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Gewalt im öffentlichen Raum - Leseprobe

Die innere Sicherheit in Deutschland scheint in Gefahr. Prügelattacken, Messerstechereien, sexuelle Übergriffe, Amokläufe und Terroranschläge – fast täglich wird über derartige Gewalttaten im öffentlichen Raum berichtet und eine spürbare Verunsicherung, ja Angst vor ebendieser Gewalt ist bei einer Vielzahl von Bürgerinnen und Bürgern zu registrieren. Die Gewährleistung von Sicherheit vor Gewalt im öffentlichen Raum ist eine Kernfunktion des staatlichen Gewaltmonopols und damit eine Kernaufgabe der Polizei. Die Autoren dieses Buches greifen die sicherheitspolitisch relevanten Fragen dieses Themas auf und analysieren diese in drei Themenkomplexen. Sie bieten damit für Ausbildung, Arbeitsalltag und Führung in der Polizei dezidiert und praxisbezogen wichtige polizeifachliche Orientierung. Der erste Teil eröffnet mit einer Analyse und Bewertung der Kriminalitätsstatistiken im Hinblick auf die Entwicklung der Gewaltkriminalität im öffentlichen Raum. Er beleuchtet auch das intensiv diskutierte Thema Gewalt im Zusammenhang mit Zuwanderung und Asyl. Auf die Phänomene und Erklärungsansätze von Gewaltdelikten im öffentlichen Raum geht der zweite Teil ein. Die Autoren stellen dar, was Tatgelegenheiten ermöglicht bzw. verhindert, wer Täter und wer Opfer sein kann. Es werden verschiedene Modelle vorgestellt, um Tatorte von Gewalthandlungen zu erklären. Zudem werden Mittel und Methoden der Polizeiarbeit, wie dem Problem begegnet werden kann, präsentiert und exemplarisch erläutert. Der dritte Teil beschäftigt sich einleitend mit dem statistischen Material zur Gewalt gegen Polizeibeamte. Weiterhin werden in dem Beitrag Maßnahmen diskutiert, wie Gewalt in der polizeilichen Praxis reduziert werden kann. Dies schließt u.a. die Diskussion um Bodycams und um eine Vertrauens- und Fehlerkultur ein, aber auch Empfehlungen, wie Teams zusammengestellt werden sollten.

Die innere Sicherheit in Deutschland scheint in Gefahr. Prügelattacken, Messerstechereien, sexuelle Übergriffe, Amokläufe und Terroranschläge – fast täglich wird über derartige Gewalttaten im öffentlichen Raum berichtet und eine spürbare Verunsicherung, ja Angst vor ebendieser Gewalt ist bei einer Vielzahl von Bürgerinnen und Bürgern zu registrieren.

Die Gewährleistung von Sicherheit vor Gewalt im öffentlichen Raum ist eine Kernfunktion des staatlichen Gewaltmonopols und damit eine Kernaufgabe der Polizei. Die Autoren dieses Buches greifen die sicherheitspolitisch relevanten Fragen dieses Themas auf und analysieren diese in drei Themenkomplexen. Sie bieten damit für Ausbildung, Arbeitsalltag und Führung in der Polizei dezidiert und praxisbezogen wichtige polizeifachliche Orientierung.

Der erste Teil eröffnet mit einer Analyse und Bewertung der Kriminalitätsstatistiken im Hinblick auf die Entwicklung der Gewaltkriminalität im öffentlichen Raum. Er beleuchtet auch das intensiv diskutierte Thema Gewalt im Zusammenhang mit Zuwanderung und Asyl.

Auf die Phänomene und Erklärungsansätze von Gewaltdelikten im öffentlichen Raum geht der zweite Teil ein. Die Autoren stellen dar, was Tatgelegenheiten ermöglicht bzw. verhindert, wer Täter und wer Opfer sein kann. Es werden verschiedene Modelle vorgestellt, um Tatorte von Gewalthandlungen zu erklären. Zudem werden Mittel und Methoden der Polizeiarbeit, wie dem Problem begegnet werden kann, präsentiert und exemplarisch erläutert.

Der dritte Teil beschäftigt sich einleitend mit dem statistischen Material zur Gewalt gegen Polizeibeamte. Weiterhin werden in dem Beitrag Maßnahmen diskutiert, wie Gewalt in der polizeilichen Praxis reduziert werden kann. Dies schließt u.a. die Diskussion um Bodycams und um eine Vertrauens- und Fehlerkultur ein, aber auch Empfehlungen, wie Teams zusammengestellt werden sollten.

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Lehr- und Studienbriefe

Kriminalistik / Kriminologie

Herausgegeben von

Horst Clages, Leitender Kriminaldirektor a.D.,

Wolfgang Gatzke, Direktor LKA NRW a.D.

Band 23

Gewalt im öffentlichen Raum

von

Detlef Averdiek-Gröner

Udo Behrendes

Wolfgang Gatzke

Daniela Pollich

Leseprobe

VERLAG DEUTSCHE POLIZEILITERATUR GMBH

Buchvertrieb




Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten

sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Leseprobe

www.VDPolizei.de

1. Auflage 2017

© VERLAG DEUTSCHE POLIZEILITERATUR GMBH Buchvertrieb; Hilden/Rhld., 2017

Alle Rechte vorbehalten

Satz: VDP GMBH Buchvertrieb, Hilden

Druck und Bindung: Druckerei Hubert & Co, Göttingen

Printed in Germany

ISBN 978-3-8011-0802-1


Vorwort der Herausgeber

Gewalt tritt als reales gesellschaftliches Phänomen in vielfältiger Art und in

unterschiedlichem Ausmaß in Erscheinung. Das, was als Gewalt bezeichnet

wird, bewegt sich in einem weiten Spektrum zwischen struktureller Gewalt,

einer vorwiegend subjektiv empfundenen Gewalterfahrung, der Gewalt gegen

Sachen, Aggression und psychischer Gewalteinwirkung bis hin zu schwersten

Formen körperlicher Gewalt.

Mit Blick auf die soziale Sichtbarkeit finden sich Gewalthandlungen einerseits

im engen sozialen Milieu, d.h. für Dritte im Wesentlichen unerkannt, andererseits

in der Öffentlichkeit – im öffentlichen Raum – in seinen vielfältigen

Facetten und für jedermann erlebbar. Prinzipiell ist jeder Bürger der Gefahr

ausgesetzt, Opfer von Gewalthandlungen im öffentlichen Raum zu werden.

Es ist ein hochgradig von Emotionen bestimmtes Thema. Gewaltdelikte im

öffentlichen Raum prägen aus der Sicht des Bürgers das Bild der Kriminalität

in einem Gemeinwesen und die Meinung breiter Bevölkerungsschichten über

den Erfolg oder Misserfolg der institutionellen Kriminalitätskontrolle und

der Kriminalpolitik. Gewaltdelikte sind damit hochaktuell, polarisieren und

sind in ihrer gesamtgesellschaftlichen Auswirkung von besonderer kriminalpolitischer

Relevanz.

So haben Berichte über Gewaltattacken, die eine besondere Brutalität oder

Menschenverachtung der meist jungen, männlichen Täter offenbaren, neue

Gewaltphänomene und terroristische Anschläge im eigenen Land das gesellschaftliche

Klima in Deutschland verändert. Die innere Sicherheit scheint in

Gefahr. Damit stehen politische Forderungen und Vorhaben im Raum, etwa

die Ausweitung der Videoüberwachung, das Anheben der Polizeistärke, die

Schaffung weiter gehender polizeilicher Befugnisse, eine konsequente justizielle

Ahndung von Straftaten sowie die Verschärfung ausländerrechtlicher

Bestimmungen.

Leseprobe

Deshalb ist zu fragen:

Wie steht es tatsächlich um die alltägliche Gewalt auf der Straße, in den

U-Bahnhöfen, Parks und Vergnügungsvierteln? Wie steht es um die Gewaltausübung

im Kontext der Zuwanderung von Flüchtlingen? Trifft der medial

verbreitete Eindruck einer durchgängig wachsenden Gewalt zu?

Zu fragen ist aber auch:

Welche Faktoren beeinflussen diese Gewaltphänomene im öffentlichen Raum?

Wie sind sie zu erklären, wo kommen sie in besonderem Maße vor? Gibt es

spezifische Tatörtlichkeiten, soziale Problemräume, an denen sich Gewalttaten

häufen? Welche Einwirkungsmöglichkeit hat die Polizei, welche Konzepte sind

Erfolg versprechend? Was kann sozialraumorientierte Polizeiarbeit bewirken?

Ebenfalls im allgemeinen gesellschaftlichen Fokus steht aktuell das Wirken der

Polizei und anderer staatlicher Organe, z.B. Feuerwehr und Rettungskräfte,

bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben. Es herrscht der Eindruck vor, dass sie

3


Vorwort der Herausgeber

wachsender Respektlosigkeit und Gewalttätigkeit ausgesetzt sind. In welcher

Weise setzt die Polizei bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ihrerseits Gewalt

ein? Sind Polizeibeamte befähigt und in der Lage, in eskalierenden Konfliktlagen

angemessen zu reagieren? Welche rechtlichen Bedingungen gelten und

welche Mechanismen wirken, wenn ein Polizeibeamter rechtswidrig Gewalt

anwendet? Wie ist dem von vornherein entgegenzuwirken? Wie ist der Befund

zu diesen Fragen und welche Antworten sind darauf zu geben – gesellschaftlich,

in der Politik und polizeifachlich? Es bleibt festzuhalten: Die Gewährleistung

von Sicherheit vor Gewalt im öffentlichen Raum ist eine Kernfunktion des

staatlichen Gewaltmonopols und damit eine Kernaufgabe der Polizei. Diese

ist dabei an rechtsstaatliches Handeln gebunden und unterliegt in diesem

Rahmen dem Primat der Politik.

Die Autoren des vorliegenden Lehr- und Studienbriefs versuchen, in drei sehr

unterschiedlichen, am Bedarf der Praxis ausgerichteten Beiträgen Antworten

auf diese sicherheits- und gesellschaftspolitisch wichtigen Fragen zu geben

und polizeifachlich Orientierung zu bieten.

So zeigt der Beitrag zur Entwicklung der Alltagsgewalt im öffentlichen Raum

den deutlichen Rückgang der diesen Phänomenen zuzurechnenden Straftaten

in den letzten zwanzig Jahren auf und nimmt dezidiert zu dem statistischen

Anstieg von Gewaltdelikten im Kontext der Zuwanderung in den Jahren

2015/2016 Stellung.

Der weitere Beitrag zu Erscheinungsformen und Erklärungsansätzen von

Alltagsgewalt im öffentlichen Raum greift empirische Befunde zu den damit

verbundenen Fragestellungen auf und beschreibt unter Darlegung erfolgreicher

Praxismodelle die Möglichkeiten einer proaktiven, sozialraumorientierten

Polizeiarbeit.

Der dritte Beitrag setzt sich nach einer Beschreibung der Entwicklung von

Gewalt und Respektlosigkeit gegenüber Polizeibeamten und den Grundmaximen

der polizeilichen Anwendung von Gewalt im Schwerpunkt mit den äußerst

schwierigen, für die polizeiliche Praxis aber um so bedeutsameren Fragen

des Umgangs mit ungerechtfertigter Gewaltanwendung durch Polizeibeamte

auseinander. Dies mag bei erster Betrachtung kontrovers aufgenommen

werden. Doch verdienen die damit verbundenen rechtlichen, aber mehr noch

die Aspekte eines ethisch fundierten polizeilichen Handelns auch in sehr

herausfordernden polizeilichen Einsatzsituationen gerade für die Zielgruppe

berufsjunger Polizeivollzugsbeamter und -beamtinnen besondere Beachtung.

Hierzu werden Ansätze einer konstruktiven Fehlerkultur aufgezeigt.

Leseprobe

Bei aller Unterschiedlichkeit der Beiträge vermittelt dieser Lehr- und Studienbrief

einen differenzierten Überblick über die Themenfelder, die aktuell

zu spezifischen Entwicklungen der Alltagskriminalität, ihren Erklärungsansätzen

und Interventionsmöglichkeiten und den damit korrespondierenden

Handlungsfeldern diskutiert werden.

Wolfgang Gatzke

Horst Clages

4


Inhaltsverzeichnis

Vorwort der Herausgeber ................................................................................. 3

Wolfgang Gatzke

1 Zur Entwicklung der Gewaltkriminalität im öffentlichen

Raum.....................................................................................................9

1.1 Alltagsgewalt im öffentlichen Raum................................................... 9

1.1.1 Gesellschaftliche Wahrnehmung......................................................... 9

1.1.2 Erkenntnisquellen.............................................................................. 10

1.1.2.1 Polizeiliche Kriminalstatistik............................................................ 10

1.1.2.2 Gewaltprävalenz- und Viktimisierungsstudien................................ 11

1.1.2.3 Zusammenführung der Quellen......................................................... 12

1.1.3 Gewaltkriminalität............................................................................. 12

1.1.3.1 Tötungsdelikte.................................................................................... 13

1.1.3.2 Sexualdelikte...................................................................................... 15

1.1.3.3 Raub.................................................................................................... 18

1.1.3.4 Körperverletzung................................................................................ 20

1.1.3.5 Tatverdächtige und Opfer.................................................................. 22

1.1.4 Zusammenfassung und Bewertung................................................... 24

1.2 Gewaltkriminalität im Kontext von Zuwanderung.......................... 26

1.2.1 Erkenntnisquellen.............................................................................. 26

1.2.2 Zuwanderung...................................................................................... 28

1.2.3 Gewaltkriminalität............................................................................. 29

Leseprobe

1.2.3.1 Tötungsdelikte.................................................................................... 29

1.2.3.2 Sexualdelikte...................................................................................... 30

1.2.3.3 Raub.................................................................................................... 31

1.2.3.4 Körperverletzung................................................................................ 31

1.2.4 Zusammenfassung und Bewertung................................................... 32

1.2.5 Politisch motivierte Gewalt................................................................ 34

1.2.5.1 Gewalttaten gegen Asylunterkünfte und Asylbewerber.................. 34

1.2.5.2 Politisch motivierte Ausländerkriminalität, Islamismus................. 35

1.2.6 Handlungserfordernisse und Perspektiven....................................... 36

Literaturverzeichnis........................................................................................ 38

5


Inhaltsverzeichnis

Udo Behrendes/Daniela Pollich

2 Erscheinungsformen und Erklärungsansätze von

Alltagsgewalt im öffentlichen Raum und

polizeiliche Interventionsmöglichkeiten.................................. 45

2.1 Polizeiliches Aufgabenfeld................................................................. 45

2.2 Erscheinungsformen und Erklärungsansätze von Gewalt im

öffentlichen Raum............................................................................... 46

2.2.1 Gewalttäter im öffentlichen Raum.................................................... 48

2.2.2 Gewaltopfer im öffentlichen Raum.................................................... 49

2.2.3 Tatörtlichkeiten von Gewaltdelikten im öffentlichen Raum............ 51

Broken-Windows-Ansatz.................................................................... 52

Defensible-Space-Ansatz.................................................................... 53

Crime-Pattern-Theorie....................................................................... 53

2.2.4 Raumbezogene Aspekte bei einzelnen Gewaltdelikten.................... 54

Sexualdelikte...................................................................................... 55

Raub.................................................................................................... 55

Körperverletzung................................................................................ 56

2.2.5 Empirische Befunde zur räumlichen Verteilung von

Gewaltdelikten.................................................................................... 57

2.3 Gestaltungsmöglichkeiten proaktiver Polizeiarbeit

zur Minimierung von Gewalt im öffentlichen Raum........................ 59

2.3.1 Grundmodelle proaktiver Polizeiarbeit im öffentlichen Raum........ 59

2.3.2 Unterschiedliche Philosophien proaktiver Polizeiarbeit.................. 60

„Community Policing“........................................................................ 60

„Zero-Tolerance“-Doktrin................................................................... 61

Leseprobe

2.4 Sozialraumorientierte Polizeiarbeit.................................................. 62

2.4.1 Gezielte Präsenz................................................................................. 63

2.4.2 Dialogorientierung.............................................................................. 63

2.4.3 Bündnis- und Netzwerkorientierung................................................. 65

2.4.4 Ganzheitliche Sicherheitsperspektive und lageangepasster

Maßnahmen-Mix................................................................................. 65

2.5 Praxismodelle sozialraumorientierter Polizeiarbeit......................... 66

2.5.1 „GABI-Modell“ Bonn........................................................................... 67

2.5.2 „Bezirks- und Schwerpunktdienst“ in der Kölner Innenstadt......... 69

2.5.3 Kölner Modell „Gewaltprävention an Schulen“................................ 70

2.6 Zusammenfassung.............................................................................. 72

Literaturverzeichnis........................................................................................ 73

6


Inhaltsverzeichnis

Detlef Averdiek-Gröner/Udo Behrendes

3 Polizei und Gewalt..................................................................... 81

3.1 Erkenntnisquellen...........................................................................82

3.1.1 Polizeiliche Kriminalstatistik.........................................................82

3.1.2 Polizeiliche Lagebilder....................................................................84

3.1.3 Wissenschaftliche Studien..............................................................85

3.1.3.1 KFN-Studie......................................................................................86

3.1.3.2 NRW-Studie.....................................................................................87

3.1.4 Bewertung........................................................................................87

3.2 Maßnahmen der Politik..................................................................88

3.2.1 Verschärfungen des Strafrechts.....................................................88

3.2.2 Erweiterungen der polizeilichen Ausrüstung................................88

3.2.2.1 Körperkameras (Bodycams)............................................................88

3.2.2.2 Distanz-Elektroimpulsgeräte (Taser).............................................89

3.3 Weitere Professionalisierung des polizeilichen

Interaktionsmanagements..............................................................90

3.3.1 Eigensicherung ...............................................................................90

3.3.2 Zusammenstellung von operativ arbeitenden Teams...................91

3.3.3 Umgang mit Respektlosigkeiten....................................................92

3.3.4 Einsatznachbereitung und Betreuung...........................................93

3.4 Polizeiliche Gewaltanwendung.......................................................94

3.4.1 Rechtsgrundlagen............................................................................94

3.4.2 Erkenntnisquellen...........................................................................94

3.4.3 Rechtswidrige Gewaltanwendung..................................................95

Leseprobe

3.4.3.1 Körperverletzung im Amt und Legalitätsprinzip..........................96

3.4.3.2 Rahmenbedingungen einer konstruktiven Fehlerkultur..............98

3.4.3.3 Kontroll- und Schlichtungsmechanismen......................................99

3.4.3.3.1 Kennzeichnungspflicht....................................................................99

3.4.3.3.2 Polizeibeauftragte.........................................................................101

3.4.4 Bausteine einer Fehler- und Vertrauenskultur...........................102

3.5 Schlussbetrachtung.......................................................................104

Literaturverzeichnis .....................................................................................105

Zu den Autoren...........................................................................................111

Stichwortverzeichnis ...............................................................................113

7


Leseprobe


Wolfgang Gatzke

1 Zur Entwicklung der Gewaltkriminalität im öffentlichen

Raum

Das Jahr 2016 war in vielen Teilen der Welt nachhaltig geprägt durch Krieg und

Vertreibung, Flucht und Terror, verbunden mit dem vielfachen Tod unschuldiger

Menschen. Mit den Anschlägen von Würzburg, Ansbach und Berlin hat der

Terror auch in Deutschland Einzug gehalten. Dies hat im Kontext mit anderen

durch Asylbewerber oder Flüchtlinge verübten schwerwiegenden Gewalttaten die

politische Diskussion zum Jahreswechsel 2016/2017 dominiert und die Sorge vor

einer damit in Zusammenhang stehenden Zunahme von Gewalt in Deutschland

geschürt.

Die terroristischen Anschläge des letzten Jahres und die weiterhin bestehende

Gefährdungslage sind dennoch nicht Thema dieses Beitrags, auch wenn sie gegenwärtig

in der öffentlichen Wahrnehmung andere, schon länger bestehende

Phänomene der Gewalt im öffentlichen Raum überlagern. Vielmehr sollen die

generellen Aspekte und Facetten von gegen Personen gerichteter Delikte der Gewaltkriminalität

im öffentlichen Raum in ihren zum Teil langjährigen Entwicklungen

und den neu auftretenden Ausprägungen beleuchtet werden.

Im Fokus stehen dabei die individuell verübten Delikte der Gewaltkriminalität

auf der Straße in ihren alltäglichen Erscheinungsformen. Das betrifft vorrangig

Tötungsdelikte, Sexualstraftaten, Körperverletzungsdelikte und Raubstraftaten.

Auch diese Delikte finden besondere Aufmerksamkeit in Gesellschaft und Politik.

Sie erfordern zudem zielgerichtete Präventions- und Interventionskonzepte der

Polizei.

1.1 Alltagsgewalt im öffentlichen Raum

1.1.1 Gesellschaftliche Wahrnehmung

Leseprobe

Gewalt ist in der medialen Berichterstattung alltäglich und allgegenwärtig.

Fernsehbilder tragen brutale Gewaltattacken Einzelner in immer wiederkehrender

Wiederholung in die Wohnzimmer – Schläge und Tritte auf eine ahnungs- und

wehrlose Frau in einem U-Bahnhof in Berlin, Bilder von Tatverdächtigen nach

dem Anzünden eines Obdachlosen, die Vergewaltigung einer betagten Frau am

Rande der belebten Altstadt in Düsseldorf, der Mord an einer jungen Studentin

auf dem Weg nach Hause in Freiburg. Dazu Schlägereien, Messerattacken

und Raubüberfälle in Vergnügungsvierteln und Parks, mitunter ebenfalls mit

tödlichem Ausgang.

Die Berichterstattung durch Bild- und Printmedien beeinflusst nachhaltig die

Gewaltwahrnehmung und Kriminalitätsfurcht in der Gesellschaft. Schon 2006

war dem durch die Bundesregierung in Auftrag gegebenen Zweiten Periodischen

Sicherheitsbericht zu entnehmen, dass durch die öffentliche Darstellung der

Kriminalität in den Massenmedien über Mord, Totschlag, Vergewaltigung, Raub

und schwere Körperverletzungen „ein hinsichtlich der Struktur und Entwicklung

9


Zur Entwicklung der Gewaltkriminalität im öffentlichen Raum

des Kriminalitätsgeschehens drastisch verzerrtes Bild in der Öffentlichkeit“ 1)

entstehe.

So überrascht es nicht, dass Unsicherheitsgefühle und die Furcht in der

Bevölkerung, selbst Opfer einer Körperverletzung, eines Raubes oder einer

sonstigen Gewalttat zu werden, deutlich größer sind als die reale Gefahr.

Nach einer Bevölkerungsumfrage aus 2012 fühlen sich 17 % der Menschen in

Deutschland nachts alleine außerhalb ihrer Wohnung unsicher. 2) Ähnlich viele

Menschen äußern deliktsspezifische Unsicherheitsgefühle, z.B. Opfer einer

Körper verletzung zu werden.

Kriminalitätsfurcht, insbesondere die Furcht vor Gewalttaten, die einen selbst

betreffen können, Furcht vor Terrorakten oder vor einer erwarteten Welle von

Gewalt als Folge von als problematisch wahrgenommenen Veränderungen durch

Zuwanderung kann die subjektive Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Sie

kann die tatsächliche Gefahr einer Viktimisierung insbesondere dann verstärken,

wenn sie zu übersteigerten Schutzvorkehrungen, Vermeidungsverhalten sowie

der Reduzierung von Aktivitäten führt und damit die Lockerung sozialer

Beziehungen bis hin zu einer zunehmenden Isolation bewirkt. 3)

Um übersteigerter Kriminalitätsfurcht zu begegnen, kommt daher einer

realitätsbezogenen Wahrnehmung und Bewertung der Gewaltkriminalität in all

ihren Phänomenen und Facetten besondere Bedeutung zu.

1.1.2 Erkenntnisquellen

1.1.2.1 Polizeiliche Kriminalstatistik

Grundlage für die Bewertung von Ausmaß und Entwicklung der Kriminalität

insgesamt sowie einzelner Deliktsarten ist regelmäßig die Polizeiliche Kriminalstatistik

(PKS). Dies gilt auch für Gewaltdelikte. Die PKS sowie Strafrechtspflegestatistiken

enthalten allerdings nur Daten zu den Straftaten, die den Strafverfolgungsbehörden

bekannt geworden sind (Hellfeld). „Die nicht zur Anzeige

gebrachten Vorfälle – das durch Bevölkerungsbefragungen ermittelbare sogenannte

Dunkelfeld – können sie nicht abbilden. Darüber hinaus geben sie auch

keinen Aufschluss zum Anzeigeverhalten der Bevölkerung.“ 4)

Leseprobe

Ob sich Delikte der Gewaltkriminalität 5) , d.h. im Wesentlichen Tötungsdelikte,

Vergewaltigung und sexuelle Nötigung, Raubdelikte sowie gefährliche und

schwere Körperverletzung 6) im öffentlichen oder im nicht öffentlichen, privaten

Raum ereignet haben, wird in der PKS nicht generell erfasst und ausgewiesen.

1) Bundesministerium des Innern/Bundesministerium der Justiz, 2006, S. 17.

2) Albrecht/Sieber, 2014, S. 80.

3) Bundesministerium des Innern/Bundesministerium der Justiz, 2006, S. 4.

4) Bundesministerium des Innern/Bundesministerium der Justiz, 2006, S. 1.

5) Bundeskriminalamt, PKS 2016, Straftatenkatalog, Straftatenschlüssel 892000.

6) Daneben zahlenmäßig weniger relevant sind die Körperverletzung mit Todesfolge, der erpresserische

Menschenraub und die Geiselnahme; nicht enthalten sind Fälle einfacher vorsätzlicher Körperverletzung.

10

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