Zdirekt! 02-2020
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TITELTHEMA<br />
Interview<br />
Wirtschaft im künstlichen Koma<br />
Viele Ökonomen stellen die aktuelle Coronakrise der Finanzkrise vor rund zwölf<br />
Jahren gegenüber. Prof. Dr. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen<br />
Wirtschaft, berät die Bundesregierung. Prof. Dr. Ronald Bachmann ist Leiter des Kompetenzbereichs<br />
„Arbeitsmärkte, Bildung, Bevölkerung“ im Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung.<br />
<strong>Zdirekt</strong>! hat sie zu ihrer ökonomischen Sicht auf die Krisen befragt.<br />
Folgendes haben sie – getrennt voneinander – geantwortet.<br />
Prof. Dr. Michael Hüther<br />
Prof. Dr. Ronald Bachmann<br />
Inwieweit sind die beiden Krisen aus Ihrer Sicht<br />
vergleichbar – und wie unterscheiden sie sich?<br />
MH: Anders als zur Finanzkrise, die ihren Ursprung im<br />
Finanzsektor in den USA hatte, handelt es sich derzeit<br />
um einen globalen Nachfrage- und Angebotsschock, der<br />
die Wirtschaft in ein „künstliches Koma“ versetzt hat.<br />
In der Finanzkrise schwappte die Krise vom Finanzsektor<br />
auf die Realwirtschaft. Betroffen war hauptsächlich<br />
der industrielle Sektor. Somit waren eine Isolierung der<br />
Ursachen und eine fokussierte Unterstützung möglich.<br />
Die Coronakrise ist breiter angelegt und trifft fast alle<br />
Wirtschaftsbereiche gleichzeitig. In der Finanzkrise fand<br />
„nur“ eine allgemeine Konsumzurückhaltung statt, aber<br />
kein temporärer Konsumausfall, wie es aktuell der Fall<br />
ist. Obwohl die politische Reaktion diesmal beherzter erfolgt,<br />
ist der derzeitige Wirtschaftseinbruch umfassender<br />
als vor einer Dekade. Aktuell gehen wir von einem Rückgang<br />
des deutschen BIP von 9 Prozent im Jahresdurchschnitt<br />
aus, in der Finanzkrise waren es rund 6 Prozent.<br />
RB: Die beiden Krisen sind insofern vergleichbar, als dass<br />
sie beide ungewöhnlich tief sind – wobei die aktuelle