RÖSRATH erleben - Bauer & Thöming Verlag
RÖSRATH erleben - Bauer & Thöming Verlag
RÖSRATH erleben - Bauer & Thöming Verlag
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Neues Leben auf<br />
dem alten<br />
Reuschgelände<br />
8<br />
<strong>RÖSRATH</strong><strong>erleben</strong> 2/2011<br />
E<br />
s war ein recht ungemütlicher Tag,<br />
damals im Jahr 2004. 30 Schaulustige<br />
hatten sich auf dem Reuschgelände<br />
in Hoffnungsthal eingefunden.<br />
Ein Bagger mit riesigem Greifarm<br />
stand bereit für den letzten Akt. Und<br />
dann passierte es. Er schlug gegen<br />
den oberen Teil des Kamins, sodass die<br />
Backsteine purzelten, als wären sie<br />
Spielzeug. Dann nahm sich der Bagger<br />
das mittlere und untere Stück vor,<br />
nach anderthalb Minuten war vom Kamin<br />
nur noch ein Haufen Steine übrig<br />
– das Ende einer bedeutenden Industriegeschichte,<br />
die den Ort vom 18.<br />
bis weit ins 20. Jahrhundert hinein geprägt<br />
hat, war besiegelt.<br />
Die rosa Villa am Weiher erinnert<br />
noch an die glorreichen Industriezeiten.<br />
Sie war die erste der vier Reusch-<br />
Villen. Hier vorbei schritten noch bis<br />
1999 die Arbeiter gegen fünf Uhr morgens<br />
zur Frühschicht. Begonnen hatte<br />
alles, bevor die Wirren der französischen<br />
Revolution das Rheinland erreichten.<br />
Ein weitsichtiger Kaufmann<br />
aus Porz namens Rudolf Philipp Boullé<br />
erkannte die zukünftige Bedeutung der<br />
Eisenproduktion und errichtete in Hoffnungsthal,<br />
das damals noch Volberg<br />
hieß, ein Eisenhammerwerk.<br />
Der Standort war ideal. Es gab<br />
waldreiches Bergland für die Holzkohle,<br />
Erz wurde in den Gruben aus der<br />
nächsten Umgebung gefördert, die<br />
Sülz lieferte Wasserkraft und war Transportweg<br />
zugleich. Boullé war es auch,<br />
der die stolze Villa am Weiher errichtete.<br />
Im Jahr 1816 übernahmen die Gebrüder<br />
Reusch die Fabrik samt Ländereien<br />
und damit auch die Villa als<br />
Wohngebäude.<br />
Sie machten aus dem frühindustriellen<br />
Hammer zur Eisenerzeugung einen<br />
weiterverarbeitenden Stahlbetrieb,<br />
der so richtig aufblühte, als er<br />
1890 endlich seine Verkehrsanbindung<br />
erhielt. Reusch und Vieille Montagne finanzierten<br />
den Eisenbahnanschluss<br />
Köln-Hoffnungsthal-Overath. Befeuert<br />
durch die neue Verkehrsinfrastruktur beschleunigte<br />
sich das wirtschaftliche<br />
Wachstum der Region. Die einst arme<br />
Bevölkerung, die meist aus <strong>Bauer</strong>n und<br />
Bergleuten bestand, kam durch den<br />
Industrialisierungsschub zu einem gewissen<br />
Wohlstand und aus Volberg wurde<br />
Hoffnungsthal, benannt nach dem<br />
Hoffnungsthaler Hammer.<br />
Doch es ging nicht immer nur steil<br />
nach oben. Die Firma Reusch erlebte<br />
wirtschaftliche Aufs und Abs, parallel zu<br />
den Wechselfällen der Geschichte.<br />
Die Katastrophen zweier Weltkriege, in<br />
denen es immer wieder die Umstellung<br />
auf Kriegsproduktion gab, trieben<br />
auch das Unternehmen und seine Arbeiter<br />
in Existenznöte. Nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg entfaltete Reusch als Heizungsbau-Unternehmen<br />
noch einmal<br />
enorme Wirtschaftskraft. Der in den<br />
1950er-Jahren einsetzende Bauboom<br />
machte es möglich. Bis zu 400 Menschen<br />
hatten Arbeit im früheren Hammerwerk.<br />
1966, als Reusch 150 Jahre<br />
Bestehen im Hoffnungsthaler Werk feierte,<br />
hielt sogar Vizekanzler Erich Mende<br />
die Festrede. 1999 ging die Firma<br />
Konkurs. Heute sind im alten denkmalgeschützten<br />
Ensemble »Am Hammer«<br />
mit der ehemaligen Fabrikantenvilla<br />
und den restaurierten und umgebauten<br />
Produktionsgebäuden neue Nutzungen<br />
entstanden für Wohnen und<br />
dienstleistendes Gewerbe – Ausdruck<br />
eines erfolgreichen Strukturwandels in<br />
der Stadt, der jetzt mit den Plänen der<br />
OSMAB Holding und der Leibnizpark<br />
Hoffnungsthal GmbH weitergeht.<br />
Sigrun Stroncik<br />
Fotos: Geschichtsverein Rösrath (1); <strong>RÖSRATH</strong><strong>erleben</strong> (1)