Errichtung und Neuausstattung des
„Gottseligen Hauß Bethlehem“
im Kloster Schönbühel an der Donau
Produziert mit freundlicher Unterstützung von
Verein der Freunde von Bethlehem zu Schönbühel
Forschungsverein für Theater und Kulturgeschichte
Fotos
Markus Gradner
Elisabeth Klecker
Matthias J. Pernerstorfer
Notensatz
Gerhard Schnögl
Lektorat
Marion Linhardt
Layout
Gabriel Fischer
Errichtung und Neuausstattung des „Gottseligen Hauß Bethlehem“
im Kloster Schönbühel an der Donau
Für den Verein der Freunde von Bethlehem zu Schönbühel
herausgegeben von Matthias J. Pernerstorfer.
Wien: Hollitzer 2019
Alle Rechte vorbehalten
© HOLLITZER Verlag, Wien 2019
ISBN 978-3-99012-783-4
www.hollitzer.at
INHALT
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Geleitwort
Dr. Alois Schwarz, Diözesanbischof
Vorwort
Matthias J. Pernerstorfer
Die Bethlehemkapelle im ehemaligen
Servitenkloster Schönbühel an der Donau
Walpurga Oppeker
Reprint des Kurtzen Entwurffs (1675)
Gespräch mit dem Bildhauer Markus Gradner
Matthias J. Pernerstorfer
Die Kapellen und Figurengruppen
Andachtslied aus Schönbühel an der Donau
Abbildungsverzeichnis
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GELEITWORT
Dr. Alois Schwarz, Diözesanbischof
Jesus Christus nahe zu sein, ist seit jeher ein Anliegen gläubiger Christen.
Die Wege dazu reichen vom inneren Gebet über das Erlebnis der Gemeinschaft
mit Gott in der Messfeier und den Festen im Jahreskreis bis hin zu
einer Auffassung des Lebens als Pilgerfahrt zur ewigen Vereinigung mit
dem Herrn. Die konkrete Pilgerfahrt ins Heilige Land spielt in diesem Zusammenhang
seit Jahrhunderten ebenfalls eine bedeutende Rolle. Jene Orte
zu besuchen, an welchen Jesus von Nazareth wirkte, und dort andächtig sein
Gebet zu verrichten, versprach und verspricht Hilfe.
Es ist nur zu verständlich, dass in Zeiten, in denen es nicht möglich war,
ins Heilige Land zu reisen, der Wunsch entstand, Nachbildungen der heiligen
Stätten in der Heimat zu errichten. Das ehemalige Servitenkloster in
Schönbühel an der Donau ist hierfür ein besonderes Beispiel. Vor rund 350
Jahren entstand nach Plänen der Geburtskirche ein sogenanntes Bethlehem
mit mehreren Kapellen, welche die Pilgerinnen und Pilger dazu einluden,
der Kindheitsgeschichte Jesu zu gedenken. Ein Kalvarienberg und eine
Heiliggrabkapelle ergänzten das in der Barockzeit gern besuchte sakrale
Ensemble.
Es erfüllt mich mit Freude, dass dieser Ort seine Anziehungskraft bis
heute nicht verloren hat, oder vielleicht sollte ich besser sagen, dass das
Kloster durch die vielfältigen Aktivitäten des „Vereins der Freunde von
Bethlehem zu Schönbühel“ in den vergangenen 20 Jahren eine neue Blüte erlebt.
Der Einsatz lohnt sich, wie die zahlreichen Andachten und Führungen
und insbesondere die neu geschaffenen Figuren zeigen, die in den Kapellen
des Bethlehem zu sehen sind. Die Begeisterung der Beteiligten ist zu spüren
– auch in diesem Buch, dem ich viele Leserinnen und Leser wünsche.
St. Pölten, den 15. September 2019
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VORWORT
Matthias J. Pernerstorfer
Rechtzeitig vor Weihnachten 2015, im 4. Heft der Zeitschrift Das Waldviertel,
veröffentlichte Walpurga Oppeker ihren Aufsatz „Bethlehem in Niederösterreich.
Ein Besuch in der Geburtsgrotte des ehemaligen Servitenklosters
Schönbühel an der Donau“ (S. 442–453), in dem sie dieses Kleinod barocker
Frömmigkeit vorstellte. Das weckte mein Interesse an diesem besonderen
Ort, der mir zuvor unbekannt gewesen war, und als ich wenige Tage nach
meiner Lektüre las, dass in der Weihnachtszeit in Schönbühel Krippenandachten
abgehalten werden – das sogenannte Kinderlwiegen –, machte ich
mich auf den Weg. Begeistert von der Stimmung des Raumes und der Gastfreundschaft
von Renate Haar, die nach gehaltener Andacht im ehemaligen
Refektorium stets zu Kaffee und Kuchen lädt, war mir klar, dass ich an diesem
Ort eine Veranstaltung organisieren müsste.
Da sich 2016 die Grundsteinlegung zur Heiliggrabkapelle zum 350sten
Mal jährte und ich mich im Rahmen des Projektes „Theatrum Sacrum“ am
Don Juan Archiv Wien seit längerem wissenschaftlich mit Kalvarienbergen,
Heiliggrabkapellen etc. beschäftige, war der Anlass auch schon gefunden.
Am 24. September des Jahres fand in den Räumlichkeiten ein international
besetzter Workshop zu Passion und Theater in der Barockzeit statt.
Walpurga Oppeker, mit der seither ein reger Austausch besteht, referierte.
Die Klassische Philologin Elisabeth Klecker nahm ebenfalls teil. Die Spezialistin
für neulateinische Dichtung bringt sich seit längerem durch ihre
sprachliche Expertise ebenso in die Diskussion um das „Theatrum Sacrum“
ein wie durch ihre ungeheure Foto-Dokumentation heiliger Stätten.
Als mir dann der Bildhauer und Restaurator Markus Gradner, ein
Jugend freund, erzählte, dass er von Renate Haar den Auftrag erhalten hatte,
für das Bethlehem Figuren(gruppen) aus Kunststein anzufertigen, war klar,
dass wir gemeinsam eine Publikation dazu erarbeiten sollten. Spannend daran
war nicht zuletzt, dass eine Beschreibung (der Konzeption) der Anlage
aus dem Jahre 1675 existiert, in der die einzelnen Kapellen und Figuren abgebildet
sind, und sich eine der Figurengruppen – die Flucht nach Ägypten –
erhalten hat. Diese lässt den Schluss zu, dass der barocke Bildhauer sich eng
an die Vorlagen gehalten hat – Markus Gradner konnte ihm darin folgen.
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Abb. 1: Der büßende Hieronymus
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Aus dieser Geschichte heraus entstand der vorliegende Band, den Diözesanbischof
Dr. Alois Schwarz durch sein Geleitwort eröffnet. Walpurga
Oppeker gibt einen historischen Überblick über das Kloster Schönbühel von
den Anfängen bis in die Gegenwart und eine Beschreibung der Konzeption
des Bethlehem.
Es folgt ein Reprint von Kurtzer Entwurff und Abbildung Deß New=andächtig
vnd Gottseligen Hauß Bethlehem / Dero Grüfft vnd Altärn bey denen PP.
Serviten zu Schönbichel… nach dem Exemplar des Druckes aus der Österreichischen
Nationalbibliothek.
Im Gespräch mit Markus Gradner gehen wir auf die Arbeit an den Figuren(gruppen)
ein – auf die Entscheidung für Kunststein, die erkennbar lässt,
dass es sich um Rekonstruktionen handelt, sowie auf die konkrete Arbeit
von der Recherche bis hin zur fertigen Figur.
Fotos der Kapellen zeigen die Figuren und geben einen Eindruck von
der Stimmung. Den großformatigen Abbildungen sind jene Texte der Evangelisten
Matthäus und Lukas beigegeben, die als Ausgangspunkt für die jeweils
dargestellte Szene gedient haben.
Ein Andachtslied, das in Schönbühel seit mindestens 70 Jahren gesungen
wird, ist ebenfalls abgedruckt. Es soll unterstreichen, dass bei der Erschaffung
und Pflege dieses – durchaus reizvollen – Ortes nie die künstlerische
Gestaltung im Mittelpunkt gestanden ist, sondern immer die fromme Andacht.
Renate Haar und dem „Verein der Freunde von Bethlehem zu Schön bühel“
wünsche ich alles Gute und weiterhin viel Elan, damit auch künftig zahlreiche
Besucherinnen und Besucher lebendige Erinnerungen aus Kloster
Schönbühel und seinem Bethlehem mitnehmen können.
Wien, den 7. Oktober 2019
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Abb. 2: Kloster Schönbühel, Ansicht von Westen
Mit Eingang zum Bethlehem und Heiliggrabkapelle
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DIE BETHLEHEMKAPELLE IM
EHEMALIGEN SERVITENKLOSTER
SCHÖNBÜHEL AN DER DONAU
Walpurga Oppeker
Um sich der Entstehung der Geburtsgrotte Christi im ehemaligen Servitenkloster
Schönbühel anzunähern, muss man in der Geschichte etwas weiter
zurück schauen.
Schloss Schönbühel war seit dem Spätmittelalter im Besitz der Familie
Starhemberg. Der mächtige Bau auf einem Felsen am rechten Ufer der
Donau, am Eingang in die Wachau, war im 16. Jahrhundert eine Hochburg
des Protestantismus. Paul Jakob von Starhemberg (1560–1635), Herr
von Schönbühel, hatte gemeinsam mit seinen Brüdern am 3. Oktober 1608
den Horner Bundbrief unterschrieben, in dem sich der evangelische Teil des
österreichischen Adels geschlossen gegen den habsburgischen Landesherrn
stellte. Das war einer der Gründe für den Dreißigjährigen Krieg (1618–1648),
an dessen Ende aber der Kaiser als Sieger hervorging.
Wenige Monate vor der für das protestantische Heer vernichtenden
Schlacht am Weißen Berg zeigte sich der Schönbühler Starhemberg auf der
gemäßigteren Seite, als er am 13. Juli 1620 die Erbhuldigung an Kaiser Ferdinand
II. unterschrieb – und so, im Unterschied zu anderen Familienmitgliedern,
einer Enteignung und Ausweisung entging.
Sein Sohn Konrad Balthasar (1611–1687) trat zuerst in den kaiserlichen
Kriegsdienst, der ihm als Evangelischem offen stand, quittierte diesen später
und konvertierte 1639 gemeinsam mit seiner Frau Anna Elisabeth von
Zinzendorf zum Katholizismus – er war „durch die gnad und barmherzigkeit
Gottes widrumben aus der finsternis herausgerissen und in den schoß
der heiligen, christlichen allein selligmachenden catholischen kürchen angenomben
worden.“ Das öffnete ihm den Weg zu einer blendenden Karriere
bei Hof, erst als Kämmerer bei Kaiser Ferdinand III., dann im Dienst der
Kaiserin Eleonora (1630–1686). Ihr diente er als Vize-Hofmeister und später
als Oberst-Stallmeister.
Im Dunstkreis und unter dem Einfluss dieser überaus frommen Dame
und mit dem Eifer des Konvertiten ging er, der Mode der Zeit entsprechend,
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daran, in seinem Schönbühler Herrschaftsbereich eine Ansammlung von
frommen Andachtsstätten zu schaffen. Sicher spielte das Motiv mit, seinen
Untertanen den katholischen Glauben auf sehr anschauliche, das Gemüt ansprechende
Weise wieder näher zu bringen.
In Langegg, nur etwa zwölf Kilometer entfernt von seinem Schloss
Schönbühel, hatten 1644/1645 die Serviten auf kaiserlichen Wunsch die
Betreuung einer neu aufgekommenen Wallfahrt zu einem wundertätigen
Marienbild übernommen. Der Servitenorden – Ordo Servorum Mariae –
zeichnete sich durch eine besondere Marienverehrung aus und fand häufig
an Wallfahrtsorten ein Wirkungsfeld.
Anlässlich einer schweren „leibs schwachheit“ soll Konrad Balthasar gelobt
haben, bei seiner Gesundung die Langegger Kirche erweitern zu lassen,
wozu es tatsächlich aber erst 1661 kam. Zunächst ließ er von seinem Schloss
Schönbühel aus 15 den Rosenkranzgeheimnissen geweihte Wegkapellen hinauf
zur Langegger Marienkirche errichten. Ob dafür der Rosenkranzweg
zwischen St. Sebastian und Mariazell sein Vorbild war, wissen wir nicht,
wohl aber, dass er sich mindestens einmal, wahrscheinlich aber öfter, als
Begleiter der Kaiserin dort aufgehalten hatte. Von diesen einfachen, rechteckigen
Wegkapellen mit Satteldach und Rundbogentor, das durch hölzerne
Baluster geschlossen war, sind heute noch fünf erhalten.
Seine schwere Erkrankung soll auch der Anlass gewesen sein, auf dem
verrufenen sogenannten Teufelsschloss, einem Felsen an der Donau nördlich
von Schloss Schönbühel, 1666 ein „Kirchel“ zu Ehren der Pestheiligen
Rosalia, der Patronin seines Geburtstages, zu errichten. Mit ihm gemeinsam
wurde auch eine Heiliggrabkapelle nach dem Jerusalemer Vorbild erbaut.
Pläne und Beschreibungen dafür hatte Starhemberg wahrscheinlich durch
einen „P. Franciscaner“ aus dem Heiligen Land bekommen. Nachbauten der
Kapelle des Grabes Christi in der Grabeskirche in Jerusalem waren vor allem
in der Barockzeit in Europa relativ verbreitet, da durch die Besetzung Palästinas
durch die Osmanen und die ständigen Kriege mit den vordringenden
Türken ein Besuch der heiligen Stätten nicht mehr möglich war.
Zur Betreuung dieser Anlage berief er 1666 nach kaiserlichem Vorbild
wie in Langegg die Brüder des Servitenordens. Seine Klosterstiftung für
fünf Priester und zwei Laienbrüder wurde 1672 bestätigt. Damit war auch
die Grundlage zur Ausbildung einer lokalen Wallfahrt geschaffen.
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Inzwischen wurde 1668 der Grundstein zum Kloster gelegt, und im Jahr
darauf erreichte Starhemberg die Aufwertung seiner Schönbühler Schlosskirche
zu einer Pfarrkirche.
1669 entstand auch der „Kalvarienberg“ als offene Kapelle vor dem Klostertor.
Das Kreuz mit dem Corpus Christi wird von Maria, Johannes und
den beiden Schächern Dismas und Gestas begleitet. Der Kalvarienberg ist
40 Meter von der Grabkapelle entfernt und in erhöhter Lage von 17 Stufen
positioniert, eine Situation, die den Maßverhältnissen in der Grabeskirche
entsprechen soll (siehe Kupfer Num. VIII).
Das Projekt zur Gestaltung eines Bethlehem reicht deutlich weiter zurück:
Schon in den 1650er Jahren früher bot sich Konrad Balthasar an, einen
innigen Wunsch der Kaiserin Eleonora zu erfüllen. Es war ihre Absicht, die
„sonsten in ganz Europa sich nirgend findente Andacht der Geburt Christi
vnsers lieben Herrns / nemblich Bethlehem genand / zu bauen / vnd die
erste Stiffterin zu seyn.“ Über die Geschichte und das Aussehen dieser Anlage
verfasste 1675 der Servitenpater Ambros M. Sauter seine Beschreibung
Kurtzer Entwurff vnd Abbildung deß New=andächtig vnd Gottseligen Hauß Bethlehem
/ Dero Grüfft vnd Altärn bey denen PP. Serviten zu Schönbichel – die im
vorliegenden Band vollständig wiederabgedruckt wird.
Der Wunsch der hohen Frau, die erste Stifterin zu sein, ging nicht ganz
in Erfüllung, denn bereits 1655 wurde in Neersen im Rheinland das „Klein-
Jerusalem“ errichtet.1 Die Kaiserin beauftragte Starhemberg jedenfalls 1657,
aus Bethlehem Pläne „nicht allein deß Situs, sondern auch die eigentliche Maß
der Höhe / Länge vnd Breite / aller sich da befindlichen Capellen / neben
vmständiger Beschreibung aller Beschaffenheiten“ besorgen zu lassen. Das
erfolgte durch einen Franziskaner, der im Heiligen Land Dienst verrichtet
hatte – die Franziskaner durften auch während der Osmanenzeit die heiligen
Stätten betreuen. Angesichts dieser Unterlagen fand Konrad Balthasar seinen
Felsen mit der Rosalienkirche und der Heiliggrabkapelle als überaus passend
1 Eine weitere Bethlehemkapelle ließ Abt Bernhard Rosa 1675 in der schlesischen Zisterze
Grüssau (Krzeszów) neben einer weitläufigen Kalvarienberganlage erbauen. 1697
wurde im Beisein des Kaisers das Bethlehem an der Wiener Minoritenkirche geweiht.
Im Prager Augustinerkloster auf dem Karlshof entstand ein Nachbau der Geburtsgrotte
in den Jahren 1708 bis 1711. Dieser soll Vorbild Geburtsgrotte unterhalb der
Einsiedln-Kapelle bei Schloss Favorita in Rastatt (Baden-Württemberg) aus dem Jahr
1718 sein, welcher der Schönbühler Anlage sehr ähnlich ist.
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für das neue Projekt, denn es wäre „dieser Situs demjenigen zu Bethlehem
gantz ähnlich / vnd man weit vnd breit diese Heilige Andacht einzurichten /
kein bequemblichere Gelegenheit finden kunte.“
1670 wurde mit dem Bau begonnen; die Arbeiten waren durch die Lage
am Felsen sicher aufwändig, mussten doch in vielen Stufen die einzelnen
Kapellen dem Gelände angeglichen werden, um die räumliche Nachbildung
des Höhlensystems unter der Geburtskirche in Bethlehem zu erreichen.
Einige Skizzen und Entwürfe zum Projekt Geburtsgrotte haben sich im
Innsbrucker Provinzialarchiv der Serviten erhalten. Es sind wohl den örtlichen
Gegebenheiten angepasste Abwandlungen der aus Bethlehem überbrachten
Unterlagen.
Offenbar wurden zwei Varianten in Betracht gezogen. Eine davon zeigt
die Geburtsgrotte selbst außen vor den Felsen mit dem darüber thronenden
Kloster gestellt, daneben öffnen sich Pfeilerarkaden als introitus futurum in den
Konvent, in das heutige Kellergeschoß. Eine hübsche Ansicht dieser Planung
hat sich auch erhalten, bei der man das fehlende Kellergeschoß erkennt.
Dem ausgeführten Plan näher kommt ein weiterer Entwurf. Hier ist
dem Kloster ein Vorbau als Eingang in das Bethlehem vorgesetzt. Innen
öffnet sich der Raum in der heutigen Form, hat auch rechts die „Höhle“
der Geburt, und zu beiden Seiten des Altars führen die charakteristischen
Stiegen wie beim Original in Bethlehem aufwärts. Es scheint, dass der Bau
des Klosters gleichzeitig mit der Errichtung der Geburtsgrotte durchgeführt
wurde und damals Umplanungen anstanden. Im Kloster wurde zusätzlich
zu den zwei Stockwerken auch ein Kellergeschoß errichtet, wodurch das
Bethlehem um einen Stiegenlauf höher hinaufgezogen werden musste und
sich die Anlage der einzelnen Kapellen gegenüber dem Entwurf veränderte.
Im Kurtzen Entwurff von 1675 findet sich die älteste Darstellung des Klosters
mit Heiliggrabkapelle und Bethlehem, wie es sich bis heute erhalten hat (siehe
Kupfer Num. I). Zahlreiche spätere sowohl gemalte als auch graphische
Abbildungen des Klosters geben dagegen den Entwurf mit der vorgelagerten
Geburtsgrotte wieder.
Ursprünglich führte der Weg der Pilger, die das Bethlehem besuchen
wollten, von der Donau her durch eine Tür in einer Mauer und dann zahlreichen
Stufen über das felsige Gelände hinauf bis zur Eingangshalle, dem
Vorschopf. Er ist außen wieder, wie es früher war, mit jubilierenden Engeln
und der Inschrift „Gloria in excelsis Deo“ geschmückt.
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In diesem Eingangsbereich stimmen in den vier Ecken des Raumes die Porträts
von Propheten, die die Ankunft des Herrn auf Erden als Vertreter des
alten Bundes vorausgesagt hatten, auf die zu erwartenden Ereignisse ein:
Jesaja (7,14), Jeremias (31,22), Habakuk (3,2) und König David (Psalm 72,6).
Weiter in der Heilsgeschichte führen der „Englische Gruß“, die Verkündigung
des Engels an Maria und das Magnificat; Maria unterwirft sich demütig
mit den Worten „Magnificat Anima mea Dominum“ (Hoch preiset
meine Seele den Herrn) dem Willen Gottes.
Von hier kommt man in das eigentliche Heiligtum, das „Heilige
Haus Bethlehem“. Das Gewölbe ist mit „vnterschiedlichen schönen Bluemen=Werck“
auf gelbem resp. goldenem Grund ausgemalt, die Wände waren
ursprünglich mit „schönen Spallieren“ (Stofftapeten) verkleidet. Das alte
Altarbild zeigte Maria und Josef kniend mit dem neugeborenen Kind in der
Mitte, über die Mauer des Stalles blicken Hirten herein. Die alte Inschrift
darüber, „Hic de Virgine Maria Jesus Christus natus est“, entspricht jener
in Bethlehem, die restaurierte ist etwas verändert wieder gegeben: „Hic de
Maria Virgine natus est Christus Dominus noster“. Das heutige Bild stammt
aus dem Jahre 1744 und zeigt die Anbetung des Kindes durch eine Schar von
Hirten. Heute liegt hier ein Steinpolster mit Stern, der 1748 den alten auf
rotem Damast ersetzte.
Zur rechten Hand führt neben einer Säule eine Stufe hinab in eine
Nebenhöhle. Hier stand auf dem gemauerten Altartisch ein spätgotischer,
heute verschollener Flügelaltar aus dem Besitz der Herren von Roggendorf.
Sein Mittelschrein zeigte die Anbetung der Könige, die Flügel waren mit
den Szenen der Verkündigung an Maria und der Darbringung des Jesuskindes
im Tempel versehen (siehe Kupfer Num. III). Gegenüber befindet sich
die Krippengrotte, die „Höllen oder der Stall, darinn auff dem groben Hew
vnd Stroh das arme Kindlein JESUS nackend vnd bloß ligend“ (siehe Kupfer
Num. III [sic]). Heute ist hier wieder eine kleine Krippe mit dem Christuskind
mit seinen daneben knienden Eltern eingestellt.
Dreizehn Stufen oberhalb des Hauses Bethlehem liegt die Kapelle des
hl. Josef. Dazwischen ist ein Gang eingeschoben, der die beiden Stiegenläufe
verbindet. Hier war in Schönbühel auf der linken Seite auf einer Felsformation
eine vor einem Kreuz kniende Statue des Servitenheiligen Philippus
Benitius (1233–1285) an Stelle des hl. Hieronymus, der in Bethlehem den
entsprechenden Platz einnahm, platziert – in Zuge der Schaffung der neu-
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en Figurengruppen fertigte der Bildhauer Markus Gradner für diese Stelle
einen Hieronymus an.
Gegenüber liegt eine „absonderliche Capellen / allwo zur rechten Hand
der heiligen vnschuldigen Kindlein Altar / in welchen die grausame Tyranney
der wütenden Soldaten vnd Kriegs=Knecht / Hertzbrechents Jammern
der armen Mütter / vnd schmerzliches Bluet=Bad der Heiligen Martyrer
vnd vnschuldigen Kindlein / […] zu sehen Ist.“ Das Altarbild zeigt unter
einem Engel mit Märtyrerkranz und -palme eine händeringende Mutter
inmitten des Gemetzels. Auf dem Antependium bringen Soldaten Kinderleichen
vor König Herodes (siehe Kupfer Num. IV).
Die Inhalte der nächsten beiden Altäre sind eng mit der Frömmigkeit
der Serviten und ihrem Kult der „Sieben Schmerzen Mariens“ verbunden.
Ihre Themen finden sich in den Stationen des „Servitischen Rosenkranzes“.
Sie sind hier allerdings nicht in der richtigen zeitlichen Abfolge geschildert.
„Deß Heiligen Josephs=Capell vnd Altar […] präsentiert, wie Maria
vnd Joseph die inmüthig vnd sorfältige Eltern das Kind JESUM bey denen
Händen führen / vnd gleichsam niemahlen auß ihrer fleissigen Obsicht
entlassen wollen“ (siehe Kupfer Num. V). Während das Antependium die
Konversation des jungen Jesus mit den Priestern und Schriftgelehrten im
Tempel zu Jerusalem vor den erstaunten Blicken seiner Eltern zeigt, ist auf
dem Altar das Motiv des „Heiligen Wandels“ zu sehen. Maria und Josef,
überstrahlt von der Taube des Heiligen Geistes, kehren mit ihrem Sohn
aus Jerusalem zurück und halten das vorher verloren gegangene Kind fest
an den Händen. In der Barockzeit wurde dieses Motiv auch als „Irdische
Dreifaltigkeit“ bezeichnet und ist durchaus im sakralen Bereich als Altäre
oder Kapellen zu finden. Die moderne Theologie lehnt diese Formulierung
strikte ab, da Maria und Josef keine „himmlischen“ Personen sind. Beliebt
waren auch Kombinationen der vertikalen Himmlischen Trinität mit der
horizontalen Irdischen Dreifaltigkeit, bei denen das Jesuskind gleichzeitig
auch seine Rolle in der Himmlischen Dreiheit einnimmt.
Wieder neun „stainerne Stäffel“ höher, in einem großen Raum unter
der Kirche mit dem Eingang zum Gruftvorraum der Serviten, steht heute
der Altartisch zu der „Capellen der Wanderung in Egypten=Land“ (siehe
Kupfer Num. V). Der Autor des Kurtzen Entwurfs erzählt, dass sie besonders
gerne von Reisenden, Wanderern besucht wurde, um Segen für ihre
Unternehmungen zu erflehen. Die reizvolle Figurengruppe dieses Altares
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ist als einzige erhalten geblieben und befindet sich heute in der Kirche. Die
ikonographisch ungewöhnliche Darstellung zeigt, „wie der Heil. Joseph das
liebe Christ=Kindlein JESV in einem Korb auff seinen Schultern oder Axlen
trägt / auch wie Maria die gantz kümmerlich vnd sorgfältige Mutter / das
süß=schlafende Kind ein wenig in dem Angesichte auffdeckt / vnd eyfferigst
als Wander / oder Pilgerin dem Heil. Joseph nachfolgt.“ Über dieser intimen
Szene des bloßfüßig dahin ziehenden heiligen Paares – die Gruppe in der
Kirche trägt dagegen Stiefel und Schuhe – vor gemaltem Landschaftsprospekt
beutelt ein fliegender Dämon einen Knaben. Diese Szene dürfte sich
auf eine Episode im apokryphen Arabischen Kindheitsevangelium beziehen:
die Heilige Familie kam in eine Stadt, in der ein Götzenpriester einen
dreijährigen Sohn hatte, „der von einigen Dämonen besessen war […] und
wenn die Dämonen ihn überfielen, blieb er nackt zurück, weil seine Kleider
zerrissen waren“. Die Szene auf dem Antependium dürfte die Wöchnerin
Maria, auf einer Matte gebettet, in einer Hütte zeigen. Neben ihr steht Josef
in Reisekleidung, das Jesuskind liegt auf einem mit einem Tuch bedeckten
Tisch, neben dem eine kräftige Frau sitzt. Der Raum ist mit einem Tellerbord
ausgestattet und wird von einer Öllampe beleuchtet. Vielleicht hatte
das heilige Paar hier Gastfreundschaft gefunden.
Aus diesem Raum kommt man wieder über 18 Stufen direkt hinauf in
die der hl. Rosalia geweihte Kirche, aus der man hinter dem Hochaltar gebückt
in die Grabkammer mit dem Corpus Christi gelangt und draußen die
auf dem Felsen über der Donau thronende Heiliggrabkapelle umschreiten
kann.
Das Bethlehem dürfte für die Bevölkerung nie die Bedeutung des Nachbaues
der Ädikula in der Grabeskirche erlangt haben. In der dem Kurtzen
Entwurff angeschlossenen Liste von Gebetserhörungen wird immer nur vom
heiligen Grab Christi gesprochen und die Bethlehemkapelle überhaupt nur
einmal erwähnt: Am 10. August 1674 besuchte die Herrschaft selbst das heilige
Grab und das Haus Bethlehem. Cäcilia Gräfin Starhemberg wurde dabei
von sehr starken Kopfschmerzen geplagt. Als sie beim Rückweg aus dem
Bründl unterhalb des Klosters trank, wäre sie „solches Wehetags alsobalden
entlediget worden.“
Das Fallbründl befindet sich unterhalb des Klosters auf dem Fußweg in
den Ort Schönbühel. Graf Starhemberg ließ aus Dankbarkeit im Jahr danach
eine Kopie des oberösterreichischen Gnadenbildes Maria Scharten hier
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anbringen, und 1711 bis 1713 wurde darüber eine kleine Kapelle errichtet
und wohl im Zusammenhang mit der letzten großen Pestepidemie 1712 wieder
der hl. Rosalia zugeeignet.
Der seit den späten 1660er Jahren etablierte Wallfahrtsort erlebte Blütezeiten
vor allem zu Pestzeiten, blieb allerdings von eher lokaler Bedeutung.
Ein Mirakelbuch berichtete ausführlich über die vorgefallenen Wunder. Aus
dem 18. Jahrhundert werden darin nur sieben Mirakel erwähnt, die sich auf
die Geburtsgrotte beziehen. 1773 wurde es unter dem Einfluss der Aufklärung
seines „absurden“ Inhalts wegen vernichtet, aber die Heilungen und
Gebetserhörungen gekürzt in ein Liber rerum memorabilium aufgenommen.
Kloster Schönbühel blieb auch von den Schrecken der Josephinischen
Klosteraufhebungen nicht ganz verschont. Am 4. September 1783, ausgerechnet
am Tag der Kirchenpatronin Rosalia, deren Fest vormittags unter
Teilnahme von vier Prozessionen gefeiert worden war, erschien nachmittags
die Aufhebungskommission und begann das Kloster zu inventarisieren. Das
Kloster sollte aufgehoben und die Pfarre Schönbühel dem Stift Melk übergeben
werden. Allerdings hatte man die Stiftungsurkunde nicht beachtet,
in der festgelegt war, dass im Falle des Auszuges der Serviten das Klostergebäude
an die Herrschaft zurückfallen muss; der Orden hatte nur das Nutzungsrecht
an dem Objekt. Da das Kloster nun für den Religionsfond keinerlei
Wert besaß, durften fünf Priester und zwei Laienbrüder der Serviten
in Schönbühel bleiben und weiter die Pfarre, die nun an die Klosterkirche
verlegt wurde, betreuen.
1792 ließ der Orden die Kirche vom Schüler des Kremser Schmidt
Andreas Rudroff mit zarten Blumengirlanden freskieren und mit neuen
Bildern ausstatten. Das Wallfahrtswesen konnte sich allerdings nach der
Josephinischen Zeit nicht mehr wirklich erholen; erst in der Zeit des Ersten
Weltkrieges erlebte es eine späte Blüte.
Im 20. Jahrhundert lähmte ein Patronatsstreit das klösterliche und pfarrliche
Leben, die einzigartigen Nachbauten der heiligen Stätten gerieten in
Vergessenheit. Erst der kunstsinnige und historisch forschende P. Albert
M. Guggenberger († 2002) führte zwischen 1967 und 1978 eine umfassende
Renovierung der barocken Wallfahrtsanlagen durch. Er bewahrte damit
dem Servitenorden ein bleibendes Andenken, denn 1980 kam der Passus vom
Rückfall an die Herrschaft wirklich zur Anwendung. Der Orden musste
mangels geistlicher Brüder die Schönbühler Gemeinschaft aufgeben. Die
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Klostergebäude fielen zurück an den Schönbühler Gutsbetrieb der Familie
Seilern-Aspang.
Unter der Regie von Frau Renate Haar wird Kloster Schönbühel seit 2002
von Freiwilligen aus der Umgebung betreut. Der 2008 gegründete „Verein der
Freunde von Bethlehem zu Schönbühel“ gibt pro Jahr ca. 220 Führungen und
veranstaltet ca. 30 Andachten mit Führung, Kaffee und Kuchen: dem christlichen
Jahreskreis folgend Krippenandachten, Kreuzwege sowie Mai- und
Rosenkranzandachten. Bis 2016 wurden hier auch Hochzeiten ausgerichtet
und nahm Kloster Schönbühel an der Langen Nacht der Museen und am Tag
des Denkmals teil. Diesem enormen Engagement ist es auch zu verdanken, dass
die neuen Figurengruppen für das Bethlehem geschaffen werden konnten.
QUELLEN
Provinzialarchiv der Serviten in Innsbruck.
Diözesanarchiv St. Pölten, Pfarr- und Klosterakten Schönbühel.
[Ambros Sauter:] Kurtzer Entwurff und Abbildung Deß New=andächtig vnd Gottseligen
Hauß Bethlehem / Dero Grüfft vnd Altärn bey denen PP. Serviten zu
Schönbichel / Hoch=Gräffl: Starhenbergischen Herrschafft vnd Stifftung / ec.
[…]. Gedruckt zu Wienn in Oesterreich / bey Johann Christoph Cosmerovio /
der Röm: Kayserl: Majestät Hoff=Buchdruckern / 1675.
LITERATUR
Hamann, Brigitte: Die Habsburger. Ein biographisches Lexikon. Wien: Amalthea
1988.
Häusler, Wolfgang: Geschichte des Servitenklosters Schönbühel. Phil. Diss. Wien
1969.
Häusler, Wolfgang: „Die Klosterkirche Schönbühel an der Donau mit ihrer
Bethlehemkapelle“, in: Das Waldviertel 23 (1974) Heft 1, S. 24–27.
Häusler, Wolfgang: „Konvertitenstiftung und Volksfrömmigkeit“, in: Aspekte
der Volksfrömmigkeit in der frühen Neuzeit, hg. von Thomas Aigner.
St. Pölten 2003 (= Beiträge zur Kirchengeschichte Niederösterreichs 10),
S. 126–154.
23
Oppeker, Walpurga: „Das Servitenkloster Schönbühel in Bildern: Ergänzungen
zur Baugeschichte“, in: Das Waldviertel 77 (2008) Heft 3, S. 241–
255.
Oppeker, Walpurga: „Rosenkranzwege in Niederösterreich“, in: Jahrbuch
für Landeskunde von Niederösterreich 81 (2015), S. 199–266.
Oppeker, Walpurga: „Bethlehem in Niederösterreich. Ein Besuch in der
Geburtsgrotte des ehemaligen Servitenklosters Schönbühel an der
Donau“, in: Das Waldviertel 64 (2015) Heft 4, S. 442–453.
Pernerstorfer, Matthias J.: „Passion und Theater II. Workshop im Kloster
Schönbühel zur 350. Wiederkehr der Grundsteinlegung des Heiligen
Grabes“, in: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich N.F. 82 (2016),
S. 235–240.
Pernerstorfer, Matthias J.: „Barocke Denkmäler der Passion – Sakrale Zeichen
in der Landschaft“, in: Sakralisierung der Landschaft. Inbesitznahme,
Gestaltung und Verwendung im Zeichen der Gegenreformation in Mitteleuropa,
hg. von Werner Telesko und Thomas Aigner. St. Pölten 2019 (= Beiträge
zur Kirchengeschichte Niederösterreichs 21, Geschichtliche Beilagen
zum St. Pöltner Diözesanblatt 38), S. 194–209.
Stopfel, Wolfgang E.: „Das Andachtsstätten-Ensemble der Markgräfin
Sibylla Augusta und die favoritische Eremitage“, in: Die Eremitage von
Schloss Favorite Rastatt, hg. von den Staatlichen Schlössern und Gärten
Baden-Württemberg. Petersberg: Michael Imhof Verlag 2018, S. 103–
120.
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