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6<br />

<strong>akut</strong><br />

Von Benjamin Kovitzke<br />

Der Blick über <strong>de</strong>n Tellerrand<br />

Im neuen Referat für politische Bildung geht es<br />

um mehr als Hochschulpolitik<br />

s c h u l r e f o r m ,<br />

HochB o l o g n a - P r o z e s s ,<br />

Studiengebühren: Wer sich in <strong>de</strong>r<br />

letzten Zeit mit <strong>de</strong>n Stellungnahmen<br />

und sonstigen Äußerungen verfasster<br />

Studieren<strong>de</strong>nschaften auseinan<strong>de</strong>rgesetzt<br />

hat, kann leicht <strong>de</strong>n Eindruck<br />

gewinnen, dass es ihnen ausschließlich<br />

um Hochschulpolitik geht. Doch dieser<br />

Schein trügt. Dass <strong>de</strong>m keinesfalls so ist<br />

und es Studieren<strong>de</strong>n durchaus auch an<br />

an<strong>de</strong>ren politischen Themen gelegen<br />

ist, die auf <strong>de</strong>n ersten Blick keinen<br />

o<strong>de</strong>r nur einen geringen Bezug zu <strong>de</strong>n<br />

hochschulrelevanten Entwicklungen<br />

o enbaren, beweist nicht zuletzt die<br />

Arbeit <strong>de</strong>s Referats für Politische Bildung<br />

(PolBil).<br />

Dies kann in Bonn auf eine lange<br />

Tradition von Veranstaltungen zu <strong>de</strong>n<br />

unterschiedlichsten Themen zurückblicken.<br />

Zuletzt trat das Referat mit <strong>de</strong>r<br />

Reihe „60 Jahre Israel – Perspektiven <strong>de</strong>s<br />

jüdischen Staates“ in Erscheinung, in<br />

<strong>de</strong>ren Rahmen bis En<strong>de</strong> 2008 zahlreiche<br />

Vorträge gehalten, sowie an<strong>de</strong>re<br />

Veranstaltungen durchgeführt wor<strong>de</strong>n<br />

sind.<br />

Vom letzten AStA mit <strong>de</strong>r Begründung<br />

abgescha t, man wolle sich nun auf reine<br />

Hochschulpolitik konzentrieren, hat sich<br />

das PolBil nach <strong>de</strong>r Koalitionsbildung<br />

<strong>de</strong>s neuen AStA neu formiert und<br />

kann schon auf eine Reihe geplanter<br />

Veranstaltungen im aktuellen wie im<br />

kommen<strong>de</strong>n Semester verweisen.<br />

Matheus Hagedorny (10. Semester<br />

Warum wolltest du Referent für<br />

Politische Bildung wer<strong>de</strong>n?<br />

Ich war bereits 2008 im Referat<br />

für Politische Bildung Mitarbeiter<br />

und half dabei, missachtete o<strong>de</strong>r<br />

fragwürdig behan<strong>de</strong>lte Gegenstän<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r Ö entlichkeit zur Diskussion<br />

vorzulegen. Dazu gehörte <strong>de</strong>r<br />

Antisemitismus, <strong>de</strong>r sich aktuell meist<br />

als so genannte „Israelkritik“ präsentiert.<br />

Philosophie, Neuere sowie Verfassungs-,<br />

Sozial- und Wirtschaftsgeschichte)<br />

ist <strong>de</strong>r aktuelle Referent - also die<br />

Person, in <strong>de</strong>ren Hän<strong>de</strong>n die Fä<strong>de</strong>n<br />

zusammenlaufen. Er sitzt auch für die<br />

LUST im Studieren<strong>de</strong>nparlament und hat<br />

bereits in <strong>de</strong>r Vergangenheit im PolBil<br />

Wie je<strong>de</strong>r ordnungslieben<strong>de</strong> Mitbürger praktiziert <strong>de</strong>r<br />

PolBil-Referent die Mülltrennung<br />

mitgearbeitet (mehr dazu im Interview).<br />

Das PolBil umfasst <strong>de</strong>rzeitig acht - zum<br />

Teil allerdings nur lose assoziierte -<br />

MitarbeiterInnen, die sich etwa alle<br />

zwei Wochen tre en. Ein Nebenprojekt<br />

besteht zur Zeit in <strong>de</strong>r Erarbeitung einer<br />

Neufassung <strong>de</strong>s kritischen Rea<strong>de</strong>rs zum<br />

Thema Burschenschaften und sonstige<br />

stu<strong>de</strong>ntische Verbindungen.<br />

Die erste Veranstaltung in diesem<br />

Semester war die gut besuchte Vor-<br />

Das Interview führte Benjamin Kovitzke mit Matheus Hagedorny<br />

Bei unserer sehr gut besuchten Veranstaltungsreihe<br />

„60 Jahre Israel“ konnte<br />

einem interessierten Publikum die<br />

singuläre Situation <strong>de</strong>s jüdischen<br />

Staates nahe gebracht wer<strong>de</strong>n. Mir<br />

wur<strong>de</strong> anlässlich einiger antisemitischer<br />

Ausbrüche auch in <strong>de</strong>r Linken vor Augen<br />

geführt, wie dringend notwendig es ist,<br />

eine Kritik <strong>de</strong>s routinierten <strong>de</strong>utschen<br />

Volksemp n<strong>de</strong>ns zu ermöglichen. Ich<br />

möchte nun die Debatte in an<strong>de</strong>ren<br />

führung <strong>de</strong>s Films „Ein Leben für ein<br />

Leben – Adam Hun<strong>de</strong>sohn“ am 22. April,<br />

eine israelisch-<strong>de</strong>utsche Produktion, die<br />

sich mit <strong>de</strong>n psychischen Folgen <strong>de</strong>s<br />

Holocaust für <strong>de</strong>ssen Opfer befasst.<br />

Die nächste Veranstaltung am 18.<br />

Mai befasste sich mit <strong>de</strong>n sich nun<br />

jähren<strong>de</strong>n Proteste gegen das Mullah-<br />

Regime im Iran unter <strong>de</strong>m Titel „Talking<br />

about Revolution – Über <strong>de</strong>n Aufstand<br />

im Iran und <strong>de</strong>n Zerfall eines Unstaates“.<br />

Im Juni n<strong>de</strong>t gleich eine ganze Reihe<br />

von weiteren Veranstaltungen statt.<br />

Die Themen reichen dabei von <strong>de</strong>r<br />

historischen Betrachtung <strong>de</strong>s irregulären<br />

Kämpfers (15. Juni)<br />

über die Dialektik<br />

<strong>de</strong>r Aufklärung in<br />

<strong>de</strong>r Musik (Termin<br />

wird noch bekannt<br />

gegeben) bis zum<br />

Avantgar<strong>de</strong>-Film (10.<br />

Juni) und knüpfen<br />

damit teilweise an<br />

die Kulturindustrieveranstaltungsreihe<br />

<strong>de</strong>r stu<strong>de</strong>ntischen<br />

Gruppe Georg Elser<br />

an, in <strong>de</strong>ren Rahmen<br />

im vergangenen<br />

Jahr schon mehrere<br />

gut besuchte Veranstaltungen<br />

in Bonn<br />

durchgeführt wor<strong>de</strong>n<br />

sind. Im folgen<strong>de</strong>n<br />

Semester sollen<br />

Vertriebenenverbän<strong>de</strong>, Burschenschaften<br />

o<strong>de</strong>r auch das Geschlechterverhältnis<br />

Anlass für weitere Vorträge<br />

und Diskussionen geben. Alle<br />

Veranstaltungen wer<strong>de</strong>n sowohl in <strong>de</strong>n<br />

Räumen <strong>de</strong>r Uni mit Plakaten beworben<br />

sowie auf <strong>de</strong>r Internetseite <strong>de</strong>s AStA<br />

bekannt gegeben.<br />

Fel<strong>de</strong>rn anstoßen, konkret die Kritik<br />

<strong>de</strong>r Kulturindustrie, <strong>de</strong>r politischen<br />

Gewalt, <strong>de</strong>s Geschlechterverhältnisses,<br />

<strong>de</strong>s transnationalen Geschichtsrevisionismus<br />

und nicht zuletzt <strong>de</strong>r<br />

stu<strong>de</strong>ntischen Verbindungen erö nen<br />

und diskutieren lassen.<br />

Was heißt für Dich Politische Bildung?<br />

Zunächst wäre zu fragen, was Bildung<br />

eigentlich ist o<strong>de</strong>r sein sollte. Bildung ist,<br />

Es gibt gute Grün<strong>de</strong>, auf die Teilnahme<br />

an Wahlen zu verzichten. Das liegt nicht<br />

zuletzt an <strong>de</strong>r hässlichen Unsitte vieler<br />

Warum bist du dann Spitzenkandidat<br />

<strong>de</strong>r LUST und trittst selbst zu Wahlen<br />

an?<br />

Dafür gibt es keine saubere Recht-<br />

Die Gegenposition von PD Dr. Marcus Höreth<br />

<strong>akut</strong><br />

wenn sie erfolgreich ist, eine zwanglose Demokraten, mir bei <strong>de</strong>r Nichtteilnahme fertigung. Je<strong>de</strong> Wahlbewerbung ist<br />

Selbst-Bestimmung gegenüber seiner ein schlechtes Gewissen bereiten zu notwendig i<strong>de</strong>ologisch. Die LUST bittet<br />

sozialen Umgebung, ihren Produkten wollen. Ist Wählen <strong>de</strong>nn nicht mein die Wähler, am AStA partizipieren<br />

und <strong>de</strong>r - eigenen - Natur. Die Hoch- Recht, mit <strong>de</strong>m ich anfangen kann, zu dürfen, welcher strukturell <strong>de</strong>n<br />

schule zielt dagegen<br />

darauf ab, ihr „Politische Bildung ist ein Anspruch, <strong>de</strong>n<br />

was ich<br />

will? Die<br />

stu<strong>de</strong>ntischen Elendsselbstverwalter<br />

spielt. Es ist das Elend <strong>de</strong>r politischen<br />

lebendiges<br />

rieur nach<br />

InteAner-<br />

<strong>de</strong>r Gesetzgeber an einen AStA stellt.“<br />

Praxis, schon bei <strong>de</strong>r Formulierung<br />

ihres Unbehagens als konformer Ver-<br />

kennungstiteln streben und <strong>de</strong>rgestalt politische Szene legt mir zu<strong>de</strong>m nahe, besserungsantrag bei Uni, Land o<strong>de</strong>r<br />

ausbil<strong>de</strong>n zu lassen. Sie wird uns mit dass es scheinbar nur schlechte Motive<br />

Bund anklopfen zu müssen. Wenn<br />

standardisierten Abschlüssen ausstatten, für <strong>de</strong>n Urnengang gibt. Wenn die Bürger man als Einzelner verkün<strong>de</strong>t, über die<br />

ob unsere jeweilige Selbst-Bestimmung mal wie<strong>de</strong>r genötigt wer<strong>de</strong>n sollen, ihre eindringlichen Leistungsanfor<strong>de</strong>rungen<br />

letztlich gelungen ist o<strong>de</strong>r nicht. Der Stimme abzugeben, um sie nicht selbst Angst zu bekommen o<strong>de</strong>r zu verblö<strong>de</strong>n,<br />

Arbeitsmarkt o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ren <strong>de</strong>utsche erheben zu müssen, dann muss es die wäre das zwar angemessen. Aber auch<br />

Parodie wird dann über uns be n<strong>de</strong>n. Warnung vor <strong>de</strong>m Stalinismus o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n beim Protest gegen - aka<strong>de</strong>mische -<br />

„Politische Bildung“ ist ein Anspruch, Nazis sein. Dass<br />

<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Gesetzgeber an einen AStA man <strong>de</strong>swegen „Ist Wählen <strong>de</strong>nn nicht mein Recht, mit<br />

stellt und damit per se keine zwanglose<br />

Einladung zur Vervollkommnung <strong>de</strong>r<br />

Vertrauen<br />

gen<strong>de</strong>iner<br />

zu ir-<br />

Partei<br />

<strong>de</strong>m ich anfangen kann, was ich will?“<br />

menschlichen Gattung. Ich versuche, einschließlich <strong>de</strong>r Linken entwickeln<br />

Zumutungen gibt es das hartnäckige<br />

etwas im guten Sinne Ätzen<strong>de</strong>s in diese sollte, die alle auf ihre Art etwa zur<br />

Ritual, sich für die Einheit einer entschlos-<br />

entschlos-<br />

verdorbene Konstellation zu bringen. <strong>de</strong>r Abscha ung <strong>de</strong>s Asylrechts o<strong>de</strong>r senen Bewegung entindividualisieren<br />

zur nationalen Abschottung vor aus- zu müssen. Die LUST ist <strong>de</strong>r notwendig<br />

Eine indiskrete Frage aus Anlass <strong>de</strong>r ländischen „Fremdarbeitern“ und „Heu- unvollkommene Versuch, diese<br />

anstehen<strong>de</strong>n Wahlen: Willst du uns schrecken“ ihren Beitrag leisten, ist aber Probleme anzureißen und die Kritik<br />

als Referent für politische Bildung eine absur<strong>de</strong> Einschätzung.<br />

an ihnen zu organisieren. Hil os muss<br />

verraten, wem du <strong>de</strong>ine Stimme gibst?<br />

ich antworten, dass die LUST das<br />

Schlimmste aufhalten möchte. Dass sie<br />

sich dabei sehen<strong>de</strong>n Auges einspannen<br />

lässt, ist genauso wahr.<br />

Ich n<strong>de</strong>, die Aussage [zum<br />

Wahlverzicht]* <strong>de</strong>s Studieren<strong>de</strong>n ist in<br />

vielerlei Hinsicht falsch. Empirisch wie<br />

normativ. Dazu einige Anmerkungen:<br />

1. Durch <strong>de</strong>n Wahlakt wer<strong>de</strong>n die<br />

politischen Entscheidungsträger an ihre<br />

Konstituenten, an ihre WählerInnen,<br />

rückgekoppelt. Ohne diese<br />

Rückkopplung kann ein politisches<br />

Gemeinwesen nicht <strong>de</strong>mokratisch<br />

organisiert wer<strong>de</strong>n. Ein besseres Motiv<br />

für <strong>de</strong>n Wahlakt kann es kaum geben.<br />

Alternativ könnte man ja wichtige<br />

politische Ämter auch per Losentscheid<br />

vergeben. Fin<strong>de</strong> ich persönlich aber<br />

nicht so gut.<br />

2. Wählen gibt auch jenen eine<br />

Chance politischer Partizipation,<br />

die ansonsten wenig Zeit, Macht<br />

und sonstige Ressourcen zur<br />

Verfügung haben, um Ein uss auf die<br />

politische Agenda zu nehmen. Ohne<br />

funktionieren<strong>de</strong> Wahlen wür<strong>de</strong>n<br />

mächtige Interessengruppen und<br />

Lobbyisten die Entscheidungs ndung<br />

dominieren – manche von ihnen<br />

wür<strong>de</strong>n ihre <strong>de</strong>mokratisch nur<br />

unzureichend legitimierten politischen<br />

Ambitionen unter <strong>de</strong>m Deckmantel<br />

<strong>de</strong>r „Zivilgesellschaft“ verstecken<br />

(siehe die „postparlamentarische“<br />

Verbrämung <strong>de</strong>r Europäischen Union).<br />

Keineswegs nur theoretisch ist zu<strong>de</strong>m<br />

die Möglichkeit, dass <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m<br />

Wahl- und damit Demokratieverdruss<br />

verbun<strong>de</strong>ne Ein usszuwachs mächtiger<br />

Einzelinteressen eine stärkere<br />

Nachfrage nach populistischen und<br />

extremistischen Angeboten generiert.<br />

Deren politisches (Führungs-) Personal<br />

gibt dann gerne mal vor, im Gegensatz<br />

zu <strong>de</strong>n miteinan<strong>de</strong>r zanken<strong>de</strong>n Parteien<br />

<strong>de</strong>s politischen Mainstreams <strong>de</strong>n<br />

„wahren Volkswillen“ zu verkörpern. In<br />

bei<strong>de</strong>n Fällen: Bürger wer<strong>de</strong>n (wie<strong>de</strong>r)<br />

zu Untertanen – und die Demokratie<br />

dankt ab. Wür<strong>de</strong> mir ebenfalls nicht so<br />

gut gefallen.<br />

3. Niemand sollte allerdings zum<br />

Wählen verp ichtet sein (wie in Belgien<br />

z.B.). Es gibt ein „Menschenrecht“ auf<br />

Nichtpartizipation. Natürlich sollte man<br />

BürgerInnen, die nicht wählen gehen<br />

(wollen), kein schlechtes Gewissen<br />

einre<strong>de</strong>n. Nichtwählen kann durchaus<br />

rational sein – mich persönlich<br />

überzeugt das politische Angebot <strong>de</strong>r<br />

miteinan<strong>de</strong>r im Wettbewerb stehen<strong>de</strong>n<br />

Parteien auch nicht immer restlos. Zwar<br />

7

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