Die Rehobother Baster als anthropologische ... - Golf Dornseif
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<strong>Die</strong> <strong>Rehobother</strong> <strong>Baster</strong> <strong>als</strong> <strong>anthropologische</strong> Studienobjekte<br />
Was Dr. Fischer um 1908 erforschen wollte<br />
von <strong>Golf</strong> <strong>Dornseif</strong><br />
Im Sommer und Herbst 1908 verbrachte Dr. med. Eugen Fischer (1874 – 1967) vier Monate beim Volk<br />
der <strong>Baster</strong> in Rehoboth, protegiert von der Humboldt Stiftung der Königlich Preussischen Akademie<br />
der Wissenschaften (Berlin) sowie der Rheinischen Missionsgesellschaft (Barmen). Fischer studierte in<br />
Freiburg, München und Berlin Medizin, Volkskunde, Ur- und Frühgeschichte.<br />
Was wollte er dort? "Eine Reihe Faktoren, starke und dauernde Einflüsse sowie gleichmässige,<br />
eigentümlich wirkende Verhältnisse haben es fertig gebracht, dass hier durch friedliche Mischung eine<br />
deutlich abgrenzbare Mischbevölkerung entstand, die festen fassbaren Charakter, feststehende, mit<br />
Stammbäumen belegbare Mischungsverhältnisse besitzt, die ein eigenes Leben, eigene Geschichte<br />
und schliesslich soziale und völkische Selbständigkeit aufwies – kurz zu einem neuen Volk, dem<br />
<strong>Baster</strong>-Volk wurde ..." (Vorwort zum Standardwerk).<br />
Was ist Bastard-Biologie?<br />
Tonfiguren aus den Händen<br />
von <strong>Rehobother</strong> <strong>Baster</strong>-<br />
Kindern verraten bemerkenswertes<br />
Geschick, entstanden<br />
um 1908 in der Gemeinde<br />
südlich von Windhoek.<br />
In der Einleitung zu seinem Standardwerk schreibt Fischer unter anderem: "Es kann niemand von den<br />
Mängeln und Lücken dieses Versuchs einer Bastard-Biologie besser überzeugt sein <strong>als</strong> der Verfasser,<br />
aber er hofft, die Neuheit dieses Schrittes, erstm<strong>als</strong> eine typische Bastardpopulation zu untersuchen,<br />
wird alle Unvollkommenheiten milde und nachsichtig beurteilen lassen ... 'Vorgänge an Rassen sind<br />
von unendlicher Bedeutung für die Entstehung, die Geschichte und Leistungen der Völker ... und doch<br />
so wenig erkannt, wieviel auch darüber geschrieben ... und gefaselt wird!"<br />
Fischer versuchte (<strong>als</strong> studierter Mediziner) das <strong>Baster</strong>-Volk rund um Rehoboth (DSWA) zu zeichnen,<br />
wie es 1908 lebte, vielleicht auf dem "Gipfel seines Daseins <strong>als</strong> Volk". Und der Forscher urteilte<br />
weitblickend: "Ob sich die <strong>Baster</strong>-Nation politisch und bio-anthropologisch wird halten können, ist sehr<br />
die Frage ..."<br />
In der damaligen Feldforschung standen Fischer 310 anthropologisch untersuchte Männer, Frauen und<br />
Kinder aus dem <strong>Baster</strong>-Volk zur Verfügung. 23 Stammbäume konnten durch Studium der Taufregister,<br />
Akten und Befragungen zusammengestellt werden, sodass zahlreiche Ahnentafeln zustande kamen.<br />
Rund 100 Jahre nach der Gründung der "Stadt am Kap" (1651/1652) beherbergte das Land 4000<br />
europäische Kolonisten, darunter 1500 Angestellte der niederländisch-ostindischen Compagnie. Hinzu<br />
kamen zahllose Sklaven – mehr Sklaven <strong>als</strong> Europäer. <strong>Die</strong> meisten Weissen lebten in Kapstadt und
Umgebung, aber es gab auch mutige Siedler voller Abenteuer- und Jagdlust, stets auf der Suche nach<br />
verlockendem Farmland, nach Gewinn bringenden Handelsbeziehungen mit Einheimischen – das<br />
lockte die "burghers". 1760 überschritt Jacobus Coetzee <strong>als</strong> erster Europäer den Oranje-Fluss<br />
während einer Jagd-Expedition.<br />
Bis vor die Häuser grösserer europäischer Ansiedlungen im Süden streiften dam<strong>als</strong> Buschmänner in<br />
grossen Familienverbänden. Hottentotten und Weisse drängten nordwärts und trieben die<br />
Buschmänner in die Enge, die eigentlichen Ureinwohner. Im Distrikt Stellenbosch (dam<strong>als</strong> Nordgrenze<br />
genannt) machten die Buschmänner Jagd auf jede unbewacht weidende Rinderherde. "Commandos"<br />
zogen aus und schossen die Viehräuber zu Hunderten ab, unterstützt von den Hottentotten, die sich<br />
immer mehr in ihrer Lebensweise den Buren näherten – mit Waffen, Werkzeugen, eigener<br />
Rechtsprechung und eigenen Truppen – Pandours – unter weisser Führung (1795 Jan Gerhard<br />
Cloete).<br />
Halbblutkinder und Treckburen<br />
<strong>Die</strong>se Puppen wurden von<br />
<strong>Baster</strong>-Mädchen gefertigt mit viel<br />
Fantasie und Fingerspitzengefühl,<br />
ebenfalls um 1908 gebastelt.<br />
Da die Buren und Hottentotten <strong>als</strong> Viehbesitzer den gleichen Feind vor Augen hatten – die<br />
einheimischen Viehräuber vom Volk der San – entstand über alle Rassenschranken hinweg eine<br />
"Arbeitsgemeinschaft" mit wechselseitiger Unterstützung im Alltag und vor allem in Notlagen.<br />
"Schutznähe" war überlebensnotwendig für alle. Andererseits sollte Rücksicht genommen werden auf<br />
die eigentümliche Weidewirtschaft und Wasserversorgung in Südafrika, wodurch geschlossene Dörfer<br />
(wie in Europa) nirgendwo zustande kommen konnten. Man musste seine Herden auf riesigen Flächen<br />
weitläufig weiden lassen, in der Trockenzeit den nach und nach versiegenden Wasserstellen<br />
nachziehen und die ergiebigsten für Extremsituationen "reservieren". Das zwang zum Zug nach<br />
Norden, stets in Etappen.<br />
Meist pachteten die Buren Jahr um Jahr das Weideland und zogen weiter, wenn es abgegrast war. Der<br />
Gouverneur versuchte vergeblich, seine hart gesottenen Landsleute sesshafter zu machen. 1724<br />
verbot ein neues Gesetz bei hoher Strafandrohung das Wegziehen ohne Erlaubnis des Gouverneurs<br />
oder der Landroste, doch die Rinderzüchter gingen unbeirrt weiter nach Norden und 1727 musste<br />
schliesslich das Gesetz annulliert werden.<br />
Das war kein Leben für weisse Frauen, das war eine ständige Strapaze unter härtesten Bedingungen.<br />
Es darf nicht verwundern, dass in dieser Atmosphäre nach und nach immer mehr Halbblutkinder zur<br />
Welt kamen, gezeugt von Burenvätern mit Hottentotten-Frauen in ehelicher Gemeinschaft mit<br />
geistlichem Segen. Es waren "rechtmässige" Nachkommen, zugegeben Bastardkinder, jedoch<br />
willkommen und überall geachtet. <strong>Die</strong>ser Stolz schuf im Bastardsohn das Gefühl: "Ich bin ein echter<br />
Sohn des weissen Mannes, und ich bin kein Eingeborener sondern ein Bastard in Ehren mit dem<br />
Namen meines Vaters ..."<br />
<strong>Die</strong>se ersten "<strong>Baster</strong>" (auf Niederländisch) heirateten wiederum Mischlingsmädchen gleicher Herkunft<br />
(möglichst hellhäutig), aber niem<strong>als</strong> "echt-schwarze Hottentotten-Mädchen". Bereits ab 1775
verzeichnen Chroniken "eine grosse Zahl Halbblut unter dem Burenvolk". Ledige junge Buren trieben<br />
ihre Herden immer weiter nach Norden, lernten Hottentotten-Familien kennen, wehrten gemeinsam<br />
räuberische Buschmänner ab zum Schutz ihrer Rinder, und fanden die jungen Nachbarmädchen<br />
attraktiv. Allmählich formierten sich Weide-Genossenschaften aus Buren und Hottentotten bei<br />
Rehoboth, und nördlich der Karree-Berge entstanden lebhafte <strong>Baster</strong>-Gemeinden.<br />
"Es gelang mir, durch Sammeln der erstaunlich lebendigen Tradition dieser <strong>Baster</strong> deren Ahnenreihen<br />
festzustellen" berichtet der Forscher Dr. Eugen Fischer in seinen Aufzeichnungen. "Meist können die<br />
Männer und Frauen die Namen der Gross- und Urgrosseltern, auch die Mädchennamen der<br />
betreffenden Mütter, lückenlos erzählen ..."<br />
<strong>Baster</strong>-Mütter mit ihren Kindern: Links oben Mechil, Anna und Margarethe <strong>Die</strong>rgaart, rechts oben<br />
die Kinder von Matthias <strong>Die</strong>rgaart, links unten Sanna Dewald und Margarethe Bok, rechts unten<br />
Hendrina Rietmann, Otto, Emilie und Frieda Johr.
Sanna Vrey, geborene Orlam Anna Maria Koopman<br />
Aufschlussreich ist das folgende "Verzeichnis der alten Familien, aus denen einzelne Männer noch in<br />
der Kapkolonie ins spätere <strong>Rehobother</strong> <strong>Baster</strong>volk aufgingen":<br />
Name Herkunft<br />
Benz (Baynes) angeblich Brite<br />
Beukes Niederländer<br />
Beylefeld Niederländer<br />
Bezuidenhoet Niederländer<br />
Bok Wolffenbüttel<br />
Claasen Niederlande<br />
Cloete Niederlande<br />
Coetzee Niederlande<br />
<strong>Die</strong>rgaart Unbekannt<br />
Dragooner Unbekannt<br />
Engelbrecht Ostfriesland<br />
Eymann Bramsche (Osnabrück)<br />
Keyser Mannheim<br />
de Klerk Niederlande<br />
Kleya Niederlande<br />
Kok (Koch) Sachsenhausen<br />
Koopman Niederlande<br />
Krüger Berlin<br />
Maasdorp Pasewalk<br />
Morkel Hamburg<br />
Moos Niederlande<br />
Vrey Montabaur<br />
Wimmer Deutscher Missionar<br />
Van Zyl Niederlande<br />
37 Männer sind <strong>als</strong> burische "Stammväter" identifizierbar, im einzelnen 17 Niederländer, 11 Deutsche,<br />
andere unbekannt. Manche niederländische Familiennamen könnten auch deutscher Herkunft sein –
summarisch kann man sagen, dass ein Drittel aus Deutschland stammen. Folgende Familiennamen –<br />
offensichtlich deutscher Orientierung – kommen ebenfalls im <strong>Baster</strong>volk vor:<br />
Eisenmarck, Fledermaus, Forster, Frieslar, Gertze, Goldammer, Gumpert, Hanse, Heikamp, Jantze,<br />
Knittel, Kümmel, Meyer, Mögle, Ritter, Schaal, Schluckwerder, Wustrich.<br />
<strong>Die</strong> Familie Gertze – zum Beispiel – geht auf einen aus der Kapkolonie stammenden Halbblutmann<br />
zurück, den die Missionare Hahn und Kleinschmidt <strong>als</strong> Gehilfen mitgebracht haben. – Familie Bok<br />
stammt von einem aus Wolffenbüttel in die Kapkolonie eingewanderten Mann ab und weist in ihrem<br />
<strong>Baster</strong>stamm auf einen Christian Bok, 1786 getauft. Seine beiden <strong>Baster</strong>söhne heirateten nicht<br />
<strong>Baster</strong>mädchen, sondern ebenfalls Hottentottinnen.<br />
Das ursprüngliche <strong>Baster</strong>land<br />
Drei <strong>Baster</strong>-Mütter mit ihren Kleinkindern<br />
in burischer Tracht mit Schuten-Hüten.<br />
Während das gegenwärtige Siedlungsgebiet der <strong>Baster</strong> mit keinen Vorrechten (mehr) verbunden ist,<br />
umfasste um 1910 das <strong>Baster</strong>-Territorium ungefähr 20.000 qkm und wurde häufig mit dem<br />
Grossherzogtum Baden (in der Ausdehnung allein) verglichen. Immerhin gab es dam<strong>als</strong> eine<br />
sogenannte Besitzstandskarte des Gouvernements in Windhoek (mit wiederholten Revisionen).<br />
Ein Blick in die Bibel lehrt, dass man im Ersten Buch Mose, Kapitel 26, eine Spur zur Namengebung<br />
findet. In moderner Sprache übersetzt ist dort nachzulesen, dass "Isaak <strong>als</strong> erfolgreicher Viehzüchter<br />
und Landwirt den Neid der Philister erregte, sodass sie alle seine Brunnen verstopften und somit<br />
unbrauchbar machten, dass sie ihn sogar zur Umsiedlung drängten wegen seines provozierenden<br />
Wohlstands (gestützt auf das väterliche Erbe) ..." Dann kam es immer wieder zu Streitigkeiten um<br />
Wasserrechte mit anderen Siedlern.<br />
Vers 22 verrät das glückliche Ende: "Da machte er sich von dannen und grub einen weiteren Brunnen<br />
(ohne weiteres Gezänk) ... <strong>als</strong>o hiess er ihn REHOBOTH. "Nun hat uns der Herr Raum geschaffen und<br />
uns wachsen lassen im Land ...."<br />
Am 13. März 1872 verabschiedeten die <strong>Baster</strong> in ihrer neuen Heimat Rehoboth unter anderem eine<br />
Reihe von Gesetzen "über Branntwein, Schulden, Gebrauch von fremdem Gut in Notlagen, Heiraten<br />
und Gartengrundstücke". In den Gesetzen über die Ehe heisst es dann im einzelnen:<br />
"Wer seine Frau ohne Ursache (Begründung) verlässt, muss sein Hab und Gut zurücklassen, das dann<br />
der Frau zuerkannt wird. Das gilt auch, wenn eine Ehefrau ihren Ehemann ohne rechtmässige Gründe<br />
verlässt...
Für ein Kind, das ausserhalb der Ehe geboren wird, muss der Vater, wenn dieser ein verheirateter<br />
Mann ist, oder wenn er unverheiratet ist und die Mutter zu heiraten versprochen hat, acht Pfund<br />
Sterling für das Grossziehen des Kindes zahlen, wenn die Mutter klagt ...<br />
Wer seine Ehefrau misshandelt, so dass es zu einer Klage kommt, soll durch die Richter eine Busse<br />
von drei bis fünf Pfund Sterling auferlegt bekommen, und wenn es sich um eine lebensgefährliche<br />
Misshandlung handelt, sollen die Richter den Fall strafrechtlich: verfolgen ...<br />
Am 15. September 1885 kam ein Schutz- und Freundschaftsvertrag zwischen Rehoboth und<br />
Deutschland zustande. Im ersten Artikel dazu ist nachzulesen, dass Hermanus van Wyk den<br />
deutschen Kaiser Wilhelm II. um Schutz für Rehoboth und seine Menschen bittet. Im zweiten Artikel<br />
erkannte der deutsche Monarch die bereits erworbenen Rechte und die Unabhängigkeit Rehoboths an,<br />
ebenso die "Freiheit der <strong>Baster</strong>".<br />
Anthropologie einst und jetzt<br />
Der Forscher Dr. Eugen Fischer, vor 100 Jahren <strong>als</strong> einer der Urgrossväter der modernen<br />
Anthropologie angesehen, berichtet in seinem 1908 verfassten Standardwerk über vieles, was<br />
heutzutage nur noch mit Kopfschütteln quittiert wird:<br />
"Jeder Kenner der <strong>Baster</strong> wird mir zugeben, dass ihre Untersuchung keine Leichtigkeit ist, und das<br />
Gouvernement in Windhoek hatte mir direkt abgeraten und eine solche Untersuchung <strong>als</strong> kaum<br />
durchführbar bezeichnet. Tatsächlich steht der Rehoboth <strong>Baster</strong> kulturell zu hoch, um sich so ohne<br />
weiteres wie Eingeborene untersuchen zu lassen. Ein älterer angesehener Mann fragte mich einmal,<br />
warum ich meine Studien nicht gerade so gut am Missionar und Oberleutnant (Distriktchef) praktiziere,<br />
denn die <strong>Baster</strong> seien schliesslich ja auch keine Wilden ..."<br />
Auf diese Gefühle musste ich Rücksicht nehmen, wollte ich nicht den ganzen Erfolg aufs Spiel setzen.<br />
Es war unmöglich, nackte Menschen zu vermessen, aber das war für meine Zwecke auch nicht<br />
erforderlich. Fotografien der Köpfe genügen vollkommen. Dass ich ans Ziel gelangte, verdanke ich vor<br />
allem dem Missionar Blecher. Er machte den Leuten klar, dass ich nichts Böses wolle und dass ich<br />
vielleicht zeigen könne, dass die <strong>Baster</strong> "anders" – wie sie hofften und wollten – "besser" seien <strong>als</strong><br />
"Eingeborene". Das packte sie am Stolz und machte sie zur Mitarbeit bereit, vor allem die Männer.<br />
Meinerseits galt es dann nur, ihr Vertrauen zu gewinnen, <strong>als</strong> Arzt und <strong>als</strong> Mensch, dass ich weder <strong>als</strong><br />
Kaufmann noch <strong>als</strong> Farmer an ihnen verdienen wolle und mit der Regierung nichts zu tun habe, wobei<br />
ihr Misstrauen wegen Steuern mitspielt. Und sie merkten, dass ich <strong>als</strong> Mann keine Abenteuer mit<br />
Frauen suchte!"<br />
Zu Eugen Fischers Forschungsinstrumenten zählten Anthropometer, Taster- und Schiebezirkel, die<br />
Augenfarbetafel nach Martin, eine Hautfarben- und Haarfarbentafel. Hinzu kam eine englische<br />
Sanderson Tropenkamera (10,2 mal 12,6 cm) mit Agfa-Platten.<br />
Geburt, Kindheit, Hochzeit<br />
Einer jungen deutschen Kaufmannsfrau, die mit Hilfe von <strong>Baster</strong>-Hebammen einen Knaben zur Welt<br />
brachte, verdankt Eugen Fischer nähere Angaben über Schwangerschaft und Geburt: "Gegen jede<br />
Beschwerde der Schwangeren wird massiert, so vor allem gegen das Erbrechen. <strong>Die</strong> <strong>Baster</strong>-Frauen<br />
nehmen an, das Kind drücke auf den Magen der werdenden Mutter, weil es ungünstig liegt. Ins Bein<br />
ziehende Schmerzen werden ähnlich (mit warmem Öl) behandelt – mal sanft mit der flachen Hand, mal<br />
energisch mit der geschlossenen Faust. <strong>Die</strong>s alles ist nach Schilderungen der deutschen<br />
Kaufmannsfrau sehr erfolgreich und nachahmenswert. Offensichtlich haben die <strong>Baster</strong> diese Art von<br />
Gesundheitspflege von den Hottentotten übernommen.<br />
Verläuft eine Geburt nur mühsam, wird ebenfalls eifrig massiert. Manuelle Eingriffe und Hilfe, Einführen<br />
von Hand oder Finger in die Geburtswege finden nie statt. Wenn der Kopf durchtritt, wird er etwas<br />
angehalten. Wird der Hinterkopf sichtbar, muss die Frau stark mitpressen, denn die nächste Wehe soll
den Kopf und das Kind herausbefördern "sonst erstickt es". Bei einer schweren Geburt muss die<br />
Gebärende knien, sich vorbeugen und eine Sturzgeburt forcieren.<br />
Zu den beliebtesten Kinderspielen der <strong>Baster</strong>-Jugend – um 1900 – zählte das "Frachtfahren". An eine<br />
kleine Kiste wird eine lange Schnur gebunden, die Zugkette. Daran geknüpft ist von Strecke zu Strecke<br />
ein Querhölzchen, die Joche. Links und rechts bindet man den H<strong>als</strong> einer entleerten Sektflasche<br />
(liegend) ... und es ergeben sich sechs bis acht solcher eingejochten "Zugochsen". Das Schnurende<br />
vor dem vordersten Paar (Zugochsen) musste ein kleiner Junge führen (und ziehen), während der<br />
Tauleiter – ein älterer Knabe mit langer Peitsche – lau rufend, nebenher ging, manchmal mit einer<br />
Tabakpfeife im Mundwinkel (nach dem Vorbild der Erwachsenen). Jede leere Flasche hat – <strong>als</strong> Ochse<br />
– einen Rufnamen und wird direkt angesprochen wie beim Treck. <strong>Die</strong> Jungen modellieren auch<br />
Spielzeug aus Ton (wie die Hottentotten ), naturalistisch geformte Tiere der Umwelt, während den<br />
Mädchen originelle Puppen aus Stoffresten am Herzen liegen.<br />
"Hier lässt sich eine interessante Erscheinung beobachten" berichtet der Forscher weiter über die<br />
Herstellung der Tonfiguren (von Tieren aller Arten). "So ein kleiner Kunsthandwerker musste dam<strong>als</strong><br />
für seine Herde zahlreiche Ochsen <strong>als</strong> Serie formen und mancher bevorzugte deshalb ein abgekürztes<br />
Verfahren – er modellierte nur noch die Köpfe, den H<strong>als</strong> und den charakteristischen, an einen Buckel<br />
erinnernden Widerrist, wenn der Ochse mit vorgebeugtem Kopf zieht. Alles andere, <strong>als</strong>o Rumpf und<br />
Glieder, ging in einem nicht mehr modellierten Zapfen aus. <strong>Die</strong> lebenswahre Einzelfigur (des<br />
Zugochsen) wird zu einem Schema, einem Symbol. Wo viele (Tiere) nebeneinander treten, genügt die<br />
Andeutung, das Markieren einiger Charakteristika.<br />
Klas Witbooi Jacobus Vries
Eugen Fischer bemühte sich während seiner <strong>anthropologische</strong>n Studien ebenfalls um die<br />
Dokumentation von Liedern, Gedichten und Erzählungen aus dem <strong>Baster</strong>-Umfeld. Hier ein Beispiel,<br />
übertragen (aus dem Kapholländischen) in die deutsche Sprache:<br />
Es ist angenehm ein Jüngling zu sein,<br />
Es ist angenehm ein Jüngling zu sein,<br />
Als ich Jüngling war, hatte ich Geld im Beutel,<br />
Aber jetzt bin ich alt und ausgelaugt.<br />
Tagsüber laufe ich auf den Strassen rum,<br />
Tagsüber laufe ich auf den Strassen rum,<br />
Aber ich darf nicht spekulieren,<br />
Wie es den jungen Mädchen so gefällt,<br />
Sonst wäre meine Alte ziemlich ärgerlich!<br />
Es ist besser, ein weisser Mann zu sein,<br />
Es ist besser, ein weisser Mann zu sein,<br />
Dann spielte ich selber den Boss<br />
Und hätte genügend Knete im Säckel,<br />
Dann bliebe ich rundlich und stets gesund!<br />
Es ist traurig ein <strong>Baster</strong> zu sein,<br />
Es ist traurig ein <strong>Baster</strong> zu sein,<br />
Weil jeder von uns so scheel in die Welt guckt,<br />
Und alles sich nur auf die Stimme beschränkt ...<br />
Heilmittel und Heilkunst<br />
Rheumatische Erkrankungen werden beim <strong>Baster</strong>-Volk meistens mit Kataplasma behandelt. Warme<br />
Kuhmist-Umschläge stehen hoch im Kurs. Bei Schwellungen der Gelenke oder Fussproblemen muss<br />
der Patient in einen heissen Magen einer gerade geschlachteten Kuh treten. Fischer beobachtete<br />
einen Fall von chronischem Rheumatismus des Kniegelenks: Der Kranke steckt sein Bein in einen<br />
Eimer voller Kuhmist, angerührt mit Sand und Wasser und stark erhitzt! Als Mediziner hatte Fischer<br />
allerdings grosse Bedenken bei der Beobachtung von Behandlungen des Auges: Kuhmist-Umschläge<br />
zur Heilung von Bindehaut-Entzündungen (Konjunktivitis) konnten eher Unheil anrichten ...<br />
Warme Steine, auf Herz und Magen plaziert, wirkten wie Brei-Umschläge. Geröstete Schalen von<br />
Strausseneiern wurden auf dem Reibstein pulverisiert, mit Wasser in Brei verwandelt und bei Fieber<br />
auf den Kopf gelegt. Erste Hilfe bei Brandwunden: Man nimmt geröstete Knochen (Kalk) und zermahlt<br />
sie, rührt mit Fett und roter Ockererde eine Paste an und macht damit Umschläge.<br />
Waren alle Heilungsversuche vergeblich und trat der Tod ein, wuschen die <strong>Baster</strong> ihre Angehörigen<br />
mit Lavendel, kleideten sie in frische Hemden und bahrten sie eine Nacht lang auf. <strong>Die</strong> Totenwäsche<br />
ist eine Sitte der Nama. Man singt die ganze Nacht gemeinsam Trauerlieder am Feuer. "Neuerdings<br />
hat der Missionar verboten, dass diese alte Sitte viele Stunden lang praktiziert wird", notierte Eugen<br />
Fischer. "Das gesellige Kaffeetrinken beim Toten artete zu oft in ein alkoholisches Trinkgelage aus ..."<br />
– Zwei oder drei Choräle sollen genügen. <strong>Die</strong> Leiche wird einfach ins Grab gesenkt (und nicht, wie bei<br />
den Hottentotten, in eine Nische in der Grube). Ein grosser Stein, senkrecht eingepflanzt, halb armlang<br />
aufragend, markiert das Kopfende des Grabes – nach Westen gerichtet.<br />
Stirbt ein Ehegatte, behält meist der andere alles in seinen Händen. Eigentlich gehört nur die Hälfte<br />
dem betreffenden Gatten – wie einige <strong>Baster</strong> erläuterten – die andere Hälfte ist Eigentum der Kinder,<br />
die wiederum unter sich aufteilen. Ältere Kinder erhielten etwas mehr <strong>als</strong> jüngere Nachkommen.<br />
Tanten, Nichten und Basen bekommen "<strong>als</strong> Andenken" Kleider und Schuhe – bei Männern ist es<br />
ähnlich.
Vornamenwahl der Familien<br />
Offenbar kennen die <strong>Baster</strong> (um 1900) nur eine beschränkte Zahl von christlichen bzw.<br />
niederländischen Taufnamen – ähnlich wie in deutschen Dorfgemeinschaften der Heimat. "Ich kenne<br />
die Vornamen von 600 Lebenden (<strong>als</strong>o ein Viertel bis ein Fünftel des ganzen Volks)" berichtet Fischer<br />
in seinen Aufzeichnungen . <strong>Die</strong> häufigsten sind:<br />
43 Katharina 24 Margerita 26 Pit (Pieter, Petrus)<br />
30 Maria 24 Elisabeth 26 Johannes<br />
29 Anna 21 Sanna 25 Willem (Wilhelm)<br />
26 Sophia 19 Gert<br />
12 Matthäus<br />
12 Dirk<br />
12 Jan<br />
Vornamen lassen jedoch vielfach "Wandlungen" erkennen <strong>als</strong> Kosenamen, Wohnortnamen (Farmen),<br />
Berufsnamen, Spottnamen usw. Willem Agpound (v. Wyk) ist ein "achtpfündiges Leichtgewicht". Stoffel<br />
Koelfoot (v. Wyk) hat Plumpe Füsse, Kugelfüsse. Andres Huppel (Koetse) hat X-Beine. Jan Snork<br />
(v.Wyk) schläft oft in der Kirche ein und schnarcht! Hendrik Stokki (Beukes) ist mager wie ein Stecken.<br />
Willem Redebaar (Vries) quatscht zu viel und nervt ...<br />
<strong>Die</strong> Weissen im Nachbarschaftsverhältnis zu den <strong>Baster</strong> erhielten gleichfalls lustige Spitznamen. Ein<br />
deutscher Kaufmann mit "Marke Weisse Mütze", dazu hellblondes Haar, hiess bei den <strong>Baster</strong><br />
"Witkaps" (Weisskappe), ein anderer Deutscher (Gestreifte Sportmütze) war <strong>als</strong> "Stripkaps" bekannt,<br />
Zwei Herren, Onkel und Neffe, beide hellblond, nannte man "Out-Faleke" und "Klein-Faleke" (den alten<br />
Fahlblonden und den jungen Fahlblonden). Eugen Fischer, der bei seinen Forschungen oft mit dem<br />
Metermass hantierte, wurde umgetauft in "Meeter" (der Vermesser).<br />
Weil die <strong>Baster</strong> ein inniges Verhältnis zu ihrem Vieh haben, gibt es für alle Zugochsen Rufnamen.<br />
Achterochsen, die <strong>als</strong> hinterste Paare den Treck- oder Frachtwagen ziehen, werden meist nach<br />
Bergen gerufen (Kuhberg, Tafelberg, Langberg, Querberg, Bloemberg, Rontberg). Smalberg oder<br />
Vorberg heissen kleinere Tiere, die weiter vorn in der Gespannreihe gehen. Es gibt auch Swartkop,<br />
Kuschkop, Kleinoor. Und Ochsen, die prominente Personen repräsentieren: Oom Krueger, Leutwein,<br />
Trotha, Lütnant. Ziehen beispielsweise 20 Tiere einen Wagen, achtet der <strong>Baster</strong> auf Namen, die alle<br />
mit "berg" enden.<br />
<strong>Die</strong> muttersprachliche Situation der <strong>Baster</strong> (im Gebiet Rehoboth um 1900) ist so gegliedert: Zunächst<br />
hottentottisch, dann kapholländisch parallel dazu, schliesslich Nama zur Ergänzung, Deutsch bei den<br />
Jüngeren. <strong>Die</strong> ursprünglichen Gesetzestexte der <strong>Baster</strong> sind in der kap-holländischen Sprache<br />
verfasst (allerdings in unterschiedlichen Vorlagen, aufbewahrt im Nationalarchiv zu Windhoek). <strong>Die</strong><br />
<strong>Rehobother</strong> Magistratsbibliothek verfügt zusätzlich über Texte in deutscher Sprache von 1911 (in<br />
Schreibmaschinenschrift), wahrscheinlich von der deutschen Verwaltung in Auftrag gegeben. Es<br />
herrscht jedoch nach wie vor keine Klarheit darüber, welche Gesetzestexte der <strong>Baster</strong> in welcher<br />
Sprache zuverlässig <strong>als</strong> "Originale" bezeichnet werden dürfen, da grosse Lücken auffallen.<br />
Gesetze über Ehescheidung datieren vom 15. Januar 1913, verabschiedet in der Rats- und<br />
Ältestensitzung:<br />
1. Ehescheidung kann nur im Fall von Ehebruch oder böswilligem Verlassen des Ehepartners<br />
zugestanden werden. Der schuldige Teil kann nicht wieder zur Trauung zugelassen werden.<br />
2. Sind beide Partner schuldig, können beide nicht wieder heiraten.<br />
3. <strong>Die</strong> Kinder sollen dem schuldlosen Ehepartner zuerkannt werden. Der schuldige Ehepartner ist<br />
verpflichtet, sein gesamtes Hab und Gut an den schuldlosen Ehepartner und die Kinder abzutreten.<br />
4. Sind beide Ehepartner schuldig, soll bei der Scheidung ihre Habe von einem unparteiischen Gericht<br />
an seine und ihre Kinder zu gleichen Teilen abgegeben werden.
Anna Beukes Sara Gertze<br />
5. Falls unmündige Kinder bei der Ehescheidung der Mutter zugesprochen werden, soll für solche<br />
Kinder ein Vormund bestimmt werden.<br />
6. Wenn eine Ehe nicht geschlossen werden kann, wenn <strong>als</strong>o die Eltern und die Alten (Grosseltern)<br />
ohne Grund ihre Zustimmung verweigern, soll die Angelegenheit von den Ältesten und dem Rat in<br />
Ordnung gebracht werden.<br />
(Dr. Eugen Fischer betrieb seine Feldforschung im <strong>Baster</strong>land über vier Monate im Sommer und<br />
Herbst 1908 und publizierte die Ergebnisse dieser <strong>anthropologische</strong>n Arbeit in Buchform erst 1913 in<br />
Jena).<br />
Im Zweiten Weltkrieg waren <strong>Rehobother</strong> <strong>Baster</strong> <strong>als</strong> Kriegsfreiwillige in britischen Einheiten in<br />
Nordafrika, Palestina, Ägypten und Italien eingesetzt. Es gab aber auch <strong>Baster</strong>-Söhne, die von ihren<br />
Eltern (deutsche Väter, <strong>Baster</strong>-Mütter) zur beruflichen Weiterbildung nach Deutschland geschickt und<br />
– offenbar ganz ohne Rassenprobleme – in der Wehrmacht-Uniform an die Front geschickt wurden.<br />
Das empfehlenswerte Buch "Kurze Geschichte der <strong>Rehobother</strong> <strong>Baster</strong> bis 1990" (Klaus Hess Verlag,<br />
Göttingen) zeigt das Passfoto des Wehrmachtangehörigen Ernst Dahms, eines Mischlings, dessen<br />
Vater mit einer <strong>Rehobother</strong> <strong>Baster</strong>frau verheiratet war. Der junge Mann zählt zu den Gefallenen von<br />
Königsberg (Ostpreussen), wie die Chronik des Museums zu Rehoboth registriert, und verwandelte<br />
sich so in eine tragische historische Gestalt.
Eugen Fischers rassenbiologische Laufbahn<br />
1927 wurde der Mediziner und führende deutsche Anthropologe der ersten Hälfte des 20.<br />
Jahrhunderts, Eugen Fischer (1874 – 1967) an die Berliner Friedrich-Wilhelm-Universität berufen.<br />
Neben seiner Tätigkeit <strong>als</strong> Professor für Anthropologie ernannte man ihn zum ersten Direktor des 1927<br />
von Fischer mitbegründeten "Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie, menschliche Erblehre und<br />
Eugenik" (KWI), einem Zentrum rassenhygienischer Forschung in Berlin-Dahlem. Fischer behielt beide<br />
Positionen bis zu seiner Emeritierung und Rückkehr an die Universität Freiburg im Breisgau im Jahr<br />
1942. Zwischen 1933 und 1935 war Fischer Rektor der Berliner Universität.<br />
Ursprünglich hatte Fischer an der Universität Freiburg (vor dem ersten Weltkrieg) zur "Untersuchung<br />
menschlicher Rassenunterschiede" eine <strong>anthropologische</strong> Sammlung aufgebaut. <strong>Die</strong> Rehoboth Studie<br />
von 1908 galt nach dem ersten Weltkrieg <strong>als</strong> Grundlagenwerk für die neue Disziplin der sogenannten<br />
Rassenbiologie. <strong>Die</strong> NS-Kommentatoren der Nürnberger Rassegesetze vom September 1935<br />
bezogen sich ausdrücklich auf Fischers Studie, <strong>als</strong> sie die Fiktion, es gebe naturwissenschaftlich und<br />
erbbiologisch begründbare Rassenunterschiede zwischen Ariern und Nicht-Ariern, zur Grundlage des<br />
Gesetzes machten.<br />
Im Schlusskapitel seines Standardwerks von 1913 griff Fischer zu erschreckenden Formulierungen:<br />
"Der <strong>Baster</strong> ist nicht lebhaft, sein Gefühlsleben ist stumpf ... Vorhanden ist deutlich diese<br />
Gefühlsarmut. Sie zeigt sich auch im Mangel an Poesie, an Kunst, an Gesang ... Man gewähre den<br />
<strong>Baster</strong>n das Mass an Schutz, das sie <strong>als</strong> minderwertige Rasse benötigen, um dauernden Bestand zu<br />
haben, nicht mehr und nur so lange wie sie uns nützen ... sonst freier Wettbewerb ... nach meiner<br />
Meinung Untergang!"<br />
Noch im Jahr 1961 wurde Fischers Buch neu aufgelegt, allerdings in einer "gereinigten Fassung" ohne<br />
die diskriminierenden Kommentare des Schlusskapitels von 1913.<br />
1921 arbeitete Fischer mit dem Vererbungsforscher Erwin Baur und dem Rassenhygieniker Fritz Lenz<br />
zusammen, und es entstand das Standardwerk "Grundriss der menschlichen Erblichkeitslehre und<br />
Rasenhygiene" mit fünf Auflagen in Folge. 1927 übernahm Fischer den Vorsitz der neu eingerichteten<br />
"Kommission zur Erforschung von Bastardisierung und Rassenmischung der International Federation<br />
of Eugenic Organizations", einem internationalen Sammelbecken für wissenschaftlich und politisch<br />
engagierte Eugeniker. 1937 erreichte Fischer eine Berufung <strong>als</strong> neues Mitglied der Preussischen<br />
Akademie der Wissenschaften. <strong>Die</strong> Nürnberger Gesetze betrachtete er <strong>als</strong> die praktische Umsetzung<br />
seines Lebenswerks, wofür der Wissenschaftler öffentlich seinen Dank an die Parteiführung der<br />
NSDAP aussprach.<br />
Fischer amtierte überdies <strong>als</strong> Richter am 1934 eingerichteten Erbgesundheits-Obergericht am Berliner<br />
Kammergericht, das über Zwangssterilisationen von sogenannten Erbkranken entschied. Als 1937<br />
farbige deutsche Kinder (aus Verbindungen zwischen französischen Rheinland-Besatzungssoldaten<br />
und deutschen Frauen) zwangssterilisiert wurden, waren Eugen Fischer und seine Mitarbeiter <strong>als</strong><br />
<strong>anthropologische</strong> Gutachter in der Sonderkommission 3 der Gestapo beteiligt.<br />
Während des Zweiten Weltkriegs nahm Eugen Fischer wiederholt an Beratungen unter der Leitung<br />
Alfred Rosenbergs teil, die der Deportation und Ermordung aller Juden Europas galten. In seinem<br />
Spruchkammerverfahren 1947 zur Entnazifizierung wurde Eugen Fischer lediglich <strong>als</strong> "Mitläufer"<br />
eingestuft und nicht weiter zur Verantwortung gezogen. Er unterhielt bis zu seinem Tod engen Kontakt<br />
zu seinen Schülern und trug wesentlich dazu bei, dass sie später in Westdeutschland Karriere machen<br />
konnten ...
Quellen<br />
Eugen Fischer: <strong>Die</strong> <strong>Rehobother</strong> <strong>Baster</strong> und das Bastardisierungsproblem beim Menschen<br />
(Verlag Gustav Fischer, Jena 1913)<br />
Otto Aichel und Otmar von Verschuer: Festband Eugen Fischer zum 60. Geburtstag<br />
von Schülern und Freunden<br />
(E. Schweizerbartsche Verlagsbuchhandlung Erwin Nägele, Stuttgart 1934)<br />
R. Britz: Kurze Geschichte der <strong>Rehobother</strong> <strong>Baster</strong> bis 1990<br />
(Klaus Hess Verlag Göttingen 1999)<br />
Fischer/Schwabe: Anthropologie 1923<br />
Maximilian Bayer: <strong>Die</strong> Nation der <strong>Baster</strong><br />
(Zeitschrift für Kolonialpolitik 1906)<br />
Ursula Trüper: <strong>Die</strong> Hottentottin<br />
(Rüdiger Köppe Verlag, Köln 2000)<br />
Katrin Roller: Der Rassenbiologe Eugen Fischer<br />
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