danmag 02_Arbeit
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danmag
Das inspirierende Business Magazin
02
danmag
Arb e it
02
E d i t o r i a l
das Bedürfnis
Freiheit und Sicherheit
in einklang zu bringen
Fragt man im Gespräch sein Gegenüber, was ihm persönlich beim Thema Arbeit am Herzen liegt,
so werden mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zwei Begriffe fallen: „Freiheit“ und „Sicherheit“. Mit
Freiheit meinen viele die Arbeit als Ort der Selbstverwirklichung. Je mehr Eigenverantwortung und
Selbstbestimmung eingebracht werden können, desto befriedigender wirkt das Ergebnis. Auf der
anderen Seite das Bedürfnis nach Sicherheit: Arbeit ist für die meisten Grundlage der materiellen
Existenz. Daneben werden aber auch klare Vorgaben und organisierte Hierarchien in Managerseminaren
als Kennzeichen guter Führung gelehrt.
Dass beide Begriffe zusammen, Freiheit und Sicherheit, für ein befriedigendes Arbeitsgefühl stehen,
ist nur scheinbar ein Widerspruch. Jeder arbeitende Mensch tariert die für ihn passende Dosierung
von Freiheit und Sicherheit individuell aus. Aber zwingen uns die Umstände ein Übermaß an
Eigenverantwortung oder auch Fremdbestimmung auf, so erleben wir das als Frustration und werden
im schlimmsten Fall krank.
Wer ein optimales Arbeitsumfeld erzeugen möchte, schafft daher
Angebote für Mitarbeiter, um beide Werte für sich individuell zu
kombinieren. Office-Welten, die heute Maßstäbe setzen, gehen aber
noch einen Schritt weiter: Die Lebensbereiche „Arbeit“ und „Freizeit“
werden als Ganzes so weit ineinander verschränkt, dass sie fast nicht
mehr voneinander zu unterscheiden sind. Die Büros von Airbnb oder
der Google Campus in Kalifornien sind Ikonen dieser Verschmelzung,
in der die bisherigen Codes der Arbeitswelt weitgehend eliminiert werden. Das Büro wird zum
zweiten Zuhause oder das Zuhause zum Büro, der Arbeitgeber übernimmt soziale Funktionen wie das
Management der Gesundheit und die Altersvorsorge seiner Angestellten.
Zu kurz gesprungen wäre es aber zu denken, dass es schon genüge, die Office-Umgebung aussehen
zu lassen wie ein Wohnzimmer, damit die Mitarbeiter all ihre Zeit dem Unternehmen und ihrer
Arbeit widmen. Wer wirkliche Eigenverantwortung fördern möchte und will, dass Mitarbeiter
sich mit ihrem Herzen bei der Arbeit einbringen, der muss sie als Menschen ernst nehmen und den
Entscheidungsspielraum beim Einzelnen belassen.
Um die Schnittmenge zwischen den Sphären Arbeit und Freizeit zu vergrößern, können Arbeitgeber
auch positive Impulse setzen: Mitarbeiter sollten die Möglichkeit haben, in Projekten und Feldern zu
arbeiten, die sie begeistern. Sie sollten sich in Bereichen weiterbilden und -entwickeln können, die sie
interessieren und anspornen. Und: Freude ist der am meisten unterschätzte Faktor beim Aktivieren
von Mitarbeiterpotenzialen und trägt mehr als alles andere dazu bei, die Bedürfnisse nach Freiheit und
nach Sicherheit miteinander in Einklang zu bringen.
Arbeiten muss Spaß machen!
Ihre Nicole Srock.Stanley
(Editor | CEO | Founder & Associate Markenarchitektur dan pearlman)
danmag | Arb e it 02
© Maren Esdar
E d i t o r i a l
WiE Wollen wir in
Zukunft arbeiten?
Die Arbeitswelt ist im permanenten Wandel und das erkennt man besonders auf einen Blick – den
Blick auf den Arbeitsplatz. Ein Film mit dem Büro-Ambiente der 80er Jahre, geprägt durch den Stil
der damaligen Inneneinrichtung und der elektronischen Geräte, wirkt heute wie im Museum gedreht.
Der Wechsel von manuellen Hilfsgeräten zu einer digitalisierten Ausstattung, zeigt uns viel über den
Wandel gesellschaftlicher Realitäten – und unsere Utopien.
Das Thema “Wie, wo, mit wem und an welchen Themen werden wir in Zukunft
arbeiten?” begleitet mich seit meinem Studium, als ich in einer Architekturzeitschrift
las: “Your Office is where you are”. Damals, in den 90er Jahren gab es die
ersten revolutionären Ansätze für den Arbeitsplatz in der digitalen Zukunft. Aus
der Frage “Wie wir arbeiten werden” hat sich jedoch die Frage “Wie wir arbeiten
wollen”, entwickelt. Das heißt nicht, dass die Gestaltung der Arbeitsplätze zum
Wunschkonzert geworden ist – allerdings werden unsere Spielräume, die Arbeit
zu strukturieren und zu organisieren, immer größer und individuell variierbar. Im Büro besitze ich
nicht nur den „einen“ Arbeitsplatz. Es ist vielmehr eine Mischung aus verschiedenen Plätzen – vom
Schreibtisch zu Hause, im Büro, im Hotel und auf Reisen. Mein Büroschreibtisch ist meistens nicht
besetzt, stattdessen bin ich an unterschiedlichen Meeting-Plätzen anzutreffen. Erreichen kann man mich
am besten per Smartphone, das steuert fast meinen ganzen Arbeitstag. Zum konzentrierten Arbeiten
gehe ich oft nach Hause, da ich dort in völliger Ruhe mit komplexen Themen effizienter vorankomme.
Viele Unternehmen beginnen feste Arbeitsplätze zu reduzieren und starre Arbeitszeiten aufzulösen,
um sich den Bedürfnissen der Generation WHY, mit Fokus auf die „Work-Life-Balance“, anzupassen.
Das ist längst nicht alles. Gerade weil die Digitalisierung der Arbeit rasant vorangeschritten ist, löst sie
einen starken Gegentrend aus, den der „Entdigitalisierung“ und der Entschleunigung. Anhängsel von
Daten-Clouds zu sein, reicht uns nicht aus, wir wollen in niveauvollen Büros mit angenehmer Akustik
und ergonomischen Möbeln arbeiten. Nach Möglichkeit mit gesundem Essen und etwas Natur in den
Räumen – und vor allem unter der Voraussetzung, sich mit projektbezogenen internen wie externen
Partnern vor Ort auszutauschen, ohne die Kollegen zu stören.
Vor uns liegt eine bunt gemischte Arbeitswelt, die analoge und digitale Welten auf intelligente Art
verbindet. In der wir durch Apps, Interfaces und flexible Module unsere reale Arbeitsumgebung nach
unseren Bedürfnissen selbst mitgestalten. Unternehmen, die diese Möglichkeiten der Umgestaltung
fördern, tragen auch zum Abbau von Hierarchien in den Arbeitsabläufen bei und zeigen, dass sie
transparente Kommunikation schätzen und den Mitarbeiter in den Mittelpunkt stellen. Nur gemeinsam
können wir die Frage “Wie wollen wir arbeiten?“ beantworten – und so zum Nutzen aller die Produktivität
der Unternehmen steigern.
Ihre Nicole Gietz
(Head of Brand Experience)
danmag | Arb e it 02
© Maren Esdar
E d i t o r i a l
Erfolgsfaktor
Mensch
Die Welt verändert sich in einer nie da gewesenen Geschwindigkeit. Und so muss sich auch die Arbeitswelt
verändern. New Economy, Globalisierung, Digitalisierung und demographischer Wandel sind nur die
prominentesten Schlagworte für Entwicklungen, die völlig neue Anforderungen an Unternehmen
stellen – und an ihre Mitarbeiter. Denn bei allem globalen Wettbewerb darf man eines nicht vergessen:
Es geht hierbei um Menschen. Um Menschen als Konsumenten, um Menschen als Mitarbeiter, um
Menschen als Mensch.
Wie können Unternehmen am besten auf Veränderungen reagieren? In dem sie eine Kultur haben,
in der Veränderungen möglich und im besten Falle etwas Positives sind. Deshalb ist Diversity für
Unternehmen viel mehr als ein Modewort. Die Wertschätzung der Vielfalt von Mitarbeitern ist nicht
nur „zeitgemäß“, sondern Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg.
Wenn die Belegschaft die demografische Vielfalt des Geschäftsumfeldes widerspiegelt und alle
Mitarbeiter wegen ihrer Vielfalt Wertschätzung erfahren, sind sie motiviert, ihr Potential bestmöglich
für ihr Unternehmen zu nutzen. Damit haben Menschen die Chance, sich als Persönlichkeit und nicht
als Arbeitskraft einzubringen. Und Unternehmen lernen die Chance zu nutzen, von der Vielfalt an Ideen,
Herangehensweisen, Orientierungen und Kenntnissen ihrer Mitarbeiter zu profitieren. Unternehmen
brauchen Mitdenker, Querdenker und Umdenker. Den klassischen „Arbeitnehmer“, dem man Arbeit
gibt, die er wie vorgeschrieben ausführt, wird es in Zukunft nicht mehr geben. Die Generation Y fragt
warum. Und erwartet eine Antwort.
Aber Diversität stellt auch neue Herausforderungen an das Miteinander, an den Dialog und das
gegenseitige Kennenlernen. An die Arbeit in nicht nur multi-disziplinären sondern multi-diversen
Teams. Die Umsetzung ist kein einmaliges, kurzfristiges Projekt, sondern eine gemeinsame Reise, auf
die sich Unternehmen und Mitarbeiter begeben – mit dem Ziel, einen lang anhaltenden wirtschaftlichen
Erfolg und Bindung zu den Kunden sowie innerhalb des Teams zu sichern.
Employer Branding und Internal Branding sind so wichtig, weil eine Generation
von gut ausgebildeten, international vernetzten und hochqualifizierten jungen
Menschen sich heute die passenden Unternehmen auf dem globalen Markt sucht.
Und für die Unternehmen geht es darum, schon bei der Auswahl der Mitarbeiter
gezielt unterschiedlichste Talente anzusprechen, für sich zu gewinnen und die
gesamte Belegschaft an den Entwicklungen der Zukunft teilhaben zu lassen – an
den Veränderungen der Märkte, der Marke und der Mitarbeiter, um gemeinsam
Souveränität im Umgang mit neuen Herausforderungen und das Umfeld für Innovationen in einem
globalen Markt zu schaffen.
Um auf Veränderungen zu reagieren, muss man nicht unbedingt die Welt neu erfinden. Aber man muss
sie oft neu denken. In einer global vernetzten Welt wächst nicht nur die Nachfrage nach immer neuen
Innovationen, sondern auch die Möglichkeit, Innovationen zu denken. Neu heißt häufig nicht, neue
Technologien zu entwickeln, sondern neu auf die Welt zu blicken.
Und das führt direkt zu einer der wesentlichen Voraussetzungen für das Verständnis von Innovationen:
Es geht oft nicht darum, sie zu erfinden, sondern sie zu erdenken. Vernetzt zu denken im globalen
Zusammenhang von Ökonomie und Ökologie, Theorie und Technologie und vor allem von Menschen
und deren Bedürfnissen. Denn zwischen all den atemberaubenden Veränderungen der Gegenwart sind
die menschlichen Grundbedürfnisse eine fast archaische Konstante – die Antworten dafür jedoch
keineswegs. Innovationen werden von Menschen für Menschen erfunden.
In der neuen Arbeitswelt stellt die Arbeit den Menschen also wieder in den Mittelpunkt. Und
Unternehmen stehen in einer sich rasant verändernden Welt wieder einmal an der Stufe zu etwas
Neuem. Und wie jedem Anfang wohnt auch diesem ein neuer Zauber inne.
danmag | Arb e it 02
Ihr Thorsten Kadel
(Director Strategie)
© Maren Esdar
i N h a l t
I n h a l t
D i e G eneration
WHY ist wer?
Worte und Werke
Ein Metier,
eine Leidenschaft
Working HerOs
Lebensart
12 Erfolgsfaktor Mensch
Deutsche Lufthansa
34 Die Generation WHY ist wer?
Dr. Steffi Burkhart
46 Die neue Berufsethik
ic! berlin
70 Zu Gast bei einem außergewöhnlichen Gastgeber
CHINA CLUB BERLIN
Markenakademie
16 Das Beste oder nichts.
Mercedes-Benz
19 Die Zukunft unserer Arbeit –
anders arbeiten
Dan Academy
29 Der sich wandelnde Raum
Allianz Auditorium
40 In Zukunft:
Der kreative Mensch im Mittelpunkt
Fraunhofer Studie
Dipl. Inform. Thomas Bendig
54 Working Mums
bellybutton
58 Ankommen & Vorankommen
Chancengleichheit
Senatorin Dilek Kolat
66 Wir wollen die Menschen
zum Erblühen bringen
Konen
79 Im rechten Licht –
warum ich dieses Buch schreibe
Prof. Dr. Klaus Hurrelmann
80 Fragen,
die sich Arbeitgeber
täglich denken
81 Fragen,
die sich Arbeitnehmer
täglich denken
82 Impressum
danmag | Arb e it 02
10 11
Worte und Werke
l u f t h a n s a
Erfol gsf
a
k t o r
M e n s c h
Die DNA der Lufthansa ist gleich geblieben.
Aber sonst hat sich eine Menge geändert.
Wie Mitarbeiter zu Markenbotschaftern werden.
E i n e D o k u m e n t a t i o n d e r
L u f t h a n s a M a r k e n a k a d e m i e
v o n T h o r s t e n K a d e l
( D i r e c t o r S t r a t e g i e D a n P e a r l m a n )
13
Worte und Werke
l u f t h a n s a
„Sage es mir, und ich werde es vergessen.
Zeige es mir, und ich werde es vielleicht
behalten. Lass es mich tun, und ich werde es
können.“
Diese Weisheit des chinesischen Philosophen
Konfuzius ist zweieinhalbtausend Jahre alt
und immer noch die beste Beschreibung
dessen, was erfolgreiche Unternehmen von anderen unterscheidet:
Erlebnisse. Und zwar die Erlebnisse jedes einzelnen
Mitarbeiters.
Auch die Lufthansa stand vor der Herausforderung, zur
Bewältigung der gewaltigen Veränderungen im globalen
Wettbewerb die Mitarbeiter in diesen Prozess mit einzubeziehen.
Ein wesentlicher Teil der Lösung des Problems ist
die „Markenakademie“ der Lufthansa südlich von Frankfurt
im Odenwald. Dort bietet die Lufthansa Group als weltweit
erste Airline ihren Mitarbeitern ein auf 900 Quadratmetern
räumlich inszeniertes, internes Markenschulungsinstitut,
mit dem Ziel, den Mitarbeitern die Bedeutung und Relevanz
der Marke und der Unternehmenswerte in all ihren Facetten
näher zu bringen.
Erinnern Sie sich an Ihr letztes Erlebnis bei einem Flug?
Hat man Ihnen geholfen, wenn Sie Fragen hatten, hat man
mit Ihnen nach einer Lösung gesucht, wenn mal etwas nicht
klappte? Manche Dinge wie das Wetter kann man mit der
Wahl der Airline nicht beeinflussen andere kaum, etwa
Verspätungen oder verlorenes Gepäck. Wohl aber hängt es
von der Fluggesellschaft ab, wie in solchen Situationen mit
Ihnen umgegangen wird.
Diese Erfahrungen bleiben uns und sie beeinflussen am
stärksten, wie wir eine Marke erleben. Nur wenn die Mitarbeiter
die Marke ihres Unternehmens verinnerlicht haben
und diese leben, können sie Kunden begeistern und überzeugen
– mehr als jede Marketingmaßnahme, denn eine
schöne Hülle ohne Kern bleibt immer nur eine Hülle.
Unternehmenskultur, Internal Branding, Corporate Behavior
– es gibt viele Begriffe für ein und dieselbe Herausforderung:
Wie macht man Mitarbeiter zu Markenbotschaftern?
Denn, diese Erfahrung hat gezeigt, dass Botschaften
in den Medien allein nicht ausreichen, Kunden an eine
Marke zu binden. Der Faktor Mensch tritt wieder in den
Vordergrund: „Advertising is dead, communication is it.“
Menschen werden am besten durch Menschen überzeugt.
Und die Firmen-Mitarbeiter brauchen persönliche Erlebnisse
und starke emotionale Eindrücke, die ihnen Anreize
bieten, die Markenidentität erfolgreich in den Arbeitsalltag
zu integrieren. Um die Motivation der Mitarbeiter zu steigern,
ist es wesentlich, allen ein Gefühl von Gemeinschaft
und Zugehörigkeit zu geben. Die Kunden werden heute
nicht nur über die Produkte erreicht, obwohl diese natürlich
weiterhin zentral wichtig sind. Eine mindestens ebenso
wichtige Rolle spielt die Darstellung des Unternehmens als
Ganzes, seine Werte – und vor allem eben die Menschen,
die sie verkörpern.
Durch die Globalisierung, die rapiden technischen Entwicklungen
und neue Geschäftsmodelle ändern sich die
Marktbedingungen in einem nie gekannten Tempo. Viele
ineinander greifende Faktoren tragen dazu bei, dass in der
Markenführung die Qualität der Mitarbeiter einen immer
wichtigeren Stellenwert einnimmt. Dieses Prinzip gilt
natürlich besonders für derart serviceorientierte Unternehmen
wie Fluglinien.
Herzstück dieses Zentrums, das von
„dan pearlman“ entwickelt wurde,
ist ein nachgebauter Flughafentower
mit einer 360°-Projektion. In diesem
eindrucksvollen Ambiente der
Markenakademie zeigt Lufthansa
jeweils kleinen Mitarbeitergruppen aus sämtlichen Bereichen
des Weltkonzerns, welche unterschiedlichen Angebote den
Kunden unter dem Markendach des Unternehmens gemacht
werden. Da ist etwa Swiss als Airline mit Schweizer Identität,
Germanwings als günstiger Point-to-Point Anbieter, Air
Dolomiti als regionale Fluggesellschaft oder natürlich die
Lufthansa selbst mit ihrem deutschen und weltweiten Netzwerk
im Verbund mit internationalen Partnern. In dieser
Schulungsstätte wird die Bedeutung der Marke Lufthansa an
einem Ort erlebbar gemacht, die wesentlichen Aspekte und
die Vielfältigkeit der einzelnen Marken werden virtuell und
physisch inszeniert mit dem Ziel, ein klares Bild der Kunden,
der Markenpersönlichkeit und der strategischen Rolle und der
Zukunft des Unternehmens für die Mitarbeiter greifbar und
erlebbar zu machen. Über alle Unterschiede hinweg sind die
verschiedenen Gesellschaften vereint durch ihre gemeinsame
DNA, die „fliegerische Perfektion“.
Unabhängig vom sonst allgegenwärtigen Berufsalltag versucht
man in der landschaftlich idyllisch gelegenen Markenakademie
langfristig ein umfassendes Markenbewusstsein zu schärfen
und die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen
zu stärken. Emotionale Überzeugungskraft und der überwältigende
Raumeindruck hinterlassen eine bleibende Erinnerung
und fördern im Besonderen das „Wir Gefühl“. Dies führt letztlich
zu mehr Selbstbewusstsein, Serviceorientierung und Markenbewusstsein
auf Seiten der Mitarbeiter sowohl im Umgang
miteinander als auch im Umgang mit den Kunden. Aus Mitarbeitern
werden so Markenbotschafter, die andere involvieren
und begeistern. Es entsteht eine neue Wertschätzung für das
eigene Unternehmen, das Gefühl von Zugehörigkeit und der
Notwendigkeit, die Qualität der Marke ständig zu verbessern.
Der Erfolgsfaktor ist der Mensch.
☛ www.danpearlman.com/lufthansa-markenakademie
Design-Element und Kommunikation im Raum: Die "Marken-DNA" führt in den Lufthansa-Tower.
Die Teilnehmer der Markenakademie werden entlang der Markenwerte geleitet.
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M e r c e d e s
- b e n z
Das Be ste
o der Nichts.
Die Traditionsmarke mit dem Stern, die den Claim
„Das Beste oder nichts.“ auch im Internal Branding
konsequent lebt, setzt auf eine handlungsleitende Markenorientierung,
die in den Köpfen und Herzen jedes Mitarbeiters
verankert ist. Der Blick ist dabei stets in die Zukunft gerichtet,
denn jeder Mitarbeiter ist prägend für den gelebten
Visionär- und Erfindergeist des Unternehmens.
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17 Worte und Werke
Der Pavillon der Wünsche
1886
Bei MErcedes-BEnz läuft der Veränderungsmotor auf
Hochtouren, gleichzeitig gilt es gemeinsam bestehende
Traditionen, Werte und Rituale aufrecht zu erhalten,
denn nur wer sich ändert, bleibt sich treu.
Ohne Mut zu neuen Ideen gäbe es kein Automobil,
ohne Innovationskraft keinen Fortschritt und ohne begeisterte
Mitarbeiter keine neuen Erfindungen. Dies ist für Mercedes-Benz seit
jeher der Schlüssel zum Erfolg und wird in Zukunft noch wichtiger.
D i e Zukun ft un s erer Arb e it –
um erfolgreich auf Kundenbedürfnisse eingehen zu können,
reicht es nicht aus allein in die Zukunft zu blicken,
die realen Wünsche und Anregungen der Mitarbeiter
verhelfen Innovationen gemeinsam zu erdenken und
sind oftmals der Schlüssel zu wahrhaftem Fortschritt.
Nach dem Motto „Erfahren in die Zukunft“ fördern
ein gemeinsames Leitbild, gelebte Werte und klare Ziele
den Zusammenhalt und Ansporn der Mitarbeiter über
Generationen hinweg – denn bei Mercedes-Benz gilt:
„Das Beste oder nichts.“ – früher, heute und in Zukunft.
A wie Angriff ist nicht nur das Kampagnenkonzept
der neuen A-Klasse, sondern der
Aufbruch in eine neue Ära und ein klares
Statement gegenüber der Konkurrenz – Als
Mannschaft – mit Teamgeist zurück an die
Spitze der wertvollsten PremiumAutomobilmarken
der Welt.
Carl Benz: Der Blick zurück auf
den Erfinder des Automobils
ist zugleich der Blick in die
Zukunft und Ansporn für alle
Mitarbeiter, denn die Liebe zum
Erfinden hört niemals auf.
2013
☛ www.danpearlman.com/mercedes-benz-markenpavillon
danmag | Arb e it 02
18
D a n A c a d e m y
dan a c ademy
Die DAN ACADEMY öffnet neue Räume für nachhaltig-innovatives Denken und Handeln. Als progressives Bildungsangebot
begegnet die DAN ACADEMY diesen Anforderungen zum Beispiel durch Design Thinking Workshops, Fireside Sessions,
Impulsvorträge und Expeditionen. Teams und ganze Unternehmen werden so dazu befähigt, miteinander eine sinnvolle
Zukunft zu gestalten. Die DAN ACADEMY soll nach innen und nach außen ihre Wirkung entfalten. Die persönliche
Weiterentwicklung und die Ausgestaltung der eigenen Potenziale jedes Mitarbeiters werden mit Angeboten der DAN
ACADEMY unterstützt und in einer „hands on“ Arbeitsweise vermittelt. Der Dialog und die Zusammenarbeit stehen
im Vordergrund. Der Bedarf der Mitarbeiter wird in den mehrmals jährlich stattfindenden Entwicklungsgesprächen
aufgenommen und in die Workshop- und Trainingsangebote transformiert. Nach außen bietet die DAN ACADEMY
Kunden und Mitarbeitern die Möglichkeit sich in speziell entwickelten Workshop-Konzepten auf Augenhöhe zu begegnen,
um ihre „pain points“ zu analysieren sowie Weiterentwicklungsmöglichkeiten ihrer zukünftigen gemeinsamen Arbeitsweise
zu erarbeiten.
C h r i s t i a n W a l l i n
N i n a B . F i s c h e r
G u y M o l l e r
R a l f F r ä n k e l
T a n j a G ö h r i n g
C h r i s t i n e K l u g e
(42reports)
(Lite Elements)
(China Club Berlin)
(The Emotional Business)
(Gräfe und Unzer Verlag)
Position: Founder
Branche: eCommerce
Position: Führungskräfte-Trainerin |
Design Thinking Expert-Coach
Position: Chief Technology Officer
Branche: Software
Branche: Hospitality
Position: Inhaberin
Branche: Unternehmensberatung
Position: Stellvertretende Redaktionsleiterin
Branche: Verlagswesen
Design Thinking zeigt mir,
wie wichtig es ist crossfunctional
zu arbeiten
und beispielsweise unsere
Entwickler mit dem Salesoder
Operations-Team
zusammen zu bringen.
Das fördert Kreativität
und wir lassen uns
weniger vom Alltagsstress
beeinflussen.
Der schwerpunkt von
design thinking liegt
auf "doing" und nicht auf
"thinking". die Nachhaltige
selbstlernkonzeption
ist der schwerpunkt, um
inhalte zu transferieren
und individuelle nutzersituationen
anwenden
zu können. Das ist der
anspruch unserer workshops
und trainings.
Wer hätte gedacht,
dass Kreativität ein
strukturierter Prozess
sein kann? Mit den
Methoden des Design
Thinking werden wir
bestimmt bessere und
innovativere Produkte
entwickeln.
Design Thinking hat mir
geholfen, vorhandene
Strukturen in meinem Kopf,
die aus vielen Jahren und
Erfahrungen resultierten,
neu zu überdenken.
Schnell, effektiv und
im TEam aus den verrücktesten
Ideen Lösungen zu
generieren – eine bisher
nicht gekannte Qualität.
Die klaren, fordernden
und fördernden Regeln
von Design Thinking haben
mich in meiner Arbeit als
Expertin für Akquisition
und Personal Branding
bestärkt. Wer die „needs“
seiner Kunden beobachtet,
versteht und gerne Menschen
empathisch berührt,
wird weiterhin erfolgreich
in der Arbeitswelt
der Zukunft sein!
In der Buchbranche geht
es zunehmend darum, über
das reine Anbieten von
Informationen hinauszugehen.
Dafür braucht
es die Offenheit in die
Zielgruppe einzutauchen.
Design Thinking bietet die
Tools dafür und hat mir
vor Augen geführt wie
wichtig es ist, den Tunnel
des eigenen Denkens zu
verlassen.
danmag | Arb eit 02
20
21
Worte und Werke
danmag | Arb e it 02
D a n A c a d e m y
D a n A c a d e m y
D a n A c a d e m y
Design
t h i n k i n g
Methodenworkshop
T h e m e n -
workshop
Design Thinking ist eine Methode zur Entwicklung innova-
wachsenden Feedbackkultur wurde die Erkenntnis erlangt,
Die Teilnehmer der Methodenworkshops in der DAN
Welchen Herausforderungen müssen sich Arbeitgeber zu-
tiver Ideen. Sie nutzt multidisziplinär zusammengestellte
dass der Analyseteil und die Bestandsaufnahme der Kun-
ACADEMY lernen verschiedene Inhalte wie zum Beispiel
künftig stellen, um die besten Fachkräfte zu gewinnen und
Teams, eine flexibel gestaltete Arbeitsumgebung und
denbelange sich dadurch höchst effizient und lösungsorien-
„Leadership“ oder „Verhandlungsführung in praktischer
zu halten? Welche Retailkonzepte wünschen sich eigentlich
kreative Methoden, um Produkte, Services oder Erlebnisse
tiert auf das gesamte Projekt niederschlägt. Somit wird das
Anwendung und in einer lernfördernden Arbeitsumgebung.
die Digital Natives, die fast nur noch Online einkaufen?
zu schaffen, die ihren Nutzern wirklich helfen. Das Kon-
Projektmanagement immer effizienter und die Kunden-
Was sind die Freizeit-Erlebniskonzepte der Zukunft?
zept basiert auf der Überzeugung, dass eine „wahrhaftige“
lösungen innovativer und ganzheitlicher.
Alle Formate beruhen auf den gleichen didaktischen
Innovation nur dann entsteht, wenn sich Menschen aus
Grundprinzipien. Es gibt maximal 15 Minuten Theoriever-
Märkte und Konsumenten verändern sich immer schnel-
ganz unterschiedlichen Fachgebieten zusammenschließen
In regelmäßigen Abständen werden Interviews mit Kunden
mittlung. Der Fokus liegt auf der Interaktion und dem Aus-
ler. Früher verstrichen schon einmal 14 Jahre für die Ent-
und eine gemeinschaftliche Kultur bilden. Viele sprechen
geführt, wie sich dan pearlman stets verbessern kann – eben
tausch. Das bedeutet, dass ein Mix aus Gruppen- und auch
wicklung einer Produktinnovation bis zum Launch. Wer
über diese Form von Teamarbeit. In den meisten Unter-
nutzerorientiert. „Wir möchten unsere Kunden wirklich
Einzelarbeiten angeboten wird. Der Schwerpunkt liegt
heute im Wettbewerb bestehen will, muss aber oft schon in
nehmen wird diese Art von heterogenen Gruppen jedoch
verstehen und Empathie entwickeln. Wir lernen ständig
auf den eigenen Erfahrungen der Teilnehmer. Sogenannte
wenigen Monaten mit einem neuen Service oder Produkt
nicht gelebt. Bei dan pearlman liegt die Konzentration des
neue Dinge und lassen uns auf den Perspektivwechsel ein.“
Cases werden diskutiert und auf Augenhöhe gelöst.
am Markt auftreten, um mithalten zu können. Das heißt
Design Thinking darauf, welche Vorteile die Methoden des
(Zitat von Nicole Srock.Stanley)
zugleich, dass ein Unternehmen den Markt fortlaufend im
Prozesses bieten, um diese in Einklang mit der Unterneh-
Es gilt eine optimale Lernumgebung zu schaffen, so dass
Blick behalten, zuhören, lernen und flexibel sein muss. Das
menskultur und den Strukturen zu bringen.
Weitere Anwendungsbereiche des Design Thinking Trans-
die Inhalte erlebbar gemacht werden. Der Schwerpunkt
betrifft das produzierende Gewerbe wie auch Dienstleister
fers sind unter anderem, wie unterschiedliche Brainstor-
liegt auf dem "Doing" und nicht auf dem "Thinking". So
und reicht bis zu neuen Angeboten auf dem Arbeitsmarkt.
Für das Design und die Funktionalität wurden die Design
ming Arten zwischen bisher isoliert agierenden Abtei-
können die Inhalte viel besser gelernt werden und sind
Thinking Prinzipien in den eigens dafür gestalteten
lungen genutzt werden können, um die Teamintelligenz
nicht bereits nach zwei Stunden wieder vergessen. Der so-
Design Thinking hilft Unternehmen bei der Optimierung
Büroräumen eingearbeitet und getestet, um optimale
aller Beteiligten einzubringen. Das Ziel ist es, spontan
genannten Trainingseuphorie wollen wir entgegenwirken.
ihrer Innovationsprozesse. Tools des Design Thinking
Lernumgebungen zu schaffen. Zum schnellen und unbüro-
und effizient die Machbarkeit der Lösungsideen für die
Die nachhaltige Selbstlernkonzeption ist der Schwerpunkt.
Prozesses werden in Themenworkshops adaptiert, um
kratischen Informationsaustausch finden sich überall
Zielgruppe zu testen und herauszufinden, welche Rollen
Die Kunden sollen die Inhalte transferieren und für ihre
konkrete Lösungen für branchen- oder unternehmens-
Möglichkeiten wie zum Beispiel Stand-Up-Meetings und
Schnelligkeit, Flexibilität, Kreativität und auch die Möglich-
individuelle Nutzersituation anwenden können. Das ist der
spezifische Fragestellungen zu erarbeiten. Die Workshops
Pop-Up Lounges. Sogenannte Lernecken mit inspirierender
keit zu scheitern bei der Innovationsentwicklung spielen.
Anspruch von uns allen.
vereinen Individuen und Organisationen, um konkrete
Literatur bieten die Möglichkeit vom Arbeitsplatz Abstand
Roadmaps im Austausch mit Kollegen aus anderen Ab-
zu nehmen.
Kurz gesagt: Wie kann in viel früheren Prozesschritten
teilungen oder mit externen Unternehmen zu entwickeln.
Prototyping verwendet werden, um den Kunden möglichst
Dazu geladene Experten, Trendforscher, Autoren, Innova-
Design Thinking setzt sich auch in der Projektarbeit immer
schnell Lösungen anfassbar zu präsentieren und Feedback
toren, Denker und Macher liefern noch zusätzliche Impulse.
mehr durch. Wirkliche Benefits werden nach und nach ein-
einzuholen. Diesen und vielen weiteren Aspekten sind wir
gearbeitet und ständig getestet. Briefing- und Erstgespräche
auf der Spur.
mit dem Kunden werden somit völlig anders aufgesetzt.
Es werden Tagesworkshops für den Kunden entwickelt,
um Perspektiven verstehen zu können und kollaborativ
"Es gibt viel zu tun und wir fassen es an!"
die wirkliche Problemstellung zu erarbeiten. Aus einer neu
(Zitat Nicole Srock.Stanley)
☛ www.danacademy.com
danmag | Arb e it 02
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Worte und Werke
a l l i a n Z
– Anders Arb e iten
Der sich
w andelnde
Rau m
E i n e H o m m a g e a n d i e K r a f t u n d
A n z i e h u n g d e s O r t e s .
E i n T E x t ü b e r D a s A l l i a n z
A u d i t o r i u m M ü n c h e n
v o n P r o f . M a r c u s F i s c h e r
29
Worte und Werke
a l l i a n Z
Wenn sich ein global agierendes Unternehmen mit rund
das Internet und die globale digitale Vernetzung, wird
den Ursprung und die Identität des Unternehmens
dential" und "open house", weil der Saal tatsächlich durch
148 000 Mitarbeitern in mehr als 70 Ländern zum Ziel
hier in nur einem einzigen, sehr analogen Aspekt, bestä-
wirklich spüren. Die Geschichte, die Gegenwart und die
verfahrbare Sitztribünen, flexible Tischkonstellationen,
gemacht hat, eine starke Gemeinschaft zu bilden, vielleicht
tigt – das Auditorium ist auf Grund der Garten- und Land-
Zukunft des Unternehmens sind simultan erlebbar. Diese
diverse RGB Licht- und Projektions-Szenarien etc. voll-
sogar die stärkste Gemeinschaft der Finanzdienstleis-
schaftsschutzbestimmungen unter die Erde gelegt worden
emotionale und identitätsstiftende Dimension sollte nicht
kommen unterschiedliche Aggregatzustände annehmen
tungsbranche, braucht es nicht nur eine gut funktionie-
und somit von außen gar nicht erkennbar. Ansonsten wird
nur den Mitarbeitern am Standort Schwabing vorbehalten
kann – und annehmen soll!
rende, stark vernetzte Kommunikation, sondern auch
mit diesem Bauwerk in komplexer und vielschichtiger
bleiben, sondern für Allianz-Mitarbeiter aus aller Welt
bedeutungsvolle Werte, nach denen sich die Mitglieder der
Weise das "Dasein" des Raumes klar bestätigt und seman-
erlebbar sein.
Diese Botschaft, die sich somit im Unternehmen seit
"Community", also die Mitarbeiter, verhalten können, um
tisch vielschichtig zelebriert.
Eröffnung im April dieses Jahres verbreitet, geht über
eine Unternehmenskultur zu entfalten, die dazu beiträgt,
Die spezifische Gestaltung des bestehenden Altbaus und
die reine Event-Funktion des Gebäudes weit hinaus
die gesteckten Ziele zu erreichen – für ein gemeinsames
Das Bestandsgebäude stammt aus den Sechziger Jahren
des neu hinzugefügten unterirdischen Auditoriumssaals
und ist international verständlich – in seiner Haltung
Erleben und nachhaltiges Bestätigen dieser Werte braucht
und wurde großzügig entkernt, so dass ein offenes Atrium
spiegelt den Gedanken wider, dass Raum und Gemein-
mutig und zurückhaltend zugleich, flexibel und dennoch
es allerdings, neben dem virtuellen Kommunikations-Raum,
entstehen konnte, an das sich die 3 Ebenen "Entrance-
schaft sich gegenseitig formen. Die Ästhetik und das
präzise, exklusiv und nahbar. Eigenschaften, die in einer
einen echten Ort, der die abstrakte Identität in konkretes
und Brand-Deck", "Garden-Deck" und "Breakout-Area"
Raumprogramm sprechen die Sprache von Modernität
anspruchsvollen und komplexen (neuen) Arbeitswelt eben
und kollektives Gefühl übersetzt.
anschließen. Der neue unterirdische Auditoriums-Saal
und Aufbruch - mit den Augen der Allianz Mitarbeiter
auch für Menschen erforderlich sind und gelebt werden
weist architektonische Bezüge zu antiken Versammlungs-
gesehen ein deutliches Zeichen für eine neue Haltung im
sollen.
Das neue Allianz Auditorium in München hat sich zur
und Amphitheaterstätten auf, verfügt über wegweisende
Unternehmen, das sich stark international öffnet und
Aufgabe gemacht, einem Prozess des Wandels und der
Medien- und Broadcast-Technik sowie flexible Hebebühnen-
konzernintern den offenen Austausch fördert. Was könn-
Ein Ort, der dies in seinen Funktionen, seiner Gestaltung,
Vision im wahrsten Sinne des Wortes Raum zu geben und
und Podesteriekonfigurationen und ist bedeutungsvoll im
te also symbolischer und motivierender wirken, als einen
seiner Ausstattung, seiner Ausstrahlung und vor allem
seine Besucher dabei gleichzeitig zu erden. In der festen
Bild eines Netzwerks gestaltet. Entstanden ist ein wahres
Ort zu schaffen, der es ermöglicht, in ein und dem selben
durch seine tatsächliche Wandelbarkeit verkörpert, tritt in
Überzeugung, dass ein weltweit agierendes Netzwerk aus
Multitalent, das auf unterschiedlichste Veranstaltungsfor-
Raum einerseits die vertraulichsten Themen im Kreise des
eine direkte Wechselwirkung mit den Menschen, die sich in
zirka 250 geschäftsführenden Vertretern aller Länder ein-
men und Gästegruppen reagieren kann.
Aufsichtsrats zu besprechen und andererseits die Offenheit
ihm aufhalten, arbeiten, austauschen und schließlich mit
mal im Jahr physisch zusammenkommen sollen, um sich
zu haben, den Mitarbeitern genau diesen Raum zur Ver-
dem Erlebten wieder ausfliegen – bereichert um ein ganzes
kennen zu lernen, auszutauschen und gegenseitig zu inspi-
Geschäftsbericht oder Break Out?
fügung zu stellen, so dass sie gemeinsam das WM-End-
Bündel von sinnlichen Eindrücken und inspiriert durch
rieren, wird ein Weg gebahnt, um Platz für echte, analoge
Aufsichtsrat oder Public Viewing?
spiel Deutschland - Argentinien auf der zehn Meter breiten
erlebte "Openess" und "Collaboration". Vor allem motiviert
und menschliche Begegnungen zu schaffen. An einem Ort,
30 oder 300 Personen?
Leinwand schauen können?
durch das Gefühl von "Pride", Teil einer kollektiven
der eigentlich keinen baulichen Raum mehr bietet – näm-
Identität, Teil der "strongest financial community", zu sein.
lich im Englischen Garten. Drei Werte, die im Sinne des
Aber warum entscheidet sich ein Unternehmen überhaupt,
In diesem Moment ging der Weltmeister-Titel sicher auch
Austauschs und der Gemeinschaftsbildung als Kompass
in ein Raumprogramm für derlei unterschiedliche
an die Allianz-Vorstände, denn all zu oft bleiben in Kon-
fungieren, leiten den Projekt-Prozess und werden in Archi-
Versammlungszwecke zu investieren, und noch dazu an
zernen die "Zentren der Macht" für die Mitarbeiter nicht
tektur übersetzt: "Openness", "Collaboration" und "Pride".
genau dieser Stelle? Die Antwort liegt in der Kraft und
nur inhaltlich, sondern auch räumlich verschlossen. Das
Das vielbeschworene "Verschwinden des Raumes" durch
Bedeutung des Ortes – nur hier können die Mitarbeiter
Allianz Auditorium hingegen ist beides – "highly confi-
☛ www.danpearlman.com/allianz-auditorium-muenchen
danmag | Arb e it 02 30
31
Worte und Werke
a l l i a n Z
G e n e r atio n
Why
D i e G eneration
WHY ist wer?
I m G E s p r ä c h m i t D r . S t e f f i B u r k h a r t
ü b e r d i e A n s p r ü c h e d e r G e n e r a t i o n Y
a n d i e A r b e i t s w e l t
danmag | Arb e it 02
34
35
EIN METIER, EINE LEIDENSCHAFT
G e n e r atio n
Why
Herausforderungen der Generation Y
in der Arbeitswelt von heute
Vereinbarkeit von
Familie und Beruf
Es gibt kein Medium, welches in letzter Zeit nicht über die
Generation Y, die heute 20- bis Mitte 30-Jährigen, berichtet.
Sowohl Soziologen und Psychologen als auch ganze
Institutionen und Unternehmen stellen sich die Frage:
Welche Ansprüche hat die jüngste Arbeitnehmer-Generation
an Arbeitswelt und Führungskultur? Und wie lassen
sich junge High Potentials finden und ans Unternehmen
binden?
Fakt scheint: Diese neue Generation tickt ganz anders als
die Generationen zuvor. Fakt ist: So viel anders sind wir
gar nicht. Wir haben nur das Privileg, Wünsche und Bedürfnisse
einzufordern und umzusetzen, für die bereits
in der Generation der 68er gekämpft wurde. Dass wir das
heute können, ist von mehreren Faktoren begünstigt: Der
Übergang von der Industrie- zur Wissensgesellschaft,
der wachsenden Marktdynamik, dem technologischen
Fortschritt und auch dem demografischen Wandel mit all
seinen Nebenwirkungen.
Wir brauchen ein neues Familienmodell
Als Beispiel: Wir haben heute keine andere Wahl, als über
ein Familienmodell der Zukunft nachzudenken, in dem
sich Mann und Frau gemeinsam um die Familie kümmern.
Denn es ist uns heute schlichtweg nicht mehr möglich, das
klassische Rollenmodell von Mann und Frau zu leben. Das
Paket aus Finanzierung der eigenen Kinder, privater Vorsorge,
einer höheren Einzahlung in die Rentenkasse, steigenden
Lohnnebenkosten, steigenden Mieten in Ballungszentren
und einem sinkenden Nettolohn bei geringerem
Bruttoverdienst lässt sich mit dem Alleinverdiener-Modell
heute nicht mehr tragen. Hinzu kommt, dass viele junge
Frauen heute nicht mehr die berufliche Laufbahn an den
Nagel hängen und damit die finanzielle Unabhängigkeit
und den persönlichen Selbstwert für die Kindererziehung
aufopfern wollen. Und auch junge Männer wollen heute eines
nicht mehr: Den Beruf über die Erziehung ihrer Kinder
stellen.
Fazit: Mann und Frau wollen und
müssen Beruf und Familie unter
einen Hut kriegen. Soviel zur
Theorie. Praktisch entpuppt sich
dieser Wunsch bei vielen als
komplizierter Hindernislauf.
Denn in deutschen Unternehmen ist es um Familienfreundlichkeit
nicht gut bestellt. Die Aussicht auf Teilzeitbeschäftigung,
mehr Flexibilität in Arbeitszeit und -ort
(die wiederum eingeschränkt wird, wenn Firmen nachts
und am Wochenende den Zugang zum Server blockieren)
sowie die Wiedereingliederung (auch mit geringerem Stundensatz)
nach der Elternzeit darf kein leeres Versprechen
mehr sein. Was wir brauchen, ist ein Umdenken der Babyboomer-Generation
in der Chefetage. Und wünschenswert
sind auch Vorbilder in der Führungsetage, damit sich junge
Väter ermutigt fühlen, ihren Wunsch nach Vereinbarkeit
von Familie und Beruf auch umzusetzen. Denn: Fast jeder
zweite berufstätige Vater zweifelt daran, ob eine längere
Auszeit bzw. Elternzeit negative Folgen auf den beruflichen
Werdegang haben wird. Hinzu kommt natürlich der finanzielle
Druck, der es jungen Eltern erschwert, mit mehr
Leichtigkeit die Kinder zu erziehen. Auch hierfür brauchen
wir in Unternehmen neue Modelle. Führende Köpfe aus
Politik und Wirtschaft müssen verstehen, dass das Familienmodell
von gestern und heute im Morgen nicht mehr
funktioniert! Unser Problem in Deutschland ist: Es fehlt
an Familienfreundlichkeit und somit auch an Väterfreundlichkeit.
Familienförderung ist in vielen Fällen nach wie
vor nur reine Pflichterfüllung.
Es geht uns mehr um Work-Life-Blending
statt um Work-Life-Balance
Die Welt wird immer komplexer, die Marktdynamik nimmt
stark zu, die globalen Prozesse greifen immer enger ineinander.
In diesem sich rasant ändernden Umfeld, wird es
zunehmend schwieriger, Arbeitszeit und Freizeit strikt
voneinander zu trennen. Wer das versucht, endet früher
oder später in Unzufriedenheit, Zeitdruck und Stress.
Umso absurder ist die Tatsache, dass in vielen Unternehmen
nach wie vor mit Stechuhr-Systemen gearbeitet wird.
Was wir brauchen sind mündige Mitarbeiter, die selbst entscheiden,
wie sie ihre Tages- und Wochenzeit ressourcensparend,
effizient und gewinnbringend einsetzen.
Selbstbestimmung,
Eigenverantwortung und
Selbstorganisation sind
zentrale Kompetenzen der
Arbeitswelt von morgen!
Familienmanagemant = Hindernislauf
46% 59% 68%
VS.
43%
der Generation Y wollen sich
laut Student Survey 2014 das
Familienmanagement teilen
der Frauen ist es wichtig in
Teilzeit arbeiten zu können
68% der Frauen und 43% der Männer schätzen die Möglichkeit in
die Elternzeit zu gehen
Wir brauchen ein neues familienmodell
Ein Ergebnis der Studie „Telefónica Global Millennial“, bei der mehr als 12.000 junge Menschen zwischen 18 und 30 Jahren in 27 Ländern
befragt wurden, ist, dass sich in Deutschland fast jeder zweite Jugendliche um die eigene finanzielle Situation sorgt.
Junge väter im dilemma zwischen familie und beruf
Quelle: Forsa Umfrage unter 20 bis 55-Jährigen
4%
41%
der Väter arbeiten in Teilzeit
der Väter befürchten, dass
die Elternzeit sich negativ
auf ihre Karriere auswirken
könnte
80%
40%
finden, dass es ihnen gelingt, eine
der Väter bleiben lediglich bis zu zwei
gute Balance zwischen Kindern und
Monaten mit dem Nachwuchs zu Hause
Karriere zu halten
danmag | Arb eit 02
36
G e n e r atio n
Why
Hinzu kommt: die Work-Life-Balance gaukelt uns vor, dass
wir Arbeitszeit und Lebenszeit strikt voneinander trennen
sollten. Für die Generation Y ist genau das ein absolutes
No-Go. Für uns lautet die Formel:
Arbeitszeit = Lebenszeit.
Wir wollen nicht erst nach 17:00 Uhr mit dem glücklichen
Teil des Lebens anfangen. Zu häufig haben wir im persönlichen
Umfeld erlebt, wie unzufrieden Menschen sind, die
im Job ihre Mündigkeit an den Arbeitgeber verkaufen.
Deshalb: Für uns geht es im Leben mehr um Work-Life-
Blending, der Verschmelzung von Arbeitszeit und Lebenszeit.
Was jedoch nur dann möglich ist, wenn Aufgaben
unseren Stärken entsprechen, wir Sinn erkennen in dem,
was wir tun und uns das, was wir tun, auch wirklich Spaß
macht. Das heißt:
Wir wollen der Arbeit eine neue
Bedeutung geben, damit Unternehmen
erfolgreich und Mitarbeiter
glücklich sein können.
Die Basis dafür ist ein Austausch auf Augenhöhe – eine
Forderung, die generationenübergreifend gestellt wird.
Dazu genügt ein Blick auf die jährlichen Ergebnisse der
Gallup-Studie, die zeigt, dass sich seit Jahren mehr als 80
Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland emotional nur
gering bis gar nicht ans Unternehmen gebunden fühlen.
Die Zahl zeigt:
Es ist nicht die Generation Y, die
vermessene Ansprüche an Arbeit
und Führung hat. Sondern viele
dieser Generation äuSSern eine
Selbstverständlichkeit, für die
viele Unternehmen aktuell noch
recht blind sind.
Wir streben mehr nach Karriere- als nach
Jobsicherheit
Wir haben uns an die Tatsache gewöhnt, dass nichts mehr
sicher ist – auch nicht der Arbeitsplatz im unbefristeten
Arbeitsverhältnis. Wir verstehen mehr und mehr, dass der
zentrale Sicherheitsanker auf dem Arbeitsmarkt in der Förderung
eigener Kompetenzen, der Vernetzung mit anderen
sowie einer großen Portion Mut liegt. Wir streben deshalb
eher nach Karrieresicherheit statt nach Jobsicherheit. Deshalb
bewerten wir unseren Arbeitgeber danach, wie gut wir
gefordert und gefördert werden, wie sehr uns Vorgesetzte
als Mentor zur Seite stehen, wie gut wir unsere Stärken
ausbauen dürfen und welche Weiterbildungsmöglichkeiten
uns geboten werden.
Stillstand ist Gift.
Das neue Bewusstsein meiner Generation zeigt auch, dass
wir Karriere neu definieren: Statt im Hamsterrad Marathon
zu laufen wollen wir selbst über unsere Arbeit und
somit Lebensqualität bestimmen. Und für uns ist Karriere
nicht automatisch mit der Übernahme einer Führungsfunktion
verbunden. Was für Unternehmen wiederum bedeutet,
mehrere Karriereoptionen anbieten zu müssen, um
unterschiedliche Karriereinteressen abdecken zu können.
Viele streben nach einem fachspezifischen Karriereweg.
Deshalb darf Karriere nicht heißen, als bester Mitarbeiter
automatisch in die nächste Karrierestufe aufzusteigen, und
dort mehr mit Menschenführung als mit der eigentlichen
Fachkompetenz beschäftigt zu sein.
Fazit: Arbeiten Sie stetig an
Ihrer Arbeitgeberattraktivität.
Nur ein Unternehmen, dass es
schafft, sich auf die genannten
Themen einzulassen, wird seine
Sogwirkung auf gute Arbeitnehmer
der neuen Generation erhöhen
und verstehen, worauf Bedürfnisse
von Menschen und speziell der
jungen Generation im Kern basieren. Ein wichtiger Aspekt
ist die Arbeitgeberattraktivität, um Herausforderungen
der Zukunft erfolgreich meistern zu können. Wichtig dabei
ist, nicht an den eigentlichen Bedürfnissen der neuen Generation
vorbei zu handeln und zu argumentieren, sondern
wirkliche Volltreffer zu landen, statt einfach nur einen
Kicker ins Büro zu stellen, ein Sabbatical Year anzubieten
oder mit Work-Life-Balance zu locken. Die Basis, um als
Arbeitgeber eine Kongruenz zwischen attraktiver Außendarstellung
und attraktivem Innenleben zu schaffen.
Leider hakt es hierbei noch bei vielen Unternehmen. Häufig
entspricht die Außendarstellung nicht dem Innenleben.
Employer Branding ist dann mehr Schein als Sein.
Dr. Steffi Burkhart hält Vorträge zur dargestellten Thematik und ist Teil
eines mehrköpfigen Generation-Y-Beraterteams unterschiedlicher
Disziplinen. „Wir unterstützen mit unseren neuen Denk- und Handlungsansätzen
Unternehmen dabei, den Wandel der Arbeitswelt gewinnbringend
zu meistern.“ Bei Interesse eines Gedankenaustausches,
können Sie Steffi Burkhart unter steffi.burkhart@gedankentanken.
com kontaktieren. Weitere Gedanken und Impulse von Frau Burkhart
finden Sie auf Ihrem Blog www.generation-why.org und auf ihrer
Facebook-Seite www.facebook.com/GenerationYpsilon.
Wie definieren die Studierenden
den Begriff Karriere?
38%
30%
12%
7%
6%
4%
3%
Ein stetiger Weg zu persönlichem
Wachstum, Selbstverwirklichung
und Befriedigung
Ein erfüllendes, sinnstiftendes
Gefühl bei der Arbeit
Gestaltungsfreiheit und Macht
aufgrund einer erreichten, höheren
Position
Ein gutes Gehalt
Mein Hobby zum
Beruf machen
Eine Führungsposition
Ich möchte keine
Karriere machen
Die Generation Y definiert Karriere neu. Für Unternehmen bedeutet
das in der Konsequenz: Karriereverläufe müssen neu durchdacht
werden. Führungspositionen müssen Freiraum für persönliche
Selbstverwirklichung bieten, um für die Zielgruppe überhaupt noch
attraktiv zu sein.
Der Lohn der Arbeit im
Generationen-Vergleich
Traditionalist
Belohnung: Zufriedenheit, den Job gut getan zu haben
Motivation: Honoriere ihre Arbeit mit Auszeichnungen und
anderen symbolischen Zeichen der Anerkennung
Boomers
Belohnung: Geld, Titel, Anerkennung, Einzelbüro
Motivation: Hilf ihnen, einen guten Ruf in der gesamten
Firma aufzubauen
Gen Xers
Belohnung: Freiheit ist die ultimative Belohnung
Motivation: Gib ihnen viele Projekte. Lass sie ihre Projekte
eigenständig planen und durchführen
Gen Yers
Belohnung: Arbeit hat eine Bedeutung für mich
Motivation: Offene Wege zur Fortbildung und persönlichen
Weiterentwicklung
Möchten die Studierenden
in Ihrem Beruf eine Führungsposition
einnehmen?
37%
Ja, ich plane
meine Karriere
entsprechend
53%
Karriere
Vielleicht, wenn
es sich ergibt
und ich ein
gutes Angebot
bekomme
Arbeitszeit VS. LEbenszeit
40
Stunden
Woche
160
Stunden
Monat
6% 4%
Nein, ich
strebe eine
Fachlaufbahn
an
1.680
Jahr
67.200
Leben
7,67
Lebensjahre
Stunden
Nein, soviel
Verantwortung
möchte ich
nicht haben
Stunden
danmag | Arb eit 02
38
F r a u n h o f e r
A R B E I T S W E L T E N 4 . 0 – W I E W I R M O R G E N A R B E I T E N U N D L E B E N
S t u d i e v o m F r a u n h o f e r - I n s t i t u t f ü r A r b e i t s w i r t s c h a f t u n d
O r g a n i s a t i o n I A O
I n Zukun ft:
Der k reative Mensch im M ittelpu n kt
Eine Zusammenfassung der wissenschaftlichen Studie über
kreative Räume von Dipl. Inform. Thomas Bendig
Geschäftsführer Fraunhofer Verbund iuk-Technologie Berlin
41
Ein metier, eine Leidenschaft
China F r a uC nl ub h oBerli f e nr
Fraunhofer ist zwar bekannt für technische Innovationen, aber vielen dieser Entwicklungen gehen
weitreichende Erhebungen und Analysen von Organisationen, Prozessen und Geschäftsmodellen
voraus. Diese stellen sicher, dass sich neue Technologien und Werkzeuge reibungslos in bestehende
Arbeitsprozesse integrieren lassen und wenig Umstellungen und Einarbeitungszeiten erfordern. Reine
Technikentwicklungen ohne die Betrachtung der Rahmenbedingungen verfehlen oft den eigentlichen
Bedarf und stoßen schnell auf fehlende Akzeptanz oder sogar Ablehnung. Der Blick für’s Große Ganze
ist also gefragt. Erst damit können neue Technologien ihr volles Potenzial entfalten und den Menschen
bei seiner Arbeit optimal unterstützen und entlasten. Außerdem muss man bei diesen Betrachtungen
auch die zukünftigen Auswirkungen und Effekte des Einsatzes neuer Technologien bereits berücksichtigen.
So kann es oft auch sinnvoll sein, bestehende Prozesse und Organisationsstrukturen zu
überprüfen und an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Gerade neue IT-Lösungen haben den Arbeitsalltag
vieler Menschen in den letzten Jahren massiv verändert. In vielen Bereichen hat sich durch
die ständige Verfügbarkeit von Informationen und neue Kommunikationskanäle die Form der Arbeit
und der Zusammenarbeit stark verändert. Wo früher Mitarbeiter isoliert voneinander, stur verschiedene
Einzelschritte eines Vorgangs oder Projektes bearbeiteten ohne voneinander zu wissen, ist heute
Kommunikation, Eigenverantwortung und das Verständnis für den Gesamtprozess gefragt. An vielen
Stellen sind feste Anwesenheitszeiten flexiblen Zeitmodellen gewichen, die sowohl den Unternehmen,
als auch den Mitarbeitern Vorteile bringen können. Damit entstehen wieder neue Anforderungen.
Fraunhofer ist für innovative Entwicklungen und Erfindungen
bekannt, die unseren Lebens- und Arbeitsalltag vereinfachen und
bereichern. Im Fraunhofer-Verbund IUK-Technologie haben sich
19 Fraunhofer-Institute zusammengeschlossen um gemeinsam
für die Welt von morgen zu forschen. Neben den technischen
Lösungen, die die Probleme von heute lösen, denkt man hier auch
immer über die Zukunft und die Wünsche und Anforderungen
der Menschen von morgen nach.
Viele der Technologien, die Fraunhofer entwickelt hat, haben unser Leben nachhaltig geprägt und unser
Arbeitsumfeld verändert. Viele stupide Arbeiten, die früher von Menschen erledigt wurden, haben
uns Computer abgenommen. Das hat zur Folge, dass mehr Menschen anspruchsvollere Aufgaben und
kreative Tätigkeiten erhalten. Wie man sie dabei optimal unterstützen kann – daran denken die etwa
6000 Forscher des Fraunhofer-Verbundes IUK-Technologie schon vor der Entwicklung neuer Technologien.
Der Mensch mit seinen Wünschen, Erwartungen und Anforderungen steht als Kunde, Nutzer
und Anwender stets im Mittelpunkt neuer Entwicklungen – erst danach kommt die Technik.
Es ist also ein Wechselspiel. Technologie, Organisation und Arbeit beeinflussen und verändern sich
gegenseitig. Um diese komplexen Zusammenhänge und Auswirkungen besser abschätzen zu können,
entwickeln die Fraunhofer-Forscher Szenarien und Roadmaps, die zeigen wie sich einzelne neue
Technologien in eine große Gesamtvision integrieren und ob sie die Anforderungen der späteren Anwender
erfüllen. Diese Zukunftsszenarien werden in der Regel in drei Schritten entwickelt. Zunächst
wird ein Szenario mit all seinen Abläufen als Text beschreiben. Dieser Text bietet eine gute Grundlage
für Diskussionen unter Experten. Nachdem sie alle Details diskutiert und ggf. angepasst haben, muss
es im nächsten Schritt mit „Betroffenen“, also späteren Anwendern besprochen werden, damit der
Praxisbezug erhalten bleibt. Beschreibungen in Textform stoßen hierbei schnell an ihre Grenzen, da
sie viel Vorstellungskraft erfordern und Raum für Missverständnisse bieten. Immersive und interaktive
3D-Visualisierungen helfen an dieser Stelle weiter. Wenn man beispielsweise mit einer Krankenschwester
über das Krankenhaus der Zukunft spricht und zumindest virtuell demonstrieren kann,
wie neue Technologien bestimmte Abläufe und Tätigkeiten vereinfachen, können Bedenken schnell
ausgeräumt und wichtige Details aus dem Arbeitsalltag aufgenommen werden. Diese Gespräche werden
in Workshops mit verschiedenen Nutzergruppen durchgeführt, um möglichst viele Sichten und
viel Praxiserfahrung einfließen zu lassen.
Nachdem ein Szenario diese Schritte durchlaufen hat, können Zukunftsvisionen auch gemeinsam mit
Partnern aus der Industrie real aufgebaut werden. Fraunhofer kann hier von kleineren Usability-Labs
und Living-Labs bis hin großen Realszenarien für das Hotel, das Krankenhaus, das Büro und das
Einfamilienhaus der Zukunft einiges vorweisen. In diese Realszenarien werden viele der Neuentwicklungen
von Fraunhofer und den Industriepartnern integriert. Dadurch bietet sich die Möglichkeit
die Interoperabilität der Technik und das Zusammenspiel aller Prozesse zu testen. Auch der Mensch
kommt hierbei nicht zu kurz. Viele dieser Szenarien sind real nutzbar. Im Hotel der Zukunft kann man
übernachten. Im Einfamilienhaus der Zukunft kann man wohnen. Im Geschäft der Zukunft kann
man einkaufen und im Büro der Zukunft kann man arbeiten. Natürlich wird man davor und danach
befragt, um die Erwartungen und Erfahrungen aufzunehmen und in die Weiterentwicklung einfließen
zu lassen. Diese realen Szenarien sind wichtige Test- und Demonstrationsumgebungen, die uns helfen,
komplette Prozesse ganzheitlich real durchzuspielen, neue Herausforderungen frühzeitig zu identifizieren
und die Forschung auch ohne Glaskugel in die richtige Richtung zu lenken. Sie fördern außerdem
den Dialog mit den Unternehmen und sichern die Praxisrelevanz.
danmag | Arb e it 02
42 43
Ein metier, eine Themenblock
Leidenschaft
F r a u n h o f e r
für die Arbeit in großen Archiven entwickelt. Dem notwendigen Austausch in Teams und über Teamgrenzen
hinweg wird mit vielen kleinen und mittleren, geschlossenen und offenen Kommunikationsbereichen
Rechnung getragen, die alle Präsentationsmöglichkeiten bieten. Alle Arbeitsplätze sollten
natürlich über ausreichend Tageslicht verfügen, um das Wohlbefinden der Mitarbeiter zu steigern und
frühzeitige Ermüdung zu vermeiden. Sollte dies aus architektonischen Gründen nicht immer realisierbar
sein, kann auch der von Fraunhofer entwickelte künstliche Himmel zum Einsatz kommen, der
natürlich wirkendes, dynamisches Licht über dem Arbeitsplatz erzeugt.
ZVE Außenaufnahme
Man sollte sich als Unternehmen auch fragen, wie die Mitarbeiter Arbeit und Privatleben in Einklang
bringen können. Wie erreichen Mitarbeiter in Zukunft ihren Arbeitsplatz? Hierfür entwickelt Fraunhofer
Konzepte zur optimalen Nutzung des ÖPNV und Infrastrukturen für die Elektromobilität.
Durch das Berücksichtigen von ökologischen Gesichtspunkten bei der Neukonzeption oder der
nachträglichen Umgestaltung von Büro- und Fabrikgebäuden kann die Umweltbelastung verringert
und viel Geld im Betrieb des Gebäudes gespart werden. Außerdem kann sich das Unternehmen
modern und gesellschaftlich verantwortungsbewusst präsentieren, was vor dem Hintergrund des
aktuellen Fachkräftemangels ein entscheidender Vorteil bei der Suche nach neuen Mitarbeitern sein
kann. Neben neuen ökologischen Materialien entwickeln die Fraunhofer-Institute dafür intelligente
Klimasteuerungen und Energiemanagementsysteme, die durch die dynamische Verwendung verschiedener
Energieformen und die Nutzung von selbstproduziertem Strom und Wärme den Gesamtenergieverbrauch
minimieren.
Wenn man z.B. darüber nachdenkt, wie Arbeitsplätze in der Zukunft aussehen, reicht es eben nicht
alle neuesten technischen Entwicklungen vom Videokonferencing bis zur Augmented-Reality-Brille,
vom Roboter bis zum Mini-Quadrokopter zusammenzutragen, sondern man muss zunächst über den
Menschen, sein Leben und seine Arbeit nachdenken und sich dann fragen, wie man ihn bei seinen
Tätigkeiten optimal mit neuen Konzepten und Technologien unterstützen kann.
Nun werden Sie sicher denken, dass das alles noch sehr nach „Zukunftsmusik“ klingt – aber nein. Es
ist bereits Realität. Auch hier geht Fraunhofer den Weg der realen Zukunftsszenarien und erprobt
das Arbeiten unter den maßgeschneiderten Bedingungen und mit den neuesten Technologien gleich
selbst. Ein Beispiel ist das Zentrum für virtuelles Engineering (ZVE) am Fraunhofer IAO in Stuttgart.
Hier wurde ein Gebäude mit entsprechenden Arbeitsumgebungen geschaffen, das alle der genannten
Aspekte berücksichtigt. Hier arbeiten die Forscher und Entwickler schon heute wie in der Zukunft.
Wie sind die Arbeitsprozesse strukturiert?
Arbeitet man allein? In kleinen Teams? In großen verteilten Teams mit Untergruppen?
Welche Tätigkeiten müssen erledigt werden?
Recherchieren? Konstruieren? Visualisieren? Kommunizieren? Brainstormen?
Wo arbeiten die Menschen in Zukunft? Im Büro? Zu Hause? Unterwegs? Beim Kunden? Wahrscheinlich
wird es eine Mischung aus allem. Nach der Beantwortung dieser Frage, kann man entscheiden
mit welchen Technologien man in den verschiedenen Situationen am besten unterstützen kann und
wie man die Zusammenarbeit der Mitarbeiter eines Teams am einfachsten gestalten kann. Fraunhofer
entwickelt dafür Kollaborationsumgebungen, 3D-Videokonferencing und sichere Cloud-Speicher, die
sicherstellen, dass alle im Team – egal ob aus dem Büro oder mobil unterwegs – immer die aktuellen
Informationen im Blick haben.
Welche Aufgaben muss ein stationärer Arbeitsplatz in Zukunft erfüllen und wie muss er dafür gestaltet
sein? Hier muss man schon mit der Architektur beginnen und sich Gedanken über eine möglichst
passende und dennoch flexible Raum- und Arbeitsplatznutzung machen. Viele der traditionellen
Büros z.B. wurden für eine ganz andere Form der Arbeit konzipiert. Wenn man heute neue Büros und
Arbeitsplätze plant, orientieren sie sich sehr stark an den Aufgaben und Tätigkeiten der Mitarbeiter,
damit diese sich möglichst komfortabel, ermüdungs- und stressfrei auf ihre anspruchsvolle Arbeit
konzentrieren können. Für Designer und Konstrukteure werden große hochauflösende Visualisierungen
entwickelt, die kreative Gestaltungsprozesse durch die Erkennung von Handgesten im Raum unterstützen.
Für Mitarbeiter, die viel recherchieren und oft parallel an mehreren Dokumenten arbeiten,
werden Schreibtische mit mehreren großen integrierten Touchscreens sowie intuitive Userinterfaces
Bild 1 – JBAK7299 (Arbeitswelten
im ZVE, Innenaufnahme)
Foto: Headroom Consult ©
Fraunhofer IAO
Arbeitswelten im ZVE, Innenaufnahme
danmag | Arb e it 02
44 45
Ein metier, eine Leidenschaft
i c ! b e r l i n
D i e n e u e
Rudi Voigt
ic! berlin
Geboren am 13. Februar 1946,
Bankkaufmann,
Insgesamt mehr als 30 Jahre in leitenden Funktionen
im Personalwesen in Kreditinstituten tätig,
2003 Vorruhestand,
seit 2012 Personalleiter bei ic! berlin
B e r u f s e t h i k
Bei ic! berlin werden besondere Brillen mit besonders viel Erfolg
produziert. Und in Arbeitsabläufen, die etwas anders
sind als üblich: Firmengründer Ralph Anderl nennt sich selbst
„Blechbrillenverkäufer“ und legt Wert auf eine zeitgemäße
Berufsethik. Für seine 150 jungen Mitarbeiter hat er einen
68 jährigen Personalleiter eingesetzt, der 40 Jahre
im Bank- davon 30 Jahre im Personalwesen tätig war – und
viel von Musik versteht.
Ralph Anderl
ic! berlin
weltweiter Blechbrillenverkäufer
ic! berlin,
Berlin
E i n D i a l o g m i t d e m G R ü n d e r /
G E s c h ä f t s f ü h r e r R a l p h A n d e r l u n d
S e i n e m P e r s o n a l l e i t e r R u d i V o i g t
danmag | Arb e it 02
46
i c ! b e r l i n
Eine Erklärung von Ralph Anderl
Zusammengekommen sind wir über einen gemeinsamen Freund. Eigentlich ging es darum, dass ich
einen Musikkenner suchte: „Wenn Sie jemanden treffen wollen, der wirklich Ahnung von Musik hat,
dann müssen sie mit Herrn Voigt sprechen.“ Mit Herrn Voigt? „Der kann den Dirigenten bzw. das
Musikstück an den Rillen auf einer Schallplatte erkennen.“ Eine tollkühne, fast nach „wetten, dass“
klingende Aussage.
Den Mann wollte ich kennenlernen. Wir haben zusammen Musik gehört und kamen uns dabei näher.
Ich sondierte, was Herr Voigt so gemacht hatte und als heraus kam, dass er mit Menschen und mit
Personal zu tun hatte, wurde ich neugierig. Damals war ich auf der Suche nach einem Personalleiter,
der sich bei ic! berlin um einen höheren Grad an Organisation und einer besseren Mitarbeiterführung
annimmt . Es sollte alles viel weniger auf meiner Intuition beruhen, als auf der langjährigen Erfahrung
eines Experten. Da rutschte mir die Frage über die Lippen: „Herr Voigt, was machen Sie jetzt?
Wollen Sie nicht bei uns anfangen?“ Herr Voigt hat nicht gleich zugesagt. Er hat es sich gut überlegt.
Klar musste er überlegen. Unsere Firma ist eigentlich aus einer gewissen jugendlichen Risikofreude
entstanden. Hätten wir zu viel über das Brillen-Business gewusst, hätten wir ic! berlin wohl nicht
gegründet. Unser Erscheinungsbild ist das einer jugendlichen Firma, auch in unserer Selbstwahrnehmung.
Das Durchschnittsalter liegt gefühlt bei 25. Zwar bin ich selbst mittlerweile 44, aber die
Atmosphäre der Firma ist geprägt durch Lockerheit und Lässigkeit. Man ist beim „Allgemeinen Du“
und plötzlich die Vorstellung, dass jemand unser Unternehmen besucht und auf eine Person wie Herrn
Voigt trifft, der vorher lange Personalleiter einer Bank war. Ein radikalerer Gegensatz zu unserer Firma
ist kaum denkbar. Zwischen den ganzen bunten Vögeln ein älterer Mann aus dem Bankwesen, wo
ein genauer Dresscode vorgegeben ist, wo es klare Verhaltensrichtlinien gibt und alles bis ins Detail
geregelt ist.
Und, nicht zu vergessen, die Altersfrage kommt hinzu. Herr Voigt ist eben nicht mehr 25, sondern hat
sich aus seinem abgesicherten Rentnersein in ein berufliches Abenteuer gestürzt. Er war zehn Jahre
nicht mehr im Job und trotzdem bereit wieder bei uns einzusteigen. Damit bewies er eine Eigenschaft,
die ich den Grundindikator von ic! berlin nenne: die Bereitschaft, ins kalte Wasser zu springen. Ich
war mir sicher, dass Herr Voigt bei uns eigentlich nur eine Erfolgsgeschichte schreiben würde, weil er
weder vor mir zurückschreckte, dem paradiesvogelartig aussehenden Besitzer und Geschäftsführer,
noch davor, in einem schicken modernen Loft in Berlin Mitte mit lauter jungen Leuten zusammenzuarbeiten.
Als mindestens so wichtig erwies sich dann die Tatsache, dass er die Persönlichkeit und den Charakter
mitbrachte, sich nicht zu verstellen. Er ist wie er ist, tritt in unserem Unternehmen genauso authentisch
auf wie eh und je. Gerade das will ich von ihm. Ich erwarte nicht, dass er versucht, einen auf
„Mitte“ zu machen. Denn am Ende kommt man doch immer auf so genannte Grundkerne zurück. Die
Grundkerne des Menschen.
Bei Herrn Voigt gehört zu diesem Kern, dass er darauf bestanden hat, nicht beim großen „Rumgeduze“
mitzumachen. Denn eine Sache sei für ihn Gesetz, und zwar das Sie. Das ist ein wichtiger Faktor, der
sich mittlerweile auch so eingebürgert hat und in diesem sensiblen Personalbereich tatsächlich viele
Vorteile mit sich bringt, vor allem im Hinblick auf die nötige Distanz. Genau an diesem Punkt zeigt
sich die Fruchtbarkeit der Differenz. Eine Firma muss Unterschiedlichkeit in sich tragen. Wenn alle
nur locker flockig drauf sind, ist das keine gute Geschichte. Es muss ein buntes Spektrum von Leuten
geben mit der Grundbereitschaft, sich neu auszurichten und Dinge zu riskieren. Da kann Herr Voigt so
alt sein wie er will und Klamotten tragen wie er will – solange er an dem Grundkern der Mitarbeiter
interessiert ist, nach dem Menschen fragt und nach der Art und Weise, in der wir es schaffen, hier eine
gute Arbeitsatmosphäre herzustellen.
danmag | Arb e it 02
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49
Working Heros
i c ! b e r l i n
Wie Rudi Voigt das sieht
Natürlich habe ich mir das ganze durch den Kopf gehen lassen. Ich wusste, um was für ein Unternehmen
es sich handelt und habe mich dann aus mehreren Gründen entschieden, es zu machen. Nicht ganz
unwichtig war dabei eine gewisse persönliche Eitelkeit. Ich wollte wissen, ob ich es noch kann.
Als Bankmensch wollte ich aber auch die Erfahrung machen, wie es in einer mir bisher ganz fremden
Branche eigentlich funktioniert, denn aus meiner Sicht ist ic! berlin im Wesentlichen ein Modebetrieb
mit angehängter Produktion. Brillen sind ja auch Mode. Also ein Sektor, der eher künstlerisch als streng
rechnerisch oder sonst wie strukturiert ist.
Vor allem aber war es meine Neugier auf Menschen. Ich wollte sehen, ob die Leute immer noch so ticken,
wie ich sie in 30 Jahren Personalarbeit kennengelernt habe. Ich fragte mich, wie sie damit zurecht
kommen, dass sie den ganzen Tag vor dem Bildschirm sitzen und einen völlig anderen Arbeitsrhythmus
haben als wir früher. Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: Nach meinem Eindruck ist das, was Menschen
motiviert oder eben frustriert im Prinzip gleich geblieben. Auch, welche Erwartungen und Hoffnungen
arbeiten.
Wie jeder andere hatte ich über die Jahre beobachtet, wie sich die Arbeitswelt ständig weiter entwickelt.
Die Arbeitsverhältnisse sind prekär geworden, man spricht von der Generation Praktikum mit befristeten
Arbeitsverträgen und auch der Generation Y, die Karriere angeblich nicht mehr so hoch schätzt, sondern
ein ausgewogenes Verhältnis von Arbeit und Privatleben im Auge hat, also das, was man jetzt Work-Life-
Balance nennt. Ich wollte herausfinden, ob das in der Praxis wirklich so ist.
Dabei habe ich recht schnell festgestellt, dass für die jüngere Generation das Gefühl der Sicherheit extrem
wichtig ist, denn ohne Sicherheit kann man sein Leben nicht planen. Bevor ich meinen Posten bei
ic! berlin antrat, wurden die gesetzlichen Möglichkeiten ausgeschöpft und jeder neue Arbeitsvertrag
grundsätzlich zweimal hintereinander auf jeweils ein Jahr befristet. Auch dann, wenn man mit dem
Mitarbeiter eigentlich zufrieden war. Das habe ich geändert. Denn Arbeit muss heute zwar Spaß machen
– aber dabei spielen Geld, Aufstiegsmöglichkeiten und Karriere nach wie vor eine sehr wichtige Rolle.
Wir besetzen bei ic! berlin Stellen, insbesondere Führungspositionen, nur dann von außen, wenn wir das
Potenzial intern wirklich nicht haben. Wenn von uns jemand ist, der an seiner Arbeit zwar noch wachsen
muss, aber das Potenzial mitbringt, dann geben wir ihm die Chance sich zu beweisen. Die Maxime,
Mitarbeitern Aufstiegschancen innerhalb des Unternehmens zu bieten, kann man nicht wichtig genug
nehmen.
Als wirkliches Problem in der heutigen Arbeitswelt habe ich die Schnelllebigkeit allgemein und speziell
den Beschuss mit Informationen durch Emails kennen gelernt. Dadurch ist es viel schwieriger geworden
seinen Arbeitstag zu planen, heute ist man ja jederzeit greifbar. Wenn ich eine Mail versende, dann
verschicke ich gleichzeitig einen Arbeitsauftrag und schiebe somit eigentlich auch die Arbeit von mir
weg. Dadurch findet keine Kontinuität mehr statt, denn man wird ständig aus seiner eigentlichen Arbeit
gerissen. Sich diesem Prozess zu entziehen ist furchtbar schwer.
Zwischenbemerkung von Ralph Anderl
Wie hoch ist die Fluktuation?
Insgesamt sechs Personen in einem Jahr die gekündigt haben.
Die meisten werden nach einem Jahr übernommen.
Sich diesem Prozess völlig zu entziehen ist in der Tat nicht möglich. Hier greift jedoch das „Glück des
Unfalls“. Wir hatten das Glück, eines Tages den berühmten Serverausfall zu haben. Die Reaktion aller
war Ratlosigkeit: Das System ist zusammengebrochen, dann können wir heute früher nach Hause
gehen. Wir haben das Ganze später noch mal in einem Führungskräftemeeting besprochen und dazu
jemanden eingeladen, in dessen Firma der Server für eine ganze Woche ausgefallen ist. Der berichtete
davon, dass es eben doch möglich ist, ohne auszukommen und sich mal auf die Dinge zu konzentrieren,
die sonst auf dem Schreibtisch liegen bleiben würden. Die Kunst liegt darin, eine Balance zu finden,
sozusagen einen Schritt zur Entschleunigung.
Altersdurchschnitt im Unternehmen:
Mehrzahl unter 30 | Ein paar über 30
Welche Komponenten braucht es um bei ic! berlin erfolgreich zu sein?
Neugier, Unvoreingenommenheit, Offenheit und Mut
danmag | Arb e it 02
50
i c ! b e r l i n
Was mich noch mehr irritiert als der permanente Email-Beschuss ist die Priorität der Handys. Das
macht mich oftmals ratlos. Als sich beispielsweise ein junger Mann für eine Stelle als Abteilungsleiter
vorstellte und ich das Bewerbungsgespräch gemeinsam mit einem Kollegen führte, fing der während
des Gesprächs an, in sein Handy zu tippen. Diese Situation ist doch unglaublich. Jemand bewirbt sich,
sieht das vielleicht als Chance seines Lebens, und dann sitzt ihm einer gegenüber, der Texte ins Handy
tippt. Da fühlt sich doch jeder Bewerber völlig respektlos behandelt. So was macht mich richtig böse,
das kommt solange ich bei ic! berlin bin, bestimmt nicht nochmal vor. Auch in anderer Beziehung haben
Smartphone und Computer Einfluss auf die zwischenmenschlichen Beziehungen. Wir setzen sie oft ein,
um wirkliche emotionale Belastung von uns fern zu halten und das hat sicher auch für das Berufsleben
ernsthafte Folgen. Da schickt zum Beispiel jemand Emails die wirklich böse sind. Doch dem Kollegen
diesen unangenehmen Inhalt persönlich zu sagen, würde sich der Email-Schreiber nie trauen.
Zwischenbemerkung von Ralph Anderl
Customer CAre Service Mitarbeiter/In
Sehr geehrte Damen und Herren!
Was für ein stolzes Wort! Hochgeil sage ich da mal unauffällig... ich sage auch: ran ans Telefon und den
Anrufern unserer Telefonnummer helfen: welche Brille? Schraube locker (nicht möglich)?! Ihr Kanarienvogel
ist schwanger? Meine Mutter kauft mir kein i-Phone, warum?! Fragen Fragen Fragen, auf die Sie
eine Antwort haben sollten. Das nennt man auch "kommunikationsaffin". Lust auf Sprechen. In vielen
Sprachen. Unsere Kunden rufen gerne an, weil Sie eine tolle Stimme haben und wirklich anbieten. Wer
sind wir?? Eine Blechbrillenfirma in der Mitte Berlin. Alles steht darüber hinaus im Internet. Und speziell
ist auch, dass meine Nummer in jeder Brille steht. Aber tut nichts zur Sache, denn ich bin der Chef.
Blechbrillenverkäufer...
Die Frustrationsschwelle ist heute auch nach meinem Eindruck extrem gering. Es ist unfassbar, wie
schnell sich Mitarbeiter vom Acker machen und nicht bereit sind, sich in ein Problem reinzuhängen.
Gleichzeitig gibt es aber auch junge Leute, die, wenn sie unseren Grundkern in sich tragen, bereit sind
über sich hinaus zu wachsen. Indem sie sich ohne entsprechende Ausbildung, aber in einer unendlichen
Jugendlichkeit Führungspositionen erarbeiten und dabei auch den harten Weg in Kauf nehmen. Wir
bieten solchen Leuten gezielt eine Plattform; wir sehen, derjenige hat zwar noch nicht genug gelernt,
aber er ist „kaltwasseraffin“.
Um die für unsere Firma besten Kandidaten herauszufinden, läuft der Bewerbungsprozess in drei Stufen
ab. Zunächst veröffentlichen wir eine Stellenanzeige. Die schreibt immer Herr Anderl, denn diese ganz
spezielle Tonalität trifft sonst keiner. Im Anzeigentext steht, was wir im Kern suchen, aber sehr speziell
formuliert und verpackt in einem gewissen schnoddrigen, völlig unkonventionellen Sprachstil. Im
zweiten Schritt trifft die Assistenz der Geschäftsführung eine Vorauswahl und leitet die Bewerbungen an
den entsprechenden Vorgesetzten weiter. Von dieser Auswahl werden meist drei Bewerber zum Gespräch
mit dem Vorgesetzten eingeladen. Sollte man sich auf dieser Basis noch nicht entscheiden können, findet
ein zweites Gespräch statt.
Dieses zweite Gespräch führe ich in der Regel selbst. Es ist klar, dass ich das rein Fachliche nicht sehr
fundiert beurteilen kann, aber meine Fragen an unsere Bewerber beziehen sich auch hauptsächlich
darauf, ob er oder sie imstande ist, die Arbeit aufgrund des bisherigen Werdegangs gut zu machen. Es
handelt sich somit um eine vage Prognose. Eine Bewerberin hatte sich beispielsweise auf eine Stelle
beworben, bei der Kundenkontakte eine große Rolle spielen. Im Gespräch wollte ich dann herausfinden
wie sie mit anstrengenden Gesprächspartnern umgeht, indem ich sie bewusst aus der Reserve gelockt
habe. Im Vordergrund steht also immer die Frage: Wie verhält sich jemand, wenn es schwierig wird?
Und: Passt die Person hier rein? Bauchgefühl und Erfahrung spielen dabei eine ganz große Rolle.
Am Anfang des Gesprächs erzähle ich oft von mir selbst. Im Sinne von: Die Firma ist ja relativ jung,
Sie fragen sich jetzt bestimmt, warum Ihnen ein vergleichsweise älterer Mensch gegenübersitzt. Ich bin
erst seit zwei Jahren hier, davor war ich 40 Jahre im Bankwesen. Das hier muss ich eigentlich gar nicht
mehr machen und bin trotzdem hier. Das spricht doch schon mal für die Qualität der Firma, sage ich
dann in Eigenwerbung. Solche Bewerbungsgespräche werden in vielen Firmen streng nach einem System
strukturiert und bekommen dadurch oft einen Verhörcharakter. Um den Bewerbern die Anspannung
zu nehmen, versuche ich so gut es geht, die Menschen dahin zu bringen zu vergessen, dass sie wegen
einer Arbeitsstelle vor mir sitzen. Ich bemühe mich einfach, einen interessanten Dialog zu führen, und
wenn das Gespräch damit endet, dass der Bewerber sagt, „das wollte ich Ihnen eigentlich gar nicht alles
erzählen“, dann war es ein gutes Gespräch.
SAP Junior Systembetreuer
Sehr geehrte Damen und Herren!
Sie müssen nicht der Sohn von Hasso Plattner sein oder aus Walldorf kommen. Auch ist es nicht
schlimm, wenn sie keine Brille tragen oder aus München kommen. Uns kommt es auf ihre inneren Werte
und Ihre Persönlichkeit an. Und dass Sie... mir gehen die Worte aus. Wir sind eine Blechbrillenfirma aus
Berlin und haben SAP Business One. Um dieses Monster zu bändigen, brauchen wir Sie. Ja... klingt das
schon spannend genug? Oder schauen Sie mal auf unsere Internetseite oder ins Gesichtsbuch (Facebook).
Und wenn Sie das anspricht, dann senden Sie sofort alles Relevante an uns: franziska@ic-berlin.de
Mitarbeiter/in manuelle Fertigung/Montage
Sehr geehrte Damen und Herren!
Kurzum: es geht darum, aus vielen relativ kleinen Teilen eine Brille zu montieren! Alles indes ohne
Schrauben. Wir stecken die Bügel an die Front. Genauer gesagt, sollten Sie das tun! Somit die Frage:
haben Sie ein gutes Verhältnis zu Ihren Händen? Tun Ihre Finger das, was sie von Ihnen verlangen?
Haben Sie eher zwei rechte Hände als zu viele linke? Basteln Sie zum Beispiel gerne? Zu Weihnachten
und auch zu Ostern?
danmag | Arb e it 02
52
b e l l y b u t t o n
Wor kin g M u m s
by
b ellybutton
danmag | Arb e it 02
b e l l y b u t t o n
T e x t d o k u m e n t a t i o n v o n A s t r i d S c h u l t e
G e s c h ä f t s f ü h r e n d e G e s e l l s c h a f t e r i n V o n
B e l l y b u t t o n i n t e r n a t i o n a l g m b h
Da bellybutton schnell erfolgreich wurde, mussten neue Strukturen geschaffen und größere Büros bezogen
werden. Die wirtschaftlichen Zwänge wurden stärker, jede weitere Million im Umsatzwachstum
bedeutete Veränderungen. Je größer wir wurden, desto klarer mussten auch die Strukturen sein, um
die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Das gilt heute noch bei uns: Wir bieten den
arbeitenden Müttern - es ist bei einem männlichen Mitarbeiter geblieben - Teilzeitmodelle an und es ist
möglich, partiell im Home Office zu arbeiten.
Die Zeit arbeitet für die „Working Mums“. Unsere Gesellschaft entwickelt sich in
eine Richtung, in der jetzt schon so vieles möglich ist, was noch vor wenigen Jahren
undenkbar schien. Freiheit und Individualität gewinnen immer mehr Spielraum, die
Kurve zwischen dem familiären und dem beruflichen Leben nehmen wir in Zukunft
sicher leichter, weil die herrschenden Regeln flexibler werden.
Gleichgeblieben ist, ganz unabhängig von der Unternehmensgröße, die zentrale Rolle der „Haltung“.
Wir haben als Arbeitgeber die uneingeschränkte Bereitschaft, das Familienleben mit dem Arbeitsleben
vereinbar zu machen. Das ist nicht nur gut gemeint, sondern wir machen damit ausnahmslos positive
Erfahrungen. Allerdings gehören wir leider immer noch zu den Ausnahmen von der weitverbreiteten
Regel. Ständig erlebe ich in meinem Umfeld, wie hoch die Barrieren für arbeitende Mütter sind. Was
aber durchaus nicht nur an den Firmenchefs liegt: Mit den Müttern und Vätern selbst fängt es an. Denn
mehr Flexibilität und Individualität setzt, wie gesagt, Selbstverantwortung, Selbstbewusstsein, konsequente
Entscheidungen und das Tragen aller Konsequenzen voraus. Ein selbstbestimmtes Leben fällt
nicht in den Schoß, man muss es sich erarbeiten.
Von vielen gesellschaftlichen Veränderungen, die sich seit einiger Zeit abzeichnen, werden gerade wir
profitieren können, wir, die Mütter mit Beruf. Jahrhundertelang herrschende, wie in Stein gemeißelte
Rollenbilder zwischen Mann und Frau weichen auf, auch das ungerechte Gefälle in der Bezahlung der
Geschlechter wird allmählich eingeebnet. Wie schnell der Fortschritt der Gesellschaft wirklich vorankommt,
lässt sich an einer ganz einfachen Frage messen: „Werden Frauen mit Kindern im Berufsleben
benachteiligt oder nicht?“ Eines der natürlichsten Ereignisse im Leben der Menschen, die Geburt eines
Kindes, darf nicht mehr wie eine soziale Behinderung angesehen werden.
Die meisten Frauen – und viele Männer – wünschen sich für ihre Familie den Idealfall: Dass arbeitende
Eltern sich in einem echten Partnerschaftsverhältnis die Verantwortung für das Kind teilen können.
Was selbstverständlich nur dann funktioniert, wenn beide genügend Flexibilität in ihren Berufen haben.
Das wiederum hängt von der „Haltung“ des Arbeitgebers ab. Auf leitenden Unternehmensebenen
muss sich die Einsicht durchsetzen, dass ein Kind als Bestandteil des Lebens auch ein wesentlicher
Faktor im Berufsleben ist und die nachteilig wirkenden „Verfügbarkeitslücken“ arbeitender Eltern rein
gar nichts mit fachlicher Kompetenz oder Verlässlichkeit zu tun haben. Um Beruf und Familie vereinbaren
zu können, brauchen wir zunächst eine gute Infrastruktur für die Kinderbetreuung und die
Möglichkeit, für unterschiedliche Arbeitszeitmodelle einen fairen finanziellen Ausgleich zu bekommen.
Dabei sind nach meiner Erfahrung nicht nur organisatorische, buchhalterische und ähnliche Dinge von
Bedeutung, zentral wichtig ist erst mal die schon erwähnte „Haltung“ – und zwar sowohl auf der Arbeitgeber-
wie der Arbeitnehmerseite! Von allen Beteiligten wird verstärkte Selbstverantwortung, das
Überdenken alter Strukturen und gesamtheitliches Denken verlangt.
Unternehmerin bin ich gerade in der Zeit geworden, als ich zum ersten Mal Mutter wurde. Nach vielen
Jahren in Unternehmensberatungen, Konzernen und Start-ups mit 80-Stunden-Woche habe ich fast
zufällig die Gründerinnen von bellybutton um Ursula Karven und Dana Schweiger getroffen, die mir die
Position als Geschäftsführerin anboten, um das Unternehmen weiter aufzubauen. Parallel zu meinem
Leben mit Kindern habe ich mich bewusst für ein neues Arbeitsmodell entschieden und das war wie
maßgeschneidert für Working Mums mit kleinen Kindern. Bellybutton hat sich für mich nie wie Arbeit
angefühlt. Meine Kinder - es wurden dann schnell drei Mädchen - haben nichts daran geändert, dass
ich immer leidenschaftlich gern gearbeitet habe; in meiner neuen Position hatte ich das wunderbare
Privileg, mit meiner Familie selbstbestimmt leben zu können. Die Büroräume waren die ersten Jahre
in unserem privaten Haus. Kinder, Mitarbeiter, Au-pair Mädchen liefen durcheinander und zum Lunch
habe ich für alle Spaghetti gekocht. Das familiäre Leben und das Arbeitsleben gingen ineinander über
und alles war eins. Viel Zeit mit der Familie zu verbringen stand nicht im Gegensatz zur Arbeit. Von dem
Prinzip profitierten selbstverständlich auch die Mitarbeiter, die genau wie ich ihre individuellen Möglichkeiten
hatten, Leben und Beruf in eine gute Balance zu bringen. Auch in unserer Firma war natürlich
nicht immer alles möglich, aber fast alles unterlag persönlichen Entscheidungen, die Konsequenzen
wurden bewusst getragen. Ich kann mich nicht erinnern, jemals zuvor so stressfrei gelebt zu haben.
Wir Mütter, da beziehe ich mich ein, tun uns manchmal schwer mit
klaren Entscheidungen. Weil es Mut und viel Willenskraft erfordert,
sich für die richtige Balance zu entscheiden, versuchen wir, alles auf
einmal hinzubekommen. Wir tun so als sei es möglich, die Mutterrolle
so auszufüllen wie unsere eigenen Mütter es taten (die meistens nicht
in großem Umfang arbeiteten), eine zugewandte Ehefrau zu sein, die jeden
Abend ein tolles Essen kocht – und gleichzeitig eine Arbeitnehmerin
mit größtem Engagement. Klar, dass es nicht funktionieren kann. Das ist die zündende Erkenntnis für
den Wechsel der „Haltung“. Die „richtige“ Haltung beginnt mit der schlichten Einsicht, dass wir uns nicht
verrückt machen dürfen. Wir müssen mal fünf gerade sein lassen. So simpel das klingt, es ist eine riesige
Herausforderung! Wenn man abends gestresst nach Hause kommt, ist es manchmal besser den „Pizzablitz“
zu bestellen, als selber irgendwas im Wahnsinnstempo zuzubereiten und dann am Tisch Gewissensbisse
zu kriegen: „Tut mir leid, ich habe es nicht hinbekommen, aber morgen wird’s wieder was Richtiges
geben!“ Und wenn wir Prioritäten und Entscheidungen treffen, dann müssen wir mit den Entscheidungen
leben: Haben wir zum Beispiel entschieden, dass wir einen Job machen und das Kind deshalb bis
16:00 Uhr in der Kita bleibt, dann ist ein tägliches Hadern damit, dass wir nicht mit unseren Kindern
zu Mittag essen, weder gut für die Kinder noch für uns. Auch hier heißt es dann eben die Konsequenzen
auszuhalten.
Auf der Arbeitgeberseite gibt es sicherlich noch großen Nachholbedarf, aber auch einige Vorzeigebeispiele.
Es ist so herrlich erfrischend, wenn der Maschinenbauer Trumpf Erfolg damit hat, dass die Arbeitnehmer
zum Beispiel alle zwei Jahre entscheiden können, wie viele Stunden sie arbeiten wollen.
Deshalb gibt es bei den Müttern in dieser Firma kein schlechtes Gewissen, wenn sie beruflich mal zurücktreten
zugunsten ihrer Kinder.
Was ich aus meinen eigenen Erfahrungen gelernt habe: Unternehmen sollten aus Eigennutz das größte
Interesse haben, ihren Mitarbeitern die jeweils richtige Balance im Leben zu ermöglichen. Klar, es gibt
Sachzwänge, die können nicht überwunden werden, aber meistens geht mehr, als wir denken. Working
Mums können quantitativ und qualitativ ihre Leistung bringen, sie benötigen vom Arbeitgeber nur ein
wenig mehr Elastizität und Anpassungsfähigkeit als andere. Und eben die Einstellung, dass Kinder zu
haben kein „Problem“ ist, sondern dass Männer und Frauen in einem Boot sitzen und Lösungen gefunden
werden, wenn wir es wirklich wollen.
Das sollte sich uns allen einprägen. Vor einigen Wochen stellte sich bei mir eine Bewerberin vor, die mir
beweisen wollte, dass sie der Firma ganz bestimmt keine „Probleme“ mit der Mutterschaft machen werde.
Ungefragt erzählte sie mir, sie lebe in einer Beziehung, sei 30 – aber: „In den nächsten fünf Jahren
will ich definitiv nicht schwanger werden!“ Verzicht auf Kinder als Qualifikation für den Job! So etwas
würde ich am liebsten nie wieder hören. Die Zeit ist vorbei.
danmag | Arb e it 02 56
57
Working Heros
Chanc eng leichhe it
Sarah Holen
from Canada
Tatoo artist
A nko m m e n&
Vo r a nko m m e n
Von der Chanchengleichheit zur
W e t t b e w e r b s f ä h i g k e i t
Integration, Chancengleichheit und Frauenförderung sind
nicht nur in der Politik und der politischen Umsetzung ein
Thema, sondern stellen einen Bereich der zukunftsorientierten
Personalpolitik dar. In der realen Arbeitswelt gibt es bereits einige
Unternehmen die eine Vorreiterrolle in diesem Bereich einnehmen.
Bei den meisten Unternehmen stellen Integration,
Chancengleichheit und Frauenförderung jedoch immer
noch einen reinen Blick in die Zukunft dar.
Ein Interview mit der Senatorin für Arbeit,
Frauen und Integration des Landes Berlin, Dilek Kolat.
Fotos von Jorinde Gersina
59
Working Heros
Chanc eng leichhe it
Dilek Kolat, Senatorin
für Arbeit, Frauen
und Integration des
Landes Berlin
Die Begriffe Integration, Chancengleichheit und Frauenförderung sind in aller
01Munde, aber die Umsetzung eines tatsächlichen Veränderungsprozesses gestaltet
sich extrem langwierig und schwierig. Welche Gründe sehen Sie hierfür?
W.B.: Viele Menschen betrachten Frauenförderung immer noch als ein Randthema – obwohl Frauen
die Mehrheit der Gesellschaft bilden. Frauen haben in der Regel die besseren Schul- und Hochschulabschlüsse,
sind aber in den Top-Jobs weit unterrepräsentiert. Das liegt weniger an Eignung oder
Leistung. Das finde ich ungerecht und es werden Ressourcen verschenkt. Meine Aufgabe ist es, dafür
ein gesellschaftliches Bewusstsein zu schaffen und dies über Gesetze und Verordnungen umzusetzen.
Freiwillige Vereinbarungen mit der Wirtschaft haben leider bisher keinen durchschlagenden Erfolg
gebracht. Deswegen bin ich für die Quote.
Mieko Suzuki
from Japan
DJane
02
In welcher Funktion sehen Sie sich bei diesem Veränderungsprozess als Senatorin
für Arbeit, Integration und Frauen und welche Aufgabe haben Sie sich zu Ihrem persönlichen
Schwerpunkt gesetzt?
W.B.: Als Senatorin möchte ich Vorbild für Frauen und überhaupt für Menschen mit Migrationsgeschichte
sein, ihnen Mut machen. Ich möchte dazu beitragen, dass sich die Erwerbssituation der Frauen
verbessert und sich Männer mehr für Familienaufgaben einbringen können. Dies erfordert eine ganz
neue Zeitpolitik. Männer und Frauen sollen das Zeitvolumen partnerschaftlich nutzen im Hinblick auf
Erwerbsleben und Familie. Das ist eine große Zukunftsaufgabe. Darüber hinaus habe ich als höchste
Priorität meiner Politik erklärt, die Jugendarbeitslosigkeit in Berlin entschieden zu bekämpfen. Denn die
ist viel zu hoch. Wir dürfen nicht in zehn oder zwanzig Jahren eine ganze Generation von ALG-II-Empfängern
erzeugen. In den vergangenen zwei Jahren haben wir die Arbeitslosigkeit um 25 000 Menschen
verringert und inzwischen 6 000 arbeitslose Jugendliche weniger. Es ist meine Herzensangelegenheit,
insbesondere Jugendliche mit Migrationshintergrund stärker in die Berufsausbildung zu bekommen.
Und ist mir wichtig, dass das Thema Inklusion auch auf dem Arbeitsmarkt funktioniert. Jugendliche mit
Behinderungen sind sehr wohl in der Lage, eine betriebe Ausbildung zu absolvieren. Sie müssen nur die
Chance dafür erhalten.
Berlin gilt als weltoffene und multikulturelle Stadt. Wie erklären Sie sich, dass
03 sich diese Vielfalt bisher noch nicht, bzw. nur in wenigen unserer Unternehmen
widerspiegelt?
W.B.: Es hängt erheblich von einzelnen Branchen ab. In der Kultur- und Kreativwirtschaft boomt Berlin
seit Jahren und ist international aufgestellt. Ein traditioneller Industriebetrieb jedoch holt seinen
Nachwuchs bislang über die duale Ausbildung und hat meistens eine geringe Personalfluktuation. Erst
allmählich erhalten vermehrt junge Menschen mit Migrationshintergrund Ausbildungsplätze oder
Stellen. Und: Durch die Finanzkrise kommen junge, gut ausgebildete Europäerinnen und Europäer
nach Berlin und wollen hier arbeiten. Diese Ressource entdecken die Unternehmen allmählich. Unser
Projekt „Berlin braucht Dich!“ wirbt seit 2006 erfolgreich um Jugendliche mit Migrationshintergrund
im Öffentlichen Dienst. Dort und bei den Berliner Landesbetrieben stieg der Anteil von Auszubildenden
mit Migrationshintergrund auf inzwischen mehr als 20 Prozent. Seit dem Jahr 2013 beteiligt sich auch
die Berliner Metall- und Elektroindustrie an dieser Kampagne. Darüber freue ich mich sehr. Andere
Branchen sollten diesem Vorbild folgen.
danmag | Arb e it 02 60
61
Chanc eng leichhe it
chris glass from the us, head of
sohohouse international and singer
D e n n i s
M a c D a o
f r o m
V i e t n a m ,
Dancer
Betrachten wir im Detail das Thema der Integration so fällt auf, dass die Schere
04 zwischen Jugendlichen aus sozial schwachen und Jugendlichen aus bildungsnahen
Familien weiterhin immer größer wird. Inwiefern gehen Sie gezielt gegen diese
Problematik vor?
W.B.: Die soziale Herkunft beeinflusst leider noch immer die Bildungschancen – unabhängig vom
Migrationshintergrund. Bildung wiederum ist die Voraussetzung, um auf dem Arbeitsmarkt und in
anderen gesellschaftlichen Bereichen bestehen zu können. Deshalb entwickeln wir gerade ein Landeskonzept
zur Berufs- und Studienorientierung. Die Schulen sollen dann die Berufsorientierung in ihren
Schulprogrammen verankern. Es muss besser gelingen, dass die Jugendlichen möglichst ein breites
Spektrum der mehr als 350 Berufe kennenlernen und Praxiserfahrungen über Praktika sammeln. Und
die Jugendlichen müssen ihre Berufswahl fundierter entscheiden, damit die Abbruchquoten bei Ausbildung
und Studium sinken. Zurzeit liegen sie bei mehr als 30 Prozent. Wir werden in Berlin die Jugendberufsagentur
einrichten. Damit sollen mehr Jugendliche den Sprung in die Ausbildung schaffen. Das
ist ein großes Projekt, wird aber nicht alleine reichen. Wir brauchen mehr betriebliche Ausbildungsplätze
und ein Umdenken in den Unternehmen. Jugendliche mit schwierigen Startschwierigkeiten besitzen
meistens viele Talente und haben eine zweite oder dritte Chance verdient.
Wie lassen sich begabte Jugendliche aus sozial schwachen Familien dazu ermutigen
05 eine fachlich hochqualifizierte Berufsausbildung oder ein Studium zu ergreifen?
W.B.: Jugendliche sollten sich schon in der Schule intensiv mit der Berufsausbildung beschäftigen um
am Ende der Schulzeit wissen, für welchen Beruf sie sich entscheiden. Hierfür müssen sie während der
Schulzeit Praxiserfahrung sammeln und zwischen mehreren Ausbildungsplätzen wählen können. Zusätzlich
helfen Mentoringprogramme, sich im Ausbildungsleben zu orientieren. Mentoren – aus dem Betrieb
oder extern – unterstützen sie dabei. Mein Haus entwickelt gerade ein Landeskonzept Mentoring.
Damit wollen wir die noch vielen vorzeitigen Vertragslösungen verringern. Wir haben in der Testphase
sehr gute Erfahrungen gesammelt.
Nicht nur Jugendliche mit Migrationshintergrund haben Schwierigkeiten, in der
06 Berufswelt Fuß zu fassen. Oftmals scheitern auch qualifizierte Jobsuchende aufgrund
ihres Migrationshintergrunds. Wie können Sie sich das in unserer heutigen Zeit erklären?
W.B.: Einige Vorurteile etwa gegenüber Herkunft oder Geschlecht halten sich sehr hartnäckig. Jugendliche
mit deutschem Namen erleben erheblich weniger Ablehnungen bei Bewerbungen als ein gleichqualifizierter
Jugendlicher mit ausländischem Namen. Dies bestätigen viele Untersuchungen. Ein Instrument für
weitgehend diskriminierungsfreie Auswahlverfahren ist ein anonymisiertes Bewerbungsverfahren. Genau
dies erproben wir gerade in meiner Verwaltung und verzichten auf Angaben wie Name, Geburtsdatum
oder Herkunft. Es zählt also ausschließlich die Qualifikation der Bewerbenden. Bisher sind unserer
Erfahrungen positiv. Mein Ziel ist es, bei Erfolg die gesamte Landesverwaltung in dieses Verfahren einzubeziehen.
Das anonymisierte Bewerbungsverfahren kann übrigens jedes Unternehmen durchführen.
Aigerim Weimer from
Kasachstan, Painter
Dennenesch Zoudé from
Äthiopia, Actress
Aufmerksamkeit konnte für diese Problematik durch die Politik, Wirtschaft und
07 Medien bereits vielfältig generiert werden. Wie lässt sich das Problem jedoch
tatsächlich lösen?
W.B.: Es ist zuerst die Aufgabe der Unternehmen auszubilden. Wir schaffen durch Kita, Schule und
Berufsschule die Grundlage. Ich halte die Erwartungshaltung für unangebracht, dass die Jugendlichen
schon vor Antritt der Ausbildung alles können müssen – also eigentlich schon Fachkräfte sein sollen. In
Berlin bilden immer weniger Unternehmen aus. Das macht mir Sorgen. Wer seinen eigenen Fachkräftebedarf
nicht ausbildet, hat am Ende keinen unternehmerischen Erfolg.
danmag | Arb e it 02 63 Working Heros
China Chanc eng C l ub leichhe Berli it n
08
Ein großes Bedürfnis stellt vor allem die Vereinbarkeit von Beruf und Familie
dar. Welche positiven Veränderungen nehmen Sie diesbezüglich in der Arbeitswelt
wahr und wo sehen Sie Lücken die noch geschlossen werden müssen?
W.B.: Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie interessiert längst nicht mehr nur Frauen allein, sondern
insbesondere auch die jüngeren Männer. Das hat mit ihrer Lebenswirklichkeit zu tun. Für alle jungen
Menschen sind Partnerschaft und Familiengründung wichtige Themen. Leider reagieren einige Arbeitgeber
noch immer mit Abwehr und Unverständnis, wenn Väter Elternzeit beantragen. Mit dem von der
Bundesregierung eingeführten Elterngeld Plus wollen wir es erreichen, dass sich Väter selbstverständlich
um ihre Kinder kümmern wollen und können. Familienaufgaben müssen partnerschaftlich erfüllt
werden können. Dafür muss sich aber auch die Arbeitswelt verändern. Ich bin eine große Anhängerin von
Familienarbeitszeit. Das ist ein großes Zukunftsthema für Politik und Gesellschaft. Teilzeit darf keine
Karrieren bremsen oder beenden. Die gesetzlichen Regelungen zur Elternzeit oder zur Angehörigenpflege
waren und sind wichtig. Sie wirken inzwischen in die Unternehmenskulturen hinein und ändern die
Grundeinstellung.
Welche Rolle spielen dabei beispielsweise die Arbeitszeiten?
09 W.B.: Familienministerin Manuela Schwesig hat mit ihrer Idee der Familienarbeitszeit eine richtige
Diskussion angestoßen. Der Arbeitsmarkt orientiert sich in Deutschland nach wie vor an einer sehr
traditionellen Arbeitsteilung. Dabei sind Arbeitnehmer idealerweise immer anwesend und Führungskräfte
stehen rund um die Uhr zur Verfügung, möglichst unbelastet von Kindern, Haushalt oder Pflege
von Angehörigen. Eine geschlechtergerechte Arbeitszeit muss übrigens für jede Lebensphase kompatibel
sein. In meiner Verwaltung gilt eine Gleitzeitregelung mit einer Kernzeit von 10 bis 14 Uhr. Für die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter ist diese Regelung sehr gut. Langfristig gewinnt die Unternehmenskultur
– die Beschäftigten sind zufriedener, ihre Arbeitsleistung steigt.
Wie schafft man es als Unternehmen, auf die Bedürfnisse seiner Angestellten
10 einzugehen, ohne dass der Betrieb darunter leidet?
W.B.: Einige Arbeitgeber beklagen sich über zu zahlreiche Eingriffe durch die Gewerkschaften oder den
Staat. Sie meinen, diese schränken ihre Freiheit im unternehmerischen Handeln ein. Bundeskanzlerin
Merkels Ansatz der „marktkonformen Demokratie“ entlässt die Unternehmen gleichzeitig aus der gesellschaftlichen
Verantwortung. Ich vertrete daher eine andere Position: Die soziale Marktwirtschaft
bedingt gesamtgesellschaftliche Verantwortung, auch von den Unternehmen. Ich rede daher von einem
demokratiekonformen Markt. Wir müssen alle die Fragen beantworten: Leben wir um zu arbeiten? Oder
arbeiten wir um zu leben? Wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen oder die Führung nicht auf die
Bedürfnisse der Belegschaften eingeht, sinkt die Arbeitsleistung und die Krankheitsrate steigt. Ich sage
klar: Das Leben ist zu kurz, um nur zu arbeiten! Die Bedürfnisse der Belegschaft haben mindestens den
gleichen Rang wie jene des Unternehmens. Beides funktioniert auch nur zusammen.
In zahlreichen Interviews sprechen Sie von dem Ziel „gutes Arbeiten“ fördern zu
11 wollen. Können Sie im Hinblick auf das bisherige Interview in einem Satz formulieren
was Sie unter diesem „guten Arbeiten“ verstehen?
W.B.: Eine gute Arbeit muss angemessen und gerecht entlohnt werden. Das ist der Satz. Dahinter
steht: Frauen und Männer müssen für gleichwertige Arbeit gleich bezahlt werden. Das betrifft auch
die typischen Frauenberufe, etwa im Erziehungswesen oder in der Pflege. Der gesetzliche Mindestlohn
ist hier das Minimum! Gute Arbeit bedeutet auch sichere Arbeitsplätze und muss Perspektiven für die
berufliche Entwicklung erkennen lassen. Dazu gehören berufliches Weiterkommen, Weiterbildung und
gute Bedingungen für ein lebenslanges Lernen. Und natürlich ein gutes Arbeitsklima mit einer guten
Work-Life-Balance.
dor aloni
Israel, Actor
danmag | Arb e it 02
64 65
Themenblock
K o n e n
"Wir
wollen d i e
Menschen
Wir wollen die Menschen zum Erblühen bringen –
mit diesem Leitspruch haben Dr. Gabriele Godl und Peter Eberle das
einst patriarchalisch geführte Bekleidungshaus Konen in ein Muster für
wertschätzende und motivierende Führung umgewandelt. Selbstverantwortung
und Authentizität heißt der neue Erfolgsfaktor des Münchner Hauses.
zum
Im GEspräch mit Dr. Gabriele Godl,
mitglied der unternehmensleitung
und gesellschafterin des Unternehmens
Konen Bekleidungshaus KG
Erb l ühen
B r i n g en."
Ihre Prinzipien der Personalführung klingen
so, als ginge es darum, Spaß zu haben? G.G.: Spaß
gehört zu unserem Geschäftsmodell: Die Kunden sollen
in unserem Haus einen Mehrwert bekommen – nicht nur
in Bekleidung, sondern auch in Atmosphäre, Emotion,
und mit Inspiration und einem zufriedenen Gefühl unser
Haus wieder verlassen. Das lässt sich nicht durch rein
kopfgesteuerte Schulungen erreichen. Dazu gehört auch
ganz viel Emotionalität, Spaß – und viel Ehrlichkeit! Wir
wollen authentisch sein.
Das ist sicher ein Bruch mit der Arbeitsatmosphäre
zu Zeiten Ihres Großvaters? G.G.: Damals ging es
um Disziplin und Ordnung. Man hatte zu funktionieren,
musste Regeln einhalten, pünktlich erscheinen und
ordentlich angezogen sein. Das war sicher auch alles
richtig, denn das waren die Aufbaujahre. Noch in den 80er
Jahren konnten wir die Ware teilweise gar nicht so schnell
bereitstellen, wie sie uns aus der Hand gerissen wurde.
Heute geht es mehr in Richtung Vielfalt, Lebendigkeit –
und dadurch auch in Richtung Nähe.
Sind Ihre Überlegungen von der Kundensicht
ausgegangen? G.G.: Ja. Wir haben uns einfach gefragt:
Was wollen unsere Kunden und wie denken sie? Aber auch:
Was braucht der Mitarbeiter, um die Kundenwünsche auch
zu erfüllen.
Mussten Sie den Übergang zu diesen neuen
Management-Grundsätzen erzwingen? G.G.: Das
könnte man sagen. Da war aber nicht nur mein Großvater,
der Gründer. Mein Vater hatte zum Zeitpunkt meines
Eintritts das Geschäft ja schon 30 Jahre lang wirtschaftlich
zu grossem Erfolg geführt. Es ging um Expansion, es
ging um Zahlen. Aber meinem Vater war klar, dass wohl
ein neuer Weg in die Zukunft gefunden werden sollte. Erst
mal, das war typisch für ihn, hat er sich Bücher gekauft,
um zu erfahren, wie ist das denn heute, was sind die
Kundenerwartungen. Und dann hat er mir etwas gesagt,
das ich bis heute nicht vergessen habe: „Es ist richtig,
wie Du es darstellst. Es ist diese neue Art, Emotionen
zuzulassen, Lebendigkeit zu fördern und eben die Nähe zu
den Mitarbeitern herzustellen. Aber ich will den Weg nicht
mehr mitgehen. Mach Du mal!“
Also doch kein Kampf? G.G.: Insofern nicht – aber
intern, mit den nach alter Art gepolten Führungskräften.
Rund 50 Prozent von ihnen haben es geschafft, den neuen
Weg mitzugehen – von der anderen Hälfte haben wir uns
im Laufe der Jahre – meist einvernehmlich – getrennt.
Wie weit kann man diesen Weg der Freiheit, den
Sie geradezu verlangt haben, in der Praxis wirklich
gehen? G.G.: Wenn Sie nach dem Rahmen der aktuellen
Herausforderungen fragen, müssen wir manchmal sogar
versuchen, zu „alten Tugenden“ zurückzukommen und
zumindest in einem vernünftigen Maß versuchen, Disziplin
und Regelkonformität einzufordern. Denn das Pendel ist
oft stark zur einen Seite ausgeschlagen.
Zu welcher Seite? G.G.: Zur emotionalen. Die Maxime
„Es geht um mich, meinen Spaß, meine Authentizität!“
muss wieder ein Stück zurückgefahren werden, mit dem
größeren Blick auf die Gemeinschaft und auf die unternehmerische
Zielsetzung. Natürlich geht es weiterhin um
jeden Einzelnen, aber letztendlich um den Geschäftszweck
und den Kunden. Wenn bei allem „Ich verwirkliche mich“
der Kunde zu kurz kommt, dann sind wir zu weit gegangen.
danmag | Arb e it 02 66
67
67 Working Heros
K o n e n
Es muss toll sein für Sie zu arbeiten?!
Und wie stellen Sie das fest? G.G.: Wir sind in einer
Welche Gefühle darf man als Führungskraft denn
Autoritätsverlust erlitten. Für mich gilt dann natürlich
Sie dulden auch von den Fähigsten keine
Größenordnung, in der wir in der Geschäftsleitung fast
zeigen – auch private? G.G.: Für mich gibt es nicht
das Gleiche wie für alle Mitarbeiter, ich muss mich schnell
Arroganz? G.G.: Wenn man genauer hinschaut, ist
alles mitbekommen. Wir haben in München 500 und
hier private und dort berufliche Gefühle. Jeder ist doch
wieder einkriegen. Ich kann nicht drei Tage lang sagen, mir
Arroganz eine Komfortzone – ein emotionaler Schutz-
in Luxemburg 300 Mitarbeiter. Man merkt, wenn es in
eine durchgängige Persönlichkeit. Aber – die meisten
geht’s elend, lasst mich in Ruhe. Führungskräfte müssen
panzer. Der Arrogante ist faul in dem Sinne, dass er
einzelnen Abteilungen anfängt zu kippen.
Menschen denken natürlich, sie müssten den Beruf wie
den Mut haben, sich nach allen Seiten zeigen zu können –
sich nicht weiterentwickeln will. Arrogante Menschen
eine Fassade vor sich setzen. Das wollen wir nicht, aber
entscheidend ist der erwachsene Umgang damit.
wollen ihre Schattenseiten nicht anschauen, den eigenen
Können Sie irgendwie messen, wie gut die
das ist ein großes Thema. Nach meiner Auffassung kann
Schmerz, den sie mit sich rumtragen, den wollen sie nicht
Personalführung funktioniert? G.G.: Nein. Es gibt
man Gefühle entweder ungebremst ausleben wie ein Kind
Wie ist es umgekehrt, wenn jemand fröhlich vor
wahrhaben. Und für Führungskräfte besonders fatal:
natürlich den ganz brutalen Indikator, das ist der Umsatz.
(Ihr seid alle so gemein zu mir...), oder man kann damit
Ideen sprudelt und sie auch alle umsetzen will,
Die von ihnen erzeugte Distanz bewirkt, dass sie nie ein
Aber, ich bin oft im Laden, ich sehe wie eine Abteilung,
erwachsen umgehen (Das hat mich verletzt, ich würde
muss man da nicht bremsen? G.G.: Nehmen wir die
ehrliches Feedback bekommen.
aussieht, wie die Mitarbeiter dastehen und bekomme viel
mir wünschen, dass...). Wenn man das im Management
Einkäufer, die haben riesige Entscheidungsspielräume.
mit in Gesprächen.
durchgängig lebt, dann haben die Fassaden der Menschen
Da muss ich manchmal klare Leitlinien festlegen. Der
auf Dauer keine Chance.
Einkäufer muss bei neuen Kollektionen größtmöglichen
Lässt sich die von Ihnen angestrebte Flexibilität
Einfluss haben, allerdings erwarten wir, dass es
umsetzen? G.G.: Die „harten“ Voraussetzungen wie
Jemand kommt bedrückt in die Firma, er soll sich
abgesprochen wird. In 90 Prozent der Fälle können
Stundenkontingente oder Öffnungszeiten müssen ganz
kein Lächeln aufzwingen, soll aber auch nicht
sie sehr frei entscheiden, aber manchmal gibt es auch
klar berücksichtigt werden. Wichtig dabei ist aber, dass die
die anderen in seine dunkle Wolke ziehen... G.G.:
übergeordnete Gesichtspunkte.
Führungskräfte sensibel mit ihren Mitarbeitern umgehen
... wäre ich die Idealführungskraft, würde ich denjenigen
und die Verteilung der Stunden so gerecht und sinnvoll wie
fragen: Ich sehe, Dir geht es nicht gut, oder? Dann wäre
Und wenn eine Führungskraft tadeln muss... G.G.:
irgend möglich ist.
es schön, wenn er antworten würde, ja, mich bedrückt
...passiert jeden Tag...
dies und das. Wenn das ausgesprochen ist, gibt es erst mal
Arbeiten viele in Teilzeit? G.G.: Im Verkaufsbereich
Raum für den Betroffenen seine Sorgen auszudrücken,
... dann muss aber die Würde des Mitarbeiters
über die Hälfte. Wir haben ein total flexibles
man kann zusammen einen Kaffee trinken und darüber
gewahrt werden? G.G.: Es ist so einfach, dass ich mich
Stundenmodell: 174 Stunden sind Vollzeit, und es gibt
sprechen. Wichtig ist die Einstellung: Ich sehe Dich in
wundere, dass es nicht alle machen. Ein Beispiel: Jemand
die Möglichkeit bis auf 40 Stunden herunter zu gehen, Es
Deiner Situation, ich zeige mein Mitgefühl, vielleicht kann
hat modisch Kraut und Rüben an seine Rückwand gehängt,
ist fast schon ein Lebensarbeitszeitmodell: Jeden Monat
ich irgendwas organisieren, zum Beispiel freie Tage. Aber
das ist so ein Klassiker. Intuitiv würde man vielleicht sagen:
den gleichen Lohn, aber die Stunden sind mal mehr, mal
wenn diese Situation vorbei ist, geht es wieder darum,
„Du hast das falsch gemacht.“ Der Mitarbeiter versteht
weniger. Es kann sein, dass Sie am Ende des Monats 50
richtig zu arbeiten.
dann nur, „ich bin nicht gut genug“. Wenn ich stattdessen
Stunden weniger haben als im Vertrag, im nächsten Monat
sage, diese Wand habe ich mir anders vorgestellt und das
minus 25, und dann vielleicht plus 10 Stunden. So geht es
Und das gilt auch für Manager: Sorgen und Nöte
differenziert begründe – dann läuft es in guten Bahnen.
mit dem Stundenkonto rauf und runter –
offen zeigen, um sich dann wieder zu fangen –
Die Schlüsselerkenntnis ist, dem Thema Aufmerksamkeit
und wann wird abgerechnet? G.G.: Erst, wenn das
alles ohne Autoritätsverlust? G.G.: Ich selbst habe
zu widmen und sich zu sagen, ich will nicht nur, dass diese
Arbeitsverhältnis endet. Die Beteiligten müssen selbst-
auch schon gezeigt, wenn es mir schlecht ging und sogar
Wand besser aussieht, ich will auch, dass der Mitarbeiter
verantwortlich darauf achten, dass die Zeiten einigermaßen
in meinem Büro vor Mitarbeitern geweint. Aber dadurch
es nächstes Mal richtig macht. Dazu muss ich vernünftig
ausgeglichen sind.
habe ich, bilde ich mir jedenfalls ein, keinen Milliliter
mit ihm reden.
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Working Heros
China C l ub Berli n
Z u G a s t b e i e i n e m
a u S S e r g e w ö h n l i c h e n
G a s t g e b e r
E i n e e ig e n e
W e l t – a n e i n e m
b e s o n d e r e n O R t
S T A T E M E N T S D E R I N I T I A T O R I N
U N D I N T E R I O R D E S I G N E R I N D E S
C H I N A C L U B B E R L I N
A N N A M A R I A J A G D F E L D
Im exklusivsten Club Deutschlands treffen sich Mitglieder
aus Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und Politik in einem Ambiente,
das dem Luxus fernöstlicher Ästhetik folgt und
kosmopolitisches Denken mit der Liebe zum Detail verbindet.
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China C l ub Berli n
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Lebensart
China C l ub Berli n
Metropole
Berlin ist auf dem Weg, wieder eine europäische
A Home away from Home
Für immer mehr Topleute ist es ein Muss,
Metropole zu werden. Eine Metropole braucht
sich in der aufstrebenden Stadt Berlin einen
Orte, an denen sich die wirtschaftliche, gesell-
“pied-à-terre” zuzulegen. Diese Menschen brau-
schaftliche und kulturelle Elite treffen kann.
chen einen Ort, an dem sie sich zu Hause fühlen
Ich wollte in der Mitte der alten und neuen
können. Für unsere Mitglieder ist der Club ein
deutschen Hauptstadt einen Ort schaffen, an
zweites Zuhause, ein geschütztes Refugium, ein
dem internationales Networking auf höchstem
Ort, an dem sie sich umhegt und geborgen füh-
Niveau möglich ist.
len können, ein diskreter und privater Raum.
GLAMOURÖS & KOSMOPOLITISCH
Der China Club Berlin ist kein traditioneller
EXKLUSIVITÄT
Privatsphäre ist heute zur wahren Exklusi-
Businessclub, sondern ein “Social Club” – Gla-
vität – geworden. Das Exklusive gibt es nur
mourös und Kosmopolitisch. Kein langweiliger
noch dort, wo man sich nicht einfach einkaufen
Männerclub, in dem Headhunter ihre Gesprä-
kann: in „geschlossenen Gesellschaften“ wie
che führen. Im China Club treffen sich Men-
Familien, Freundeskreisen oder privaten Clubs.
schen, die über mehr als nur über Geschäfte
Nicht zufällig läßt sich derzeit eine Rückkehr
reden können und wollen. Der Club bietet den
der Private-Member-Clubs beobachten, vor al-
Rahmen für einen anspruchsvollen, aber unprä-
lem in England und den USA.
tentiösen Lifestyle, für ein luxuriöses und entspanntes
get-together mit Freunden und Gästen
aus der ganzen Welt.
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Lebensart
China C l ub Berli n
INTERIOR DESIGN
Das Interior Design des Clubs ist inspiriert vom
Deco Stil der 30er Jahre und dem legendären
Peace Hotel in Shanghai. Die meisten Möbel
stammen aus dem kolonialen China, aus Privathäusern,
Teehäusern oder Palästen in Peking,
HongKong und Shanghai. Kombiniert habe ich
die Antiquitäten mit modernen Entwürfen, die
sich diesem Stil anpassen. Alle Elemente wurden
eigens für den China Club entworfen und
angefertigt: die Türen, das Treppengeländer,
die Lampen oder die handgeschnitzten Panels
vor den Fenstern.
Ambiente
Das Ambiente des Clubs ist sehr elegant und
gefällt auch Frauen gut. Es ist fast “sexy”, wie
ein Mitglied einmal gesagt hat. Wir wollen auch
Frauen einen Raum zur Verfügung stellen, in
dem sie gesellschaftlich kommunizieren und
Netzwerke pflegen können, aber auch einmal allein
essen gehen können. Das ist ja selbst heute
noch nicht selbstverständlich.
Details
Ein Ambiente ist nur dann stimmig, wenn alle
Details stimmen. Die zwölf antiken handgeschnitzten
und vergoldeten Panele zum Beispiel,
die den Eingang zum Restaurant flankieren, erzählen
viele Geschichten aus der chinesischen
Mythologie. Manche Ornamente, etwa im Treppengeländer,
sind alten chinesischen Musterbüchern
entnommen, die eine jahrhundertealte
Tradition haben. Dasselbe gilt für die Chinoiserien,
die handbemalten Seidentapeten oder für
die Farbe der Wände in der Bar – das klassische
chinesische Rot.
Ästhetik
Asiatische Ästehtik ist heute zu einem wichtigen
Bestandteil des Interior Designs geworden. Das
ist mehr als nur ein Trend. Diese Ästhetik basiert
auf einer jahrtausendealten Philosophie.
Ruhe und Klarheit, Ordnung und Symmetrie
sind die Prinzipien des traditionellen asiatischen
Denkens und des Designs – eine Zeitlosigkeit,
die der schnellebigen Moderne des Westens
häufig fehlt.
Kunst
Die eindrucksvolle Sammlung zeitgenössischer
chinesischer Kunst verleiht den Clubräumen
eine lebendige und urbane Atmosphäre. Zwischen
dem Zauber des alten Asien, fröhlich bezopften
Mädchen und dem Pop-Art-Mao entsteht
ein lebendiger Raum: Inspiration für weitreichende
Gedanken. Zu meinen Lieblingsgemälden
gehören „Lady in a Green Room“ von Chiu
YaTsai, das an einen frühen Modigliani erinnert
und das Bildnis eines Mädchens mit Perlenohrring
von Jiang Guo Fang, das dem gleichnamigen
Bild Vermeers nachempfunden ist.
China
China ist ein Land im Umbruch und die Kunst
reflektiert schon seit Jahren mit einer ungeheuren
Energie die sich permanent verändernden
gesellschaftlichen Strukturen. Die Arbeiten der
jungen Künstler, die alle in der Volksrepublik
leben, entsprechen längst nicht mehr dem
Kunstverständnis der chinesischen Kulturbehörden
– die neue Kunst dient nicht länger der
Politik. Sie ist individuell geworden und subjektiv
und geht neue und eigene Wege.
Networking
Für ein gelungenes Networking ist es wichtig,
dass die Mischung der Club-Mitglieder
stimmt. Interessante Gespräche und Abende
ergeben sich dann, wenn man Menschen aus
unterschiedlichen Bereichen – Kunst, Politik,
Mode, Kultur – zusammenbringt. Auch Menschen
verschiedener Altersgruppen und aus
unterschiedlichen Kulturen und Ländern. Wir
haben Mitglieder aus vielen Ländern, aus Europa,
Amerika, Australien und natürlich auch
aus Asien. Ein guter Gastgeber übrigens bleibt
im Hintergrund und stiehlt seinen Gästen nicht
die Show.
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Themenblock
Lebensart
I m rechten Licht
D i e h e i m l i c h e
R e v o l u t i o n
Wie die
Generation Y
unsere Welt
verändert
K l a u s H u r r e l m a n n
E r i k A L b r e c h t
Dan Academy
for movers
+shakers
Warum ich dieses Buch schreibe
Klaus Hurrelmann
Sie werden vernichtend kritisiert und mit beißenden Vorurteilen konfrontiert, die jungen Leute,
die heute als Anfänger in Ausbildung, Studium und Beruf einsteigen. Mal werden sie als selbstverliebt,
verwöhnt und gleichgültig, mal als egoistisch und leistungsschwach abgestempelt. Das
hat mich geärgert. Zusammen mit dem Journalisten Erik Albrecht wollte ich es genauer wissen.
Wir haben alle Fachstudien zu den Angehörigen der „Generation Y“ ausgewertet und darüber
hinaus viele Interviews und Analysen durchgeführt.
Wer das Buch liest, der lernt: Von dem negativen Bild bleibt nicht
viel übrig. Es stimmt, die jungen Leute sind ganz nüchtern,
und sie gehen in allen Dingen von ihren eigenen individuellen
Wünschen und Bedürfnissen aus. Sie reagieren auf die Tatsache,
dass Lebensläufe heute nicht mehr so einfach planbar sind
wie noch zu Zeiten ihrer Eltern. Vor ihnen liegt ein Dschungel
aus Optionen und Unwägbarkeiten. Sie leben schon heute in der
Welt von morgen. Wer ihnen Angepasstheit vorwirft, hat sie nicht verstanden. Es stimmt, sie
protestieren nicht auf der Straße gegen den Lebensentwurf ihrer Eltern, Lehrer und Professoren
wie die 68er. Doch nicht aus Lethargie heraus - die Ypsiloner glauben einfach nicht daran, auf
den Barrikaden die Probleme der Gesellschaft lösen zu können. Sie unterlaufen scheinbar ewige
Traditionen, mogeln sich sanft um vermeintliche Sachzwänge herum und hebeln still und leise
Gesetzmäßigkeiten aus, die der Gesellschaft bisher unveränderbar erschienen. Die Generation
Y lebt schlicht und einfach, wie sie will. Deshalb nennen wir sie in unserer Analyse "heimliche
Revolutionäre". Denn bei aller Harmonie und Konfliktscheue verändert die Generation Y die
Gesellschaft deutlich grundlegender, als es vielen Kritikern scheint.
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Klaus Hurrelmann ist Professor of Public Health and Education an der
Hertie School of Governance in Berlin. Erik Albrecht ist freier Journalist.
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Lebensart
D i e l e tzt e S e it e
Wie kann ich in meiner Organisation, deren Strukturen
Wo gehöre ich hin, wenn ich als Netzwerk-Arbeiter
sich in dieser globalen Wirtschaft permanent verändern,
ständig in unterschiedlichen Teams arbeite?
eine stabile Wertekultur aufbauen?
Wenn Freizeit und Arbeit immer mehr verschmelzen,
Welche Angebote für Ausbildung, Vorsorge, Wohnen
wann habe ich dann wirklich frei?
und Freizeit kann ich bieten, um im „War for Talent“
an die für uns besten Bewerber zu kommen?
Klimawandel, Terrorismus, Epidemien, Kriege – Wie
kann ich in einer solchen Welt einen wirklichen Sinn in
Kann ich in einer Welt der Ideen und des Wissens
meiner Arbeit finden?
meine Mitarbeiter richtig bewerten und vergleichen?
Ideen pro Minute ist kein passendes Modell.
Mein Arbeitgeber erlaubt mir, wann und wo ich will
zu arbeiten. Nur, wann bekommt er das Gefühl, dass ich
Wie müssen die Arbeitsteams zusammengesetzt sein,
zu wenig leiste, weil er mich selten sieht?
damit sich sowohl Mitarbeiter der Generation
Baby-Boomer als auch smarte Newcomer von der Uni in
Wann wird Technologie endlich wieder menschlicher und
Erfahrung und neuem Wissen gegenseitig befruchten?
haptischer, damit ich mich beim Arbeiten als Mensch und
nicht als PC-Controller erlebe?
Wenn in Organisationen die Netzwerke immer
F r a g e n ,
wichtiger werden, brauchen wir dann nicht eine neue Art
Welche digitalen Fußspuren hinterlasse ich im Netz,
F r a g e n ,
d i e
von Manager, einen Corporate Network Officer?
und inwiefern sollte mein Arbeitgeber diese nachverfolgen
dürfen/können?
d i e
s i c h
Erfülle ich meine Rolle als Manager nicht am besten,
wenn ich mich überflüssig mache? Wie schaffe ich das?
Wie kann ich optimal arbeiten, wenn alle digitalen
s i c h
A r b e i t g e b e r
Und – will ich das überhaupt?
Werkzeuge zum Knowledge-, Task- und Netzwerkmanagement
in meinem Unternehmen aus Sicherheits-
A r b e i t n e h m e r
t ä g l i c h
Wie können wir ehrgeizige Mitarbeiter davor schützen,
sich bis zum Burnout zu überfordern?
gründen verboten sind?
t ä g l i c h
d e n k e n
Wie weit kann ich in einer Welt des ständigen Wandels
Wann stellt sich meine Arbeitsumgebung endlich
automatisch auf meine physische und psychische
d e n k e n
planen – oder hat das Modell der weiten Vorausschau
Verfassung und mein aktuelles Projekt ein?
ausgedient? Schließlich: Wer am exaktesten vorausplant,
den trifft doch der Zufall umso härter?
Wie entscheide ich mich für die richtige berufliche
Laufbahn, wenn mir die Welt mit so vielen Möglichkeiten
Wie kann ich echtes Vertrauen in der Firma herstellen,
offen steht?
wenn meine Mitarbeiter auf der Welt verstreut arbeiten?
Gibt es dann nur noch rein formale Kontrollverfahren?
Warum muss ich zunächst zwei befristete Arbeitsverträge
annehmen, bevor ich unbefristet angestellt werde?
Funktioniert denn der Drahtseilakt, dass Mitarbeiter
kontinuierlich wie Festangestellte für uns arbeiten – und
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!
gleichzeitig eine Art Selbständigen-Status haben?
Hat wirklich Lenin diesen Satz erfunden?
Wie kann ich dafür sorgen, dass in meinem Unternehmen,
trotz aller nötigen internen Konkurrenz, eine fruchtbare
Kommunikation und Zusammenarbeit stattfindet?
danmag | Arb e it 02
80 81
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