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Leseprobe_Marmorstein und Eisen

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„Einspruch, Euer Ehren! Es ist nicht akzeptabel, dass<br />

meinem Mandanten, obwohl ihm keinerlei Verschulden<br />

am Scheitern der Ehe nachgewiesen werden konnte, das<br />

Sorgerecht für seinen Sohn entzogen werden soll!“<br />

Empört sprang ich auf, dabei nicht bedenkend, dass<br />

ich einen kurzen Rock aus Leinen trug, welcher sich<br />

über meinen Schenkeln zusammengeschoben hatte <strong>und</strong><br />

meinem Klienten, dem Richter <strong>und</strong> dem gegnerischen<br />

Anwalt, einen ungehinderten Ausblick auf meine Beine<br />

erlaubte. Ersterer schluckte hörbar, der Zweite bekam<br />

einen roten Kopf <strong>und</strong> der Dritte grinste dreckig. Verdammt,<br />

das hatte auch noch gefehlt …<br />

Rasch zog ich meinen Rock hinunter <strong>und</strong> funkelte Sam<br />

Petersen, den Anwalt der zukünftigen Exfrau meines<br />

Mandanten, wütend an. Petersen war ein arroganter<br />

Mistkerl, der mich jedes Mal, wenn wir im Gerichtssaal<br />

aufeinandertrafen, geradezu beleidigend gönnerhaft<br />

<strong>und</strong> herablassend behandelte, nur weil ich eine Frau<br />

war. Doch wenn er glaubte, dass ich mich von so einem<br />

kleinen modischen Missgeschick aus der Fassung bringen<br />

ließ, dann sollte er sich getäuscht haben. Schließlich<br />

war ich schon viel zu lange Anwältin, um nicht zu<br />

wissen, wie es in dem Dschungel, den man gemeinhin<br />

Gerichtssaal nennt, für gewöhnlich zugeht.<br />

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