AKT ELL5/11 - Volkssolidarität Bundesverband e.V.
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Zeitzeugen Lydia Behme<br />
eingeschult wurde. Bis Ende 1944<br />
wohnten sie auf einem Gutshof,<br />
auf dem ihre Eltern auch arbeiteten.<br />
Teilweise mussten die größeren<br />
Kinder, Frau Behme war die<br />
zweite von fünf Töchtern, auch mit<br />
zufassen. Im Januar 1945 wurden<br />
sie ausgewiesen und verließen auf<br />
einem zweispännigen Pferdewagen<br />
das Gehöft, und es ging im<br />
Treck in Richtung Deutschland.<br />
Wenige Tage zuvor wurde ihr Vater<br />
noch zum Volkssturm eingezogen,<br />
und er kam nie wieder.<br />
Auf der Flucht sind viele Kinder<br />
und ältere Menschen verhungert<br />
und erfroren. Die Leichen wurden<br />
einfach nur in den Straßengraben<br />
gelegt. Auch die verendeten Pferde<br />
säumten den Straßenrand. All<br />
das musste die damals 12jährige<br />
Lydia mit ansehen und es prägte<br />
sich ein in ihr Gedächtnis. Es ging<br />
über viele Stationen, in denen sie<br />
auch immer etwas zu essen bekamen,<br />
übernachten durften, mal im<br />
Freien, mal in einer Scheune oder<br />
aber nur auf dem Pferdewagen, bis<br />
sie dann schließlich in Brodowin<br />
vorerst eine neue Heimat fanden.<br />
Sie wohnten am Weißen See in der<br />
Nähe des Waldes. Nach drei verlorenen<br />
Schuljahren konnte Lydia B.<br />
wieder die Schule besuchen. Aber<br />
die Kinder mussten auch für ihren<br />
Lebensunterhalt und die große Familie<br />
mitarbeiten, sie sammelten<br />
im Wald Holz für den Winter, auf<br />
den abgeernteten Getreidefeldern<br />
wurden Ähren gesammelt und auf<br />
den Äckern Kartoffeln gestoppelt.<br />
Die Mutter durfte sich eine Ziege<br />
und ein paar Hühner halten. Damit<br />
hatten sie stets frische Milch und<br />
Eier. „Endlich konnten wir uns wieder<br />
satt essen“, sagte Frau Behme.<br />
Aufgrund der durch die Wirren<br />
des Krieges und die lange strapaziöse<br />
Flucht verloren gegangene<br />
Schulzeit wurde Lydia Behme<br />
schon aus der 5. Klasse entlassen.<br />
Das war auch ein Grund dafür,<br />
dass sie keinen Beruf erlernen<br />
konnte. 1954 hat sie aber in Berlin<br />
in einem Missionshaus Arbeit gefunden,<br />
sie führte dort Tätigkeiten<br />
in der Hauswirtschaft sowie im<br />
Garten aus. Das hat ihr richtig Spaß<br />
gemacht und sie war mit Begeisterung<br />
dabei.<br />
Als ihre Mutter im Alter von 56<br />
Jahren an Krebs verstarb, wurde<br />
Lydia Behme 1959 von ihrer in Gifhorn<br />
lebenden Cousine aufgenommen.<br />
Dort arbeitete sie wieder in<br />
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