2020 unternehmen [!] Magazin Ausgabe73 Juli 2020
Das Wirtschaftsmagazin im Südwesten. Ausgabe 73 - Juli 2020
Das Wirtschaftsmagazin im Südwesten. Ausgabe 73 - Juli 2020
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<strong>unternehmen</strong> [!] RESSORT 1<br />
Das Wirtschaftsmagazin im Südwesten Ausgabe 73 | <strong>Juli</strong> <strong>2020</strong> | 3,00 €<br />
Voilà Monsieur<br />
Biotech<br />
Kooperationen gehören zur Firmen-DNA: Der<br />
Franzose Frank Mathias führt die Rentschler<br />
Biopharma in die Weltliga der Pharma-Dienstleister.<br />
SANIERUNG<br />
Die Haken und Fallen<br />
bei der Aussetzung der<br />
Insolvenzantragspflicht. Seite 06<br />
HOMEOFFICE<br />
Arbeit zu Hause verändert die<br />
Arbeitseinstellung: Tipps zum<br />
Gegensteuern. Seite 36<br />
UMFRAGE<br />
Wie Führungskräfte im Jahr der<br />
Corona-Pandemie ihren Urlaub<br />
verbringen. Seite 46
2<br />
RESSORT <strong>unternehmen</strong> [!]<br />
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Ulm<br />
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Göppingen
<strong>unternehmen</strong> [!] INHALT 3<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
das Ifo-Institut ist dieses Jahr für Überraschungen<br />
gut: Zu Beginn der Corona-Pandemie war die<br />
Prognose rabenschwarz, nun sagen die Konjunkturforscher<br />
für die zweite Jahreshälfte einen kräftigen<br />
Aufschwung der deutschen Wirtschaft voraus.<br />
Angesichts der massiven Schwierigkeiten von<br />
Autoherstellern, Zulieferern, Maschinenbauern,<br />
Gastronomen, Hoteliers und Dienstleistern möchte<br />
man den Ifo-Experten zurufen: Die Botschaft<br />
hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Denn<br />
eines ist sicher: Die Corona-Pandemie hat das<br />
exportorientierte Geschäftsmodell des Standorts<br />
stark in Mitleidenschaft gezogen. Fast jede fünfte<br />
Firma sieht sich in ihrer Existenz bedroht. Das<br />
Thema Sanierung (Seite 6) dürfte daher in der<br />
zweiten Jahreshälfte ein großes werden.<br />
Doch es gibt in dieser unsicheren Zeit auch Beispiele,<br />
die Mut machen: Frank Mathias, Chef der<br />
Rentschler Biopharma aus Laupheim, berichtet<br />
im Titelinterview, wie er den Pharma-Dienstleister<br />
für die Zukunft fit macht (Seite 10). Auch die<br />
Porträts von Mocupinus und Lehner Agrar zeigen,<br />
wie Mittelständler erfolgreich ihren Weg gehen.<br />
Ich wünsche Ihnen anregende Lektüre!<br />
Ihr Alexander Bögelein,<br />
Redaktionsleiter <strong>unternehmen</strong> [!]<br />
FINANZIEREN<br />
6 Die Gefahr steckt im Detail<br />
Fallstricke bei Sanierungen<br />
TITELTHEMA<br />
10 Biotech-Arznei der Zukunft<br />
Frank Mathias, Vorstandschef der<br />
Rentschler Biopharma, im Gespräch<br />
SPEZIAL<br />
20 Nur das Beste für die Kinder<br />
Immer mehr Eltern schicken ihren Nachwuchs<br />
auf Privatschulen<br />
28 Die Stimmung ist der Star Wie Händler<br />
Wohlbefinden und Orientierung schaffen<br />
36 Kampf dem Schlabberlook<br />
Tipps gegen die Schattenseiten<br />
des Homeoffice<br />
MACHEN<br />
24 Gekommen, um zu bleiben<br />
Datagroup Ulm ist wieder in der Gewinnzone<br />
38 Alles Holz – oder was?<br />
Mocopinus setzt auf Design und Sonderlösungen<br />
40 Wachstum als Geschäft<br />
Lehner Agrar besetzt Nischen<br />
VERANTWORTEN<br />
32 Auf der Rüttelpiste<br />
Für Zulieferer kommt es knüppeldick<br />
34 Mit Hochdruck unterwegs<br />
Aufgaben und Verantwortung der Facility<br />
Manager nehmen zu<br />
LEBEN<br />
42 Aus Liebe zur Kunst<br />
Gudrun Selinka hütet die Sammlung, die sie<br />
mit ihrem Mann aufgebaut hat<br />
46 Urlaub im Corona-Jahr<br />
Umfrage unter Führungskräften<br />
NAMEN & NACHRICHTEN<br />
4 Sedelhöfe-Eröffnung in Etappen<br />
18 Summende Kollegen bei Hymer<br />
50 Kein Pächter fürs Bootshaus<br />
50 Impressum<br />
24 34 38<br />
42<br />
06
4<br />
NAMEN & NACHRICHTEN <strong>unternehmen</strong> [!]<br />
Eröffnung in Etappen<br />
Sedelhöfe Die ersten Kunden lockt das neue Quartier in der Ulmer Innenstadt bereits an.<br />
Bis alle Flächen belegt sind, wird es aber voraussichtlich noch einige Zeit dauern.<br />
Ulmer Innenstadt Hundert potenzielle<br />
Kunden standen schon<br />
wartend vor der Eingangstür als<br />
sich am 17. Juni pünktlich um<br />
10 Uhr die Türen zum Zalando-Outlet<br />
in den Sedelhöfen öffneten.<br />
Das 1600 Quadratmeter<br />
großen Verkaufsgeschäft auf<br />
zwei Etagen ging vier Wochen<br />
vor der eigentlichen Eröffnung<br />
des neuen Quartiers am Eingang<br />
der Ulmer Einkaufsstraße als<br />
erstes Geschäft an den Start.<br />
Während etwa der Lebensmittler<br />
Edeka und die Drogerie DM<br />
Mitte <strong>Juli</strong> zur offiziellen Eröffnung<br />
nachziehen, stehen auch<br />
dann immer noch knapp 40 Prozent<br />
der Ladenflächen leer, wie<br />
der Investor DC zuletzt mitteilte.<br />
Infolge der Corona-Pandemie<br />
pausierten Gespräche mit<br />
etwaigen Mietern.<br />
Verzögerungen aufgrund der<br />
Pandemie gibt es derweil auch<br />
beim feststehenden Mieter Mc-<br />
Donald’s. Die Fastfoodkette sollte<br />
zum Start der Sedelhöfe eigentlich<br />
an ihrem alten Standort,<br />
nun im neuen Quartier, öffnen<br />
und im Zuge dessen rasch<br />
den Container in der Bahnhofstraße<br />
abbauen, der für die Zeit<br />
der Großbaustelle als Lokal<br />
diente. Wann die Burger und<br />
Fritten der Kette in den neuen<br />
Räumlichkeiten verkauft werden,<br />
ist derzeit noch nicht klar.<br />
Insgesamt umfasst das Projekt<br />
Sedelhöfe 18 000 Quadratmeter<br />
(m 2 ) Fläche für Handel,<br />
1500 m 2 für Gastronomie,<br />
7500 m 2 für Büros und Praxen<br />
sowie etwa 6500 m 2 für 112 Wohnungen<br />
mit einer<br />
Größe von 22 bis<br />
90 Quadratmetern.<br />
Für letztere<br />
haben sich mehr<br />
als 200 Interessenten<br />
gemeldet,<br />
erklärt der Investor.<br />
Zum Start im<br />
<strong>Juli</strong> sollen zudem<br />
die Tiefgarage mit<br />
rund 700 Stellplätzen<br />
und der neu<br />
geschaffene<br />
Albert-Einstein-Platz fertig<br />
sein.[!]<br />
jkl<br />
Der Zuspruch ist da: Für einen Blick in das Zalando-Outlet standen<br />
die Kunden am Eröffnungstag Schlange. Fotos: Matthias Kessler<br />
Zwischen Frust und Erleichterung<br />
Kaufhof Die Einkaufsstadt Göppingen<br />
verliert einen weiteren<br />
Magneten. Die Kaufhof-Filiale<br />
in der Bleichstraße wird offenbar<br />
bereits Ende Oktober für immer<br />
ihre Türen schließen. Dann<br />
erwartet bis zu 50 Kaufhof-Mitarbeiter<br />
am Standort Göppingen<br />
die Kündigung. Der Standort gehört<br />
damit zu den insgesamt 62<br />
Filialen des Karstadt-Kaufhof-Konzerns<br />
der den angekündigten<br />
Sparplan des Unternehmens<br />
nicht überstehen wird. Die<br />
Hiobsbotschaft schockte Angestellte<br />
wie auch Vertreter der<br />
Lokalpolitik. „Es nützt nichts,<br />
drum herum zu reden. Das ist<br />
ein großer Verlust für die Stadt“,<br />
Die Göppinger Filiale steht vor<br />
dem Aus. Foto: Giacinto Carlucci<br />
sagte der Oberbürgermeister<br />
Guido Till.<br />
Was das Kaufhof-Aus für die<br />
Bleichstraße, das neue Einkaufszentrum<br />
und die ganze östliche<br />
Innenstadt bedeutet, vermochte<br />
Guido Till gestern noch nicht<br />
abzuschätzen. Es werde vielleicht<br />
gelingen, neue Mieter zu<br />
finden, aber eben nicht mehr das<br />
Warenhaus. „Ich hoffe aber, dass<br />
die Lücke geschlossen werden<br />
kann“, sagte Till. Simon Schenavsky,<br />
Eigentümer der Kaufhof-Immobilie<br />
und Bauherr des<br />
100 Millionen Euro teuren Einkaufszentrums<br />
„Agnes“, das unmittelbar<br />
daneben entsteht,<br />
zeigt sich zunächst kämpferisch.<br />
„Für uns ist Kaufhof noch nicht<br />
ausgezogen.“ Dennoch müsse<br />
man sich gemeinsam mit der<br />
Stadt überlegen, wie es mit dem<br />
Gebäude weitergeht, sollte Karstadt<br />
tatsächlich schließen.<br />
In Ulm konnte die Belegschaft<br />
der Galeria Kaufhof dagegen<br />
aufatmen. Das Kaufhaus<br />
in der Bahnhofstraße steht nicht<br />
auf der Streichliste des Unternehmens.<br />
So bleibt nicht nur das<br />
15 000 Quadratmeter große Warenhaus<br />
erhalten, auch die 114<br />
Mitarbeiter behalten ihre Arbeitsplätze.<br />
Mehr Frequenz soll<br />
nun eine Aldi-Filiale im Untergeschoss<br />
bringen, die Mitte <strong>Juli</strong><br />
eröffnet. [!]<br />
jkl
<strong>unternehmen</strong> [!] NAMEN & NACHRICHTEN 5<br />
Hensoldt erhält Zuschlag für neue Radare<br />
Rüstung Der Radarspezialist<br />
Hensoldt rechnet nach der Entscheidung<br />
des Bundestags für<br />
ein neues Radarsystem in den<br />
Eurofightern vor allem an seinem<br />
Standort Ulm, aber auch in<br />
Taufkirchen und in Friedrichshafen<br />
mit bis zu 400 zusätzlichen<br />
hochqualifizierten Arbeitsplätzen.<br />
Demnach entfallen alleine<br />
auf Hensoldt mehr als<br />
1,5 Milliarden Euro des Budgets,<br />
das für die Modernisierung der<br />
Sensorik des Radars in der gesamten<br />
Eurofighter-Flotte vorgesehen<br />
ist. Das Rüstungs<strong>unternehmen</strong><br />
betrachtet die Entscheidung<br />
als ein „positives Signal für<br />
den Technologie-Standort<br />
Deutschland“.<br />
Mit der Entscheidung für das<br />
AESA übernehme Deutschland<br />
außerdem erstmals eine „Vorreiterrolle<br />
im Bereich der<br />
Schlüsseltechnologie für den<br />
Eurofighter“. Bislang war das<br />
Konsortium unter britischer<br />
Führung. Es handle sich um ein<br />
wichtige Investition,<br />
die „für die europäische<br />
Verteidigungskooperation<br />
von entscheidender<br />
Bedeutung ist“.<br />
Hensoldt befindet sich im Besitz<br />
des US-amerikanischen Finanzinvestors<br />
KKR. Das Unt ernehmen<br />
mit Sitz in Taufkirchen<br />
beschäftigt in Ulm etwa 2000<br />
Mitarbeiter.<br />
Der Bundestag hat zudem die<br />
Beschaffung von vier Mehrzweckkampfschiffen<br />
des Typs<br />
MKS 180 für die Marine genehmigt.<br />
Dafür liefert Hensoldt<br />
ebenfalls vier auf der gleichen<br />
Technologie basierende Radare.<br />
[!]<br />
kö<br />
Die Sensorik der Radare in der<br />
gesamten Eurofighter-Flotte soll<br />
modernisiert werden. <br />
Geldsegen<br />
für das ZSW<br />
Forschungsfabrik Das Ulmer<br />
Zentrum für Sonnenenergie und<br />
Wasserstoffforschung (ZSW)<br />
kann mit einer weitreichenden<br />
Förderung rechnen. Das verkündete<br />
Steffen Bilger, Parlamentarischer<br />
Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium,<br />
kürzlich<br />
bei einem Besuch am Oberen<br />
Eselsberg. In den<br />
kommenden Jahren werde der<br />
Steffen<br />
Bilger hatte<br />
gute Nachrichten<br />
für<br />
das ZSW.<br />
Bund die<br />
HyFab-Forschungsfabrik<br />
für Brennstoffzellen<br />
und Wasserstoff<br />
mit bis<br />
zu 30 Millionen<br />
Euro fördern.<br />
Damit solle der<br />
Technologievorsprung<br />
Deutschlands in<br />
der Brennstoffzellenforschung<br />
gegenüber<br />
Wettbewerbern aus Asien und<br />
Amerika gefestigt werden.<br />
Wichtig sei dabei, nun die Beteiligung<br />
der Industrie sicherzustellen.<br />
[!]jkl<br />
Mehr Platz für<br />
Teamviewer<br />
Göppingen Eigentlich war das<br />
Gebäude als neues Rathaus geplant,<br />
in den kommenden Wochen<br />
zieht nun aber der IT-Spezialist<br />
Teamviewer in die Räumlichkeiten<br />
in der Göppinger Innenstadt.<br />
Bis zu drei Monate soll<br />
der Umzug dauern. Den bisherigen<br />
Standort in der Jahnstraße<br />
will das Unternehmen anders<br />
als ursprünglich geplant zunächst<br />
weiter nutzen – aufgrund<br />
der coronabedingten Abstandsregelungen.<br />
Daher habe man<br />
den Mietvertrag im jetzigen<br />
Hauptsitz bis Juni 2021 verlängert<br />
und werde vermutlich zunächst<br />
einmal beide Gebäude<br />
nutzen. Derweil denkt Oberbürgermeister<br />
Guido Till bereits<br />
über weitere Expansionsmöglichkeiten<br />
für das IT-Unternehmen<br />
nach. Ein Teil des Müller-Geländes<br />
könnte dem Rathauschef<br />
zufolge als Reservefläche<br />
für Teamviewer oder aber<br />
auch andere Firmen vorgehalten<br />
werden. Die Überlegungen dazu<br />
stünden derzeit aber erst am<br />
Anfang. [!]jkl<br />
Bader schließt Senden<br />
Konjunktur Die Stimmung in<br />
den Unternehmen in der Region<br />
ist infolge der Corona-Pandemie<br />
im Keller. Das ist das Ergebnis<br />
der jüngsten Umfrage<br />
der IHK Schwaben. 35 Prozent<br />
der befragten Unternehmen aus<br />
dem Landkreis Neu-Ulm beurteilen<br />
ihre Lage als „schlecht“,<br />
im Herbst 2019 lag dieser Wert<br />
noch bei 15 Prozent. In der aktuellen<br />
Umfrage erwarten zudem<br />
26 Prozent, dass sich die<br />
Industrie Der Stammsitz der<br />
Metall-Firma Bader in Senden<br />
hat keine Zukunft. Sämtliche potenzielle<br />
Investoren haben laut<br />
der Gewerkschaft IG Metall kein<br />
Interesse am Erhalt des Standorts<br />
in der Robert-Bosch-Straße.<br />
Das deutlich kleinere Werk<br />
in Babenhausen (Unterallgäu)<br />
sei völlig ausreichend und zudem<br />
moderner. Über 80 Mitarbeiter<br />
haben vor Beginn der Insolvenz<br />
bei Bader in Senden gearbeitet.<br />
Nach den momentanen<br />
Plänen sollen 20 Beschäftigte<br />
ein Übernahmeangebot für<br />
Babenhausen, sowie die 12 Auszubildenden.<br />
Bereits im März<br />
wurde 35 Mitarbeitern gekündigt,<br />
nun sollen 8 weitere Entlassungen<br />
hinzukommen. Das<br />
Unternehmen befindet sich seit<br />
Ende 2019 in einem Insolvenzverfahren.<br />
[!]<br />
jkl<br />
Stimmung im Sturzflug<br />
Geschäfte weiter verschlechtern,<br />
50 Prozent gehen von einer<br />
Stagnation aus. Die Corona-Krise<br />
schlägt auf die Unternehmen<br />
in der Region voll<br />
durch: 42 Prozent der befragten<br />
Betriebe in Westschwaben<br />
mussten ihre Personalkapazitäten<br />
an die schwächere Nachfrage<br />
anpassen. Überwiegend über<br />
Kurzarbeit, 27 Prozent haben<br />
aber auch schon frei werdende<br />
Stellen gestrichen. [!] jkl
6<br />
FINANZIEREN <strong>unternehmen</strong> [!]<br />
Die befristete Aussetzung<br />
der Insolvenzantragspflicht<br />
bereitet<br />
immer mehr Ökonomen<br />
Sorgen. Was mitten in der<br />
Corona-Krise als gute Idee erschien,<br />
könnte für viele Unternehmen<br />
zum Bumerang werden.<br />
So rechnet Gabriel Felbermayr,<br />
Chef des Instituts für Weltwirtschaft<br />
(IfW), im Herbst mit einem<br />
massiven Anstieg der Insolvenzen,<br />
wenn voraussichtlich<br />
Anfang Oktober die Pflicht wieder<br />
einsetzt. Viele krisengeplagte<br />
Firmen könnten dann aufgrund<br />
einer Überschuldung Insolvenz<br />
anmelden müssen. „Es<br />
gibt ‚Zombie‘-Firmen, die in den<br />
vergangenen Wochen nur deshalb<br />
überleben konnten, weil sie<br />
durch staatliche Notkredite gestützt<br />
wurden. Da wird es noch<br />
ein böses Erwachen geben“,<br />
warnte Felbermayr vor kurzem<br />
in einem Interview.<br />
Aussicht auf Finanzierung<br />
Sanierungsexperten mahnen daher<br />
Firmenverantwortliche, einen<br />
Insolvenzantrag mit Blick<br />
auf die derzeit geltende Rechtslage<br />
nicht komplett beiseite zu<br />
schieben. „Viele Unternehmer<br />
sind der irrigen Annahme, die<br />
Insolvenzantragspflichten sind<br />
generell ausgesetzt. Doch<br />
das stimmt nicht“,<br />
sagt Burkhard<br />
Jung, Vorsitzender<br />
des Fachverbandes<br />
Sanierungs- und Insolvenzberatunges<br />
im Bundesverband<br />
Die Gefahr<br />
steckt<br />
im Detail<br />
Sanierung Die aufgrund der Corona-<br />
Krise ausgesetzte Pflicht zum<br />
Insolvenzantrag wiegt Firmenchefs in<br />
falscher Sicherheit. Auf was<br />
Verantwortliche jetzt achten müssen.<br />
Deutscher Unternehmensberater<br />
(BDU). Die Aussetzung gelte<br />
nur, wenn die Insolvenz Corona-bedingt<br />
sei und Aussicht<br />
auf Finanzierung bestehe – und<br />
diese beiden Bedingungen<br />
müssten laufend geprüft und erfüllt<br />
werden. „Anderenfalls riskiere<br />
ich als Verantwortlicher in<br />
eine strafbewehrte Situation<br />
wegen Insolvenzverschleppung<br />
zu geraten.“ Auch Lucas Flöther,<br />
Sprecher des Gravenbrucher<br />
Kreises, einem Zusammenschluss<br />
führender Insolvenzverwalter,<br />
warnt davor, die Aussetzung<br />
als Freibrief zu betrachten:<br />
„Ich muss als Verantwortlicher<br />
belegen, dass mein Unternehmen<br />
zum 31. Dezember 2019<br />
noch nicht zahlungsunfähig war<br />
und dass ich im Herbst <strong>2020</strong><br />
wieder zahlungsfähig bin.“<br />
Diesen Sachverhalt gut zu dokumentieren,<br />
ist eine Herausforderung,<br />
die in vielen Fällen nur<br />
mit professioneller Unterstützung<br />
zu meistern ist, weiß Flöther<br />
aus seiner Berufspraxis.<br />
Denn dafür reicht ein Gewinnausweis<br />
im Jahresabschluss für<br />
2019 selten aus. „Sich allein darauf<br />
zu verlassen, halte ich für<br />
brandgefährlich. Die insolvenzrechtlichen<br />
Eröffnungsgründe –<br />
Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung<br />
– sind nicht eins zu<br />
eins aus der Bilanz ablesbar“,<br />
sagt Flöther.<br />
Ein Gewinnausweis<br />
reicht selten als Beleg<br />
dafür, dass die Firma<br />
zum 31. Dezember<br />
zahlungsfähig war.<br />
ILLUSTRATIONEN: MAX MESCHKOWSKI
<strong>unternehmen</strong> [!] FINANZIEREN 7<br />
Er rät, sich einen Sanierungsexperten<br />
oder einen auf Insolvenzrecht<br />
spezialisierten Anwalt<br />
ins Haus zu holen – gegebenenfalls<br />
beides. „Das ist alleine<br />
schon für den Fall sinnvoll,<br />
dass die Finanzkalkulation<br />
des Unternehmens für<br />
die nächsten Monate<br />
nicht aufgehen sollte oder<br />
im Einzelfall die Aussetzung<br />
der Antragspflicht<br />
gar nicht zur Anwendung<br />
kommt.“ Dann drohten<br />
Schadensersatzforderungen<br />
der Gläubiger und die Geschäftsführung<br />
müsse damit<br />
rechnen, mit ihrem persönlichen<br />
Vermögen zu haften.<br />
Erste Aufgabe des Sanierungsexperten<br />
ist es, zu klären,<br />
was an verfügbarer Liquidität<br />
wirklich vorhanden ist und welche<br />
fälligen Verbindlichkeiten<br />
dem gegenüberstehen. Nicht<br />
selten tritt dann ein Moment der<br />
Ernüchterung ein. „Die Liquiditätssituation<br />
ist selten so gut ist,<br />
wie von der Geschäftsführung<br />
gedacht“, berichtet Flöther. „Ich<br />
erlebe es immer wieder, dass<br />
auch bei sehr großen Unternehmen<br />
eine systematische Liquiditätsplanung<br />
nicht oder nur lückenhaft<br />
vorhanden ist. Bei<br />
Konzernen brauche ich zudem<br />
eine Planung für jede einzelne<br />
rechtliche Einheit.“<br />
Den vollständigen Überblick<br />
zu bekommen, dauert meistens<br />
Wochen. Am Ende steht häufig<br />
die Frage im Raum: Ist noch was<br />
zu retten? Grundsätzlich gilt: Je<br />
weiter ein Unternehmen von<br />
der Zahlungsunfähigkeit ent-<br />
Lässt sich mitunter noch flicken: Wenn Unternehmer sich rechtzeitig Hilfe holen, kann eine Insolvenz<br />
möglicherweise verhindert werden.<br />
Für die meisten<br />
Unternehmer<br />
ist das eine extrem<br />
emotionale<br />
Situation.<br />
Burkhard Jung<br />
Vorsitzender BDU-Fachverband<br />
fernt ist, desto größer sind die<br />
Überlebenschancen. Deswegen<br />
ist es sinnvoll, eine Sanierung so<br />
früh wie möglich einzuleiten.<br />
Mit einem Sanierungsexperten<br />
an der Seite signalisiert die<br />
Geschäftsführung Finanzierungspartnern<br />
Handlungswille<br />
und Veränderungsbereitschaft.<br />
Das eröffnet häufig die Chance,<br />
neue Darlehen zu akquirieren<br />
oder durch Gespräche mit Gläubigern<br />
eine sich abzeichnende<br />
Krise abzuwenden. „Eine Wagenburgmentalität<br />
ist in dieser<br />
Situation auf jeden Fall fehl am<br />
Platze“, sagt Experte Jung.<br />
Der Sanierungsberater ist<br />
sich aber darüber im Klaren,<br />
dass ein guter Berater in dieser<br />
Situation Einfühlungsvermögen<br />
beweisen muss: „Für die meisten<br />
Unternehmer ist das eine extrem<br />
emotionale Situation, weil<br />
nicht nur ihr Betrieb, sondern<br />
auch ihre soziale Reputation auf<br />
dem Spiel steht“, sagt Jung. „Zudem<br />
verwenden sie sehr viel Arbeitszeit<br />
darauf, die Krisensituation<br />
zu managen anstatt ihren<br />
Betrieb zu führen.“ Das binde<br />
sehr viele Ressourcen und führe<br />
meist dazu, nicht mehr über<br />
den Tellerrand zu schauen.<br />
„Im schlechtesten Fall laufen<br />
sie irgendwelchen Fantasievorstellungen<br />
nach oder setzen auf<br />
das Prinzip Hoffnung.“ Ein er-
8<br />
FINANZIEREN <strong>unternehmen</strong> [!]<br />
Neue Liquiditätshilfe<br />
Unternehmen und Selbstständige,<br />
deren Geschäft wegen der Corona-Krise<br />
weggebrochen ist, können ab diesem<br />
Monat eine Überbrückungshilfe beantragen<br />
– auch dann, wenn sie bereits<br />
Soforthilfe bekommen haben. Die Überbrückungshilfe<br />
wird gezahlt, wenn der<br />
Umsatz in den Monaten April und Mai<br />
<strong>2020</strong> um 60 Prozent unter den entsprechenden<br />
Vorjahresmonaten liegt<br />
und der Umsatz in einem der Monate<br />
Juni, <strong>Juli</strong> und August <strong>2020</strong><br />
um mindestens 40 Prozent niedriger<br />
war als im Vorjahr. Die Anträge<br />
auf Überbrückungshilfe müssen über<br />
einen Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer<br />
gestellt werden, der die notwendigen<br />
Angaben aufbereiten und bestätigen<br />
muss. Gefördert werden<br />
bestimmte monatliche Fixkosten<br />
wie Miete etc. mit einem<br />
nicht-rückzahlbaren<br />
Zuschuss. Eine bereits<br />
erhaltene Soforthilfe<br />
wird<br />
anteilig angerechnet.<br />
Gemeinsam mit einem Rechtsanwalt oder Sanierungsberater können<br />
Unternehmer ihren Betrieb häufig aus der Schieflage retten.<br />
Zur Person<br />
Burkhard Jung ist<br />
Vorsitzender des<br />
BDU-Fachverbandes<br />
Sanierungs- und Insolvenzberatung.<br />
Er<br />
ist außerdem Geschäftsführer<br />
der<br />
Restrukturierungspartner<br />
RSP.<br />
fahrener Sanierungsberater kann<br />
diese Blockade erfolgreich aufbrechen.<br />
„Einerseits psychologisch, indem<br />
wir gemeinsam analysieren,<br />
dass die Situation Corona-bedingt<br />
ist und nicht auf persönliche Fehlentscheidungen<br />
des Unternehmers<br />
zurückzuführen ist“, erläutert Jung<br />
den Ansatz. „Andererseits betriebswirtschaftlich,<br />
indem wir den Blick<br />
nach vorne richten und realistische<br />
Planungen anstoßen.“ Ein guter Berater<br />
sei dabei Sparringspartner und<br />
Problemlöser. Er helfe, verschiedene<br />
Zukunftsszenarien zu entwickeln.<br />
„Die Grundlage dafür wird im Dialog<br />
zwischen Unternehmer und Berater<br />
erarbeitet und auch die Frage<br />
besprochen, welche Wahrscheinlichkeiten<br />
es gibt und welche zusätzlichen<br />
Optionen verfügbar sind“, beschreibt<br />
Jung den Prozess.<br />
Doch nicht erst, wenn eine Krisensituation<br />
da ist, spricht einiges<br />
dafür, einen Sanierungsexperten an<br />
Bord zu holen. „Eine valide, den insolvenzrechtlichen<br />
Grundsätzen<br />
standhaltende Liquiditätsplanung<br />
ist betriebswirtschaftlich klug, weil<br />
die Unternehmensführung dadurch<br />
viel früher gegensteuern kann“, ist<br />
Flöther überzeugt. Aber was ist,<br />
wenn ganz akut die Insolvenz droht?<br />
„Dann sollten Berater und Unternehmensführung<br />
zuerst ermitteln,<br />
wie die drohende Zahlungsunfähigkeit<br />
entstanden ist“, empfiehlt er.<br />
„Fakt ist: Diese Situation kommt in<br />
Fakt ist:<br />
Diese Situation<br />
kommt in der<br />
Regel nicht aus<br />
heiterem Himmel.<br />
Lucas Flöther<br />
Sprecher Gravenbrucher Kreis<br />
der Regel nicht aus heiterem Himmel.<br />
Dafür gibt es Ursachen.“<br />
Die Frage sei dann, ob es das Unternehmen<br />
aus eigener Kraft schafft,<br />
aus dieser schwierigen Situation<br />
herauszukommen. „Oder, ob es den<br />
Werkzeugkasten des Sanierungsrechts<br />
braucht, mit dem ich mich<br />
zum Beispiel von langfristigen Verträgen<br />
durch Sonderkündigungsrechte<br />
lösen oder Personal effizient<br />
abbauen kann.“ Die frühzeitige Investition<br />
in einen Sanierungsexperten<br />
oder einen auf das Insolvenzrecht<br />
spezialisierten Anwalt zahle<br />
sich in dieser Situation meist aus.<br />
So setzen sich die Unternehmensverantwortlichen<br />
etwa nicht dem<br />
Verdacht aus, die Insolvenz verschleppt<br />
zu haben. „Mit dem Experten<br />
kann zudem in ausreichender<br />
Zeit ein Plan B erarbeitet werden“,<br />
sagt Flöther. Trete der Fall der drohenden<br />
Zahlungsunfähigkeit tatsächlich<br />
ein, könne dann meistens<br />
eine Regelinsolvenz vermieden werden,<br />
die auf Zerschlagung und Liquidation<br />
ausgerichtet ist. „Stattdessen<br />
wird wahrscheinlich erfolgreich<br />
ein Schutzschirmverfahren oder Eigenverwaltungsverfahren<br />
erreicht,<br />
mit dem die Verantwortlichen die<br />
Zügel in der Hand behalten“, erläutert<br />
der Sprecher des Gravenbrucher<br />
Kreises. „Das setzt aber voraus<br />
– und das fordern auch die Gerichte<br />
und Gläubiger – dass der Unternehmer<br />
insolvenzrechtliche Expertise<br />
auf seiner Seite hat.“ [!]<br />
<br />
Thomas Luther
<strong>unternehmen</strong> [!] RESSORTAnzeige<br />
9<br />
Wege und Chancen aus der Krise<br />
Kurzarbeit, steuerliche Herabsetzungsanträge,<br />
Änderungen der Mehrwertsteuersätze,<br />
Liquiditätsengpässe: Viele Unternehmen<br />
sehen sich derzeit mit einem<br />
veränderten Branchen- und Wettbewerbsumfeld<br />
konfrontiert. Damit wird die Corona-Krise<br />
für viele Unternehmen zum Belastungstest.<br />
Die multidisziplinäre Wirtschaftskanzlei<br />
Sonntag & Partner beschreibt einzelne Maßnahmen<br />
und Wege aus der COVID-19-Krise<br />
und erkennt in der Restrukturierung oftmals<br />
auch Potential. Nicht nur zum Umdenken,<br />
sondern auch zur unternehmerischen Neuorientierung.<br />
Ein erster Schritt aus der Krise<br />
Viele Unternehmen befinden sich aktuell in<br />
einer schwierigen Situation. Auf einmal ist<br />
nichts mehr wie zuvor. Ein wichtiger erster<br />
Schritt ist es, gemeinsam mit der Geschäftsführung,<br />
den Anteilseignern aber auch Gläubigern,<br />
wie zum Beispiel Banken, individuelle<br />
Handlungsoptionen auszuarbeiten, um den<br />
Weg aus der Krise zu bahnen.<br />
Wettbewerbsvorteile schaffen<br />
Für Unternehmen, die sich bereits in akuten<br />
Schwierigkeiten befinden, empfiehlt sich ein<br />
Sanierungskonzept zur Vorlage bei Kreditinstituten<br />
und Gesellschaftern. Dieses Konzept<br />
kann gleichzeitig der Managementleitfaden<br />
zum sogenannten „Turnaround“, dem<br />
Wiedererreichen der Gewinnzone, werden.<br />
Die Krise als Chance nutzen? Ein Restrukturierungskonzept<br />
bietet die Möglichkeit,<br />
nicht zukunftsorientierte Prozesse und „aufgeblähte“<br />
Kostenstrukturen abzubauen und<br />
damit einen Wettbewerbsvorteil zu schaffen.<br />
Aufgrund gestiegener Kreditvolumen, beispielsweise<br />
durch die Aufnahme von „Corona-Hilfskrediten“,<br />
ist bei zahlreichen Unternehmen<br />
eine deutliche finanzielle<br />
Mehr belastung durch den zu leistenden<br />
Kapital dienst zu beobachten. Um in Zukunft<br />
bei gleicher Ertragssituation einen vergleichbaren<br />
Erfolg auf Vorkrisen-Niveau zu<br />
erzielen und um künftige Liquiditätsengpässe<br />
zu vermeiden, kommen viele Unternehmen<br />
um Restrukturierungskonzepte<br />
nicht herum.<br />
Der richtige Handlungszeitpunkt<br />
Handlungsspielraum und Sanierungschancen<br />
nehmen in Krisenzeiten ab. Gleichzeitig<br />
steigt der Handlungsdruck. Es empfiehlt sich<br />
daher, die wirtschaftliche Situation rechtzeitig<br />
zu analysieren. Die aktuelle Unternehmensstruktur<br />
und –strategie sollte in<br />
diesem Zusammenhang hinterfragt werden.<br />
Bei der Erstellung von integrierten Planungsrechnungen<br />
und der Entwicklung von Maßnahmenkatalogen<br />
treten dabei oftmals betriebswirtschaftliche,<br />
steuerliche oder auch<br />
rechtliche Fragen auf.<br />
Wenn die Krise rechtzeitig erkannt wird und<br />
die entsprechenden Restrukturierungsmaßnahmen<br />
zielgerichtet umgesetzt werden,<br />
stehen die Chancen gut, eine Liquiditätskrise<br />
und einen umfassenden Sanierungsprozess<br />
zu umgehen, um schlussendlich die<br />
Insolvenz des Unternehmens zu verhindern.<br />
Über Sonntag & Partner:<br />
Um Unternehmen erfolgreich aus der Krise zu<br />
begleiten, bietet die multidisziplinäre<br />
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juergen.baur@sonntag-partner.de
Führt eines der Aushängeschilder des<br />
Biotech-Standorts Baden-Württemberg:<br />
der promovierte Immunologe<br />
Frank Mathias.
<strong>unternehmen</strong> [!] TITELTHEMA 11<br />
Arznei, passend<br />
wie ein Maßanzug<br />
Rentschler Biopharma Die Zukunft gehört individualisierten Medikamenten. Als einer der<br />
führenden Dienstleister spielen die Biotech-Experten aus Laupheim in der Pharmawelt eine<br />
wichtige Rolle. Vorstandschef Frank Mathias über den Weg zu einem multinationalen<br />
Unternehmen, die Kraft von Kooperationen und ungewöhnliche Ansätze.<br />
Was hat Sie an der Corona-Pandemie erstaunt?<br />
Dr. Frank Mathias: Mich hat überrascht, wie hilflos<br />
und anfällig wir im 21. Jahrhundert noch bei so einer<br />
Infektion sind. Und obwohl die Medizin und<br />
die Pharmabranche bei vielen Krankheiten bereits<br />
große Fortschritte gemacht haben, lässt dieses Virus<br />
die Welt fast auseinanderbrechen.<br />
Wie gut war die Rentschler Biopharma vorbereitet?<br />
Als ein Pharma<strong>unternehmen</strong> wahrscheinlich besser<br />
als Unternehmen in anderen Bereichen, auch<br />
weil wir strengeren Regeln unterliegen und wir eine<br />
Expertise im Umgang mit Viren haben. So haben<br />
wir bereits Ende Januar die ersten Maßnahmen ergriffen<br />
und eine Task-Force zur Infektionsprävention<br />
gebildet.<br />
Welche Lehren haben Sie persönlich<br />
gezogen?<br />
Persönlich habe ich daraus gelernt,<br />
welche übergeordnete Verantwortung<br />
wir als Pharma<strong>unternehmen</strong><br />
haben und wie wichtig es ist, dass<br />
die Branche so schnell wie möglich<br />
ein Medikament findet und<br />
den Menschen helfen kann. Möglicherweise<br />
werden wir ja eines<br />
dieser Medikamente auch herstellen. Das Zweite<br />
ist, dass wir uns als Unternehmen noch strengere<br />
Regeln zur Prävention auferlegt haben, die wir auch<br />
so schnell nicht aufweichen. Es wird möglicherweise<br />
leider noch länger dauern, bis es Impfstoffe und<br />
Medikamente im großen Maßstab geben wird.<br />
Verändert Corona dauerhaft die Arbeitsweise bei<br />
Rentschler Biopharma?<br />
Das Arbeiten in Schichten – auch außerhalb der reinen<br />
Produktion, Homeoffice und viele andere Maßnahmen<br />
waren zunächst einmal eine sofortige Reaktion.<br />
Nun schauen wir, was wir daraus langfristig<br />
lernen können, um zukünftig noch effektiver zu<br />
arbeiten.<br />
Das ist ein<br />
vielschichtiger<br />
und knifflig zu<br />
handhabender<br />
Prozess.<br />
Wie wird das aussehen?<br />
Wir werden teilweise weiter Homeoffice ermöglichen,<br />
sicherlich unsere Dienstreisen etwas einschränken,<br />
weil wir sehen, dass bestimmte Formen<br />
von Meetings über Videochat-Software auch sehr<br />
gut funktionieren.<br />
Wo sehen Sie die Grenzen von solcher Software?<br />
Alles, was mit Kreativität zu tun hat, und wenn es<br />
darum geht, etwas Neues zu gestalten: In solchen<br />
Fällen ist es wichtig, dass die Menschen in einem<br />
Raum zusammen sind, weil Mimik und Körpersprache<br />
eine bedeutende Rolle spielen.<br />
Hat die Pandemie Ihre Produktion beeinträchtigt?<br />
Glücklicherweise nicht. Wir tragen hier eine große<br />
Verantwortung, weil wir hochkomplexe Medikamente<br />
für schwerstkranke Patienten herstellen,<br />
die auf diese Arzneimittel angewiesen sind.<br />
Was ist so komplex an Ihren Produkten?<br />
Wir produzieren Biopharmazeutika,<br />
also Medikamente, die von lebenden,<br />
gentechnisch veränderten<br />
Säugetierzellen hergestellt werden.<br />
Das ist ein extrem vielschichtiger<br />
und knifflig zu handhabender<br />
Prozess.<br />
Wie läuft Ihre Arbeit als Auftragsfertiger ab?<br />
Wir nehmen uns sehr viel Zeit, um zu verstehen,<br />
was unsere Kunden wollen. Vom ersten Kontakt,<br />
der gemeinsamen Entwicklung der Zelle, der Entscheidung<br />
für die Art der Produktion über die eigentliche<br />
Fertigung mit der Zufuhr der Nährflüssigkeit<br />
samt Sauerstoff, dem Herausfiltern des Wirkstoffs<br />
und dessen Aufreinigung bis hin zum fertigen<br />
Arzneimittel vergehen 15 bis 18 Monate. Davon<br />
entfallen 8 bis 12 Wochen auf die Zeit in den Bioreaktoren.<br />
Für wen machen Sie das?<br />
Wir haben rund 150 Kunden weltweit. Das geht von<br />
Start-ups bis hin zu internationalen Pharmakonzernen.<br />
Namen möchte ich aus Gründen der Vertraulichkeit<br />
nicht nennen.<br />
Zur Person<br />
Frank Mathias studierte<br />
Pharmazie an<br />
der Universität Paris-Sorbonne.<br />
Dort<br />
promovierte der gebürtige<br />
Franzose 1991<br />
im Bereich Immunologie.<br />
Seine berufliche<br />
Karriere startete er als<br />
Produktmanager bei<br />
der Hoechst AG. Es<br />
folgten Stationen als<br />
Geschäftsführer, unter<br />
anderem bei der Amgen<br />
GmbH (München).<br />
Bevor er 2015<br />
vom Aufsichtsrat der<br />
Rentschler Biopharma<br />
an die Vorstandsspitze<br />
wechselte und Eigentümer<br />
Nikolaus<br />
Rentschler ablöste,<br />
hatte der 57-Jährige<br />
das börsennotierte<br />
Biotech-Unternehmen<br />
Medigene (Martinsried)<br />
sechs Jahre lang<br />
geleitet. Mathias (verheiratet,<br />
zwei Söhne)<br />
gilt als ausgesprochen<br />
gut vernetzt in der<br />
Branche. Im Verband<br />
forschender Arzneimittelhersteller<br />
steht<br />
er an der Spitze der<br />
Interessengruppe für<br />
Biotechnologie.
12<br />
TITELTHEMA <strong>unternehmen</strong> [!]<br />
Wie wissen die Zellen, welches Medikament sie herstellen<br />
sollen?<br />
Unsere Partner schicken uns die elektronischen<br />
Proteinsequenzen, die wir von einem Servicepartner<br />
in DNA-Sequenzen übersetzen und herstellen<br />
lassen. Diese bringen wir in die Zellen ein und<br />
re-programmieren sie somit, das gewünschte Protein<br />
herzustellen.<br />
Der Zukauf<br />
in den USA<br />
war für uns ein<br />
sehr großer<br />
Schritt.<br />
Die Sicherheit von Lieferketten ist derzeit ein großes<br />
Thema, auch bei Ihnen?<br />
Durch ein striktes Sourcing Regime konnten wir<br />
unsere Lagerbestände optimieren, sodass wir unsere<br />
Produktion auf alle Fälle für mindestens drei<br />
Monate sichern können. In Zukunft werden wir allerdings<br />
noch genauer darauf achten, woher die einzelnen<br />
Komponenten der Materialien kommen und<br />
Back-up-Strategien entwickeln, um die Lieferketten<br />
sicherer zu machen. Übrigens befindet sich auch<br />
ein Teil unserer Lieferkette in den USA – wo wir<br />
rund 40 Prozent unseres Umsatzes erzielen.<br />
Ist das der Grund für Ihren Zukauf nahe Boston im<br />
vergangenen Jahr?<br />
Das war einer der Gründe. Für Rentschler Biopharma<br />
war das ein riesiger Schritt vom oberschwäbischen<br />
Mittelständler hin zum internationalen Unternehmen.<br />
Der Standort in Milford ist ein solides<br />
Standbein in einem wichtigen Wachstumsmarkt.<br />
Damit haben wir auf den starken Wunsch unserer<br />
US-Kunden reagiert. Deren Bedürfnis nach Nähe<br />
und damit vereinfachter Kommunikation war groß.<br />
Was für Möglichkeiten eröffnet das?<br />
Die Nähe zum Bostoner Biotech-Hub bedeutet, dass<br />
uns ein großer Talentpool an Experten zur Verfügung<br />
steht. Hier können wir zudem mit führenden<br />
Vertretern aus Industrie und Wissenschaft zusammenarbeiten.<br />
Diese Diversität macht uns besser und<br />
stärker.<br />
Welche Pläne verfolgen Sie in Milford?<br />
Wir stellen dort weiter für unseren Kunden Shire<br />
(USA)/Takeda (Japan) ein Medikament her. Künftig<br />
werden wir dort aber nicht nur eines, sondern<br />
mehrere Biopharmazeutika herstellen. Zum Ausbau<br />
des Standorts gehört, dass wir die Produktionskapazitäten<br />
deutlich erhöhen und weiter investieren<br />
werden. Derzeit sind dort rund 80 Mitarbeiter<br />
beschäftigt, mittelfristig sollen es bis zu 200 Beschäftigte<br />
werden.<br />
Warum boomt das Biopharmazeutika-Geschäft so?<br />
Die Pharmawelt hat sich geändert. Aufgrund der<br />
Fortschritte in der Forschung verstehen wir die<br />
Ursachen von Krankheiten immer besser. Biopharmazeutika<br />
helfen, diese Ursachen sehr zielgerichtet<br />
zu bekämpfen, auch weil sie bei bestimmten Prozessen<br />
im Körper besser andocken können. In Anwendungsgebieten<br />
wie Schlaganfall, Blutgerinnungsstörungen,<br />
angeborenen Stoffwechselkrankheiten,<br />
Augenerkrankungen oder Osteoporose<br />
haben Biopharmazeutika die Therapien revolutioniert.<br />
Und der medizinische Bedarf ist ungebro-
<strong>unternehmen</strong> [!] TITELTHEMA 13<br />
chen hoch, weil es für viele Krankheiten noch keine<br />
Medikamente gibt.<br />
Wie beschreiben Sie Pharma-Laien die Entwicklung<br />
am Pharmamarkt?<br />
Wenn Sie das mit Anzugsgrößen vergleichen, lautete<br />
früher das Motto: „one-size-fits-all“, also ein<br />
Medikament passt für alle Patienten. Heute haben<br />
Sie verschiedene Konfektionsgrößen. Für eine bestimmte<br />
Erkrankung und bestimmte Patientengruppen<br />
gibt es eine bestimmte Therapie. Die Zukunft<br />
geht bereits einen Schritt weiter. Zell- oder Gentherapien<br />
ermöglichen, individuell hergestellte Medikamente<br />
für einen Patienten, also einen Pharma-Maßanzug<br />
für jeden Einzelnen.<br />
Wie greifbar nah ist dieser Traum?<br />
Es gibt in Europa bereits rund 70 Medikamente, die<br />
für die individualisierte Medizin zugelassen sind.<br />
Dazu zählen zum Beispiel die CAR-T-Zelltherapien<br />
gegen bestimmte Blutkrebsarten sowie eine Gentherapie<br />
zur Behandlung eines schweren Immundefekts<br />
bei Kindern. Aber es gibt noch viel zu tun.<br />
Inwiefern?<br />
Von den rund 8000 seltenen Erkrankungen sind<br />
rund 80 Prozent genetisch bedingt. Bislang haben<br />
wir rund 160 Arzneimittel gegen seltene Erkrankungen.<br />
Bis wir alle anderen gezielt behandeln können,<br />
wird noch viel Zeit vergehen. Doch die forschenden<br />
Pharma- und Biotech-Unternehmen arbeiten<br />
daran und investieren kontinuierlich. Die Zukunft<br />
geht aber noch einen Schritt weiter.<br />
Wie meinen Sie das?<br />
Künftig wird Prävention eine viel größere Rolle<br />
spielen. Menschen, die das Risiko haben, an Diabe-<br />
Künftig<br />
wird Arznei<br />
individuell<br />
für Patienten<br />
hergestellt.<br />
making<br />
places<br />
protecting<br />
you<br />
usm.com
14<br />
TITELTHEMA <strong>unternehmen</strong> [!]<br />
tes zu erkranken, könnten eine Impfung bekommen,<br />
damit die Krankheit nicht ausbricht. Unsere<br />
Kinder und Enkel werden heute verbreitete Krankheiten<br />
in diesem Maße hoffentlich nicht mehr kennen.<br />
Das kostet viel Geld.<br />
Überfordern fünf- und sechsstellige Kosten für eine<br />
Therapie nicht die Gesundheitssysteme?<br />
Wir werden uns neue Formen der Finanzierung des<br />
Gesundheitssystems überlegen und sektorenübergreifend<br />
denken müssen. Es reicht nicht, nur auf<br />
den Preis eines Medikaments zu schauen. Es müssen<br />
die gesamten Kosten für das Gesundheitssystem<br />
berücksichtigt werden, beispielsweise auch<br />
Krankenhaustage oder Aufenthalte in Reha-Kliniken,<br />
die durch eine erfolgreiche Therapie vermieden<br />
werden können.<br />
Was ist der Vorteil von Biopharmazeutika gegenüber<br />
herkömmlichen Medikamenten, die aus chemischen<br />
Molekülen bestehen?<br />
Entscheidend ist immer, welche Zielstruktur bei einer<br />
Erkrankung im Körper adressiert werden muss.<br />
Wenn man diese kennt, kann entschieden werden,<br />
welche Art von Molekül dorthin gelangen kann.<br />
Wenn ein kleines, chemisch hergestelltes Molekül<br />
das schafft, wird man sich im Allgemeinen dafür<br />
entscheiden. Denn die Synthese eines chemischen<br />
Moleküls ist in der Regel weniger aufwendig im<br />
Vergleich zu der eines Biopharmazeutikums. Außerdem<br />
kann es oft oral als Tablette oder Kapsel<br />
eingenommen werden. Ein Biopharmazeutikum<br />
wird injiziert oder dem Patienten per Infusion verabreicht.<br />
Wo steht Rentschler Biopharma im Biotech-Markt?<br />
Wir sind ein Pionier mit mehr als 40 Jahren Erfahrung<br />
und gehören zu den Besten in unserer Branche.<br />
Wir haben bereits mehr als 100 verschiedene<br />
Formate erfolgreich hergestellt. Aufgrund unseres<br />
hohen Qualitätsanspruchs, unseres kundenorientierten<br />
Ansatzes und unseren strategischen Allianzen<br />
ist unsere Beratung, sei es im Projektmanagement<br />
oder bei regulatorischen Fragen, nur schwer<br />
zu übertreffen.<br />
Warum fertigt Rentschler Biopharma als Erfinder<br />
des weltweit ersten Interferon-Beta-Produkts nur<br />
noch für andere Konzerne?<br />
Wir haben uns in den 90er Jahren optimal an die<br />
Bedürfnisse des Marktes angepasst. Als mittelständisches<br />
Unternehmen konnte Rentschler keine Skaleneffekte<br />
erzielen. Zudem wurden die Summen für<br />
die Entwicklung neuer Arzneimittel immer größer.<br />
Solche Investitionen konnten wir nicht stemmen.<br />
Wie muss man sich die Zusammenarbeit mit Ihren<br />
Kunden im Alltag vorstellen?<br />
Wir sehen unsere Kunden als Partner und unsere<br />
Dienstleistungen als eine Erweiterung ihrer Aktivitäten.<br />
Unsere Experten beraten die Kunden teilweise<br />
mit Beginn der Entwicklung neuer Medikamente.<br />
Wir sind der erweiterte Produktionsarm unserer<br />
Kunden und suchen, zu deren maximalem<br />
Nutzen, strategische Allianzen mit anderen Organisationen.<br />
Was heißt das konkret?<br />
Wir haben kein Problem damit, wenn andere Firmen<br />
etwas besser können als wir. Vielmehr ist es<br />
ein wichtiger Bestandteil unserer Strategie, Technologie-Allianzen<br />
zu bilden und die Fähigkeiten anderer<br />
Firmen in unsere Geschäftsprozesse einzubinden.<br />
Wie zum Beispiel?<br />
Die Formulierung, also aus einem Wirkstoff ein gebrauchsfertiges<br />
Medikament zu machen, ist bei Biopharmazeutika<br />
herausfordernd. Die Proteine sind<br />
sehr instabil, sie mögen keine Hitze, kein Licht und<br />
viele andere Dinge nicht. Wir haben uns entschieden,<br />
mit dem Formulierungsexperten Leukocare aus<br />
Martinsried eine strategische Partnerschaft einzugehen.<br />
Im Gegenzug haben wir unsere entsprechende<br />
Abteilung geschlossen und die Mitarbeiter an<br />
anderen Stellen im Unternehmen eingesetzt. Aber<br />
nicht, weil wir damit ein Problem hatten, sondern<br />
weil unsere Kunden durch diese Partnerschaft einen<br />
enormen kommerziellen Vorteil haben. Solche<br />
langfristigen Partnerschaften streben wir auch für<br />
andere Themen an.
<strong>unternehmen</strong> [!] TITELTHEMA 15<br />
auch für die Mitarbeiter motivierende Strategie festzulegen.<br />
Die Mitarbeiter wissen genau, wo Rentschler<br />
Biopharma hinstrebt. Da wollen sie mitmachen.<br />
Das ist gerade für die junge Generation wichtig,<br />
weil sie sieht, welchen Beitrag sie für das Unternehmen<br />
leistet.<br />
Wie kam es eigentlich dazu, dass Sie 2015 die Rollen<br />
mit Firmenchef Prof. Dr. Nikolaus Rentschler getauscht<br />
haben?<br />
Ich war damals im Aufsichtsrat und gebe zu: Die<br />
Anfrage, ob ich die Verantwortung der Rentschler<br />
Biopharma übernehme, hat mich im ersten Moment<br />
überrascht. Jedoch freute ich mich sehr über das<br />
Vertrauen und die Herausforderung.<br />
Wie wird man zum Mitglied der weltweiten Top Ten<br />
der Biotech-Auftragsfertiger?<br />
Der Erfolg von Rentschler Biopharma beruht auf<br />
vier Säulen: Die erste sind die Menschen, die bei<br />
uns arbeiten und die Leidenschaft, mit der sie das<br />
tun. Das hat auch viel mit der Region zu tun, dem<br />
Bodenständigen und dem Streben nach guten Lösungen.<br />
Zweitens haben wir das Glück, zum richtigen<br />
Zeitpunkt im richtigen Markt zu sein und unseren<br />
Kunden einen echten Nutzen zu bieten. Drittens<br />
hat Rentschler Biopharma einen Wettbewerbsvorteil,<br />
weil es als Familien<strong>unternehmen</strong> langfristig<br />
und nachhaltig denkt und handelt.<br />
Und viertens?<br />
Wir haben uns viel Zeit genommen, eine klare und<br />
Was war der Grund für dieses Angebot?<br />
Herr Rentschler, der das Unternehmen seit 1999 geleitet<br />
hatte, hat seinen Entschluss gegenüber dem<br />
„Manager <strong>Magazin</strong>“ damit begründet, dass er der<br />
Auffassung war, er könne den Mitarbeitern keine<br />
neuen Impulse mehr geben. Außerdem wollte er<br />
sich als Aufsichtsratsvorsitzender auf den strategischen<br />
Ausbau der Unternehmensgruppe konzentrieren.<br />
Sie waren zuvor Vorstandschef der börsennotierten<br />
Medigene AG. Was war für Sie die größte Herausforderung?<br />
Ich habe vor allem viele Chancen gesehen: Ein unabhängiges<br />
Familien<strong>unternehmen</strong> plant und handelt<br />
langfristiger und nachhaltiger. Die Firmenstruktur<br />
erlaubt schnelle Entscheidungen und effiziente<br />
Prozesse. Dieser Rahmen gibt uns die Unabhängigkeit<br />
und Freiheit, eine Zukunft zu planen, die<br />
nicht ausschließlich auf kurzfristige finanzielle Gewinne<br />
ausgerichtet ist. In unserer „Strategie 2025“<br />
ist keine finanzielle Kennzahl festgehalten.<br />
Wie geht denn das?<br />
Wir sind der Meinung, dass sich der finanzielle Erfolg<br />
automatisch einstellen wird, wenn wir unsere<br />
Vision erfolgreich umsetzen.<br />
Wie lautete der Auftrag bei Ihrem Amtsantritt?<br />
Das Unternehmen von einem guten zu einem großartigen<br />
zu entwickeln. Es moderner, erfolgreicher,<br />
globaler und innovativer zu machen.<br />
Was war Ihr erster Schritt?<br />
Wir haben eine neue Strategie entwickelt, denn der<br />
Biopharma-Markt entwickelt sich in rasantem Tempo.<br />
Weltweit entstehen neue Produktionskapazitä-<br />
Wenn andere<br />
etwas<br />
besser können,<br />
haben wir damit<br />
kein Problem.<br />
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16<br />
TITELTHEMA <strong>unternehmen</strong> [!]<br />
Von der Apotheke über rezeptfreie Medizin bis zum Biotech-Spezialisten<br />
Biotech-Simulator am Firmensitz in Laupheim: Im Schulungslabor bildet Rentschler Biopharma unter anderem seine Mitarbeiter aus.<br />
Mit der Gründung einer Apotheke im Jahr<br />
1872 beginnt die Erfolgsgeschichte der Rentschler-Gruppe<br />
aus Laupheim. Ihr wichtigster<br />
Teil ist seit Jahren die rasant wachsende und<br />
ertragsstarke Rentschler Biopharma SE, die<br />
weltweit zu den zehn größten Auftragsfertigern<br />
der Pharmabranche gehört. Ihr Umsatz<br />
stieg im Geschäftsjahr 2019/20 (31.03) auf<br />
rund 200 Millionen Euro. Am Firmensitz in<br />
Laupheim und in Milford (USA) arbeiten<br />
rund 1000 Beschäftigte. Die strategische<br />
Entscheidung sich auf Biotechnologie auszurichten,<br />
fällte im Jahr 1999 der damalige<br />
Firmenchef Nikolaus Rentschler, der heute<br />
den Aufsichtsrat leitet. Das Unternehmen<br />
gehört zu den Pionieren der Biotechnologie<br />
und forschte bereits 1974 an immunstimulierenden<br />
Proteinen. Rentschler trennte sich<br />
2006 vom Geschäft mit rezeptfreier Arznei.<br />
2012 gab die Familie die Apotheke ab. Die<br />
Wirtschaftsberatung EY kürte <strong>2020</strong> den<br />
promovierten Biologen Nikolaus Rentschler<br />
und Vorstandschef Frank Mathias zum<br />
„Entrepreneur of the year“.<br />
Ich arbeite<br />
wie ein<br />
Deutscher –<br />
und lebe wie ein<br />
Franzose.<br />
ten, das Aufkommen neuer Therapien verändert<br />
den Markt und der Wettbewerb nimmt stark zu.<br />
Wie sind Sie vorgegangen?<br />
In die Entwicklung der „Strategie 2025“ haben wir<br />
sehr viel Zeit investiert, insgesamt 18 Monate. Um<br />
die Schlüsselfaktoren für zukünftigen Erfolg besser<br />
zu verstehen, haben wir die heutigen Megatrends<br />
wie z.B. Individualisierung, Silver Society, New<br />
Work, Gesundheit, Konnektivität, Globalisierung<br />
und Wissenskultur analysiert und viele Gespräche<br />
mit externen Impulsgebern geführt. Dazu zählten<br />
unter anderem Kunden, Medizinprofessoren, Investoren,<br />
Personalberater sowie Gründer von Startups.<br />
Wer hat das alles ausgewertet?<br />
Das haben wir gemeinsam mit unseren Mitarbeitern<br />
gemacht und in einer Vision, bestehend aus<br />
mehreren Thesen, gebündelt.<br />
Welche sind das?<br />
Die Haupttreiber für Erfolg im Jahr 2025 werden<br />
sein: Erstklassige Qualität, enge strategische Zusammenarbeit,<br />
Flexibilität für neue Business-Modelle,<br />
Innovation entlang der Wertschöpfungskette und<br />
transparente Kommunikation. Aus diesen Erkenntnissen<br />
haben wir klare Ziele und Zwischenetappen<br />
abgeleitet - mit Fokus auf drei strategischen Dimensionen:<br />
Geografie, Kunde, Innovation. Und die besten<br />
Mitarbeiter!<br />
Was war für Sie die überraschendste Erfahrung?<br />
Wir haben Gespräche mit unseren Kunden darüber<br />
geführt, welche Erwartungen sie an uns heute und<br />
in der Zukunft haben. Erstaunlich war, dass viele<br />
sich überraschend wenig Gedanken über die Zukunft<br />
gemacht hatten. Aber es entwickelten sich<br />
aus unseren Anfragen intensive, spannende und<br />
lehrreiche Gespräche, sodass Termine, die auf eine<br />
Stunde angesetzt waren, meistens auf drei bis fünf<br />
Stunden ausgeweitet wurden.<br />
Welchen Rat geben Sie Unternehmern, die ihre Strategie<br />
ebenfalls überdenken wollen?<br />
Entwickeln Sie Ihre Strategie nicht in relativ kurzer<br />
Zeit im „stillen Kämmerlein“. Wenn Sie gut für<br />
die Zukunft aufgestellt sein wollen, müssen Sie Ihr<br />
Unternehmen in die Zukunft katapultieren. Holen<br />
Sie sich dafür so viele externe Impulse wie möglich<br />
und binden Sie Ihre Mitarbeiter in den Gesamtprozess<br />
ein!<br />
Wo wird die Rentschler Biopharma SE im Jahr 2025<br />
stehen?<br />
Wir werden weiterhin ein unabhängiges, internationales<br />
Familien<strong>unternehmen</strong> mit Hauptsitz in<br />
Laupheim sein. Wir werden uns ausschließlich auf<br />
die Projekte unserer Kunden fokussieren, unsere<br />
technologische Spitzenposition und Innovationskraft<br />
aufrechterhalten sowie unsere strategischen<br />
Partnerschaften ausbauen.<br />
Was leitet sich daraus konkret ab?<br />
Eine Reihe von Maßnahmen: Wir wollen künftig<br />
beispielsweise mit weniger Kunden zusammenarbeiten,<br />
dafür mehr Projekte gemeinsam machen.<br />
Dazu werden wir kundenspezifische Plattformpro-
<strong>unternehmen</strong> [!]<br />
TITELTHEMA<br />
zesse entwickeln, um innovative Medikamente<br />
in kürzerer Zeit auf den Markt zu<br />
bringen.<br />
Wie lebt und arbeitet es sich als Franzose in<br />
Süddeutschland?<br />
Ich fühle mich hier sehr wohl. Ich arbeite seit<br />
rund 30 Jahren in Deutschland, meine Frau ist<br />
Deutsche, sodass ich mich sehr gut an die deutsche<br />
Mentalität gewöhnt habe. Ohnehin bin ich als halb<br />
Deutscher und halb Franzose in zwei Kulturen aufgewachsen.<br />
Ich war daher schon sehr früh mit verschiedenen<br />
Kulturen konfrontiert. Ich glaube, dass<br />
diese Mischung fantastisch ist: Die deutsche Gründlichkeit<br />
und Disziplin zusammen mit der französischen<br />
Kreativität und dem Drang nach Differenzierung.<br />
Wie sieht diese Mischung für Sie persönlich aus?<br />
Ich sage immer, ich arbeite wie ein Deutscher und<br />
lebe wie ein Franzose.<br />
Auf was sind Sie stolz?<br />
Beruflich, dass wir mit Rentschler Biopharma einen<br />
ethischen und nachhaltigen Nutzen für die Gesellschaft<br />
stiften und unsere Partner in die Lage<br />
versetzen, Patienten mit schweren und seltenen Erkrankungen<br />
zu helfen.<br />
Und privat?<br />
Ich hatte bisher viel Glück in meinem Leben und<br />
wusste es auch zu greifen. Ich bin sehr stolz auf<br />
meine beiden Jungs und glücklich, dass wir ein so<br />
gutes Verhältnis haben.<br />
Das Interview führte<br />
Alexander Bögelein,<br />
Redaktionsleiter<br />
Unternehmen [!]<br />
Fotos:<br />
Marc Hörger<br />
EFFIZIENZ IST ERFOLG<br />
1. KEFF-CHECK<br />
POTENZIAL ERKENNEN<br />
2. KEFF-FAKTOR<br />
POTENZIAL NUTZEN<br />
3. KEFF-EFFEKT<br />
NACHHALTIG PROFITIEREN<br />
IN DREI SCHRITTEN ZUM ERFOLG<br />
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Industrie, Gewerbe und Handel<br />
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TRÄGER DER REGIONALEN KOMPETENZSTELLE ENERGIEEFFIZIENZ DONAU-ILLER<br />
Biberach
18<br />
NAMEN & NACHRICHTEN <strong>unternehmen</strong> [!]<br />
Airport in<br />
Geldnot<br />
Corona-Krise Der Flughafen<br />
Friedrichshafen braucht infolge<br />
der Corona-Krise erneut Gelder<br />
in Millionenhöhe. Für einen beträchtlichen<br />
Teil der Summe<br />
muss wohl die Stadt Friedrichshafen<br />
und der Bodenseekreis<br />
aufkommen. Bereits im vergangenen<br />
Jahr verzeichnete der<br />
Flughafen einen Passagierrückgang<br />
von knapp 10 Prozent auf<br />
490 000 Fluggäste. Am Ende des<br />
Jahres stand ein Verlust von<br />
knapp 2,8 Millionen Euro zu Buche.<br />
Über die Zukunft des Airports<br />
wollen Kreistag und Gemeinderat<br />
im Herbst entscheiden.<br />
Grundlage dafür soll ein<br />
Gutachten sein, dass Strategien<br />
und Bedarfe aufzeigen soll.<br />
Aus nach<br />
178 Jahren<br />
Kekeisen Ende Juni hat die Maschinen-<br />
und Werkzeugfabrik<br />
Kekeisen den Betrieb eingestellt.<br />
Nach 178 Jahren war dieser<br />
Schritt laut dem geschäftsführenden<br />
Gesellschafter Thomas<br />
Gebele unumgänglich. „Die<br />
Marktsituation hat sich in den<br />
letzten Jahren massiv zu unserem<br />
Nachteil verändert, so dass<br />
wir seit knapp einem Jahr keine<br />
Neumaschine mehr verkaufen<br />
konnten.“ Für die 120 Mitarbeiter<br />
erschwere die Corona-Krise<br />
die Jobsuche.<br />
Husqvarna setzt<br />
auf Honold<br />
Logistik Die Ulmer Husqvarna<br />
Group, bekannt für die Gardena-Gartensysteme,<br />
sowie die<br />
Neu-Ulmer Honold-Gruppe, bekannt<br />
für ihre grünen Hallen,<br />
sind eine langfristige Bindung<br />
eingegangen: Honold errichtet<br />
für bis zu 15 Millionen Euro ein<br />
20 000 Quadratmeter großes<br />
Logistikzentrum in Neu-Ulm,<br />
Die Betreuung des Bienenstocks auf dem Firmengelände in Wangen<br />
übernehmen Profis.<br />
Foto: Hymer-Leichtmetallbau<br />
Summende Kollegen für<br />
Hymer-Leichtmetallbau<br />
Rund 20 000 Bienen summen künftig über das Gelände von Hymer-Leichtbau<br />
in Wangen. Das Unternehmen hat das Bienenvolk von<br />
der Gesellschaft Beefuture erhalten, die sich mit der Initiierung von Unternehmens-Patenschaften<br />
für Bienenvölker und deren Ansiedlung auf<br />
geeigneten Firmengeländen einsetzt. Im Vordergrund des Projektes<br />
steht nicht die Honigernte, sondern die naturnahe und artgerechte Haltung<br />
der Bienen. Tobias Weiß, Geschäftsführer des Bereichs Fahrzeugtechnik<br />
bei Hymer-Leichtmetallbau, kann sich vorstellen, weitere Bienenvölker<br />
aufzunehmen.<br />
das Husqvarna langfristig mietet.<br />
Der Neubau entsteht hinter<br />
der bestehenden Halle an der<br />
Lessingstraße. Zudem werden<br />
auf 500 Quadratmetern Büros<br />
gebaut. Laut Honold entstehen<br />
50 neue Arbeitsplätze. Das Logistikzentrum<br />
soll im Oktober<br />
fertiggestellt werden.<br />
Stellenabbau<br />
bei Nilfisk<br />
Stellenabbau Der Anbieter für<br />
professionelle Reinigungsprodukte<br />
Nilfisk streicht an seinem<br />
Standort in Bellenberg rund 20<br />
Stellen. Wie die IG Metall mitteilte,<br />
entspricht das in etwa einem<br />
Achtel der deutschlandweiten<br />
Belegschaft des Unternehmens.<br />
Bundesweit stehen bis zu<br />
45 Stellen auf der Streichliste.<br />
Schon vor Corona habe das Unternehmen<br />
erhebliche Umsatzrückgänge<br />
verzeichnet, betonte<br />
Vorstand Reinhard Mann. Aufgrund<br />
der Pandemie rechne Nilfisk<br />
mit weiteren 20 Prozent<br />
Rückgang. Mit Vorkrisenzahlen<br />
sei erst wieder 2022 zu rechnen.<br />
Protest gegen<br />
Stellenabbau<br />
ZF Der Autozulieferer ZF will in<br />
den nächsten Jahren bis zu<br />
15 000 Stellen weltweit streichen,<br />
die Hälfte davon in<br />
Deutschland. Für dieses Jahr erwartet<br />
der Vorstand „hohe finanzielle<br />
Verluste“. Beschäftigte<br />
des Autozulieferers haben zuletzt<br />
gegen gegen die Pläne des<br />
Konzerns am Standort in Friedrichshafen<br />
demonstriert. Rund<br />
1000 Teilnehmer fuhren mit<br />
Fahrrädern, Motorrädern und<br />
Autos laut hupend durch die<br />
Stadt und am ZF-Forum vorbei.<br />
Zwischen<br />
zwei Welten<br />
Zulieferer Die Blaubeurer<br />
Rehm-Gruppe, die Systemlösungen<br />
für Anwendungen in der<br />
Elektroindustrie entwickelt,<br />
setzt während der Pandemie auf<br />
Online-Workshops für Kunden<br />
und Fernwartungsmodelle.<br />
Während am Standort im chinesischen<br />
Shenzhen bereits seit<br />
April die 220 Mitarbeiter in der<br />
Produktion wieder im Normalbetrieb<br />
arbeiten, stehen am<br />
Standort im Blaubeurer Ortsteil<br />
Seißen Homeoffice und Kurzarbeit<br />
auf der Tagesordnung für<br />
die 230 Angestellten. Johannes<br />
Rehm, Chef des Unternehmens,<br />
setzt darauf, dass sich die Lage<br />
der Branche bis zum Jahresende<br />
wieder normalisiert.<br />
Amazon baut<br />
in Meßkirch<br />
Logistik In Meßkirch entsteht<br />
derzeit ein neues Verteilzentrum<br />
für Amazon. Fertiggestellt<br />
werden soll die gut 11 000 Quadratmeter<br />
große Logistikanlage<br />
im Herbst dieses Jahres. Das<br />
neue Verteilzentrum ist eine<br />
von 20 Niederlassungen, die<br />
Amazon derzeit in Deutschland<br />
baut – zusätzlich zu den 44 bereits<br />
bestehenden. Das Zentrum<br />
entsteht auf knapp 83 000 Quadratmetern<br />
im Industriepark<br />
Nördlicher Bodensee. Amazon<br />
will von dort Pakete als Last-Mile-Zustellung<br />
an Kunden ausliefern.<br />
Insgesamt sollen 130 Arbeitsplätze<br />
entstehen. [!]
<strong>unternehmen</strong> [!] RESSORT 19<br />
Die Uhlmann Pac-Systeme GmbH & Co. KG<br />
ist ein weltweit führender Systemanbieter<br />
für das Verpacken von Pharmazeutika in<br />
Blister, Flaschen und Kartons.<br />
Mit seinem innovativen Portfolio von<br />
Blistermaschinen und Flaschenlinien über<br />
Kartonierer bis hin zu Endverpackern setzt<br />
Uhlmann seit Jahrzehnten Maßstäbe in<br />
Sachen Qualität, Effizienz und Verfügbarkeit.<br />
Als Total Solution Provider bietet das<br />
Unternehmen Beratung, Projektmanagement,<br />
Umsetzung, umfangreiche Services und<br />
digitale Lösungen aus einer Hand.<br />
Die Uhlmann Pac-Systeme GmbH & Co. KG gehört<br />
zur Uhlmann Group. Mit den weiteren Unternehmen<br />
Koch Pac-Systeme aus dem Schwarzwald, Cremer<br />
Speciaalmachines aus den Niederlanden und Wonder<br />
Packing Machinery aus China erweitert Uhlmann sein<br />
Angebot für den Pharma-, Gesundheits-, Konsumgüter-,<br />
Lebensmittel- und Agrarmarkt.<br />
Weitere Infos unter:<br />
www.uhlmann.de<br />
www.uhlmann-group.com
20<br />
SPEZIAL <strong>unternehmen</strong> [!]<br />
Nur das Beste<br />
für die Kinder<br />
Bildung Immer mehr Eltern hierzulande<br />
schicken ihren Nachwuchs auf<br />
Privatschulen. Die Gründe dafür liegen<br />
nicht nur in der besseren Ausstattung.<br />
Gute pädagogische Betreuung und moderne Ausstattungen überzeugen Eltern von Privatschulen.<br />
Die Zahl der Kinder und<br />
Jugendlichen, die in<br />
Deutschland eine private<br />
Schule besuchen,<br />
nimmt zu. In Ostdeutschland<br />
zeichnet sich dieser Trend noch<br />
deutlicher ab als im Rest der Republik,<br />
das zieht sich durch alle<br />
Schularten. Für immer mehr<br />
Kinder wird die Privatschule daher<br />
die Schule vom ersten bis<br />
zum letzten Schultag. An den<br />
bundesweit 3642 allgemeinbildenden<br />
Privatschulen werden<br />
rund 764 000 Kinder und Jugendliche<br />
unterrichtet, 112 600<br />
davon in Baden-Württemberg.<br />
Der Erfolg der Privatschulen<br />
in Deutschland ist in erster Linie<br />
das Ergebnis einer als unzureichend<br />
empfundenen Bildungspolitik.<br />
Die Gründe warum<br />
immer mehr Eltern eine<br />
Schule in privater Trägerschaft<br />
den öffentlichen Schulen vorziehen,<br />
sind jedoch unterschiedlich.<br />
Einer hat inzwischen an Bedeutung<br />
verloren. Wissenschaftliche<br />
Studien unter anderem<br />
im Auftrag der<br />
Friedrich-Ebert-Stiftung haben<br />
bewiesen, dass Schüler auf Privatschulen<br />
zwar, objektiv betrachtet,<br />
bessere Leistungen erreichen,<br />
doch das liegt an der<br />
Zusammensetzung der Schüler.<br />
Bei vergleichbar strukturierten<br />
Gruppen und gleichem Schultyp<br />
besteht, außer in den Kernfächern<br />
Englisch und Deutsch,<br />
Privatschulen<br />
können<br />
aufgrund ihrer<br />
klaren Strukturen<br />
flexibler handeln.<br />
Klaus Vogt<br />
Verband der Privatschulen<br />
kaum mehr ein Unterschied.<br />
Privatschulen gelten jedoch<br />
als innovativer. „Sie können aufgrund<br />
ihrer klaren Strukturen<br />
flexibler handeln und werden<br />
mit mehr Kreativität in den Aufgabenformaten,<br />
teils bilingualem<br />
Unterricht und digital ausgestatteten<br />
Klassenzimmern ihrer Vorreiterrolle<br />
gerecht“, sagt Klaus<br />
Vogt vom Verband der Privatschulen<br />
(VDP). Gerade der Umgang<br />
mit digitalen Lernformaten<br />
zeigte sich in der Corona Krise<br />
– bei aller Kreativität in der Umsetzung<br />
der Möglichkeiten – als<br />
Schwäche der öffentlichen Schulen.<br />
Bisher gibt es laut dem Verband<br />
Bildung und Erziehung nur<br />
an gut einem Drittel zumindest
<strong>unternehmen</strong> [!] SPEZIAL 21<br />
einzelne Klassensätze digitaler<br />
Endgeräte und nur an 60 Prozent<br />
der Schulen unterstützt eine externe<br />
IT-Administration engagierte<br />
Lehrkräfte.<br />
Fünf Milliarden für Bildung<br />
Mit dem „Digitalpakt Schule“<br />
und einem Investitionsvolumen<br />
von fünf Milliarden Euro wollen<br />
Bund und Länder die Ausstattung<br />
der öffentlichen Schulen<br />
mit digitaler Technik verbessern.<br />
Das wird nicht ohne Reibungsverluste<br />
gehen. Selbst wenn die<br />
Technik funktioniert, sind Datenschutz<br />
und der Einsatz der<br />
länderübergreifenden Schul-<br />
Cloud, wie sie die Bundesbildungsministerin<br />
für alle Bundesländer<br />
verbindlich vorgeschlagen<br />
hat, bisher nicht abschließend<br />
geklärt. Experten sind sich<br />
einig: Es wird nicht reichen das<br />
Gesamtsystem ausschließlich<br />
mit fehlerfreier Ausstattung neu<br />
zu starten. In der Corona-Zwangspause<br />
wurde deutlich,<br />
dass die Schüler, vor allem in den<br />
unteren Jahrgängen, vom ungewohnten<br />
Maß an Eigenverantwortung<br />
überfordert waren –<br />
und vielen Lehrkräften das nötige<br />
Know-How für Online-Unterricht<br />
fehlt.<br />
Um die digitalen Defizite auszugleichen<br />
fordert Udo Beckmann,<br />
Bundesvorsitzender vom<br />
Verband Bildung und Erziehung<br />
von der Politik<br />
neben der digitalen<br />
Hardware<br />
auch die entsprechenden<br />
Personalressourcen<br />
und<br />
Fortbildungen.<br />
„Nur dann können<br />
Pädagogen<br />
Staatliche<br />
Schulen<br />
brauchen neben<br />
digitaler Hardware<br />
auch Personal.<br />
Udo Beckmann<br />
Verband Bildung und Erziehung<br />
Gerade beim digitalen Lernen hängen staatliche Schulen hinter den Erwartungen zurück. Mit dem<br />
„Digitalpakt Schule“ wollen Bund und Länder den Missstand beheben.<br />
die didaktischen<br />
und methodischen<br />
Möglichkeiten digitaler<br />
Medien optimal nutzen.“<br />
Für viele Eltern entsprechen<br />
Privatschulen häufiger dem pädagogischen<br />
und weltanschaulichen<br />
Konzept, ihrem Erziehungsstil<br />
und ihren Erwartungen.<br />
Thomas Schäfer, dessen<br />
zwei Kinder eine private Grundschule<br />
besucht haben, kann das<br />
bestätigen. „Entscheidend war<br />
für uns damals das Angebot einer<br />
qualifizierten Ganztagsbetreuung.<br />
Dadurch, dass viel Wert<br />
auf Übung gelegt wird, gab es,<br />
zumindest bis zur 6. Klasse, keine<br />
zusätzlichen Hausaufgaben.“<br />
Seine Tochter Laura wechselte,<br />
zusammen mit ihren Freundinnen,<br />
nach der Grundschule auf<br />
ein staatliches Gymnasium. Sein<br />
Sohn Jonas ist weiter im Gymnasium<br />
an der Privatschule.<br />
Die Privatschule, so Schäfer,<br />
lege deutlich<br />
mehr Wert auf<br />
die Vermittlung<br />
von sozialer<br />
Verantwortung,<br />
Eigenverantwortung<br />
und Disziplin.<br />
„Der Leistungsgedanke<br />
der<br />
angestellten<br />
Lehrer ist ausgeprägter,<br />
als teilweise bei den<br />
Lehrern der staatlichen Schule.<br />
Das wird den Schülern im Unterricht<br />
auch vermittelt.“<br />
Hinzu komme das Lernen in<br />
kleineren Gruppen und die Verlässlichkeit<br />
individueller, pädagogischer<br />
Zuwendung. „Das<br />
funktionierte auch in der Corona-Zeit.<br />
Das staatliche Gymnasium<br />
benötigte deutlich mehr Zeit<br />
für die Umstellung auf Onlineunterricht.<br />
Einen Kontakt zwischen<br />
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Schloß Wittgenstein<br />
fundierte handwerkliche und mediale Ausbildung in Naturwissenschaften,<br />
Kunst, Musik, Sport und Technik, Berufsvorbereitung in Kooperation<br />
mit der Wirtschaft und sozialen Einrichtungen,<br />
internationaler Schüleraustausch,<br />
abwechslungsreiche sportliche Angeote<br />
und eigener Reitstall<br />
Staatlich anerkannte private Realschule<br />
und Gymnasium mit bilingualem Unterricht
22<br />
SPEZIAL <strong>unternehmen</strong> [!]<br />
Nicht jeder Schultyp ist gefragt<br />
Tablets für jeden Schüler gehören noch nicht zum Alltag der meisten Schulen im Land.<br />
In Baden-Württemberg<br />
gab es 2018 insgesamt 684<br />
allgemeinbildende Privatschulen.<br />
Das entspricht einem<br />
Plus von rund 7 Prozent im<br />
Vergleich zu 2010. Obwohl für<br />
Grundschulen die Privatschulfreiheit<br />
nicht gilt, betrug der<br />
Zuwachs im selben Zeitraum<br />
gut 2 Prozent. Grundschulen<br />
werden nur mit einem außergewöhnlichen<br />
Konzept in privater<br />
Trägerschaft zugelassen.<br />
Schüler und Lehrern gab es nur sehr<br />
punktuell.“<br />
Für einen Unterricht, der neben<br />
der Wissensvermittlung auch Persönlichkeitsbildung<br />
und eigenverantwortliches<br />
Lernen zum Ziel hat, ergeben<br />
sich in der Nach-Corona-Zeit<br />
grundlegende Fragen zur zukünftigen<br />
Ausrichtung. Das Bildungssystem<br />
ist darauf nicht vorbereitet und<br />
könnte den Privatschulen weitere Zuwächse<br />
bescheren. Das erfordert<br />
Handlungsbedarf für den Staat, aber<br />
was genau sollte er tun?<br />
„Die Antwort müssen mehr Investitionen<br />
in das öffentliche Bildungssystem<br />
und stringente Qualitätsstandards<br />
über alle Bundesländer hinweg<br />
Anders als auf Bundesebene,<br />
wo die Zahl der Einrichtungen<br />
um knapp 10 Prozent zurückging,<br />
gab es 2018 in Baden-Württemberg<br />
77 Realschulen<br />
und damit gut ein<br />
Viertel mehr als noch im Jahr<br />
2010. Das liegt laut Klaus Vogt<br />
vom Verband der Privatschulen<br />
an der Zunahme staatlicher<br />
Gemeinschaftsschulen, in<br />
die Realschulen integriert<br />
wurden, sowie am Wegfall der<br />
Werkrealschulen.<br />
Zur Person<br />
Udo Beckmann ist<br />
seit 1979 Mitglied im<br />
Verband Bildung und<br />
Erziehung. Seit 2009<br />
steht der Grund- und<br />
Hauptschullehrer für<br />
die Fächer Mathematik,<br />
Biologie und<br />
Physik dem Bundesverband<br />
vor.<br />
Die Zahl der Gymnasien<br />
im Südwesten wuchs um gut<br />
11 Prozent auf 80 Einrichtungen,<br />
während die Schülerzahl<br />
im gleichen Zeitraum lediglich<br />
um rund 2,3 Prozent<br />
zulegte. Die Zahl der privaten<br />
Hauptschulen ging um knapp<br />
10 Prozent auf landesweit 38<br />
Schulen landesweit zurück,<br />
gleichzeitig sank auch die<br />
Zahl der Schüler um knapp<br />
ein Fünftel an dieser Schulart<br />
auf 3500.<br />
sein. Standards, die die öffentlichen<br />
Schulen zwingen, Rechenschaft abzulegen<br />
und eine zuverlässige hohe<br />
Qualität anzubieten“, fasst Marcel<br />
Fratzscher, Präsident des DIW Berlin<br />
und Professor für Makroökonomie<br />
an der Humboldt-Universität<br />
Berlin, die Forderungen an die Politik<br />
zusammen.<br />
Bestes Konzept soll überzeugen<br />
„Internationale Studien haben gezeigt,<br />
dass Schulsysteme, die einen<br />
hohen Anteil an freier Trägerschaft<br />
mit staatlicher Finanzierung verbinden,<br />
am besten abschneiden“, sagt<br />
Ludger Wössmann, Leiter des<br />
Ifo-Zentrums für Bildungsökonomik.<br />
„Wenn alle Schüler, unabhängig von<br />
ihrem finanziellen Hintergrund denselben<br />
Zugang zu alternativen Schulen<br />
haben, entsteht ein Wettbewerb<br />
der Schulen um die besten Konzepte<br />
der allen Schülern zugutekommt.“<br />
Das führte bereits dazu, dass einige<br />
staatliche Einrichtungen von<br />
den Privatschulen beispielsweise<br />
das System der Ganztagsschule,<br />
jahrgangsübergreifenden Unterricht<br />
und Ansätze alternativer pädagogischer<br />
Konzepte übernommen haben.<br />
Privatschulen sind außerdem<br />
im Wettbewerb um Fachkräfte für<br />
viele Unternehmen und Kommunen<br />
ein wichtiger Standortvorteil.<br />
Kommunen und Landkreise müssen<br />
daher eine vielfältige Schulinfrastruktur<br />
fördern und private<br />
Schulen mehr als bisher finanziell<br />
unterstützen. Derzeit kostet ein Privatschüler<br />
den Staat nur etwa 60<br />
Prozent dessen, was er für einen<br />
Schüler an einer staatlichen Schule<br />
aufwendet. „Alle weiteren Kosten<br />
trägt der private Schulträger, der gemeinnützig<br />
und nicht unternehmerisch<br />
handelt“, sagt Vogt.<br />
Mehr staatliche Förderung von<br />
Wenn alle Schüler<br />
Zugang zu<br />
alternativen Schulen<br />
haben, entsteht ein<br />
Wettbewerb<br />
Ludger Wössmann<br />
Ifo-Zentrum für Bildungsökonomik<br />
Privatschulen würde bedeuten, dass<br />
die Diskrepanz zwischen dem<br />
Wunsch der Eltern die passende<br />
Schule für ihr Kind zu finden und<br />
ihren finanziellen Möglichkeiten geringer<br />
wird und die soziale Chancengleichheit<br />
steigt.<br />
Derzeit beträgt das Schulgeld in<br />
Baden-Württemberg 5 Prozent des<br />
Nettoeinkommens und steigt mit der<br />
Klassenstufe, zunehmenden Angeboten<br />
und den Betriebskosten der jeweiligen<br />
Schule auf bis zu 160 Euro<br />
pro Monat. Aber es geht auch deutlich<br />
teurer, wie ein Blick Richtung<br />
Bodensee zeigt. Denn es gibt Privatschulen,<br />
die den Zugang über die Exklusivität<br />
der Angebote und die Höhe<br />
der Unterbringungskosten im angeschlossenen<br />
Internat regeln. Aber<br />
das sind unter den Privatschulanbietern<br />
Ausnahmen. [!] Sigrid Balke
<strong>unternehmen</strong> [!] RESSORT 23<br />
Entdecken Sie<br />
Raum für neue<br />
Perspektiven.<br />
ZEISS Forum<br />
Auf rund 2.000 Quadratmetern bietet das ZEISS Forum in Oberkochen<br />
auf insgesamt drei Ebenen inklusive Cafébar und dem ZEISS Museum der Optik<br />
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Tagungs- und Veranstaltungstechnik, bieten bis zu 800 Personen Platz.<br />
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24<br />
MACHEN <strong>unternehmen</strong> [!]<br />
Ein insolventes Unternehmen<br />
zu übernehmen ist<br />
ein riskantes Unterfangen<br />
– und gerät nicht von<br />
ungefähr manchmal zu einer<br />
wirtschaftlichen Gratwanderung.<br />
Vor allem, wenn der Investor<br />
nicht die schnelle Abschöpfung<br />
der verbliebenen Werte im<br />
Sinn hat, sondern die Rückkehr<br />
in die Erfolgsspur anstrebt. Wie<br />
das gelingen kann, stellt Datagroup<br />
SE in Ulm unter Beweis.<br />
Dass sich das IT-Unternehmen<br />
für den Standort Ulm entschieden<br />
hat, war nicht zuletzt<br />
ein Glücksfall für die Belegschaft<br />
der IT-Informatik GmbH.<br />
Die im August 2019 erfolgte<br />
Übernahme der wesentlichen<br />
Vermögenswerte und Mitarbeiter<br />
der insolventen Firma sowie<br />
der Tochter<strong>unternehmen</strong> Mercoline<br />
in Berlin und IT-Informatik<br />
Digitalización Industrial 4.0<br />
in Barcelona bedeutete die Rettung<br />
von rund 300 Arbeitsplätzen.<br />
Daraus entstand eine<br />
Win-Win-Situation, zumal Max<br />
Schaber, Gründer und CEO der<br />
Datagroup, bei der Standortsuche<br />
für eine weitere Niederlassung<br />
bereits zuvor immer wieder<br />
nach Ulm geschaut hat, wie<br />
Olaf Schaefers, Geschäftsführer<br />
der Datagroup Ulm, weiß.<br />
Am Hauptsitz in Pliezhausen<br />
war Ulm als möglicher Standort<br />
schon längere Zeit im Gespräch.<br />
Gekommen,<br />
um zu bleiben<br />
IT-Dienstleister Die Insolvenz im August 2019 war ein Schock für<br />
die Mitarbeiter der IT Informatik in Ulm. Die Übernahme durch die<br />
Datagroup hat 300 Arbeitsplätze gerettet und schafft Perspektiven.<br />
Neuer Fokus in Krisenzeit<br />
Was das Ulmer Portfolio betrifft,<br />
verhält es sich einerseits so, wie<br />
bei allen der 25 Tochter<strong>unternehmen</strong>.<br />
„Wir haben mit der<br />
‚Corbox‘ ein gemeinsames Produkt,<br />
das standardisierte IT-Services<br />
beinhaltet.“ Darüber hinaus<br />
besitzt jedes Tochter<strong>unternehmen</strong><br />
ein eigenes Profil. „Wir<br />
haben in Ulm einen starken Fokus<br />
auf das Thema SAP. Aber<br />
auch im Bereich der Individualprogrammierungen<br />
sind wir<br />
sehr stark.“ Momentan sei das<br />
Unternehmen auf Dienstleistungen<br />
in Krisenzeiten fokussiert:<br />
„Von der Zeiterfassung im<br />
Homeoffice bis zum Managen<br />
von Kurzarbeitergeld.“<br />
Neben der Prozessoptimierung,<br />
von der gerade auch die<br />
Fertigungsindustrie profitiert,<br />
kommt noch ein weiterer Faktor<br />
zum Tragen: „Mit unseren<br />
Fach experten und standardisierten<br />
Prozessen können wir Leis-
<strong>unternehmen</strong> [!] MACHEN 25<br />
tungen anbieten, die der Kunde<br />
selbst nicht erbringen kann oder<br />
möchte“, sagt Schaefers. Wobei die<br />
Nähe zu einem Großteil der zumeist<br />
mittelständischen Klientel enge Bindungen<br />
und schnelle Reaktionszeiten<br />
ermöglicht. „Im Umkreis von<br />
150 Kilometern haben wir an die<br />
80 Prozent der Kunden abgedeckt.“<br />
Nicht zuletzt schafft die Datagroup<br />
Ulm neue Arbeitsplätze. „Wir<br />
werden nach und nach weiter rekrutieren“,<br />
sagt Olaf Schaefers. Derzeit<br />
Künftige Mitarbeiter ausbilden<br />
Die Datagroup SE<br />
mit Sitz in Pliezhausen<br />
ist eines der führenden<br />
deutschen IT-Service-Unternehmen<br />
mit rund 2700 Mitarbeitern<br />
und 25 Tochtergesellschaften<br />
an<br />
Standorten in ganz<br />
Deutschland. Im Geschäftsjahr<br />
2018/19<br />
wurde ein Umsatz von<br />
knapp 307 Millionen<br />
Euro erwirtschaftet. In<br />
Wir sind aus<br />
den roten schon<br />
mal in die<br />
schwarzen Zahlen<br />
gerutscht.<br />
Olaf Schaefers<br />
Geschäftsführer der Datagroup Ulm<br />
der Ulmer Niederlassung<br />
sind derzeit 210<br />
Mitarbeiter, sechs duale<br />
Studenten, elf<br />
Auszubildende und<br />
zwei Werkstudenten<br />
tätig.<br />
arbeiten 210 Mitarbeiter am Standort.<br />
Und die sollen sich in einer modernen<br />
Unternehmenskultur mit flachen<br />
Hierarchien, Freiräumen, kurzen<br />
Entscheidungswegen, flexibler<br />
Arbeitszeitgestaltung und Eigenverantwortung<br />
wohl fühlen, wie Prokurist<br />
Ulrich von Waechter sagt.<br />
Nach derzeitigem Stand ist die<br />
Ulmer Datagroup-Tochter bereits in<br />
kurzer Zeit auf dem besten Weg auf<br />
die Erfolgsspur. Zwar liegen noch<br />
keine offiziellen Zahlen vor, aber die<br />
Zeichen stehen gut, wie Olaf Schaefers<br />
optimistisch sagt: „Der Dezember<br />
ist sehr positiv verlaufen, wir<br />
sind aus den roten schon mal in die<br />
schwarzen Zahlen gerutscht. Den<br />
Trend wollen wir jetzt fortsetzen.“<br />
Wobei die Strategen nicht auf den<br />
schnellen Erfolg aus sind: „Wir<br />
möchten langfristig auf Kundenbeziehungen<br />
und Beziehungen zu unseren<br />
Mitarbeitern setzen und das<br />
Unternehmen langfristig hier wieder<br />
aufbauen.“ [!] Bernd Rindle<br />
Zur Person<br />
Ulrich von Waechters<br />
war bereits vor<br />
der Übernahme<br />
durch die Datagroup<br />
bei IT-Informatik. Er<br />
studierte Wirtschaft<br />
an der Uni Stuttgart<br />
Hohenheim.<br />
Zur Person<br />
Olaf Schaefers<br />
studierte unter anderem<br />
in Dänemark,<br />
der Schweiz und Japan<br />
BWL. Seit mehr<br />
als vier Jahren ist<br />
Schaefers für die Datagroup<br />
tätig.<br />
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Ulm/Neu-Ulm – Sonderpublikation<br />
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Bernd Neidhart<br />
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Sonderpublikation<br />
„Starkes Herz und gesunde Gefäße“<br />
in der SÜDWEST PRESSE<br />
Corporate Storytelling:<br />
Erzählungen mit Weitblick<br />
Bereits vor tausenden von Jahren, irgendwann<br />
zwischen dem ersten Feuer und der Erfindung<br />
des Rades, fingen die Menschen damit an, sich<br />
Geschichten zu erzählen. Geschichten über gefährliche<br />
Tiere, die außerhalb des sicheren Umfeldes<br />
in der freien Wildnis und vor den Höhlen<br />
lauerten. Über giftige Schlangen, vielleicht<br />
auch über die besten Beeren, die man in der<br />
Nähe sammeln konnte. Warum? Die Menschen<br />
hatten erkannt: Geschichten zu erzählen sicherte<br />
ihnen das Überleben. Viele Jahre gingen<br />
ins Land. Dann, etwa 450 vor unserer christlichen<br />
Zeitrechnung, hatte es sich der Philosoph<br />
Sokrates zur Aufgabe gemacht, den Dingen auf<br />
den Grund zu gehen und die Ursachen zu hinterfragen.<br />
Warum ist etwas so, wie es ist? Der<br />
strukturierte Dialog, seine eigene philosophische<br />
Methode, sollte ihm und anderen zu Erkenntnis<br />
und Wahrheit verhelfen.<br />
Ein Mann namens Sokrates<br />
Oft stand Sokrates auf dem Athener Marktplatz,<br />
immer barfuß, meist im zerschlissenen Gewand.<br />
Eine Menge Menschen scharten sich um<br />
ihn. Einige wurden seine Schüler. So auch Platon.<br />
Ein junger Mann aus reichem Haus. Warum<br />
sollte ein vornehmer junger Mann mit einem wie<br />
Sokrates seine Zeit vollbringen wollen? Weil Sokrates<br />
nicht nur hinterfragen sondern auch gute<br />
Geschichten erzählen konnte!<br />
In dem Werk „Phaidros“, einem später von Platon<br />
aufgezeichneten, fiktiven Dialog zwischen<br />
Sokrates und Phaidros, stellt Sokrates dar, dass<br />
eine gut gemachte Rede in ihrem Aufbau einem<br />
lebendigen Organismus gleich in Anfang, Mitte<br />
und Ende auf das Ganze abgestimmt sein<br />
müsste.<br />
Vielen Dank für<br />
das Interview und<br />
den gelungenen Text<br />
in der Sonderbeilage.<br />
Prof. Dr. Wolfgang Rottbauer<br />
Ärztlicher Direktor Innere Medizin II<br />
Universitätsklinikum Ulm<br />
Auf einer Wellenlänge<br />
Was ist eine Geschichte? Jennifer Aaker, Professorin<br />
an der Stanford Graduate School of<br />
Business, definiert diese als ein Set von Ereignissen,<br />
die miteinander verbunden sind. Dabei<br />
lösen Geschichten im Gehirn andere Ereignisse<br />
aus als bloße Fakten. Die neurowissenschaftliwww.contentperformance.de<br />
Die Macht guter Geschichten<br />
Was ist daraus zu lernen? Menschen lieben Geschichten.<br />
Wer es schafft, eine gute Geschichte<br />
zu erzählen, die Dinge zu hinterfragen und damit<br />
Zuhörer wie Leser für sich zu gewinnen, der<br />
wird auch seine gesetzten Ziele erreichen können.<br />
Ging es früher noch um das Überleben und<br />
später dann um Erkenntnis, ethische Grundsätze<br />
und das Weltverstehen, verfolgen Unternehmen<br />
heute Ziele wie eine erfolgreiche<br />
Marktpositionierung. Außerdem geht es darum,<br />
Kunden für sich zu gewinnen und langfristig<br />
zu binden.<br />
Ob Höhlenbewohner, antike Philosophen oder<br />
moderne Unternehmen, eines haben alle gemeinsam:<br />
Sie alle setzten oder setzen noch<br />
heute auf die Macht guter Geschichten. Es geht<br />
um das Prinzip des Storytellings.<br />
Foto: LuisPinaPhotography / Shutterstock.com
<strong>unternehmen</strong> [!] RESSORTAnzeige<br />
27<br />
che Forschung zeigt auf, dass unsere Gehirne<br />
nicht dafür ausgelegt sind, Logik zu verstehen<br />
und Fakten für lange Zeit zu behalten. Sie sind<br />
vielmehr so veranlagt, dass sie Geschichten<br />
verstehen und behalten können.<br />
Wir bringen unser Gehirn auf Hochtouren,<br />
wenn wir eine Geschichte hören, da wir versuchen,<br />
das Erzählte mit eigenen Erfahrungen in<br />
Einklang zu bringen. „Geschichten bringen, im<br />
Gegensatz zu Fakten, Bedeutung in Vorgänge“,<br />
wie Thomas Pyczak, Autor des Buches „Tell<br />
me“ den Aussagen Aakers nachgeht. „Erzählungen<br />
transportieren nachhaltig Wissen und<br />
Erfahrungen, indem sie Emotionen und Fakten<br />
miteinander verknüpfen. So haben Geschichten<br />
evolutionär dazu beigetragen, das Überleben<br />
zu sichern und uns das Gefühl gegeben,<br />
Kontrolle über die Welt zu haben.“<br />
In andere Welten versetzt<br />
Beim Lesen von Geschichten produziert das<br />
Gehirn zwei Hormone. Cortisol und seinen Gegenspieler,<br />
ein Hormon namens Oxytocin. Cortisol<br />
fokussiert die Aufmerksamkeit, während<br />
Oxytocin für Mitgefühl sorgt. „Geschichten sind<br />
so mächtig, weil sie uns in die Welten anderer<br />
Menschen transportieren“, sagt Pyczak. Dabei<br />
verändern sie sogar die Art, wie unser Gehirn<br />
arbeitet. Geschichten beeinflussen die Biochemie<br />
des Gehirns. Der Anteil des Oxytocin-Hormons<br />
im Blut verursacht Wahrnehmungen wie<br />
Großzügigkeit, Vertrauen, Moral und Empathie.<br />
„Wer sich dieses Effekts bewusst ist, versteht<br />
die Auswirkung von Geschichten besser“, verdeutlicht<br />
Pyczak und belegt damit, wie wichtig<br />
es für Unternehmen sein sollte, mit Erzählungen<br />
anstatt bloßer Fakten zu arbeiten.<br />
Geschichten, keine Märchen<br />
Der Durchschnittsbürger besitzt heute ein<br />
Smartphone. Vielleicht ein Laptop, wahrscheinlich<br />
einen smarten Fernseher, eventuell ein<br />
Abonnement der Tageszeitung. Die Möglichkeiten,<br />
an Informationen zu kommen, sind enorm<br />
gestiegen. Gleichzeitig sinkt jedoch die Aufmerksamkeitsspanne<br />
– wie verschiedene Studien<br />
es belegen – auf durchschnittlich 8 Sekunden.<br />
8 Sekunden, um einen potentiellen Kunden<br />
zu überzeugen. Wie soll das gehen? Mit<br />
bloßen Fakten? Ermüdenden Zahlen? Nein, mit<br />
Geschichten.<br />
Eine Geschichte mit spannender Headline und<br />
gutem Einstieg kurbelt das Oxytocin im Gehirn<br />
an und hebt das Erzählte aus der Flut mittelmäßiger<br />
Informationen empor. Dem Leser fällt es<br />
so leichter, seine Aufmerksamkeit darauf zu<br />
richten. Im Storytelling geht es allerdings nicht<br />
darum, Märchen zu erzählen oder gar fiktive<br />
Elemente miteinzuweben. Storytelling ist die<br />
journalistische Aufgabe, den Leser mittels einer<br />
gut erzählten Geschichte von einer Sache so zu<br />
überzeugen, dass sich dieser später jederzeit<br />
an die Kernaussage erinnern kann.<br />
Der italienische Hirnforscher Giacomo Rizzolatti,<br />
der sich seit nunmehr vier Jahrzehnten der<br />
Erforschung von Nervenzellen widmet, konnte<br />
1992 belegen, dass die Beobachtung einer<br />
Handlung zum selben Impuls innerhalb bestimmter<br />
Nervenzellen führt – so, als würde<br />
man selbst handeln. Die Nervenzellen, die beim<br />
Beobachten die gleichen Reaktionen zeigen wie<br />
beim eigenen Verhalten, nannte Rizzolatti<br />
„Spiegelneurone“. Damit legte Rizzolatti den<br />
Grundstein für ein besseres Verständnis der<br />
Gefühlslage des Anderen. Gleichzeitig beweist<br />
er aber auch, von welch immenser Bedeutung<br />
das Lesen einer guten und emotionalen Geschichte<br />
sein kann.<br />
Wissen zum Mitnehmen<br />
» Neurobiologen haben erkannt, dass<br />
eine Information, die nicht innerhalb<br />
von fünf Sekunden Interesse erweckt,<br />
verloren geht.<br />
» Die Informationsmenge wächst viermal<br />
schneller als die Weltwirtschaft.<br />
» Die italienischen Wissenschaftler<br />
Rizzolatti und Gallese konnten in den<br />
90ern beweisen, dass die reine Beobachtung<br />
einer Handlung zum gleichen<br />
Handlungsreiz im Gehirn führt<br />
als hätte man diese selbst ausgeführt.<br />
Unternehmensgeschichten in Sekunden<br />
Eine gute Geschichte muss nachvollziehbar<br />
sein aber nicht vorhersehbar. Sie vermittelt den<br />
Kern des Unternehmens. Von den Anfängen bis<br />
zum „Happy End“ transportiert sie die Firmenkultur<br />
und die Werte, die innerhalb des Unternehmens<br />
gelten. Sie begeistert für das Unternehmen<br />
und die Marke. Gleichzeitig verhilft eine<br />
gute Erzählung dem Leser, sich mit der<br />
Firma, den Produkten und den dort arbeitenden<br />
Menschen zu identifizieren. Storytelling<br />
bildet damit die Grundlage, um sich am Markt<br />
strategisch erfolgreich zu positionieren und<br />
sich bei potentiellen Kunden buchstäblich ins<br />
Gedächtnis zu rufen. Wie lautet Ihre Geschichte?<br />
Sie haben genau 8 Sekunden Zeit. Alles weitere<br />
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Corporate Storytelling: alles für eine gute Geschichte<br />
Wir denken, dass jedes Unternehmen eine<br />
Geschichte zu erzählen hat, die potentielle<br />
Kunden langfristig begeistern kann. Wir<br />
konzipieren und entwickeln kreative Kampagnen<br />
für Unternehmen und Institutionen in<br />
Ulm, um Ulm und über alle Grenzen hinweg.<br />
Wir erzählen diese Geschichten mit journalis-<br />
tischen Mitteln und transportieren sie auf<br />
allen Wegen in die Welt hinaus. Egal, ob Print,<br />
Digital, Video oder im Live-Event. Wir helfen<br />
Unternehmen, sich gezielt mit ihrer Story<br />
beim Kunden Gehör zu verschaffen. Mit Medien,<br />
die wirken. Mit Geschichten, die berühren.<br />
Mit Profis, die ihr Handwerk verstehen.<br />
Corporate Publishing und Content Marketing<br />
Projektleitung: Tobias Lehmann,<br />
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SPEZIAL <strong>unternehmen</strong> [!]<br />
Die Stimmung<br />
ist der Star<br />
Ladengestaltung Mit Licht , Musik, Gerüchen und dem Vermeiden<br />
jeglicher Stressfaktoren, können Einzelhändler ihren Verkaufserfolg<br />
steigern. Wie Händler Wohlbefinden und Orientierung schaffen.<br />
Es glänzt überall wie<br />
frisch poliert. Große<br />
weiße Flächen wechseln<br />
sich mit akzentuierten<br />
schwarzen ab. Dieses edle Ambiente<br />
gehört zu einem Juwelierladen.<br />
Das Bekleidungsgeschäft<br />
nebenan arbeitet mit anderen<br />
Reizen. Musik umgibt die Kunden,<br />
ausgesuchte Stücke werden<br />
an Deko-Figuren präsentiert, die<br />
Verkaufsfläche mit Lichtinszenierungen<br />
bespielt. Denn Laden<br />
ist nicht gleich Laden. Die Gestaltung<br />
hängt sehr vom jeweiligen<br />
Sortiment ab. Doch es gibt<br />
Grundregeln.<br />
Stressfaktoren reduzieren<br />
„Zunächst einmal muss man<br />
Stressfaktoren rausnehmen“,<br />
sagt Konsumpsychologe Hans-<br />
Georg Häusel. Denn: „Wenn der<br />
Kunde den Laden betritt, ist das<br />
zunächst einmal eine unbekannte<br />
Höhle für ihn.“ Das soll aber<br />
nicht so bleiben. Deshalb sollte<br />
man Hindernisse im Eingangsbereich,<br />
Hitze, trockene Luft,<br />
Gestank oder enge Stellen vermeiden,<br />
an denen man mit anderen<br />
Leuten in Berührung<br />
kommt. „Das ist ganz unabhängig<br />
von der Corona-Situation.<br />
Wenn der Kunde in den Laden<br />
kommt, löst jede Enge Stress<br />
aus.“ Schön sei ein angenehmer<br />
Geruch, vitalisierend und leicht<br />
unterhalb der Wahrnehmungsschwelle,<br />
und eine Art Tageslicht<br />
auch im Eingangsbereich.<br />
Häusel hält beispielsweise<br />
Wühltische in der Nähe des Eingangs<br />
für einen Fehler. Das<br />
menschliche Gehirn versuche,<br />
Stress zu vermeiden – und Chaos<br />
bedeute Stress. Der Kunde<br />
brauche je nach Größe des Geschäfts<br />
einige Meter, um in Ruhe<br />
einzutreten und sich orientieren<br />
zu können. Wichtig sei Stressabbau<br />
durch Orientierung.<br />
Auch müsse die Wegerichtung<br />
für Kunden klar sein. Die<br />
Wege sollten nicht zu lang sein,<br />
sondern ab und zu durch etwas<br />
Unterhaltsames unterbrochen<br />
werden – eine Schaufensterpuppe<br />
oder eine ins Auge fallende<br />
Warenpräsention. Ist der Stress<br />
nach dem Eintritt abgebaut, geht<br />
es um Inspiration – auch durch<br />
Licht. „Ich muss den Kunden so<br />
durch Licht führen, dass er bestimmte<br />
Höhepunkte wahr-<br />
Wenn der<br />
Kunde den<br />
Laden betritt,<br />
ist der eine<br />
unbekannte Höhle.<br />
Hans-Georg Häusel<br />
Hirnforscher
<strong>unternehmen</strong> [!]<br />
SPEZIAL<br />
29<br />
Deko-Figuren im Laden werden<br />
im Branchenjargon Mannequins<br />
genannt: Sie bieten den<br />
Kunden Abwechslung und<br />
Orientierung.<br />
nimmt. Der Laden wird so zu einem<br />
kleinen Erlebnispark.“<br />
Beim Thema Licht wird allerdings<br />
die Differenzierung bedeutsamer.<br />
Konservative Menschen<br />
mögen eher warme Lichtfarben,<br />
neugierige Menschen<br />
eher schrillere, hellere und<br />
mehr Abwechslung, sagt Häusel.<br />
„Die Kunden suchen die<br />
Einrichtung, die zu ihrer Persönlichkeit<br />
passt.“<br />
Monika Imschloß, Junior-Professorin<br />
beim IFH Köln,<br />
empfiehlt daher, sich genau zu<br />
überlegen, was man mit dem<br />
Beleuchtungskonzept erreichen<br />
will. „Beleuchte<br />
ich bestimmte Artikel<br />
im Regal besonders,<br />
werden sie eher wahrgenommen“,<br />
sagt Imschloß.<br />
Frische Produkte<br />
können bei hellem<br />
Licht besser inspiziert<br />
werden, Mode wird in einem<br />
normalen, gemütlichen<br />
Licht lieber anprobiert.<br />
„Manche Geschäfte<br />
setzen das konsequent um<br />
und kommunizieren mit<br />
der Beleuchtung auch<br />
gleich ihr Markenimage.“<br />
Man müsse sich genau<br />
überlegen: Welche Produkte<br />
habe ich? Was will<br />
Wenig Ware ausgefallen<br />
präsentiert, zeigt ein<br />
exklusives Image.<br />
ich für die einzelnen Produktkategorien<br />
erreichen? Welche<br />
Zielgruppe spreche ich an?<br />
Denn angesprochen werden<br />
wollen die Konsumenten mit allen<br />
Sinnen. 78 Prozent der Befragten<br />
gaben in einer Studie<br />
von Mood Media eine stimmige<br />
Einkaufsatmosphäre als Schlüsselfaktor<br />
bei<br />
der Entscheidung<br />
zugunsten<br />
des stationären<br />
Handels<br />
gegenüber dem<br />
Onlinehandel<br />
an. Ein harmo-<br />
Manche<br />
Geschäfte<br />
kommunizieren mit<br />
der Beleuchtung ihr<br />
Markenimage.<br />
Monika Imschloß<br />
Junior-Professorin IFH Köln<br />
nisches Gesamtkonzept<br />
aus Musik, visuellen<br />
Elementen<br />
und Duft wirke sich dabei<br />
positiv auf die Verweildauer<br />
der Konsumenten im Laden<br />
und auf die Kundenbindung aus.<br />
Bei Farben gelten laut Häusler<br />
nicht die gleichen Regeln wie<br />
in Büroräumen, weil häufig große<br />
Wandflächen fehlen. Deswegen<br />
zählen hier eher der Gesamteindruck<br />
und die Emotionswelten.<br />
Eine besondere Rolle<br />
spielt hingegen die Musik.<br />
Geht man in einen Orsay oder<br />
einen Zara, wo eher jüngere<br />
Menschen einkaufen, hört man<br />
laute, schnelle Musik. Die sollte<br />
man eher nicht in einem Bekleidungsgeschäft<br />
für Ältere<br />
einspielen,<br />
sagt Monika<br />
Imschloß. Es<br />
komme auf<br />
Zielgruppe<br />
und Marke an.<br />
Grundsätzlich<br />
könne man<br />
durch Musik<br />
Menschen beeinflussen.<br />
Die Forschungsgruppe<br />
um Imschloß hat Sounds<br />
konzipieren lassen, die Vertrauen<br />
schaffen sollen, eine Art ruhige,<br />
gleichmäßige Fahrstuhlmusik.<br />
„Wir haben über Stunden<br />
hinweg in Apotheken die<br />
Musik gespielt oder nicht. Wäh-
30 SPEZIAL <strong>unternehmen</strong> [!]<br />
Alle neun Jahre wird renoviert<br />
renddessen haben wir die Kunden<br />
befragt, wieviel Vertrauen sie in die<br />
Beratung haben“, erzählt Imschloß.<br />
Ergebnis: Lief die Musik im Hintergrund,<br />
gaben die Kunden an, mehr<br />
Vertrauen empfunden zu haben. In<br />
anderen Studien wurde untersucht,<br />
ob man die Wahrnehmung von Produkten<br />
verändern kann. Bei Textilien<br />
könne man durch Spielen von<br />
sanfter Musik die Wahrnehmung<br />
von Weichheit verstärken, sagt Imschloß.<br />
Kunden sollen sich in den Geschäften<br />
allerdings nicht nur wohlsondern<br />
auch sicher fühlen – und sicher<br />
sein. Hier kommt die Bundesanstalt<br />
für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin<br />
ins Spiel. Der<br />
wissenschaftliche Mitarbeiter Kersten<br />
Bux erklärt, was für Sicherheit,<br />
Gesundheit und Wohlbefinden von<br />
Kunden und Mitarbeitern elementar<br />
ist. Dabei wirken verschiedene<br />
Rechtsgebiete wie das Bau- und Arbeitsschutzrecht<br />
mit der Arbeitsstättenverordnung<br />
und den Arbeitsstättenregeln<br />
zusammen. „Sicher<br />
und gesund ist hier die Faustregel“,<br />
erklärt Bux. So müssen sowohl die<br />
Laden- als auch die Mitarbeiterräume<br />
ausreichend groß, hell und warm<br />
sein. Wie genau, das ist alles festgelegt.<br />
Zum Beispiel müssen Türen<br />
wegen<br />
der<br />
Sicher und<br />
gesund ist hier<br />
die Faustregel.<br />
Kersten Bux<br />
Ministerium für Arbeitsschutz<br />
Flexibilität bei Einrichtung und Beleuchtung wird immer wichtiger.<br />
Im Durchschnitt wird im Einzelhandel<br />
etwa alle neun Jahre<br />
umfassend renoviert. Dabei<br />
investieren Handels<strong>unternehmen</strong><br />
mit insgesamt 7,9 Milliarden<br />
Euro auf hohem Niveau in<br />
Bau, Technik und Optik ihrer<br />
stationären Geschäfte, wie<br />
der EHI-Laden-Monitor <strong>2020</strong><br />
zeigt. Besonders wachstumsstark<br />
zeigen sich Lebensmittel-,<br />
Drogerie- und preisorientierte<br />
Nonfood-Fachmärkte.<br />
735 Euro pro Quadratmeter<br />
Verkaufsfläche und damit 15<br />
Prozent mehr als vor drei Jahren<br />
investierte der Lebensmittelhandel<br />
2019. Noch deutlicher<br />
gestiegen – plus 21 Prozent<br />
– sind laut EHI die durchschnittlichen<br />
Einrichtungskosten für ein<br />
neues Textil-, Schuh- und<br />
Sportgeschäft mit 537 Euro<br />
pro Quadratmeter Verkaufsfläche.<br />
Die Neueröffnungen im<br />
Zur Person<br />
Dr. Hans-Georg<br />
Häusel (68) ist Diplom-Psychologe<br />
und Vordenker des<br />
Neuromarketings. Er<br />
zählt zu den führenden<br />
Experten in der<br />
Marketing-, und Management-Hirnforschung.<br />
Fashion-Bereich setzen auf<br />
mehr Erlebniswert und investieren<br />
in eine hochwertige Ladenoptik,<br />
emotionale Warendarstellung<br />
und in mehr Aufenthaltsbereiche<br />
für die Kunden.<br />
Flächenkonzepte und<br />
Formate werden zunehmend<br />
flexibler. Flexibilität ist auch<br />
für die Beleuchtung wichtig.<br />
Die individuelle Ansteuerung<br />
von LED bietet neue Gestaltungsmöglichkeiten.<br />
Fluchtwege nach außen aufgehen,<br />
Fluchtwege ausgeschildert sein. „In<br />
Geschäften können Gefahren lauern,<br />
darum ist auch geregelt, wie viele<br />
Feuerlöscher und Sanitätskästen<br />
vorhanden sein müssen, dass man<br />
sie ausreichend kennzeichnet und<br />
nicht versteckt“, sagt Bux.<br />
Dass sich auch die Mitarbeiter<br />
wohl und sicher fühlen müssen, betont<br />
auch Psychologe Hans-Georg<br />
Häusel: „Wenn es vorne glamourös<br />
aussieht und hinten die Toilette<br />
stinkt, ist das nicht im Sinne der Mitarbeiter.“<br />
Man müsse den Mitarbeitern<br />
hinter den Kulissen nicht den<br />
gleichen Glamour bieten wie den<br />
Kunden davor. Aber: „Der Mensch<br />
fühlt sich wohl, wenn er ernst genommen<br />
wird und das kann man<br />
auch durch Einrichtung ausdrücken.“<br />
Man dürfe es nicht hinten<br />
„verkrabbeln lassen, denn dann<br />
kommen die Mitarbeiter auch mit<br />
schlechter Stimmung zu den Kunden<br />
in den Verkaufsraum.“<br />
Das wäre schlecht, denn „das<br />
Wichtigste für unser Gehirn sind<br />
Menschen“, sagt Häusel. Sieht ein<br />
Kunde lachende, zufriedene Gesichter<br />
im Laden, fühlt er sich wohl.<br />
„Selbst wenn Kunden nur beiläufig<br />
hören, dass ein Verkaufsgespräch<br />
freundlich oder herzlich ist, sorgt<br />
das für eine gute Stimmung im Laden.“<br />
[!]<br />
Caroline Strang
sind sie<br />
<strong>unternehmen</strong> [!] RESSORT 31<br />
schon<br />
reich oder<br />
brauchen<br />
sie uns<br />
noch?<br />
get branded.<br />
be loved.<br />
www.attacke.love
32<br />
VERANTWORTEN <strong>unternehmen</strong> [!]<br />
Allgaier-Stammsitz in Uhingen: Das Wohl und<br />
Wehe des Autozulieferers hängt maßgeblich von<br />
der Lage der deutschen Premiumhersteller ab.<br />
Auf der<br />
Rüttelpiste<br />
Zulieferer Erst der Umbruch zu E-Autos,<br />
jetzt Corona: Für viele Firmen kommt es<br />
hart. Einblicke aus der Region Göppingen.<br />
Er bezeichnet sich selbst<br />
als „alten Hasen“ in der<br />
Branche, der schon viel<br />
gesehen hat. „Aber eine<br />
solche Krise habe ich noch nie<br />
erlebt“, sagt Helmar Aßfalg,<br />
Vorsitzender der Geschäftsführung<br />
der Uhinger Allgaier Werke.<br />
Erst im Februar hatte der Autozulieferer<br />
ein dickes Sparpaket<br />
geschnürt und rund 100 Stellen<br />
gestrichen. Nach dem harten<br />
Schnitt wollten die Uhinger neu<br />
Die Region Göppingen ist von vielen metallverarbeitenden Unternehmen wie Allgaier geprägt.<br />
durchstarten, der Firmenchef<br />
rechnete für dieses Jahr gar mit<br />
einem Umsatzzuwachs.<br />
„Das erste Quartal <strong>2020</strong> hat gezeigt,<br />
dass unsere Restrukturierungsmaßnahmen<br />
erfolgreich<br />
umgesetzt werden“, sagt Aßfalg.<br />
Das Ergebnis der ersten drei<br />
Monate sei wie geplant gewesen,<br />
obwohl Corona bereits für<br />
weniger Umsatz gesorgt habe.<br />
Kurze Zeit später schlug das<br />
Virus voll zu. „Bezogen auf unsere<br />
Planungen für das Jahr <strong>2020</strong><br />
gehen wir für das Gesamtjahr<br />
von einem Umsatzeinbruch in<br />
Höhe von rund 20 bis 25 Prozent<br />
aus“, lautet Aßfalgs düstere Prognose.<br />
Er befürchtet, dass bis<br />
zum Ende des Jahres Kurzarbeit<br />
in den Bereichen angesagt sei,<br />
in denen die Belegschaft durch<br />
reduzierte Abrufzahlen nicht<br />
ausgelastet ist. „Bis wann wir<br />
wieder auf Vor-Corona-Krisen-Niveau<br />
sind, lässt sich aus<br />
heutiger Sicht noch nicht belastbar<br />
sagen. Derzeit müssen wir<br />
auf Sicht fahren“, lautet die Devise<br />
des Geschäftsführers. Aßfalg<br />
macht deutlich, wie hart die
<strong>unternehmen</strong> [!] VERANTWORTEN 33<br />
Zeiten sind. Denn zur Corona-Krise<br />
komme ein Umbruch, den die<br />
Branche so noch nicht erlebt hat.<br />
„Die von der Politik geforderte Umstellung<br />
der Automobilindustrie,<br />
weg vom Verbrennungsmotor hin<br />
zur Elektromobilität, zwingt die Autohersteller<br />
und ihre Zulieferer zu<br />
gewaltigen Veränderungen mit enormen<br />
wirtschaftlichen Belastungen“,<br />
sagt Aßfalg. Die Corona-Pandemie<br />
habe dazu geführt, dass die wirtschaftliche<br />
Belastung der Unternehmen<br />
zugenommen habe.<br />
Andernorts im Landkreis Göppingen<br />
sieht es nicht besser aus.<br />
„Am Puls der Wirtschaft“ befindet<br />
sich der Businessdirektor Süddeutschland<br />
der Aalberts Surface<br />
Treatment GmbH Göppingen, Wolfram<br />
Macke. Als Lohnbeschichter am<br />
Ende der Wertschöpfungskette befindlich,<br />
kann die ehemalige AHC<br />
Oberflächentechnik als Seismograph<br />
der wirtschaftlichen Entwicklung<br />
angesehen werden. „Wenn<br />
nichts gefertigt wird, wird nichts beschichtet“,<br />
bringt es Macke auf den<br />
Punkt. Seit April schlägt die Krise<br />
auch bei Aalberts „drastisch“ zu.<br />
Umsatzrückgänge um die 40 Prozent<br />
und Kurzarbeit sind die Folgen.<br />
Die Hoffnung, dass es demnächst<br />
wieder aufwärts gehen könnte, seien<br />
inzwischen wieder zerstoben.<br />
Abrufe der Kunden, der Autohersteller<br />
selbst sowie der direkten Zulieferer,<br />
seien mittlerweile wieder<br />
reduziert worden. So rechnet man<br />
beim Oberflächenbeschichter damit,<br />
dass auch die Monate <strong>Juli</strong> und August<br />
auf dem gleichen Niveau weiterdümpeln<br />
werden. Es deute sich<br />
an, dass die Autohersteller in den<br />
Sommerferien „nochmals zwei Wochen<br />
zumachen“.<br />
Auch ich werde<br />
mein neues<br />
Auto drei Monate<br />
später als geplant<br />
bekommen.<br />
Wolfram Macke<br />
Aalberts Surface Treatment<br />
werde meinen Wagen drei Monate<br />
später bekommen.“<br />
„Das Coronavirus hat unseren Arbeitsalltag<br />
gehörig durcheinandergewirbelt“,<br />
sagt auch Oliver Hagenlocher,<br />
Marketingleiter der<br />
Emag-Gruppe, und meint: „Gefühlt<br />
haben wir das Lockdown-Tief durchschritten.“<br />
Doch gleichzeitig sei man<br />
noch weit von einem „Vor-Corona-Zustand“<br />
entfernt. Aktuell geht<br />
man bei der Maschinenbaufirma mit<br />
Sitz in Salach von einem Auftragsrückgang<br />
von rund 35 Prozent in diesem<br />
Jahr aus. Um den Auftragsbestand<br />
wieder aufzufüllen, wäre eine<br />
Erholung im zweiten Halbjahr und<br />
eine weitere Erholung in 2021 notwendig.<br />
„Dies allerdings nur unter<br />
den Vorzeichen einer globalen wirtschaftlichen<br />
Belebung“, betont Hagenlocher.<br />
Zufrieden ist man beim Salacher<br />
Maschinenbauer mit den sowohl auf<br />
nationaler als auch auf europäischer<br />
Ebene getroffenen Maßnahmen.<br />
„Vor allem das Instrument der Kurzarbeit<br />
wird bei uns gezielt eingesetzt,<br />
um den Rückgang im Auftragseingang<br />
auszugleichen. Unser<br />
Hauptziel ist seit Beginn der Krise,<br />
mit einer gestärkten Emag-Gruppe<br />
den Aufschwung zu schaffen.“ Dafür<br />
seien bei Emag eine Reihe von<br />
strukturellen Sparmaßnahmen beschlossen<br />
worden, berichtet Hagenlocher.<br />
Als Beispiel nennt er die<br />
Schließung des Standortes in Göppingen<br />
und die Rückführung des gesamten<br />
Personals sowie der Arbeitsprozesse<br />
an den Emag- Stammsitz<br />
in Salach. „Zudem halten wir an den<br />
bereits vor der Krise getroffenen<br />
strategischen Entscheidungen zur<br />
Entwicklung der Emag-Gruppe fest<br />
und investieren weiterhin in Zukunftstechnologien<br />
und den Ausbau<br />
unseres Produktportfolios.“ [!]<br />
Axel Raisch und<br />
Susann Schönfelder-Kuhn<br />
Zur Person<br />
Helmar Aßfalg ist<br />
seit 12 Jahren Vorsitzender<br />
der Allgaier-Geschäftsführung.<br />
Zuvor hatte der<br />
Diplom-Ingenieur,<br />
der aus Tettnang<br />
stammt, 16 Jahre für<br />
den Pressenhersteller<br />
Müller gearbeitet.<br />
Scheinbarer Widerspruch<br />
Zwar gäbe es inzwischen wieder<br />
verstärkt Anfragen, berichtet Wolfram<br />
Macke. Jedoch münde nicht<br />
jede Anfrage in einen Auftrag. Erst<br />
von September an rechnet Macke<br />
wieder mit einem Anziehen. Dann<br />
werde vermutlich wieder so viel<br />
Druck auf dem Kessel sein, dass die<br />
Automobilwirtschaft wieder richtig<br />
Gas geben müsse. Anders als momentan<br />
mit einer wenig wirtschaftlichen<br />
Teilauslastung. Das führt zu<br />
dem widersprüchlich erscheinenden<br />
Umstand, dass sich die Liefertermine<br />
für Autokunden verzögern.<br />
Auch Macke selbst ist betroffen. „Ich<br />
Blick in die Allgaier-Fertigung: Das Unternehmen ist Spezialist für das Formen von hochfesten<br />
Stählen, sei es für Kotflügel oder Tanks.
34<br />
VERANTWORTEN <strong>unternehmen</strong> [!]<br />
Mit Hochdruck<br />
unterwegs<br />
Facility Management In Zeiten, in denen Büros und Betriebe<br />
sauberer als je zuvor sein sollen, rücken Gebäudereiniger in den<br />
Fokus. Außerdem wächst ihr Aufgabenbereich.<br />
FOTO: DJTAYLOR/SHUTTERSTOCK.COM<br />
Seit der Corona-Pandemie<br />
putzen Gebäudereiniger<br />
häufiger als zuvor üblich die<br />
Arbeitsplätze in den<br />
Unternehmen.<br />
Die Betriebe rappeln<br />
sich wieder<br />
auf. Immer<br />
mehr Beschäftigte<br />
kehren an ihre<br />
Schreibtische zurück.<br />
Doch Vorsicht! Das Corona-Virus<br />
ist auch noch<br />
da und fordert auch von<br />
Gebäudemanagern kreatives<br />
Denken und Handeln.<br />
Fenster auf! Wohl<br />
noch nie wurde in deutschen<br />
Büros so viel gelüftet wie in den<br />
vergangenen Wochen.<br />
Das Corona-Virus bringt<br />
auch in Zeiten des Ramp-up, des<br />
vorsichtigen Hochfahrens der<br />
Betriebe, den Arbeitsalltag weiterhin<br />
gehörig durcheinander –<br />
und fordert eine neue Ordnung.<br />
Es stimmt, man trifft sich wieder<br />
– mit Abstand. Und Absperrbänder<br />
vor Kantinen gehören<br />
genauso zum täglichen Bild<br />
wie Hinweisschilder, Empfangsräume,<br />
Kaffeeecken und Firmenfluren<br />
bitte ausschließlich<br />
mit Mund-Nasen-Schutz zu<br />
betreten. Keine Frage: An<br />
diese „neue Normalität“<br />
muss man sich erst einmal<br />
gewöhnen.<br />
So geht es auch<br />
Gebäudemanagern<br />
und Reinigungstrupps,<br />
die sich auf neue Aufgaben<br />
einstellen mussten. Denn an<br />
erster Stelle steht seit Beginn<br />
der Pandemie Mitte März allerorts<br />
die strikte Einhaltung verschärfter<br />
Hygienevorschriften.<br />
Flexibilität ist da für Alexander<br />
Gerlach das Gebot der Stunde:<br />
„Die Facility Manager waren<br />
von Anfang an eng in die Pandemieplanung<br />
einbezogen“, so<br />
der Leiter der Lounge Baden-<br />
Württemberg, des deutschen<br />
Verbandes für Facility Management<br />
e.V. (Gefma) in Bonn: „Die<br />
Die Facility<br />
Manager<br />
waren von Anfang<br />
an in die Planung<br />
einbezogen.<br />
Alexander Gerlach<br />
Verband für Facility Management<br />
Gebäudedienstleister mussten<br />
zügig nach Alternativen suchen,<br />
um eine Grundversorgung nach<br />
strikten gesetzlichen Vorgaben<br />
aufrecht zu erhalten, denn nicht<br />
alle Betriebe wurden komplett<br />
geschlossen.“<br />
Doch viele eben schon. Und<br />
eine Menge Punkte, die in laufenden<br />
Verträgen zwischen Gebäudedienstleistern<br />
und Auftraggebern<br />
standen, galten<br />
plötzlich nicht mehr. Stornierungen<br />
im Catering-Bereich<br />
häuften sich und fest vereinbarte<br />
Reinigungszyklen wurden<br />
komplett heruntergefahren, da<br />
die meisten Angestellten der<br />
Unternehmen im Homeoffice<br />
oder in Kurzarbeit waren. Jetzt<br />
war Kreativität gefragt: Mit Zusatzleistungen<br />
sollten Mitarbeiter<br />
der Gebäudedienstleister<br />
ausgelastet werden. Dazu gehören<br />
unter anderem die Desinfektion<br />
von Geldautomaten, Bushaltestellen,<br />
Türleisten oder<br />
Griffen. Dinge, die normalerweise<br />
nicht in einem Leistungsverzeichnis<br />
aufgeführt sind.<br />
Und etwas war neu: „Der Bereich<br />
Security musste aufgrund<br />
der verschärften Kontrollen der<br />
Eingangsbereiche und zur Überprüfung<br />
der Einhaltung gesetzlicher<br />
Vorgaben wie Abstandsregularien<br />
hingegen aufgestockt<br />
werden,“ erklärt Gerlach. Zudem<br />
wurden alle erforderlichen<br />
Produkte wie Desinfektionsmittel,<br />
Masken und Handschuhe<br />
nun über das Facility Management<br />
geordert.<br />
Wenig Stillstand gab es auch<br />
bei den technischen Anlagen,<br />
denn einige Unternehmen nutzten<br />
den Lockdown für Wartungen<br />
und Instandsetzungsmaßnahmen.<br />
Mängel wurden beseitigt,<br />
die im Lauf der Jahre angefallen<br />
waren – darunter<br />
Sanierungen und Hygienechecks<br />
von Lüftungsanlagen,<br />
Filterwechsel, Bodenbelagsarbeiten<br />
oder elektrische Prüfungen.<br />
Alexander Gerlach: „Das<br />
kann man nur machen, wenn die<br />
Bänder stillstehen.“<br />
Gefährliche Raumluft<br />
Die Wertschätzung für das Gebäudemanagement<br />
in all seinen<br />
Facetten hat sich durch die Corona-Krise<br />
erhöht, meint Robert<br />
Oettl. „Viele Objekte wurden relativ<br />
überstürzt verlassen. Die<br />
Verträge sind geblieben, die einzelnen<br />
Anforderungen haben<br />
sich jedoch verändert.“ Jeden<br />
zweiten Tag Büroflächen zu reinigen<br />
mache keinen Sinn, wenn
<strong>unternehmen</strong> [!]<br />
VERANTWORTEN<br />
35<br />
IndustrieDienstleistung Süd<br />
Die Kunden wünschen sich<br />
zudem eine umfassende Beratung:<br />
„Speziell die Gebäudereinigung<br />
hat eine ganz andere<br />
Wertigkeit bekommen. Denn die<br />
Angestellten einer Firma dürfen<br />
zu keiner Zeit das ungute Gefühl<br />
entwickeln, dass sie sich am Arbeitsplatz<br />
anstecken können.“<br />
Auch im Security-Bereich ist aufgrund verschärfter Kontrollen mehr<br />
Personal nötig als vor der Corona-Krise.<br />
keiner da ist, sagt der Geschäftsführer<br />
der TÜV Süd Advimo<br />
GmbH in München. Er ist Mitglied<br />
der RealFM, des Berufsverbandes<br />
der Real Estate und<br />
Facility Manager: „Die Dienstleister<br />
waren gefordert, die Immobilien<br />
quasi ,coronafit’ zu machen,<br />
also zum Beispiel mit Abstandshaltern<br />
oder Spuckschutz-Scheiben<br />
auszustatten.“<br />
„Der Lockdown hat in vielen<br />
Bereichen länger gedauert, als<br />
man gehofft hatte“, sagt Oettl,<br />
der weiß, dass nun neue Hygiene-Konzepte<br />
aufgebaut und mit<br />
dem Auftraggeber abgestimmt<br />
werden müssen. Gar nicht so<br />
einfach ist es, den Betrieb nach<br />
dem langen Stillstand wieder<br />
aufzunehmen. Dort wo die Gebäudetechnik<br />
nach und nach<br />
hochgefahren wird, lauern Gefahren<br />
durch Legionellen und<br />
Keime. Gebäudedienstleister<br />
bieten darum auch das Spülen<br />
von Rohrleitungen oder eine<br />
umfassende Raumlufthygiene<br />
als Sonderleistungen an.<br />
Bei der<br />
Gebäudereinigung<br />
wird sei<br />
jeher viel Wert auf<br />
Hygiene gelegt.<br />
Robert Oettl<br />
TÜV Süd Advimo<br />
Der Begriff Facility<br />
Management kann<br />
auch mit „Liegenschaftsverwaltung“<br />
übersetzt werden.<br />
Sie sorgt dafür,<br />
dass Unternehmen<br />
die zu verwaltenden<br />
Räumlichkeiten,<br />
Anlagen und<br />
Flächen mit maximaler<br />
Effizienz nutzen<br />
können – im<br />
Hinblick auf Kosten,<br />
Zeit und Qualität.<br />
Das Facility<br />
Management optimiert<br />
solche Prozesse,<br />
die nicht unmittelbar<br />
zum<br />
Kerngeschäft gehören.<br />
Obwohl die<br />
Bedeutung des Facility<br />
Managements<br />
in Betrieben<br />
wächst, wollen die<br />
Neue Raumkonzepte<br />
Robert Oettl ist sich sicher, dass<br />
die gestiegenen Erwartungen<br />
durch Gebäudedienstleister erfüllt<br />
werden können: „Die Gebäudereinigung<br />
ist ein klassischer<br />
Ausbildungsberuf, bei dem seit jeher<br />
viel Wert auf Hygiene gelegt<br />
wird. Die Grundqualifikation ist<br />
gegeben, so dass diese Leistungen<br />
auch im Rahmen eines Pandemieplanes<br />
glaubhaft angeboten<br />
werden können.“<br />
Eines ist auch klar: Unterm<br />
Strich wird im Arbeitsumfeld<br />
wohl vieles nicht mehr so sein<br />
wie früher. Das sieht auch Oettl<br />
so, für den es im Bereich Flächennutzung<br />
ohne neue Strukturen<br />
kaum sinnvoll weitergehen kann:<br />
„Es werden sich neue Raumkonzepte<br />
entwickeln und es wird<br />
neue Vertragsmodelle geben.“<br />
Und viele bereits als innovativ<br />
geltende Konzepte, wie zum Beispiel<br />
Desk-Sharing, bei dem man<br />
mit unbekannten Personen in einer<br />
offenen Arbeitsumgebung<br />
sitzt und sich jeden Tag einen anderen<br />
Schreibtisch aussucht, werden<br />
wohl einen Dämpfer erhalten:<br />
„Das ist zwar schick und trendig,<br />
aber unter den Gesichtspunkten<br />
einer Pandemie eher<br />
untauglich.“ [!] Stefan Loeffler<br />
Branche gewinnt an Bedeutung<br />
FOTO: ANDREY_POPOV/SHUTTERSTOCK.COM<br />
Unternehmen auch<br />
in diesem Bereich<br />
Betriebskosten<br />
senken. Aus diesem<br />
Grund ist es für die<br />
wachsende Branche<br />
entscheidend,<br />
qualifiziertes Personal<br />
mit fachübergreifenden<br />
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finden und dauerhaft<br />
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36<br />
SPEZIAL<br />
<strong>unternehmen</strong> [!]<br />
Was sind in den vergangenen<br />
Wochen nicht alles<br />
für Loblieder aufs<br />
Homeoffice gesungen<br />
worden: Man teilt sich seine Arbeit<br />
selbst ein, ist unabhängig, kann sich<br />
bequem kleiden und verliert keine<br />
Zeit im Berufsverkehr. Kein Wunder,<br />
dass sich manche Mitarbeiter<br />
nur schwer mit dem Gedanken<br />
anfreunden, im Zuge der Lockerungsmaßnahmen<br />
an ihren angestammten<br />
Arbeitsplatz zurückzukehren.<br />
„Es gibt Mitarbeiter, die sich Zuhause<br />
bequem eingerichtet haben“,<br />
sagt Lars S., Führungskraft in einem<br />
internationalen Unternehmen, der<br />
seinen richtigen Namen nicht in der<br />
Presse lesen möchte. Obwohl sein<br />
Team komplett von Zuhause arbeitet<br />
und sich nur zu Videokonferenzen<br />
digital versammelt, legt er Wert<br />
auf gewisse Regeln. Dazu gehört,<br />
dass sein Team den Arbeitstag gemeinsam<br />
mit einer Videokonferenz<br />
beginnt. Nach den ersten Wochen<br />
Zuhause schlich sich jedoch ein gewisser<br />
Schlendrian ein. Zwei jüngere<br />
Mitarbeiterinnen begannen, die<br />
Kamera nicht mehr einzuschalten,<br />
weil sie später als sonst in den Tag<br />
starteten und sich ihren Kollegen so<br />
nicht zeigen wollten. Das passt zu<br />
den Ergebnissen einer Umfrage, die<br />
der Konsumgüterhersteller Philips<br />
in Auftrag gegeben hat. Danach verzichtet<br />
die Hälfte der Frauen, die<br />
sich ansonsten schminkt, darauf im<br />
Homeoffice.<br />
Doch ohne die Mimik, Gestik und<br />
Körpersprache des anderen zu sehen,<br />
ist Kommunikation nur eingeschränkt<br />
möglich, „schon gar nicht,<br />
wenn es darum geht gemeinsam Lösungen<br />
zu erarbeiten“, betont Lars<br />
S. Daher gilt nun: Bei Teamsitzungen<br />
haben alle die Kameras an,<br />
Wortmeldungen werden angezeigt.<br />
Auch gilt ein ähnlicher Dresscode<br />
wie im Büro. Denn ein Schlabberlook<br />
wirkt sich nach seiner Erfahrung<br />
auch auf die Arbeitseinstellung<br />
aus.<br />
Kleidung wirkt nach innen<br />
Die Stilberaterin Sonja Garrison<br />
sieht das ebenso: „Kleidung beeinflusst<br />
unsere innere Haltung und<br />
Einstellung.“ Und setzt eine Kettenreaktion<br />
in Gang. Auch Gestik, Mimik<br />
und Körperhaltung verändern<br />
sich nach ihren Worten – und damit<br />
die Stimme und die Art zu sprechen.<br />
FOTO: ANDREY_POPOV & AFRICA STUDIO/SHUTTERSTOCK.COM<br />
Eines der No-Gos im Homeoffice:„Kleidung beeinflusst unsere innere Haltung und Einstellung“,<br />
sagt Stilberaterin Sonja Garrison.<br />
Kampf dem<br />
Schlabberlook<br />
Homeoffice Von zu Hause aus zu arbeiten, hat seine Schattenseiten.<br />
Das Umfeld verändert Verhalten und Arbeitseinstellung<br />
vieler Mitarbeiter. Hier kommen Tipps zum Gegensteuern.<br />
Kaffee vor dem<br />
Bildschirm schlürfen,<br />
kommt nicht gut an.<br />
„Das gilt auch, wenn uns unser Gesprächspartner<br />
nicht sieht“, schreibt<br />
Garrison in ihrem Blog. Nachlässige<br />
Kleidung drückt genau diese Einstellung<br />
aus, ein formales Outfit<br />
auch.<br />
Doch viele Menschen, die daheim<br />
arbeiten, greifen nicht zu Anzug<br />
oder Kostüm. Ionut Stroe, rumänischer<br />
Sportminister sprach per<br />
Videoschaltung in einer Livesendung<br />
zum Thema Fußball<br />
und Geisterspiele. Im seriösen<br />
dunklen Hemd mit langen<br />
Ärmeln – und in bunten Boxershorts.<br />
Sonja Garrison hat da einen<br />
einfachen Tipp: Wer morgens<br />
sein Outfit fürs Homeoffice wählt,<br />
sollte sich vorstellen, ein Kunde,<br />
Mitarbeiter oder der Chef könne<br />
plötzlich unangemeldet vor der Tür<br />
Zur Person<br />
Karl-Heinz Raguse<br />
(Jahrgang 1955) leitet<br />
seit Mitte der<br />
1990er Jahre freiberuflich<br />
von Neu-Ulm<br />
aus die von ihm ins<br />
Leben gerufene<br />
BVMW-Geschäftsstelle<br />
– eine von<br />
bundesweit 300. Er<br />
betreut rund 200<br />
Mitgliedsfirmen.
<strong>unternehmen</strong> [!]<br />
SPEZIAL<br />
37<br />
stehen. Mit welchem Look könne<br />
man mit gutem Gefühl die<br />
Tür öffnen?<br />
Die Liste der möglichen<br />
Fauxpas bei Videokonferenzen<br />
ist freilich lang – auch weil Arbeit<br />
und Privates verschwimmen.<br />
Karl-Heinz Raguse kennt<br />
das aus eigener Erfahrung, er hat<br />
seit dem Beginn der Pandemie<br />
sehr viele Videokonferenzen geführt.<br />
Seit Mitte der 1990er Jahre<br />
leitet der gelernte Maschinenbauer<br />
freiberuflich von Neu-<br />
Ulm aus die von ihm ins Leben<br />
gerufene BVMW-Geschäftsstelle<br />
– eine von bundesweit 300 –<br />
und betreut 200 Mitgliedsfirmen.<br />
Nicht jeder hat im Homeoffice<br />
auch ein Home Office, sprich<br />
ein Büro, das ausschließlich diesen<br />
Zweck erfüllt. Oftmals hat<br />
das Schlafsofa<br />
für Gäste in<br />
diesem Raum<br />
ebenso seinen<br />
Platz wie der<br />
Hometrainer<br />
oder es wird<br />
zum beliebten<br />
Stauraum für<br />
unerledigte Bügelwäsche.<br />
„Als Hintergrund<br />
für ein<br />
Businessgespräch<br />
ist das weniger geeignet<br />
und fordert die Teilnehmer des<br />
Meetings eher zu einer ablenkenden<br />
Entdeckungstour heraus“,<br />
erläutert Raguse. „Wer<br />
glaubt, mit einem virtuellen Hintergrund<br />
sei dieses Problem gelöst,<br />
sollte über gewisse Kenntnisse<br />
bei der Auswahl und der<br />
Positionierung verfügen.“ Nicht<br />
selten lösen sich die Konturen<br />
des Teilnehmers vor diesem Hintergrund<br />
auf und hinterlassen<br />
beim Gesprächspartner einen<br />
unklaren Eindruck. „Nicht in der<br />
Sache versteht sich, aber im<br />
Bild.“<br />
Apropos Bild: Ein feststehendes<br />
Porträtbild ist optimal für<br />
alle die auf Nummer sicher gehen,<br />
aber mehr als nur ihren Namen<br />
präsentieren wollen. Dann<br />
passieren auch keine Fehler wie<br />
Gegenlicht, das ein Erkennen der<br />
Person fast unmöglich macht, die<br />
Frosch- oder Vogelperspektive<br />
auf das Gegenüber oder eine all-<br />
Nach zehn<br />
Minuten haben<br />
einige vergessen,<br />
dass sie nicht allein<br />
Zuhause sind.<br />
Karl-Heinz Raguse<br />
Bundesverband mittelständische<br />
Wirtschaft<br />
zu nahe „Schau mir in die Augen“-<br />
Position.<br />
Online-Meetings auf transportablen<br />
Geräten sollten laut<br />
Raguse nicht dazu verleiten die<br />
Gesprächsteilnehmer kurzerhand<br />
mitzunehmen – auch nicht<br />
in die Küche für einen kleinen<br />
Snack. Zu den No-Gos gehört<br />
auch mal kurz verschwinden, gelangweilt<br />
am Kaffee nippen oder<br />
die Fingernägel maniküren. Aber<br />
auch das gibt es. „Spätestens<br />
nach zehn Minuten haben einige<br />
Teilnehmer vergessen, dass<br />
sie nicht allein Zuhause sind“,<br />
sagt Raguse.<br />
Doch es gibt deutlich größere<br />
Fettnäpfchen. Ein Berater der<br />
brasilianischen Regierung dürfte<br />
es sogar in manche Jahresrückblicke<br />
schaffen. Er vergaß seine<br />
Kamera auszuschalten und fühlte<br />
sich ungestört,<br />
als er unter<br />
anderem<br />
vor den Augen<br />
des brasilianischen<br />
Präsidenten<br />
Jair Bolsonaro<br />
nackt<br />
unter die Dusche<br />
hüpfte.<br />
Online-Meetings<br />
werden<br />
persönliche<br />
Treffen nicht<br />
ersetzen, aber ergänzen, ist Raguse<br />
überzeugt. Sie sind ideal für<br />
die kurzfristige Abstimmung unter<br />
Kollegen oder Geschäftspartnern.<br />
„Die Investition in eine<br />
gute technische Ausstattung<br />
lohnt also, denn schlechte Verständlichkeit<br />
oder ein schlechtes<br />
Bild sind für die anderen Teilnehmer<br />
einfach nur anstrengend“<br />
, sagt Raguse.<br />
Allen Widrigkeiten zum Trotz,<br />
wird es seiner Meinung nach auch<br />
in einer Zeit nach Corona weiterhin<br />
mehr Videokonferenzen geben.<br />
Davon ist Raguse nach all seinen<br />
Gesprächen mit Unternehmern<br />
überzeugt. Die meisten sehen<br />
den positiven Aspekt, dass<br />
weniger Zeit auf dem Weg zu Terminen<br />
verbracht und die Terminplanung<br />
unkomplizierter wird.<br />
Das gelte auch für Webinare die<br />
derzeit Konferenzen und Seminare<br />
ersetzen. Auch hier werde sich<br />
vieles dauerhaft verändern. [!] <br />
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Foto: klaus thenmayer/fotolia.com
Alles Holz – oder was?<br />
Mocopinus Alteingesessen und innovativ. Der Ulmer Spezialist für Fassaden setzt auf<br />
Design und Sonderlösungen. Trotz Pandemie ist die Stimmung optimistisch.<br />
FOTOS: ANDREA FLAK FOTOGRAFIE & ANDREAS FRIEDRICH<br />
Ernst blickt er drein. Im<br />
Auftritt eines respektheischenden<br />
Patriarchen<br />
hat sich Johannes Molfenter<br />
dereinst in Öl porträtieren<br />
lassen. Die jüngsten Urkunden,<br />
Auszeichnungen fürs Design,<br />
hängen im selben Raum –<br />
Historie und Zukunft von<br />
Mocopinus ganz nah beieinander.<br />
Das 1865 gegründete Unternehmen<br />
hat eine lange, gleichzeitig<br />
wechselvolle Geschichte<br />
hinter sich, aber auch Kontinuitäten<br />
aufzuweisen. Die Molfenters<br />
spielen schon lange keine<br />
Rolle mehr, sehr wohl aber die<br />
Scheuffeles, Nachfahren der<br />
zweiten Gründerfamilie alt-ulmischer<br />
Herkunft, in deren Be-<br />
Der Center-<br />
Parcs-Park ist<br />
der bislang größte<br />
Auftrag unserer<br />
Geschichte.<br />
Ulrich Braig<br />
Mocopinus-Geschäftsführer<br />
Holzfassaden, egal ob<br />
Haus oder Großprojekt,<br />
sind das Spezialgebiet<br />
von Mocopinus.<br />
sitz sich Mocopinus weiterhin<br />
zu 100 Prozent befindet. Und<br />
wie jeher spielt das Holz die<br />
Hauptrolle.<br />
Die Produkte des einst an<br />
der Blaubeurer Straße angesiedelten<br />
Hobelwerks, bekannt<br />
unter dem Firmennamen Molfenter,<br />
waren zunächst<br />
Wand-Vertäfelungen sowie<br />
Handgriffe oder Handläufe aus<br />
Holz. Das Ulmer Werk wurde<br />
vor fünf Jahren geschlossen,<br />
einhergehend mit einer grundlegenden<br />
Konsolidierung und<br />
vollständigen Integration der<br />
weiteren, in Karlsruhe und im<br />
sächsischen Naunhof angesiedelten<br />
Firmenteile und Marken<br />
unter neuer und nun einheitlicher<br />
Dachmarke. Mocopinus<br />
steht gleichzeitig für eine<br />
grundlegende Neupositionierung<br />
des Portfolios und sieht<br />
sich heute als führender Anbieter<br />
von Premium-Vollholzprofilen<br />
mit einer werkseigenen<br />
Oberflächenbehandlung in<br />
Deutschland, wie die Geschäftsführer<br />
Ulrich Braig und<br />
Eric Erdmann herausstellen.<br />
Wo aktuell Mocopinus-Produkte<br />
verbaut werden? Etwa am<br />
Feuerwehrgebäude im schweizerischen<br />
Lien mit seiner pechschwarzen<br />
Fassade, das Holz<br />
nicht nur scheinbar, sondern<br />
tatsächlich angekokelt. Dahinter<br />
steckt ein im Haus entwickeltes<br />
Verfahren nach japanischem<br />
Vorbild der partiellen<br />
Karbonisierung, das Außenund<br />
Innenbereich ein markantes<br />
Erscheinungsbild verleiht.<br />
Auch der Center Parcs-Park<br />
in Leutkirch im Allgäu gehört<br />
zu den Kunden. „Der bislang<br />
größte Auftrag unserer Geschichte“,<br />
sagt Braig. Für die<br />
insgesamt 850 Häuser sei ein<br />
speziell auf das dortige dauerfeuchte<br />
Mikroklima zugeschnittenes<br />
Fassadenprofil entwickelt<br />
worden. Sonderlösungen aber<br />
schon in kleineren Größen – ab<br />
einem Haus – anfertigen zu<br />
können zählt zu den Stärken<br />
des Unternehmens, sind die<br />
Geschäftsführer überzeugt.
<strong>unternehmen</strong> [!] MACHEN 39<br />
Auch die Baubranche wird mittelfristig zumindest gewisse Auswirkungen<br />
der Corona-Krise spüren, sagt Eric Erdmann (rechts).<br />
Er führt gemeinsam mit Ulrich Braig seit 2018 das Unternehmen.<br />
Wir konnten in<br />
kurzer Zeit vom<br />
Rückwärtsgang in<br />
den neunten Gang<br />
schalten.<br />
Eric Erdmann<br />
Mocopinus-Geschäftsführer<br />
„Unser Schwerpunkt geht<br />
eher in Richtung Fassadenprofile“,<br />
erläutert Braig. Terrassen-,<br />
Decken- und Fußbodenprofile<br />
bilden weitere Produktsparten,<br />
auch diese sind vorwiegend im<br />
hochwertigen Bereich angesiedelt.<br />
Das wichtigste Kapital, das<br />
Knowhow in Sachen Oberflächenbehandlung<br />
und -veredelung,<br />
schließt die Behandlung<br />
mit Farben oder Lacken mit ein,<br />
die im Werk Karlsruhe produziert<br />
und im dortigen Versuchslabor<br />
weiter entwickelt werden.<br />
Weil der Holzbau gerade im<br />
Zuge des Nachhaltigkeitsgedankens<br />
an Zuspruch gewinnt, spiele<br />
in der hauseigenen Entwicklungsabteilung<br />
auch der Brandschutz<br />
eine große Rolle, erklärt<br />
Erdmann. Immer gehe es auch<br />
darum, die Dauerhaftigkeit der<br />
Oberflächen unter dem Einfluss<br />
von Sonne, Nässe, Wind und<br />
Wetter zu verbessern.<br />
Im Moment wähnt Braig das<br />
Unternehmen am Beginn einer<br />
neuen Phase. Die Konsolidierung<br />
sei abgeschlossen, „wir sind auf<br />
einem guten Weg“, was nun eine<br />
allmähliche Neujustierung weg<br />
vom margenschwachen Massenmarkt<br />
mit einschließe. Doch<br />
nicht nur die verstärkte Designorientierung<br />
und die Speziallösungen<br />
sollen zu einer höheren<br />
Wertschöpfung beitragen. Im<br />
Baubereich sei ein zunehmender<br />
Trend zur Vormontage zu beobachten,<br />
den man ebenfalls aufgreifen<br />
wolle.<br />
An diesen Plänen will das Unternehmen<br />
auch trotz der Corona-Pandemie<br />
festhalten. Nach einem<br />
deutlichen Nachfragerückgang<br />
Ende März, im Zuge dessen<br />
das Unternehmen an allen Standorten<br />
Kurzarbeit anmelden<br />
musste, verzeichnet Mocopinus<br />
seit Mai eine „extreme Nachfragesteigerung“,<br />
wie Erdmann berichtet.<br />
Vor allem in Deutschland,<br />
aber auch in Frankreich,<br />
Österreich und der Schweiz sei<br />
die Nachfrage stabil überproportional.<br />
„Dank unseres eingespielten<br />
Teams konnten wir innerhalb<br />
kürzester Zet vom Rückwärtsgang<br />
in den neunten Gang schalten.“<br />
Für <strong>2020</strong> sei man daher optimistisch,<br />
die Jahresziele zu erreichen.<br />
[!] Thomas Vogel<br />
Drei vereint<br />
Seit 2013 sind die Marken<br />
Moco, Pinus und Pinufin in einem<br />
gemeinsamen Unternehmensauftritt<br />
unter „Mocopinus“<br />
vereint. An den<br />
Standorten Karlsruhe (Hobelwerk,<br />
Lack- und Oberflächenproduktion)<br />
sowie<br />
Naunhof (Hobelwerk und<br />
Veredelung) wird produziert,<br />
während die Hauptverwaltung<br />
in Ulm sitzt. Das Unternehmen<br />
hat rund 300 Mitarbeiter,<br />
der Umsatz betrug zuletzt<br />
rund 100 Millionen Euro.<br />
Die Familie Scheuffele ist<br />
nicht mehr operativ tätig.<br />
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40<br />
MACHEN <strong>unternehmen</strong> [!]<br />
Wachstum<br />
als Geschäft<br />
Auf Helmut Lehners Feldern<br />
wächst Getreide, um Kunden<br />
die Wirkung von Pflanzenschutz<br />
zu demonstrieren.<br />
Lehner Agrar Dinkelsaatgut, Streugeräte,<br />
klassischer Landhandel. Helmut Lehner entdeckt<br />
und besetzt erfolgreich neue Nischen.<br />
35 Prozent der<br />
produzierten<br />
Salzstreuer gehen<br />
mittlerweile ins<br />
Ausland.<br />
Es gab drei<br />
verrostete<br />
Sackkarren, einen<br />
verrosteten Opel,<br />
aber kein Geld.<br />
Es gibt Firmenchefs, die ein<br />
untrügerisches Gespür für<br />
Chancen haben, sobald diese<br />
in der Luft liegen. Sie sind bereit,<br />
dafür Risiken einzugehen, eingefahrene<br />
Wege zu verlassen und sogar<br />
noch Neuland in einer anderen Branche<br />
zu betreten. Helmut Lehner ist einer<br />
dieser Pfadfinder auf wirtschaftlichem<br />
Gebiet, sowohl mental als<br />
auch finanziell auf grundsolidem Fundament<br />
stehend, aber gleichzeitig umtriebig<br />
und dabei noch überaus erfolgreich.<br />
Lehner stammt aus einer kleinen<br />
Landwirtschaft aus Westerstetten, einem<br />
Dorf auf der Schwäbischen Alb<br />
nördlich von Ulm. Mit lediglich sieben<br />
Hektar Betriebsgröße und sechs<br />
Kühen war sie schon von jeher zu<br />
klein, um eine Familie zu ernähren,<br />
weshalb der Vater sich frühzeitig nach<br />
weiteren Einnahmequellen umsah.<br />
Erst bei der örtlichen Darlehenskasse,<br />
ab Mitte der 1950er Jahre dann mit<br />
einem kleinen Landhandel auf selbständiger<br />
Basis. 1980 stieg Sohn Helmut<br />
nach seiner Ausbildung zum<br />
Groß- und Außenhandelskaufmann<br />
ein: „Es gab drei verrostete Sackkarren,<br />
einen verrosteten Opel Kadett,<br />
aber kein Geld“, hält er nüchtern<br />
Rückschau.<br />
Dass Lehner heute einem kleinem<br />
Firmenimperium vorsteht mit über<br />
20 Millionen Euro Jahresumsatz, hat<br />
mehrere Gründe. Denn zum einen<br />
überlebte sein Landhandel, mittlerweile<br />
Lehner Agrar, das Sterben der<br />
vielen kleinen Händler, die es einst in<br />
so gut wie jedem Dorf gegeben hat.<br />
Diese Entwicklung schuf bereits<br />
eine Grundlage für Wachstum,<br />
doch das genügte Lehner nicht,<br />
denn: „Der klassische Landhandel<br />
ist kein einfaches Geschäft.“ Zum<br />
einen was den anhaltend hohen<br />
Wettbewerbsdruck und die sich ständig<br />
ändernde Marktsituation betreffe,<br />
zum andern was die laufenden Fortentwicklungen<br />
in der Landwirtschaft<br />
selbst anbelangt.<br />
Die Äcker, die zum Hof gehörten,<br />
sind mittlerweile in Versuchsfelder<br />
umgewandelt, auf denen die Ergebnisse<br />
diverser Getreidearten und<br />
-sorten beim Ertrag und nach Einsatz<br />
diverser Pflanzenschutz- und Düngemittel<br />
den Kunden ganz unmittelbar<br />
demonstriert werden können. Gleichzeitig<br />
vermarktet seine Firma Weizen,<br />
Raps und Braugerste aus der Landwirtschaft<br />
weiter: „Bestmöglich.“<br />
Die Maschinen sind inzwischen<br />
ein wichtiges Standbein.
<strong>unternehmen</strong> [!] MACHEN 41<br />
FOTOS: MARC HÖRGER<br />
Ob die Landwirte nach diesem<br />
Maßstab einen guten Preis<br />
erzielen, hängt somit auch vom<br />
Gespür Lehners für den richtigen<br />
Zeitpunkt des Verkaufs ab.<br />
Eine Lagerkapazität für 18 000<br />
Tonnen Getreide schafft Spielräume.<br />
Raps und Braugerste gehen<br />
direkt an die Mühlen beziehungsweise<br />
Mälzereien zu fixierten<br />
Konditionen.<br />
Dass Lehner heute darüber<br />
hinaus als Dinkel-Spezialist<br />
gilt, hat unmittelbar mit der Insolvenz<br />
eines<br />
Mitbewerbers<br />
zu tun. „Das<br />
hat uns eine<br />
Saatgut-Nische<br />
geöffnet“,<br />
sagt Lehner,<br />
der diese aber<br />
gleich noch erweiterte.<br />
Seine<br />
Firma entwickelte ein Verfahren<br />
zur Entspelzung des Korns,<br />
was ein Bündel handfester Vorteile<br />
bei der Beize und der Aussaat<br />
mit sich bringe. Das Geschäftsfeld<br />
wachse rapide, zumal<br />
jüngst zunehmend auch die<br />
„Teiglingsindustrie“ in die Dinkelverarbeitung<br />
eingestiegen<br />
sei.<br />
2019 hat sich ein weiterer Bereich<br />
– die Lehner Maschinenbau<br />
GmbH – von der Lehner<br />
30 Mitarbeiter<br />
Die beiden Firmenteile<br />
beschäftigen zusammen<br />
rund 30 Mitarbeiter, 20<br />
davon die Lehner Maschinenbau<br />
GmbH, die nach<br />
Lehners vagen Angaben „einige<br />
Tausend Geräte“ im<br />
Jahr produziert. Den Gesamtumsatz<br />
beziffert er<br />
auf über 20 Millionen Euro,<br />
bei stetigem Wachstum,<br />
das in den zurückliegenden<br />
Jahren immer zwischen<br />
fünf und zehn Prozent gelegen<br />
habe. In beide Firmenteile<br />
seien im zurückliegenden<br />
Jahrzehnt rund zehn<br />
Millionen Euro investiert<br />
worden. Die Eigenkapitalquote<br />
liege bei 70 Prozent,<br />
alle Gewinne würden reinvestiert.<br />
Die Geräte<br />
werden unterm<br />
eigenen Dach<br />
entwickelt<br />
und montiert.<br />
Agrar GmbH abgespalten. Hier<br />
werden Streu- und Dosiergeräte<br />
auf 12-Volt-Basis entwickelt<br />
und produziert. Je eine Produktfamilie<br />
für den Einsatz in der<br />
Landwirtschaft und eine für den<br />
Winterdienst.<br />
Den Anstoß für den Einstieg<br />
in die Streutechnik hatte eine im<br />
Jahr 1989 in der Region aufgetretene<br />
Schneckeninvasion gegeben,<br />
berichtet Lehner. Die bislang<br />
eingesetzten Streuer erwiesen<br />
sich für Schneckenkorn „als<br />
suboptimal“.<br />
Das entfachte<br />
Lehners Ehrgeiz,<br />
was darin<br />
endete, dass er<br />
selbst eigens<br />
für den agrarischen<br />
Einsatz<br />
konzipierte<br />
Geräte auf den<br />
Markt brachte. Diese können außer<br />
Schneckenkorn ebenso<br />
Saatgut und Samen aller Art ausbringen,<br />
„und zwar stufenlos regulierbar“,<br />
was dem Produkt<br />
gleich noch einen Innovationsvorsprung<br />
eingebracht habe.<br />
Einige Jahre später als immer<br />
mehr Unternehmen, aber auch<br />
Kommunen ihren Winterdienst<br />
an private Dienstleister, an Garten-<br />
und Landschaftsbauer etwa<br />
oder Hausmeister-Service-Anbieter<br />
auslagerten, setzte er auf<br />
Streuer für Salz. Die Geräte werden<br />
unterm eigenen Dach entwickelt,<br />
endmontiert, geprüft<br />
und versandt. Sie gehen von<br />
Westerstetten aus in alle Welt,<br />
der Exportanteil liege bei rund<br />
35 Prozent. Nur die Teilefertigung<br />
werde anderen Herstellern<br />
überlassen.<br />
Mittlerweile trage der Winterdienst<br />
zum größeren Teil der<br />
Aufträge bei. Was heißt, dass<br />
Lehner nicht mehr nur die Weizen-Börsenkurse<br />
verfolgen<br />
muss, sondern auch die Temperaturkarten.<br />
Es sei doch logisch,<br />
dass ein milder Winter Spuren<br />
in der Auftragslage hinterlässt.<br />
Aber bald, so die Hoffnung, tue<br />
dies auch der Wolf, im positiven<br />
Sinn. Wie Lehner verrät, stehe<br />
ein „Wolfszaunwickelgerät“<br />
kurz vor der Produktionsreife.<br />
Eine weitere Nische, mutmaßlich<br />
erneut mit Wachstumspotenzial.<br />
[!] Thomas Vogel
42<br />
RESSORT <strong>unternehmen</strong> LEBEN [!]<br />
RESSORT<br />
<strong>unternehmen</strong> [!]<br />
Seit dem Tod ihres Mannes<br />
führt Gudrun Selinka die<br />
Sammlung weiter.<br />
<br />
Fotos: Marc Hörger<br />
Die Geschichte einer<br />
verbotenen Liebe<br />
Die private Seite Gudrun Selinka brennt für Kunst. Sie hütet die Sammlung, die sie mit ihrem<br />
verstorbenen Mann Peter aufgebaut hat. Der wollte Kunst studieren, durfte aber nicht.<br />
Man muss überzeugt<br />
sein“, lautete das berufliche<br />
Credo von<br />
Peter Selinka. Mit<br />
der Liebe zu Schönem, bestimmte<br />
es sein Leben, beruflich<br />
und privat. Durch seine Leidenschaft<br />
zur Kunst entstand die<br />
Motivation für den Aufbau seiner<br />
Kunstsammlung, die heute<br />
250 Werke umfasst.<br />
Peter Selinka starb nach langer<br />
Krankheit im Jahr 2006. Seine<br />
Frau, Gudrun Selinka, führt<br />
die Sammlung in seinem Sinn<br />
weiter und ist Vorsitzende der<br />
Stiftung Selinka. Derzeit stehen<br />
die Restaurierungsmaßnahmen<br />
zur Pflege der Sammlung im Fokus.<br />
Gudrun Selinka unterstützt<br />
die Maßnahmen und bereichert<br />
die Sammlung durch Neurahmungen<br />
der expressionistischen<br />
Werke. Außerdem kümmert<br />
sie sich um Anfragen von<br />
Museen und setzt auch damit<br />
eine Tradition fort. „Wir waren<br />
schon immer großzügige Leihgeber.<br />
Mein Mann wollte die<br />
Sammlung öffentlich zugänglich<br />
machen.“<br />
Seit 2013 gibt es dafür das<br />
Kunstmuseum Ravensburg. Das<br />
architektonisch herausragende<br />
Gebäude des Stuttgarter Büros<br />
Lederer+Ragnarsdóttir+Oei<br />
zeigt Werke der Sammlung, ergänzt<br />
mit Ausstellungen, die<br />
immer wieder in einem Bezug<br />
zur Sammlung stehen. Ein zentrales<br />
Bild der Sammlung ist<br />
das „Spanische Mädchen“ von<br />
Alexej von Jawlensky. „Die so<br />
genannte ,Mona Lisa von Ra-
Dann kam der Krieg dazwischen.<br />
Eine akademische Ausbildung kam<br />
aus finanziellen Gründen nicht in Frage.<br />
Der damals 27-jährige Peter Selinka<br />
startete seine berufliche Karriere<br />
als Werbeassistent bei Dr. Karl Thomae<br />
in Biberach, brachte es bis zum<br />
Werbeleiter und gründete 1961 seine<br />
eigene Webeagentur in Ravensburg.<br />
Später kamen weitere Standorte in<br />
Wien, Zürich, Köln und München hinzu.<br />
Selinka galt zu seiner Zeit als<br />
„Werbepapst“ und hatte vor allem im<br />
Bereich Pharmawerbung einen hervorragenden<br />
Ruf. „Als Ästhet legte er<br />
Wert auf eine niveauvolle Werbung,<br />
er hatte kreative Ideen, aber er war<br />
kein Werbegrafiker, sondern der Macher<br />
dahinter“, sagt seine Frau heute.<br />
„Die Umstellung auf digitale Medien<br />
hat er nicht mehr erlebt, vermutlich<br />
hätte es seiner Art widersprochen.“<br />
Selinka lebte und arbeitete zeitlebens<br />
mit Kunst, sie umgab ihn in der<br />
Agentur ebenso wie in seinem Privathaus.<br />
1952 erwarb er sein erstes Kunst<strong>unternehmen</strong><br />
[!]<br />
RESSORT LEBEN<br />
43<br />
vensburg’ ist ein Gemälde mit einer<br />
besonderen Geschichte“, erinnert<br />
sich Gudrun Selinka an den<br />
Galeriebesuch ihres Mannes in<br />
New York. „Ein mit uns befreundeter<br />
Galerist bot uns das Bild an,<br />
nachdem es der erste Käufer wieder<br />
zurückgeben musste. Seine<br />
Frau war eifersüchtig auf das Mädchen<br />
auf dem Bild.“<br />
Dieser Käufer war kein Geringerer<br />
als der spätere Vizepräsident<br />
der USA, Nelson Rockefeller. Das<br />
war in den 1970er Jahren. „Wir<br />
konnten uns das Gemälde nur leisten,<br />
weil wir es in Raten abbezahlen<br />
konnten“, erinnert sich Selinka.<br />
Das sei aber die Ausnahme gewesen.<br />
„Mein Mann hat sich bei Auktionen<br />
immer ein bezahlbares Limit<br />
gesetzt. Schließlich gab es neben<br />
der Kunst ja auch noch das Geschäft<br />
und die Familie.“<br />
Wie Peter Selinka es schaffte, erfolgreich<br />
eine Werbeagentur mit<br />
fünf Standorten aufzubauen und<br />
nebenbei eine hochkarätige Kunstsammlung,<br />
ist nur mit seiner temperamentvollen<br />
Art, einem guten<br />
Team, harter Arbeit und seiner ausgeprägten<br />
Sammelleidenschaft zu<br />
erklären. Geprägt wurde die Liebe<br />
zu Schönem von seiner Mutter, die<br />
Er konnte<br />
begeistert oder<br />
nachdenklich viel<br />
Zeit vor einem Bild<br />
verbringen.<br />
Gudrun Selinka<br />
Vorsitzende der Siftung Selinka<br />
aus einem musischen Haus mit einem<br />
Freundeskreis aus Schriftstellern,<br />
Philosophen und Künstlern<br />
kam. Sein Wunsch war es Kunst zu<br />
studieren, aber das war für seinen<br />
Vater, einen Offizier, keine angemessene<br />
Perspektive.
44 RESSORT LEBEN <strong>unternehmen</strong> [!]<br />
Im Kunstmuseum in<br />
Ravensburg sind<br />
Werke aus der<br />
Sammlung Selinka<br />
zu sehen.<br />
werk – eine Lithografie von<br />
Kirchner, deren Frauenkopf ihn<br />
an seine Mutter erinnerte – und<br />
begann mit dem Aufbau seiner<br />
Sammlung. Die Sammlung chinesischen<br />
Porzellans, die er während<br />
zahlreicher Asienreisen zusammen<br />
getragen hatte, gab das<br />
Ehepaar als Kulturbesitz des Landes<br />
an China zurück.<br />
Seine Leidenschaft für die<br />
Kunst, führte Selinka immer wieder<br />
hinaus aus Oberschwaben. Er<br />
liebte Reisen und fremde Kulturen,<br />
streifte durch die Auktionshäuser,<br />
Museen und Galerien<br />
dieser Welt, suchte den Austausch<br />
mit Gleichgesinnten, bewies<br />
Intuition und Mut. Wenn<br />
Kunstwerke Geschichten auslösten<br />
oder biographische Erinnerungen<br />
weckten, stießen sie auf<br />
das Interesse des Sammlers.<br />
„Dann musste er das Kunstwerk<br />
Die „Fischhäuser in Nidden“ von Max Pechstein gehören auch zur<br />
Sammlung Selinka. Das Gemälde stammt aus dem Jahr 1919.<br />
haben“, erinnert sich Gudrun Selinka.<br />
„Er konnte vor Begeisterung<br />
sprühen oder nachdenklich<br />
grübelnd viel Zeit vor einem Bild<br />
verbringen.“<br />
Was ihn berührte waren Werke<br />
der expressiv-gestischen Tradition<br />
des 20. Jahrhunderts, vor<br />
allem Arbeiten von Künstlern<br />
der Künstlergruppen Brücke und<br />
Blauer Reiter. Ende der 70er Jahre<br />
kamen Werke der Nachkriegskünstlergruppen<br />
Cobra und Spur<br />
hinzu. In Kunstkreisen hatte die<br />
Sammlung Selinka inzwischen<br />
einen Namen und war dem <strong>Magazin</strong><br />
stern einen Bericht wert.<br />
„Der damalige Herausgeber,<br />
Henri Nannen, war zwei Tage bei<br />
uns in Ravensburg und wie zwei<br />
große Kinder freuten sich die<br />
beiden an den Bildern“, erinnert<br />
sich Gudrun Selinka. [!]<br />
<br />
Sigrid Balke<br />
Zusammenhalt und Förderung<br />
Noch zu Lebzeiten<br />
von Peter Selinka,<br />
2003, gründete<br />
das Paar die<br />
Stiftung Selinka.<br />
Primäres Ziel war<br />
der Zusammenhalt<br />
der Sammlung,<br />
aber auch die Förderung<br />
von Künstlern.<br />
Die erste Ausstellung<br />
fand in<br />
Weingarten statt,<br />
zwei Jahre später<br />
wurde die Sammlung<br />
Selinka im Alten<br />
Theater der<br />
Stadt gezeigt. Mit<br />
dem Bau des<br />
Kunstmuseums erweist<br />
die Stadt Ravensburg<br />
dem<br />
Sammler posthum<br />
ihre Reverenz.<br />
Wir konnten<br />
uns das<br />
Gemälde nur<br />
leisten, weil wir es<br />
in Raten abzahlen<br />
konnten.
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46<br />
RESSORT <strong>unternehmen</strong> [!]<br />
In diesem<br />
Urlaub wird<br />
vieles anders<br />
Umfrage Die Corona-Pandemie verändert das Privat- und<br />
Berufsleben. Stefan Loeffler hat sechs Führungskräfte gefragt, wie<br />
sie sich in den nächsten Wochen entspannen. In aller Ruhe zu<br />
Hause, auf einem Hausboot oder doch auf Bali?<br />
1) Hand aufs Herz: Sind Sie der entspannende oder der aktive Urlauber?<br />
2) Wovon träumen Sie für einen großen Urlaub im Jahr 2022?<br />
3) Was <strong>unternehmen</strong> Sie im Covid-19-Urlaub <strong>2020</strong>?<br />
4) Urlaub in Deutschland: Was würden Sie wo machen?<br />
5) Wohin ging Ihr erster selbstständiger Urlaub?<br />
6) Drei Dinge, an die Sie im Urlaub nicht denken wollen.
<strong>unternehmen</strong> [!] LEBEN 47<br />
Ich bin eher die aktive Urlauberin.<br />
1<br />
Einfach für zwei Wochen im<br />
2 Wohnmobil losfahren in<br />
Richtung Ostsee, Schweden, Dänemark<br />
…<br />
Den Garten genießen und<br />
3 mit Freunden in der allernächsten<br />
Umgebung Wanderungen<br />
<strong>unternehmen</strong>.<br />
Waltraud Fahrion, Geschäftsführerin<br />
der Fahrion Gartenund<br />
Landschaftsbau GmbH in<br />
Notzingen, verschwendet im<br />
Urlaub keine Gedanken an die<br />
Weltwirtschaft und an Kalorien.<br />
Ich würde endlich einmal<br />
4 Dresden besuchen und am<br />
Tegernsee wandern und ausruhen.<br />
Wie so viele andere auch<br />
5 ging es 1973 nach Bibione in<br />
Italien – mit dem Zelt.<br />
An Geschäftliches, an die<br />
6 Weltwirtschaft und Politik<br />
und an Kalorien.<br />
Ich kann beiden Urlaubsformen<br />
etwas abgewinnen, bin<br />
1<br />
aber eher der aktive Urlauber.<br />
Seit ich Familie habe ist es<br />
2 mein Traum, eine Reise<br />
durch die Nationalparks in<br />
Wyoming und Kalifornien zu<br />
machen und auf dem Weg Verwandte<br />
und Freunde in Colorado<br />
und Kalifornien zu besuchen<br />
– das könnte 2022 vielleicht<br />
klappen.<br />
In diesem Jahr werden wir<br />
3 voraussichtlich endlich den<br />
Urlaub machen, den ich bisher<br />
Andreas Schmid, Geschäftsführer<br />
der Gessler + Funk Office<br />
GmbH in Weingarten, fuhr als<br />
16-Jähriger mit dem Kanu über<br />
den Bodensee.<br />
zuhause nie durchsetzen konnte:<br />
Wir bleiben in unserer wunderschönen<br />
Region.<br />
Dafür reicht der Platz hier<br />
4 nicht aus, aber ein paar<br />
Highlights wären: Radtour um<br />
den Bodensee, Wandern im Allgäu,<br />
Hausbootfahren im Ruppiner<br />
Seenland.<br />
Als ich gerade 16 war, durfte<br />
ich mit meinem besten<br />
5<br />
Freund eine mehrtägige Kanu-Tour<br />
über den Bodensee bis<br />
Schaffhausen machen.<br />
Nachhaltiger Urlaub im Allgäu<br />
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Bio-Berghotel Ifenblick liegt mitten im Naturpark<br />
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Aktiv urlauber und Ruhesuchende.<br />
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und die Natur mit allen Sinnen zu erleben.<br />
Ob zum Wandern, Radfahren oder frische<br />
Bergluft schnuppern – die unberührten Landschaften<br />
der Allgäuer Alpen liegen direkt vor der<br />
Haustüre.<br />
Die Natur ist aber nicht nur vor der Haustür, sondern<br />
auch in der Küche und im gesamten Haus<br />
zu finden. Eine bewusste Entscheidung, die Inhaberin<br />
Bianca Schießl aus Verbundenheit zur Heimat<br />
und der Region getroffen hat. Über mehrere<br />
Jahre hinweg wurde der Bogen hin zu 100 % Bio<br />
gespannt und seit 2014 ist das familiengeführte<br />
Haus ganz offiziell als BIOHOTEL zertifiziert.<br />
Die All-Inclusive (light) Verpflegung steht für echten<br />
Bio Genuss: regional, saisonal, natürlich &<br />
gesund! Getreu dem Motto „Bewusst genießen“<br />
kommen Obst, Gemüse und Fleisch ausschließlich<br />
von ausgewählten Lieferanten aus der Region.<br />
Ob beim Frühstück, Mittagssnack oder<br />
Abendbuffet – zu jeder Mahlzeit gibt es auch immer<br />
eine vegetarische und vegane Option. In den<br />
Sommermonaten genießen Sie auch noch ein<br />
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Früchten und aus frischer Bio-Milch aus<br />
Vorarlberg.<br />
BIO ist für uns persönlich nicht einfach<br />
nur ein Trend, sondern eine Herzensangelegenheit.<br />
Urlaub machen und gleichzeitig<br />
das Bewusstsein schärfen. Das macht<br />
den Unterschied.<br />
Bianca Schießl<br />
Der rote Faden – von und mit der Natur – findet<br />
sich auch in der Zimmereinrichtung und Ausstattung<br />
wieder. Mit Naturmaterialien, großen Panorama-Fenstern<br />
und den Balkonen mit Bergblick<br />
sorgen die Zimmer für ein „direkt in der Natur-Gefühl“.<br />
Fotos: Bio-Berghotel Ifenblick<br />
Aktiv entspannen, den Körper regenerieren und<br />
sich selbst etwas Gutes zu tun – das gehört zu einem<br />
gesunden Lebensstil einfach dazu. Ganz<br />
klar also, dass es im Berghotel Ifenblick auch einen<br />
Wellnessbereich gibt. In der finnischen Sauna<br />
schwitzt man sich den Stress von der Seele<br />
und bei einer auflockernden Massage kommt die<br />
Entspannung von ganz allein. Mit Schwimmbad,<br />
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Das gehört für mich irgendwie<br />
zusammen. Ich mag kör-<br />
1<br />
perlich und geistig aktiv sein,<br />
dann kann ich auch richtig gut<br />
entspannen.<br />
Ich möchte mit einer Freundin<br />
durch Slowenien wan-<br />
2<br />
dern, ich liebe Leute und Land<br />
und es gibt einfach alles: Berge,<br />
Wälder, Seen, Meer.<br />
Ich mache kleinere Ausflüge<br />
hier in der Region, werde<br />
3<br />
radeln und wandern. Mein SUP-<br />
Board wird hoffentlich häufig<br />
zum Einsatz kommen und ich<br />
oft zum Tennisspielen.<br />
Die Diplom-Pädagogin Simone<br />
Schliemann, seit April „Eine<br />
Welt-Regionalpromotorin“ an<br />
der Volkshochschule Ulm,<br />
möchte mit einer Freundin<br />
durch Slowenien wandern.<br />
Ich würde gerne im Schwarzwald<br />
wandern, Freiburg be-<br />
4<br />
suchen oder in Mecklenburg-Vorpommern<br />
die Seenplatte<br />
mit dem SUP erkunden und<br />
auf dem Rückweg einen Abstecher<br />
in Dresden machen.<br />
Das war eine Radtour zu<br />
5 zweit durch Irland: mit höheren<br />
Bergen als vermutet, vielen<br />
Regenschauern und noch<br />
mehr Schafen – aber in wunderschöner<br />
Landschaft und mit<br />
Übernachtungen in witzigen Jugendherbergen.<br />
Uhrzeit, Kalender, To-do-<br />
6 Listen.<br />
Oh je, ohne Aktivitäten wäre<br />
1 ich nicht glücklich und eher<br />
ungenießbar. Nichts zu tun wäre<br />
Strafarbeit und kein Urlaub. Radeln,<br />
wandern oder etwas besichtigen,<br />
das muss schon sein.<br />
Was aus heutiger Sicht eigentlich<br />
unvorstellbar klingt.<br />
2<br />
Wir haben schon zweimal eine<br />
wunderschöne Kreuzfahrt gemacht<br />
und würden gerne in<br />
2022 wieder ein fernes Land auf<br />
diese Weise bereisen.<br />
Wenn alles klappt, machen<br />
3 wir traditionell Südtirol unsicher<br />
und genießen dort unsere<br />
Auszeit.<br />
Petra Wieseler, Geschäftsführerin<br />
der Autohaus Kreisser<br />
GmbH & Co. KG in Ulm, würde<br />
gerne wieder einmal an Bord<br />
eines Kreuzfahrtschiffes ferne<br />
Länder bereisen.<br />
Radeln, wandern und gut essen,<br />
am liebsten am Boden-<br />
4<br />
see.<br />
Das ist ja schon sehr lange<br />
5 her und war vor meiner aktiven<br />
Urlaubszeit. Wir waren<br />
das erste und letzte Mal zelten<br />
an der Cote d’Azur.<br />
6Dinge, die ich sowieso nicht<br />
ändern kann. Die Frage, wie<br />
viele Mails mich nach meiner<br />
Rückkehr erwarten. Und auf gar<br />
keinen Fall Kalorien zählen.<br />
Oliver Stockinger, Geschäftsführer<br />
des Klinikums Christophsbad<br />
in Göppingen, träumt<br />
von einer gemeinsamen Safari<br />
mit seiner Frau in Namibia.<br />
Beides. Nach einer Phase des<br />
1 bewussten Abschaltens und<br />
einer der Entspannung werde<br />
ich im letzten Drittel des Urlaubs<br />
auf jeden Fall sportlich aktiv.<br />
Auf dem Programm stehen<br />
dann Segelflüge oder Canyoning.<br />
Eine Safari mit meiner Frau<br />
2 in Namibia. Zudem gilt das<br />
Land als Mekka für Segelflieger<br />
mit perfekten Winden und gigantischen<br />
Wolkenstraßen.<br />
Wir fahren mit dem Wohnwagen<br />
in die Schweiz 3 und<br />
genießen den Urlaub auf einem<br />
Bauernhof mit angeschlossenem<br />
Campingplatz. Ohne großen Luxus<br />
und direkt an einem See.<br />
An den Bodensee fahren, der<br />
4 von meinem Wohnort Blaustein<br />
aus in greifbarer Nähe ist.<br />
Nach dem Abitur war ich mit<br />
5 Freunden eine Woche Skifahren<br />
auf einem Gletscher bei<br />
St. Moritz und noch eine Woche<br />
mit dem Zelt in Ligurien.<br />
Krisen, Konflikte und meine<br />
6 Einkommenssteuerklärung.<br />
Die Gedanken an Corona<br />
bleiben bei Alexander Behr,<br />
Geschäftsführer der Behr<br />
Engineering GmbH in Leutkirch,<br />
zuhause.<br />
Beides finde ich schön. Im<br />
1 Sommer bei Sonnenschein<br />
am Strand zu liegen und einfach<br />
einmal die Seele baumeln zu lassen,<br />
gefällt mit genauso gut wie<br />
aktiv zu sein im Urlaub und<br />
Sport zu treiben.<br />
Die Südsee würde ich gerne<br />
2 einmal sehen.<br />
Bis jetzt ist noch nichts geplant,<br />
prinzipiell aber sehr<br />
3<br />
gerne irgendwo ins Warme. Das<br />
Wetter hat sich ja leider dieses<br />
Jahr noch nicht von seiner besten<br />
Seite gezeigt.<br />
In die Berge zum Wandern<br />
4 zu gehen, finde ich sehr<br />
schön, genauso würde mich<br />
aber auch einmal ein Urlaub an<br />
der Ostsee reizen.<br />
Da ich mich mit 21 Jahren<br />
5 selbstständig gemacht habe,<br />
war dies mit Sicherheit noch ein<br />
Campingurlaub mit dem Zelt in<br />
Italien.<br />
Politik, Alltagsstress und<br />
6 Covid-19.
<strong>unternehmen</strong> [!] RESSORT 49<br />
La Maiena Meran Resort<br />
Marling bei Meran<br />
Fotos: ©La Maiena Meran Resort,<br />
Michael Huber (www.huber-fotografie.at),<br />
RUPERTMUEHLBACHER<br />
KONTAKT<br />
La Maiena Meran Resort | Familie Waldner<br />
Nörderstraße 15 | 39020 Marling bei Meran<br />
Südtirol | Italien<br />
T +39 0473 447000<br />
info@lamaiena.it<br />
www.lamaiena.it<br />
„Hier dreht sich<br />
alles um Ihr<br />
Vergnügen!“<br />
Mathias Waldner,<br />
Ihr Gastgeber<br />
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180-Grad-Blick von Ihrer eigenen Terrasse<br />
über die Dächer der leuchtenden Kurstadt<br />
Meran hinweg in das reizvolle Etschtal.<br />
WELLNESS UND GENUSS<br />
Hier geben Sie sich ganz dem Genuss hin.<br />
Küchenchef Andreas Schwienbacher zaubert<br />
unvergleichliche kulinarische Kunstwerke<br />
auf den Tisch. Diese werden von den<br />
edlen Tropfen begleitet, die der hauseigene<br />
Sommelier empfiehlt. Um Ihren Aufenthalt<br />
perfekt abzurunden, werden Sie im Wellnessbereich<br />
Sensa Spa Beauty, Hair & Relax<br />
nach allen Regeln der Kunst verwöhnt.
50<br />
NAMEN & NACHRICHTEN <strong>unternehmen</strong> [!]<br />
EK-Sanierung<br />
abgeschlossen<br />
Krankenhaus Nach elf Jahren<br />
sind die Sanierungsarbeiten am<br />
Krankenhaus Sankt Elisabeth in<br />
Ravensburg abgeschlossen.<br />
266 Millionen Euro teuer waren<br />
die Arbeiten an dem knapp 120<br />
Jahre alten Bau, die bei laufendem<br />
Betrieb von statten gingen.<br />
Die Oberschwabenklinik, die zu<br />
95 Prozent dem Kreis und zu 5<br />
Prozent der Stadt Ravensburg<br />
gehört, ist auch Lehrkrankenhaus<br />
der Uniklinik Ulm. Obwohl<br />
die eigentlichen Baumaßnahmen<br />
abgeschlossen sind, gehen<br />
die Arbeiten auf dem Gelände<br />
weiter: ein neues Parkhaus sowie<br />
ein Neubau für die Klinikverwaltung<br />
stehen noch aus.<br />
Reutlingen<br />
erhält Zuschlag<br />
Forschung Die Informatik-Fakultät<br />
der Hochschule Reutlingen<br />
ist Partner im bundesweiten<br />
Forschungsprojekt KI DeltaLearning<br />
des Bundesministeriums<br />
für Wirtschaft und<br />
Energie. Das Projekt erhält vom<br />
Bundesministerium 27 Millionen<br />
Euro Fördergelder und gehört<br />
zur Leitinitiative autonomes<br />
und vernetztes Fahren des<br />
Branchenverbands VDA, der<br />
deutsche Automobilhersteller<br />
und -zulieferer in diesem Bereich<br />
zu Marktführern machen<br />
will. Die Forschungen in Reutlingen<br />
werden mit 650 000 Euro<br />
gefördert. Die Leitung des Teilprojekts<br />
liegt bei Mercedes.<br />
2014 eröffnete Gastronom Ebbo Riedmüller das Bootshaus am Ulmer Donauufer, das er bis 2017 selbst<br />
betrieben hat. Zwischenzeitlich war das Lokal verpachtet.<br />
Foto: Max Mustermann<br />
Keine neuen Pächter fürs Bootshaus<br />
Auszeichnung<br />
für BW-Bank<br />
Vermögen Das Stiftungsmanagement<br />
der Baden-Württembergischen<br />
Bank (BW-Bank) in<br />
Stuttgart hat beim diesjährigen<br />
Fuchs-Report „Stiftungsvermögen“<br />
in der Gesamtwertung wie<br />
im Vorjahr den ersten Platz belegt.<br />
Auch in der „Ewigen Bestenliste“<br />
steht die Bank weiter<br />
an der Spitze des Rankings.<br />
Harman Becker<br />
streicht Jobs<br />
Der Zugang zum Bootshaus am Ulmer Donauufer<br />
bleibt vorerst weiter für die Öffentlichkeit verschlossen.<br />
Thomas und Diana Eder von Neu-Ulmer Firma<br />
Settele Catering, haben aufgrund der Corona-Pandemie<br />
kein Interesse mehr an einer vorübergehenden<br />
Pacht des schwimmenden Lokals, wie der Eigentümer<br />
und Großgastronom Ebbo Riedmüller zuletzt berichtete.<br />
Jetzt vermiete er das Bootshaus für private<br />
Events solange bis gerichtlich geklärt ist, wer die<br />
Schuld an einem Wasserschaden an dem schwimmenden<br />
Gebäude trägt. Erst dann sei eine längerfristiger<br />
Plan möglich.<br />
Zulieferer Beim Automobilzulieferer<br />
Harman Becker steht in<br />
Ulm erneut ein Stellenabbaubevor.<br />
In der Entwicklung von Infotainment-Systemen<br />
für Autos<br />
(Radio, Handy, Navi) sollen 42<br />
Stellen gestrichen und mehr als<br />
20 an andere Entwicklungsstandorte<br />
wie Karlsbad (bei<br />
Karlsruhe) und Garching verlagert<br />
werden. Das würde die Belegschaft<br />
von zuletzt 130 Mitarbeitern<br />
etwa halbieren. 2013 hatte<br />
Harman Becker Automotive<br />
in der Entwicklung im früheren<br />
AEG-Röhrenwerk in Ulm bereits<br />
mehr als 30 Arbeitsplätze<br />
abgebaut und die Aufgaben nach<br />
Indien verlagert. Das Unternehmen<br />
gehört seit 2016 vollständig<br />
zu, südkoreanischen Samsung-Konzern.<br />
Als Kernelement<br />
von Harman in Ulm soll die Telematik<br />
bleiben.<br />
Impressum<br />
Verlag & Herausgeber<br />
Neue Pressegesellschaft<br />
mbH & Co. KG<br />
Frauenstraße 77<br />
89073 Ulm<br />
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Alexander Bögelein (verantwortlich)<br />
a.boegelein@swp.de<br />
Anschrift wie Verlag<br />
Anzeigen<br />
Stefan Schaumburg (verantwortlich)<br />
Anschrift wie Verlag<br />
Gestaltung<br />
Alen Pahic (Art Director)<br />
Max Meschkowski<br />
(Layout & Illustration)<br />
Antje Meyer (Bild)<br />
Fotos Marc Hörger (Titel + Titelinterview),<br />
Volkmar Könneke,<br />
Matthias Kessler, Werkfotos, Getty<br />
Images, PR, Archiv<br />
Druck<br />
Druck- und Verlagsgesellschaft<br />
Bietigheim mbH<br />
Kronenbergstraße 10<br />
74321 Bietigheim-Bissingen<br />
Objektleitung<br />
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Telefon 0731 156-515<br />
t.lehmann@swp.de<br />
Mediaberatung<br />
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Vertriebsservice<br />
<strong>unternehmen</strong>.vertrieb@swp.de<br />
Den Datenschutzbeauftragten<br />
erreichen Sie unter:<br />
datenschutz@swp.de<br />
Nächste Ausgabe:<br />
14. Oktober <strong>2020</strong><br />
Die Themen<br />
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Die Bauwirtschaft im Südwesten<br />
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