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Nr. 9 / September 2011 - Wirtschaftskrise (PDF, 2441 kb - KV Schweiz

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nüchterung bei Scheitern gross. Man gibt<br />

für Ruhm ein halbes Leben her, doch wie<br />

schnell zerrinnt der Status. Die Jagd nach<br />

Geld und Anerkennung hat zudem ihren<br />

Preis. Viele scheuen keinen Aufwand, um<br />

Ansehen zu erlangen und ordnen alles<br />

dem einen Ziel unter: beachtet und bewundert<br />

zu werden. Dabei riskieren sie<br />

auch ihre Gesundheit.<br />

Stefan Büchi ist stellvertretender<br />

Ärztlicher Direktor in der Privatklinik Hohenegg<br />

in Meilen. Er betreut unter anderem<br />

Burnout-Patienten, oft Führungskräfte.<br />

Diese sind, zumindest temporär,<br />

mit einem Status-Verlust konfrontiert.<br />

«Ein Aufenthalt in einer Psychiatrischen<br />

Klinik erleben die sonst erfolgsverwöhnten<br />

Menschen zum Teil als Stigmatisierung»,<br />

sagt Büchi. «Die Erfahrung, Leben,<br />

Psyche und Körper nicht mehr unter Kontrolle<br />

zu haben, ist für sie bedrohlich. Vor<br />

allem ist es schwierig, dies anderen zu erzählen.»<br />

Wohnort, Haus und Titel, all die<br />

Marker einer bestimmten Leistungsfähigkeit,<br />

würden zwar weiterhin bestehen.<br />

«Aber die Leistungsfähigkeit an sich ist ihnen<br />

abhanden gekommen. Die Patienten<br />

haben Angst, im Berufsleben nicht mehr<br />

mitzuhalten und aus ihrer Gruppe von<br />

Gleichgesinnten herauszufallen.»<br />

In der Therapie versuchen die Ärzte<br />

und Therapeuten der Hohenegg die Patienten<br />

unter anderem an eine Neudefinition<br />

von Werten heranzuführen. «Status<br />

gründet meist auf externen Wertzuschreibungen.<br />

Viele verinnerlichen diese Werte<br />

unbedacht», erklärt der Psychiater. «Die<br />

Menschen sollten aber erkennen, was für<br />

sie wichtig und bedeutsam ist. Dazu müssen<br />

sie sich kritisch mit den bisher gelebten<br />

Werten und der Überbewertung des<br />

Materiellen auseinandersetzen. Ziel ist<br />

auch, eine Unabhängigkeit von Fremdbeurteilung<br />

zu erlangen.» Einen wichtigen<br />

Heilungsfaktor sieht Büchi in echten Beziehungen<br />

– in Freundschaften oder Familien.<br />

Wer solche Beziehungen pflege,<br />

schaffe Sicherheit und falle bei einer Krise<br />

weniger tief. «Wir brauchen Menschen,<br />

die uns wertschätzen, wie wir sind, und<br />

uns nicht wie Trophäen handeln.»<br />

Rolf Murbach ist Context-Redaktor.<br />

rolf.murbach@kvschweiz.ch<br />

context 9 – <strong>2011</strong><br />

«Mit Statussymbolen<br />

grenzt man sich ab»<br />

Wer einen hohen Status erreicht, kann<br />

ganz frei oder ganz unfrei sein, sagt Psychologie-Professorin<br />

Ulrike Zöllner.<br />

Context: Frau Zöllner, wie wichtig ist Status<br />

für die Menschen?<br />

Ulrike Zöllner: Status gehört zur Entwicklung<br />

des Menschen. Es geht um Identitätsbildung,<br />

um die Frage: Wer bin ich?<br />

Schon im Vorschulalter vergleichen sich<br />

die Kinder. Was kann der eine? Was kann<br />

die andere? Dieses Wettbewerbsstreben<br />

dient auch dazu, sich von anderen zu unterscheiden.<br />

Die Kinder schaffen so Klarheit,<br />

wo Stärken und Schwächen sind.<br />

Und sie können einfacher abschätzen, wo<br />

sie besser werden wollen und wo sie sich<br />

nicht weiterentwickeln möchten. Die Vergleichsthematik<br />

gehört zum Menschen.<br />

Diese Vergleichsthematik ist bei den Menschen<br />

unterschiedlich ausgeprägt. Die einen<br />

streben nach einem hohen sozialen<br />

Status, anderen ist das weniger wichtig.<br />

Die Gesellschaft reagiert auf Status.<br />

Es gibt Personen, denen ist diese gesellschaftliche<br />

Wertschätzung besonders<br />

wichtig, sie verhalten sich entsprechend<br />

und streben einen hohen Status an. Dann<br />

spielt es sicher eine Rolle, wie Eltern hinsichtlich<br />

Statusfragen eingestellt sind. Ist<br />

Gleichheit oder Unterschiedlichkeit zentral?<br />

Es gibt aber auch Menschen, die unabhängig<br />

von Gesellschaft und Eltern<br />

eine hohe Gestaltungsmotivation haben.<br />

Sie wollen einfach etwas bewirken und<br />

sich vom Mainstream abheben. Aufstieg<br />

und Weiterkommen ist ihnen besonders<br />

wichtig.<br />

Welches ist denn in der Regel die Motivation<br />

weiterzukommen?<br />

Es gibt Menschen, bei denen das Erreichen<br />

eines hohen Ziels mit einem<br />

schwachen Selbstwertgefühl einhergeht.<br />

Die Statusorientierung dient in diesen<br />

Fällen der Kompensation und ist ein<br />

Hauptmotiv für das Erfolgsstreben. Bei<br />

anderen ist ein hoher Status eher eine Zugabe.<br />

Sie haben einen grossen Gestaltungswillen<br />

und sind erfolgreich. Anerkennung<br />

stellt sich dann automatisch ein,<br />

war aber nicht die Motivation.<br />

Ist es nicht etwas heikel zu sagen, wer<br />

nach einem hohen Status strebe, kompensiere<br />

ein geringes Selbstwertgefühl?<br />

Die Diskussion wird tatsächlich teilweise<br />

einseitig geführt. Ein hoher sozialer<br />

Status ist an sich ja nichts Negatives. Menschen,<br />

die etwas können und erfolgreich<br />

sind, haben in der Regel, ohne dass sie danach<br />

streben, einen höheren Status als<br />

andere. Kommt hinzu, dass Gestaltung<br />

nur möglich ist, wenn man in der Hierarchie<br />

eine relativ hohe Position innehat.<br />

Wann ist Statusstreben problematisch?<br />

Wenn man vom erreichten Status die<br />

eigene Wertigkeit ableitet. Statusmerkmale<br />

sind ja äusserlich, und sie ändern<br />

sich immer wieder. Aber natürlich sind<br />

Statusmerkmale an sich nicht negativ. Die<br />

Menschen signalisieren mit solchen<br />

Merkmalen auch Zugehörigkeit zu einer<br />

Gruppe. Status hat insofern eine Orientierungsfunktion.<br />

Sind Menschen, die einen hohen sozialen<br />

Status haben, freier?<br />

Wer einen höheren Status erreicht hat,<br />

der kann ganz frei oder ganz unfrei sein.<br />

Menschen, die um jeden Preis und des<br />

Status willen eine hohe Position anstreben,<br />

sind unfrei, weil sie nur dieses eine<br />

Ziel im Auge haben. Andere wiederum,<br />

bei denen sich ein beachtenswerter Status<br />

von alleine einstellt, erleben möglicherweise<br />

Freiheit.<br />

In den letzten Jahren ist Geld als Statussymbol<br />

immer wichtiger geworden.<br />

Womit hat das zu tun?<br />

Status ist an sichtbare Zeichen gebunden.<br />

Mit Geld beschafft man sich diese<br />

Zeichen schnell. Natürlich kann auch die<br />

Ausstrahlung eines Menschen Status signalisieren.<br />

Das läuft aber dann über die<br />

Beziehungsebene. Man müsste die Person<br />

kennenlernen. Unsere Zeit ist dafür jedoch<br />

zu schnelllebig. Gefragt ist, dass wir<br />

die Leute sehr schnell einordnen. Da beschränkt<br />

man sich halt auf die äusseren<br />

sichtbaren Signale. Viele haben es verlernt,<br />

andere Zeichen zu lesen. Persönliche<br />

Ausstrahlung, Souveränität oder Tugenden<br />

wie Bescheidenheit sind in den<br />

letzten Jahren an den Rand geraten und<br />

zählen gesellschaftlich weniger. mur<br />

Ulrike Zöllner ist Professorin am Departement Psychologie<br />

der Zürcher Hochschule für Angewandte<br />

Wissenschaften ZHAW.<br />

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