Das Kinderbuch „Hase und Mond“ erzählt die Geschichte von zwei ungleichen Freunden, die gemeinsam jede Menge Abenteuer erleben. Die Autorin flicht zudem die Entstehungsgeschichte des Buches in den Text mit ein. Denn Odilia, für die sie diese Geschichte erfunden hat, stellt viele Fragen und unterbricht die Erzählung. Lustiges Vorlesebuch für die ganze Familie.
»Hase und Mond«
Ruth Johanna Benrath und Lucie Göpfert
Kinderbuch ab 5 Jahre
15,00 € (D) | 15,50 € (A)
52 Seiten, illustriert
Hardcover, Format: 17 × 22 cm
ISBN 978-3-948417-15-4
Ruth Johanna Benrath & Lucie Göpfert
Eine
Geschichte
Odilia
für
Hase &
Mond
Für Max und Pauline, für Jamo und Merle,
für Rosa und Paul, für Mama.
Ruth Johanna Benrath
Ruth Johanna Benrath & Lucie Göpfert
Eine
Geschichte
Odilia
für
Hase &
Mond
Vorgeschichte
oder
wie alles begann ...
Odilia ist die Tochter meiner besten Freundin. Sie ist sieben Jahre alt und
wohnt in Heidelberg. Odilia und ich lieben beide Bücher. Sie liest Bücher und
ich schreibe welche. Schon lange liegt mir Odilia in den Ohren, ich solle eine
Geschichte für sie schreiben.
„Was soll denn drinstehen?“, frage ich.
„Das entscheidest du“, sagt Odilia, „du bist ja schließlich die Bücherschreiberin!“
„Und wenn mir nichts mehr einfällt?“
„Dann helfe ich dir.“
Und so machten wir es. Manchmal – und zwar dann, wenn ich mir ein
paar besonders wilde Dinge ausdachte – unterbrach mich Odilia
und sagte: „Stopp, da stimmt was nicht.“ Und ich musste über das
nachdenken, was ich gerade erzählt hatte. Die Geschichte,
die ich für sie erfunden habe, kann man hier nachlesen.
Sie gehört Odilia, denn ohne sie gäbe
es diese Geschichte gar nicht.
Die Geschichte vom
Hasen und vom Mond
Jeder kennt ja den Mond. Wenn man Glück hat und der Himmel klar ist, kann
man ihn fast jede Nacht sehen.
Wenn Vollmond ist und er über dem Heidelberger Schloss steht, kommen die Leute
von weit her, manche sogar aus Japan. Sie stellen ihre Kameras auf und warten,
bis der Mond das alte Gemäuer beleuchtet. Dann drücken sie ab. Sie wollen
schöne Fotos mit nach Hause bringen. Der Mond hat also alle Hände voll zu tun.
„Moment mal“, unterbricht mich Odilia, „da stimmt was nicht,
der Mond hat doch gar keine Hände!“
„Stimmt“, sage ich. „Also: Der Mond ist viel auf den Beinen.“
„Und er hat auch keine Beine“, bemerkt Odilia.
„Also gut“, sage ich, „noch mal von vorn. Der Mond ist immer sehr beschäftigt …“
„Ob Odilia das gelten lässt?“, frage ich mich.
4
Der Mond hat schon immer einen außergewöhnlich leichten Schlaf gehabt.
Schon als Kind lag er manchmal die ganze Nacht wach und langweilte sich.
Und weil er nachts etwas Sinnvolles zu tun haben wollte, hat sich der Mond, als er
groß war, um eine Stelle als Himmelsbeleuchter beworben. Wenn er im Dienst
ist, leuchtet er. Und wenn nicht, dann nicht. Die Arbeit macht ihm großen Spaß.
Außer wenn er tagsüber Dienst hat. Der Tagdienst bringt seine Schlafzeiten
durcheinander, denn dann muss er tagsüber wach sein und kann in der Nacht
vorher erst recht nicht gut schlafen. An solchen Tagen sieht man ihn mit
blassem, übernächtigtem Gesicht am Himmel stehen. Einmal im Monat hat
der Mond Urlaub. Dann macht er das, was er will, und schläft sich richtig aus.
Vorsichtig schaue ich Odilia von der Seite an,
nach den Gesetzen der Wissenschaft ist das alles etwas komplizierter.
Aber sie hat mich schon lange nicht mehr unterbrochen.
„Erzähl weiter“, sagt sie.
Heute hat der Mond wieder einmal Tagdienst.
Als gegen sieben Uhr abends ein Gewitter
aufkommt und sich der Himmel langsam
mit dicken Wolken zuzieht, erlaubt
ihm sein Chef, eine Viertelstunde
früher Schluss zu machen. Sein
Chef ist in diesen Dingen normalerweise
sehr korrekt und überprüft
die Arbeitszeit des Mondes genau.
Aber heute sagt er, der Mond sehe
in letzter Zeit so übermüdet aus.
Und man würde ihn zwischen den
schwarzen Wolken unten auf der
Erde sowieso nicht sehen.
Also rollt der Mond auf der Wolkenstraße nach Hause.
„Stopp“, wirft Odilia ein, „willst du mir erzählen, dass der Mond Räder hat?“
„Tja“, überlege ich, „wie bewegt sich der Mond eigentlich fort?“
Der Einfachheit halber versuche ich, es anders auszudrücken.
Der Mond schwebt nach Hause. Das wird wieder eine unruhige Nacht, brummt
er, mein Himmelbett wird wackeln und mich aus dem Schlaf schütteln!
Vorsorglicherweise hat der Mond ein besonders bequemes Bett, um sich die
Bettruhe zu erleichtern. Es besteht aus
fünf übereinandergelegten Matratzen,
zwölf Kissen und einer weichen,
warmen Decke aus Daunenfedern.
Über sein Bett hat der Mond an vier
Stäben einen Betthimmel gespannt.
Der Betthimmel besteht aus einem
Tuch aus blauer Seide, auf dem Sterne
zu sehen sind. Der Mond will im Bett
genau die gleiche Umgebung haben
wie auf der Arbeit. Das beruhigt ihn
beim Einschlafen.
„Ich brauche auch eine Beruhigung zum Einschlafen“, verrät Odilia.
„Ich habe meine beiden Kuschelhasen mit im Bett. Soll ich sie dir zeigen?“
„Gern“, antworte ich. „Mein Schlaftier werde ich ihr lieber nicht zeigen“, denke ich.
Der Bär in meinem Bett hat nämlich keine Ohren mehr. Und auch keine Schnauze,
weil ich ihn so oft geküsst habe.
Odilia kommt mit ihren beiden Hasen wieder und setzt sie neben sich
auf den Teppich. „Erzähl weiter“, fordert sie mich auf.
6
Heute macht der Mond also fünfzehn Minuten früher Schluss. Er freut sich auf
seinen Feierabend. Das einzige Gebäude, an dem er auf seinem Arbeitsweg
üblicherweise vorbeikommt, ist ein kleines, rot angestrichenes Haus, das
ganz allein auf dem Handschuhsheimer Feld steht. Jedes Mal, wenn der Mond
darüber hinwegschwebt, kann er es durch die Wolken unter sich rot leuchten
sehen. Der Mond wüsste gerne, wer darin wohnt. Er hat schon alle seine
Kollegen nach dem Häuschen ausgefragt. Einer von ihnen ist der hellste Stern
im Sternbild des Großen Bären. Wenn jemand den Überblick hat, dann er.
leider wusste auch er nichts Genaueres.
Den Mond hat es schon oft gereizt, vor dem einsamen roten Haus stehen zu
bleiben und durchs Fenster zu gucken. Er ist von Natur aus sehr neugierig.
Aber auf dem Hinweg zur Arbeit hat der Mond es immer eilig. Und auf dem
Rückweg ist er dann zu müde für einen Zwischenstopp.
Doch heute nimmt sich der Mond Zeit, bei dem roten Häuschen vorbeizuschauen.
Er verlässt seinen üblichen Weg, lässt sich ein Stück nach unten
sinken und nähert sich dem Haus. Obwohl es erst halb sechs ist, sind fast
alle Fensterläden verschlossen. „Wahrscheinlich wollen sich die Bewohner
vor dem starken Wind schützen, der um ihr Haus braust“, sagt sich der Mond.
An einem Fenster hat sich allerdings einer der beiden Fensterläden aus der
Halterung gelöst. Vom Wind wird er immer wieder aufs Neue an die Hauswand
geschleudert. Aus dem Fenster mit dem klappernden Fensterladen dringt ein
schwaches Licht. Es muss also jemand zu Hause sein! Der Mond schiebt sich
von der Seite vorsichtig an das Fenster heran, um niemanden zu erschrecken.
Oh! Was der Mond durchs Fenster sieht, kann er erst kaum glauben. Dort liegt
ein kleiner Hase im Bett.
„Halt“, ruft Odilia,
„glaubst du wirklich,
Hasen wohnen in Häusern?“
„Verflixt“, denke ich, „da habe ich
mich in etwas hineingeritten.“
Schnell erzähle ich weiter.
„So bleibt sie vielleicht am Ball“,
hoffe ich.
Der Hase hat eine
Taschenlampe in
der Hand und
leuchtet damit
an die Zimmerdecke.
Seine
Zähne klappern
mit dem Fensterladen
um die Wette und seine
Schnurrbarthaare zittern,
obwohl er die Bettdecke
bis unters Kinn gezogen hat.
Der Mond staunt über den kleinen Hasen, vor allem über seine Ohren. Solche
langen Ohren hat der Mond noch nie gesehen. Für die Hasenohren ist sogar
die Bettdecke zu schmal! Sie ragen rechts und links unter der Decke hervor
und hängen vom Kissen herunter bis über den Bettrand. Wie die Schnurrbarthaare
zittern auch die Ohren des kleinen Hasen. Der Mond kann nicht wissen,
dass die Ohren des Hasen schon bei seiner Geburt ungewöhnlich lang
gewesen sind. „Eine genetische Seltenheit“, hat die Hebamme damals zu
seiner Mutter gesagt.
9
Die Geschichte vom
Hasen und vom Mond
„Schreib mir eine Geschichte!“, wünscht sich Odilia.
Und so erzählt ihr die Freundin der Mutter vom Hasen mit
den viel zu langen Ohren und von dem neugierigen Mond, der
eigentlich nur kurz in das Fenster des Hauses schauen wollte,
das auf seinem Heimweg liegt. Doch dann soll er dem Hasen
beim großen SUPERHASEN-Wettlauf helfen, obwohl er doch
seinen Dienst am Himmel versehen muss. Und dann kommt
auch noch die Aufsichtsbehörde, um zu prüfen, ob er auch
ordentlich arbeitet …
ISBN 978-3-948417-15-4
9 783948 417154
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