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stahl + eisen 08/2020 (Leseprobe)

TITELSTRECKE über Anlagentechnik // WEITERE THEMEN: u.a. Hartwalzen als ressourcenschonende Alternative, Praktische Ansätze zur klimaneutralen Erzeugung, Hochwertige Metalllegierungen aus Schrott, Teure Kunst aus Edelstahl, Cloud-Lösung für internationalen Zahlungsverkehr

TITELSTRECKE über Anlagentechnik // WEITERE THEMEN: u.a. Hartwalzen als ressourcenschonende Alternative, Praktische Ansätze zur klimaneutralen Erzeugung, Hochwertige Metalllegierungen aus Schrott, Teure Kunst aus Edelstahl, Cloud-Lösung für internationalen Zahlungsverkehr

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Nr. 8 | August <strong>2020</strong><br />

Magazin für die Herstellung und Verarbeitung von Eisen + Stahl<br />

Optimale<br />

Oberflächen<br />

bei Stahlgüten für die<br />

automobile Außenhaut<br />

Kunst von<br />

Jeff Koons<br />

Edel<strong>stahl</strong> Rostfrei von<br />

seiner schönsten Seite<br />

Die digitale Fabrik<br />

Effizientes Anlagenmanagement inmitten von Hochtechnologien


September 16 th and 17 th , <strong>2020</strong> · VIRTUAL CONFERENCE<br />

®<br />

VIRTUAL CONFERENCE<br />

REFRACTORIES<br />

enabling High Temperature Technologies<br />

Topics<br />

} Steel<br />

} Cement & Lime<br />

}<br />

} Iron<br />

} Glass<br />

}<br />

} Non-ferrous } Ceramics }<br />

Chemistry & Petro-Chemistry<br />

Energy Generation<br />

Environment & Waste treatment<br />

organized by:<br />

ECREF European Centre for<br />

Refractories gGmbH – ICR –<br />

contact: info@ic-refractories.eu<br />

gGmbH<br />

hosted by:<br />

VDFFI Verband der<br />

Deutschen Feuerfest Industrie e.V.<br />

contact: info@vdffi.de<br />

Rheinstraße 58 · 56203 Höhr-Grenzhausen · GERMANY<br />

www.ic-refractories.eu


Liebe Leserinnen & Leser,<br />

Wenn Sie diese<br />

Zeilen lesen, ist die<br />

Redaktion weitgehend<br />

im Ferienmodus.<br />

Ausgabe<br />

9/20 werden wir<br />

zwar in gewohnter<br />

Qualität stemmen,<br />

aber schicken<br />

Sie Ihre Anliegen<br />

sicherheitshalber<br />

an die gemeinsame<br />

Adresse redaktion@<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de.<br />

es ist eine vergleichsweise komfortable Situation, lediglich einmal im<br />

Monat ein Editorial zu verfassen. Von der Hektik der Tagespresse sind<br />

wir in der Redaktion von <strong>stahl</strong> + <strong>eisen</strong> weit weg und auch die Zwänge<br />

wöchentlich erscheinender Publikationen sind uns fern. Von daher<br />

können wir Ereignisse und Entwicklungen ganz anders beobachten,<br />

beschreiben und gewichten. Das gibt uns den Raum, das absolute<br />

Megathema des Jahres ein wenig in den Hintergrund zu rücken: „Corona“<br />

findet mit einem eigenen Artikel erst unter „Recht + Finanzen“ statt, mit einem<br />

Interview zum Umgang mit eigenen Forderungen. Ansonsten fällt das Schlagwort eher<br />

beiläufig, etwa in der China-Kolumne von Fabian Grummes oder im Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums<br />

zur wirtschaftlichen Lage. Das entspricht auch der Stimmung der Industrie,<br />

die zwar teilweise noch deutlich im Homeoffice-Modus ist, aber ansonsten den Blick nach vorn<br />

richtet.<br />

Also schreiben wir lieber das Titelthema „Digitalisierung“ (noch so ein Megathema) der<br />

vorhergehenden Ausgabe fort. Allerdings nehmen wir hier eine andere Perspektive ein und<br />

beleuchten es vor allem aus Sicht der Anlagentechnik. Besonders ans Herz legen möchte ich<br />

Ihnen dabei die Titelgeschichte von Niklas Reiprich, der sich mit Computing und Instandhaltung<br />

auseinandersetzt. Die weiteren Beiträge in der Titelstrecke – etwa zu Wälzlagern oder<br />

Spezialgetrieben – beschreiben indes wieder eher „klassische“ Technik.<br />

Ähnlich vielfältig geht es auch in der Rubrik „Wissenschaft + Technik“ zu. Falk-Florian Henrich<br />

von Smart Steel Technologies schreibt über Qualitätssicherung, ansonsten geht es u.a. um<br />

statistische Versuchsplanung als Werkzeug der Prozessoptimierung und ein neues Verfahren für<br />

hochoptimierte Stahlbauteile.<br />

Uns gefällt es, dass wir den journalistischen Krisenmodus hinter uns lassen und uns um das<br />

Kerngeschäft der Branche kümmern. Wenn sich die Lage ändert, werden wir diesen Ball zwar<br />

redaktionell aufnehmen, aber jetzt schauen wir lieber optimistisch in die Zukunft. Schließlich<br />

stehen ab September endlich die ersten Präsenzveranstaltungen an.<br />

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gewinnbringende Lektüre. Bleiben Sie weiterhin gesund!<br />

Foto: Christian Talla (www.talla.hamburg)<br />

Torsten Paßmann, Chefredakteur<br />

PS: Die Vielseitigkeit des Werkstoffs Stahl zeigt sich übrigens auch in der Kunst – wie sonst sollte ein bunter<br />

Tulpenstrauß auf 33 Tonnen Gewicht kommen? Dieses und weitere farbenfrohe Beispiele von Jeff Koons<br />

finden Sie unter „Style + Story“.<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de August <strong>2020</strong> 3


STAHL<br />

EISEN<br />

Inhalt 8 | <strong>2020</strong><br />

Cover:<br />

Bedien-Steuerstände<br />

der Ein- und Auslaufseite<br />

einer Beiz- und Feuerverzinkungsanlage.<br />

Quelle: SMS group<br />

14<br />

Das<br />

Gehirn der Industrie<br />

Datenbasierte Services steuern die komplexen<br />

Produktionsprozesse<br />

NEWS<br />

TERMINE<br />

6 Wirtschaft + Industrie<br />

u.a. mit Silbitz Group, thyssenkrupp und SMS group<br />

10 Klima + Umwelt<br />

u.a. mit ArcelorMittal und der Landesinitiative<br />

IN4climate.NRW<br />

12 Additive Fertigung<br />

u.a. mit innovativen Kolben und einer 3D-Druck-<br />

Fertigungszelle<br />

TITELTHEMA: ANLAGENTECHNIK<br />

14 Das Gehirn der Industrie<br />

Datenbasierte Services steuern die komplexen Produktionsprozesse<br />

20 Höhere Effizienz beim Einbau von<br />

Wälzlagern<br />

Flexible Passelemente erschließen das Optimierungspotenzial<br />

im Montageprozess<br />

22 Hartwalzen als ressourcenschonende<br />

Alternative<br />

Fraunhofer IPT schließt dreijähriges Forschungsprojekt<br />

zu Wälzlagern ab<br />

23 Stillstand geht ins Geld<br />

Wie sich messbare Kosten mit der richtigen Technik<br />

vermeiden lassen<br />

24 Herstellung eines robusten Spezialgetriebes<br />

zur Herstellung von Coils<br />

Best-Practice-Beispiel einer deutsch-französischen<br />

Kollaboration<br />

POLITIK<br />

MÄRKTE<br />

28 Praktische Ansätze zur klimaneutralen<br />

Erzeugung<br />

Die Deutschen Edel<strong>stahl</strong>werke setzen auf nachhaltige<br />

Maßnahmen für „grünen Stahl“<br />

28 Reduzierte Durchlaufzeiten und Wärmeverluste<br />

nach Modernisierung<br />

Öffentliche Hand unterstützt Maßnahme bei der<br />

Härterei Reese<br />

29 Licht zur Miete<br />

Beleuchtungssanierung bei Benteler Steel/Tube<br />

30 Deutschlands einziger Weißblechhersteller<br />

macht das Jahrhundert voll<br />

Rasselstein in Andernach will innovativ bleiben<br />

32 Hochwertige Metalllegierungen aus<br />

Schrott gewinnen<br />

JC Ecomet hat mit drei Industriepartnern eine Lösung<br />

entwickelt<br />

39<br />

Optimale Oberflächenqualität<br />

bei hochwertigen Stahlgüten<br />

Dauerhafte Reduktion von Schalenbildung auf<br />

Stählen durch den Einsatz künstlicher Intelligenz<br />

33 Fördermittel für Klimaschonung<br />

Stahlwerk Unna wird bei der Modernisierung einer<br />

Altanlage unterstützt<br />

34 Ein Novum treibt die Preise<br />

China-Kolumne von Fabian Grummes<br />

35 Spürbare Erholung der deutschen<br />

Wirtschaft hat eingesetzt<br />

Aktuelle Meldung aus dem BMWi<br />

4 August <strong>2020</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de


WISSENSCHAFT<br />

TECHNIK<br />

39 Optimale Oberflächenqualität bei<br />

hochwertigen Stahlgüten<br />

Dauerhafte Reduktion von Schalenbildung auf Stählen<br />

durch den Einsatz künstlicher Intelligenz<br />

44 Zweifache Messung führt zu zehnfach<br />

besserer Planheit<br />

Unplanheits-Messsystem für SBR-Anlagen kombiniert<br />

zwei Verfahren<br />

46 Prozessgestaltung und Produktqualität<br />

beim Selective Laser Melting<br />

Statistische Versuchsplanung als Werkzeug der<br />

Prozessoptimierung<br />

49 Neues Verfahren für hochoptimierte<br />

Stahlbauteile<br />

Forschungsprojekt will Umformprozesse intelligenter<br />

gestalten<br />

RECHT<br />

FINANZEN<br />

Praktische Ansätze zur<br />

26klimaneutralen Erzeugung<br />

Die Deutschen Edel<strong>stahl</strong>werke setzen<br />

auf nachhaltige Maßnahmen für „grünen<br />

Stahl“<br />

52 „Schulden bleiben trotz Corona-Krise<br />

Schulden“<br />

Interview mit Bernd Drumann, Bremer Inkasso GmbH<br />

54 Verfall des Urlaubs bei Krankheit<br />

Gilt die 15-Monatfrist auch bei unterlassener<br />

Mitwirkung des Arbeitgebers?<br />

55 Cloud-Lösung für internationalen<br />

Zahlungsverkehr<br />

ELG Haniel setzt auf Lösung von TIS<br />

55 Privatnutzung von Dienstfahrzeugen<br />

Rechts-Tipp von Prof. Dr. Gunter M. Hoffmann<br />

BERUF<br />

KARRIERE<br />

56 10 Tipps zur Strategieentwicklung in<br />

Krisen- und Marktumbruchzeiten<br />

Praktische Hinweise für Führungskräfte<br />

STYLE<br />

STORY<br />

60 Teure Kunst aus Edel<strong>stahl</strong><br />

Jeff Koons präsentiert das Material von seiner schönsten<br />

Seite<br />

Neues Verfahren für hochoptimierte Stahlbauteile<br />

49 Dauerhafte Reduktion von Schalenbildung auf Stählen durch den<br />

Einsatz künstlicher Intelligenz<br />

IMMER<br />

EWIG<br />

3 Editorial<br />

9 Termine<br />

36 Länder + Anlagen<br />

50 Erzeugnisse + Verfahren<br />

58 VDEh-Personalia<br />

63 Vorschau + Impressum<br />

64 People<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de August <strong>2020</strong> 5


NEWS<br />

TERMINE<br />

Wirtschaft<br />

Industrie<br />

Optimismus für die Stahlindustrie?<br />

Mit dem Handlungskonzept Stahl<br />

hat die Bundesregierung aus Sicht<br />

der Wirtschaftsvereinigung Stahl<br />

die richtigen Themen adressiert.<br />

Bundesregierung verabschiedet<br />

Handlungskonzept Stahl<br />

Das angekündigte Handlungskonzept<br />

Stahl wurde nun vom Bundeswirtschaftsministerium<br />

vorgestellt. Unter dessen Federführung<br />

veröffentlicht die Bundesregierung<br />

damit ein politisches Gesamtkonzept<br />

für die Stahlindustrie in Deutschland, um<br />

diese in Sachen Klimaneutralität langfristig<br />

stark und international wettbewerbsfähig<br />

aufzustellen. Unter anderem sieht<br />

der Entwurf vor, entschlossener gegen<br />

Subventionen und Dumpingpreise vorzugehen,<br />

die den Regularien der Welthandelsorganisation<br />

(WTO) widersprechen.<br />

Auch gegen eine protektionistische Handelspolitik<br />

sieht das Papier diverse Maßnahmen<br />

vor – insbesondere mit dem Ziel,<br />

globale Überkapazitäten abzubauen. Dafür<br />

beabsichtigt die Bundesregierung, den<br />

EU-Handelsschutz konsequent anzuwenden<br />

und bei Bedarf zu verbessern. Konkreten<br />

Maßnahmen bedürfe es darüber hinaus,<br />

um die Verlagerung von energieintensiven<br />

Industrien in Länder mit geringem<br />

Schutzniveau zu vermeiden. Dafür will die<br />

Bundesregierung einer Forderung der<br />

Wirtschaftsvereinigung Stahl (WV Stahl)<br />

nachkommen, die das neue Konzept<br />

grundsätzlich begrüßt. Der Branchenverband<br />

ist der Meinung, eine ausreichende<br />

Ausstattung mit kostenlosen CO 2<br />

-Zertifikaten<br />

müsse fortgeführt werden. So sollen<br />

die direkten CO 2<br />

-Kosten der Produzenten<br />

kompensiert werden. “Sollten diese Maßnahmen<br />

nicht ausreichen, um die Stahlindustrie<br />

vor Carbon Leakage zu schützen,<br />

könnte für die verbleibenden Lücken zusätzlich<br />

ein Grenzausgleich in Erwägung<br />

gezogen werden”, schlägt die WV Stahl<br />

ergänzend vor. Damit in der Stahlindustrie<br />

schließlich klimafreundliche Produktionsprozesse<br />

herrschen, sind laut Handlungskonzept<br />

Stahl in den kommenden beiden<br />

Jahrzehnten “Investitionen in zweistelliger<br />

Milliardenhöhe” erforderlich.<br />

Mehr dazu<br />

Der vollumfängliche Maßnahmenkatalog<br />

des Handlungskonzeptes Stahl<br />

steht kostenlos zum Download bereit.<br />

Scannen Sie dazu einfach den QR-Code<br />

oder besuchen Sie die Website<br />

www.bmwi.de.<br />

Tech-Plattform für Metallteile startet durch<br />

Das B2B-Startup Laserhub hat eine bedeutende Finanzierungsrunde mit dem Investor Acton Capital abgeschlossen. Die neuen finanziellen<br />

Mittel will das Stuttgarter Unternehmen in den Ausbau seiner Tech-Plattform stecken. Mit dieser hat es sich auf die Fahne geschrieben, Anfrage,<br />

Bestellung und Lieferung von Metallteilen in einem „schlanken, digitalen Prozess“ zu vereinen. In einem nächsten Schritt will es nun<br />

in neue Fertigungstechnologien wie CNC-Drehen und Rohrlaserschneiden investieren. Allein durch das CNC-Drehen erhofft sich das Start-up<br />

Zugang zu einem „100-Milliarden-Markt“. Christoph Rößner, einer der Gründer von Laserhub, erklärt: „Die neuen Verfahren sind bereits auf<br />

unserer Plattform integriert. Jetzt konzentrieren wir uns voll darauf, die Fertigungstiefe zu erhöhen, um vor allem die Serienproduktion für<br />

Großkunden noch besser abbilden zu können.“ Klares Ziel des Unternehmens sei es, mit Laserhub künftig an jeder Transaktion auf dem<br />

europäischen Markt für Metallteile beteiligt zu sein.<br />

Quellen: Shutterstock; Silbitz Group<br />

6 August <strong>2020</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de


Euroblech: In diesem Jahr in<br />

virtueller Ausführung<br />

Die Euroblech <strong>2020</strong> wird verschoben. Die Veranstalter, Mack Brook Exhibitions,<br />

haben bekanntgegeben, dass die nunmehr<br />

26. Technologiemesse für Blechbearbeitung stattdessen vom 9. bis 12. März<br />

2021 in Hannover stattfindet. Alternativ bieten die Organisatoren zum ursprünglichen<br />

Messetermin von 27. bis 30. Oktober eine virtuelle Plattform<br />

für die globale Blechbearbeitungsindustrie an. Innerhalb dieses „Digital Innovation<br />

Summit“ erhalten die Aussteller die Möglichkeit, ihre neuesten<br />

Maschinen und Lösungen vorzustellen sowie virtuelle Meetings mit Besuchern<br />

abzuhalten. „Wir sind fester Überzeugung, dass wir die Blechbearbeitungsindustrie<br />

in diesen ungewöhnlichen Zeiten unterstützen und einen<br />

Marktplatz für Innovationen anbieten müssen“, so Nicola Harmann, Geschäftsführerin<br />

von Mack Brook Exhibitions. Sie erklärt auch, dass die Unternehmen<br />

derzeit primär damit beschäftigt seien, mit den Auswirkungen der<br />

Corona-Pandemie umzugehen. Demnach hätte sich die Mehrheit der Beteiligten<br />

dafür ausgesprochen, die Messe nicht im Oktober abzuhalten.<br />

Silbitz Group nimmt<br />

modernisierten Lichtbogenofen<br />

in Betrieb<br />

Nach achtwöchiger Umbauphase konnte die Silbitz Group ihren modernisierten<br />

Lichtbogenofen in der Silbitzer Eisen- und Stahlgießerei (Silbitz Guss) wieder<br />

in Betrieb nehmen. Das Unternehmen will die neue Anlage künftig nutzen,<br />

um Spezialstähle zu schmelzen. Konkret zielte die Investition in Höhe von<br />

1,3 Millionen Euro darauf ab, die Ofenmechanik zu überarbeiten sowie Hydraulik,<br />

Elektronik, Steuerung und Kühlung des Lichtbogenofens neu aufzubauen.<br />

Die modernisierte Anlage bietet nach Angaben des Unternehmens eine<br />

erweiterte Kapazität von acht auf zehn Tonnen. Zudem besitzt sie im<br />

3-Schicht-Betrieb eine Kapazität von bis zu 60 Tonnen Flüssigmaterial. Die<br />

Temperaturen im Ofeninneren betragen dabei bis zu 1 700 °C. Daneben, so<br />

erklärt es die Silbitz Group, könne das Unternehmen mit der neuen Anlage<br />

Energie einsparen und dank neuester Sensortechnik sämtliche Prozesse überwachen.<br />

Der modernisierte Lichtbogenofen bei Silbitz Guss erreicht im Ofeninneren<br />

Temperaturen von bis zu 1 700 °C.<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de August <strong>2020</strong> 7


NEWS<br />

TERMINE<br />

Additive Fertigung<br />

Christian Staudigel (links)<br />

und Christian Fischer<br />

wollen mit Headmade<br />

Materials das 3D-Druckverfahren<br />

Cold Metal<br />

Fusion zur Serienreife<br />

bringen.<br />

Headmade Materials treibt<br />

Cold Metal Fusion Technologie voran<br />

Headmade Materials, Entwickler des Metall-3D-Druckverfahrens<br />

Cold Metal Fusion, hat eine Finanzierungsrunde in Höhe<br />

von 1,9 Millionen Euro abgeschlossen. Alleiniger Investor ist<br />

der Industrial Technologies Fund von btov Partners. Die finanziellen<br />

Mittel will das Würzburger Unternehmen für die Skalierung<br />

der innovativen Technologie sowie die Markt- und Kundenentwicklung<br />

verwenden. Die sinterbasierte Cold Metal Fusion-Technologie<br />

zielt insbesondere auf die Serienproduktion<br />

von Metall-Bauteilen ab und nutzt hierfür ein bestehendes Ökosystem<br />

von Maschinen und Prozessen des 3D-Drucks und der<br />

Pulvermetallurgie. Herzstück des Verfahrens ist der Headmade-<br />

Feedstock, eine Kombination aus Metallpulver und einem speziellen<br />

Kunststoffbinder. Der Feedstock kann auf nahezu jedem<br />

laserbasierten 3D-Drucker verarbeitet werden und bietet Anwendern<br />

damit völlige Freiheit bei der Zusammenstellung der<br />

Prozesskette, je nach Anwendungsgebiet. Der Entbinderungsund<br />

Sinterprozess ist dabei mit bestehenden pulvermetallurgischen<br />

Prozessen (z.B. dem MIM Verfahren) kompatibel. Der<br />

Druckvorgang wird mit Standard-Lasersinteranlagen für Kunststoffe<br />

(SLS) durchgeführt, die von etablierten Herstellern auf<br />

dem Markt verfügbar sind. „Wir arbeiten seit fünf Jahren an<br />

der Technologie und die Partnerschaft mit btov bietet uns nun<br />

die Möglichkeit, den Unternehmensaufbau schneller voranzutreiben<br />

und unsere Vision der 3D-Serienfertigung zu verwirklichen<br />

“, sagt Christian Staudigel, der Headmade Materials gemeinsam<br />

mit Christian Fischer leitet.<br />

Höhere Antriebsleistung mit innovativen Kolben aus<br />

dem 3D-Drucker<br />

Bei Porsche kommt die 3D-Druck-Technologie<br />

bereits im Prototypenbau oder in<br />

der Ersatzteilfertigung für Sportwagen-<br />

Klassiker zum Einsatz. Jetzt setzt der Automobilbauer<br />

in Zusammenarbeit mit<br />

den Partnern Mahle und Trumpf einen<br />

neuen Meilenstein in der Anwendung<br />

additiver Fertigungsverfahren für hochbelastete<br />

Antriebsbauteile: Erstmals ist es<br />

der Gesellschaft gelungen, Kolben für den<br />

Hochleistungsmotor des 911-Modells GT2<br />

RS aus dem 3D-Drucker einzusetzen. Die<br />

Bauteile entstanden im Laser-Metall-Fusion-Verfahren<br />

(LMF) aus hochreinem<br />

Metallpulver. Porsche zufolge ermöglicht<br />

der 3D-Druck, die Kolben mit einer entsprechend<br />

der Belastung optimierten<br />

Struktur herzustellen. Dadurch wögen<br />

die additiv gefertigten Modelle zehn Prozent<br />

weniger als die geschmiedeten Serienkolben.<br />

Zudem verfügten sie über<br />

einen integrierten und geschlossenen<br />

Kühlkanal im Kolbenboden, der mit einem<br />

herkömmlichen Verfahren nicht<br />

Mithilfe des 3D-Drucks<br />

ist es Porsche gelungen,<br />

gewichtsreduzierte<br />

Kolben für den<br />

Hochleistungsmotor<br />

des 911 GT2 RS<br />

herzustellen.<br />

herstellbar gewesen wäre. „Wir können<br />

durch die neuen, leichteren Kolben die<br />

Motordrehzahl steigern, die Temperaturbelastung<br />

der Kolben verringern und die<br />

Verbrennung optimieren“, erklärt Frank<br />

Ickinger aus der Antriebsvorentwicklung<br />

von Porsche, der weiterhin betont: „Bis zu<br />

30 PS mehr Leistung sind aus dem 700 PS<br />

starken Biturbo-Motor dadurch denkbar,<br />

und das bei höherer Effizienz.“<br />

Quellen: Headmade Materials; Porsche AG; Bosch<br />

12 August <strong>2020</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de


Forschungsprojekt setzt neue Maßstäbe für additive<br />

Massenfertigung<br />

Filigrane Formen: Ein umfassendes Forschungsprojekt will<br />

die Serienreife der additiven Fertigung vorantreiben – und<br />

so den Bekanntheitsgrad der Technologie steigern.<br />

Die additive Fertigung ist weiter auf dem Vormarsch. In dem neuen<br />

Forschungsprojekt „Linienintegration Additive Fertigung“<br />

sollen nun Grundlagen erarbeitet werden, die für eine hochwertige<br />

industrielle Produktion die Voraussetzung sind. Insgesamt 15<br />

Unternehmen und Hochschulen beabsichtigen, bis 2022 neue<br />

additive Verfahren beispielsweise für die Automobilindustrie oder<br />

den Maschinenbau zu entwickeln. Die gemeinsame Arbeit umfasst<br />

Themen entlang der gesamten Prozesskette. Untersucht<br />

werden unter anderem die zusätzlichen Möglichkeiten der Produktgestaltung,<br />

die Eigenschaften und Weiterentwicklungen der<br />

eingesetzten Werkstoffe sowie die einzelnen Schritte im Fertigungsprozess<br />

und der Weiterverarbeitung. Die Technologie, die<br />

dabei im Fokus steht, ist das Laser-Strahlschmelzen (kurz L-PBF-<br />

M). Das Verfahren schmilzt aufgetragenes Metallpulver punktgenau<br />

und bringt es so in Form. Der Prozess verläuft nach Angaben<br />

der Projektpartner jedoch nicht immer zuverlässig stabil, was zu<br />

Fehlern in den Bauteilen führen kann. Diese Herausforderung<br />

will das Team mit einer intensiven Prozessüberwachung lösen.<br />

Zudem baue der Drucker bislang die Zeile auf einer Plattform<br />

auf, die anschließend wieder abgetrennt werden muss. Dieser<br />

Schritt soll auf eine industrielle Basis gebracht werden, die auch<br />

für die mechanischen und thermischen Bearbeitungsschritte notwendig<br />

ist. Darüber hinaus erhoffen sich die Projektteilnehmer,<br />

dass durch ihre Arbeit die Möglichkeiten durch die additive Fertigung<br />

bekannter werden. Schon heute seien mit der Technologie<br />

interessante Formen und Lösungen möglich, die mit herkömmlichen<br />

Verfahren nie erzielbar wären. Das Forschungsprojekt<br />

zählt zum Programm “Forschung Photonik Deutschland“ des<br />

Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Es umfasst<br />

ein Volumen von 13,6 Millionen Euro, wovon 6,9 Millionen<br />

Euro direkt vom BMBF gefördert werden.<br />

Europa ist globaler Innovationshub<br />

für additive Fertigung<br />

Laut einer Studie des Europäischen Patentamtes<br />

(EPA) ist die Zahl der europäischen<br />

Patentanmeldungen für die additive<br />

Fertigung (AM) zwischen 2015 und<br />

2018 um durchschnittlich 36 Prozent pro<br />

Jahr gestiegen. Dabei handelt es sich um<br />

einen zehnmal schnelleren Anstieg als<br />

die Gesamtzahl der Patentanmeldungen<br />

jährlich (3,5 Prozent). Europa steht damit<br />

auf diesem Gebiet an der Spitze: Zwischen<br />

2010 und 2018 ging nahezu die Hälfte<br />

aller AM-Patentanmeldungen beim APA<br />

auf das Konto europäischer Unternehmen<br />

und Erfinder. „Der Anmeldezuwachs in<br />

der additiven Fertigung ist Teil des Booms<br />

digitaler Technologien insgesamt“, sagt<br />

EPA-Präsident António Campinos. Europa<br />

habe sich zu einem globalen Innovationshub<br />

im wachstumsstarken Digitalbereich<br />

entwickelt, zu dem auch additive Fertigungstechnologien<br />

zählen. Aus der Studi<br />

geht hervor, dass 47 Prozent (7 863) aller<br />

AM-Erfindungen, für die im Zeitraum<br />

2010 bis 2018 Patentanmeldungen beim<br />

EPA eingegangen sind, auf europäische<br />

Länder entfallen. Europas führende Position<br />

sei vor allem auf den Beitrag<br />

Deutschlands zurückzuführen, das für<br />

19 Prozent (3 155) aller AM-Anmeldungen<br />

verantwortlich zeichnet. Im weltweiten<br />

Vergleich seien mit 35 Prozent (5 747) der<br />

Anmeldungen jedoch die USA das Top-<br />

Herkunftsland.<br />

FH Kiel: Millionenförderung<br />

für 3D-Druck-Fertigungszelle<br />

Die Fachhochschule (FH) Kiel plant eine Großforschungsanlage, die einen 3D-Laser-Metalldrucker, ein 5-Achs-Fräs-Bearbeitungszentrum<br />

und eine Sinteranlage kombinieren soll. Dafür hat das Institut Investitionsmittel vom Bundesforschungsministerium in Höhe von rund<br />

2,3 Millionen Euro erhalten. Die Sinteranlage ermöglicht dabei die Herstellung von Bauteilen für die Leistungselektronik, die unter anderem<br />

im Bereich der Elektromobilität Verwendung finden. Im 3D-Metalldrucker können die Metallbauteile dann schichtweise (additiv) aufgebaut<br />

und anschließend im Fräsbearbeitungszentrum beispielsweise durch Fräsen oder Bohren bearbeitet werden. Die Kombination<br />

additiver und spanender Verfahren eröffne zahlreiche Vorteile, erklärt Projektleiter Alexander Mattes vom Institut für Produktionstechnik:<br />

„Die additive Fertigung ermöglicht Geometrien, die mit konventionellen Verfahren nicht realisierbar wären, die spanenden Verfahren<br />

besondere Oberflächenqualitäten.“ Ein weiteres Potenzial liege in der Herstellung von Objekten aus mehreren Metallen. Der Bau der<br />

Fertigungszelle wird einige Monate in Anspruch nehmen. Zunächst entsteht der Laborbereich für die sichere Handhabung von Metallpulvern<br />

mit geringer Partikelgröße, in dem später die additive Fertigungsanlage mit einem Roboter für die Bauteilhandhabung integriert<br />

werden soll. Parallel dazu nimmt die Forschungsgruppe das 5-Achs-Fräs-Bearbeitungszentrum mit einem weiteren Roboter in Betrieb.<br />

Anschließend soll das bereits vorhandene fahrerlose Transportsystem der Digitalen Fabrik eingebunden werden.<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de August <strong>2020</strong> 13


TITELTHEMA: ANLAGENTECHNIK<br />

Computing und Instandhaltung<br />

Das Gehirn<br />

der Industrie<br />

Datenbasierte Services steuern immer komplexer<br />

werdende Produktionsprozesse – und begünstigen damit<br />

ein optimales Anlagenmanagement<br />

14 August <strong>2020</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de


Ein erfolgreiches Management von Produktionsanlagen ist<br />

maßgeblich davon abhängig, wie deren jeweiligen<br />

Datensätze vernetzt und aufarbeitet werden. Rechenzentren,<br />

wie hier abgebildet, helfen den Unternehmen bei diesem<br />

komplexen Unterfangen – und stellen zugleich die<br />

Voraussetzung für technologische Zukunftsmodelle wie<br />

Edge Computing oder Predictive Maintenance dar.<br />

Quelle: Shutterstock<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de August <strong>2020</strong> 15


TITELTHEMA: ANLAGENTECHNIK<br />

Computing und Instandhaltung<br />

Die datengetriebene Überwachung von Produktionsanlagen wird zunehmend komplexer – hier demonstriert anhand der<br />

Bedien-Steuerstände einer Beiz- und Feuerverzinkungsanlage bei Wuppermann Hungary.<br />

AUTOR: Niklas Reiprich<br />

niklas.reiprich@<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de<br />

DARUM GEHT‘S: Produktionsanlagen haben<br />

sich in den vergangenen Jahren in<br />

ihrem Aufbau und ihrer Technik enorm<br />

weiterentwickelt. Um derartige Systeme<br />

zu beherrschen und deren Potenzial voll<br />

auszuschöpfen, bedarf es datenbasierter<br />

Geschäftsmodelle. Ihr Ziel: Alle Informationen<br />

eines Produktionsprozesses zusammenführen<br />

und so aufbereiten, dass<br />

daraus wirtschaftliche Vorteile über den<br />

gesamten Lebenszyklus des jeweiligen<br />

Produktes entstehen.<br />

Auf dem Werksgelände von Thyssenkrupp Steel stehen IT-Container, die als<br />

Edge-Rechenzentren inklusive einer Cloud-Anbindung arbeiten. Das Unternehmen<br />

hat so einen Weg gefunden, produktionsnahe Prozesse angemessen zu digitalisieren.<br />

Seit jeher befindet sich die Wirtschaft<br />

im Wandel – und so auch die industrielle<br />

Wertschöpfung. In der Stahlindustrie<br />

zum Beispiel stimmt die klassische<br />

Betrachtungsweise grundsätzlich mit<br />

der aktuellen Realität in den Werken überein.<br />

Auch heute umfassen die Produktionsstufen<br />

im Kern die Erzvorbereitung, die<br />

Koks-, Roh<strong>eisen</strong>- und Stahlerzeugung sowie<br />

die anschließende Formgebung durch Walzen,<br />

Schmieden oder Pressen. Doch bei<br />

genauerer Betrachtung hat sich auch in<br />

diesem Wirtschaftszweig einiges geändert.<br />

Mit der Industrie 4.0 (siehe auch Titelstrecke<br />

aus <strong>stahl</strong> + <strong>eisen</strong> 07/<strong>2020</strong>) hat die Branche<br />

das Potenzial der Digitalisierung endgültig<br />

erkannt. Daten sind dabei zu einem<br />

wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden,<br />

eine Produktion ohne moderne Informationstechnologien<br />

ist heute gar nicht mehr<br />

vorstellbar. Zwar zeichnen sich die komplexen<br />

und großflächigen Werke nach wie vor<br />

durch gewaltige Anlagen und Aggregate<br />

aus. Dessen Verknüpfung erfolgt nun jedoch<br />

anhand digitaler Instrumente mit<br />

dem Ziel, die Prozesseffizienz zu steigern<br />

und die Produktion gemäß aktueller, stetig<br />

steigender Anforderungen auszulegen.<br />

Technische Verfügbarkeit von<br />

Anlagen immer wichtiger<br />

Ebendiese Entwicklung stellt die Unternehmen<br />

aber auch vor diverse Herausforderungen.<br />

Schließlich handelt es sich bei<br />

der Stahlerzeugung um einen in sich geschlossenen<br />

Fertigungsprozess, sprich ein<br />

System von Einzelanlagen, die untereinander<br />

durch logistische und informationstechnische<br />

Verbindungen vernetzt sind.<br />

„Der heutige hohe technische Stand der<br />

Technik in Bereichen wie Automatisierungstechnik,<br />

Sensortechnik und Hydraulik<br />

ist die Voraussetzung, um viele der immer<br />

komplexer werdenden Produktionsanlagen<br />

überhaupt betreiben zu können“,<br />

betont das Stahlinstitut VDEh, das der Anlagentechnik<br />

einen Teil seiner Forschung<br />

widmet. So würden vor dem Hintergrund<br />

des ständig steigenden Wettbewerbs auch<br />

die Forderungen nach einem optimierten<br />

Anlagenbetrieb forciert.<br />

Aus diesem Grund ist die Komplexität<br />

von Werkzeugmaschinen und Produktionsanlagen<br />

ständig dabei, sich weiterzuentwickeln.<br />

Potenziell w<strong>eisen</strong> sie dadurch<br />

mehr Schwachstellen auf, wodurch es immer<br />

schwieriger wird, den Zustand einzelner<br />

Bauteile zu erfassen. Um dieses Problem<br />

zu bewältigen, stehen vielfach Wartungs-<br />

und Instandhaltungskonzepte im<br />

Fokus. Diese haben primär die Aufgabe,<br />

eine möglichst hohe technische Verfügbarkeit<br />

der Anlage zu gewährleisten. Eine besondere<br />

Bedeutung kommt dabei dem Konzept<br />

der vorausschauenden Wartung (Predictive<br />

Maintenance im Fachjargon) zu. Per<br />

Quellen: SMS group; Rittal/Thyssenkrupp<br />

16 August <strong>2020</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de


Definition bedient sich diese Technik an<br />

Mess- und Produktionsdaten von Maschinen<br />

und Anlagen, um damit Wartungsinformationen<br />

abzuleiten. Im Optimalfall<br />

lassen sich so proaktiv Störungen vorhersagen,<br />

bevor es zu tatsächlichen Auswirkungen<br />

oder Ausfällen an den Anlagen<br />

kommt. Die Unternehmensberatung Roland<br />

Berger hat das Konzept in seiner Analyse<br />

„Predictive Maintenance – From data<br />

collection to value creation“ in seine elementaren<br />

Bausteine untergliedert – und<br />

bietet damit einen Ansatz, die komplexe<br />

Anwendung zu entmystifizieren.<br />

Eine effiziente Auswertung von<br />

Sensordaten...<br />

Die Grundlage für Predictive Maintenance<br />

bildet die Sensortechnologie. Dessen Kernkompetenz<br />

liegt in der Fähigkeit, eine Vielzahl<br />

von Signalen schnell, präzise und zuverlässig<br />

zu erfassen. Laut Roland Berger<br />

sind viele Unternehmen damit beschäftigt,<br />

ihre weltweit installierte Basis mit Sensortechnologie<br />

nachzurüsten, um auf Daten<br />

zugreifen zu können, die sie bisher nicht<br />

erfassen konnten. „Vorhandene Daten<br />

brach liegen zu lassen, schadet langfristig<br />

jedem Unternehmen“, sagt Eric Ecker, Leiter<br />

Industry Analytics beim Technologieberater<br />

mayato, der eine Fallstudie zur<br />

automatisierten Auswertung von Sensordaten<br />

in der Stahlproduktion durchgeführt<br />

hat. Im Rahmen dessen ging es darum,<br />

sämtliche Sensordaten von mehreren<br />

Hochöfen und aus der Produktionsumgebung<br />

zu klassifizieren und in ein einheitliches<br />

Format zu überführen. In Gesprächen<br />

mit Fachverantwortlichen ermittelten<br />

die Berater daher die Aufgaben und die<br />

Relevanz der einzelnen Messwerte. Zudem<br />

ging es darum, ob und welche Umrechnungen<br />

erforderlich waren, welche Informationen<br />

ergänzt werden mussten und wo der<br />

Ursprung der Daten lag. Insbesondere dem<br />

letzten Punkt hat besondere Aufmerksamkeit<br />

gegolten: „Bei mehreren tausend Sensoren<br />

und den davon generierten Tabellen<br />

mit zum Teil mehreren hundert Spalten,<br />

muss man sehr genau wissen, welche Information<br />

gesucht wird“, betont Ecker.<br />

...bedarf einer angemessenen<br />

internen Struktur<br />

Grundsätzlich müssen sich Unternehmen<br />

bei einer solch komplexen Thematik die<br />

Frage stellen, ob sie auf die Dienste eines<br />

Dritten zurückgreifen oder die Technologie<br />

selbstständig betreiben wollen. Bei letzterem<br />

Fall ist es wenig überraschend, dass es<br />

einer hochtechnologischen Infrastruktur<br />

bedarf. Einerseits ist es dafür wichtig, firmeninternes<br />

Know-how aufzubauen. Der<br />

saarländische Stahlhersteller Dillinger zum<br />

Beispiel hat erst zu Beginn dieses Jahres<br />

bekanntgeben, für etwa 6,5 Millionen Euro<br />

ein neues Ausbildungszentrum zu bauen.<br />

Für die begonnene Transformation zum<br />

„grünen Stahl“ brauche es bestens ausgebildete<br />

Fachleute, teilte das Unternehmen<br />

mit. Daher solle die Einrichtung die Mitarbeiter<br />

vor allem für neue digitale Anforderungen<br />

in der Branche fit machen. Darunter<br />

fällt nach Angaben Dillingers auch<br />

der Bereich Instandhaltung.<br />

Auf der anderen Seite muss neben dem<br />

menschlichen Wissen eine entsprechende<br />

Informationstechnologie in den Fertigungshallen<br />

gegeben sein. Das sogenannte „Edge<br />

Computing“ bietet hierfür einen geeigneten<br />

Ansatz. Entsprechende Systeme erfassen<br />

die Daten an ihrem Ursprungsort, bereiten<br />

sie auf, analysieren sie und lösen<br />

Aktionen in Echtzeit aus. Predictive Maintenance<br />

ist für solche Vorgänge ein möglicher<br />

Anwendungsfall. Wie das Edge Computing<br />

in die betriebliche Praxis implementiert<br />

werden kann, hat etwa Thyssenkrupp<br />

Steel an seinen Produktionsstandorten gezeigt.<br />

Bei der Stahlsparte des Industriekon-<br />

In den Data Center Containern<br />

bei Thyssenkrupp Steel findet<br />

sich die gesamte physikalische<br />

IT-Infrastruktur vom Rack über Server<br />

und Klimatisierung bis hin zu<br />

Stromversorgung und effektiver<br />

Brandlöschanlage.<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de August <strong>2020</strong> 17


POLITIK<br />

MÄRKTE<br />

Unternehmen<br />

Die DEW führt Schrotte<br />

direkt vom Kunden in den<br />

Schrottkreislauf zurück.<br />

Praktische Ansätze zur<br />

klimaneutralen Erzeugung<br />

Die Deutschen Edel<strong>stahl</strong>werke setzen auf verschiedene<br />

nachhaltige Maßnahmen für „grünen Stahl“<br />

DARUM GEHT’S: Kein Werkstoff ist so<br />

nachhaltig wie Stahl. Auch deswegen gehört<br />

das Thema „Green Steel“ in der laufenden<br />

Dekade zu den Fokusthemen der<br />

Branche. Allerdings schauen Politik und<br />

Publikumsmedien vor allem auf die ganz<br />

großen Erzeuger, wenn es um Maßnahmen<br />

zur Klimaneutralität geht. Doch<br />

auch bei den Unternehmen dahinter<br />

sind jede Menge Kompetenzen und technische<br />

Möglichkeiten ebenso vorhanden<br />

wie relevant. Dieser Beitrag skizziert die<br />

Lage bei den Deutschen Edel<strong>stahl</strong>werke<br />

(DEW), die sich als einen der „Vorreiter<br />

in der Herstellung von grünem Stahl“<br />

verstehen.<br />

wird, sondern auch, dass das Endprodukt<br />

unserer Kunden selbst einen deutlich geringeren<br />

ökologischen Fußabdruck hinterlässt“,<br />

ergänzt er. Um dies zu erreichen,<br />

setzt das Unternehmen auf verschiedene<br />

Verfahren bzw. Konzepte.<br />

Schrotte und Schrottkonzepte<br />

Die Produktion von „Green Steel“ beginnt<br />

dabei mit der Auswahl der zu verwendenden<br />

Stahlschrotte als Basis für die Stahlherstellung.<br />

Da die DEW zu diesem Zweck überwiegend<br />

Schrotte einsetzt, führt eine enge<br />

Kundenzusammenarbeit zu individuellen<br />

Konzepten, so werden Schrotte direkt vom<br />

Kunden in den Schrottkreislauf zurückgeführt.<br />

Darüber hinaus stellen die DEW zusammen<br />

mit ihrer Rohstoffgesellschaft dhi<br />

ihr Konzept permanent auf den Prüfstand.<br />

Es basiert auf einem intensiven Austausch<br />

zwischen den Stahlwerken und der Rohstoffgesellschaft<br />

mit dem Ziel, den Schrotteinsatz<br />

für die Stahlwerke zu optimieren.<br />

Über 100 Schrottgruppen führen zu einer<br />

ressourcenschonenden Zuführung von Legierungsmitteln<br />

in die Stahlschmelzen. Weitere<br />

Verbesserungen wurden mittels Stückelung<br />

und anhand der „Sauberkeit“ des<br />

Schrotts erzielt: Über beide Parameter wurde<br />

der Energiebedarf im Stahlwerk für eine<br />

Stahl nachhaltig zu produzieren und<br />

den CO 2<br />

-Fußabdruck deutlich zu reduzieren<br />

lautet ein Ziel der DEW,<br />

eine Gesellschaft der Schweizer Unternehmensgruppe<br />

Schmolz + Bickenbach. Damit<br />

wollen sie ihren Anteil zu der Frage leisten,<br />

wie „grüne“ Lang<strong>stahl</strong>produkte zur Kreislaufwirtschaft<br />

und zur Ressourceneffizienz<br />

beitragen. Grundlegend dabei ist die Nutzung<br />

erneuerbarer Energien wie beispielsweise<br />

Ökostrom. So ist es den DEW nach<br />

eigenen Angaben möglich, die Tonne Roh<strong>stahl</strong><br />

unter Verwendung von 100 % rein<br />

erneuerbarer elektrischer Energie mit 107<br />

kg CO 2<br />

-Ausstoß zu fertigen – der weltweite<br />

Durchschnitt des CO 2<br />

-Ausstoßes bei einer<br />

Tonne Stahl pendelt je nach Quelle um 1,7<br />

bzw. 1,8 Tonnen. „Bei den Deutschen Edel<strong>stahl</strong>werken<br />

arbeiten wir seit Jahren an der<br />

Reduzierung unserer CO 2<br />

-Emissionen“, erklärt<br />

Max Heumann, Leiter Anlagentechnik.<br />

„Im Endeffekt erreichen wir, dass unsere<br />

Produktion nicht nur nachhaltiger<br />

Kosteneffizienz und Flexibilität vereinen<br />

Prozesssicher, verzugsfrei und mit geringer Bearbeitungszugabe<br />

Bei „Bainidur“ sparen Kunden eine erneute Wärmebehandlung. Mit einer Erhöhung<br />

der Bauteilfestigkeit können sowohl Bauteilgröße als auch Gewicht reduziert werden.<br />

26 August <strong>2020</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de


Stahlschmelze gesenkt. Weitere CO 2<br />

-Einsparungen<br />

werden durch einen nationalen Bezug<br />

von Schrotten erzielt. Über ein in<br />

Deutschland verfügbares flächendeckendes<br />

Schrottsammelsystem werden lange Anfahrtswege<br />

vermieden, was zusätzlich zur<br />

Vermeidung von CO 2<br />

-Emissionen beim<br />

Transport der Einsatzstoffe für die Stahlerzeugung<br />

beiträgt.<br />

Elektrolichtbogenofen<br />

mit Ökostrom<br />

Für die Produktion von Green Steel gilt das<br />

Elektro<strong>stahl</strong>verfahren aufgrund seiner geringen<br />

CO 2<br />

-Emissionen als Vorreiter. Hier<br />

zeigen sich die DEW seit Jahrzehnten sehr<br />

gut aufgestellt, denn in den Stahlwerken<br />

in Witten und Siegen kommen ausschließlich<br />

Elektrolichtbogenöfen zum Einsatz. Im<br />

Jahr 2018 emittierten die DEW bei der Herstellung<br />

einer Tonne Roh<strong>stahl</strong> 429 kg CO 2<br />

.<br />

Dieser Wert basiert auf der durchschnittlichen<br />

Erzeugung aller Werkstoffe der<br />

DEW. Damit lag die Gesellschaft um gut 77 %<br />

unter dem weltweiten 2018er-Durchschnitt<br />

aller Stahlproduzenten (Hochofenroute<br />

und Elektro<strong>stahl</strong>werke) von 1 850 kg CO 2<br />

je<br />

Tonne Roh<strong>stahl</strong>. In diesem Zusammenhang<br />

will die Gesellschaft künftig den Einsatz<br />

von Ökostrom forcieren, um die CO 2<br />

-Emissionen<br />

für die Herstellung sämtlicher Stahllösungen<br />

noch weiter zu senken, um auf<br />

107 kg CO 2<br />

-Emmissionen pro Tonne Roh<strong>stahl</strong><br />

zu kommen.<br />

Special Steel Solutions<br />

zur CO 2<br />

-Reduktion<br />

Zu den erfolgreichsten hauseigenen Stahlentwicklungen<br />

zählen die Deutschen Edel<strong>stahl</strong>werke<br />

die „Bainidur“-Stähle, die aus<br />

Unternehmenssicht Kosteneffizienz und<br />

Flexibilität vereinen. Hochfeste und duktile<br />

Komponenten für den Automobilleichtbau<br />

beispielsweise sollen sich so „prozesssicher,<br />

verzugsfrei und im Ergebnis mit geringer<br />

CO 2 -Einsparung dank Ökostrom<br />

94 % weniger im weltweiten Vergleich<br />

Mit dem „Green Steel“-Konzept leistet DEW einen spürbaren Beitrag<br />

zur CO 2<br />

-Reduktion.<br />

Bearbeitungszugabe“ fertigen lassen, heißt<br />

es seitens DEW. Dadurch sei der bainitische<br />

Werkstoff eine „zukunftsw<strong>eisen</strong>de Alternative<br />

zu herkömmlich eingesetzten Stahllösungen“.<br />

Aus Abnehmersicht sei ein weiterer<br />

Vorteil, dass der Stahl Kunden helfe,<br />

CO 2<br />

-Emissionen einzusparen: Grundlage sei<br />

das Prinzip, ohne zusätzliche Wärmebehandlung<br />

die Einstellung des bainitischen<br />

Gefüges direkt aus der Schmiedehitze vorzunehmen<br />

und damit Prozesskosten und<br />

damit in der Folge CO 2<br />

einzusparen.<br />

Teil der Initiative<br />

„Massiver Leichtbau“<br />

Die DEW ist Mitglied der Initiative „Massiver<br />

Leichtbau“, die es sich zum Ziel gesetzt<br />

hat, Gewicht beim PKW bzw. leichten Nutzkraftwagen<br />

einzusparen und so den Kraftstoffverbrauch<br />

zu senken. Auch dies hilft,<br />

den CO 2<br />

-Ausstoß zu verringern. In der ersten<br />

Phase wurde der Antriebsstrang mit<br />

399 kg Stahl ermittelt. Bei einem Faktor 2<br />

für den Einsatz von Roh<strong>stahl</strong> wäre eine<br />

Entlastung von ca. 260 kg CO 2<br />

je Antriebsstrang<br />

mit Green Steel möglich. In diesem<br />

Zusammenhang sollen die hochaluminiumlegierten<br />

Edelbaustähle „Aludur“ eine<br />

Rolle spielen. Im Vergleich zu herkömmlichen<br />

Stählen wie 42CrMo4 führe der hohe<br />

Aluminiumgehalt zu einer Reduktion des<br />

spezifischen Gewichts um ca. 13 %, was im<br />

Automobil durch die deutliche Gewichtseinsparung<br />

zu weiteren Reduzierungen von<br />

CO 2<br />

-Emissionen beitrage.<br />

Hauseigene<br />

Energieeffizienzinitiative<br />

Im Jahr 2009 haben die Deutschen Edel<strong>stahl</strong>werke<br />

zudem ein spezielles Programm<br />

zur Energieeffizienz ins Leben gerufen.<br />

Es beinhaltet mehr als 75 Projekte<br />

wie beispielsweise Maßnahmen zur Abwärmenutzung,<br />

effizientere Bereitstellung<br />

von Druckluft, Maßnahmen im Bereich<br />

der Beleuchtung und<br />

Hallenbeheizung, Verbesserung im Bereich<br />

Steuerung/Regelung an diversen Anlagen.<br />

So konnte der Energieverbrauch<br />

im Unternehmen in den letzten Jahren<br />

um fast 100 Mio. KWh pro Jahr und dadurch<br />

der CO 2<br />

-Ausstoß um rund 30 000<br />

Tonnen pro Jahr gesenkt werden. An der<br />

Verbesserung dieser Energieeffizienz wird<br />

fortlaufend weitergearbeitet. Darüber hinaus<br />

wurde ein Energiemanagementsystem<br />

nach DIN ISO 50001 eingeführt.<br />

Die DEW setzt an ihren beiden Standorten Witten und Siegen ausschließlich auf<br />

Elektrolichtbogenöfen.<br />

tp/DEW<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de August <strong>2020</strong> 27


POLITIK<br />

MÄRKTE<br />

Unternehmen<br />

Hochwertige Metalllegierungen<br />

aus Schrott gewinnen<br />

Mit der Expertise von drei Industriepartnern hat JC Ecomet eine Lösung entwickelt,<br />

die das Unternehmen selbst als bahnbrechend einstuft<br />

DARUM GEHT’S: Mit einer „disruptiven Lösung“<br />

will JC Ecomet hochwertige Metalllegierungen<br />

energieeffizient aus Metallschrott<br />

gewinnen. Das reduziert auch erheblich<br />

die üblichen Umweltbelastungen.<br />

Die Umweltbelastungen im gesamten<br />

Herstellungsprozess – vom Bergbau<br />

bis zur Gießerei – sind dem Team<br />

des Greentech-Unternehmens JC Ecomet<br />

der vielzitierte Dorn im Auge. Auch die<br />

„völlig neuen Herausforderungen“ der<br />

Kreislaufwirtschaft (Circular Economy),<br />

wenn es um Recycling von metallhaltigen<br />

Produkten geht, haben die Spezialisten im<br />

Blick. „Unmengen an Metallquellen werden<br />

global und in unserer Gesellschaft nicht<br />

wiederverwendet, ob nun in moderner<br />

Form von Kaffee-Kapseln, Smartphones<br />

und Solarmodulen oder klassisch aus der<br />

Kfz- und Schiffsindustrie“, gibt Giorgio Karhausen<br />

zu Protokoll. Er ist Mitgründer und<br />

als einer der beiden CEO von JC Ecomet für<br />

Projektentwicklung und Finanzintegration<br />

verantwortlich. „Durch unsere disruptive<br />

Lösung gelingt es, höchst energieeffizient,<br />

umweltschonend und profitabel Metalle<br />

und insbesondere anspruchsvolle, wertvolle<br />

Metalllegierungen aus jeglichem Metallschrott<br />

herzustellen“, ergänzt er.<br />

Einsatz spezieller Plasmaöfen<br />

Das Jungunternehmen will „aus<br />

jeglichem Metallschrott“ sowohl<br />

energieeffizient und umweltschonend<br />

als auch profitabel Metalle<br />

und Metalllegierungen herstellen.<br />

Hinter der Lösung stecken patentierte<br />

Verfahren und Technologien. „Eingesetzt<br />

werden spezielle Plasmaöfen, die durch<br />

sehr hohe Temperaturen von über 4 000<br />

Grad Celsius Metalllegierungen selbst aus<br />

Oxiden und Metallstaub in einem einzigen<br />

Schmelzvorgang produzieren. Das<br />

sind oft umweltschädliche Komponenten,<br />

deren Entsorgung und Recycling aufwendig<br />

und teuer sind, aber auch gleichzeitig<br />

die Grundstoffe für die Herstellung neuer<br />

Materialien“, beschreibt Karhausen. Man<br />

habe „ein System geschaffen, Ressourceneinsatz,<br />

Abfallproduktion, Emissionen<br />

und Energieverschwendung bei der Metallproduktion<br />

weitgehend zu reduzieren“,<br />

so Peter Jäderberg, zweiter CEO und<br />

verantwortlich für Finanzen und Investitionen.<br />

Konkret soll der CO 2<br />

-Ausstoß „um<br />

bis zu 98 Prozent im Vergleich zu traditionellen<br />

Produktionsverfahren“ gesenkt<br />

werden, heißt es bei JC Ecomet. Zugleich<br />

werde der Energieverbrauch um bis zu 95<br />

Prozent gesenkt, und es soll „überhaupt<br />

kein Wasser“ verbraucht werden. „Das ist<br />

zwar nicht perfekt klimaneutral, aber<br />

wenn beispielsweise bei der Produktion<br />

von einer Tonne Stahl herkömmlich etwa<br />

drei Tonnen an CO 2<br />

emittiert werden,<br />

sind es bei JC Ecomet etwa 60 Kilogramm“,<br />

so Jäderberg. Aus diesem Grund<br />

Hintergrund<br />

JC Ecomet Group ist ein international<br />

agierendes Greentech-Unternehmen,<br />

in Deutschland mit Sitz in Hamburg. Es<br />

entstand als Joint Venture von operativ<br />

tätigen Unternehmen aus Finnland<br />

(Gempit, Arctic Pool) und Luxemburg<br />

(GBS World) sowie einem Investor aus<br />

Deutschland (Jäderberg). Nach eigenen<br />

Angaben sind die Partner in ihren jeweiligen<br />

Bereichen Metallverarbeitung,<br />

Energiegewinnung und Investment<br />

„seit langem auf Nachhaltigkeit und<br />

verantwortungsbewusstes Wirtschaften“<br />

konzentriert.<br />

leitet sich der Firmenname auch von<br />

„ecological metal production“ ab.<br />

Start in Finnland...<br />

Die erste produzierende JC Ecomet befindet<br />

sich in der finnischen Hafenstadt Kotka. Das<br />

skandinavische Land gilt als globaler Vorreiter<br />

in Sachen Circular Economy und hat<br />

2016 als erste Nation weltweit eine National<br />

Road Map zu diesem Thema festgelegt. Diesen<br />

Schätzungen zufolge könnte die Kreislaufwirtschaft<br />

bis 2030 einen jährlichen<br />

Mehrwert von mindestens 3 Mrd. Euro für<br />

die finnische Wirtschaft erbringen. „Finnland<br />

ist daher der richtige Standort für den<br />

operativen Start unseres Circular Economy-<br />

Projekts“, unterstreicht Jäderberg.<br />

...weitere Länder im Blick<br />

Da das Unternehmen im Sinne der Kreislaufwirtschaft<br />

günstigen, möglichst lokal erhältlichen<br />

Metallschrott für die Produktion nutzen<br />

will, werden weitere Standorte in Europa,<br />

den USA und Australien vorbereitet. Die Finanzierung<br />

soll über spezielle, kapitalmarktunabhängige<br />

Beteiligungsvehikel durch professionelle<br />

Investoren erfolgen.<br />

tp/JC Ecomet<br />

Quelle: Larina Marina/Shutterstock<br />

32 August <strong>2020</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de


POLITIK<br />

MÄRKTE<br />

Fördermaßnahmen<br />

Die modernisierte Produktionslinie ermöglicht eine hohe<br />

Prozessenergieeinsparung und führte zu besseren Abgaswerten.<br />

Fördermittel für Klimaschonung<br />

Um eine Altanlage zeitgemäß zu modernisieren, erhielt Stahlwerk Unna Unterstützung<br />

von der KfW und der Effizienz-Agentur NRW<br />

Quelle: Stahlwerk Unna<br />

DARUM GEHT’S: Statt eine Neuinvestition<br />

zu tätigen hat das Stahlwerk Unna vor<br />

Kurzem seinen alten Härteofen modernisiert.<br />

Dank innovativer Technik ist es dem<br />

Unternehmen so gelungen, den CO 2<br />

- und<br />

Stickoxid-Ausstoß zu senken. Unterstützt<br />

wurde die Maßnahme mit Fördermitteln.<br />

In seinem Härteofen hat das Stahlwerk<br />

Unna bis 2019 mit Erdgas betriebene<br />

Brenner eingesetzt. Das Ergebnis: eine<br />

maximale Ofentemperatur von 1 050 °C.<br />

Die dabei freigesetzten Ofenabgase wurden<br />

ungenutzt über den Kamin abgeführt. „Im<br />

Zuge der Mondernisierung der bestehenden<br />

Produktion entschieden wir uns gegen einen<br />

Neubau des Härteofens und setzten auf<br />

eine nachhaltige Modernisierung der bestehenden<br />

Anlage“, erklärt Christian Köhler,<br />

Geschäftsführer des Unternehmens.<br />

Mischeinheit aus dem 3D-Drucker<br />

Dafür hat das Stahlwerk Unna die vorhandenen<br />

zehn Gasbrenner mit neu konstruierten<br />

und speziell auf die Leistungsanforderung<br />

ausgelegten Mischeinheiten ausgerüstet.<br />

Das Unternehmen setzte dabei die<br />

im 3D-Druck hergestellte Mischeinheit für<br />

Gasbrenner von Kueppers Solutions ein.<br />

Diese konnten ohne Luftüberschuss im<br />

Regelbereich betrieben werden und ermöglichten<br />

es, den Stickoxidausstoß signifikant<br />

zu senken – auf unter 100 mg/Nm³ (bezogen<br />

auf 3 % O 2<br />

im Abgas). Durch die nahstöchiometrische<br />

Verbrennung sinkt auch<br />

der Erdgasverbrauch um 7 %.<br />

Um zusätzlich die bisher nicht genutzte<br />

Abwärme des Härteofens zu nutzen, installierte<br />

das Unternehmen einen zentralen<br />

Wärmetauscher (Rekuperator). Die im Ofen<br />

entstehenden Abgase werden heute direkt<br />

unter dem Ofen in einen Abgaskanal abgeleitet<br />

und durch den Wärmetauscher geführt.<br />

Dadurch kann die Brennluft mithilfe<br />

der bisher über den Abgaskamin abgeführten<br />

Wärme auf 600 °C vorgewärmt werden.<br />

Reduzierter CO 2<br />

-Ausstoß<br />

und KfW-Förderung<br />

Durch die Umsetzung der Maßnahmen<br />

konnte das Stahlwerk Unna nach eigenen<br />

Angaben eine Prozessenergieersparnis von<br />

etwa 800 000 kWh pro Jahr sowie eine Reduzierung<br />

des CO 2<br />

-Ausstoßes um jährlich<br />

rund 160 Tonnen realisieren.<br />

Das Stahlwerk Unna nutzte im Vorfeld<br />

der Umsetzung die Finanzierungsberatung<br />

der Effizienzagentur NRW. Mit deren Unterstützung<br />

habe das Unternehmen einen<br />

Antrag im KfW-Energieeffizienzprogramm<br />

Abwärme (494) eingereicht. Vor allem<br />

durch die Unterstützung der Agentur auf<br />

dem Weg zur Förderung hätte man das<br />

Projekt „so schnell und erfolgreich umsetzen<br />

können“, ist Geschäftsführer Christian<br />

Köhler überzeugt. Ziemlich genau 40 % der<br />

gesamten Maßnahme wurden durch eine<br />

Zuwendung der öffentlichen Hand bestritten.<br />

Der Projektabschluss des Vorhabens<br />

erfolgte im November 2019.<br />

tp/Effizienz-Agentur NRW<br />

Hintergrund<br />

Die Effizienz-Agentur NRW (EFA)<br />

wurde 1998 gegründet, um mittelständischen<br />

Unternehmen in NRW<br />

Impulse für ein ressourceneffizientes<br />

Wirtschaften zu geben. Das Leistungsangebot<br />

umfasst die Ressourceneffizienz-<br />

und Finanzierungsberatung<br />

sowie Veranstaltungen und Schulungen.<br />

Stahlwerk Unna ist ein Hersteller<br />

für gezogene und gehärtete Qualitätsund<br />

Edelstähle. Das Unternehmen<br />

fertigt ca. 17 000 t Stab<strong>stahl</strong> und<br />

Band<strong>stahl</strong> pro Jahr.<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de August <strong>2020</strong> 33


POLITIK<br />

MÄRKTE<br />

Länder<br />

Anlagen<br />

CHINA<br />

Minmetals Yingkou:<br />

Automatisierung des<br />

Grobblechwalzwerks<br />

Primetals Technologies erhielt<br />

von Minmetals Yingkou Medium<br />

Plate das Endabnahmezertifikat<br />

über die Automatisierungssysteme<br />

und Dienstleistungen<br />

für ein 3 800-mm-<br />

Grobblechwalzwerk. Im Rahmen<br />

des Projekts errichtete<br />

Minmetals Yingkou ein zweigerüstiges<br />

Grobblechwalzwerk,<br />

das jährlich 1,5 Mio.<br />

Tonnen Stahlblech in Dicken<br />

von 6 bis 100 mm und Breiten<br />

zwsichen 1 400 und 3 600 mm<br />

produzieren kann. Die gesamte<br />

Linie setzt sich aus einem<br />

Nachwärmofen, einer Warmrichtmaschine,<br />

einem Kühlbett,<br />

einer Schopfschere, einer<br />

Doppelbesäumschere, einer<br />

Trennschere, Schleifgerüsten,<br />

einer Kaltrichtmaschine und<br />

Produktsammeltischen zusammen.<br />

Der Lieferumfang von<br />

Primetals erstreckte sich auf<br />

die zugehörige Ausrüstung für<br />

Elektrotechnik und Automatisierung.<br />

Das Unternehmen lieferte<br />

dazu die AGC-Technik sowie<br />

die zur Profilregelung erforderlichen<br />

Walzenbiege- und<br />

Walzenverschiebesysteme.<br />

3 800-mm-Grobblechwalzwerk<br />

von Minmetals Yingkou<br />

in China<br />

ITALIEN<br />

Acciaierie Valbruna<br />

lässt AOD-Konverter<br />

modernisieren<br />

Primetals Technologies hat<br />

von Acciaierie Valbruna ein<br />

AOD-Konverter von Valbruna in Italien: Primetals Technologies<br />

erneuerte unter anderem den Tragring und Kippantrieb der<br />

Anlage<br />

Endabnahmezertifikat für die<br />

mechanische und elektrische<br />

Modernisierung des AOD-Konverters<br />

am Produktionsstandort<br />

in Bozen erhalten. Einer<br />

der Hauptgründe für die Modernisierung<br />

war die Erneuerung<br />

des Tragrings und des<br />

Kippantriebs des Konverters<br />

einschließlich einer neuen<br />

Schrumpfverbindung. Des<br />

Weiteren installierte Primetals<br />

ein neues Prozessoptimierungssystem<br />

(Level 2) und das<br />

Prozessleitsystem (Level 1), um<br />

den Austausch der mechanischen<br />

und elektrischen Teile<br />

für den Tragring und den<br />

Kippantrieb abzuschließen.<br />

Das neue Level-2-System ermöglicht<br />

die Kopplung und Integration<br />

des AOD-Frischprozesses<br />

mit dem vorgeschalteten<br />

Stahlwerk und dem<br />

nachgeschalteten Pfannenofen<br />

sowie der Stranggussanlage.<br />

Mit dem System können außerdem<br />

sämtliche Prozessdaten<br />

archiviert, gefiltert und<br />

analysiert werden.<br />

JAPAN<br />

Tokyo Steel will<br />

Durchlaufbeizlinie<br />

modernisieren<br />

Tokyo Steel hat Primetals<br />

Technologies damit beauftragt,<br />

eine Durchlaufbeizlinie für<br />

Warmband in der Produktionsstätte<br />

im japanischen Kurashiki<br />

auf den neuesten Stand zu<br />

bringen. Im Rahmen des Projekts<br />

werden ein Streckrichter<br />

als Zunderbrecher und ein<br />

iBox-Beiztank mit regelbarer<br />

Säurekonzentration in die Produktionsanlagen<br />

integriert. So<br />

will Tokyo Steel die Produktivität<br />

bei Materialien mit schwieriger<br />

Entzunderung steigern<br />

und gleichzeitig den Energieund<br />

Säureverbrauch senken.<br />

Da die Nachfrage nach hochwertigem<br />

Elektro<strong>stahl</strong> wegen<br />

der geringeren Umweltauswirkung<br />

der Elektro<strong>stahl</strong>route zunimmt,<br />

stellt die Erhöhung des<br />

Beizwirkungsgrads einen wichtigen<br />

Aspekt der Produktionssteigerung<br />

dar. Der Streckrichter<br />

als Zunderbrecher verbessert<br />

die Verarbeitung von<br />

Materialien mit schwieriger<br />

Entzunderung in Kombination<br />

mit dem iBox-Beiztank (Immersion<br />

Box), der einen bestehenden<br />

Umlauf-Flachbeiztank<br />

ersetzt. Die Partner gehen davon<br />

aus, die Modernisierung<br />

im Oktober 2021 abzuschließen.<br />

KANADA<br />

Tenova: ArcelorMittal<br />

Defasco im<br />

Forschungsinteresse<br />

Tenova Goodfellow beteiligt<br />

sich an einem Forschungsprojekt<br />

bei Arcelor-Mittal Defasco.<br />

Das Projekt konzentriert sich<br />

auf die sekundärmetallurgische<br />

Anlage des kanadischen<br />

Stahlherstellers, die einen<br />

Pfannenofen, Entgasungstank<br />

sowie deren Hilfsaggregate<br />

und Transferwagen umfasst.<br />

Ziel ist es, zu demonstrieren,<br />

wie Digitalisierungstechnologien<br />

die Produktion verbessern<br />

können. Grundsätzlich fokussieren<br />

die Unternehmen dabei<br />

die Minimierung manueller<br />

Eingriffe und die Verringerung<br />

der Prozessvariation. Auch die<br />

endgültigen Stahleigenschaften<br />

sollen im Rahmen der Kooperation<br />

verbessert werden.<br />

Unter anderem will Tenova zu<br />

diesem Zweck ein Sensornetzwerk<br />

entwickeln, das in der<br />

Lage ist, kritische Prozessmessungen<br />

in Echtzeit durchzuführen.<br />

Das Projekt ist auf drei<br />

Jahre angelegt und wird von<br />

der kanadischen Industrieorganisation<br />

NGen finanziert.<br />

RUSSLAND<br />

PAO Severstal walzt<br />

erstes Band auf neuer<br />

Tandemstraße<br />

Auf der von der SMS group<br />

modernisierten Kalt-Tandemstraße<br />

TCM 2100 hat der Stahlhersteller<br />

PAO Severstal in<br />

Tscherepowez, Nordwestrussland,<br />

das erste Band gewalzt.<br />

Zuvor wurde die Anlage von<br />

der SMS group modernisiert.<br />

Nachdem der Anlagenbauer<br />

bereits 2016 den Einlaufbereich,<br />

die Walzgerüste und die<br />

Automatisierung der TCM<br />

2100 komplett modernisiert<br />

hatte (Phase 1), konzentrierten<br />

sich die aktuellen Maßnahmen<br />

auf den Auslaufbereich und<br />

die Gerüstantriebe. Phase 2<br />

umfasste die Lieferung eines<br />

Aufwickelhaspels inklusive<br />

Antriebsmotor, Ersatz des<br />

Ward-Leonard-Umrichters<br />

durch einen Wechselstrom-<br />

Umrichter mit aktiver Rückspeisung,<br />

einer Offline-Bandinspektionsstation<br />

des Typs Rotary<br />

Inspect sowie zweier<br />

Bundwagen. Die Installationen<br />

erforderten auch die Anpassung<br />

der Hydraulikeinrichtungen<br />

in Form neuer Hydraulikventilstände<br />

für die Bundwagen<br />

und die<br />

Inspektionsstation. Ebenso<br />

wurde das X-Pact-Automationssystem<br />

entsprechend erweitert.<br />

Projektphase 3 wurde<br />

zeitlich parallel zu Phase 2 initiiert<br />

und durchgeführt. Die<br />

Hauptantriebsmotoren der<br />

Walzgerüste 2 bis 4 der Tandemstraße<br />

wurden inklusive<br />

der Umrichter komplett erneuert.<br />

Neben den Hauptantriebsmotoren<br />

wurden auch die me-<br />

Quellen: Primetals Technologies; SMS group; Voestalpine<br />

36 August <strong>2020</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de


Die neuen<br />

Hauptantriebe der<br />

Walzgerüste als Teil der<br />

modernisierten Kalt-Tandemstraße<br />

bei PAO Severstal in Tscherepowez<br />

chanischen Gerüstantriebe, die<br />

Stirnrad-Kammwalzengetriebe,<br />

Motorkupplungen und Antriebsspindeln<br />

umfassen, installiert.<br />

SCHWEDEN<br />

SSAB erhält neue<br />

Längsteilanlage für<br />

UHHS Stahl<br />

Fagor Arraste, ein Unternehmen<br />

für die Konstruktion und<br />

den Bau von Umform- und<br />

Schneidanlagen, liefert eine<br />

vollautomatisierte Längsteilanlage<br />

für hochfesten UHSS Stahl<br />

an den schwedischen Stahlkonzern<br />

SSAB. Bei einer Geschwindigkeit<br />

von 150 m/min.<br />

verarbeitet die Anlage höher<br />

feste Stähle mit hoher Streckgrenze<br />

(1.500 N/mm 2 ) und einer<br />

Materialstärke von bis zu<br />

6 mm bei Coilbreiten von<br />

1 550 mm. Sowohl der Wechsel<br />

der Schneidwerkzeuge als<br />

auch die Positionierung der Separierscheiben<br />

erfolgt automatisch.<br />

So lassen sich die Rüstzeiten<br />

verkürzen und manuelles<br />

Eingreifen reduzieren.<br />

SPANIEN<br />

Stranggießanlage bei<br />

Arcelor Mittal Asturias<br />

wieder in Betrieb<br />

Bei Arcelor Mittal Asturias,<br />

Avilés, Spanien hat die SMS<br />

group eine Zweistrang-Brammengießanlage<br />

nach Modernisierungsmaßnahmen<br />

wieder<br />

in Betrieb genommen. Die Anlage<br />

wurde von der Bogenkokille<br />

bis zum Auslaufbereich<br />

komplett neu aufgebaut und<br />

die metallurgische Länge von<br />

33,2 auf 36,7 m vergrößert. Die<br />

maximale Gießgeschwindigkeit<br />

erreicht nunmehr 1,60 m/<br />

min. Zudem wurden die Kühlkreisläufe<br />

für Kokille, Maschine<br />

und Spritzkühlung komplett<br />

erneuert sowie die Hydraulik<br />

angepasst und<br />

erweitert. Durch den Umbau<br />

kann die Anlage fortan Brammen<br />

mit Dicken von 235, 300<br />

und 365 mm sowie Breiten<br />

von 800 bis 2 000 mm herstellen.<br />

Ausgelegt ist sie für eine<br />

jährliche Produktion von bis<br />

zu 2,9 Mio. t Stahlbrammen.<br />

Für die Prozessoptimierung<br />

hat die SMS group die Anlage<br />

darüber hinaus mit diversen<br />

Systemen aus dem Bereich der<br />

X-Pact-Elektrik und Automation<br />

ausgerüstet.<br />

THAILAND<br />

Modernisierter Elektrolichtbogenofen<br />

bei Siam<br />

Construction Steel<br />

Die Tata-Steel-Tochter Siam<br />

Construction Steel hat einen<br />

von der SMS group modernisierten<br />

80-Tonnen-Elektrolichtbogenofen<br />

(EAF) im Werk Rayong<br />

wieder in Betrieb genommen.<br />

Der Anlagenbauer<br />

lieferte zuvor eine Condoor<br />

Schlackentür und ein neues<br />

Elektrodenregelsystem. Ziel<br />

der Modernisierung war es, die<br />

Abdichtung des Ofens zu verbessern<br />

und so die Produktivität<br />

zu steigern. Weiterhin, so<br />

die SMS group, wird mit dem<br />

Einsatz der Schlackentür die<br />

Sicherheit für das Bedienpersonal<br />

erhöht, da direktes Arbeiten<br />

in dieser Umgebung vermieden<br />

werden kann. Das<br />

neue Elektrodenregelsystem<br />

ist in der Lage, die Kohlenstoffinjektion<br />

automatisch zu steuern<br />

und verbraucht weniger<br />

Energie bei reduziertem Energieverbrauch.<br />

Letzter konnte<br />

nach Angaben der SMS group<br />

um 2,5 % gesenkt werden.<br />

USA<br />

Stupp Corporation erhält<br />

weitere Anlage für Rohrproduktion<br />

Stupp Corporation hat die SMS<br />

group mit der Erweiterung des<br />

Spiralrohrwerks in Baton<br />

Rouge, Louisiana, beauftragt.<br />

In dem Projekt soll der Anlagenbauer<br />

zum einen die Spiralrohrmaschine<br />

modernisieren,<br />

um die Kapazität der Rohrproduktion<br />

zu erhöhen. Zum anderen<br />

setzt sich der Auftrag<br />

aus einem neuen Unterpulver<br />

(UP)-Nachschweißstand zusammen,<br />

der die bereits existierenden<br />

drei Schweißstände ergänzen<br />

soll. Die Spiralrohranlage<br />

erhält eine neue Haspelstation,<br />

die höhere Bandabzugsgeschwindigkeiten<br />

zulässt. Außerdem<br />

ist sie mit einem programmierbaren<br />

Bremssystem<br />

ausgerüstet. Dadurch, so die<br />

SMS group, kann das Band<br />

zwischen Haspelstation und<br />

Hauptantrieb auf Spannung<br />

gehalten werden, sodass sich<br />

das Coilband nicht unkontrolliert<br />

abwickeln kann. Für die<br />

Nachschweißstände hat sich<br />

die Stupp Corporation für ein<br />

Antriebssystem mit Schrägrollgang<br />

entschieden. Ein Hauptvorteil<br />

dessen besteht nach Angaben<br />

der SMS group darin,<br />

dass sich die Rohre auf dem<br />

Schrägrollgang wesentlich<br />

gleichmäßiger bewegen.<br />

HBI-Werk in Texas: Voestalpine<br />

setzt auf Aumund<br />

Vor vier Jahren nahm Voestalpine<br />

in Corpus Christi, Texas,<br />

das damals größte und modernste<br />

Werk für Hot Briquette<br />

Iron (HBI) in Betrieb. Das Unternehmen<br />

Aumund Fördertechnik<br />

lieferte dafür zwei<br />

Flachplattenbänder zur Kühlung,<br />

die nun modernisiert<br />

werden sollen. Das Verdampfungskühler-System<br />

ermöglicht<br />

nach Angaben Aumunds<br />

ein produktschonendes Kühlen<br />

von HBI im Anschluss an den<br />

Direktreduktions- und Brikettier-Prozess.<br />

Zu diesem Zweck<br />

besprühen die beiden Flachplattenbänder<br />

das zu fördernde<br />

HBI mit einem Wassernebel<br />

und kühlen es schonend von<br />

800 auf 100 °C herunter. Bei einer<br />

nominalen Förderleistung<br />

von 141 t/h beträgt die fördertechnische<br />

Durchsatzleistung<br />

dabei jeweils maximal 285 t/h.<br />

Der Achsabstand beläuft sich<br />

auf rund 72 m. Bei dem auf November<br />

avisierten Umbau steht<br />

die Optimierung des Bandbelag-Designs<br />

und eine verbesserte<br />

Abreinigung der Bandmatte<br />

im Vordergrund. So sollen die<br />

Kühlförderer auch zukünftig<br />

uneingeschränkt verfügbar<br />

sein. Die Wiederinbetriebnahme<br />

der Anlage ist bereits einen<br />

Monat später, im Dezember,<br />

vorgesehen.<br />

Voestalpines Werk für Hot Briquette Iron (HBI) in<br />

Corpus Christi, Texas<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de August <strong>2020</strong> 37


POLITIK<br />

MÄRKTE<br />

Roh<strong>stahl</strong>herstellung<br />

Roh<strong>stahl</strong>herstellung im Juni <strong>2020</strong><br />

Juni Juni % Veränd. 6 Monate Veränderung<br />

<strong>2020</strong> 2019 Juni 20/19 <strong>2020</strong> 2019 in %<br />

Belgien 580 e 634 -8,5 3560 4 005 -11,1<br />

Bulgarien 50 e 55 -9,4 3<strong>08</strong> 307 0,3<br />

Deutschland 2475 3405 -27,3 17 457 20717 -15,7<br />

Finnland 230 e 287 -19,8 1770 1937 -8,6<br />

Frankreich 836 1285 -34,9 5633 7676 -26,6<br />

Griechenland 95 e 126 -24,6 568 762 -25,5<br />

Großbritannien 507 606 -16,3 3458 3788 -8,7<br />

Italien 1810 2<strong>08</strong>0 -13,0 10 075 12 547 -19,7<br />

Kroatien 0 e 2 -100,0 0 50 -100,0<br />

Luxemburg 150 190 -21,0 907 1181 -23,2<br />

Niederlande 338 515 -34,3 3 057 3438 -11,1<br />

Österreich 510 e 632 -19,4 3337 3963 -15,8<br />

Polen 615 e 659 -6,7 4020 4 794 -16,1<br />

Schweden 333 362 -7,8 2358 2558 -7,8<br />

Slowenien 38 54 -28,9 289 331 -12,6<br />

Spanien 834 1 218 -31,5 5 495 7464 -26,4<br />

Tschechien 299 398 -25,0 2238 2448 -8,6<br />

Ungarn 145 122 18,9 834 936 -10,9<br />

Weitere EU-Länder (28) (e) 310 e 839 -63,1 2 914 5033 -42,1<br />

Europäische Union (28) 10 156 13 469 -24,6 68278 83934 -18,7<br />

Bosnien-Herzegowina 40 e 53 -25,0 265 421 -37,1<br />

Mazedonien 0 e 25 -100,0 74 133 -44,8<br />

Norwegen 57 58 -0,6 336 328 2,7<br />

Serbien 117 171 -31,5 743 1 033 -28,1<br />

Türkei 2799 2 689 4,1 16 290 16 986 -4,1<br />

Europa außer EU 3 014 2 996 0,6 17 7<strong>08</strong> 18 901 -6,3<br />

Kasachstan 235 e 334 -29,7 1660 1964 -15,5<br />

Moldawien 20 e 34 -41,9 142 180 -21,3<br />

Russland 5 600 e 6058 -7,6 35254 36289 -2,9<br />

Ukraine 1809 1659 9,0 10 104 10 930 -7,6<br />

Usbekistan 75 e 61 23,0 471 309 52,4<br />

Weißrussland 210 e 221 -4,8 1288 1320 -2,4<br />

C.I.S. (6) 7 949 8 367 -5,0 48919 50993 -4,1<br />

El Salvador 5 e 7 -32,7 40 48 -17,0<br />

Guatemala 10 e 24 -58,2 114 148 -22,7<br />

Kanada 750 e 1 <strong>08</strong>4 -30,8 5572 6572 -15,2<br />

Kuba 10 e 17 -39,9 86 105 -18,4<br />

Mexiko 1130 e 1439 -21,4 8157 9 693 -15,8<br />

USA 4 746 7244 -34,5 36198 44313 -18,3<br />

Nordamerika 6 651 9 814 -32,2 50167 6<strong>08</strong>78 -17,6<br />

Argentinien 241 412 -41,4 1471 2319 -36,6<br />

Brasilien 2100 e 2883 -27,1 14 241 17 324 -17,8<br />

Chile 90 e 96 -5,9 586 506 15,8<br />

Ecuador 20 e 50 -59,8 233 302 -22,9<br />

Kolombien 65 e 120 -45,9 475 673 -29,4<br />

Paraguay 1 e 2 -38,3 8 8 2,2<br />

Peru 40 e 109 -63,1 420 612 -31,4<br />

Uruguay 2 e 5 -57,8 22 28 -22,5<br />

Venezuela 2 e 5 -57,8 17 36 -52,1<br />

Südamerika 2561 3679 -30,4 17 472 21 8<strong>08</strong> -19,9<br />

Ägypten 600 e 603 -0,5 4118 4 097 0,5<br />

Libyen 45 e 54 -17,2 242 280 -13,7<br />

Südafrika 230 e 454 -49,3 1587 3133 -49,4<br />

Afrika 875 1112 -21,3 5 947 7511 -20,8<br />

Iran 2425 2 303 5,3 13 886 12 599 10,2<br />

Katar 80 231 -65,5 763 1289 -40,8<br />

Saudi Arabien 541 745 -27,5 3689 4214 -12,4<br />

Vereinigte Arabische Emirate 219 287 -23,8 1 354 1652 -18,0<br />

Mittlerer Osten 3 264 3 566 -8,5 19 692 19 754 -0,3<br />

China 91579 87671 4,5 499011 491959 1,4<br />

Indien 6 917 9387 -26,3 43127 56930 -24,2<br />

Japan 5598 8793 -36,3 42209 51 <strong>08</strong>6 -17,4<br />

Pakistan 195 e 300 -35,0 1442 1669 -13,6<br />

Südkorea 5097 5949 -14,3 32592 36022 -9,5<br />

Taiwan, China 1700 e 1809 -6,0 10 719 11 418 -6,1<br />

Thailand 290 e 400 -27,6 2049 2137 -4,1<br />

Vietnam 1 922 1 695 13,4 10 848 10 371 4,6<br />

Asien 113 297 116 004 -2,3 641997 661 592 -3,0<br />

Australien 470 476 -1,2 2 702 2719 -0,6<br />

Neuseeland 59 58 0,6 251 335 -25,0<br />

Ozeanien 528 534 -1,0 2953 3 054 -3,3<br />

Gesamt 64 Länder (1) 148 295 159 541 -7,0 873134 928 425 -6,0<br />

1)<br />

Die an worldsteel berichtenden Länder repräsentieren etwa 99 % der Weltroh<strong>stahl</strong>produktion 2018 in 1.000 t. e – geschätzt<br />

38 August <strong>2020</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de


WISSENSCHAFT<br />

TECHNIK<br />

Qualitätssicherung<br />

OPTIMALE<br />

OBERFLÄCHEN-<br />

QUALITÄT BEI<br />

HOCHWERTIGEN<br />

STAHLGÜTEN<br />

Dauerhafte Reduktion von Schalenbildung auf Stählen für automobile Außenhaut durch<br />

den Einsatz von Technologien der künstlichen Intelligenz<br />

Kaum eine Branche hat so hohe<br />

Anforderungen an seine Zulieferer wie die<br />

Automobilindustrie. Um die Oberflächenqualität<br />

hochwertiger Stahlgüten für die<br />

automobile Außenhaut künftig zu<br />

verbessern, hat das Unternehmen Smart<br />

Steel Technologies eine hochtechnologische<br />

Lösung für Stahlhersteller entwickelt.<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de August <strong>2020</strong> 39


WISSENSCHAFT<br />

TECHNIK<br />

Qualitätssicherung<br />

AUTOR: Dr. Falk-Florian Henrich,<br />

Gründer und Geschäftsführer,<br />

Smart Steel Technologies, Berlin<br />

DARUM GEHT‘S: In der Stahlindustrie<br />

wurde erstmals eine substanzielle<br />

Verbesserung der Oberflächenqualität<br />

von Stahlgüten für automobile Außenhaut<br />

erreicht. Im Mittelpunkt<br />

dessen stand eine präzise Prozesssteuerung<br />

mittels künstlicher Intelligenz<br />

(KI) und Technologien des maschinellen<br />

Lernens (ML). Dem Unternehmen<br />

Smart Steel Technologies (SST) ist es<br />

gelungen, nicht nur die Oberflächenqualität<br />

vorherzusagen, sondern für<br />

jede Gießsequenz, Schmelze und<br />

Bramme vollautomatisch optimale<br />

Gieß- und Schmelzeinstellungen zu<br />

berechnen.<br />

SST Centralized Coil Map<br />

Oberflächeninspektionsergebnisse werden positionsgenau<br />

aufeinander abgebildet<br />

Coil options<br />

Target<br />

Defect Classes<br />

Update plot<br />

Show Warnings<br />

time<br />

time<br />

01:13:43<br />

16:38:02<br />

Top at<br />

defect position in cross direction (mm)<br />

Bottom at<br />

defect position in cross direction (mm)<br />

Die Optimierung der Oberflächenqualität<br />

von Sorten mit extrem<br />

niedrigem Kohlenstoffgehalt<br />

und IF- Stahl ist eine zentrale Zielsetzung<br />

in der Flach<strong>stahl</strong>produktion. Die<br />

grundlegenden Ursachen für die Entstehung<br />

von Schalendefekten sind allgemein<br />

bekannt. Jeder Prozessschritt,<br />

vom Konverter bis hin zur Feuerverzinkung,<br />

wurde über Jahrzehnte hinweg<br />

kontinuierlich optimiert.<br />

Dennoch haben alle Flach<strong>stahl</strong>hersteller<br />

nach wie vor mit Abweichungen<br />

im Strangguss zu kämpfen, die zu Oberflächenfehlern<br />

bei Güten für automobile<br />

Außenhaut führen. Erst spät in der<br />

Prozesskette sichtbar werdende Oberflächenfehler<br />

führen aufgrund der aufwändigen<br />

Bearbeitungsschritte speziell<br />

bei qualitativ hochwertigen Tiefziehgüten<br />

zu teuren Abwertungen. Einige<br />

Stahlhersteller schreiben strenge Vorschriften<br />

für die Reparatur von Brammen<br />

für bestimmte Stahlsorten vor, um<br />

nachgelagerte Qualitätsabweichungen<br />

zu verringern. Jedoch entstehen hierdurch<br />

zusätzliche Energiekosten, da die<br />

Brammen zur Nachbearbeitung abgekühlt<br />

und nicht im Heißeinsatz durch<br />

die Warmbreitbandstraße gefahren werden<br />

können.<br />

Üblicherweise werden für die Abwertung<br />

von Brammen regelbasierte Prognosemodelle<br />

verwendet. Wenn während<br />

des Gießprozesses bestimmte Schwellwerte<br />

nicht eingehalten werden, erfolgt<br />

eine Abwertung der Bramme sowie deren<br />

Umwidmung auf einen Auftrag mit<br />

geringeren Qualitätsansprüchen. Diese<br />

Schwellenwerte werden basierend auf<br />

Abbildung 1: SST Centralized Coil Map ordnet sämtliche Oberflächeninspektionsergebnisse<br />

von Warmwalzwerken, Beizen, Verzinkungsanlagen präzise zu.<br />

Erfahrungswerten festgelegt und das<br />

System der Brammenabwertung berücksichtigt<br />

nicht die tatsächlich beobachtete<br />

Oberflächenqualität der gesamten<br />

Prozesskette bis zur Verzinkung.<br />

Insbesondere unterstützt keines der<br />

vorhandenen Systeme den Stahlhersteller<br />

bei der Optimierung des Gießprozesses<br />

auf Grundlage der tatsächlichen<br />

Oberflächenqualität. Die Fehlerklassifizierung<br />

mithilfe automatisierter Oberflächeninspektionssysteme<br />

ist bekanntermaßen<br />

unzuverlässig, sodass die<br />

Stahlhersteller mit verzerrten Qualitätszielsignalen<br />

umgehen müssen. Zweitens<br />

können Stahlhersteller detektierte Fehler<br />

auf der Oberfläche des gewalzten<br />

oder verzinkten Bandes nicht automatisch<br />

auf die exakte Strangposition während<br />

des Gießens zurückverfolgen, da<br />

die bestehenden Systeme nicht alle<br />

Schritte der Bandmanipulation entlang<br />

der Prozesskette (Schneiden, Schopfen,<br />

Auf- und Abwickeln, Schweißvorgänge,<br />

Besäumen) präzise zurückrechnen.<br />

Während die physikalischen Mechanismen,<br />

die zu Defekten führen, allgemein<br />

bekannt sind, können die Stahlhersteller<br />

nicht nachvollziehen, welche<br />

kausalen Zusammenhänge zu einem<br />

bestimmten Zeitpunkt während des Gießens<br />

gewirkt und tatsächlich einen Defekt<br />

an einer bestimmten Position auf<br />

einem bestimmten Produkt verursacht<br />

haben. Eines von vielen Beispielen sind<br />

Schwankungen des Gießspiegels. Diese<br />

können zu eingeschlossenem Gießpulver<br />

führen, das nach dem Walzen als<br />

Schalendefekt an der Oberfläche erscheint.<br />

Die Kernfrage ist, wie die eigentliche<br />

Ursache der Schwankungen<br />

des Gießspiegels ermittelt und behoben<br />

werden kann. Die Liste potenzieller<br />

Ursachen ist lang und umfasst unter<br />

anderem operative Faktoren der Gießmaschine<br />

und des Schmelzbetriebs, chemische<br />

Parameter des Stahls, Zeitabläufe<br />

sowie die Temperatur.<br />

Fertigungsplan dient als Basis<br />

zur Optimierung<br />

Smart Steel Technologies hat ein Softwaresystem<br />

entwickelt, das sämtliche<br />

oben beschriebene Herausforderungen<br />

löst und vollautomatisch einen kompletten<br />

Satz optimaler Einstellungen für<br />

alle relevanten Gieß- und Schmelzparameter<br />

berechnet, um jegliche Oberflächenfehler,<br />

die durch den Gießprozess<br />

auftreten, zu minimieren. Während der<br />

Sequenzplanung vor dem Gießbeginn<br />

nimmt SST den Fertigungsplan des<br />

Stahlherstellers als Input und gibt automatisch<br />

einen optimierten Plan aus. Die<br />

Optimierung aller Gieß- und Schmelzeinstellungen<br />

erfolgt anhand der gesamten<br />

Sequenz, für jede einzelne Schmelze<br />

und für jede einzelne Bramme. Das op-<br />

Quelle: Quinlogic<br />

40 August <strong>2020</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de


timierte Planungssystem wird durch<br />

Online-Module ergänzt, welche die Bediener<br />

des Gieß- und Sekundärmetallurgie-Prozesses<br />

dabei unterstützen, höchste<br />

Präzision zu erzielen und sämtliche<br />

Prozessabweichungen zu minimieren.<br />

Das System von SST reduziert die Rate<br />

der Oberflächendefekte durch die Beseitigung<br />

ihrer Ursachen erheblich. Als<br />

Nebenprodukt ist die Vorhersage der<br />

Oberflächenqualität ebenfalls inbegriffen.<br />

Dieses System wurde in der Produktion<br />

bei einem der fortschrittlichsten<br />

Flach<strong>stahl</strong>hersteller Deutschlands implementiert<br />

und erfolgreich erprobt. Weitere<br />

Implementierungen werden derzeit<br />

durchgeführt. Die durchschnittliche<br />

Projektlaufzeit beträgt sechs Monate.<br />

Schritt 1: Lösung des Oberflächeninspektionsproblems<br />

Die Klassifikationsgenauigkeit von<br />

Oberflächeninspektionssystemen (OIS),<br />

welche in der Stahlherstellung eingesetzt<br />

werden, ist zu gering, um für die<br />

Erstellung von Zielsignalen zur Prozessoptimierung<br />

genutzt zu werden. Bei den<br />

meisten komplexen Oberflächendefekten,<br />

z.B. bei Schalendefekten, treten<br />

große Diskrepanzen zwischen den Ergebnissen<br />

der manuellen Inspektion<br />

und den Ergebnissen automatisierter<br />

Oberflächeninspektionssysteme auf.<br />

Darüber hinaus müssen der Schweregrad<br />

der Oberflächendefekte und die<br />

Verlässlichkeit der Defektklassifikation<br />

berücksichtigt werden.<br />

Daher verwendet SST nur die Detektion<br />

(Position, Größe, Bild), nicht aber die<br />

Klassifizierung (durch OIS ermittelter<br />

Defekttyp). Diese Quelldaten, bestehend<br />

aus Millionen von Oberflächendefektbildern<br />

und zugehörigen Metadaten,<br />

durchlaufen moderne Bildklassifikatoren,<br />

die auf proprietärer Deep-Learning-<br />

Technologie basieren, um zu entschei-<br />

SST Casting Optimizer - Visualisierung<br />

Prozess- und Oberflächeninpektionsdaten werden metergenau<br />

zusammengeführt<br />

Caster Options<br />

Center Time<br />

2019-04-06 12:00<br />

Number of hearts<br />

200<br />

Signals<br />

Caster<br />

[count]<br />

Abbildung 2: Bedienoberfläche zur Prüfung zusammengeführter Daten aus<br />

Schmelzbetrieb, Strangguss, Oberflächeninspektion<br />

SST Casting Optimizer – Explainable AI<br />

Automatische Berechnung optimaler Parameterkombinationen<br />

Options<br />

Page<br />

Update plot<br />

2D histogram with defect signals<br />

Signal for X Axis<br />

width<br />

Signal for Y Axis<br />

mold throughput<br />

Steel Group<br />

Bin Count Threshold<br />

20<br />

Restrict to<br />

Filter Columns<br />

Filter Statements<br />

ASIS data available<br />

Show<br />

mold throughput [t/min]<br />

mold throughput [t/min]<br />

has<br />

[t]<br />

counts of all segments<br />

width [mm]<br />

[C]<br />

Abbildung 3: Analyse der Qualitätsauswirkungen verschiedener Parameterkombinationen<br />

Update plot<br />

sliver (severity >_ 2, center) [10 - ³]<br />

width [mm]<br />

Show configuration<br />

mold throughput [t/min]<br />

mold throughput [t/min]<br />

mold level (Berthold) deviation (2o- ) [mm]<br />

has<br />

width [mm]<br />

sliver (severity >_ 2, edge) [10 - ³]<br />

width [mm]<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de August <strong>2020</strong> 41


RECHT<br />

FINANZEN<br />

Inkasso<br />

Der richterliche Hammer kommt<br />

bei Inkasso eher selten zum Zug.<br />

Die außergerichtliche Einigung überwiegt.<br />

„Schulden bleiben<br />

trotz Corona-Krise Schulden“<br />

Bernd Drumann von der Bremer Inkasso GmbH beantwortet relevante Fragen zum<br />

aktuellen Umgang mit eigenen Forderungen<br />

DARUM GEHT’S: Auch wenn nach Ansicht<br />

des Bundeswirtschaftsministeriums die<br />

Talsohle durchschritten ist, sind die Auswirkungen<br />

der Corona-Pandemie weiterhin<br />

real. Eine wesentliche Frage lautet dabei,<br />

wie mit offenen Forderungen umzugehen<br />

ist. Bernd Drumann zeigt im<br />

Interview Wege auf, mit denen Unternehmen<br />

die Liquidität stützen können.<br />

ZUM GESPRÄCHSPARTNER: Bernd<br />

Drumann ist Geschäftsführer der Bremer<br />

Inkasso GmbH. Das Unternehmen wurde<br />

1984 als Inkassobüro zugelassen, damals<br />

noch unter dem Namen des Geschäftsführers.<br />

Bernd Drumann<br />

„Ein Inkassounternehmen<br />

ist<br />

vom ‚guten alten<br />

Geschäftsfreund‘<br />

emotional nicht<br />

‚erpressbar‘“<br />

<strong>stahl</strong> + <strong>eisen</strong>: Wann empfiehlt sich bei offenen<br />

Rechnungen derzeit Hilfe von außen?<br />

Drumann: Wenn vielleicht schon absehbar<br />

ist, dass der eigene Kunde aufgrund<br />

des Wegfalls seines Umsatzes den geschuldeten<br />

Betrag nicht oder nicht in einer<br />

Summe zahlen kann, so ist zu empfehlen,<br />

die Forderung an einen Rechtsanwalt<br />

oder ein Inkassounternehmen<br />

abzugeben, einen erfahrenen Rechtsdienstleister<br />

also. Dieser wird versuchen,<br />

mit dem Kunden eine Lösung, meist unter<br />

größtmöglicher Absicherung der Forderung,<br />

herbeizuführen. Zu denken ist<br />

etwa an Sicherungshypotheken, die eingetragen<br />

werden, oder Fahrzeuge, die zur<br />

Sicherheit übereignet werden, um auch<br />

eine Basis für erforderliche, langfristige<br />

Lösungen zu schaffen. Der Rechtsdienstleister<br />

sollte dabei aber natürlich seiner<br />

Verantwortung gerecht werden und die<br />

besondere Situation nicht aus dem Auge<br />

verlieren.<br />

<strong>stahl</strong> + <strong>eisen</strong>: Kann ein Kunde Ware zurückgeben,<br />

weil er sie wegen Corona nicht verkaufen<br />

konnte?<br />

Drumann: Wenn ein Lieferant den Auftrag<br />

bestätigt und fristgerecht geliefert<br />

Quelle: Shutterstock<br />

52 August <strong>2020</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de


hat: Nein. Daran ändert sich nichts, wenn<br />

der Abnehmer die Rücknahme der Ware<br />

erwartet, weil er sie gerade nicht verwenden<br />

kann, und daher auch die Bezahlung<br />

der Rechnung ablehnt. Rechtlich betrachtet<br />

ist ein wirksamer Vertrag zustande gekommen.<br />

Daran ändert auch die Krise<br />

nichts. Einen Anspruch auf Rücknahme<br />

der Ware gibt es nur, wenn das so im Vertrag<br />

vereinbart wurde. Vielmehr ist der<br />

Abnehmer verpflichtet, seinen Teil der<br />

Vereinbarung einzuhalten, und muss die<br />

Rechnung zahlen. Gleichwohl kann aber<br />

die Rücknahme der Ware sinnvoll sein,<br />

jedenfalls wenn sie für den Unternehmer<br />

verwertbar ist und unter keinen Umständen<br />

damit zu rechnen ist, dass der Abnehmer<br />

sich erholt, sondern ihm gar die Insolvenz<br />

droht.<br />

<strong>stahl</strong> + <strong>eisen</strong>: Die Auflagen für Kontakte<br />

werden gelockert, gleichwohl ist weiterhin<br />

Vorsicht angesagt. Wie beauftragt man ein<br />

Inkassounternehmen oder einen Rechtsanwalt<br />

in Zeiten von Corona?<br />

Drumann: Einige Inkassounternehmen<br />

erwarten beispielsweise eine Mitgliedschaft<br />

und Beiträge, bevor sie tätig werden,<br />

andere verkaufen Auftragszettel,<br />

Coupons, eine Art Rabattsystem, bei wieder<br />

anderen läuft eine Auftragserteilung<br />

nur online... Man sollte sich also vor der<br />

Beauftragung beim jeweiligen Dienstleister<br />

über die Konditionen informieren. Für<br />

eine Beauftragung durch den Gläubiger<br />

benötigen wir generell lediglich eine Kopie<br />

der Rechnung oder einen Kontoauszug<br />

sowie eine Kopie der ersten Mahnung<br />

oder aber Angabe der Mahndaten. Ein<br />

Rechtsanwalt wird hier in der Regel mit<br />

den gleichen Unterlagen auskommen.<br />

Nach eingehender Prüfung, ob Zahlungsverzug<br />

vorliegt und die Forderung rechtens<br />

ist, wird die Forderung meist noch<br />

am selben Tag bearbeitet. Die Beauftragung<br />

kann schnell formlos per Mail erfolgen.<br />

Ein persönliches Erscheinen ist also<br />

nicht nur in Zeiten von Corona absolut<br />

nicht erforderlich.<br />

<strong>stahl</strong> + <strong>eisen</strong>: Wie geht es dann weiter?<br />

Drumann: Ein Inkassounternehmen ist,<br />

anders als ein Gläubiger vielleicht, vom<br />

‚guten alten Geschäftsfreund‘ emotional<br />

nicht ‚erpressbar‘. Die Mitarbeiter schlagen<br />

gegebenenfalls Lösungsmöglichkeiten<br />

vor, setzen Termine und sind klar und<br />

eindeutig. Das alleine reicht oft schon,<br />

um unnötige Prozesse zu vermeiden. Wie<br />

es dann im Einzelnen weitergeht, hängt<br />

vom jeweiligen Fall und der aktuellen Situation<br />

ab. Bei uns beginnt alles mit der<br />

ersten schriftlichen Zahlungsaufforderung<br />

an den Schuldner, der ggf. dann weitere<br />

folgen. Daneben wird durch psychologisch<br />

geschultes Personal ein telefonisches<br />

Mahnverfahren durchgeführt,<br />

respektvoll und höflich, aber auch konsequent.<br />

In Zeiten von Corona wird man<br />

hier allerdings mit noch mehr Fingerspitzengefühl<br />

vorgehen müssen.<br />

<strong>stahl</strong> + <strong>eisen</strong>: Wenn man doch über Geld<br />

spricht: Was kostet das Ganze?<br />

Drumann: Da die Konditionen im Einzelnen<br />

durchaus unterschiedlich aussehen<br />

können, sollte man sich vor der Beauftragung<br />

beim gewählten Unternehmen danach<br />

erkundigen, unter Umständen auch<br />

Kostenstrukturen mehrerer Inkassobüros<br />

vergleichen. Bei seriösen Unternehmen<br />

wird offen über Geld gesprochen, sind die<br />

einzelnen Posten klar geregelt und werden<br />

transparent kommuniziert. Was den<br />

Forderungseinzug angeht, gibt es generell<br />

zwei Varianten: Entweder kann die Forderung<br />

realisiert werden oder nicht. War<br />

der Einzug auf ‚ganzer Linie‘ erfolgreich,<br />

bekommt der Mandant bei uns seine<br />

Hauptforderung im Normalfall zu 100 %<br />

ausbezahlt. Lag Zahlungsverzug vor, hat<br />

der Schuldner die dafür entstehenden<br />

Kosten als Verzugsschaden zu zahlen. Bei<br />

Nichterfolg im vorgerichtlichen und gerichtlichen<br />

Mahn- und Vollstreckungsverfahren<br />

zahlt der Mandant, ich spreche<br />

hier für uns, kein Honorar. Es wird ihm<br />

lediglich eine nach dem Wert der Hauptforderung<br />

gestaffelte Nichterfolgspauschale<br />

zwischen 10 Euro und max.<br />

100 Euro nebst den baren Auslagen berechnet.<br />

<strong>stahl</strong> + <strong>eisen</strong>: Was ist denn, wenn der Rechtsdienstleister<br />

vorgerichtlich keine Lösung findet?<br />

Drumann: In so einem Fall bleibt dann<br />

meist nur der Weg über das gerichtliche<br />

Mahn- und Vollstreckungsverfahren. Das<br />

muss natürlich immer gut überlegt werden<br />

und bedarf in der Regel einer Analyse<br />

der Bonität, etwa durch Einholung einer<br />

Wirtschaftsauskunft – erst recht in Zeiten<br />

von Corona.<br />

<strong>stahl</strong> + <strong>eisen</strong>: Wie schätzen Sie in der aktuellen<br />

Situation die Erfolgswahrscheinlichkeit des<br />

Verfahrens über den Gerichtsvollzieher ein?<br />

Drumann: Im Außendienst bestand und<br />

besteht gewiss immer noch ein Ansteckungsrisiko<br />

für Gerichtsvollzieher, die<br />

deshalb u. U. ihre Tätigkeit einschränken<br />

oder anders ausgestalten. Auch werden<br />

aus den letzten Monaten einige Sachen<br />

liegengeblieben sein.<br />

<strong>stahl</strong> + <strong>eisen</strong>: Wie sinnvoll ist dann ein gerichtliches<br />

Verfahren mit anschließender<br />

Zwangsvollstreckung?<br />

Drumann: Abgesehen davon, dass überhaupt<br />

nur für rund 30 % der uns übertragenen<br />

Fälle ein Mahn- und Vollstreckungsverfahren<br />

eingeleitet werden<br />

muss, werden Gerichtsvollzieher weiter<br />

tätig sein, wenn auch vielleicht alles etwas<br />

länger dauert. Zu einem Teil erfolgt<br />

die Ladung – zwecks Abnahme der Vermögensauskunft<br />

– auch ins Gerichtsvollzieherbüro.<br />

Erscheint der Schuldner dort<br />

nicht, kann der Rechtsdienstleister Drittauskünfte<br />

gem. § 802l ZPO einholen lassen<br />

und dann dort eine Forderungspfändung<br />

ausbringen.<br />

<strong>stahl</strong> + <strong>eisen</strong>: Wie lautet Ihr Fazit?<br />

Drumann: Eine Krise wie jetzt die Corona-Pandemie<br />

bedeutet für die allermeisten<br />

Menschen das Wegbrechen von Bekanntem<br />

und Bewährtem. Das macht<br />

Angst. Einen rechtsfreien Raum haben<br />

wir in diesen Zeiten dennoch nicht.<br />

Schulden sind auch weiter Schulden, und<br />

Verträge und Abmachungen gelten auch<br />

in diesen Zeiten. Lediglich der Umgang<br />

damit erfordert jetzt ein noch genaueres<br />

Hinsehen und wohl individuelle Absprachen<br />

und Vorgehensw<strong>eisen</strong> im Sinne beider<br />

Parteien, Schuldner wie Gläubiger.<br />

Rechtsdienstleister, die das geltende<br />

Recht kennen, beachten und auf seiner<br />

Grundlage arbeiten, können besonders in<br />

Krisenzeiten unterstützen und sind sich<br />

dabei ihrer Verantwortung sehr deutlich<br />

bewusst.<br />

tp<br />

Jetzt anmelden:<br />

www.<strong>stahl</strong><strong>eisen</strong>.de<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de August <strong>2020</strong> 53


STYLE<br />

STORY<br />

Kunst<br />

Bei der Eröffnung der Ausstellung<br />

„Jeff Koons. Celebration“<br />

in der Neuen Nationalgalerie in<br />

Berlin posiert der Künstler vor<br />

der Skulptur „Tulips“.<br />

Teure Kunst aus Edel<strong>stahl</strong><br />

Edel<strong>stahl</strong> Rostfrei von seiner schönsten Seite<br />

AUTOR: Dr. Hans-Peter Wilbert, Geschäftsführer,<br />

Warenzeichenverband<br />

Edel<strong>stahl</strong> Rostfrei, www.wzv-rostfrei.de<br />

DARUM GEHT’S: Jeff Koons ist ein Faszinosum:<br />

Als einer der erfolgreichsten<br />

und zugleich umstrittensten Künstler<br />

der Welt wurde er in diesem Jahr 65 Jahre<br />

alt. Ein 1986 geschaffener „Balloon<br />

Rabbit“ aus Edel<strong>stahl</strong> machte ihn 2019<br />

zum teuersten lebenden Künstler. Er<br />

setzt aber auch bei anderen Kunstwerken<br />

auf den Werkstoff.<br />

Jeff Koons entwarf den 33 Tonnen schweren<br />

und elf Meter hohen Tulpenstrauß zum<br />

Gedenken der Pariser Terroropfer vom<br />

13. November 2015 aus Edel<strong>stahl</strong> Rostfrei.<br />

Sein erstes Bild verkaufte Jeff Koons<br />

bereits vor 54 Jahren im elterlichen<br />

Möbelgeschäft. Den unbefangenen<br />

Blick eines Kindes hat er sich bis heute bewahrt:<br />

So reicht sein Motivrepertoire von<br />

bunt schillernden Tieren, Blumen, Herzen<br />

oder Comichelden aus Edel<strong>stahl</strong> Rostfrei in<br />

Luftballonoptik bis hin zu Popstars, Nippesfiguren<br />

und pornografischen Posen aus Porzellan.<br />

Aus Überzeugung macht Jeff Koons<br />

Kunst für die Masse – unbeeindruckt von<br />

negativen Kommentaren vieler Kunstkritiker.<br />

Der Erfolg gibt ihm und seinen spiegelnden<br />

Skulpturen Recht: Regelmäßig erzielt<br />

er damit auf dem internationalen<br />

Kunstmarkt Höchstpreise unter den Werken<br />

lebender Künstler. Den aktuellen Rekord<br />

hält sein im Mai 2019 für 91 Millionen<br />

US-Dollar versteigerter silberner Balloon-<br />

Rabbit. Seine Bekanntheit teilt Jeff Koons<br />

sich sprichwörtlich mit seinen bunten Balloon-Dogs,<br />

die schon früh zu seinem Markenzeichen<br />

wurden. Ihre unverwechselbare<br />

Optik verdanken sie wie all die anderen<br />

metallisch- glänzenden Ballon-Skulpturen<br />

höchster handwerklicher Präzision und<br />

erstklassigem Edel<strong>stahl</strong> Rostfrei aus<br />

Deutschland.<br />

Kitsch wird zu Kunst<br />

Seine unbekümmerte Kreativität paart der<br />

studierte Kunsthistoriker Koons mit ausgeprägtem<br />

Gespür für Werbewirkung. Immer<br />

wieder zitiert er in seinen Arbeiten<br />

berühmte Werke von der Antike bis heute<br />

und sah sich deshalb auch bereits wiederholt<br />

mit Plagiatsvorwürfen konfrontiert.<br />

Berührungsängste hat er nicht. Ob Edel<strong>stahl</strong>-Repliken<br />

von Alltagskitsch, Sex-Skulpturen<br />

mit der ungarisch-italienischen Poli-<br />

Quellen: Shutterstock; Jeff Koons. Photo Luc Castel. Courtesy Noirmontartproduction<br />

60 August <strong>2020</strong> <strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de


Quellen: Jeff Koons/Jack Kulcke, Galerie Breckner 2017, Shutterstock<br />

tikerin und vormaligen Erotikdarstellerin<br />

Ilona „Cicciolina“ Staller (die kurzzeitig<br />

auch seine Ehefrau war), Gestaltung eines<br />

BMW M3 GT2 Wagens für das legendäre<br />

24-Stunden-Rennen von Le Mans, Weinetiketten<br />

für das Nobelweingut Château<br />

Mouton-Rothschild oder ein Album-Cover<br />

für Lady Gaga: Was Jeff Koons anpackt,<br />

wird zum Erfolgsprodukt. Er macht Kitsch<br />

zu hochbezahlter Kunst. Für die Popkultur<br />

ist der Konzeptkünstler deshalb oberste<br />

Instanz. Seit Ende der 1970er- Jahre verfremdet<br />

Jeff Koons Alltagsgegenstände.<br />

Tonnenschwer, doch optisch<br />

leicht<br />

Eines seiner ersten Werke war ein pinkfarbenes<br />

Aufblashäschen, das er auf einen<br />

Spiegel setzte. Die Weiterentwicklung dieser<br />

Idee begründete seinen späteren Weltruhm:<br />

1986 ließ er dieses Häschen als überlebensgroße<br />

Skulptur in Edel<strong>stahl</strong> gießen<br />

und auf Hochglanz polieren. Dabei fehlten<br />

weder die für die Aufblasfigur typische<br />

Faltenbildung an Ohren, Bauch und Beinen,<br />

noch die Seitennähte oder die Ventilöffnung<br />

am Hinterkopf, sodass die Edel<strong>stahl</strong>skulptur<br />

wie ein aufgepumptes Plastikhäschen<br />

aussah. Zwischen 1994 und<br />

2000 entstanden die drei Meter hohen<br />

Balloon-Dogs in unterschiedlichen Formen<br />

und Farben, die bis heute zu seinen populärsten<br />

Objekten zählen. Immer weitere<br />

Motive in Luftballonoptik wie Schwäne,<br />

Delphine, Blumenbouquets, Herzen, Hulk,<br />

Popeye, Tweety, Ballerinas oder Venuskörper<br />

folgten – und das in immer neuen Varianten.<br />

Auch das Wahrzeichen der Stadt<br />

Münster, den bronzenen Kiepenkerl am<br />

Spiekerhof, ließ Jeff Koons als originalgetreue<br />

Kopie aus Hochglanz poliertem Edel<strong>stahl</strong><br />

nachbauen. Allesamt tonnenschwere<br />

Skulpturen, deren optische Leichtigkeit<br />

und spiegelnde Oberfläche die Menschen<br />

Das Wahrzeichen der Stadt Münster, den bronzenen Kiepenkerl am Spiekerhof, ließ<br />

Jeff Koons als originalgetreue Kopie aus Hochglanz poliertem Edel<strong>stahl</strong> nachbauen.<br />

bis heute auf der ganzen Welt in ihren<br />

Bann ziehen.<br />

Weltweit gefeierte Blumen – mit<br />

Wurzeln in Thüringen<br />

Die weltberühmten Ballon-Skulpturen von Jeff Koons mit der glänzenden Oberfläche aus<br />

Edel<strong>stahl</strong> Rostfrei wurden zu seinem Markenzeichen.<br />

Weltberühmt sind die Balloon-Flowers –<br />

metallisch glänzende Riesenblüten in Blau,<br />

Magenta, Orange, Gelb und Rot, die trotz<br />

ihres extremen Gewichts und dreieinhalb<br />

Meter Höhe so wirken, als ob sie jeden Moment<br />

vom Wind emporgetragen werden<br />

könnten. Die erste davon war blau-metallisch<br />

und markierte den Beginn der Zusammenarbeit<br />

von Jeff Koons mit dem thüringischen<br />

Familienbetrieb Arnolds. Fortan<br />

setzte der US-amerikanische Starkünstler<br />

auf dessen Handwerkskunst und Edel<strong>stahl</strong><br />

Rostfrei made in Germany. So auch für die<br />

mannshohen Cracked Eggs, die Hanging<br />

Hearts oder die Tulips – weltweit gefeierte<br />

Ikonen der Popart. Für die Tulips, die unter<br />

anderem heute vor dem Guggenheim Museum<br />

in Bilbao stehen, wurden jeweils sieben<br />

Tulpen – jede davon fünf Meter lang<br />

und 500 Kilogramm schwer – zu einem<br />

liegenden Blumenstrauß arrangiert. Auch<br />

ein anderer – zuletzt heftig diskutierter –<br />

Tulpenstrauß wurde nach dem Entwurf von<br />

Jeff Koons in Deutschland gefertigt: Die 33<br />

Tonnen schwere, elf Meter hohe Riesenskulptur,<br />

die der Künstler zum Gedenken<br />

der Pariser Terroropfer vom 13. November<br />

2015 entwarf, steht hinter dem Petit Palais,<br />

dem Museum der Schönen Künste in Paris.<br />

Elf monumentale Tulpen – eine zwölfte<br />

fehlt als Symbol des Verlusts –, die eine<br />

überdimensional große Hand in die Höhe<br />

hält. Die spontane Assoziation mit der New<br />

Yorker Freiheitsstatue und ihrer Fackel versteht<br />

Koons als Zeichen der Verbundenheit.<br />

Entwurfsstudio mit über<br />

80 Mitarbeitern<br />

Allen genannten Werken gemeinsam ist<br />

ihr schöner Schein: Die spiegelpolierten<br />

Oberflächen wirken elegant und spielerisch<br />

zugleich und verleihen den Skulpturen<br />

eine magische Wirkung. Betrachter,<br />

Licht und Farben werden in ihren wechselnden<br />

Konstellationen reflektiert, sodass<br />

die Glanzstücke unmittelbar mit ihrer Umgebung<br />

in Beziehung treten. Die naive Anmutung<br />

seiner Luftballonfiguren paart Jeff<br />

Koons mit absolutem Perfektionismus. Von<br />

der Idee bis zur Fertigstellung vergehen<br />

oftmals Jahre. Ausgangspunkt ist Alltägliches,<br />

das den Künstler zu einer Neuinterpretation<br />

in Edel<strong>stahl</strong> veranlasst. Die Entwürfe<br />

entstehen in seinem 1 500 m 2 großen<br />

New Yorker Atelier, wo er – wie die alten<br />

Meister in der Renaissance – eine höchst<br />

professionell aufgestellte Manufaktur betreibt.<br />

Über 80 Mitarbeiter arbeiten hier im<br />

Entwurfsstudio, in der Mal- und Modellabteilung<br />

an der Umsetzung der künstle-<br />

<strong>stahl</strong>und<strong>eisen</strong>.de August <strong>2020</strong> 61


Innovation<br />

bei 1.200 °C<br />

und mehr<br />

Feuerfestprodukte von RHI Magnesita<br />

sind die Basis für eine moderne<br />

Gesellschaft. Smartphones, Autos oder<br />

Gebäude bestehen zu großen Teilen<br />

aus Materialen, die nur mit extrem<br />

hohen Temperaturen hergestellt werden<br />

können. Unsere Kunden sind Stahl-,<br />

Glas-, Kupfer- oder Zementhersteller -<br />

und viele mehr, die Feuerfest-Lösungen<br />

brauchen.<br />

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reibungs losen Wirtschaftskreislauf und<br />

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