Erna Kronshage ShortMagazine 23
Eine graphische Kurzfassung auf 23 Bildtafeln in einfacher Sprache
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EDWARD WIEAND
ERNAS WEG IN DIE
TÖTUNGS-MASCHINE
DER NS-EUTHANASIE
IN EINFACHER SPRACHE
AUF 23 ILLUSTRIERTEN SEITEN
E d w a r d Wieand
Update 12/22
2
Erna wird 2 Wochen vor
Weihnachten am 12.
Dezember 1922 in Senne II
(heute heißt das „Bielefeld-
Sennestadt“) geboren.
Sie ist das 11. und jüngste
Kind.
Die Familie Kronshage lebt
und arbeitet auf einem
Bauern-Hof in der Senne.
Der Hof liegt direkt dort am
Bahnhof mit seinen
Bahnsteigen und Gleisen.
Der Vater arbeitet halbtags
als Tischler in einer Fabrik.
3
So sieht das Bauern-Haus
damals aus.
Das Haus heute:
4
Auf diesem Familien-Foto
von ca. 1930 ist Erna
die 2. von links …
Als Jüngste und Kleinste
wird Erna hauptsächlich
von ihren großen
Geschwistern „erzogen“.
Erna wird als „Nest-
Häkchen“sicherlich
entsprechend
betüddelt und verwöhnt …
Erna ist ca. 8 Jahre alt.
Ausschnitt aus dem Familien-Foto.
5
Erna ist eine gute
Schülerin.
Das Lernen
macht
ihr Spaß.
Sie hat sehr gute
Zeugnisse.
So sieht es 1935
in einer
Schul-Klasse
aus.
6
Nach ihrer Schulzeit arbeitet Erna
als „Haus-Tochter“ zu Hause auf
dem Bauern-Hof.
„Haus-Tochter“ war damals eine
Tätigkeit für junge Frauen bis zu
ihrer eigenen Hochzeit.
Erna muss jetzt oft allein mit
ihren Eltern auf dem Hof
arbeiten.
Die Brüder sind Soldaten, weil der
Krieg begonnen hat.
Die älteren Schwestern haben
inzwischen eigene Familien.
Erna muss z.B. Kartoffeln ernten.
Und wäscht Wäsche am Brunnen
vor dem Haus.
7
Im Frühjahr 1940 kommt
der Krieg zum ersten mal
bis in die Senne.
Ein einsamer englischer
Flieger wirft Bomben auf
den Guts-Hof gegenüber.
Das ist nur 100 Meter von
Ernas Bauern-Hof entfernt.
Erna ist schockiert, denn
eine fast gleichaltrige
Nachbarin stirbt dabei.
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Aus der Groß-Familie
Kronshage wird eine
Klein-Familie.
Erna wohnt jetztallein
mit den Eltern im
Haus.
Sie fühlt sich deshalb
immer einsamer.
Sie sehnt sich nach
gleichaltrigen
Freunden, mit denen
sie quatschen kann.
Ihre Eltern sind schon
über 40 Jahre älter als
sie.
Für Erna wird die
Arbeit zu schwer.
Sie will Ferien machen
und ausspannen.
9
Im Oktober 1942 verweigert Erna Kronshage
ihre Mitarbeit auf dem Hof.
Sie schimpft mit den Eltern und hat keine Lust
mehr
Sie will sich erholen, weil sie sich schlapp fühlt
von der schweren Arbeit.
Ernas Mutter muss dieseArbeits-Verweigerung
der Gemeinde-Fürsorgerin melden - der
sogenannten „Braunen NS-Schwester“.
Jetzt im Krieg wird auf einem Bauern-Hof kein
„Blau-Machen“ geduldet.
Jeder Bauern-Hof jetzt ist für die Lebensmittel-
Versorgung der Bevölkerung zu wichtig.
10
Die „Braune Schwester“ schickt Erna zu
einer ärztlichen Untersuchung ins
Gesundheits-Amt.
Hier bittet Erna selbst den Arzt darum, in
die Heil-Anstalt nach Gütersloh zu
kommen.
Sie will sich dort erholen und wieder „fit“
werden.
Bei einer Schwester Ernas hatte das kurz
zuvor dort gut geklappt.
Die hatte sich nach einem Zusammenbruch
in 4 Wochen wieder gut erholt.
Erna will das jetzt auch so.
Sie lässt sich deshalb einweisen –sogar
gegen den Willen der Eltern.
11
Die Heil-Anstalt Gütersloh ist damals eine
Art „Gesundheits-Fabrik“. –
Sie besteht aus mehreren
Krankenhäusern und Heimen – mit weit
über 1000 seelisch gestörten Patienten.
Nazi-Ärzte und Krankenschwestern
haben das Sagen.
Es gibt getrennte Frauen- und
Männerbereiche.
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In Gütersloh führen Ärzte erste
Untersuchungen undGespräche durch.
Sie fragen nach Erkrankungen in der
Verwandtschaft und machen sich dazu Notizen.
Erna ist aufgeregt und stammelt herum. Solche
Situationen machen ihr Angst.
Die Ärzte entscheiden danach sogar, Ernas
Arbeitsverweigerung und Verhaltensstörungen
zu Hause sei eine schwere Geistesstörung - mit
dem Namen „Schizophrenie“.
Bei dieser Störung lassen sich Wirklichkeit,
Traum oder Fantasie nicht mehr unterscheiden.
Alles fließt ineinander.
• Das Erleben und Fühlen ist in einer
Schizophrenie wie in viele kleine Scherben
zersplittert.
• Oft hört man Stimmen oder sogar Befehle -
aber niemand spricht tatsächlich.
• Es sind Einbildungen. 13
Zur Arbeits-Therapie wird Erna zum
Kartoffel-Schälen und zur Arbeits-
Kolonne in die Gärtnerei
abkommandiert – das kennt sie ja
schon von Zuhause.
Zusätzlich zu diesem Beschäftgungs-
Angebot werden bei Menschen mit
Schizophrenie künstlich epileptische
Krampfanfälle ausgelöst.
Die sollen innere Spannungen abbauen.
Das geschieht mit dem Mittel
„Cardiazol“, das in dieArm-Beuge
gespritzt wird.
Hinterher fühlt sich Erna völlig matt
und verwirrt.
14
Der Direktor der Anstalt in
Gütersloh stellt Anfang1943 für
Erna Kronshage Antrag auf
„Unfruchtbarmachung“– auf
Sterilisation – nach dem
„Erbgesundheits-Gesetz“.
Die „Schizophrenie“ wird damals
als „Erbkrankheit“ bezeichnet.
Der Vater legt dagegen mehrmals
Einspruch ein.
Aber nach Beschluss des
Erbgesundheits-Obergerichts in
Hamm wird Erna Kronshage am 4.
August 1943 im Krankenhaus in
Gütersloh operiert und
„unfruchtbar“ gemacht.
Dabei wird in einer Unterbauch-
Operation dafür gesorgt, dass Erna
keine Kinder bekommen kann.
15
Geistig und seelisch erkrankte Menschen sind für die Nazis
„unnütze Esser“, die nur Geld kosten – aber nichts
einbringen.
Hitler machte schon ab 1939 „kurzen Prozess“ mit ihnen und
gibt den Befehl, diese Menschen zu töten.
Er gibt vor, ihr Tod wäre das Beste für sie.
Per Frage-Bogen werden die Menschen ausgewählt für den
Kranken-Mord:
Dabei geht es hauptsächlich um3 Dinge:
• Wer ist die oder der Kranke?
• Wie stark ist die Krankheit oder Behinderung?
• Kann und will die oder der Kranke arbeiten?
Diese Kranken-Morde heißen „Euthanasie“ – das Wort
kommt aus dem Griechischen – was zu deutsch „schöner
Tod“ bedeutet.
16
Ab Mitte 1943 sind in
Gütersloh auf
Anweisung aus Berlin
Bettenplätze
freizumachen für
Kriegsverletzte aus den
bombardierten Städten.
Deshalb müssen rasch
überzählige Patienten in
andere Anstalten verlegt
werden.
Erna Kronshage ist mit
99 Mit-Patienten dabei.
Am 12.11.1943 bringt sie ein
Sonderzug über Hannover
und Berlin in die 680 km
entfernte Anstalt
„Tiegenhof“ – nahe der
Stadt Gnesen im damals
besetzten Polen.
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Heil-Anstalt
Tiegenhof bei
Gnesen – PL
Name vor der
Deutschen Besetzung:
Dziekanka/Gniezno
• Luft-Aufnahme des
Anstaltsgeländes
• Bucheinband eines
Jubiläumbandes von
1994
• Typischer Anstalts-
Pavillon
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Die Patienten werden in Tiegenhof mit einem Tötungs-Rezept aus fettlosen Speisen mit beigemischten
Schlaf-Mitteln umgebracht. 19
Erna Kronshage wird am 20.02.1944 inTiegenhof/Gnesen getötet.
Vom Tag der Anreise aus Gütersloh bis zu ihrer Ermordung dauert es genau 100 Tage …
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Auf Antrag der Eltern wird der Leichnam Erna Kronshages
nach Senne II überführt.
Der Sarg wird in einem Pack-Waggon der Reichs-Bahn 600
km direkt bis auf die Rangier-Gleise des Bahnhofs „Kracks“
gefahren.
Die Familie öffnet heimlich den Sarg und vergewissert sich,
dass keine Spuren von Gewalt-Anwendung an der Leiche
sichtbar sind.
Am 5.Marz 1944 wird Erna Kronshage auf demAlten Friedhof
in Senne II – heute Sennestadt – imFamilien-Grab beerdigt.
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Am 6. Dezember 2012
wurde in der Nähe des
Geburtshauses von Erna
Kronshage zum Gedenken
ein „Stolperstein“ gelegt.
Im „Raum der Namen“
gedenkt man in der Klinik-
Kapelle in Gütersloh mit
einem leuchtenden
Namens-Band den 1.017
ermordeten Patienten, die
von hier in die Tötungs-
Anstalten „verlegt“
wurden.
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