
verbunden. Von außen sieht man<br />
nichts.<br />
An die Stellen im alten Mauerwerk, wo<br />
ganze Steine komplett fehlen, werden<br />
neue eingesetzt. Dabei bleiben diese<br />
neuen Steine weitgehend unbearbeitet.<br />
„Es soll erkennbar bleiben, dass<br />
die neuen Steine aus dem 21. Jahrhundert<br />
sind und nicht aus dem 17. Jahrhundert.“<br />
Auf der Rückseite wird allerdings die<br />
Stahlbetonkonstruktion aus dem<br />
Hause Lehde offen zu sehen sein. Wie<br />
eine Art Türrahmen mit Pfosten und<br />
oberem Querbalken bieten sie den<br />
Grünsandsteinen eine Halterung und<br />
werden – wie bei Lehde-Stützen üblich<br />
– mit anbetonierten Standfüßen in<br />
den Boden eingelassen. Die Teile sind<br />
bis zu 4 Meter hoch.<br />
„Für uns keine große Sache“, meint<br />
Steinmetz und Restaurator Markus Madeia bei der Arbeit am historischen Kirchenportal. <br />
dazu Lehde-Geschäftsführer Johan-Vones Lehde. „Aber wir können damit<br />
Jenny Hagedorn<br />
wieder einmal zeigen, was man mit Münster<br />
Beton alles machen kann. Und wenn Man kann es sich derzeit<br />
es die Stabilisierung eines Kirchenportals<br />
ist.“<br />
kaum vorstellen. Aber: Irgendwann<br />
wird es wieder ein<br />
Leben ohne Maske, Abstandsregeln<br />
und Infektionsschutzgesetz<br />
geben. Doch dieses<br />
Leben wird ganz anders<br />
aussehen als das bisher bekannte.<br />
Davon geht zumindest<br />
der renommierte Trendund<br />
Zukunftsforscher Matthias<br />
Horx aus: „Es gibt historische<br />
Momente, in denen die<br />
Zukunft ihre Richtung ändert.<br />
Wir nennen sie Bifurkationen.<br />
Oder Tiefenkrisen.<br />
Diese Zeiten sind jetzt.“<br />
Brücke zwischen Heute<br />
und Morgen<br />
Die Welt „as we know it“ löst sich gerade<br />
auf. Aber dahinter fügt sich eine<br />
neue Welt zusammen, deren Formung<br />
wir laut Horx zumindest erahnen können.<br />
Für seine Aussagen macht der in<br />
Düsseldorf geborene Trendforscher<br />
keine Prognosen, sondern Regnosen.<br />
Dazu versetzt er sich gedanklich in ein<br />
Foto: MadeiaStraßencafé der Zukunft und blickt<br />
sich um. Das Bild, das er dann sieht,<br />
macht ihm bewusst, wie wir die Welt<br />
sehen. „Wir setzen uns innerlich mit<br />
der Zukunft in Verbindung, und danach<br />
entsteht eine Brücke zwischen<br />
Heute und Morgen“, erklärt Matthias<br />
Horx.<br />
Er ist sich sicher, dass wir uns später<br />
wundern, dass die sozialen Verzichte,<br />
die wir leisten mussten, selten zur<br />
Vereinsamung führten. „Im Gegenteil.<br />
Nach einer ersten Schockstarre fühlten<br />
sich viele sogar erleichtert, dass<br />
das viele Rennen, Reden, Kommunizieren<br />
auf Multikanälen plötzlich zu<br />
einem Halt kam.“ Der Umgang der<br />
Menschen untereinander wird demnach<br />
zukünftig ein anderer sein. Paradoxerweise<br />
erzeuge die körperliche<br />
Distanz, die das Virus erzwang, gleichzeitig<br />
neue Nähe. Wir haben Menschen<br />
kennengelernt, die wir sonst nie<br />
kennengelernt hätten. Wir haben alte<br />
Freunde wieder häufiger kontaktiert,<br />
Bindungen verstärkt, die lose und locker<br />
geworden waren. Familien, Nachbarn<br />
und Freunde sind näher gerückt<br />
und haben bisweilen sogar verborgene<br />
Konflikte gelöst.<br />
Kommunikative<br />
Renaissance<br />
„Scheinbar veraltete Kulturtechniken<br />
erlebten eine Renaissance. Plötzlich<br />
erwischte man nicht nur den Anrufbeantworter,<br />
wenn man anrief, sondern<br />
real vorhandene Menschen. Man kommunizierte<br />
wieder wirklich. Man ließ<br />
niemanden mehr zappeln, man hielt<br />
niemanden mehr hin. So entstand eine<br />
neue Kultur der Erreichbarkeit, der<br />
Verbindlichkeit“, so Horx´ Beobachtung.<br />
Menschen, die vorher vor lauter Hektik<br />
nie zur Ruhe kamen, auch junge<br />
Menschen, machten plötzlich ausgiebige<br />
Spaziergänge, Bücherlesen wurde<br />
wieder Kult. Kulturtechniken des Digitalen<br />
haben sich schnell in der Praxis<br />
bewährt. Tele- und Videokonferenzen<br />
sowie Homeoffice stellten sich<br />
durchaus als praktikabel und produktiv<br />
heraus. Die Digitalisierung, auch in<br />
den Schulen, wurde vorangetrieben.<br />
Aber: „Wir haben auch erfahren, nicht<br />
so sehr die Technik, sondern die Veränderung<br />
sozialer Verhaltensformen<br />
war das Entscheidende. Dass Menschen<br />
trotz radikaler Einschränkungen<br />
solidarisch und konstruktiv bleiben<br />
konnten, gab den Ausschlag. Die<br />
viel gepriesene Künstliche Intelligenz,<br />
Matthias Horx, Trend- und Zukunftsforscher (www.horx.com).<br />
die ja bekanntlich alles lösen kann, hat<br />
dagegen in Sachen Corona nur begrenzt<br />
gewirkt“, so die Überzeugung<br />
des Trendforschers. Damit habe sich<br />
das Verhältnis zwischen Technologie<br />
und Kultur verschoben. Vor der Krise<br />
schien Technologie das Allheilmittel.<br />
Der große Hype sei vorbei, so Horx:<br />
„Wir richten unsere Aufmerksamkeit<br />
wieder mehr auf die humanen Fragen:<br />
Was ist der Mensch? Was sind wir füreinander?“<br />
Foto: Klaus Vyhnalek (www.vyhnalek.com)<br />
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17<br />
„Es geht auch mit weniger Bürokratie“<br />
Was die Handwerkskammer aus der Corona-Krise lernt<br />
Im Münsterland läuft es rund<br />
Radtourismus wächst seit Jahren – drittbeliebteste Radfahrregion Deutschlands<br />
Von Peter Beckmann<br />
Osnabrück<br />
Zum Bezirk der Handwerkskammer<br />
Osnabrück-Emsland-Grafschaft<br />
Bentheim<br />
zählen knapp 11.000 Betriebe<br />
mit 100.000 Beschäftigten.<br />
Über den Stand der Pandemie<br />
sind sie recht gut informiert -<br />
das wissen wir aus zwei Onlinebefragungen,<br />
einmal zu<br />
Beginn der Pandemie und<br />
einmal Anfang Juni.<br />
Zur Chronologie: Die Pandemie betrifft<br />
alle Handwerksgruppen, den Bau, die<br />
Kfz-Werkstätten, die Nahrungsmittelbetriebe.<br />
Die verschiedenen Bereiche<br />
sind aber unterschiedlich stark betroffen.<br />
Im Bau und Ausbauhandwerkwerk<br />
war die Auftragslage im März relativ<br />
gut. Zu dieser Zeit gab es ein Auftragspolster<br />
von zehn bis elf Wochen. Das<br />
wurde einfach abgearbeitet. Anders<br />
verhielt es sich bei den Friseuren, die<br />
schließen mussten und extrem gelitten<br />
haben. Auch bei den Lebensmittelverarbeitern<br />
gab es Verluste. Die Umsätze<br />
mit Firmen, Kantinen und Caterern<br />
brachen massiv ein. Generell hatten alle<br />
Branchen mit Personenkontakt Einbußen<br />
zu verzeichnen, beispielsweise Kosmetikerinnen,<br />
Augenoptiker und Brillenmacher.<br />
Dabei kommt es auf Details<br />
an: Der Verkauf von Brillen war untersagt,<br />
nicht aber die Reparatur.<br />
Zusammenfassend lässt sich sagen,<br />
dass es überall dort, wo Betriebsschließungen<br />
notwendig waren, zu<br />
massiven Umsatzrückgängen kam. In<br />
der Breite wurden rund 40 Prozent der<br />
Aufträge storniert.<br />
Zur Umsetzung: Die Betriebe haben<br />
eigene Pandemiepläne entwickelt. Das<br />
sieht dann so aus, dass Teams gebildet<br />
werden, die sich im Betriebsablauf<br />
nicht begegnen. Kundenkontakte wurden<br />
so gelegt, dass sie sich planen und<br />
protokollieren ließen. Die Berufsgenossenschaften<br />
haben dazu sehr gut<br />
beraten und Leitfäden erstellt. Es gab<br />
eine rege Kommunikation zwischen<br />
der Wirtschaftsförderung, der Handwerkskammer<br />
und der Kreishandwerkerschaft.<br />
Meines Erachtens hat das<br />
alles gut geklappt.<br />
Zur Finanzierung: Mit der Niedersachsensoforthilfe<br />
hat das Land gute<br />
Arbeit geleistet. Im Rahmen dieses<br />
Zuschussprogramms konnten Betriebe<br />
bis zu 15.000 Euro beantragen.<br />
Aus der aktuellen Befragung weiß ich,<br />
dass das mehrheitlich gut geklappt<br />
hat. Für das Handwerk waren zudem<br />
die Sofortkredite in Höhe von bis zu<br />
50.000 Euro hilfreich. Damit lassen<br />
sich zwei bis drei Monate überbrücken.<br />
Viele Betriebe haben das Instrument<br />
der Kurzarbeit genutzt, besonders<br />
die, die schließen mussten. In<br />
Summe haben zwischenzeitlich etwa<br />
30 Prozent der regionalen Handwerksbetriebe<br />
von dem Instrument „Kurzarbeit“<br />
Gebrauch gemacht. Viele Unternehmen<br />
kamen aber auch damit zurecht,<br />
Zeitkonten abzubauen und Urlaub<br />
vorzuziehen. Kündigungen gab es<br />
eher wenig.<br />
Etwa jeder dritte Betrieb berichtet,<br />
dass Mitarbeiter nicht durchgängig<br />
verfügbar waren. Das lag nicht etwa<br />
an Erkrankungen, sondern hatte damit<br />
zu tun, dass die Kinder der Beschäftigten<br />
zuhause betreut werden<br />
mussten.<br />
Ende April gab es dann eine Zäsur. Die<br />
Programme waren abgerufen, die Arbeitssicherheit<br />
organisiert. Es wurde<br />
ruhiger. Was jetzt im Zuge der Lockerungen<br />
kommt, entspricht einem Blick<br />
in die Glaskugel.<br />
Eines der wichtigsten Themen ist aus<br />
unserer Sicht zurzeit die Ausbildung.<br />
Eigentlich finden um diese Zeit die<br />
Veranstaltungen für die Azubis des<br />
nächsten Jahres statt. Wir wollen<br />
dazu beitragen, dass das trotz der<br />
Krise funktioniert. Ohne Azubis keine<br />
Gesellen, ohne Gesellen keine Meister.<br />
Damit das Handwerk auch langfristig<br />
gesund bleibt, brauchen die Betriebe<br />
jetzt öffentliche Investitionen. Es sollten<br />
aber sinnvolle Investitionen sein,<br />
beispielsweise in die energetische Gebäudesanierung,<br />
oder in die Ladeinfrastruktur<br />
für die Elektromobilität.<br />
Aus der Krise können wir auch lernen<br />
– zum Beispiel, dass es mit deutlich<br />
weniger Bürokratie geht.<br />
* Der Autor ist Leiter der Abteilung<br />
Betriebsberatung bei der Handwerkskammer<br />
Osnabrück-Emsland-<br />
Grafschaft Bentheim<br />
Peter Beckmann. <br />
Münster<br />
Das Münsterland ist Fahrradland.<br />
Laut aktueller Umfrage<br />
des Allgemeinen Deutschen<br />
Fahrrad-Club e.V.<br />
(ADFC) sieht das auch der<br />
Großteil der Radtouristen so.<br />
In der Radreiseanalyse des<br />
ADFC liegt das Münsterland<br />
gleich hinter dem Allgäu und<br />
dem Emsland auf Rang drei<br />
der beliebtesten Fahrradregionen<br />
Deutschlands.<br />
„Im Münsterland bieten wir ideale<br />
Bedingungen für Fahrradtouristen“,<br />
bestätigt Michael Kösters, Generalbevollmächtigter<br />
und Tourismusexperte<br />
beim Münsterland e.V. „Und dazu gehören<br />
nicht nur unsere 4500 Kilometer<br />
Fahrradwege, sondern auch wunderschöne<br />
Plätze und Gelegenheiten<br />
für ein Picknick. Denn wer eine Radtour<br />
macht, freut sich auch über eine<br />
entspannte Auszeit und eine besondere<br />
Pause inmitten der malerischen<br />
Landschaften mit regionalen Produkten.“<br />
Die ADFC-Travelbike-Radreiseanalyse<br />
ist eine repräsentative Onlinebefragung<br />
unter mehr als 8000 Bundesbürgern.<br />
Die Befragung fand in diesem<br />
Jahr zum 21. Mal statt.<br />
Die Entwicklung im Münsterland<br />
folge dabei einem bundesweiten<br />
Trend: „Der Radtourismus wächst seit<br />
Foto: HandwerkskammerJahren“, so Kösters. „Inlandsurlaub<br />
wird dabei immer beliebter. Entsprechend<br />
profitiert auch das Münsterland<br />
als Region von dem steigenden Bedürfnis<br />
der Menschen, in die Pedale zu<br />
treten. Und da laut Studien die Urlauber<br />
im Münsterland auch wegen der<br />
Natur und Landschaft kommen, ist ein<br />
Fahrradurlaub die perfekte Verbindung<br />
von Aktivität und Erholung.“ Die<br />
Platzierung bei der Radreiseanalyse<br />
sieht Kösters auch als Chance und<br />
Auftrag: „Wer Nummer drei ist, kann<br />
Beliebt bei Einheimischen und Touristen: Das Münsterland ist ein Radfahrland. <br />
auch Nummer eins werden.“<br />
Ein Schritt in diese Richtung sei zum<br />
Beispiel die Aufwertung der 100<br />
Schlösser Route im Rahmen des umfassenden<br />
Förderprojekts „Schlösserund<br />
Burgenregion Münsterland“.<br />
Durch gezielte Infrastruktur- und<br />
Marketing-Maßnahmen soll die Route<br />
in den kommenden Jahren qualitativ<br />
gestärkt und intensiver vermarktet<br />
werden. Das Projekt hat ein Gesamtvolumen<br />
von 10 Millionen Euro. (pm)<br />
Foto: ADFC<br />
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19<br />
Wohin laufen die Geldströme?<br />
Über eine Milliarde Euro Soforthilfen und Liquikredite in Niedersachsen<br />
„Wir sind vorsichtig optimistisch“<br />
Interview mit Siegfried Averhage, Geschäftsführer der WIGOS<br />
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Hannover<br />
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an Hilfsgeldern wurden und<br />
werden in der Corona-Krise<br />
von Bund und Land ausgeschüttet.<br />
Allein das Land<br />
Niedersachsen bewilligte bis<br />
zum 12. Juni Zahlungen von<br />
Soforthilfe in Höhe von mehr<br />
als 860 Millionen Euro. Zusätzlich<br />
dazu wurden Liquikredite<br />
im Volumen von über<br />
306 Millionen Euro vergeben.<br />
Ausgereicht werden die Mittel über<br />
die landeseigene Investitions- und<br />
Förderbank Niedersachsens, der<br />
NBank. Das Geldinstitut unterstützt<br />
das Land bei seinen struktur- und<br />
wirtschaftspolitischen Aufgaben. Zu<br />
Beginn der Krise gingen täglich bis zu<br />
10.000 Anträge auf Hilfsgelder bei der<br />
Bank ein. Anfang Mai waren es noch<br />
etwa 1000 Neuanträge täglich. Anfangs<br />
erreichten das Geldhaus viele<br />
unvollständig ausgefüllte Anträge.<br />
Unter anderem wurden die IBAN<br />
falsch angegeben, teilweise fehlten<br />
Unterlagen. Manche Anträge gingen<br />
auch mehrfach ein.<br />
Laut Bernd Pütz, Pressesprecher der<br />
NBank, wurden bis zum Stichtag 12.<br />
Juni insgesamt 154.000 Anträge auf<br />
Soforthilfe gestellt. „Davon sind<br />
132.000 bewilligt“, so Pütz. Außerdem<br />
lagen 11.000 Darlehensanträge auf<br />
Liquikredite vor, das entspricht einem<br />
Volumen von 484 Millionen Euro. Bereits<br />
bewilligt waren 7.400 Anträge.<br />
Möglich sind beim Liquikredit Darlehensbeträge<br />
zwischen 5000 und<br />
50.000 Euro. Die Darlehenslaufzeit<br />
beträgt zehn Jahre. In den ersten beiden<br />
Jahren ist das Darlehen zinslos.<br />
Rechtzeitig vor Ablauf des Zeitraumes<br />
werde man ein Zinsangebot für die<br />
weitere Laufzeit unterbreiten, heißt es<br />
bei der NBank. „Mittlerweile melden<br />
sich die Antragsteller bei uns, die die<br />
Hilfsmittel dann doch nicht benötigt<br />
haben“, sagt der NBank-Pressesprecher:<br />
„Das sind täglich etwa 80 Menschen.<br />
Sie zahlen die Gelder jetzt zurück.“<br />
Während die Soforthilfe seit März<br />
ausgereicht wurde, änderten sich<br />
zweifach die Förderbedingungen. Bis<br />
zum 31. März erhielten alle Betriebe<br />
mit bis zu 49 Beschäftigten Hilfen aus<br />
der niedersächsischen Landesförderung.<br />
Davon durften auch Kosten für<br />
den Lebensunterhalt bestritten werden,<br />
ein wichtiges Detail für zahlreiche<br />
Kleinstunternehmer wie Künstler<br />
und Solo-Selbstständige. Vom 1. April<br />
bis einschließlich dem 31. Mai gab es<br />
dann eine zweigeteilte Förderung:<br />
Betriebe mit bis zu zehn Mitarbeitern<br />
erhielten die Soforthilfe aus Bundesmitteln<br />
in Höhe von bis zu 15.000<br />
Euro. Soforthilfe des Landes konnten<br />
Unternehmen mit 11 bis 49 Mitarbeitern<br />
beantragen. Antragsteller mit 11<br />
bis 30 Beschäftigten erhielten bis zu<br />
20.000 Euro vom Land. Ab 31 und mit<br />
bis zu 49 Mitarbeitern waren bis zu<br />
25.000 Euro einmalige Soforthilfe<br />
möglich.<br />
Mit 145,6 Millionen Euro wurden Unternehmen<br />
in der Landeshauptstadt<br />
Hannover und deren Umland mit der<br />
größten Summe unterstützt. Es folgten<br />
dem Volumen nach:<br />
· Stadt und Landkreis Osnabrück mit<br />
55,8 Millionen Euro (Stadt 21,4 Millionen;<br />
Landkreis 34,4 Millionen)<br />
· Stadt und Landkreis Oldenburg mit<br />
33,3 Millionen Euro (Stadt 20,2 Millionen;<br />
· Stadt und Landkreis Göttingen mit<br />
31,7 Millionen Euro<br />
· Landkreis Emsland mit 28,2 Millionen<br />
Euro<br />
Im Nordwesten profitierte außerdem<br />
der Landkreis Diepholz (22 Millionen<br />
Euro) von der Soforthilfe; ebenso die<br />
Stadt Emden (5,0 Millionen Euro), die<br />
Grafschaft Bentheim (13,6 Millionen<br />
Euro) und der Kreis Vechta (14,3 Millionen<br />
Euro).<br />
Der Löwenanteil der bewilligten Mittel<br />
entfiel mit 570 Millionen Euro auf<br />
die Zahlungen an Betriebe mit bis zu<br />
förderung (Stichtag: 4. Juni). Allein in Von Christoph Lützenkirchen<br />
Stadt und Region Hannover wurde<br />
14.000 Anträgen hierfür entsprochen. Osnabrück<br />
Die bis Ende März gewährte Landes-Wiförderung erhielten gut 44.000 Unter-Wirtschaftsförderung, zweiein-<br />
ist die aktuelle Lage in der<br />
nehmen, insgesamt wurden 164 Milli-halonen Euro an die Antragsteller ver-rona-Krise? Aufräumen nach dem<br />
Monate nach Beginn der Coteilt.<br />
Mit 96,5 Millionen Euro entfällt Sturm?<br />
der geringere Teil der Förderung auf<br />
gut 5000 Anträge, die Unternehmen Der Shutdown hat unsere Unternehmen<br />
vor große Herausforderungen<br />
mit 11 bis 49 Beschäftigten ab dem 1.<br />
April an das Land Niedersachsen ge-gestelltstellt haben. Seit dem 1. Juni ist die mehr als 1500 Kontakte zu Unterneh-<br />
Wir hatten seit Mitte März<br />
Antragstellung für die Niedersach-mensen-Soforthilfe Corona nicht mehr na-Hotline der WIGOS informierte<br />
Die speziell eingerichtete Coro-<br />
Landkreis 13,1 Millionen) zehn Beschäftigten aus der Bundes-<br />
möglich.<br />
zunächst vor allem über Fragen zu<br />
finanzieller Unterstützung durch<br />
N-Bank, Bund und Land. Doch natürlich<br />
ging es auch um das Infektionsschutzgesetz,<br />
Mitarbeiterfreistellung<br />
oder Fragen zur Kurzarbeit. Alle Anrufer<br />
erhielten die wesentlichen Infos<br />
dann auch noch mal per E-Mail und<br />
bei Neuigkeiten gab es jeweils Updates.<br />
Das hat gut geklappt. Aktuell<br />
konzentrieren wir uns langsam wieder<br />
stärker auf unsere klassischen<br />
Aufgaben, etwa in der Fördermittelund<br />
Innovationsberatung. Es gibt<br />
Unternehmen, die sich sehr schnell<br />
auf die neue Situation eingestellt haben,<br />
die haben sofort angefangen,<br />
aufzuräumen. Das sind Mittelständler,<br />
die gewohnt sind, die Ärmel hochzukrempeln.<br />
Allerdings geht auch<br />
das nicht von heute auf morgen, das<br />
ist eine längere Strecke. Im Moment<br />
hoffen wir vor allem, dass weitere<br />
Lockerungen vorgenommen werden<br />
Die NBank hat im Zuge der Coronakrise über 130.000 Anträge auf Soforthilfe bewilligt.<br />
Foto: iStockkönnen. Die aktuellen Prognosen der<br />
Wigos-Geschäftsführer Siegfried Averhage <br />
Foto: Gründel<br />
Bundesregierung – auch der ifo Geschäftsklimaindex<br />
– weisen darauf<br />
hin, dass die Stimmung besser geworden<br />
ist. Für 2021 erwartet man<br />
einen Aufschwung. Das ist wichtig,<br />
damit zum Beispiel der Konsum wieder<br />
in Gang kommt. Die wichtigste<br />
Aufgabe für Unternehmen ist jetzt:<br />
Sie müssen sich möglichst krisensicher<br />
aufstellen. Sie sollten für künftige<br />
Krisen und Rückschläge gerüstet<br />
sein. Die Umstellung auf einen größeren<br />
Anteil von Arbeit im Homeoffice<br />
dürfte problemlos gelingen. Das ist<br />
vor allem eine Frage der technischen<br />
Ausstattung. Es werden sich aber<br />
noch weitaus grundlegendere Dinge<br />
verändern.<br />
Bleibt Ihnen noch Raum zu gestalten,<br />
oder geht es jetzt nur noch darum,<br />
das Schlimmste zu verhindern?<br />
Jede Krise bietet auch die Chance zu<br />
nachhaltiger Veränderung. So hat die<br />
Corona-Pandemie etwa die Digitalisierung<br />
unumkehrbar in den Fokus gerückt.<br />
In diesem Bereich bauen wir<br />
unsere schon vorhandenen Angebote<br />
etwa zur Digitalen Markterschließung<br />
oder zur Digitalisierung von Prozessen<br />
weiter aus. Bei der Beratung und unserem<br />
Seminarprogramm werden wir<br />
selbst auch stärker digital: Mit mehr<br />
Online-Formaten, etwa auch im Bereich<br />
Netzwerken. Außerdem versuchen<br />
wir weiterhin, Optimierungsprozesse<br />
anzustoßen, die auf Nachhaltigkeit<br />
zielen. Zusammen mit der Hochschule<br />
Osnabrück bieten wir beispielsweise<br />
eine Impulsberatung für nachhaltige<br />
Unternehmensmobilität an. Da<br />
geht es unter anderem darum, das<br />
Fuhrparkmanagement und die Routenplanung<br />
zu verbessern, eigene Logistikressourcen<br />
zu analysieren und geeignete<br />
Beförderungsmöglichkeiten zu<br />
finden. Ein weiteres Beratungsthema<br />
ist die Material- und Ressourceneffizienz.<br />
Wir wollen gemeinsam mit den<br />
Unternehmen den Klima- und Umweltschutz<br />
verbessern, das interessiert im<br />
Übrigen auch die Mitarbeiter. Hier kooperieren<br />
wir mit der Klima- und Energieagentur<br />
Niedersachsen. Wir stellen<br />
aber auch fest, dass die Zahl der Unternehmen<br />
wächst, die in massive Schwierigkeiten<br />
geraten. Unsere Beratung ist<br />
hier darauf gerichtet, Lösungswege<br />
aufzuzeigen. Wir verfügen über gute<br />
Kontakte und langjährige Erfahrung.<br />
In welchen Branchen ist die Situation<br />
besonders ernst, wo besteht<br />
Anlass für Zuversicht?<br />
Auch wenn die positiven Prognosen<br />
eintreten, werden nicht alle überleben.<br />
Aufgrund des breiten Branchenmixes<br />
in der Region und unserem gut aufgestellten<br />
Mittelstand sehe ich aber eine<br />
gute Chance, dass die meisten Unternehmen<br />
die Krise überstehen. Auch<br />
wenn vielfach davor gewarnt wird,<br />
rechne ich für unsere Region nicht mit<br />
einer Übernahmewelle. Besonders<br />
stark sind in unserer Region unter anderem<br />
die Gastronomie, der Tourismus,<br />
der Einzelhandel und die Automobilwirtschaft<br />
durch die Krise betroffen.<br />
Von Branche zu Branche ist die Lage<br />
aber sehr unterschiedlich. Viele trauen<br />
sich auch zu, die Krise durchzustehen.<br />
Da gibt es einen verhaltenen Optimismus.<br />
Man hat pragmatisch reagiert,<br />
das Gespräch mit den Mitarbeitern<br />
gesucht und beispielsweise Überstunden<br />
abgebaut. Vereinzelt hören wir<br />
auch, dass man fast nichts von der<br />
Krise gespürt hat.<br />
Wie ist Ihre mittelfristige Strategie?<br />
Sehen Sie Licht am Ende des<br />
Tunnels?<br />
Wir sind vorsichtig optimistisch, es<br />
sollte aber keine zweite Welle geben.<br />
Trotz aller Sorgen blicke ich zuversichtlich<br />
nach vorne. Ich vertraue auf die<br />
Kraft und das Potenzial unseres Mittelstands.<br />
Anzeige<br />
Markanter Neubau im ecopark<br />
Zentrale Lage an der Hansalinie<br />
A 1 mitten im Oldenburger<br />
Münsterland, Platz für große<br />
Vorhaben und mögliche Expansion,<br />
attraktive Parklandschaft – diese<br />
Argumente sprechen für den ecopark<br />
im Landkreis Cloppenburg. Davon<br />
profitieren bereits fast 40 Unternehmen<br />
mit insgesamt mehr als 1000<br />
Beschäftigten.<br />
Die neueste Ansiedlung ist markant, der<br />
mächtige Bau prägt die Silhouette im<br />
Westen des ecoparks: Das Tiefkühl-<br />
Frische-Center (TFC) auf einem 20.000<br />
Quadratmeter großen Grundstück hat<br />
im Mai seinen Betrieb aufgenommen.<br />
Hier werden vor allem Fleisch, Gemüse<br />
und Brot gelagert – überwiegend<br />
Produkte aus der Region. Auch die am<br />
Bau beteiligten Firmen kommen vor allem<br />
aus dem heimischen Raum. Sie<br />
haben ein Kühlcenter geschaffen, das<br />
stark auf Nachhaltigkeit angelegt ist. So<br />
helfen die Kälteanlage und das Prinzip<br />
„Haus in Haus“, bis zu 15 Prozent Energie<br />
einzusparen.<br />
Investor Raphael Arlinghaus aus Visbek<br />
im benachbarten Landkreis Vechta hat<br />
sich aus mehreren Gründen für den<br />
Standort ecopark entschieden: „Einerseits<br />
liegen wir hier mitten im Zentrum<br />
der Fleischwaren-Industrie mit direkter<br />
Anbindung an die Autobahn.“ Andererseits<br />
ist auch die Erreichbarkeit etwa<br />
vom Hamburger Hafen aus wichtig.<br />
„Da zählt jeder Kilometer.“ Ein weiteres<br />
Argument für die Ansiedlung im<br />
ecopark ist die Flächenverfügbarkeit.<br />
Der TFC-Betreiber hat die Möglichkeit<br />
genutzt und die Nachbarfläche zum<br />
Dasideale<br />
Markanter Neubau: Das Tiefkühl-Frische-Center hat auf einem 20.000 Quadratmeter<br />
großen Grundstück im Westen des ecoparks seinen Betrieb aufgenommen.<br />
Umfeld.<br />
Foto: ecopark (Uwe Haring)<br />
neuen Tiefkühlcenter reserviert. reserviert worden war. Der Baubeginn<br />
„Schnell und flexibel reagieren zu können,<br />
ist unsere Stärke als Dienstleister.“ Areal soll noch in diesem Jahr erfolgen.<br />
auf dem mehr als 60.000 qm großen<br />
Flexibel Unternehmer können im neuen Objekt im ecopark auch Diesen wissen:<br />
Zeitplan verfolgt auch die neue<br />
die Anforderungen der Kunden bedient OM-Mediengruppe für ihr Bauvorhaben<br />
werden. Wo Denn Mitarbeiter neben dem Lagern sich der wohlfühlen, im ecopark. Das Unternehmen da ist aus<br />
tiefgekühlten Ware sind auch weitere der Fusion der Münsterländischen<br />
Services leisten möglich. Und siedie gute Nachfrage Arbeit. sei Tageszeitung Investieren (Cloppenburg) und der<br />
trotz oder womöglich auch wegen der Oldenburgischen Volkszeitung (Vechta)<br />
Corona-Krise auchgroß Sieinein – der Investor gutes hält Umfeld entstanden. –für Ihre<br />
den Zeitpunkt der Betriebsaufnahme Das künftige Medienzentrum im<br />
mit zunächst Mitarbeiter einem Dutzend undBeschäf-<br />
tigten für gut.<br />
zum Medienhaus beschleunigen und<br />
für Ihr ecopark Unternehmen.<br />
werde „den Wandel vom Verlag<br />
Auch die<br />
Imnächsten ecopark<br />
Ansiedlungen<br />
an der<br />
im<br />
Hansalinie<br />
das Zusammenwachsen<br />
A1.<br />
der Belegschaften<br />
von MT und OV befördern“, betont<br />
ecopark folgen klaren Strategien.<br />
ecopark –der Qualitätsstandort.<br />
Deutschlands umsatzstärkster Fahrrad-<br />
der Geschäftsführer der Holding,<br />
hersteller Derby Cycle verlagert nun<br />
auch Produktion und Verwaltung in den<br />
Gewerbepark – auf die Fläche, die<br />
seinerzeit beim Bau des 25.000 qm<br />
großen Derby-Cycle-Logistikzentrums<br />
Dr. Michael Plasse. Herz des neuen<br />
Medienzentrums soll ein zentraler und<br />
modern eingerichteter Newsroom<br />
werden, aus dem heraus die Chefredaktion<br />
die Nachrichtenproduktion steuern<br />
wird. „Dieser Newsroom ist Voraussetzung<br />
für eine integrierte Produktion<br />
von Nachrichten für Print und Online<br />
sowie das Ausspielen journalistischer<br />
Beiträge als Text, Foto, Podcast oder Video<br />
in verschiedenste Kanäle“, sagt<br />
OV-Chefredakteur Ulrich Suffner. Die<br />
Lage im ecopark bezeichnet Michael<br />
Plasse als „ideal – mitten im Herzen des<br />
Oldenburger Münsterlands“, hervorragend<br />
angebunden an Bundesstraße und<br />
Autobahn. Er liefert somit einen erneuten<br />
Beweis aus Unternehmersicht, dass<br />
die Argumente auch unabhängig von<br />
der Branche für den ecopark sprechen.<br />
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<strong>Wirtschaftskreuz</strong> Nord-West<br />
<strong>Wirtschaftskreuz</strong> Nord-West<br />
21<br />
Nordsee statt Spanien<br />
Interview mit Sven Ambrosy, Landrat im Landkreis Friesland und Vorsitzender<br />
des Tourismusverbandes Niedersachsen<br />
„Menschliche Werte wichtig für langfristigen Erfolg“<br />
Interview: Wirtschaftsförderer Nicole Bramlage und Dirk Gehrmann zu den<br />
Corona-Folgen für das Oldenburger Münsterland<br />
Von Melanie Jülisch<br />
Oldenburg<br />
Durch die Reisebeschränkungen<br />
wurden zahlreiche Urlaubspläne<br />
kräftig durcheinandergewirbelt.<br />
Statt ins Ausland<br />
zieht es viele Deutsche<br />
jetzt zu deutlich näher gelegenen<br />
Zielen im Inland – so etwa<br />
an die deutschen Küstenregionen.<br />
Sven Ambrosy, Landrat<br />
im Landkreis Friesland und<br />
Vorsitzender des Tourismusverbandes<br />
Niedersachsen,<br />
nimmt im Interview Stellung<br />
zu den Auswirkungen durch<br />
die Corona-Krise.<br />
Die Küstenregion Frieslands ist bei<br />
vielen Touristen sehr beliebt. Was bedeutet<br />
der Einbruch durch den Lockdown<br />
für die Menschen in der Region?<br />
Der Tourismus ist eine der wichtigsten<br />
Wirtschaftsbranchen im Landkreis<br />
Friesland. Wir hatten in den letzten<br />
Jahren circa 650.000 Gäste mit knapp<br />
4 Millionen Übernachtungen. Dazu<br />
kommen noch einmal über vier Millionen<br />
Tagestouristen. Bei dem Wirtschaftsbereich<br />
Tourismus handelt es<br />
sich um eine Querschnittsbranche. Das<br />
heißt, neben dem Beherbergungsgewerbe<br />
profitieren auch das Gastgewerbe,<br />
der Einzelhandel, Anbieter von<br />
touristischen Leistungen und viele weitere<br />
Dienstleistungen vom Tourismus.<br />
Durch den Lockdown haben somit<br />
zahlreiche gewerbliche Unternehmen<br />
wie auch private Anbieter von Tourismusdienstleistungen<br />
insbesondere in<br />
den Monaten März und April erhebliche<br />
Einnahmeausfälle zu verzeichnen.<br />
Diese Umsatzausfälle können auch<br />
nicht kompensiert werden, da ein Urlaub<br />
nun mal nicht nachgeholt, sondern<br />
lediglich verschoben werden<br />
kann. Somit trifft der Lockdown unsere<br />
Region natürlich sehr stark und<br />
wir können noch nicht absehen, wie<br />
viele Unternehmen sich davon möglicherweise<br />
nicht erholen werden. Fachleute<br />
befürchten, dass die Anzahl sich<br />
auf 20 bis 30 Prozent belaufen könnte.<br />
Das wäre schlimm.<br />
Lässt sich in Zahlen fassen, wie die<br />
Umsätze zurückgegangen sind?<br />
Eine exakte Prognose der aktuellen<br />
Umsatzrückgänge ist nicht möglich,<br />
wir gehen aber von einem zweistelligen<br />
Millionenbetrag aus. Diese Einschätzung<br />
basiert auf einer Berechnung der<br />
dwif-consulting GmbH, die 2016 den<br />
Wirtschaftsfaktor Tourismus im Landkreis<br />
Friesland berechnet hat. Danach<br />
beträgt der touristische Gesamtumsatz<br />
für das Jahr 2016 im Landkreis Friesland<br />
rund 450 Millionen Euro. Diese<br />
Zahlen unterstreichen deutlich die Bedeutung<br />
des Tourismus in Friesland.<br />
Für Gastronomie und Hotellerie<br />
gibt es seit der Öffnung im Mai<br />
viele Auflagen. Lohnt sich der Aufwand<br />
für die Betreiber?<br />
Viele Gastronomiebetriebe haben zusätzlich<br />
einen Außer-Haus-Verkauf beziehungsweise<br />
Lieferdienste angeboten<br />
– die Gastronomie ist flexibel, reagiert<br />
auf die sich ändernden Situationen und<br />
das ist wichtig. Ob sich eine Wiederöffnung<br />
für die Betriebe aus Gastronomie<br />
und Hotellerie betriebswirtschaftlich<br />
rechnet, muss natürlich jedes Unternehmen<br />
selbst entscheiden. Auch die<br />
Kommunen unterstützen die Gastronomie,<br />
so bieten einige Städte und Gemeinden<br />
zum Beispiel eine zusätzliche<br />
Nutzung der öffentlichen Verkehrsflächen<br />
für den Außenbereich an und<br />
verzichten auf die sonst üblichen Nutzungsgebühren.<br />
Der Landkreis Friesland<br />
hat zudem mit seinen Städten und<br />
Gemeinden einen Friesland Hilfsfonds<br />
gestartet, mit dem Solounternehmer<br />
und mittelständische Firmen unterstützt<br />
werden, insofern hier keine Unterstützung<br />
durch Bundes- oder Landesmittel<br />
möglich ist.<br />
Campingplätze scheinen nun heiß<br />
begehrt zu sein, oder?<br />
Nach den ersten Lockerungsmaßnahmen<br />
durch das Land Niedersachsen<br />
durften zunächst nur 50 Prozent der<br />
Stellplätze für Dauercamper und Tourismuscamper<br />
belegt werden. Gerade<br />
über Himmelfahrt und zu Pfingsten<br />
haben viele Tourismusorte hier die<br />
Kapazitätsgrenzen erreicht. Seit dem<br />
8. Juni erfolgte eine weitere Lockerung<br />
durch das Land Niedersachsen, so dass<br />
eine Belegung von bis zu 80 Prozent<br />
der Stellplätze möglich ist. Unsere Region<br />
ist eine sehr beliebte Urlaubsregion<br />
und natürlich sind wir auch froh,<br />
dass das Interesse weiterhin groß ist<br />
und die Gäste auch wiederkommen.<br />
(Anm. d. Red.: Das Interview wurde<br />
mit Stand vom 8. Juni geführt, nachträgliche<br />
Änderungen bei den Corona-Regelungen<br />
sind möglich)<br />
Gibt es weitere Optionen im Landkreis,<br />
beispielsweise mehr Stellplätze<br />
für Wohnmobile?<br />
Mit der weiteren Lockerung durch die<br />
geänderte Landesverordnung wird<br />
sich die Situation auch hier weiter entspannen.<br />
Zusätzliche offizielle Stellplätze<br />
für Wohnmobile sind insbesondere<br />
im Wangerland in der Überlegung.<br />
Der Landkreis Friesland würde<br />
dabei unbürokratisch helfen.<br />
Wie ist die Lage auf Wangerooge?<br />
Seit den Lockerungsmaßnahmen Anfang<br />
Mai ist die Übernachtung in den<br />
Beherbergungsbetrieben auf Wangerooge<br />
wieder möglich. Auch die weiteren<br />
Lockerungsmaßnahmen werden<br />
hier zu einer deutlich stärkeren Auslastung<br />
der Betriebe führen. Der Tagestourismus<br />
ist zum Zeitpunkt dieses<br />
Interviews aber nicht zulässig. Auf den<br />
Fähren sowie auf den Inseln besteht<br />
weiterhin erhöhtes Risiko von Personenansammlungen<br />
zahlreicher, untereinander<br />
nicht bekannter Menschen.<br />
Die Übertragung des Virus ist somit<br />
leichter möglich, die Feststellung und<br />
Nachverfolgung der Kontaktpersonen<br />
und somit Eindämmung der Verbreitung<br />
aber umso schwieriger. Dies<br />
würde durch den Tagestourismus weiter<br />
verstärkt werden, so dass wir hierauf<br />
zunächst noch verzichten müssen.<br />
Welchen Eindruck haben Sie: Werden<br />
mehr Urlauber in heimischen<br />
Gefilden verweilen?<br />
Viele Touristen werden sich als Folge<br />
der Corona-Pandemie in den nächsten<br />
Jahren noch eher für einen Urlaub in<br />
Deutschland entscheiden. Vor diesem<br />
Hintergrund erwarten die großen Destinationen<br />
wie die Niedersächsische<br />
Nordseeküste erhebliche Gästezuwächse.<br />
Wie bereits gesagt, ist das Interesse<br />
an der Region weiterhin groß,<br />
die verfügbaren Unterkünfte werden<br />
gebucht, Campingplätze belegt. Daher<br />
müssen wir alles daran setzen, dass so<br />
viele Unternehmen und Arbeitsplätze<br />
wie möglich die Coronakrise überstehen.<br />
Ansonsten haben wir künftig<br />
viele Gäste, aber keine touristische Infrastruktur.<br />
Zahlreiche Betriebe bangen derzeit<br />
um ihre Existenz…<br />
Die Bundesregierung und das Land<br />
Niedersachsen haben eine Reihe von<br />
Hilfspaketen für die Unternehmen beschlossen.<br />
Neben den Kurzarbeiterregelungen<br />
gibt es auch direkte finanzielle<br />
Unterstützungsmöglichkeiten.<br />
Diese Hilfspakete umfassen sowohl<br />
Liquiditätskredite als auch direkte Zuschüsse,<br />
die durch die NBANK auf<br />
Antrag gewährt werden. Allein für den<br />
Landkreis Friesland wurden bis zum<br />
Stand 15. Mai durch die NBANK 1531<br />
Unternehmen mit einer Zuschusssumme<br />
in Höhe von rund 9,78 Mio.<br />
Euro unterstützt. Die Antragstellung<br />
für die Corona-Soforthilfe bei der<br />
NBANK ist seit dem 1. Juni nicht mehr<br />
möglich. Die Bundesregierung plant<br />
aktuell ein neues umfassendes Konjunkturpaket.<br />
Das ist auch dringend<br />
nötig. Die Unternehmen brauchen liquide<br />
Mittel. Zusätzlich zu den Unterstützungen<br />
von Bund und Land hat der<br />
Landkreis Friesland mit seinen Städten<br />
und Gemeinden einen eigenen<br />
Friesland-Hilfsfonds aufgelegt, um Soloselbstständige,<br />
Freiberufler und<br />
mittlere Unternehmen mit direkten<br />
Zuschüssen zu fördern. Insgesamt bis<br />
zu 3,0 Millionen Euro stehen so zur<br />
Verfügung.<br />
Statt ins ferne Ausland zu werden, werden viele Deutsche in diesem Jahr in der Heimat Urlaub machen – wie etwa im Friesland.<br />
<br />
Foto: Wangerland Touristik GmbH<br />
Sven Ambrosy ist Landrat des Landkreises<br />
Friesland und Vorsitzender<br />
des Tourismusverbandes Niedersachsen.<br />
Foto: Landkreis Frieslandgen den Betrieb mehr oder weniger<br />
mie getroffen, die von heute auf mor-<br />
komplett einstellen musste und noch<br />
eine lange Zeit mit den Folgen zu<br />
kämpfen haben wird, bis das Vertrauen,<br />
beispielsweise ins Reisen, wieder<br />
hergestellt ist. Auch nicht zu vergessen<br />
sind sämtliche Bereiche der<br />
Was bedeutet dies für die Saisonkräfte?<br />
Wie viele Menschen sind Automobilzulieferung, oder der Wegbruch<br />
von Produktionen aufgrund un-<br />
derzeit in Kurzarbeit?<br />
Insbesondere die Saisonkräfte sind terbrochener Lieferketten mit dem<br />
natürlich extrem stark von den Ein-Auslandschränkungen und Schließungen rufe von Soloselbstständigen erreicht,<br />
Mich haben auch viele An-<br />
durch die Corona-Pandemie betroffen. denen die komplette Existenz wegge-<br />
ist. Der gesamtwirtschaftliche<br />
Die Saison sollte ja eigentlich mit Be-brocheginn<br />
der Osterferien an der Küste und Schaden ist daher nicht bezifferbar.<br />
auf den Inseln starten. Aktuell lässt<br />
sich feststellen, dass die Einstellung<br />
aufgrund der Corona-Pandemie nicht<br />
beziehungsweise nur verhalten erfolgt<br />
ist. Viele der sonst in Saisonarbeit beschäftigten<br />
Personen befinden sich<br />
daher in Bezug von Transferleistungen.<br />
Im April und Mai war insgesamt<br />
für rund 12 000 Personen in Friesland<br />
Kurzarbeit angezeigt.<br />
Tourismus ist ja „das“ Standbein<br />
in der Region – von dem die meisten<br />
sicher immer dachten, dass<br />
man dem nichts anhaben könne.<br />
Wie stellt man sich nun für die Zukunft<br />
auf?<br />
Der Landkreis stellt sich durch seine<br />
sehr aktive Wirtschaftsförderung breit<br />
auf. Es ist die Strategie des Landkreises,<br />
nicht mehr von einem einzelnen<br />
Wirtschaftszweig so abhängig zu sein,<br />
wie es noch bis zu den 90er Jahren bei<br />
Olympia oder teilweise durch die Dominanz<br />
von Airbus Anfang der 2000er<br />
Jahre der Fall war. Der Tourismus in<br />
der Region wird nach der Corona-Pandemie<br />
voraussichtlich wegen der Beliebtheit<br />
von Urlaub im eigenen Land<br />
sowie der demographischen Entwicklung<br />
wieder auf sein bisheriges Niveau<br />
zurückkehren und eventuell auch verstärkt<br />
aus der Krise hervorgehen. Davon<br />
wird die Niedersächsische Nordseeküste<br />
profitieren. Entscheidend ist,<br />
in den nächsten Jahren weiter in die<br />
Verbesserung der vorhandenen Infrastruktur<br />
zu investieren und auch neue<br />
Angebote für Touristen zu schaffen.<br />
Daher fordern wir auch vom Land ein<br />
touristisches Investitionsprogramm.<br />
Zudem müssen Land und Bund bei der<br />
EU darauf drängen, dass in der nächsten<br />
EU-Förderperiode wieder touristische<br />
Infrastruktur gefördert werden<br />
kann. Trotz der aktuellen Krise blicken<br />
wir dennoch positiv in die Zukunft.<br />
Entscheidend ist aber, dass auch jetzt<br />
die Unternehmen wieder Fahrt aufnehmen<br />
können und so in der Zukunft<br />
das erforderliche Angebot möglich ist.<br />
Von Melanie Jülisch<br />
Oldenburg<br />
Im Interview äußern sich Nicole<br />
Bramlage, Amt für Wirtschaftsförderung<br />
und Kreisentwicklung<br />
(Landkreis Vechta), und Dirk<br />
Gehrmann, Leiter der Wirtschaftsförderung<br />
(Landkreis Cloppenburg),<br />
zur derzeitigen Lage des<br />
Oldenburger Münsterlands.<br />
Welche Branchen sind im Oldenburger<br />
Münsterland besonders<br />
durch die Krise getroffen?<br />
Bramlage: Eigentlich möchte ich<br />
keine Branche besonders herausheben,<br />
denn die Corona-Pandemie hat oder<br />
hatte auf jede Branche mehr oder weniger<br />
starken Einfluss. Besonders hart<br />
hat es natürlich die gesamte touristische<br />
Branche inklusive der Gastrono-<br />
Gehrmann: Besonders betroffen sind<br />
auch im Landkreis Cloppenburg Gastronomie,<br />
Hotellerie und die gesamte<br />
Tourismusbranche, aber beispielsweise<br />
auch das Verkehrsgewerbe. Selbst die<br />
Unternehmen der Ernährungswirtschaft<br />
haben in Teilen durch den Wegfall<br />
aller Großveranstaltungen starke<br />
Umsatzrückgänge. Negativ betroffen<br />
sind mit ganz wenigen Ausnahmen eigentlich<br />
alle wirtschaftlichen Akteure.<br />
Erschwerend hinzu kommen die massiven<br />
Einbrüche der nicht-gewinnorientierten<br />
Institutionen, wie Bildungsinstitutionen,<br />
kulturelle Angebote,<br />
Veranstaltungsagenturen und Freizeitanbieter.<br />
In Zahlen haben wir im<br />
Landkreis Cloppenburg einen Anstieg<br />
der Arbeitslosigkeit um über 30 Prozent<br />
im Vergleich zu Mai 2019. Auch<br />
bei der Kurzarbeit hat es mit aktuell<br />
mehr als 1700 Anträgen von Firmen im<br />
Landkreis einen sprunghaften Anstieg<br />
gegeben. Nach Berichten von Unternehmern<br />
bewegen sich die Umsatzeinbußen<br />
durchschnittlich im zweistelligen<br />
Prozentbereich, je nach Branche.<br />
Nun geht es glücklicherweise wieder,<br />
zumindest in kleinen Schritten,<br />
aufwärts. Welche Rolle spielt<br />
dabei die Wirtschaftsförderung?<br />
Bramlage: Zu Beginn der Krise hat<br />
die Wirtschaftsförderung die UnternehmerInnen<br />
mit Informationen bezüglich<br />
wirtschaftlicher Hilfen, beispielsweise<br />
Corona-Soforthilfe,<br />
KfW-Kredite, Digitalbonus, unter-<br />
EIN STARKER PARTNER IN<br />
BESONDEREN ZEITEN!<br />
GRADLINIG. ECHT.<br />
INNOVATIV.<br />
stützt. Jetzt kommen vermehrt Anfragen<br />
zu unserem KMU-Förderprogramm<br />
von Personen, die eventuell<br />
auch aufgrund der Krise ihre wirtschaftliche<br />
Zukunft in der Selbstständigkeit<br />
sehen.<br />
Gehrmann: Als „Hilfe zur Selbsthilfe“<br />
haben wir ganz zu Beginn der Pandemie<br />
eine stark zunehmende Zahl von<br />
Unternehmensanfragen beantwortet<br />
und waren dazu auch am Wochenende<br />
in das Bürgertelefon des Landkreises<br />
eingebunden. Die verschiedenen Unterstützungsmöglichkeiten<br />
und Informationsstellen<br />
haben wir umgehend<br />
für Firmen, Institutionen und Vereine<br />
auf unserer Internetseite bereitgestellt<br />
und zeitweilig aufgrund der schnellen<br />
Veränderungen mehrmals täglich aktualisiert.<br />
Nachdem sich nun der erste<br />
Schock ein wenig gelegt hat, werden<br />
wir weiter über Hilfen informieren<br />
und als verlässlicher Ansprechpartner<br />
für die Betriebe da sein. Gerade jetzt<br />
kommt unserem kreiseigenen Förderprogramm<br />
für Existenzgründung und<br />
Betriebsnachfolge sowie weiteren finanziellen<br />
Hilfen und unterstützenden<br />
Informationen für die Wirtschaft eine<br />
besondere Bedeutung zu. Trotz schwindender<br />
kommunaler Einnahmen sind<br />
antizyklische Strategien für die langfristige<br />
Milderung der Corona-Krise<br />
angezeigt.<br />
. . . einfach eine<br />
gute Wahl!<br />
Können Sie eine Prognose für die<br />
Zukunft abgeben?<br />
Bramlage: Das ist zu diesem Zeitpunkt<br />
nicht zu sagen. Eine positive<br />
Begleiterscheinung ist sicherlich, dass<br />
sich die Kommunikationswege verändert<br />
haben, Stichwort Videokonferenzen.<br />
Oder es vielen MitarbeiterInnen<br />
ermöglicht wurde, ins Homeoffice zu<br />
gehen oder die Arbeitszeiten flexibilisiert<br />
wurden. Einige Unternehmen<br />
haben auch sehr flexibel reagiert und<br />
Teile ihrer Produktion umgestellt, um<br />
beispielsweise Schutzausrüstungen<br />
oder Desinfektionsmittel herzustellen,<br />
um dem zeitweiligen Engpass in der<br />
Beschaffung entgegenzuwirken. Insgesamt<br />
überwiegen die negativen Auswirkungen<br />
mehr als deutlich. Dennoch<br />
hoffen wir, dass wir die Corona-Krise<br />
mit vereinten Kräften so gut wie möglich<br />
bewältigen werden.<br />
Gehrmann: Eine Prognose ist auch in<br />
meinen Augen nahezu unmöglich. Jede<br />
Krise eröffnet aber auch Chancen. So<br />
hat die Corona-Pandemie eindrucksvoll<br />
gezeigt, wie existenziell wichtig<br />
der Ausbau digitaler Infrastrukturen<br />
im ländlichen Raum ist. Ohne Glasfaser<br />
und Mobilfunk keine Zukunft,<br />
könnte man ganz verkürzt feststellen.<br />
Daher muss auch weiterhin hohe Priorität<br />
auf den Ausbau dieser Technologien<br />
gelegt werden. Jeder Bürokratieabbau<br />
beschleunigt den Netz-Ausbau.<br />
Corona hat aber vielen Skeptikern<br />
auch bewiesen, dass Tele-Arbeit und<br />
Video-Konferenzen tatsächlich funktionieren.<br />
Dies gilt es für die Zukunft zu<br />
nutzen. Nicht nur den Unternehmern<br />
hat Corona gezeigt, wie wichtig es ist,<br />
seit 1923<br />
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Nicole Bramlage. Foto: Bramlage<br />
Dirk Gehrmann. Foto: Gehrmann<br />
flexibel auf sich drastisch ändernde<br />
Rahmenbedingungen reagieren können<br />
zu müssen. Vielleicht hat das Virus<br />
damit dazu beigetragen, eine gewisse<br />
Selbstzufriedenheit der Wirtschaft<br />
wieder durch mehr Wachsamkeit zu<br />
ersetzen und damit größere Offenheit<br />
und höhere Innovationsbereitschaft in<br />
den Firmen auszulösen. Positiv hervorzuheben<br />
ist, dass sich gerade in dieser<br />
Krisenzeit wieder gezeigt hat, wie<br />
wichtig menschliche Werte für langfristig<br />
erfolgreiche Unternehmen sind.<br />
Diese haben im Landkreis Cloppenburg<br />
und im gesamten Oldenburger<br />
Münsterland noch einen hohen Stellenwert.<br />
Neben der Wirtschaft hat sich<br />
der große gesellschaftliche Zusammenhalt<br />
im Oldenburger Münsterland<br />
auch wieder einmal durch enorm hohes<br />
ehrenamtliches Engagement gezeigt.<br />
Das macht Mut für die Zukunft.
22<br />
<strong>Wirtschaftskreuz</strong> Nord-West<br />
<strong>Wirtschaftskreuz</strong> Nord-West<br />
23<br />
Mehr als Kraut und Rüben<br />
Die solidarische Landwirtschaft funktioniert ohne Preise und Markt<br />
„Wir helfen, wo wir können“<br />
Guter Branchenmix bewahrt die Stadt Oldenburg vor hohen Steuerausfällen<br />
Von Sebastian Fobbe<br />
Bramsche<br />
Anfang Februar 2020. Eine<br />
Gruppe Demonstranten steht<br />
vor dem Kanzleramt in Berlin<br />
und ist wütend. Was die Protestierenden<br />
auf die Straße<br />
treibt, sind die Lebensmittelpreise.<br />
Auf ihren Transparenten<br />
steht der Slogan „Billigfleisch<br />
kostet uns die Zukunft“.<br />
Aufgerufen zum Protest<br />
hat die Umweltorganisation<br />
Greenpeace. Der Protest<br />
der Naturschützer gehört zu<br />
den wenigen Ausnahmen, bei<br />
denen sie an der Seite der<br />
Landwirte stehen. Denn auch<br />
die Bauern im Land leiden<br />
unter den Billigpreisen.<br />
Schweinesteaks für weniger<br />
als vier Euro – wie soll man so<br />
nachhaltig und kostendeckend<br />
produzieren?<br />
Der Preisdruck kommt nicht von ungefähr:<br />
Wie die Lebensmittelzeitung für<br />
2018 errechnet, teilen sich vier Lebensmittelkonzerne<br />
in Deutschland 85<br />
Prozent des gesamten Branchenumsatzes.<br />
Und haben dadurch jede Menge<br />
Macht. Wenn sie die Preise nach unten<br />
drücken, muss irgendwer in der Kette<br />
sparen. In vielen Fällen bleiben wahlweise<br />
Tierwohl, Umwelt oder Löhne<br />
auf der Strecke.<br />
Mit dieser Art der Landwirtschaft<br />
wollen sich einige Bauern nicht abfinden.<br />
Sie organisieren sich als Solidarische<br />
Landwirtschaft, kurz SoLaWi.<br />
Die SoLaWi will sich dem Preisdruck<br />
der Konzerne entziehen und gleichzeitig<br />
regional wirtschaften. Wie das gelingt,<br />
zeigt der CSA Hof Pente in<br />
Bramsche. Er gehört zum Netzwerk<br />
Solidarische Landwirtschaft. Das Kürzel<br />
im Namen steht übrigens für „Community<br />
Supported Agriculture“, also<br />
der englischen Bezeichnung für So-<br />
LaWi.<br />
Seit 10 Jahren wirtschaftet der CSA<br />
Hof Pente nach SoLaWi-Prinzipien,<br />
berichten Julia und Tobias Hartkemeyer,<br />
die den Betrieb leiten. Warum<br />
sie sich dazu entschieden haben? „Das<br />
herkömmliche Landwirtschaftsmodell<br />
stößt langfristig an seine Grenzen“,<br />
antworten sie. Die SoLaWi baue<br />
auf einer nachhaltigeren Idee auf:<br />
Landwirte und Kunden teilen sich die<br />
Verantwortung für die Ernte. Statt<br />
erst beim Kauf den Preis für die Lebensmittel<br />
zu bezahlen, legen die<br />
Teilhaber vorab Beiträge fest. Die Kunden<br />
zahlen also im Vorfeld einen bestimmten<br />
Teil der Ernte ab.<br />
Für die Landwirte wie die Hartkemeyers<br />
bedeutet das vor allem eines:<br />
Sicherheit. Sie sind nicht mehr übermäßig<br />
stark von den Schwankungen<br />
am Markt abhängig. Wenn also beispielsweise<br />
wegen Dürre oder Unwetter<br />
ein Teil der Ernte ausfällt, können<br />
sie weiterhin Löhne zahlen. Zudem<br />
brauchen sie keine Vermarktungsketten<br />
mehr. Der Ertrag landet sofort<br />
beim Kunden, ohne den Umweg über<br />
das Kassenband im Supermarkt zu<br />
nehmen.<br />
Das ist beim CSA Hof Pente nicht anders.<br />
Die rund 350 Mitglieder holen<br />
freitags die Ernte auf dem Bauernhof<br />
in Bramsche ab. Dazu kommen zwei<br />
Depots in Osnabrück; eines davon im<br />
Unverpackt-Laden Tara. Das Obst,<br />
Gemüse und die Fleischwaren, die die<br />
Mitglieder abholen, erzeugt der CSA<br />
Hof Pente nach Demeter-Kriterien.<br />
„Die Folgen ihres Konsumverhaltens<br />
haben die Mitglieder immer auf dem<br />
Teller“, erläutert Julia Hartkemeyer.<br />
Ein Muss ist der Bio-Anbau in der So-<br />
LaWi aber nicht, auch wenn die Mehrzahl<br />
der SoLaWi-Betriebe ökologisch<br />
wirtschaftet.<br />
Je nach Saison bekommen die Mitglieder<br />
das, was gerade geerntet wird. Das<br />
kann mal weniger, aber auch mal weitaus<br />
mehr sein als gedacht. Erntet der<br />
SoLaWi-Hof zum Beispiel einen Überschuss<br />
an Grünkohl, heißt es für die<br />
Abnehmer dann: einkochen, einfrieren<br />
oder verschenken. Das Bundeszentrum<br />
für Ernährung rät nur dann zu<br />
einer SoLaWi-Mitgliedschaft, wenn<br />
man genügend Zeit zum Kochen hat.<br />
Andernfalls würde ein Teil der Ernte<br />
im Müll landen. Wer viel unterwegs<br />
ist, kann alternativ zu Abo-Kisten<br />
greifen, die mittlerweile zahlreiche<br />
Bauern anbieten.<br />
Die SoLaWi scheint außerdem immer<br />
mehr Bauern eine Perspektive abseits<br />
des Marktes zu bieten. Wirtschafteten<br />
2008 nur neun Höfe in Deutschland<br />
solidarisch, stieg die Zahl der SoLa-<br />
Wi-Betriebe zehn Jahre später schon<br />
auf über 180 an. Mitte 2020 gibt es<br />
nach Angaben des Netzwerks Solidarische<br />
Landwirtschaft 284 SoLaWi-Höfe<br />
im Bundesgebiet; 62 Betriebe befinden<br />
sich in Gründung. Ein Nischendasein<br />
fristet die SoLaWi also nicht mehr.<br />
Neben dem CSA Hof Pente finden sich<br />
immer mehr Höfe im Umkreis, die auf<br />
SoLaWi umstellen. Dazu gehören unter<br />
anderem der Elshof in Melle-Buer<br />
Der Hof Pente in Bramsche baut seine Lebensmittel nach dem Prinzip der solidarischen<br />
Landwirtschaft an.<br />
oder der Demeterhof Entrup in Alten-Oldenburberge.<br />
In Ueffeln startete im April Erst vor wenigen Wochen ist<br />
2020 außerdem das SoLaWi-Projekt<br />
das Hilfepaket des Bundes ge-<br />
worden, das auch der<br />
„Bodenständig“. Auch Tobias Hartkemeyer<br />
bemerkt das steigende Inter-schnüresse<br />
an der SoLaWi und sagt: „Corona Stadt Oldenburg zu Gute<br />
zeigt, wie wichtig regionale Wirt-kommtschaftskreisläufe sind.“ Der CSA Hof<br />
„Wir rechnen mit einer<br />
deutlichen finanziellen<br />
Pente erhalte derzeit mehr Mitgliedschaftsanfragen.<br />
Allerdings: „Wir sind Entlastung“, sagt Joachim<br />
nicht auf ewiges Wachstum ausgelegt Guttek, Leiter des Amtes für<br />
– und das ist auch gut so“, sagt Hart-Controllinkemeyer. und Finanzen.<br />
Dennoch machen sich die Einschränkungen<br />
durch die Corona-Krise bemerkbar:<br />
Gerechnet wird in diesem<br />
Jahr mit einem Gewerbesteuerausfall<br />
in Höhe von etwa 20 Millionen Euro.<br />
Das entspricht einem Verlust von 16<br />
Prozent mit Blick auf die geplanten<br />
Einnahmen von 125 Millionen Euro.<br />
Im vergangenen Jahr lagen diese bei<br />
insgesamt 130 Millionen Euro. „Das ist<br />
allerdings nur eine Prognose, da wir<br />
nicht genau wissen, wie die Betriebe<br />
sich in Zukunft halten werden.“<br />
Natürlich kommt man den Gewerbetreibenden<br />
in der jetzigen Lage entgegen:<br />
Vorauszahlungen werden bei Bedarf<br />
herabgesetzt oder entfallen ganz,<br />
Nachzahlungen können auf Antrag<br />
über einen längeren Zeitraum zinslos<br />
gestundet werden. „Dadurch hoffen<br />
wir auch, die Liquidität der einzelnen<br />
Betriebe erhalten zu können“, so Guttek.<br />
„Denn auch wenn sich zurzeit allmählich<br />
wieder vieles stabilisiert, sind<br />
gerade in Oldenburg der Kleinhandel<br />
und die Gastronomie besonders stark<br />
Foto: Hof Pentebetroffen. Es ist häufig ein Mix, der<br />
In Oldenburg gibt es einen guten Mix aus Kleinhandel und Gastronomie. <br />
einander bedingt.“ Aber auch Autohäuser<br />
oder das Kleinhandwerk mit den<br />
Frisören haben die Einschränkungen<br />
stark zu spüren bekommen. Andere<br />
Branchen hingegen sind kaum oder<br />
gar nicht betroffen, beispielsweise am<br />
Bau und auch im Landschaftsbau.<br />
„In Oldenburg gibt es wenig Industrie,<br />
dafür einen guten Branchenmix. Daher<br />
könnte es sein, dass wir mit einem<br />
blauen Auge davonkommen. Gemessen<br />
am langjährigen Durchschnitt<br />
werden die Einbrüche wohl nicht ganz<br />
so schwerwiegend sein wie in anderen<br />
Kommunen.“ Natürlich wird der Lockdown<br />
auch für Oldenburg nicht ohne<br />
Folgen bleiben. „Dennoch sind wir in<br />
diesem Jahr um einen Haushalt ohne<br />
Foto: Oldenburg Tourismus und Marketing GmbH<br />
nennenswerte Neuverschuldung bemüht<br />
und gehen davon aus, Investitionen<br />
beispielsweise in der Kinderbetreuung,<br />
Bildung, Schule und Digitalisierung<br />
wie geplant umsetzen zu können.“<br />
Auch den Gewerbetreibenden versucht<br />
die Stadt entgegenzukommen. „Die<br />
Außengastronomie darf beispielsweise<br />
dort, wo es vom Verkehr her<br />
möglich ist, ihre Fläche ausdehnen.<br />
Außerdem ist sie teilweise von den<br />
anfallenden Kosten befreit“, so Guttek.<br />
Hinzu kommen weitere Förderbudgets,<br />
die beispielsweise den Vereinssport<br />
oder die Kulturszene bei<br />
Bedarf unterstützen sollen. „Wir versuchen<br />
zu helfen, wo wir können.“ (jül)<br />
Döpker<br />
NWZ
<strong>Wirtschaftskreuz</strong> Nord-West<br />
25<br />
Oldenburger Mutmacher<br />
Aus dem Handwerk kommen trotz Corona positive Signale<br />
Gute Nachrichten sind in der<br />
Corona-Zeit selten, aber<br />
umso wichtiger. Hier sind ein<br />
paar Mutmacher aus Oldenburg<br />
und Umgebung.<br />
Flexibilität kommt<br />
Betrieben zugute<br />
Schnell gehandelt hat die Oldenburger<br />
Handwerkskammer (HWK). Sofort<br />
mit Beginn der Einschränkungen<br />
wurden Hinweise und Fragen der<br />
12.700 Mitgliedsbetrieben gesammelt.<br />
„Wichtig ist, dass wir für die Betriebe<br />
ansprechbar bleiben und ihnen gerade<br />
jetzt zur Seite stehen“, sagte Hauptgeschäftsführer<br />
Heiko Henke. Publikumsverkehr<br />
soll es nur noch in absolut<br />
notwendigen Fällen geben. Unter<br />
www.hwk-oldenburg.de/corona<br />
finden sich zudem zahlreiche nützliche<br />
Informationen und Downloads,<br />
beispielsweise für Anträge zu Kurzarbeit,<br />
Grundsicherung, Fördermöglichkeiten<br />
und vieles mehr. Außerdem<br />
bietet die Seite Ansprechpartner zu<br />
Digitalisierung und Homeoffice, die<br />
beratend tätig werden.<br />
So meistert das<br />
Handwerk die Krise<br />
Betriebliche Abläufe, Materialbestellung,<br />
neue Geschäftsfelder oder<br />
Hilfsprojekte: Die Pandemie sorgt für<br />
neue Ansätze in den Unternehmen.<br />
Gute Beispiele gibt es in allen Branchen,<br />
wie die <strong>Wirtschaftszeitung</strong><br />
„Norddeutsches Handwerk“ berichtet.<br />
Mutmacher aus<br />
dem Ofen<br />
Bäckereien und Konditoreien zeigen<br />
sich äußerst kreativ: Da gibt es die mit<br />
weißem Fondant ummantelte Klopapierrolle<br />
(Marmorkuchen) oder den<br />
„Amerikaner“ mit Mundschutz als<br />
Verzierung. Das Virus hat die Branche<br />
aber vor allem betriebswirtschaftlich<br />
erfasst. Die Umsätze mit Cafébetrieb<br />
und Partyservice sind komplett weggebrochen.<br />
Jan Schröder von der<br />
Stadtbäckerei in Oldenburg hat trotz<br />
aller eigenen Probleme auch die Sorgen<br />
der Gastronomen im Blick. Die<br />
von den Kunden geliebten Berliner<br />
wurden zu „Mutmachern“ umgetauft.<br />
Von einem Teil des Erlöses von jedem<br />
verkauften „Mutmacher“ werden Gutscheine<br />
in der Gastronomie gekauft.<br />
Mit diesen Gutscheinen wiederum<br />
bedankt sich der Chef bei seinen fleißigen<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.<br />
Ein Goldschmied<br />
sagt „Danke“<br />
Andreas Speckmann hat sich etwas<br />
ganz Besonderes für die Kämpfer gegen<br />
Corona ausgedacht. Der Inhaber<br />
von Die Goldschmiede Speckmann<br />
lässt Medaillen mit der Aufschrift „Coronafighter“<br />
gießen. Die Buchstaben<br />
umzingeln das Virus. Hintergrund:<br />
Speckmann engagiert sich für die Tafel<br />
und hat 2015 eine unabhängige<br />
Spendengruppe gegründet. „Während<br />
der Coronazeit ist die Ausgabe der Oldenburger<br />
Tafel geschlossen. Umso<br />
schöner, dass es ehrenamtliche Helferinnen<br />
und Helfer gibt, die zu den<br />
Kunden der Tafel nach Hause gehen<br />
und die Grundversorgung kontaktlos<br />
vor die Tür stellen“, so der Gold- und<br />
Silberschmiedemeister.<br />
Viele Friseursalons waren während<br />
des Öffnungsverbotes online aktiv<br />
und bleiben es auch weiterhin. Beispiel<br />
„Headcrash“ in Oldenburg: Über die<br />
Plattform Ticket2go können die Kunden<br />
Gutscheine für zukünftige Besuche<br />
kaufen oder aber auch etwas<br />
spenden. Zudem bietet Inhaber Marcus<br />
Rastetter die Möglichkeit an, online<br />
Haarpflegeprodukte für zu Hause<br />
zu kaufen, die dann bis an die Haustür<br />
geliefert werden. Die Bezahlung der<br />
Produkte erfolgt über Rechnung, die<br />
der Bestellung beiliegt. Vor der Pandemie<br />
konnte man schon „Headcrash-T-<br />
Shirts“ im Salon kaufen, jetzt kann<br />
man sie sich auch online bestellen. Mit<br />
der Wiedereröffnung musste der Salon<br />
die Bedienplätze von 13 auf acht reduzieren.<br />
Unterstützung durch<br />
die IHK<br />
Die Oldenburgische Industrie- und<br />
Handelskammer hat ein Tutorial erarbeitet,<br />
das Betrieben dabei helfen soll,<br />
bei Bedarf die „Niedersachsen-Soforthilfe<br />
Corona“ bei der NBank zu beantragen.<br />
Schritt für Schritt führt die<br />
„Gebrauchsanweisung“ durch die Antragsstellung<br />
und gibt Anwendern<br />
Hinweise und Tipps, die das Ausfüllen<br />
erleichtern (https://bit.ly/2UZ7FBi).<br />
Das Serviceteam Corona der IHK steht<br />
Unternehmen generell beim Thema<br />
öffentliche Finanzierungshilfen und<br />
allen weiteren Fragen in der Corona-Krise<br />
zur Verfügung (www.ihk-oldenburg.de/corona).<br />
Auslandsmärkte:<br />
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„Navigator“ bietet die Oldenburgische<br />
IHK in Kooperation mit dem DIHK<br />
und den deutschen Auslandshandelskammern<br />
(AHKs) aktuelle Informationen<br />
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Maßnahmen in den Ländern.<br />
Während des Webinars können Fragen<br />
an den Experten gestellt werden.<br />
(pm/jül)<br />
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DIGITALISIERUNG DURCH CORONA<br />
Wie Unternehmen der Region ihre Arbeitsweisen geändert haben<br />
Vom klassischen Workshop<br />
zum digitalen Coaching<br />
Von Melanie Jülisch<br />
Eigentlich hatten die Teilnehmer des<br />
jüngsten „GO!“-Accelerator-Programms<br />
am Oldenburger Technologie-<br />
und Gründerzentrum (TGO)<br />
noch Glück: Einmal zumindest trafen<br />
sie sich physisch vor Ort, bevor<br />
Mitte März auch das GO! Start-up<br />
Zentrum für die Allgemeinheit und<br />
größere Gruppen die Türen schließen<br />
musste. „So gab es wenigstens<br />
ein Grundkennenlernen“, sagt Projektleitern<br />
Alexandra Wurm, die die<br />
jungen Gründer seitdem aus dem Homeoffice<br />
im heimischen Ostfriesland<br />
betreut.<br />
Zum fünften Mal gehen fünf Teams mit den<br />
unterschiedlichsten Ideen an den Start, um sich<br />
für die Zukunft ihres Start-ups coachen zu lassen<br />
– nur erfolgen wichtige Tipps zu Vertrieb<br />
und Marketing, Finanzierung und anderen<br />
wichtigen Strategien dieses Mal nicht im traditionellen<br />
Workshop, sondern zusammen mit<br />
den externen Experten digital vom heimischen<br />
Schreibtisch aus. „Wir waren dann doch sehr<br />
überrascht, wie viel digital funktioniert – und<br />
es hat sogar Vorteile: Gerade wenn die Teilnehmer<br />
nicht aus der Region kommen, dann sind<br />
für sie die Anfahrtswege doch sehr weit.“ Damit<br />
die Kommunikation auch wirklich reibungslos<br />
verläuft, hat Alexandra Wurm die unterschiedlichsten<br />
Tools getestet. „Vom Microsoft Teams<br />
über Zoom bis GoToMeeting haben wir alles<br />
ausprobiert.“<br />
Interaktion ist schwieriger<br />
Zurzeit ist man gemeinsam etwa zwei Stunden<br />
wöchentlich digital unterwegs, zumindest, um<br />
sich über den aktuellen<br />
Stand<br />
austauschen zu<br />
können. „Die<br />
größeren eintägigen<br />
Workshops<br />
können<br />
wir so allerdings<br />
nicht<br />
durchführen, da<br />
sie hauptsächlich<br />
auf gemeinsamem<br />
Austausch basieren“, so<br />
Alexandra Wurm. Für alles<br />
gilt ihr Credo: Wir machen<br />
es auch anders, modularer möglich.<br />
Das gilt übrigens auch fürs Pitchen,<br />
das ebenfalls im Coaching-Programm geübt<br />
wird. „Die Interaktion hierbei ist allerdings<br />
schwieriger. Der geteilte Bildschirm mit vielen<br />
kleinen Gesichtern lässt keinen wirklichen<br />
Blickkontakt zu. Dieser ist aber gerade beim<br />
Pitchen sehr wichtig, beispielsweise wenn jemand<br />
im Publikum eine Frage hat.“ Dennoch<br />
wird auch der Abschluss-Pitch auf diese Weise<br />
stattfinden, auch mit der gewohnten Fragerunde.<br />
„Nur das Grillen muss dieses Mal jeder<br />
für sich daheim stattfinden lassen“, fügt Alexandra<br />
Wurm bedauernd hinzu.<br />
Noch digitaler in die Zukunft<br />
Erst vor wenigen Tagen hat Alexandra Wurm<br />
eine Telko mit Vertretern der Stadt Oldenburg,<br />
der Uni und der IHK geführt. Zentrale Frage:<br />
Wann sind größere Netzwerkveranstaltungen<br />
wieder legitim? „Dabei haben wir uns auch<br />
überlegt, dass man das digitale Coaching auch<br />
weiterhin anbieten könnte, auch um lange Wege<br />
zu vermeiden. Ich kann mir gut vorstellen, dass<br />
es künftig einen guten digital-analogen Mix<br />
geben wird – mit klassischen Treffen vor Ort,<br />
sofern die Sicherheitsvorkehrungen dies ermöglichen,<br />
und einem Austausch auf digitaler<br />
Ebene.<br />
„Für einen<br />
namhaften<br />
Vermögensverwalter<br />
haben wir<br />
gestern die<br />
erste digitale<br />
Hauptversammlung<br />
seiner Geschichte<br />
durchgeführt.<br />
Da waren alle<br />
ganz aufgeregt, ob es<br />
klappt. Diese Art von Hauptversammlung<br />
hat die Bundesregierung<br />
kurzfristig per Gesetz möglich gemacht.<br />
Das Aktiengesetz erlaubte<br />
dies vorher nicht. Das ist ein Beispiel<br />
dafür, dass sich in Corona-Zeiten<br />
auch der letzte mit digitalen Alternativen<br />
beschäftigt.<br />
Neuer Schub<br />
für Online-Formate<br />
Bei LM IT läuft dieser Prozess schon seit einigen<br />
Jahren. Wir bilden mehr und mehr unserer Trainings<br />
und Events auch in Onlineformaten ab.<br />
Klassischerweise kommen für solche Veranstaltungen<br />
Menschen an einem Ort zusammen, ein<br />
Trainer steht vorn. Die Technik, das Produkt,<br />
dem das Training gilt, hat jeder vor sich. Die<br />
Aufgabe beim Digital Learning besteht darin,<br />
Menschen auf einer virtuellen Plattform zusammenkommen<br />
zu lassen. Damit beschäftigen wir<br />
uns schon länger.<br />
Onlineformate haben durch die Corona-Krise<br />
einen Schub bekommen. Präsenzveranstaltungen<br />
mussten in die digitale Welt übertragen<br />
werden. Aus dieser Entwicklung schlussfolgern<br />
viele, dass man als Digitalunternehmen automatisch<br />
von der Krise profitiert. So einfach ist das<br />
aber nicht. Wir haben ja weiterhin einen beträchtlichen<br />
Anteil von Dienstleistungen, die<br />
Präsenz voraussetzen, im Programm – und da<br />
gab es einen Einbruch von 100 auf null. Wir<br />
mussten unsere Kunden erst davon überzeugen,<br />
den Schritt in die digitale Welt zu machen. Das<br />
braucht Zeit. Letztlich hatten wir auch unter<br />
Umsatzeinbußen zu leiden. Glücklicherweise<br />
fahren wir schon länger zweigleisig. Durch die<br />
Onlineformate konnten wir etwa 80 Prozent des<br />
Einbruchs kompensieren. Natürlich haben wir<br />
auch neue Kunden hinzugewonnen, die sind hier<br />
aber schon mit eingerechnet. Außerdem galt<br />
unser Hauptaugenmerk zunächst den Bestandskunden.<br />
Neue Kunden wandten sich vor allem wegen<br />
Services im Bereich des modernen Arbeitsplatzes<br />
an uns. Nach dem Shutdown mussten ja zunächst<br />
einmal alle Mitarbeiter ins Home Office.<br />
Nicht bei jedem Unternehmen war das bereits<br />
gelebtes Konzept. Und es reicht auch nicht, dass<br />
man seine E-Mails von Zuhause abrufen kann.<br />
Man benötigt Kommunikationsinfrastrukturen<br />
inkl. Videokonferenzlösungen und Zugänge zu<br />
den Softwaresystemen des Unternehmens. Der<br />
Mitarbeiter muss auf die EDV in der Firma zugreifen<br />
können.<br />
Bei LM IT haben wir innerhalb von drei Tagen 90<br />
Prozent unsere Belegschaft ins Home Office verlagert.<br />
Dort können die Mitarbeiter auf eine<br />
komplette Hardwareausstattung zurückgreifen,<br />
inklusive Details wie Kamera, Headset und Sicherheitssoftware.<br />
Außerdem haben wir einen<br />
juristischen Rahmen erarbeitet, der die Mitarbeiter<br />
bei der Arbeit von zu Hause auch hinsichtlich<br />
der Rechtslage absichert.<br />
In der Krise sind bestimmte Notwendigkeiten<br />
sichtbarer geworden. Wir hoffen in der Folge auf<br />
ein verändertes Investitionsverhalten bei den<br />
Firmen, um Digitalisierungsthemen jetzt noch<br />
stärker zu gewichten. Viele haben in der Krise<br />
zum ersten Mal erlebt, dass vieles auch online<br />
funktioniert und wieviel Veränderung möglich<br />
ist, wenn es sein muss. Das wird sich auswirken.“<br />
Marc Liepe, CEO LM IT Services AG,<br />
Osnabrück<br />
ZUHAUSE<br />
„Ab Mitte März haben bei<br />
uns alle 150 Mitarbeiter im<br />
Home Office gearbeitet.<br />
Über unsere Bestandskunden<br />
konnten wir zu Anfang der<br />
Krise einen Schub im<br />
Auftragswert von einigen<br />
Millionen Euro verbuchen.<br />
Da ging es vor allen Dingen<br />
um die Ausstattung mit<br />
Geräten, Lizenzen und<br />
Software wie beispielsweise<br />
der Kollaborationslösung<br />
Microsoft Teams.<br />
VERLAG<br />
Verlag Neue Osnabrücker Zeitung GmbH & Co. KG<br />
Breiter Gang 10–16, 49074 Osnabrück<br />
Geschäftsführer: Axel Gleie und Jens Wegmann<br />
Nordwest-Zeitung Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG<br />
Postfach 2525 · 26015 Oldenburg<br />
Geschäftsführer: Harold Grönke<br />
Aschendorff Medien GmbH & CO KG<br />
An der Hansalinie 1 - 48163 Münster<br />
Geschäftsführer: Dr. Benedikt Hüffer, Dr. Eduard Hüffer<br />
Grafschafter Nachrichten GmbH & Co. KG<br />
Coesfelder Hof 2, 48527 Nordhorn<br />
Geschäftsführer: Dipl.-Kfm. Jochen Anderweit<br />
Mobiles Arbeiten wird selbstverständlich sein<br />
Wir haben die Kunden zunächst mit<br />
Lizenzen für eine Übergangsphase<br />
von drei bis sechs Monaten ausgestattet.<br />
Ein großer Bedarf bestand auch<br />
für Sicherheitslösungen auf den Endgeräten<br />
der Mitarbeiter. Oft wurden<br />
im Home Office die privaten PCs der<br />
Mitarbeiter genutzt. Diese mussten<br />
mit leistungsfähigen Virenschutz und<br />
Produkten zur Verschlüsselung ausgestattet<br />
werden.<br />
Im April folgte dann die Ernüchterung:<br />
Wegen Corona haben unsere<br />
Kunden viele Projekte verschoben. Das<br />
war ein Einbruch unseres Projektgeschäfts.<br />
Ab dem 1. April mussten wir<br />
deshalb vereinzelt auch Kurzarbeit<br />
anmelden. Glücklicherweise haben wir<br />
REDAKTION<br />
Neue Osnabrücker Zeitung GmbH & Co. KG<br />
Verantwortlich i.S.d.P.: Ralf Geisenhanslüke<br />
Nordwest-Zeitung Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG<br />
Verantwortlich i.S.d.P.: Melanie Jülisch<br />
AGM Anzeigenblattgruppe Münsterland GmbH<br />
An der Hansalinie 1, 48163 Münster<br />
Verantwortlich i.S.d.P.: Claudia Bakker<br />
Grafschafter Nachrichten GmbH & Co. KG<br />
Verantwortlich i.S.d.P.: Peter Zeiser<br />
einen guten Mix bei unseren Kunden<br />
und etwa die Hälfte unseres Gesamtgeschäfts<br />
entfällt auf den Geschäftsbereich<br />
Managed Services. Dort läuft es<br />
gut. Geringere Umsätze verzeichnen<br />
wir aber auch im Geschäft mit Servern<br />
und Sicherheitslösungen. Der Verkauf<br />
von Hard- und Software in Rechenzentren<br />
ist um 25 Prozent eingebrochen.<br />
Dagegen fahren die Geschäftsbereiche<br />
Cloud Solutions und Modern Workplace<br />
unter Volllast. In die Cloud wollen<br />
jetzt alle; auch die, die ihren Mitarbeitern<br />
vorher untersagt haben, aus<br />
dem Home-Office zu arbeiten.<br />
Wir haben viele Kunden aus dem Bereich<br />
der Autozulieferer. Da geht im<br />
Moment nichts. Die Unternehmen<br />
IMPRESSUM<br />
ANZEIGEN-/WERBEVERKAUF<br />
MSO Medien-Service GmbH & Co. KG<br />
Große Straße 17–19, 49074 Osnabrück<br />
Geschäftsführer: Sven Balzer<br />
Verantwortlich: Sven Balzer, Marvin Waldrich<br />
Nordwest-Zeitung Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG<br />
Verantwortlich: Stephanie von Unruh<br />
Aschendorff Medien GmbH & CO KG<br />
Verantwortlich: Marc Arne Schümann<br />
Grafschafter Nachrichten GmbH & Co. KG<br />
Verantwortlich: Dipl.-Wirt.-Ing. (FH) Matthias Richter<br />
scheuen jede Investition. Das Gros unserer<br />
Kunden sind mittelständische<br />
Betriebe mit 250 bis hin zu 10.000<br />
Mitarbeitern. Der Kontakt zu den Kunden<br />
ist in der Krise teilweise erschwert.<br />
IT-Abteilungen sind im Home-Office;<br />
oder sie sind aufgrund von Kurzarbeit<br />
nur in bestimmten Zeitfenstern erreichbar.<br />
Die Unsicherheit ist groß. Das<br />
hat unmittelbar Auswirkungen auf<br />
uns, wir stehen in der Wertschöpfungskette.<br />
In der heißen Zeit der Krise haben uns<br />
die Kunden teilweise nicht mehr auf<br />
ihr Betriebsgelände gelassen. Das wird<br />
schwierig, wenn es darum geht, neue<br />
Hardware zu installieren. Andere<br />
Dienstleistungen konnten wir teilweise<br />
per Videokonferenz erbringen.<br />
Wir gehen jetzt auf den Sommer zu.<br />
Die meisten Mitarbeiter werden Urlaub<br />
abbauen. Im September geht es<br />
dann hoffentlich wieder richtig los.<br />
Wenn nicht, werden wir unsere Planzahlen<br />
für 2020 nicht erreichen.<br />
Die Krise hat aber auch positive Auswirkungen.<br />
Das mobile Arbeiten wird<br />
in Zukunft selbstverständlicher sein.<br />
Es ist ein Ruck durch die Wirtschaft<br />
gegangen, die Leute nehmen auf einmal<br />
war, wie viele Dinge sich über Videokonferenzen<br />
und andere Tools erledigen<br />
lassen.“<br />
Christian Gäbel, Leiter des Geschäftsbereichs<br />
Information Security<br />
bei pco GmbH & Co. KG, Osnabrück<br />
KONZEPTION UND UMSETZUNG<br />
NOW-Medien GmbH & Co. KG<br />
Große Straße 17-19, 49074 Osnabrück<br />
DRUCK<br />
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Wilhelmshavener Heerstraße 270, 26125 Oldenburg<br />
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28<br />
<strong>Wirtschaftskreuz</strong> Nord-West<br />
<strong>Wirtschaftskreuz</strong> Nord-West<br />
29<br />
In der Krise am Ruder bleiben<br />
Experten geben Tipps für Liquidität, Führung, Preise und Kundengewinnung<br />
Verlierer und Gewinner in Corona-Zeiten<br />
Düstere Prognosen für den Schiffbau – Agrartechnikunternehmen haben andere Sorgen<br />
Von Christoph Lützenkirchen<br />
Osnabrück<br />
So etwas gab es noch nie. Die<br />
Corona-Pandemie hat in<br />
Deutschland zur stärksten<br />
Wirtschaftskrise seit dem<br />
Zweiten Weltkrieg geführt.<br />
Weltweit spielten die Börsen<br />
verrückt, Grenzen wurden<br />
abgeschottet. Die Politik beschloss<br />
am Fließband neue<br />
Notmaßnahmen. In der Öffentlichkeit<br />
gibt es kaum noch<br />
Superlative, die nicht zur Beschreibung<br />
der Krise benutzt<br />
wurden. Und was tun die Unternehmen?<br />
Wie behalten Unternehmerinnen<br />
und Unternehmer<br />
angesichts der Unsicherheiten,<br />
Unwägbarkeiten<br />
und täglich neuen existenziellen<br />
Bedrohungen einen kühlen<br />
Kopf? Darüber haben wir<br />
mit drei Experten aus dem<br />
Beraterkreis der WIGOS<br />
Wirtschaftsförderungsgesellschaft<br />
Osnabrücker Land<br />
gesprochen.<br />
Der Unternehmensberater Carl-Dietrich<br />
Sander aus dem rheinischen<br />
Kaarst erklärt, wie man in der Krise<br />
die eigene Liquidität sichert und erfolgreich<br />
staatliche Fördergelder beantragt.<br />
Mit Fragen der Führung und<br />
Kommunikation im Unternehmen hat<br />
sich der Osnabrücker Hochschullehrer<br />
Professor Burkhard Bensmann beschäftigt.<br />
Dritter im Bunde ist der<br />
Lingener Verkaufstrainer, Redner und<br />
Autor Oliver Schumacher. Er macht<br />
Mut zur selbstbewussten Preisverhandlung<br />
und gibt Tipps zur Neukundengewinnung.<br />
Liquidität sichern<br />
In der Corona-Krise geraten selbst erfahrene<br />
Unternehmer in Situationen,<br />
in denen sie nicht mehr wissen, welches<br />
von diversen Feuern sie löschen<br />
sollen. Worum gilt es sich als Erstes zu<br />
kümmern? „Die Liquidität steht absolut<br />
im Vordergrund, egal wo ich mich<br />
mit meinem Unternehmen befinde“,<br />
sagt Carl-Dietrich Sander: „Die Aufgabe<br />
ist zunächst, die vorhandene Liquidität<br />
zu bewahren.“ Zunächst solle<br />
man ermitteln, wie viel Eigenkapital<br />
noch vorhanden ist.<br />
Wenn das Eigenkapital Ende 2019<br />
durch Verluste zu mehr als 50 Prozent<br />
aufgebraucht war, bekomme man<br />
keine Corona-Unterstützung. Im<br />
nächsten Schritt wird die so genannte<br />
„Kapitaldienstfähigkeit“ ermittelt, daran<br />
orientieren sich Banken bei der<br />
Beurteilung der Liquidität. Das Ergebnis<br />
muss positiv sein. Weiter wird die<br />
noch vorhandene freie Liquidität bei<br />
der Bank bilanziert. Steht noch Guthaben<br />
zur Verfügung? Habe ich noch<br />
freies Volumen in meiner Kreditlinie?<br />
Auch die vorhandenen privaten Reserven<br />
werden geprüft.<br />
Um sich in der Krise möglichst viel<br />
Handlungsspielraum zu erhalten, sollten<br />
Unternehmer sich auch das eigene<br />
Mahnwesen vornehmen, rät der Unternehmensberater:<br />
„Wenn eine Leistung<br />
erbracht wurde, dann sollte man sie<br />
zeitnah in Rechnung stellen. Jeder<br />
Euro, der jetzt aufs Konto kommt, ist<br />
Gold wert.“ Wo immer möglich, gelte es<br />
zudem, Anzahlungen zu vereinbaren.<br />
Bestände im Warenbestand sollte man<br />
wenn möglich zügig abverkaufen.<br />
Wenn nun das Geld trotzdem nicht<br />
reicht, um die fälligen Kosten zu decken,<br />
hilft möglicherweise ein Kredit<br />
aus den staatlichen Förderprogrammen.<br />
Ansprechpartner ist die Hausbank.<br />
Wie bereitet man sich gut auf<br />
das Gespräch mit der Bank vor? „Wenn<br />
ich zur Bank muss, ist es wichtig, dass<br />
ich meine eigene Verhandlungsposition<br />
einschätzen kann“, so Sander:<br />
„Dafür muss ich das Rating kennen,<br />
das meine Bank für mein Unternehmen<br />
ermittelt hat. Im Zweifelsfall<br />
muss ich es erfragen.“<br />
Eine Vergleichsübersicht, die freie Berater<br />
unter www.ratingnoten.kmu-berater.de<br />
zur Verfügung stellen, helfe<br />
dabei, dass Rating richtig einzuschätzen.<br />
Wichtig für die Kreditwürdigkeit<br />
sei ferner das sogenannte „Blankovolumen“,<br />
der nicht gesicherte Kreditteil.<br />
Dieses bewertet die Bank anhand der<br />
Sicherheiten, die man ihr gegeben hat.<br />
Gut vorbereitet sein<br />
Zum Gespräch bei der Bank sollten<br />
laut dem Experten folgende Unterlagen<br />
vorliegen: der Jahresabschluss<br />
2019. Eine qualifizierte betriebswirtschaftliche<br />
Auswertung (BWA) zum<br />
Dezember 2019. Informationen dazu<br />
gibt es unter: www.bwa-check.de. Außerdem<br />
eine aktuelle BWA zu Mai oder<br />
Ende April 2020, die zeigt, wie Corona<br />
das eigene Geschäft negativ beeinflusst<br />
hat. „Wenn ich dieses Material<br />
nicht vorlegen kann, wird mir der Banker<br />
Fragen stellen, auf die ich keine<br />
Antworten habe“, sagt Sander: „Die<br />
Bank wünscht sich im Idealfall das<br />
Bild eines Unternehmers, der die Krise<br />
beherrscht. Er hat eine Planung, einen<br />
konkreten Finanzbedarf und ein<br />
Worst-Case-Szenario.“ Ein kluger Unternehmer<br />
nutze die aktuelle Krise, um<br />
sich auf die nächste vorzubereiten, rät<br />
der Experte noch. Dafür mache er sich<br />
Stichworte, die als Plan B und Instrumentenkasten<br />
für die nächste Krise<br />
dienen können. „Sonst fange ich im<br />
Ernstfall wieder von vorne an.“<br />
Chefs müssen loslassen<br />
können<br />
Nicht nur die Finanzen müssen in der<br />
Krise in die richtigen Bahnen gelenkt<br />
werden, auch die verunsicherten Mitarbeiter<br />
behält ein umsichtiger Unternehmer<br />
im Blick. „Führung heißt Vertrauen<br />
zu schenken“, sagt Burkhard<br />
Bensmann. Damit Mitarbeiter im Homeoffice<br />
produktiv sein können, müssten<br />
Chef oder Chefin in der Lage sein,<br />
Vertrauen vorauszusetzen. Das habe<br />
auch mit Loslassen zu tun. Bensmann<br />
fordert klare Spielregeln. Dazu gehören<br />
vereinbarte Zeiten für die Kommunikation.<br />
Es soll ein Fenster geben, das<br />
offen ist für den Austausch. Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter müssen aber<br />
auch die Sicherheit haben, dass sie zu<br />
bestimmten Zeiten nicht gestört werden.<br />
Bensmann: „Man spricht hier von<br />
‚Deep work‘, dem ungestörten Arbeiten.<br />
Auch der geordnete Feierabend ist<br />
wichtig. Da darf es dann keine Anrufe<br />
mehr geben. Viele Chefs müssen erst<br />
lernen, solche Rahmenbedingungen zu<br />
vereinbaren - das passiert nicht von<br />
alleine.“<br />
Burkhard Bensmann ist davon überzeugt,<br />
dass die Krisenzeit zum Lernen<br />
genutzt werden kann. Die Krise schaffe<br />
einen Perspektivenwechsel. Der Hochschullehrer<br />
rät zu einer „Feed-Back-<br />
Schleife mit den Mitarbeitern“. Es<br />
komme darauf an, dass die Dinge auf<br />
der Metaebene geklärt werden. Deshalb<br />
sei es wichtig, nicht nur über Details<br />
zu reden. „Sprechen Sie darüber,<br />
was im Prozess gut läuft. Was muss<br />
Carl-Dietrich Sander.<br />
<br />
verbessert werden? Welche Ideen, Anregungen<br />
und Wünsche haben die<br />
Mitarbeiter“, erklärt Bensmann. So ein<br />
Austausch funktioniere auch über Videokonferenzen.<br />
Regeln, Rituale,<br />
Rhythmus<br />
Foto: Sander<br />
Die Arbeit im Homeoffice sei anstrengender<br />
als im Büro, warnt der Experte:<br />
„Umso wichtiger ist es, dies achtsam zu<br />
gestalten.“ Auch und gerade im Heimbüro<br />
brauche man Rituale. Bensmann<br />
rät, ganz bewusst Zeitblöcke und Pausen<br />
einzuplanen. Und weiter: „Verlassen<br />
sie den Raum, holen Sie sich etwas<br />
zu trinken. Man kann sich über die<br />
Rituale steuern. Gut sind auch leichte<br />
Körperübungen; und schauen Sie immer<br />
mal wieder mal aus dem Fenster,<br />
um abzuschalten. Im Kern geht es darum,<br />
sich selbst zu führen, indem man<br />
sich Rituale und Regeln gibt. Ich spreche<br />
in diesem Zusammenhang gern<br />
von den drei ‚R‘: Regeln, Rituale,<br />
Rhythmus.“<br />
In der Kommunikation mit den Mitarbeitern<br />
rät der Osnabrücker Experte<br />
den Chefs, klar und relativ knapp zu<br />
formulieren. „Bevor ich als Chef in eine<br />
Videokonferenz gehe, sollte ich mir<br />
klar machen, was meine Botschaften<br />
sind und wie diese aufgenommen werden.<br />
Das erfordert intensive Vorbereitung,<br />
Führungskräfte unterschätzen<br />
das in der Regel“, so Bensmann. Er<br />
Oliver Schumacher.<br />
<br />
Foto: Schumacher<br />
warnt nachdrücklich davor, die eigene<br />
Gefühlslage auf der Zunge zu tragen.<br />
Das könne sozial infektiös sein. „Mitarbeiter<br />
erwarten Orientierung von ihrem<br />
Chef“, betont er: „Hilfe bei den<br />
Herausforderungen, die die Krisensituation<br />
mit sich bringt.“ Ein Chef brauche<br />
Selbstkontrolle. Führung heiße<br />
auch, dass man sich anderen Menschen<br />
zumute. „Dazu gehört, dass ein<br />
Chef auch mal unbequem ist und<br />
Dinge einfordert.“<br />
Vorsicht vor der<br />
Stammkundenfalle<br />
Die Finanzen hat er im Griff, die Mitarbeiter<br />
ziehen mit dem Chef an einem<br />
Strick, doch ohne Kunden und angemessene<br />
Preise für seine Produkte<br />
kann ein Unternehmen nicht überleben.<br />
„Unsere besten Kunden sind die<br />
Zielkunden der Mitbewerber“, sagt Oliver<br />
Schumacher. Mit welchen Konzepten<br />
und Ideen kann ein Unternehmen<br />
seine Kunden dabei unterstützen, besser<br />
durch die Coronazeit zu kommen,<br />
fragt er.<br />
In so unsicheren Zeiten solle man sich<br />
nicht darauf verlassen, dass Kunden<br />
aus Gewohnheit bleiben. Schumacher<br />
spricht von der „Stammkundenfalle“.<br />
Als Anbieter habe man oft die nächsten<br />
neuen Kunden im Fokus. Darüber<br />
dürfe man die Sicherung der vorhandenen<br />
Kunden nicht vergessen. „Neue<br />
Kunden gewinnt man, indem man für<br />
„Ja, wir werden sicher viele Arbeitsplätze<br />
verlieren, da darf man sich<br />
nichts vormachen“, erklärt Reinhard<br />
Lücken, Hauptgeschäftsführer des<br />
Verbands Schiffbau und Meerestechnik,<br />
im Interview mit der Neuen Osnabrücker<br />
Zeitung Anfang Juni. Er gehe<br />
Burkhard Bensmann.<br />
<br />
Foto: David Ebenerdavon aus, dass sich das Nachfrageloch<br />
erst in etwa einem Jahr voll bemerkbar<br />
machen werde. Die Ausnah-<br />
die Zielgruppe attraktiv ist“, erklärt<br />
der Verkaufstrainer: „Im Kontakt mesituation werde sicher drei, vier<br />
kommt es darauf an, gleich die ersten Jahre dauern. Besonders die stolze<br />
Sekunden eines Gespräches zu nutzen Kreuzfahrtbranche liegt darnieder.<br />
und die eigenen Mehrwerte klar zu Reinhard Lücken erwartet, dass neue<br />
kommunizieren. Sicherheit und Sym-Bestellungepathie schlägt Preis. Niemand ist im-über mehrere Jahre ausbleiben wer-<br />
für Kreuzfahrtschiffe<br />
mer zu 100 Prozent mit seinem aktuel-denlen<br />
Lieferanten zufrieden. Entscheider<br />
wägen das Risiko des Wechsels ab. Als Autozulieferer<br />
Anbieter muss ich Sicherheit inszenie-unteren und dokumentieren.“ Auch in Zei-<br />
Druck<br />
Stark unter Druck stehen außerdem<br />
die Autozulieferer in der Region. Die<br />
ten von Corona würden Menschen von<br />
Menschen kaufen, so Schumacher. Ein<br />
Verkäufer müsse Vertrauen erwecken.<br />
Den Preis hält der Experte für überbewertet,<br />
er sei nicht immer entscheidend.<br />
Viele Verkäufer hätten keinen<br />
„Preisstolz“. Um erfolgreich zu verkaufen,<br />
brauche man die Überzeugung,<br />
dass das Produkt seinen Preis wert ist.<br />
Schumacher: „Höhere Preise muss<br />
man erklären können, nicht rechtfertigen.<br />
Es gibt genügend Kunden, die bereit<br />
sind einen höheren Preis zu zahlen.<br />
Rabatte wird man nicht wieder los, das<br />
ist wie mit Tattoos.“ Außerdem warnt<br />
er davor, Rabatte unbegründet zu geben<br />
und nicht zeitlich zu begrenzen.<br />
Wenn man einen Kunden über den<br />
Preis gewinne, verliere man ihn auch<br />
wieder über den Preis. Denn da sei<br />
immer jemand, der es ein wenig billiger<br />
machen kann. Deshalb solle die<br />
Neukundengewinnung nie über den<br />
Preis laufen. „Der Preis ist egal, wenn<br />
die Leistung stimmt.“<br />
Von Christoph Lützenkirchen<br />
Osnabrück<br />
Das Leben auf den Straßen<br />
wirkt im Zuge der Lockerungen<br />
im Juni schon fast wieder<br />
normal. Die Börsen haben die<br />
Verluste durch Corona beinahe<br />
wettgemacht. Doch einige<br />
Branchen in der Region<br />
hat die Krise schwer erwischt,<br />
nur wenige dürften<br />
profitieren.<br />
Unterauslastung lasse die Produktionskosten<br />
deutlich in die Höhe schnellen,<br />
erklärten Torsten Bremer, Geschäftsführer<br />
Boge Rubber & Plastics<br />
in Damme, und Peter Holdmann, Divisionschef<br />
bei ZF in Diepholz Mitte<br />
Mai. Zudem merke man bereits, dass<br />
die Lieferkette an ihre Belastungsgrenze<br />
komme.<br />
Die Autozulieferer sind gute Kunden<br />
der regionalen Logistikunternehmen.<br />
Deren Branche bietet ein gemischtes<br />
Bild. „Wenn nichts konsumiert wird,<br />
wird nichts produziert und in der<br />
Folge auch nichts transportiert“, sagt<br />
Rolf Meyer. Er ist Vorsitzender des<br />
Kompetenznetz Individuallogistik<br />
KNI, einem Zusammenschluss verschiedener<br />
Logistikunternehmen,<br />
Hochschulen und öffentlichen Institutionen<br />
in der Region Osnabrück,<br />
Münster und Bielefeld. Eine allgemeine<br />
Aussage lasse sich über die Logistikbranche<br />
nicht treffen, erklärt er<br />
weiter. Als Dienstleister seien die Unternehmen<br />
für sehr unterschiedliche<br />
Branchen tätig, entsprechend mehr<br />
oder weniger seien sie betroffen.<br />
Beispielsweise ist das Geschäft im<br />
Personenverkehr mit Reisebussen laut<br />
Meyer zwischenzeitlich vollständig<br />
zum Erliegen gekommen. Paketdienste<br />
hingegen würden eine regelrechte<br />
Sonderkonjunktur verbuchen. Der<br />
grenzüberschreitende Güterverkehr<br />
habe trotz der Grenzschließungen<br />
weitgehend normal funktioniert. Vor<br />
diesem Hintergrund traut Rolf Meyer<br />
sich keine Prognose zu: „Wir müssen<br />
Industrie- und<br />
Gewerbebau<br />
Vom der ersten Idee bis zur Schlüsselübergabe.<br />
Das Lehde Sorglos-Paket!<br />
www.lehde.de<br />
Besonders die Automobilzulieferer haben in der Zeit der Coronakrise mit<br />
Auslastungsproblemen zu kämpfen. <br />
Foto: iStock<br />
auf Sicht fahren. Die weitere Entwicklung<br />
hängt extrem vom Konsumentenverhalten<br />
ab.“<br />
Dürre sorgt für<br />
große Sorgen<br />
Große Bedeutung hat in der Region<br />
die Branche der Agrartechnikhersteller.<br />
Ihnen bereitet weniger Corona als<br />
vielmehr die seit zwei Jahren anhaltende<br />
Dürre Sorge. „Die Unsicherheit<br />
in der Branche ist groß“, sagt Robert<br />
Everwand, Sprecher des Agrotech Valley<br />
Forum in Osnabrück, einer Arbeitsgemeinschaft<br />
von überwiegend<br />
inhabergeführten, namhaften Agrarunternehmen<br />
aus der Region. Für das<br />
ab September, August beginnende Geschäftsjahr<br />
2020/21 prognostizieren<br />
die Unternehmen seinen Angaben zufolge<br />
einen Umsatzrückgang von fünf<br />
bis zehn Prozent. Immerhin sei die<br />
Auftragslage noch recht stabil.<br />
Zu den wenigen Gewinnern der Krise<br />
wird möglicherweise die Lebensmittelwirtschaft<br />
gehören. Zumindest erwartet<br />
Dr. Adriano Profeta, Leiter der<br />
Forschungsplattform Konsumentenverhalten<br />
beim Deutschen Institut für<br />
Lebensmitteltechnik DIL in Quakenbrück,<br />
dass sie in Summe gestärkt aus<br />
der Corona-Krise hervorgehen wird.<br />
„Corona verstärkt den Druck zur weiteren<br />
Automatisierung, davon werden<br />
die Unternehmen profitieren“, so Profeta:<br />
„Sowohl der Lebensmitteleinzelhandel,<br />
als auch die Lebensmittelhersteller<br />
rechnen im Gesamtjahr mit einem<br />
Plus beim Umsatz.“<br />
Schutzschirme<br />
funktionieren<br />
Profitieren könnte auch die Fahrradbranche.<br />
Hier ist die Nachfrage hoch.<br />
„Fahrräder haben in der Corona-Krise<br />
an Attraktivität gewonnen“, sagte<br />
Arne Sudhoff, Sprecher des Fahrradherstellers<br />
Derby Cycle aus Cloppenburg:<br />
„Die Leute wollen sich bewegen.“<br />
Vorsichtig optimistisch gibt sich<br />
Friedrich Schlüter, Geschäftsführer<br />
von Pfau-Tec aus Quakenbrück. Er<br />
hofft, bis zum Jahresende die Umsätze<br />
aufzuholen, die in der Krise bisher<br />
verloren gingen. Das Fahrrad als Verkehrsmittel<br />
ist nicht nur umweltfreundlich,<br />
sondern dient auch der<br />
Gesundheit.<br />
Die Gesundheitswirtschaft der Region<br />
beschäftigt eine große Zahl von Menschen,<br />
allein in der Stadt Osnabrück<br />
sind es mehr als 10.000. Für die meisten<br />
Unternehmen der Branche gehe es<br />
in der Krise vor allem ums Überleben<br />
– und das sei im Wesentlichen gesichert,<br />
erklärt Marion Bley, Geschäftsführerin<br />
des Osnabrücker Vereins GewiNet<br />
Kompetenzzentrum Gesundheitswirtschaft:<br />
„Die Unternehmen<br />
sind derzeit nicht von Insolvenz bedroht.“<br />
In der akuten Phase der Krise<br />
hätten Schutzschirme der Politik als<br />
Kompensationsmechanismen funktioniert,<br />
so Bley weiter. Im Moment<br />
könne niemand sagen, wie es weitergeht,<br />
bis ein Impfstoff verfügbar ist.<br />
Bei den beiden Versandapotheken aus<br />
der Region, Apotal in Hilter und Sanicare<br />
in Bad Laer, dürften die Geschäfte<br />
ebenso prächtig laufen, wie in<br />
den letzten Monaten. Anfang April<br />
meldete Apotal bis zu dreimal mehr<br />
Bestellungen als gewöhnlich.
30<br />
<strong>Wirtschaftskreuz</strong> Nord-West<br />
<strong>Wirtschaftskreuz</strong> Nord-West<br />
31<br />
Aus eigener Kraft durch die Krise<br />
Die Bissendorfer Spezialistin für Kinder-Rehatechnik Schuchmann verzichtet auf staatliche Förderung<br />
Wie schlägt sich der Mittelstand in der Krise?<br />
Überwiegend positive Stimmung, aber Kritik an Intransparenz bei Darlehen<br />
Von Christoph Lützenkirchen<br />
Bissendorf<br />
Seit Anfang April hat Bissendorf<br />
einen neuen deutschen<br />
Marktführer. Das Familienunternehmen<br />
Schuchmann,<br />
Hersteller von Kinder-Rehatechnik,<br />
zog von Hasbergen<br />
in einen stattlichen Neubau<br />
in Bissendorf – mitten in der<br />
harten Phase des Lockdowns.<br />
Ein Kraftakt. Nicht zu vergessen<br />
die Investitionen in<br />
Höhe von gut zehn Millionen<br />
Euro in den neuen Firmensitz.<br />
Obendrein drückten<br />
Maßnahmen zum Mitarbeiterschutz<br />
wegen Corona die<br />
Produktivität um 15 Prozent.<br />
Das Unternehmen musste auf<br />
Zweischichtbetrieb umstellen.<br />
„Da lief es am Anfang nicht rund“, sagt<br />
Torsten Schuchmann: „Wir hatten<br />
ganz praktische Probleme. Beispielsweise<br />
konnten die Team-Leiter nur in<br />
einer Schicht anwesend sein. Seit drei<br />
Wochen arbeiten wir wieder in Tagesschicht<br />
und machen gute Fortschritte.<br />
Wir haben Kleingruppen gebildet. Das<br />
erachten wir nun als ausreichende<br />
Maßnahme, da jetzt konkrete Informationen<br />
der Gesundheitsämter vorliegen.<br />
Es gibt einen strengen Plan für<br />
die Pausen, die Gruppen dürfen sich<br />
nicht vermischen.“<br />
Der Kaufmann Schuchmann und<br />
seine Frau Miriam, sie ist Diplom-Sozialwirtin,<br />
sind Eigentümer und Geschäftsführer<br />
des Unternehmens. Die<br />
beiden haben harte Wochen hinter<br />
sich. Doch von den staatlichen Förderinstrumenten,<br />
von Soforthilfe,<br />
KfW-Krediten und Kurzarbeit wollen<br />
sie nichts wissen. „Wir haben durchgerechnet,<br />
wie wir der Krise begegnen“,<br />
sagt Miriam Schuchmann: „Ganz<br />
wichtig war uns, dass unsere Mitarbeiter<br />
keine finanziellen Einbußen haben.“<br />
Kurzarbeit sei deshalb von vornherein<br />
kein Thema gewesen, erklären die beiden.<br />
Damit werde das Problem zulasten<br />
der Beschäftigten verschoben.<br />
„Die Politik stellt das oft irreführend<br />
dar. Doch die Kurzarbeit fördert die<br />
Ungleichheit“, so Torsten Schuchmann.<br />
Nicht rückzahlbare Zuschüsse<br />
stünden lediglich für Unternehmen<br />
mit bis zu 50 Mitarbeitern zur Verfügung,<br />
erklärt er weiter. Für Schuchmann<br />
arbeiten 130 Menschen. Auch<br />
die Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau<br />
KfW seien nicht interessant.<br />
Für sie würden drei Prozent<br />
Zinsen verlangt, das sei kein marktüblicher<br />
Zinssatz. Hinzu kämen Bearbeitungsgebühren<br />
der Banken. „Das hilft<br />
uns alles nicht weiter. Wir haben aber<br />
kein Problem damit, es aus eigener<br />
Kraft zu schaffen“, sagt Geschäftsführer<br />
Schuchmann.<br />
Gegründet wurde das Unternehmen<br />
in den achtziger Jahren des letzten<br />
Jahrhunderts. Die ältere Schwester<br />
der heutigen Geschäftsführerin war<br />
mehrfach behindert. Vergeblich suchten<br />
die Eltern nach Hilfsmitteln, um<br />
ihrem Kind mehr Lebensqualität zu<br />
ermöglichen. Da es kaum Angebote<br />
auf dem Markt gab, gründeten sie in<br />
Kooperation mit dem Therapeutenehepaar<br />
Gehrmeyer das eigene Unternehmen.<br />
„Anfangs wurden vorhandene<br />
Produkte modifiziert, nach und<br />
nach dann eigene für Kinder und Jugendliche<br />
entwickelt“, erinnert sich<br />
Miriam Schuchmann.<br />
Zu Beginn des Jahrtausends stiegen<br />
sie und ihr Mann in das Familienunternehmen<br />
mit damals 27 Beschäftigten<br />
ein. Die Marktsituation sei schwierig<br />
gewesen, berichten die beiden.<br />
Produktion und Vertrieb im elterlichen<br />
Unternehmen eigentlich nicht<br />
wirtschaftlich. Doch unter der neuen<br />
Geschäftsführung gelang ein schneller<br />
Turnaround. „Wir legten den Fokus<br />
auf die Produktentwicklung und verbuchten<br />
gute Erfolge“, sagt Torsten<br />
Schuchmann: „Seit inzwischen fast 20<br />
Jahren sind wir ununterbrochen gewachsen,<br />
teilweise um bis zu 20 Prozent<br />
in einem Jahr. Gleichzeitig haben<br />
wir laufend investiert und neue Produkte<br />
auf den Markt gebracht. Mittlerweile<br />
sind wir in vielen Ländern weltweit<br />
vertreten, in Frankreich und<br />
Großbritannien haben wir für den<br />
Vertrieb eigene Tochterunternehmen<br />
gegründet. Unser Exportanteil liegt<br />
bei 30 Prozent.“ Die jährlichen Umsatzerlöse<br />
des Unternehmens belaufen<br />
sich auf mehr als 25 Millionen Euro.<br />
Vor zehn Jahren lagen sie noch unter<br />
zehn Millionen Euro, damals beschäftigte<br />
Schuchmann 50 Mitarbeiter.<br />
In kleinen Gruppen - und fast ausschließlich in Handarbeit – wird bei<br />
Schuchmann produziert.<br />
Foto: Schuchmann<br />
Mit ihren Rehaprodukten wollen die Von Christoph Lützenkirchen<br />
Bissendorfer Kinder mit Behinderungen<br />
so unterstützen, dass sie mobiler Osnabrück<br />
und selbstständiger werden. Es handele Der Mittelstand gilt als Motor<br />
der deutschen Wirt-<br />
sich nicht um Luxus- oder Konsumartikel,<br />
betonen Miriam und Torsten<br />
Schuchmann. Dennoch muss das Unter-schaftnehmen in der Corona-Krise mit Um-ternehmen repräsentieren<br />
Mittelständische Unsatzeinbußen<br />
fertig werden. Im Mai weltweit das legendäre<br />
gingen 14 Prozent weniger Aufträge ein<br />
„Made in Germany“, nicht<br />
als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.<br />
Man rechne mit einem milden Ver-seltelauf, sagt Geschäftsführer Schuch-in ihrer Branche. Zum Mit-<br />
sind sie Marktführer<br />
mann, der Mai zeige aber eine Kurve, telstand gehören aber auch<br />
die sich im Juni fortsetzen werde. Besonders<br />
die Absage diverser Fachmes-<br />
Klein- und Kleinstbetriebe.<br />
sen und weiterer Veranstaltungen, auf Die Coronakrise hat alle mit<br />
denen die Produkte von Schuchmann voller Wucht getroffen und<br />
üblicherweise präsentiert werden, falle die meisten auf dem falschen<br />
schwer ins Gewicht.<br />
Fuß erwischt. Denn – Hand<br />
Pro Jahr produzieren die Mitarbeiter<br />
des Familienunternehmens circa 25.000 aufs Herz – wer hat diese<br />
Hauptprodukte. Damit ist Schuchmann Krise frühzeitig kommen seführer.<br />
Die nationalen Wettbewerber<br />
in Deutschland unbestrittener Markt-hen?<br />
sind durchgängig etwa halb so groß. Nun ist die erste große Welle über uns<br />
„Im internationalen Geschäft konkur-hinweggerolltrieren wir mit drei Wettbewerbern“, er-keine zweite geben wird. Wirtschaft<br />
jeder hofft, dass es<br />
klärt Torsten Schuchmann: „Mit einem und öffentliches Leben sind langsam<br />
von ihnen arbeiten wir allerdings eng wieder angelaufen. Und wie ist der<br />
zusammen, wir vertreiben seine Pro-Mittelstandukte innerhalb der EU. Der Welt-men? Gab es einen schnellen und un-<br />
durch die Krise gekommarktführer<br />
in unserer Branche kommt komplizierten Zugang zu den Fördermitteln<br />
von Bund und Land? Welche<br />
aus Dänemark und ist mehr als doppelt<br />
so groß wie wir.“ In Bissendorf sind die Hilfsangebote hatten die größte Bedeutung<br />
und wo fanden die Unterneh-<br />
Weichen klar auf weiteres Wachstum<br />
gestellt. Das aber nicht um jeden Preis. men qualifizierte Beratung? Wir spra-<br />
darüber mit Dietrich Keck, Kreis-<br />
„Wir wollen vor allem weiter gute Pro-chedukte<br />
für Kinder und Jugendliche her-vorsitzendestellen“, sagt Miriam Schuchmann. Wirtschaftsvereinigung in der Mittelstands- und<br />
Osna-<br />
Das Handwerk ist bislang sehr gut<br />
durch die Corona-Zeit gekommen.<br />
<br />
Foto: iStock<br />
brück-Land. Keck ist Rentner, in seiner<br />
aktiven Zeit war er Geschäftsführer<br />
eines international tätigen Rohrleitungsbauunternehmens<br />
in Quakenbrück.<br />
Hohe Bürokratiehürden<br />
„Am nötigsten hatten es die Klein- und<br />
Kleinstbetriebe. Denen sollte eigentlich<br />
vor allem geholfen werden“, so<br />
Keck: „Größere Unternehmen haben<br />
andere Ressourcen in der Verwaltung<br />
und andere Rücklagen. Die bürokratischen<br />
Anforderungen für die Antragstellung<br />
waren sehr hoch. Bei denen,<br />
die nicht so sattelfest in derlei Dingen<br />
waren, hat das Frust ausgelöst. Auf der<br />
anderen Seite wurden die Förderanträge<br />
in 80 Prozent der Fälle problemlos<br />
bearbeitet und ausgezahlt.“<br />
Der Sprecher der Mittelstandsvereinigung<br />
nennt zwei Beispiele aus dem<br />
Kreis der Mitglieder. Ein kleiner<br />
Dienstleister mit vier Mitarbeitern<br />
habe am 2. April einen Antrag auf niedersächsische<br />
Soforthilfe gestellt.<br />
Nachdem er dazu bis zum 15. April<br />
nichts gehört hatte, stellte er am 17.<br />
April einen weiteren Antrag auf Soforthilfe<br />
mit finanzieller Unterstützung<br />
des Bundes. Die Möglichkeit war mittlerweile<br />
neu geschaffen worden. Diese<br />
Mittel wurden dann kurzfristig am 20.<br />
April ausgezahlt.<br />
Ein anderes Mitglied, ein Ingenieurbüro,<br />
stellte am 3. April den Antrag.<br />
Am 15. April kam eine Eingangsbestätigung.<br />
Auf die Auszahlung warte das<br />
Büro noch heute. Auf der anderen Seite<br />
hätten andere Mitglieder von einer<br />
schnellen Abwicklung über die KfW<br />
berichtet.<br />
Probleme mit Banken<br />
Auf wenig Unterstützung stießen viele<br />
Mitglieder der Mittelstandsvereinigung<br />
bei ihren Hausbanken. Die hätten<br />
sich dagegen gesträubt, das Restrisiko<br />
zu übernehmen. Offenbar um abzuschrecken,<br />
setzten die Banken die<br />
Zinsen demnach relativ hoch an. Die<br />
Unternehmen entschieden dann meist,<br />
die Mittel nicht zu beantragen.<br />
Sand im Getriebe gab es laut Dietrich<br />
Keck durch die häufig geänderten<br />
Richtlinien für die Soforthilfen. Im<br />
März und im April seien diese nahezu<br />
täglich angepasst worden. „Teilweise<br />
fielen in Berlin Entscheidungen, die<br />
Hannover dann nachvollzogen hat“,<br />
sagt Keck: „Bis heute ist noch nicht<br />
klar, welche Liquidität die Hilfen genau<br />
abdecken sollten. Gerade für<br />
Kleinstbetriebe war das eine wichtige<br />
Frage. Soloselbstständige ohne großen<br />
Fixkostenblock wurden von der Soforthilfe<br />
praktisch ausgeschlossen. Besonders<br />
unter diesen Unternehmen gab es<br />
aber echte Notlagen.“<br />
Wer unvollständige Unterlagen einreichte,<br />
musste laut seinen Angaben<br />
mit erheblichen Verzögerungen in der<br />
Bearbeitung rechnen. Da sei manch<br />
einer durchs Raster gefallen. Selbst die<br />
Banken und Sparkassen als Auszahlungsunterstützer<br />
waren offenbar<br />
nicht immer gut informiert. Allerdings<br />
hätten sie nach bestem Wissen beraten,<br />
so der Mittelstandsvertreter. Gleiches<br />
gelte für die verschiedenen Kammern,<br />
die Arbeitsagenturen und die<br />
Steuerberater. Auch die Berater hätten<br />
sich aber schwergetan mit den komplizierten<br />
Regelungen und den häufigen<br />
Änderungen.<br />
Handwerk wenig<br />
betroffen<br />
Eine große Gruppe unter den Mittelständlern<br />
musste sich ohnehin keine<br />
Gedanken über staatliche Fördergelder<br />
machen. „Handwerksbetriebe waren<br />
so gut wie gar nicht betroffen“, sagt<br />
Dietrich Keck: „Dagegen stehen der<br />
Dienstleistungsbereich und die Gastronomie<br />
durch Corona erheblich unter<br />
Druck. Drastische Einbußen verbuchen<br />
auch die Autozulieferer. Außerdem<br />
hat es die Solo-Selbstständigen<br />
schwer erwischt, die Künstler, die<br />
Kulturschaffenden, die Friseure, die<br />
Krankenkassengymnasten und Ergotherapeuten,<br />
die Fitnessstudios.“<br />
Vor diesem Hintergrund seien die Liquiditätshilfen<br />
in Form von Zuschüssen<br />
für Kleinstbetriebe das wichtigste<br />
gewesen, erklärt er weiter. Unternehmen<br />
mit mehreren Beschäftigten habe<br />
das Kurzarbeitergeld dabei geholfen,<br />
die Mitarbeiter zu halten. Keck: „Insofern<br />
war es für Arbeitnehmer ebenso<br />
wichtig wie für Arbeitgeber. Sehr hilfreich<br />
ist auch die Verlängerung der<br />
Bezugsdauer.“<br />
Finanzierungshilfen in Form von Darlehen<br />
seien aufgrund der intransparenten<br />
Regelungen von vielen Mittelständlern<br />
nicht in Anspruch genommen<br />
worden. Einige hätten die Soforthilfen<br />
als Tropfen auf den heißen Stein<br />
bezeichnet. Aus ihrer Sicht dauerte der<br />
Lockdown zu lange. Entsprechend hätten<br />
sie auch erklärt, dass das für sie<br />
wichtigste Hilfsangebot die Beendigung<br />
dieses Ausnahmezustands sei.<br />
„Dennoch ist die Stimmung unter unseren<br />
Mitgliedern insgesamt positiv“,<br />
sagt Dietrich Keck: „In bestimmten<br />
Bereichen wie der Gastronomie ist die<br />
Lage natürlich sehr ernst. Dort wo es<br />
schon im Vorfeld schwer war, wirtschaftlich<br />
zu arbeiten, können Kredite<br />
nicht zurückgezahlt werden. Manch<br />
einer hat die eigene Schwäche auch<br />
erst in der Krise wahrgenommen.“<br />
Für die Zukunft stelle sich die Frage,<br />
ob die weltweiten Lieferketten so erhalten<br />
bleiben. Man werde sicher feststellen,<br />
dass man da Fehler gemacht<br />
habe. Unter anderem würden lebenswichtige<br />
Produkte wie Medikamente<br />
nicht mehr im Land produziert.<br />
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