LERNEN MIT ZUKUNFT Juni 2020
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- information - diskussion - innovation - motivation -
Das Österreichische Impuls-Magazin | Juni 2020
Tierversuche? NEIN DANKE??
Die Meinungs-Kehrtwende
Im Grenzbereich des Möglichen
Als Einhand-Segler um die Welt
BESUCHEN SIE UNS:
www.facebook.com/lernen.mit.zukunft
Corona & Kommunikation
Neue Kanäle
inhalt & impressum
inhalt & übersicht
Lernen in Coronazeiten
Volksschulprojekt/in Rumänien
Ernährungssicherheit
Neue künstliche Blutgefäße
Neues Thema, neue Reihe
HSP in Krisenzeiten
Corona & Kommunikation
Die Blumengärten Hirschstetten
Ein Gefühl oder ein Ort?
Lernen mit Zukunft / für die Zukunft
Immer wieder Belehrungen
Entdecken der Verbundenheit
Achtung, Fake News
Tierversuche? NEIN DANKE??
Prof. Abakus
Wer die Saat hat, hat das Glück
Der Schlüssel zur sozialen Welt
Ein Kriegskind erzählt
Im Grenzbereich des Möglichen
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KOMM ZUR
VIDEO-INFO-
VERANSTALTUNG
ANMELDUNG:
www.improve.or.at/
lsb_lehrgang.html
2 | JUNI 2020
editorial & information
impressum
Medieninhaber, Herausgeber
& Verleger LERNEN MIT
ZUKUNFT, 1220 Wien,
Mühlwasserpromenade 23/ Haus
13, e-mail: office@LmZukunft.
at, Herausgeber/Grafik: Karl H.
Schrittwieser, Redaktion (Bild/
Text): Birgit Menke,
Titelseite - Foto: © B.Schmidt|
pixabay.com
Blattlinie:
Mit unserer Themenvielfalt laden
wir Erwachsene ein, sich für die
Entwicklung unserer Lebenswelt
und für künftige Generationen
einzusetzen.
Dazu geben wir Informationen,
Gedankenimpulse und
Anregungen.
Die AutorInnen übernehmen
selbst die Verantwortung für den
Inhalt ihrer Artikel.
Bequem von zu Hause:
Webinare
DAS GESPRÄCH LEBT NICHT VON DER MITTEILUNG, SONDERN VON DER
TEILNAHME (Ernst Reinhardt)
Als Pensionist mit einer fixen monatlichen Pension und als
dankbarer Besitzer eines Gartens war für mich die Zeit
der Ausgangsbeschränkung, im Gegensatz zu vielen
anderen Betroffenen, keine allzu große Herausforderung.
Ich habe Zeit für Dinge verwendet, mit denen ich mich
schon lange beschäftigen wollte.
Und dazu gehörten auch die Suche nach einer Webinar-Plattform
und mein Interesse an den Bildungsangeboten in Form von
Webinaren.
Ich habe mir mehrere angesehen und es waren interessante
Video-Vorträge dabei. Einige waren sogar außerordentlich informativ,
bei anderen konnte ich meine Konzentration nicht lange
aufrecht halten. Ein Webinar durchzuführen ist eine schwierige
Aufgabe und bedarf intensiver Übung, um die Teilnehmenden
nicht zu langweilen.
Wichtig sind Planung und Struktur im Ablauf. Entscheidend ist
auch, die Teilnehmer zu animieren und einzubeziehen und letztendlich
sollte die Konzentration auf dem Wesentlichen liegen. Das
sind kurze verständliche Aussagen.
Was mich überhaupt nicht angesprochen hat, ist die Tatsache,
dass ich mich zur Teilnahme bei einigen Plattformen registrieren
und eine Applikation installieren sollte. Nicht wissend, wo der
Server steht und wer ihn verwaltet. Davon habe ich Abstand
genommen.
Mir sind die browserbasierenden Video-Räume sympathisch. Ich
erhalte einen Link und steige ohne eine Applikation zu installieren
in den Video-Raum zur Diskussion ein.
Was mir aber noch lieber ist, ist der persönliche Kontakt zu anderen
Menschen. Denn Stimme und die Sprache der Augen kommen
mir im direkten Kontakt viel authentischer vor.
Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen der Juni-Ausgabe
Karl H. Schrittwieser
Obmann und Herausgeber
LERNEN MIT ZUKUNFT
Foto © Clker-Free-Vector-Images|pixabay.com
3 | JUNI 2020
information & lernen
Kreativität ist gefragt:
Lernen in Coronazeiten
WAS LEHRT UNS DIESE ZEIT FÜR ZUKÜNFTIGE
LERNSTRATEGIEN?
DI Roswitha Wurm
Dipl. Lerndidaktikerin
Lese- und Rechtschreibtrainerin,
Kinderbuchautorin
Interaktive Lesungen
an Schulen buchbar unter:
www.lesenmitkindern.at
Foto: © Gerd Altmann | pixabay.com
4 | JUNI 2020
Corona – hat unser Leben auf den
Kopf gestellt. Ganz besonders für
Schüler, Lehrer und speziell auch für
Eltern:
Denn geschlossene Schulen bedeuten keinesfalls
Ferien, vielmehr findet der Unterricht
zuhause statt. Digitaler Unterricht ist
das Ideal, doch in der Praxis funktioniert das
längst nicht überall.
LERNHINDERNISSE
Die Hindernisse sind vielfältig: Nicht alle
Kinder haben Zugang zu digitalen Endgeräten
und dem Internet, viele Lehrer sind mit
der Unterrichtsvorbereitung und digitaler
Vernetzung überfordert – von Eltern, die
selbst im Homeoffice arbeiten müssen, ganz
zu schweigen. Kinder, die von Zuhause
wenig bis keine Unterstützung bekommen,
bleiben in diesen Zeiten meist auf
der Strecke. Das gilt besonders für die
jüngeren.
ZUKUNFTSWEISENDE LERNTIPPS
Als Lerntrainerin (speziell für SchülerInnen
mit Teilleistungsschwächen) haben mir das
Online-Training und das Präsenztraining
einige interessante Informationen geliefert.
Auch schon sehr junge Kinder können gut
mit Online Training umgehen. Sie lernen in
den Onlinestunden konzentrierter und effektiver,
ermüden aber rascher. Das heißt,
wir können in kürzeren Einheiten mehr
schaffen. Auch für mich als Lerntrainerin
und auch für die Lehrer ist der Onlineunterricht
aufwändiger in der Vorbereitung, da
Arbeitsblätter vorab per Mail versandt oder
hochgeladen werden müssen.
Die SchülerInnen ersparen sich Zeit durch
den entfallenden Anfahrtsweg, können
länger ausruhen/ausschlafen und wirken
entspannter und aufnahmebereiter.
SELBST SIND DIE SCHÜLER
Grundsätzlich erfordern Online-Unterricht und
Home-Schooling auch mehr Eigeninitiative
von den SchülerInnen. Stoffgebiete müssen
selbst erarbeitet oder vertieft werden. Dies ist
ein Schritt weg von einem Konsumverhalten
beim Lernen hin zu dem, was Lernen eigentlich
bedeutet: Das Aneignen von Wissen und
Fähigkeiten zum eigenen Gebrauch. Gerade
für ältere SchülerInnen ist dies eine wichtige
und gute Erfahrung in dieser herausfordernden
Zeit.
ERNÄHRUNG UND BEWEGUNG
Homeschooler tendieren dazu sich zu wenig
zu bewegen. Andererseits werden ohnehin
viele Kinder mit dem Auto zur Schule und
wieder zurückgefahren und bewegen sich
auch während eines normalen Schuljahres
zu wenig. Zuhause können Eltern besser
auf gesunde und ausgewogene Ernährung
achten. Für ein erfolgreiches Lernen sind
sowohl Bewegung als auch die Versorgung
mit ausreichend Nährstoffen unerlässlich. Das
darf auch in Zukunft beachtet werden.
PÄDAGOGE SEIN
Ursprünglich waren paidagogos (griech.)
Männer, die Schüler aus reichem Haus in die
Schule – zum Lernen - und wieder zurückbegleiteten.
Genau das sollte unsere Hauptaufgabe
als Lehrer und Eltern in dieser schwierigen
Zeit auch sein: Kindern Grundlagen
zu vermitteln und dann als unterstützende
Begleiter beim Lernen, die den Kindern helfen
so manches selbst zu tun. Diesen tiefen Sinn
des erfolgreichen Lernens dürfen wir mitnehmen
in Zeiten, in denen unser Schulalltag
hoffentlich wieder annähernd so sein wird
wie vor „Corona“.
information & entwicklung
In Rumänien:
Volkschulprojekt
CHRISTIAN ESTERMANN IM INTERVIEW
Worin besteht deine eigene
Motivation genau
hier in Ploiești ein
solches Bildungsprojekt
aufzuziehen?
Ich lebe seit 14 Jahren in Rumänien
und habe eines gelernt: Für viele Siebenjährige
ist die Schulkarriere vorbei,
bevor sie beginnt.
Aus CONCORDIAs langjähriger Arbeit
mit Familien aus den Armenvierteln
wissen wir: Es braucht keine Sonderschule
für sozial benachteiligte Kinder,
die sie noch weiter ausgrenzt, sondern
eine Schule, in der diese gleichberechtigt
unterstützt werden und eine
konkrete Chance bekommen. Im
Frühjahr 2019 haben wir begonnen,
eine rumänisch-österreichische Schule
zu bauen, die wir im Herbst mit einer
Pilotklasse eröffnen wollen. In Ploiești,
einer Stadt im Süden des Landes, besteht
dafür konkreter Bedarf.
Es ist unsere Mission, uns um die
verwundbarsten Menschen der Gesellschaft
zu kümmern und sie auf
dem Weg in ein eigenständiges Leben
zu unterstützen. Ein offenes, für alle
Kinder und deren Bedürfnisse ausgerichtetes
Bildungsangebot zu schaffen
ist gerade im Volksschulalter immens
wichtig, um die Nachteile der Kinder
auszugleichen und Vorteile aktiv zu
schaffen.
Kulturelle Unterschiede im Bildungssystem:
Wo siehst du die
größten Herausforderungen unterschiedliche
Herangehensweisen
ans Unterrichten zu vereinen?
Die Rahmenbedingungen und gesetzlichen
Vorgaben ändern sich in Rumä-
nien schnell und es ist wichtig, dass wir im
Team flexibel bleiben, um darauf schnell
reagieren zu können. Für neue Lehrerinnen
und Lehrer – aus Rumänien oder
Österreich – ist eine strukturierte Einführungsphase
wichtig. Team-Teaching hilft
den Lehrkräften, ihre unterschiedlichen
Stärken in der pädagogischen Praxis einzubringen.
Im Moment suchen wir noch österreichische
Partnerschulen, die Know-How mit uns
teilen und uns mit pädagogischem Material
unterstützen.
Schule soll ein Ort sozialer Inklusion
sein. Wie willst du das sicherstellen?
Ein wichtiger Baustein dafür ist sicher die
ganztägige Betreuung und Förderung an
unserer Schule: Sozial benachteiligte Kinder
geraten oft ins Hintertreffen, weil sie von
keiner Förderung am Nachmittag profitieren
können. Aber selbst wenn die Eltern Bildung
als Chance für ihre Kinder sehen, so ist es
Christian Estermann
CONCORDIA
Leiter des EduCampus in
Rumänien
Christian Estermann
war 3 Jahre Lektor am King’s
College London (2003-06),
dann Bildungsbeauftragter des
Österreichischen Bildungsministeriums
für Rumänien (2006-
2014).
Seit 2015 ist er im Auftrag des
BMBWF Leiter des Edu-Campus
CONCORDIA in Ploiești, auf
dem sich auch die neue Volksschule
befindet.
trotzdem für sie im täglichen Leben oft unmöglich, sich um die Kinder zu kümmern,
weil ein normaler Lebensstandard nicht finanziert werden kann oder die
Familien groß sind und nicht viel Zeit für jedes Kind bleibt.
Herausforderung wird auch die soziale Durchmischung außerhalb des Klassenzimmers.
Schüler aus armen Familien wohnen abgelegen und haben kaum
Chance auf Austausch. Wir werden an der Volksschule neben der Förderung
und Betreuung am Nachmittag auch Workshops für Schüler und Eltern anbieten,
die nicht bei uns sind.
5 | JUNI 2020
information & entwicklung
In Zeiten des Klimawandels:
Ernährungssicherheit
VERÄNDERUNG DURCH KLEINBAUERN*INNEN IN SÜDASIEN
Denise Wilfinger, MA
Internationale Programme
Auslandshilfe
Caritas Österreich
www.caritas.at
Fotos © Archiv Caritas
6 | JUNI 2020
Im Jahr 2018 litten weltweit über
820 Millionen Menschen an
Hunger. Das ist eine von neun
Personen. (FSIN, FAO, 2020).
Darunter auch viele Kinder und
Babys. Sie kommen mit niedrigem
Geburtsgewicht zur Welt oder haben
als Kleinkinder nicht genug zu essen,
um sich optimal entwickeln zu können.
Das Programm SAFBIN kämpft
gegen den globalen Hunger.
SAFBIN unterstützt 4.300 Haushalte
und somit über 21.000 Personen
in Bangladesch, Indien, Nepal und
Pakistan in knapp 100 Dörfern dabei,
ihre Lebensgrundlage trotz Klimawandel
zu sichern. Denn durch Temperatur-
und Niederschlagsschwankungen,
sowie der Verfügbarkeit von
Wasser, wird die landwirtschaftliche
Produktion beeinflusst.
SAFBIN steht für "Strenghtening
Adaptive Farming and Biodiversity
Network“ und ist ein länderübergreifendes
Regionalprogramm welches
die Ernährungssicherheit von Kleinbäuerinnen
und Kleinbauern in Südasien
verbessern will. Das Programm
trägt dazu bei, die nachhaltigen
Entwicklungsziele der Vereinten Nationen
- vor allem SDG 2 „Zero Hunger“-
zu erreichen. KleinbäuerInnen
sind dabei die wichtigste Zielgruppe
und tragen auch aktiv zur Lösung
des Hunger-Problems bei. Denn die
Zukunft der Landwirtschaft mit den
vorhandenen Klimaveränderungen,
sowie die Erreichung diverser
Klimaziele liegt in den Händen von
KleinbäuerInnnen.
Innerhalb des Programms gibt es Partnerschaften
mit Forschungsinstitutionen und Behörden
und so werden Kleinbauern und -bäuerinnen zu
ForscherInnen, die mit einfachsten Mitteln, zB.
durch eine höhere Artenvielfalt, oder zeitliche
Verschiebung der Aussaat, Wiederbelebung
resistenter lokaler Sorten und geringem Ressourcenverbrauch
(z. B. durch den Verzicht auf
chemische Pestizide) die Ernte sichern können.
Durch diese Expertise, sind sie gleichzeitig besser
gegen die Folgen des Klimawandels geschützt.
Ein weiteres Ziel ist die Förderung der Vermarkung,
denn der Verkauf der nachhaltig produzierten
Lebensmittel sichert zusätzliches Einkommen
für KleinbäuerInnen und ihre Familien.
Einzigartig dabei sind auch die Zusammenarbeit
und der Wissensaustausch über die Grenzen von
vier Ländern hinweg.
Wie sich das auf die Lebensgrundlage und
Ernährungssicherheit vieler Menschen auswirkt,
möchten wir am Beispiel einer indischen KleinbäuerInnen
Frauengruppe näherbringen. Aber
lassen wir sie selbst erzählen: “We are a group
with 15 members. Before SAFBIN came here, we
used to do agriculture, but we did not use to do
research on these crops. Rather than doing plenty
of farming without doing research, now we
focus on growing the variety which is suitable to
the soil. Another thing we learned is off-season
farming. A third thing is that we started saving
money, by fundraising among ourselves. By
collecting the fund, now we managed to gather
around NPR 250,000 to 300,000. On the 6th of
every month we have a meeting.”
Nähere Informationen zum SAFBIN Regionalprogramm
in Südasien unter:
https://www.caritas.at/auslandshilfe/schwerpunkte/hunger/safbin-staerkung-von-kleinbaeuerinnen-in-suedasien/
und www.safbin.org
information & innovation
Innovation aus Österreich:
Neue künstliche Blutgefäße
BISHER GAB ES KAUM PASSENDE MATERIALIEN
Dipl.-Ing. Alexander Ristic
Journalist
Foto © Ryan Stekken | pixabay.com
8 | JUNI 2020
Verschlossene Blutgefäße können
rasch gefährlich werden. Oft ist
es notwendig, ein Blutgefäß zu
ersetzen – entweder durch ein
körpereigenes Blutgefäß oder aber durch
künstlich hergestellte Gefäßprothesen.
Die TU Wien und die Medizinische
Universität Wien entwickeln gemeinsam
künstliche Blutgefäße aus einem speziellen
Elastomer-Material, das ausgezeichnete
mechanische Eigenschaften
hat. Diese künstlichen Blutgefäße
werden im Laufe der Zeit durch körpereigenes
Material ersetzt. Am Ende dieses
Umbauprozesses entsteht wieder ein
natürliches, vollständig funktionsfähiges
Blutgefäß.
ÜBERLEBEN DURCH KÜNSTLICHE
BLUTGEFÄSSE
Zu den häufigsten Todesursachen in
Industrienationen gehören arteriosklerotische
Gefäßerkrankungen.
Eine Bypass-Operation ist
dann oft die einzige Lösung.
Normalerweise entnimmt
man dafür Blutgefäße des
Patienten und setzt sie statt
des geschädigten Blutgefäßes
ein.
Dank dieser Entwicklung
sollen in Zukunft auch
künstlich hergestellte
Gefäße vermehrt
zum Einsatz kommen.
Entscheidend dabei ist,
ein passendes Material
zu finden. Die künstlichen
Materialien, die man bisher verwendete,
vertragen sich nicht optimal mit
dem körpereigenen Gewebe. Es kann dann
leicht zu einem Verschluss des Blutgefäßes
kommen, besonders wenn der Durchmesser
gering ist.
An der TU Wien wurden daher neue Polymere
entwickelt. „Es handelt sich um
sogenannte thermoplastische Polyurethane“,
erklärt Prof. Robert Liska vom Institut für
angewandte Synthesechemie der TU Wien.
EIN DÜNNER POLYMER-FADEN, ZUR
RÖHRE GESPONNEN
Zur Herstellung der Gefäßprothesen werden
Polymerlösungen in einem elektrischen Feld
zu sehr feinen Fäden gesponnen und auf
eine Spule aufgewickelt. „Die Wand dieser
künstlichen Blutgefäße ist natürlichen
Blutgefäßen sehr ähnlich“, sagt Prof. Heinz
Schima von der Medizinischen Universität
Wien. Das Polymer-Gewebe ist leicht porös,
daher sickert zunächst etwas Blut hindurch
und reichert die Wand mit Wachstumsfaktoren
an.
Im Tierexperiment war die neue Methode
bereits sehr erfolgreich. Es waren weder
Aneurysmen noch Thrombosen oder Entzündungen
festzustellen. Körpereigene Zellen
hatten die Gefäßprothese besiedelt und
das künstliche Konstrukt zu körpereigenem
Gewebe umgewandelt. Das Nachwachsen
körpereigenen Gewebes verläuft sogar
schneller als man erwartet hatte.
Bis die künstlichen Blutgefäße bei Menschen
eingesetzt werden können, sind noch weitere
präklinische Versuche notwendig. Doch
aufgrund der bisherigen Ergebnisse ist das
Forscherteam sehr zuversichtlich, dass sich
die neue Methode in einigen Jahren auch
beim Einsatz im Menschen bewähren wird.
information & kommunikation
Der Kommunikator - Teil 1:
Neues Thema, neue Reihe
DIE KOLUMNE FÜR ALLE, DIE ETWAS ZU SAGEN HABEN
Im Grunde ist es fast schon eine Verpflichtung,
einen Text über Kommunikation
mit dem bekanntesten Zitat
von Paul Watzlawik zu beginnen.
Ich mache das nicht. Über das erste und
die restlichen vier, der fünf Axiome des
berühmten Kommunikationswissenschaftlers
und Psychologen möchte ich
erst in einer späteren Ausgabe meiner
neuen Kolumnenserie „Der Kommunikator“
schreiben.
Nach etlichen Artikeln über den „emotionalen
Mensch“ ist es Zeit für etwas
Neues. Auch ich habe mich weiterentwickelt
und bin über die Emotion bei
der Kommunikation gelandet – einem
unglaublich großen und spannenden
Forschungsfeld. Nach mehreren Jahren
als Journalist bin ich schließlich in der
Unternehmenskommunikation angekommen.
In diesem Bereich ist wertvoll sich
intensiv mit der Art und Weise auseinanderzusetzen,
wie Menschen miteinander
interagieren und kommunizieren. Ich
sage: Die Kommunikation ist der Leim,
der unsere Gesellschaft zusammenhält.
ES GIBT VIEL ZU SAGEN
Dieser Text soll der erste Teil einer
längeren Serie von Kolumnen werden, in
denen ich mich den unterschiedlichsten
Themenfeldern auf diesem Gebiet annähern
möchte. Ich habe vor mich dem
Phänomen der Massenkommunikation
mit all seinen psychologischen Auswirkungen
zu widmen, der digitalen Kommunikation,
der klassischen Pressearbeit
und Public Relations. Natürlich darf auch
der Blick auf die persönliche Interaktion
nicht zu kurz kommen.
DIE DARSTELLUNGSFORM
Bevor ich mich in der kommenden
Ausgabe einer Grunddefinition von
Kommunikation widme, möchte ich meine
Herangehensweise kurz umreißen. Wie
bereits erwähnt schreibe ich „Kolumnen“.
Der Begriff leitet sich aus dem Lateinischen
ab (columna) und lässt sich mit Stütze oder
auch Säule übersetzen. Auch der Spaltensatz
beim Buchdruck wird als Kolumne bezeichnet.
Der Spaltensatz sollte schon früh
die Lesbarkeit des Textes fördern, was sich
zum Großteil sogar in den digitalen Formen
wie Webseiten oder Blogs durchgesetzt hat.
ICH GEBE MEINEN SENF DAZU
Nicht übersehen sollte man
allerdings: Kolumnisten schreiben
meinungsbildende Texte,
die meist unredigiert veröffentlicht
werden. Auch wenn ich
wissenschaftliche Forschungen
als Grundlage meiner Kolumnen
heranziehen werde, so sind es
meine Erfahrungen, meine Meinungen,
kurz mein „Senf“, der Sie
im besten Fall unterhält, informiert
und zum Nachdenken anregt.
HISTORISCHES
Die Kolumne selbst fand erst recht spät
Einzug in die deutschsprachige Zeitungslandschaft,
wobei als Vorbild Blätter aus
den USA dienten. Dort galten berühmte
Kolumnisten wie Walter Lippmann (siehe
Buchtipp), James Reston oder C.L. Sulzberger
als wichtige Institutionen der Meinungsbildung.
Sie haben Fragen, Wünsche,
Anregungen oder gar Beschwerden?
Dann schreiben
Sie mir, ich versuche alle
Anfragen möglichst zeitnah zu
beantworten.
tipp
Mag. Markus Neumeyer
Theater-,Film- und
Medienpädagoge
dipl. Lern/Freizeit &
Vitalcoach
www.buchteufel.at
Gelenkte Demokratie. Der
Klassiker zur Meinungsmanipulation.
Walter Lippmann gilt als
einer der einflussreichsten
Propagandisten
des Neoliberalismus
und einer gelenkten
Demokratie, der dem
marktradikalen Denken
zum Siegeszug verhalf.
Lippmanns 1922
erschienenes Buch „Public
Opinion“ gilt als
ein Klassiker in Sachen
Manipulation und Beeinflussung
der öffentlichen
Meinung. Von
ihm wurde der Begriff „Kalter
Krieg“ geprägt und in den
allgemeinen Sprachgebrauch
gebracht. Weil die Durchschnittsbürger
in einer Demokratie
damit überfordert sind,
komplexe gesellschaftliche Zusammenhänge
zu durchschauen,
entwickelte er das Konzept
einer gelenkten Demokratie,
um die Meinung der Masse mit
Hilfe manipulativer Techniken
zu steuern. Seine Methoden der
Meinungsbeeinflussung sind
heute aktueller denn je.
9 | JUNI 2020
information & bildung
Hochsensitivität:
HSP in Krisenzeiten
RESSOURCEN MOBILISIEREN, SELBSTFÜRSORGE PFLEGEN
Mag. a Sabine Knoll
Freie Autorin und Trainerin
Gründerin und Obfrau des
„hochsensitiv.netzwerk
von hsp für hsp“
Leiterin des WIFI-Lehrgangs
„Experte/Expertin
für HSP (Hochsensitive/
Hochsensible Personen)“
am WIFI Wien
www.sohreya.net
www.hochsensitiv.net
10 | JUNI 2020
Und plötzlich war alles anders.
Corona hat die Welt auf den
Kopf gestellt. Was die einen
mit einem insgeheimen Seufzer
der Erleichterung als lange ersehnte
Entschleunigung und verordnete Auszeit
empfanden, wurde für andere zur Zerreißprobe.
Zwischen Herausforderungen
wie Verdienstentgang und Existenzangst
oder beim täglichen Jongleursakt von
Home Office und Home Schooling lagen
bei HSP (Hochsensitiven Personen) mit
Kindern etliche Wochen die Nerven blank.
Dazu kam bei vielen das Bangen um die
Gesundheit ihrer Lieben.
Die erlebten Realitäten waren und sind so grundverschieden
wie die hochsensitiven Leben jedes und jeder
Einzelnen. Die schnellere Reizüberflutung, die auch
schon bisher im Alltag für HSP der Knackpunkt war,
kann sich in Zeiten von Angst und Stress noch einmal
zuspitzen. Dann ist es besonders wichtig, auf seine
täglichen Momente des Innehaltens zu achten und – sei
es nur auf der Toilette für wenige Minuten – seinen
Gefühlen liebevolle Aufmerksamkeit zu schenken.
Eine Meditation zum Erden, Himmeln und Zentrieren im
Herzen unterstützt dabei, gut im Körper und mit dem
Bauchgefühl verbunden, angebunden und offen für Eingebungen
sowie mit der inneren Stimme, der Intuition
in Kontakt zu sein. Dadurch gelingt es leichter, einen
kühlen Kopf zu bewahren, wenn es darauf ankommt,
und nicht in Stressmuster abzurutschen.
Während Ausnahmezuständen
ist es sehr anzuraten, die
Selbstfürsorge auf keinen Fall
zu vernachlässigen. Sei es durch
Energiearbeit, Yoga, Qi Gong oder
Waldspaziergänge, Ausflüge ans
Wasser und Sonnetanken … jeder
und jede kennt den persönlichen
Seelenbalsam, der das Innerste
nährt. Bei allem Dasein für andere
sollten gerade HSP nicht auf sich
selbst vergessen. Regelmäßiges
Entstressen verhindert, dass nach
einer Dauerphase unter Hochdruck
und Stresshormonen das Immunsystem
schlapp macht. Da heißt es
gerade in Zeiten wie diesen ganz
besonders bewusst gegensteuern.
HSP können zwar in kritischen Situationen
Ressourcen mobilisieren,
die ihnen viele gar nicht zutrauen
würden und mit besonderer Klarheit
sowie Besonnenheit agieren.
Manchmal wird ihnen jedoch erst
im Nachhinein die volle Tragweite
des Erlebten bewusst und spürbar.
Bei besonderer Dünnhäutigkeit
hilft zuweilen Nachrichtenfasten.
Nicht zu viele Medien und Internetnachrichten
zu verfolgen, hilft,
in der Ruhe zu bleiben, statt sich
dem Feld der Angst hinzugeben.
Die Balance zwischen Informiertheit und
gesundem Abstand ist dabei ganz wesentlich.
Zum Glück haben HSP ein sehr starkes
inneres Sensorium und intuitives Wissen, auf
das sie immer wieder zurückgreifen können.
Wenn sie sich selbst erlauben, ihm zu vertrauen.
Wann, wenn nicht jetzt, ist die Zeit, sich
dafür zu entscheiden?
Foto: © DarkWorkX | pixabay.com
information & nachhaltigkeit
Neue Kanäle:
Corona & Kommunikation
AUCH WENN MAN NUR ZUM FENSTER RAUSSCHAUT, SIEHT MAN DIE WELT
(Wilhelm Raabe)
Für mich waren, neben der unglaublichen
Tragik dieser Pandemie, die
letzten Wochen als Kommunikationstrainer
sehr spannend. Durch
diesen externen Schock haben sich
nämlich unsere Sprachgewohnheiten
mehrmals verändert.
Zuerst waren viele wie gelähmt und
konnten kaum kommunizieren, dann
schlug alles ins Gegenteil um. Viele
meldeten sich telefonisch bei mir und
hielten überlange Monologe,
da ihr Mitteilungsbedürfnis
verständlicherweise sehr
aufgestaut war.
Es gab nur wenige Dialoge.
Schließlich begannen auch
die Videokonferenzen zu
boomen, da den Menschen
die Stimme alleine zu wenig war.
Jede noch so große technische Hürde
wurde plötzlich mühelos genommen,
nur um seinen Gesprächspartner
auch wieder einmal sehen zu können.
Viele aus meinem Bekanntenkreis
fehlte auch die Kommunikation über das
Tasten. Jemanden, der einem sehr vertraut ist,
nicht umarmen zu dürfen, war ein massives
Problem. Viele Menschen nutzten diese Gelegenheit
aber auch dazu, manche Kommunikationspartner
nicht mehr zu kontaktieren.
Sie beobachteten, wen sie in dieser speziellen
Zeit überhaupt sprechen wollten, oder nicht.
Auch Partner waren dazu gezwungen sich
miteinander auseinanderzusetzen.
Viele überlebten diese Pandemie partnerschaftlich
nicht, andere entdeckten
ihren Partner neu und sind seither
frisch verliebt. So schlimm diese
Krise auch für viele sein mag, so hat
sie doch unsere Kommunikation
nachhaltig verändert.
Und das nicht unbedingt zum Nachteil
…
Felix Kurmayer
Schauspieler, Studiosprecher
und Kommunikationstrainer
www.felix-kurmayer.at
www.kurmayermedientraining.com/
Foto © Merio | pixbay.com
11 | JUNI 2020
information & freizeit
Botanische Weltreise:
Die Blumengärten Hirschstetten
DAS ERHOLUNGSGEBIET FÜR GROSS UND KLEIN IM 22. BEZIRK IN WIEN
Tina Čakara
Studentin
Junge Autorin
Foto: Fotostudio primephoto
Ich streife durch Weinstöcke. In der
Ferne kräht ein Hahn. Vor mir sehe
ich gemütlich Ziegen grasen. Hennen
picken auf der Erde herum. Der Bambus
wirft lange Schatten. Schildkröten
gleiten lautlos ins Wasser und tauchen
unter. Ein Frosch quakt. Lavendelsträucher
strömen intensiven Duft aus. Tulpen
tanzen im Wind. Die Eule erwidert
meinen Blick.
Wo ich mich befinde? In Wien. Genauer
gesagt: in den Blumengärten
Hirschstetten.
ES GIBT NICHTS, WAS ES NICHT GIBT
Die Blumengärten Hirschstetten sind
ein Erholungspark mit verschiedenen
Themenbereichen: liebevoll eingerichtete
Gärten mit Pflanzen aus England, Mexiko,
China, Indien, der Provence, dem
Mittelmeerraum und vielen weiteren Orten
der Welt. Auch ein Irrgarten, ein Urzeitgarten
und ein typisches Weinviertler
Bauernhaus stehen den Besuchern und
Besucherinnen kostenlos zur Verfügung.
Eine botanische Weltreise, die einen an
die entlegensten Orte führt, ohne dafür
in ein Flugzeug steigen zu müssen.
WAS BEWEGT SICH DENN DA?
Neben Blumen, Bäumen und Sträuchern
leben in den Blumengärten
Hirschstetten auch eine Vielzahl an
Tieren: Ziegen und Schafe, Kaninchen,
Hühner, Eulen, Störche, Schildkröten,
Frösche, Zwergmäuse, Insekten und
Bienen und die flinken Ziesel, die sich
auf dem gesamten Gelände ausgebreitet
haben und einem immer wieder über
den Weg huschen. Besonders für Kinder
ist das ein unvergessliches Erlebnis, das
Spaß macht und sie die Welt der Pflanzen
und Tiere hautnah erleben lässt.
FÜR JEDEN IST ETWAS DABEI
Zwischen den einzelnen Themengärten
und Tierbereichen kann man sich auf
zahlreichen Bänken, Liegestühlen und
Schaukelstühlen ausruhen und den
Kindern dabei zusehen, wie sie sich auf
den zwei Spielplätzen austoben. Breite
Wiesen laden zum Picknicken und Sonnenbaden
ein. Ein Teich mit Brücke und
quakenden Enten rundet diese grüne
Oase ab und lässt einen vergessen, dass
man sich eigentlich in einer Großstadt
befindet.
Foto © Tina Cakara
12 | JUNI 2020
information & heimat
Heimat:
Ein Gefühl oder ein Ort?
HEIMAT IST DER DUFT UNSERER ERINNERUNGEN
(Anke Maggauer-Kirsche)
75 Jahre Zweite Österreichische
Republik! - Bei diesem Jubiläum
bin ich über den Begriff „Heimat“
gestolpert. Gestolpert, weil
er ansonsten eher am Rande meines
biografischen Weges liegt, und bis jetzt
nicht sonderlich von mir beachtet wurde.
Durch die Feierlichkeiten bekam er,
der da so auf seinem Platz lag, immer
da, nie wirklich versetzt und verloren,
Aufmerksamkeit. Ich bin in Österreich
geboren, und dieses Land nenne ich
meine Heimat. In meiner Biografie ist es
der geografische Ausganspunkt, aber
nicht nur das, sogar ein Teil meiner
Identität. Es ist nicht unwesentlich wie
und wo man die erste Zeit seines Lebens
verbringt. Beides hat Einfluss auf unser
späteres Leben, denn es macht einen
wesentlichen Teil unserer Biografie aus.
Wo und wie habe ich die erste Zeit
meines Lebens verbracht? Welche
Umgebung habe ich erlebt, welche
Menschen, Sprachen, Gewohnheiten und
Rituale umgaben mich? Was davon war
prägend, und konnte ich dort Heimat
finden?
Heimat eine weit gefasste Begrifflichkeit.
Heimat - ausgehend von einigen vom
Gartenzaun begrenzten Quadratmetern,
bis hin zu einem ganzen Kontinent.
Und schließlich Heimat als größte, und
gleichzeitig kleinste mögliche Ausdehnung:
Der Heimat, die da ist, wo ich bin.
Die Heimat, die jeder mit sich trägt, ist
wahrscheinlich die erste Umgebung,
die einen geprägt und die zu unserem
„Gewordensein“ beigetragen hat. Aus
der heraus wir unsere Identität ein Stück
weit begründen, die manchmal ein leichtes
und manchmal ein schweres Gebäck auf unserer
Reise darstellt. Die verleugnet, mit Stolz
getragen, verflucht, geliebt, schmerzvoll, verloren
geglaubt und neu gefunden sein kann.
Die wir aber immer mit uns tragen.
Diese Art der Heimat ist der Ort, die Umgebung,
das Land, in dem wir die ersten Jahre
unseres Lebens verbracht haben. Der Ort, der
das erste Band mit einem geknüpft hat. Ein
Band, dessen Fäden aus den Menschen, der
Sprache, der Landschaft, den Gerüchen, den
Speisen, den Religionen, der Art zu leben,
den Haltungen und Einstelllungen und der
Art zu lieben besteht. Jedes weitere Band
wird an dieses Erste angeknüpft.
Mein erstes Band habe ich vor fast 50 Jahren
mit Österreich geknüpft, in einer Siedlung
mit ehemals Heimatlosen, aus dem
Krieg geflohenen. Ausnahmslos alle
Familien, die dort wohnten, hatten
in erster oder zweiter Generation
ihren primären Heimatort verloren.
Ich war umgeben von sämtlichen
Sprachen, Deutsch mit starken Akzenten,
verschiedenen Gerüchen, Speisen,
gegenseitigen Vorurteilen, Vertrauen,
Misstrauen und Arten zu leben. Nur
eines hatten fast alle gemeinsam –
Österreich war nicht das Land ihrer
Geburt, und fast alle waren damit
beschäftigt ihr Band mit diesem Land
zu verknüpfen. Dieses Land hat sie geprägt
und wurde ihnen zur Heimat. Heimat
und Identität, verwoben mit individuellen
Fäden zu einem Band, das anderen ähneln
kann, aber immer einzigartig bleibt, und ein
Teil seiner Biografie ausmacht.
Roswitha Maderthaner
Kindergartenleiterin
Montessoriepädagogin
Akademische Trainerin
Dipl.Biografiearbeiterin
zur Zeit Studium der
Elementarpädagogik
Foto © Christian Dorn | pixabay.com
13 | JUNI 2020
information & gesellschaft
Lernen von Corona:
Lernen mit Zukunft / für die Zukunft
SOLLEN ES „NUR“ DIE MASKIERTEN ELEFANTEN SEIN, DIE WIR AUS DER
KRISE MITNEHMEN?
Patricia Weiner
Coaching & Beratung
www.nah-am-leben.at
Foto © Dzoko Stach | pixabay.com
14 | JUNI 2020
Ziel sei es in die alte Normalität
zurück zu kehren und das so
schnell als irgendwie möglich –
so der kollektive Ruf da draußen.
Aber was war das eigentlich diese alte
Normalität? Und was ist neu an der
jetzigen neuen Realität, in der wir leben?
Unser derzeitiges Leben, ist begleitet
und geleitet durch dieses nicht angreifbare,
plötzlich auftretende und uns
alle in eine Ausnahmesituation versetzende
Corona-Virus. Und dieses bringt
so einiges Neues, nie Gedachtes oder
Erwartetes mit sich. Da gibt es plötzlich
Masken vor unseren Gesichtern und
Elefanten zwischen uns. Und sonst?
Corona und die damit einhergehenden
nationalen Maßnahmen haben das Land
in einen Krisen-Modus versetzt und damit
uns alle mit. Für viele Menschen war
diese Ausnahmesituation auch Auslöser
für eine persönliche Krise. Existenzielle
Ängste, Einsamkeit und kaum ertragbare
Lebensumstände haben viele Menschen
in einen persönlichen Krisen-Modus verfrachtet,
dessen Auswirkungen teilweise
erst jetzt richtig ans Tageslicht gelangen.
Vielen Menschen geht es schlecht und
sie kämpfen mit ihrer persönlichen Krise,
während rund um sie schön langsam
alles wieder zum Leben erwacht und in
den „alten Modus“ zurückkehrt. Aber
ist das wirklich das was wir wollen? Soll
nach Corona vor Corona sein? Sollen es
„nur“ die maskierten Elefanten sein, die
wir aus der Krise mitnehmen?
Wir haben uns DAS gewünscht. Die „alte
Normalität“, den alten Modus und doch
ging es jetzt vielen von uns zu schnell.
Viele Menschen in meinem beruflichen
und privaten Umfeld kämpfen gerade
mit dem Wiedereinstieg in das alte
Normale. Schauen etwas wehmütig
zurück auf die absolute Ausnahme.
So angsteinflößend, beunruhigend,
anstrengend, existenzbedrohend diese
Ausnahmesituation auch war, hatte sie
doch auch ihre gute Seite.
Was war durch die Ausnahmesituation
möglich? Für welche Tätigkeiten hatte
ich plötzlich Zeit, die sonst hintenangestellt
werden? Welche Dinge, Situationen,
Rituale habe ich auch genossen?
Was war möglich, weil die Zeit stillzustehen
schien? Welche Projekte habe ich
umgesetzt? Welche positiven Entwicklungen
nahm das Familienleben? Was
hat mir eigentlich gar nicht gefehlt? Und
was doch? Welche Gewohnheiten konnte
ich nicht verfolgen und welche neuen
haben sich etabliert? Welche positiven
Folgen hatten meine Handlungen in
dieser Zeit für mein Umfeld und meine
Umwelt?
Kurz: Welche Veränderungen hat diese
Situation gebracht, die sich als positiv
für mich und unsere Welt erwiesen
haben?
Was können wir als Gesellschaft und
was kann jede und jeder einzelne von
uns aus der Krise mitnehmen? Was
können wir lernen und verändern um
aus der Welt von morgen eine bessere
als gestern zu machen?
Die Frage, die bleibt ist: Gewinnt der
altbekannte Schweinehund das Rennen?
Oder trauen wir uns einen maskierten
Elefanten zu reiten?
Sie wissen selbst am besten, womit
Sie Ihr Wissen ergänzen wollen!
Stellen Sie Ihr eigenes Ausbildungsprogramm zusammen
Ausbildung für Jung und Alt
• Sie lernen am Ort Ihrer Wahl.
• Sie lernen mit Ihrer eigenen Geschwindigkeit
• Sie wählen Ihre eigenen Lernzeiten
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23 | 7 SEPTEMBER | DEZEMBER 15 | MÄRZ 2018 2019 2020
information & erziehung
Erziehung ist (k)ein Kinderspiel:
Immer wieder Belehrungen!
IM WIDERWILLEN IST OFT MEHR WOLLEN ALS WILLEN (Friedrich Löchner)
Mag. a Maria Neuberger-
Schmidt
Autorin und Gründerin
Verein Elternwerkstatt
www.elternwerkstatt.at
Foto: Ingrid Perger
Elternwerkstatt
Eine der wichtigsten Aufgaben
für Eltern und Erziehende ist es,
Kindern verständlich zu machen,
welches Verhalten annehmbar
ist oder nicht, damit sie im Laufe der
Jahre lernen, sich in Familie, Schule und
Gesellschaft zu integrieren.
Diese Bemühungen, und seien sie noch
so gut gemeint, stoßen aber oft auf Widerstand
– vor allem, wenn sie in Form
von Belehrungen ablaufen. Das bedeutet
nicht, dass Ihr Kind böse ist oder dass
es Sie ablehnt, sondern es liegt in der
Natur der Sache, dass es zu Auseinandersetzungen
kommt. Wenn Sie diese
mit Verständnis, Offenheit und Humor
führen, werden Sie selbst in scheinbar
schwierigen Fällen gut über die Runden
kommen. Dabei gilt es, einige Punkte zu
beachten.
SEIEN SIE MIT BELEHRUNGEN
SO SPARSAM WIE
MÖGLICH
Kinder wehren sich gegen
die „Besserwisserei“ der
Eltern und Erzieher. Geht
es Ihnen nicht auch so,
wenn Ihnen Ihr Partner, die
Schwiegermutter oder der
Vorgesetzte die „fertige
Lösung“ serviert,
und sei sie noch
so optimal? Kein
Wunder, enthalten
doch solche Aussagen
die versteckte, meist gar
nicht beabsichtigte, dafür
aber umso wirksamere Botschaften wie „du
verstehst nichts davon – du bist zu klein/ zu
dumm – ich traue dir nicht zu, das Problem
selber zu lösen– dies ist eine willkommene
Gelegenheit, mein Wissen unter Beweis zu
stellen, ob du darum gebeten hast, oder
nicht!“ Manche Kinder haben so problematische
Erfahrungen mit Belehrungen, dass sie
im Umgang mit Autoritäten von Haus aus
allergisch reagieren – viele Lehrer wissen ein
Lied davon zu singen, aber nicht immer, wie
sie mit dieser Problematik umgehen sollen.
ZUHÖREN UND NACHFRAGEN
Lassen Sie Ihr Kind seine eigenen Erfahrungen
machen und helfen Sie ihm durch
bewusstes Zuhören und Nachfragen, seine
Eindrücke zu verarbeiten und Einsicht zu
gewinnen. Drängen Sie Ratschläge nicht
auf – dann wird es viel lieber auf Sie hören.
Wenn Ihr Kind spürt, dass es ernst genommen
und mit Liebe und Respekt behandelt
wird, dann wird es bereit sein, Einsicht zu
zeigen und gelegentlich notwendige Gebote
oder Verbote (wenn auch nicht immer ohne
Murren) von Ihnen akzeptieren und nicht als
elterliche Willkür empfinden.
Zu Ihrem Trost: wenn Ihr Kind Unmut und
Widerspruch äußert, ist dies immer auch ein
Zeichen des Vertrauens. Wäre es verängstigt
oder eingeschüchtert, würde es dies gar
nicht wagen. Außerdem wissen Sie, woran
Sie sind und haben die Möglichkeit, eine
konstruktive Lösung für ein eventuelles
Problem zu finden.
Foto: © Milu Cernochova-pixabay.com
16 | JUNI 2020
information & bewusstsein
Solidarität in der Krise:
Entdecken der Verbundenheit?
JE BESSER ES DEN MENSCHEN GEHT, DESTO STÄRKER
ERLEBEN WIR EINE ENTSOLIDARISIERUNG UNTER IHNEN (Regine Hildebrandt)
Wenn Sie den Titel lesen
„Solidarität in der Krise“ –
kämen Sie dann auf die Idee,
dass dieser ZWEI Bedeutungen
haben könnte? Vielleicht bin ja
ich „beschränkt“, ewig fokussiert auf
das Gute, Wahre und Schöne – ich sah
gar keine zweite Möglichkeit: Klar, die
Corona-Krise hat uns alle zusammenrücken
lassen, eine neue Solidarität in der
Krise entstehen lassen. Was sonst?! Erst
das Vorwort in dem mir zugefallenen,
schmalen „Tagungsband“ zu einem
Symposion im Frühjahr 2011 ließ mich
aufmerken: Ah, die meinten und diskutierten
damals darüber, dass und warum
die Solidarität in der Krise wäre …
Faszinierend, was ein zehnwöchiger
„Stillstand“ & Rückzug ins Private,
ausgelöst durch einen unsichtbaren
Feind namens Covid 19, bewirken kann.
Wir haben plötzlich wieder unsere/n
Nachbarn wahrzunehmen begonnen. Mit
Gesprächen, Hilfsanboten, Besorgungen,
Aufmunterungen, kurz: mit solidarischem
Handeln.
ZUSAMMENHALTEN!
Solidarität oder solidarisch (von lateinisch
solidus „gediegen, echt, fest“) bezeichnet
eine zumeist in einem ethischpolitischen
Zusammenhang benannte
Haltung der Verbundenheit mit – und
Unterstützung von – Ideen, Aktivitäten
und Zielen anderer. Sie drückt den
Zusammenhalt zwischen gleichgesinnten
oder gleichgestellten Individuen und
Gruppen und den Einsatz für gemeinsame
Werte aus. Der Gegenbegriff zur
Solidarität ist die Konkurrenz.
Corona ist eine gute Lehrerin, oder?
Was DIE alles zustande gebracht hat:
Von Homeschooling über vermehrte
Achtsamkeit bis zum Respektabstand.
Angewandte Mitmenschlichkeit! - Und
wenn’s nur der „stärkende Zusammenhalt
gegen den bösen Angreifer“ gewesen
sein mag. Hoffentlich bleibt diese,
wenn der Schrecken weg ist.
„Nur eine solidarische Welt kann eine
gerechte und friedvolle Welt sein.“
(Richard von Weizsäcker)
Dr. Manfred Greisinger
Autor, Trainer
Buch-Projekt-Begleiter
Vortragender
Selfness-Coach
ICH-Marke-Pionier
25 Bücher bisher –
aktuell: „Heimkehr –
Liebesgeschichte Leben“
www.stoareich.at
Foto: © Gernot Blieberger
Foto: © Gerd Altmann | pixabay.com
17 | JUNI 2020
e
r
aber
lig.
istiker
information & pädagogik
SOS-Familientipps:
Achtung, Fake News
MEDIENKOMPETENZ IST WICHTIGER DENN JE
sche
war
kt, aber
alig.
horistiker
Katrin Grabner
Expertin für Kinderrechte
und Online-Sicherheit von
Kindern und Jugendlichen
SOS-Kinderdorf
www.sos-kinderdorf.at/
familientipps
Foto:© Thorsten Behrens
Foto: © Manfred Steger | pixabay.com
18 | JUNI 2020
In der aktuellen Krise wird deutlich,
dass sich viele Kinder und Jugendliche
schwer tun, Fake News zu
erkennen. Wie können Eltern ihre
Kinder im Umgang mit digitalen Medien
unterstützen?
In Zeiten der Unsicherheit wächst das
Bedürfnis nach Information. Zur aktuellen
Entwicklung des Coronavirus gibt
es fast im Minutentakt neue Nachrichten
– doch nicht alle davon stimmen.
„Falschmeldungen und Gerüchte können
besonders in Krisenzeiten zusätzliche
Ängste schüren. Eltern sollten darum
mit ihren Kindern besprechen, welchen
Nachrichten man vertrauen kann, und
wie man Fake News erkennt. Wir haben
konkrete Tipps, wie Familien mit der
aktuellen Nachrichtenflut gut umgehen
können:
#1 MIT GUTEM BEISPIEL VORAN
Besprechen Sie mit Ihrem Nachwuchs,
welche Medien über gesicherte Informationen
berichten, und welche mit
reißerischen Schlagzeilen Aufsehen
erregen wollen. Gehen Sie dabei als
gutes Vorbild voran und legen Sie selbst
einen Medienstopp ein – zum Beispiel,
indem Sie nicht laufend Ihre Social Media
Kanäle checken, in denen viele – teils
absurde – Infos zu Corona kursieren.
Verfolgen Sie die Nachrichten gezielt ein
bis zwei Mal am Tag in der Familie und
besprechen Sie die Neuigkeiten mit den
Kindern.
#2 WEITERVERBREITUNG
VERHINDERN
Gerüchte leben davon, dass jemand sie
verbreitet. Jeder und jede Einzelne, der
eine Falschmeldung weiterleitet, trägt
zur Verunsicherung anderer bei. Erklären
Sie darum Ihren Kindern, wie wichtig es
ist, nicht vorschnell Infos zu teilen, die
einem Angst machen oder schockierend
erscheinen. Motivieren Sie Ihr Kind, Nachrichten,
die es beschäftigen, mit Ihnen
zu besprechen. Gemeinsam können Sie
dann in Ruhe herausfinden, ob an der Info
tatsächlich etwas dran ist.
#3 WERDEN SIE ZU FAKE NEWS
DETEKTIVEN!
Fake News zu erkennen, kann man üben.
Um Ihre Kinder zu dem Thema zu sensibilisieren,
können Sie Nachrichten gemeinsam
diesen Checks unterziehen:
• Lassen Sie sich nicht von einem reißerischen
Titel fangen, sondern lesen Sie
die ganze Geschichte. Wenn diese wenig
Erklärungen liefert, könnte leicht etwas
faul sein.
• Kontrollieren Sie den Absender: Woher
stammt die Nachricht? Webseiten oder
Blogs sollten dazu ein Impressum haben
(meist ganz unten). Wenn sich dort keine
nachvollziehbaren Angaben finden, ist oft
auch die Nachricht nicht viel wert.
• Falschmeldungen erscheinen mitunter
im Design bekannter Medien, um glaubwürdig
zu wirken. Ein genauer Blick auf
die Browser-Zeile im Internet zeigt, ob
tatsächlich der vermutete Absender dahinter
steckt. Oftmals unterscheidet sich die
URL nur minimal vom Original – wie
durch einen zusätzlichen Bindestrich
oder einer anderen Endung.
• Schauen Sie gemeinsam nach, ob
sich die Inhalte auf anderen Medienportalen
wiederfinden. Zum
information & & pädagogik forschung
WIR SETZEN IMPULSE
Beispiel über eine Google-Suche unter dem
Karteireiter „News“. Wenn andere AutorInnen
und Medien bereits zu dem Thema geschrieben
haben, ist das glaubwürdiger, als wenn
sich immer nur die gleiche Meldung wiederfindet.
#4 DEN EIGENEN AUGEN NICHT TRAUEN
Vor allem in den sozialen Medien kursieren
viele teils lustige, teils irritierende Fotos zum
Thema Corona. Bilder wirken oft vertrauenswürdiger
als Worte – doch auch sie können
gefälscht oder aus dem Zusammenhang
gerissen sein. Vergewissern Sie sich mit einer
„Rückwärtssuche“, ob ein Bild wirklich im
richtigen Kontext verwendet wird: Speichern
Sie dazu das Bild ab und laden Sie es in der
Google-Bildersuche hoch. Nun werden alle
Websites angezeigt, die dasselbe Bild verwenden
und Sie können den Ursprung eines Bildes
ermitteln.
http://magazin.Lmzukunft.at
#5 FAKE NEWS PROFIS FRAGEN
Es gibt eigene Webseiten und Datenbanken,
die sich darauf spezialisiert haben, über
Gerüchte und Fake News zu berichten. Auf
hoaxsearch.com oder mimikama.at sind zum
Beispiel viele Falschmeldungen
gesammelt.
UNSER INFO-SERVICE
WIR INFORMIEREN SIE 4-6 MAL IM JAHR ÜBER NEUIGKEITEN
BEI "LERNEN MIT ZUKUNFT".
RECHTZEITIG INFORMIEREN WIR ÜBER DEN
ERSCHEINIGUNGSTERMIN ERSCHEINUNGSTERMIN DES DES IMPULS-MAGAZINS.
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INFORMIERT
EMPFEHLEN SIE UNS IHREN FREUNDEN UND BEKANNTEN.
ANMELDUNG:
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19 | JUNI 2020
information & wissenschaft
Die Meinungs-Kehrtwende:
Tierversuche? NEIN DANKE???
WIE SCHNELL SICH DOCH DER WIND DER ÖFFENTLICHEN MEINUNG DREHT
Thomas Kolbe
Fachwissenschaftler
für Versuchstierkunde,
Ao. Prof. für die
Service-Plattform
Biomodels Austria
Veterinärmedizinische
Universität Wien
Foto: © Alexandra Koch | pixabay.com
20 | JUNI 2020
Sehr viele Menschen weltweit
machen momentan eine extrem
schwierige Zeit durch. Durch diese
außergewöhnlichen Bedingungen
ist es vermutlich zu erklären, dass
sich die Meinung der Öffentlichkeit zu
Themen wie Impfungen, Forschung und
Tierversuchen um 180 Grad gedreht hat,
wenn man nach den Schlagzeilen der
Presse geht: Noch bis vor wenigen Monaten
wurde der Sinn von Masernimpfungen
diskutiert. Jahrzehntelang haben
viele von der Herdenimmunität profitiert.
Bis fast alle nach dem Motto ›sollen die
anderen sich impfen lassen und ich bin
dann geschützt‹ gehandelt haben. Mit
zunehmenden Krankheitsausbrüchen in
den letzten Jahren. Dabei ist das keine
harmlose Kinderkrankheit, sondern kann
bei Kindern zu ernsthaften Komplikationen
mit dauerhaften Gesundheitsschäden
führen. Und wehe, wenn sich ein
Erwachsener diese Krankheit zuzieht.
Bei Männern ist häufig Unfruchtbarkeit
die Folge, aber auch andere
schwere Schäden können zurückbleiben.
Gegen die jährlich auftretende
Influenza haben sich nur noch 8%
der österreichischen Bevölkerung
impfen lassen. Obwohl 83% den
Nutzen von Impfungen anerkennen.
Dabei kam Influenza nun
wirklich nicht unerwartet. Jetzt trifft
uns ein neuer Virus mit voller Wucht
und alle können es nicht erwarten, dass
ein Impfstoff zur Verfügung steht. Am
besten gleich morgen. Dabei wird jetzt
im Frühjahr z.B. schon mit der Massenproduktion
des Influenza-Impfstoffes für
den nächsten Herbst begonnen. Wenn es
also einen wirksamen Corona-Impfstoff
geben sollte, wird allein die Massenproduktion
ein halbes Jahr dauern. Einen
Impfstoff zu entwickeln, der eine gute
und möglichst langanhaltende Immunreaktion
hervorruft und dabei keine unerwünschten
Nebenwirkungen hat, wird
viele Monate dauern. Die Bildung von
Antikörpern als gewünschtes Ergebnis
einer Impfung dauert mindestens zwei
Wochen. Erst dann weiß man über den
Erfolg oder Misserfolg eines einzigen
Versuchsdurchganges an Testpersonen
Bescheid. Vor 60 Jahren kamen bei
der voreiligen Anwendung eines Polio-
Impfstoffes viele Kinder zu Schaden. So
etwas soll sich keinesfalls wiederholen.
Wenn also vielleicht nächstes Jahr ein
Impfstoff in ausreichender Menge zur
Verfügung steht, lassen sich hoffentlich
mehr als nur 8% der Bevölkerung
impfen. Und in den Jahren danach. Zum
Glück werden 79% der Impfstoffe in
Europa produziert. Dieser Industriezweig
ist noch nicht aus Europa abgewandert.
Das ist endlich einmal ein Vorteil der
Europäer.
Auch der Wert von Forschung allgemein
wird nun anscheinend wieder mehr
geschätzt. Es gibt viele Berichte über die
Arbeit der Forscher. Dabei haben wir die
ganzen Jahre nur Glück gehabt, dass
bisher alle anderen gefährlichen Erreger
außerhalb Europas geblieben sind, wie
z.B. der Hendra-Virus 1994 in Australien,
der Nipah-Virus 1998 in Malaysia, Sars
2002 und Mers 2012 in Asien, Ebola
2014 in Afrika und Zika-Virus 2015 in
Südamerika. Hoffentlich wird die Forschung
wieder besser finanziert, damit
nicht weiterhin hoffnungsvolle junge
Talente in das Ausland abwandern und
wir solchen Krankheitserregern hilflos
information & wissenschaft
gegenüber stehen und nur darauf hoffen
können, dass rasch irgendwo anders ein
Heilmittel entwickelt wird.
Während die Meinung in einigen
europäischen Ländern zuletzt dahin
tendierte, Tierversuche möglichst rigoros
abzuschaffen, dämmert jetzt in der Krise
die Erkenntnis, dass man Forschung
über das Immunsystem nicht komplett
mit Zellkulturen bestreiten kann. Dazu
braucht es auch lebende Organismen.
Heiß begehrt sind aktuell Labormäuse
mit einer gentechnischen Veränderung
des ACE2-Rezeptors. Der bildet nämlich
die Eintrittspforte für den Corona-Virus.
Mit Hilfe dieser Mäuse kann man Details
der Infektion studieren und Gegenmaßnahmen
erproben. Leider gibt es nur
kleine Zuchtkolonien dieser Mäuse bei
einer Firma in Singapur und einem Labor
in den USA. Selbst so fortpflanzungsfreudige
Tiere wie Mäuse können sich nicht
so schnell vermehren, wie sie Forscher
aus aller Welt gerne in ihren Labors hätten.
Es bleibt zu hoffen, dass auch nach
Bewältigung dieser Krise das Verständnis
für die Bedeutung von Forschung und
deren breite Unterstützung von Seiten
der Öffentlichkeit erhalten bleibt.
LINKS:
Influenza – errechnete Durchimpfungsrate
Gesamtbevölkerung
Österreich 2004-2019 laut
ÖVIH;
https://www.profil.at/wissenschaft/pseudomedizin-warumaerzte-unsinn-5544216
https://www.aerztezeitung.at/archiv/oeaez-2015/
oeaez-22-25112015/impfungen-impfskepsis-impfgegner-univ-prof-ursula-wiedermann-schmidt.html
Bleiben Sie gesund und nutzen Sie dann
hoffentlich bald die Möglichkeit einer
Corona-Impfung.
Foto: © Abhilash Jacob | pixabay.com
21 | JUNI 2020
information & bewusstsein
Professor Abakus:
Shutdown und „Zurück zur Natur“
Das Thema Klimawandel wurde kurzfristig von Covid 19 abgelöst und
viele haben die Zeit genutzt, Wohnung, Keller und Garage aufzuräumen.
Einige besonders schlaue Füchse haben dann die Chance ergriffen, ihren
Müll im Wald zu entsorgen. Herzlichen Glückwunsch und Servus an Müll
und Unrat an diesem friedlichen Ort. Leere Dosen, Zigarettenkippen und Plastikverpackungen,
Autoreifen, vollgestopfte Müllsäcke und Einweg-Mundschutzmasken,
Kühlschränke und ausrangierte Bügelbretter, Gartenstühle und Griller, nur um einige
aufzuzählen.
Foto: © Mykola Velychko - Fotolia.com
Diese Menschen hatten letztendlich auch keine andere Wahl, denn die Mistplätze waren
Corona bedingt geschlossen. Und das überdehnt eindeutig die Nerven. Sich den Müll aufzuheben,
unter Umständen noch im eigenen Keller und auf die Öffnung eines Mistplatzes
zu warten, ist eine Zumutung. – Warten? Was glauben Sie eigentlich, wer ich bin? Und sollen
sich doch andere für eine lebenswerte Zukunft auf diesem Planeten einsetzen. Künftige
Generationen? Mülltrennung? Die Natur? Ist mir doch wurscht. --
Seit Millionen Jahren schützen die Wälder unser Klima. Und sie bieten vielen Lebewesen
Schutz und Nahrung. Wald verbinde ich mit Geheimnis und Zauber und magische Anziehungskraft.
Die Liebe zur Natur verbindet meine Familie. In den letzten Wochen sind wir
in die Welt der Bäume, der Tiere und der inspirierenden Geschichten eingetaucht. Ich mag
den Geruch des Waldes, das Holz und die unergründlichen Augen, die uns aus allen Richtungen
beobachten. Die mystischen Geschichten über Elfen, Feen und Kobolde. Das Licht,
das auf dem Waldboden tanzt, das Konzert der Frösche und die Spiegelungen im Wasser.
Den weichen Boden, das Seufzen und Flüstern der Bäume.
Wenn ich zu entscheiden hätte, müssten Natur und Wälder auf der ganzen Welt geschützt
werden. Und zwar jetzt, sofort. Gegen Zerstörung und Ausbeutung durch den Menschen.
Aber mich fragt ja keiner, wie immer.
Ghostwriter: Birgit Menke
Foto: © Annalise Batista | pixabay.com
22 | JUNI 2020
Symbolfoto © Daniel Gollner, Caritas Kärnten
Freude am Lernen
mit einer gesunden
Jause!
Schenken Sie eine gesunde Jause
Die Lerncafés der Caritas sind ein kostenloses Angebot für SchülerInnen. Österreichweit
gibt es 54 Lerncafés in denen vergangenes Jahr rund 2.100 Kinder auf
dem Weg zu einem positiven Schulabschluss unterstützt wurden. Mit Ihrer Spende
finanzieren Sie diesen Kindern eine gesunde Jause. Durch die Jause wird den
Kindern auch das Thema gesunde Ernährung mit auf den Weg gegeben.
schenkenmitsinn.at
Die Welt für
20 €
besser machen
information & nachhaltigkeit
Food 4 future – Teil 4:
Wer die Saat hat, hat das Glück
RADIESCHEN, BLATTSALATE, FRISCHE KRÄUTER UND MONATSERDBEEREN
ERNTEN
Mag. a Julia
Geißler-Katzmann/
selbstständige
Ernährungswissenschafterin
& Kinesiologin nach Dr. med.
Klinghardt
www.julika.at
Vorträge und Workshops
Nähere Informationen unter
www.julika.at
Vom Sammeln zum Anbau
Saat- und Pflanzgut ist die
Grundlage unserer Nahrung und
der menschlichen Entwicklungsgeschichte.
So wurde aus der Jäger- und
Sammlergesellschaft die Garten- und
Ackerbaukultur (vor ca. 12.000-10.000
Jahren) geschaffen. Die Menschen
wurden aufgrund des Ackerbaus und des
Wissens rund um die Saatgutvermehrung
sesshaft und haben begonnen Vieh zu
halten. Der ewige Kreislauf der Natur und
DIE Basis für ein gut funktionierendes Ökosystem wurde geschaffen.
Von rund 3.000 Nahrungspflanzen sind circa 250 Kulturarten
bekannt. Doch nur 20 Kulturarten tragen zu 90% der menschlichen
Ernährung bei. Nur drei kultivierte Arten und das sind Weizen, Reis
und Mais machen bis zu 50% der globalen Ernährung aus!
In den letzten hundert Jahren hat ein dramatischer Verlust an
Kulturarten und -sorten stattgefunden. So spricht die FAO (Food
and Agriculture Organisation) von 75% der ehemals vorhandenen
landwirtschaftlichen Vielfalt, die seit 1900 verloren gegangen ist.
EINFALT BIRGT GEFAHREN
Ein Blick zurück in die Geschichte zeigt, dass ein Mangel an Vielfalt
verheerende Folgen nach sich ziehen kann. Denkt man an die
Hungerkatastrophe in Irland (um 1845), die durch die unaufhaltsame
Kartoffelseuche ausgelöst wurde. So starben rund 2 Millionen Iren.
Die Ursache war vor allem die, dass die damaligen, irischen Kartoffelsorten
alle hochgradig verwandt waren und daher in ihrer genetischen
Einfachheit nicht resistent gegenüber der Pflanzenseuche.
SORTENVIELFALT ERHALTEN – JETZT!
Eine genetische Vielfalt bringt stabilere Systeme, bessere Anpassung
an Klimaschwankungen und Bodenbeschaffenheit und sie ist resistenter
gegen Krankheiten.
Nicht zuletzt ist es mir aus ernährungsphysiologischer Sicht wichtig,
dass auch eine Vielfalt an Inhaltsstoffe eine positive Auswirkung auf
unsere Zell-Gesundheit hat. Zudem werden
viele Formen, Farben und unterschiedliche
Geschmäcker auf den Teller gezaubert,
was die Lust auf gutes, frisches und selbst
zubereitetes Essen steigert und einfach Spaß
macht!
BIODIVERSITÄT IST DEMOKRATIE
Vandana Shiva (indische Wissenschafterin
und Trägerin des „alternativen Nobelpreises“)
spricht davon, dass die Vielfalt Demokratie
und Frieden stiftet. Sie nennt das
Beispiel, wie Indiens Wissenschafter*innen
in der Natur ihr Lernfeld finden. In den Wald
geht man um zu lernen und zwar: das Recht
auf Gleichberechtigung. Dort findet man
große Bäume, sowie kleine Kräuter und jeder
hat seine Daseinsberechtigung, egal ob
die Unterschiede in Größe, Form und Farbe
vorhanden sind. Alle haben das gleiche
Recht zu existieren. Und wenn man durch
diese Artenvielfalt Demokratie erfährt und
lernt, dann schafft man die Bedingungen
und die Grundlage für Frieden!
Dieser Vergleich hat mich sehr berührt,
wenn wir es schaffen das unseren Kindern
auf den Weg mitzugeben, dann haben wir
viel erreicht!
DIE ZUKUNFT DES ESSENS IS(S)T VIEL-
FÄLTIG
Lassen wir uns alte Sorten wieder schmecken,
holen wir uns eine Vielfalt an Pflanzen
in unsere Gärten, auf unsere Balkone und in
unsere Küchen.
Wie mundet ein „Malabarspinat“, wie
schmeckt die „Ochsenherz-Tomate“?
Bringen wir eine Vielfalt an Geschmack auf
unseren Gaumen zurück!
Denn je bunter unser Teller ist, desto mehr
Nährstoffe erhält unser Körper.
24 | JUNI 2020
information & nachhaltigkeit
Saatgut kann man ganz einfach online bestellen,
aber es gibt auch Unternehmen, wie die niederösterreichische
„Samengreisslerei“, die beispielsweise
Gemüsekistl´n mit alten Sorten im Jahresabo verkaufen.
Zu guter Letzt noch eine Übung, die aus der Naturpädagogik
kommt und die uns das homeschooling
immer wieder versüßt hat:
„MEIN KLEINES STÜCK VOM GARTENGLÜCK“...
Sinne und Achtsamkeit für unsere Vielfalt schärfen!
Bereiten Sie ein Stück Karton (20 cm* 10 cm) vor, auf
welches Sie ein breites, beidseitig klebendes Klebeband
picken. Nun gehen Sie mit diesem „präparierten
Karton“ in den Garten/ auf eine Wiese und versuchen
Sie die vielen, verschiedenen Grüntöne festzuhalten,
indem Sie sie aufkleben!
WO KÖNNEN SIE SICH WEI-
TER ÜBER BIODIVERSITÄT
ODER SORTENRARITÄTEN
INFORMIEREN?
https://www.arche-noah.at/
https://biologischevielfalt.at/
https://www.reinsaat.at/
https://samengreisslerei.
at/
http://www.vielfaltleben.
at/
Dies ist eine schöne Meditations- und Achtsamkeitsübung,
die Ihnen und den Kindern gleichzeitig die
Augen öffnet für die Vielfältigkeit der Farben, Formen
und Gerüche! Viel Spaß dabei!
Foto © Angel Glen | pixabay.com
information & integration
Mehrsprachigkeitsansatz:
Der Schlüssel zur sozialen Welt
SPRACHENSENSIBLE GESTALTUNG DES PÄDAGOGISCHEN ALLTAGS
Dr. in Karin Steiner ˇ
zuständig für
pädagogische Entwicklungen
und Bildungskooperationen
bei den
Wiener Kinderfreunden
Foto: Felix Zangerl
26 | JUNI 2020
LITERATUR
Krumm,H.J. (2017): Mehrsprachigkeit
als Ziel und als Rahmenbedingung.
Vortrag im Rahmen von BIG am
24.10.2017
List, G. & List, G. (Hg.) (2001):
Quersprachigkeit. Zum transkulturellen
Registergebrauch in Laut- und
Gebärdensprachen. Stauffenburg,
Tübenburg.
Tracy, R. (2008): Wie Kinder Sprachen
lernen. Und wie wir sie dabei
unterstützen können. Francke Verlag
Ein bewusster Umgang mit der Ressource
Sprache ist ein bildungspolitisches
Ziel ersten Ranges.
Denn diese hat die Aufgabe,
junge Menschen zu einem Leben in einer
mehrsprachigen Welt unter den Bedingungen
der sprachlichen und kulturellen
Vielfalt zu befähigen.
„Das bedeutet zum einen, Kinder und
Erwachsene, die bereits mehrsprachig
sind, nicht einsprachig zu machen,
sondern ihre Sprachen und sprachlichen
Fähigkeiten zu nutzen und zu erweitern;
und das bedeutet zum andern, auch
einsprachigen Kindern früh einen Zugang
zu Mehrsprachigkeit zu eröffnen.“
(Krumm, 2017)
Die Wiener Kinderfreunde stellen sich
mit der Pilotierung eines neuen sprachensensiblen
Ansatzes in ihren Piloteinrichtungen
dieser Aufgabe.
WIE KANN EINE POSITIVE HALTUNG
GEGENÜBER DER MEHRSPRACHIG-
KEIT IM KINDERGARTEN-ALLTAG
KOMMUNIZIERT WERDEN?
Die Antwort ist Potentiale entdecken
und Ressourcen entfalten; sowohl bei
den Kindern als auch beim Team. Das
gesamte System des Kindergartens wird
hierbei einbezogen, um Sprachressourcen
optimal zu nutzen und alltagsintegrierter
mehrsprachlicher Bildung
institutionell einen Platz zu geben. Die
Potentiale und Entwicklungen, die sich
dabei zeigen, wenn Alle alle Sprachen
sprechen dürfen, sind beeindruckend.
Denn Kinder wollen von sich aus Sprache
lernen, weil diese für sie der Schlüssel
zur sozialen Welt ist.
Sie brauchen Deutsch als Brückensprache für
anderssprachige Kinder und lernen sie in kürzester
Zeit, wenn sie dabei nicht zu sehr unter
Druck gesetzt werden und sie keine Angst haben
müssen, dass man ihnen ihre Sicherheitsund
Selbstbewusstseinssprache verbieten oder
diese durch Deutsch verdrängen will. Denn sie
wollen dazugehören und anerkannt werden.
Kinder übernehmen neue Sprachmodelle umso
rascher, je enger sie den/die SprecherIn ins
Herz geschlossen haben. (W. Maier 1988:73)
Sprechen und Sprachenlernen sind somit eine
soziale Angelegenheit, für jüngere Kinder in
ganz besonderem Maße, wo die Dominanz der
Familiensprache noch die nächsten ein/zwei
Jahre vorherrscht. Es ist daher wichtig, Räume
zu schaffen, in denen Kinder gerne kommunizieren
in kleinen Gruppen, mit verschiedensprachigen
Bezugspersonen, so dass auch zurückhaltende
Kinder gefördert werden können.
KINDER ALS SPRACHEXPERTINNEN…
Dürfen Alle alle Sprachen sprechen, bekommen
Kinder so auch die Gelegenheit, als ExpertInnen
aufzutreten. Sie erleben, dass sie etwas
Besonderes können, nämlich das Sprechen
weiterer Sprachen. Diese Wertschätzung
beeinflusst das Kind positiv in seiner Persönlichkeitsentwicklung,
da Sprache ein Teil seiner
Identität ist.
Wichtig jedoch ist, beim einzelnen Kind
zunächst zu erkennen, was es bereits kann
(inkl. der weiteren Sprachen!), es individuell
zu fördern und da »abzuholen«, wo es gerade
steht – dies gilt für alle Bereiche, auch für die
Sprachentwicklung.
Nimmt man Kinder in dieser Individualität
information & integration
wahr, so stellt man auch fest, dass die Kontexte der Mehrsprachigkeit
verschieden sind und damit verbunden der
sprachliche Input pro Sprache, der sich von Kind zu Kind
sowohl in der Quantität als auch in der Qualität unterscheidet.
Neben der Wertschätzung, die auch die intrinsische Motivation
des Kindes, alle ihm bekannten Sprachen zu gebrauchen,
erhöht, haben die sprachpädagogischen Fachkräfte
insbesondere im Projekt auch auf den sprachlichen Input,
das »Sprachangebot« (Tracy 2008), wert gelegt, denn dieses
spielt eine entscheidende Rolle beim Sprachenlernen.
Um dieses qualitativ, aber auch quantitativ zu verbessern,
erhielt jede PädagogIn in ihrer Gruppe Unterstützung
durch eine mehrsprachige SprachbegleiterIn. 4 Stunden
täglich sorgte diese gemeinsam mit der PädagogIn dafür,
dass das Sprachangebot interaktiver, vielfältiger, qualitativ
hochwertiger sowie an den Interessen und Themen der
Kinder orientiert stattfand. Dies sind wichtige Aspekte, um
die Lernqualität, Speicherung und kognitive Leistung beim
Spracherwerb zu verbessern.
KINDER ALS SPRACHDETEKTIVE…
Die sprachENsensibel gestaltete Bildungsarbeit und das
aktive Nutzen aller Sprachpotentiale führte bei den Kindern
auch dazu, dass sie als „Sprachdetektive“ (es wurde auch
methodisch so angeboten) einen Einblick in das Funktionieren
der verschiedenen Sprachen bekamen, indem sie
die Möglichkeiten von Transfer und Interferenzen zwischen
den Sprachen, die sie verwenden, auch im pädagogischen
Alltag nutzen und darüber sprechen lernten. Darüber
hinaus wurden produktive und rezeptive Fertigkeiten geübt
mit dem Ziel, dass alle Kinder ein metalinguistisches und
sprachenübergreifendes Sprachbewusstsein, Sprachlernstrategien
und Sprachmanagementstrategien entwickeln,
welche wichtige Kompetenzen für jegliches weitere Sprachenlernen
darstellen.
WAS MUSS ICH ALS PÄDAGOGIN DAZU WISSEN?
Die Veränderung des sprachpädagogischen Alltags wurde
durch die Fachberatung kontinuierlich begleitet und im
Rahmen von Fort- und Weiterbildungen den teilnehmenden
Piloteinrichtungen vermittelt. Dabei ging es um
das Wissen über den mehrsprachigen Spracherwerb, linguistische
Aspekte, als auch um die Frage nach geeigneten
didaktischen Formaten sowie um das konkrete Einbeziehen
der Erstsprache, um das sprachliche Repertoire der Kinder
besser nutzbar machen zu können.
sprachenansatzes ging es dem Projektträger auch um etwas
Grundsätzliches, nämlich „die Mehr-und die Quersprachigkeit,
das Sprachwechseln und das Sprachmischen, also die
Normalität der Mehrsprachigkeit (vgl. List/ List 2001) in der
Gesellschaft, in der Wirtschaft und in den Familien, auch im
Bildungswesen Normalität werden zu lassen.“ Das Projekt
BIG leistete hierzu einen entscheidenden Beitrag.
Foto: © Archiv Wr. Kinderfreunde
Foto: © WKF-C. Edinger
Mit der Einführung des neuen sprachsensiblen Gesamt-
27 | JUNI 2020
information & erinnerung
Harry Banaszak:
Ein Kriegskind erzählt
REICHSPOGROMNACHT 9. NOVEMBER 1938
Harry Banaszak
aus dem Buch
"Keiner hat mich je gefragt"
Zeitgut Verlag, Berlin.
Harry Banaszak
Keiner hat mich je gefragt
Ein Kriegskind erzählt. 1931-1948
160 Seiten, viele Fotos,
Sammlung der Zeitzeugen (77),
Zeitgut Verlag, Berlin.
Broschur
ISBN: 978-3-86614-239-8,
Kühler Herbstwind fegte an diesem
ersten November-Montag des
Jahres 1938 über den Schulhof.
Die Kastanien hatten ihre Blätter bereits
verloren und streckten ihre kahlen Äste
in den grauen Himmel. Ich fror während
der großen Pause, daß mir kalte Schauer
über den Rücken liefen und war froh,
wieder zurück ins warme Klassenzimmer
zu dürfen.
Herrn Straeng kannte heute nur ein Thema:
Er sprach über das Attentat in Paris.
Er verdammte den feigen jüdischen Anschlag
auf einen deutschen Diplomaten.
Der Attentäter soll ein 17-jähriger Judenjunge,
ein gewisser, Hersche Grynszpan,
gewesen sein. Herr Straeng schaffte
es, uns Jungen so einzuheizen, daß wir
wütend wurden, daß wir diesen feigen
Kerl verfluchten und über diese entsetzliche
Tat entrüstet waren. Wie konnte der
nur!
Auch in Heises Kneipe und bei Vater im
Laden wurde heiß über den Mord an dem
deutschen Diplomaten Ernst vom Rath
diskutiert.
Unser Lehrer, der nur noch in seiner SA
Uniform zur Schule kam, bearbeitete uns
an den darauf folgenden Tagen in seiner
eindringlichen Art zu glauben, daß alleine
die Juden an allem Unglück unserer Welt
schuld seien. Mit dem Rohrstock unterstrich
er jedes seiner Worte. Und am
Ende der Stunden waren wir Jungen fest
davon überzeugt, daß das stimmte.
Doch kaum zu Hause, die Schularbeiten
hatte ich mit Oma B. gemacht, ging es
zum Spielen rüber zu Herbert in
den Kohlenkeller. Lehrer Straengs
Worte waren vergessen.
Bilder gucken war wichtiger. Herbert
hatte zum Geburtstag eine Laterna magica
bekommen. Mit dieser Zauberlaterne
projizierte er bunte Märchen- und
Tierbilder auf ein weißes Laken, bis die
Kerze runter gebrannt war. Das war
wie im Kino. Gerwin, Herbert und ich
konnten uns an diesen bunten Malereien
nicht satt sehen.
Einmal in der Woche, immer am
Mittwoch, war Oma-Tag. Auch heute,
am 9. November, kam Oma B. zum
Abendessen.
Wenn die Laternen auf der Straße zu
leuchten begannen, war in der
Strelitzer Straße nichts los. Aber heute
tat sich was. Eine Unmenge Lastwagen
kamen von der Invalidenstraße her,
brummten und schepperten gefährlich
an unserem, sich unmittelbar über dem
Bürgersteig befindlichem Kellerfenster
vorbei.
Vater hatte den letzten Kunden bedient
und das Geschäft geschlossen, die Tür
verriegelt. Mutter Liesbeth stellte gerade
das Essen auf den Tisch. Plötzlich
hörten wir von draußen eindringliches
Schreien und Brüllen, so laut, daß
es das Brummen der Motore übertönte.
Vater, Mutter Liesbeth und Oma stellten
sich an das Kellerfenster. Vater hob
mich hoch, damit auch ich etwas sehen
konnte.
Ich sah, wie SA Männer drüben auf der
28 | JUNI 2020
information & erinnerung
anderen Straßenseite Menschen vor sich her
schubsten und sie auf die Ladeflächen der Wagen
zerrten. Fensterscheiben wurden zerschlagen,
Scherben klirrten auf den Bürgersteig.
Möbel und Bettzeug flogen aus den Fenstern
der oberen Wohnungen. Federn segelten im
trüben Schein der Gaslaternen wie Schneeflocken
durch die Gegend. Die großen Schaufenster
der Schneiderei und des Seifenladens
zerbarsten.
Aus der Schneiderei kamen dunkle Gestalten,
Stoffballen geschultert, und machten sich
davon.
„Mein Gott“, sagte Oma, „mein Gott, das
sind doch auch Menschen! Mein Gott, mein
Gott,“ wiederholte Oma immer wieder. Vater
war kreidebleich im Gesicht, und ich zitterte
vor Angst.
„Hoffentlich kommen die nicht noch zu uns“,
schluchzte Mutter Liesbeth.
„Polen tun sie nichts“, entgegnete Vater,
„außerdem sind wir deutsche Bürger.“
„Aber die da drüben doch auch!“, erwiderte
Oma.
In dieser Nacht schlief keiner in unserer
Straße. Ich erinnerte mich an die Worte des
Lehrers, was er uns über die Juden gesagt
hatte. War das wirklich wahr?
Aber der Schneidermeister, der gerade auf
die Straße getrieben und mißhandelt wurde,
war zu uns Kinder immer so freundlich. Wenn
Gerwin und ich zum Spielen ein Stück Strippe
brauchten und zu ihm in den Laden gingen
und nach einem Bindfaden fragten, guckte
er ganz verschmitzt und sagte: „Nu, ihr zwei,
wollt wohl wieder Pferd spielen und braucht
Zaumzeug, nicht?“
Wir nickten. Zum Bindfaden bekam jeder noch
einen Pfefferminzbonbon. Mit einem freudigen
„Danke“ flitzten wir auf die Straße und waren
die glücklichsten Kinder der Welt.
Auch Frau Grün aus dem Seifenladen, dessen Schaufensterscheibe
gerade zu Bruch gegangen war, kannte ich, solange ich
lebte. Frau Grün war immer freundlich. Bei ihr durften wir im
Sommer, wenn die Sonne am späten Nachmittag noch schien,
sogar auf der Treppe vor ihrem Laden sitzen. Sie verjagte uns
nie wie die anderen Geschäftsleute.
In den letzten großen Ferien hatte sie jedem von uns sogar
einen Kreisel geschenkt, einen schönen bunten. Die
Strelitzer Straße hatte bis zur Anklamer einen asphaltierten Straßenbelag.
Hier konnten wir ungestört die Triesel (Kreisel) über
den Asphalt peitschen. Die paar Pferdewagen, die zum Kuhstall
fuhren, störten uns nicht. Den ganzen Herbst über waren wir
beschäftigt, übten so lange, bis wir das Spiel beherrschten.
Und das soll’n, wie Lehrer Straeng täglich behauptete, die Juden
sein, die Deutschland und die Welt kaputtmachen?
Unausgeschlafen machte ich mich am nächsten Morgen, auf
den Weg zur Schule. Oma und Mutter Liesbeth hatten die ganze
Nacht geweint.
Überall auf der Straße lagen zerstörtes Mobiliar, zerrissene Kleidung
und Scherben. Es sah aus, als hätten die Müllmänner alle
Müllkästen auf die Bürgersteige geleert.
Mit weißer Farbe waren Fassaden mit sechseckigen Sternen und
Parolen gegen Juden beschmiert.
Das Horst-Wessel-Lied, jeden Morgen von der Klasse zum
Unterrichtsbeginn gesungen, tönte heute schwach aus dem
Munde unseres Lehrers. Die erhobene Rechte zitterte, er war
heiser und sah müde aus. Seine braunen Schaftstiefel waren
staubig, nicht so blank geputzt wie sonst. Erst als Herr Straeng
von der erfolgreichen Vergeltung erzählte, die letzte Nacht stattfand,
lebte er auf und seine Augen glänzten trotz der „durchkämpften
Nacht“.
Weil wir so brav zugehört hatten, bekamen wir nach der zweiten
Stunde frei. Wir durften nach Hause. Dafür sollten wir einen
Aufsatz über die Juden schreiben. Für den Aufsatz bekam ich
eine Sechs. Ich glaube, der Aufsatz war zu kurz. Oma B., bei der
ich noch immer nach der Schule meine Schularbeiten machte
und zu Mittag aß sagte, als ich sie fragte, was ich schreiben
solle: „Schreib, Juden sind auch Menschen. Punkt.“ Und das
hatte ich geschrieben.
29 | JUNI 2020
information & sport
Als Einhand-Segler um die Welt:
Im Grenzbereich des Möglichen
NORBERT SEDLACEK - ÖSTERREICHS BEKANNTESTER EXTREMSEGLER
Dipl.-Ing. Alexander Ristic
Journalist
Norbert Sedlacek stammt aus
einer Wiener Familie. Nach der
Schule und einer Ausbildung
zum Kellner begann er eine
Beamtenlaufbahn als Straßenbahnfahrer
bei den Wiener Verkehrsbetrieben. Als
Ausgleich zu seinem Beruf betrieb er Tae
Kwon Do und war in der österreichischen
Nationalmannschaft. Daneben machte er
erste Erfahrungen im Segeln mit seinem
Boot Oase I. Im Jahr 1996, mit 34 Jahren,
kündigte Norbert Sedlacek seinen
sicheren Job und wurde Extremsegler.
Norbert Sedlacek hat das Segelabenteuer
der Superlative bestanden: mit einem
selbst gebauten, nur acht Meter langen
Segelboot umrundet er als erster Österreicher
einhand und in nur 23 Monaten
die Welt.
Der ehemalige Beamte wagte sich damit
an ein Vorhaben, das bisher nur eine
Handvoll Profisegler bewältigt haben:
Fachliche Kompetenz und körperliche
wie geistige Fähigkeiten mit Extremsituationen
umzugehen sind dafür
unabdingbare Voraussetzungen. Und es
gelang ihm!
Unter teilweise lebensbedrohlichen Umständen
meisterte er alle Gefahren auf
hoher See. Er überquerte den gesamten
Nordatlantik und Teile des Karibischen
Meeres ohne Hauptruder – dieses wurde
ihm nach einer Kollision mit Treibgut am
fünften Tag seiner Atlantiküberquerung
abgerissen. Er segelte nonstop die Distanz
von 7.000 Seemeilen in nur 65 Tagen.
Im Jahr 2008 startet Norbert Sedlacek bei
der härtesten Regatta der Welt, der Vendée
Globe und erreicht als 11ter von 30 gestarteten
Teilnehmern das Ziel. Norbert Sedlacek
war nach 27.700 Seemeilen (51.000 Kilometer)
und 126 Tagen, 5 Stunden, 31 Minuten,
56 Sekunden allein auf See der erste
deutschsprachige Skipper, welcher diese
unglaubliche Zerreißprobe für Skipper und
Yacht, erfolgreich beenden konnte.
Sein neuester Offshore-Rekordversuch, welcher
am 12. Juli 2020 starten wird, steht für
den ersten Segelversuch unsere Erde nonstop,
einhand und ohne Hilfe von außen über
beide Pol-Routen und durch alle fünf Ozeane
unseres Planeten zu umsegeln. Sein Ant
Arctic Lab Projekt verkörpert auch ein neues
und zukunftsweisendes Yachtbaukonzept
aus Vulkanfasern. Alle verwendeten Werkstoffe
der Yacht sind zu 100% recycelbar.
In diesem einmaligen Rekordversuch wird
Norbert Sedlacek mehr als 34.000 Seemeilen
in etwa 7 Monaten durch die gefährlichen
Gewässer unseres Planeten segeln.
LITERATUREMPFEHLUNG
Allein gegen den Ozean,
Icelimit: Einhand nonstop um die Antarktis
Im Grenzbereich des Möglichen.
von Norbert Sedlacek
info
zum aktuellen
Rekordversuch:
www.ant-arctic-lab.
com
Foto: © Annamartha | pixelio.de
30 | JUNI 2020
Fotos: © Archiv Norbert Sedlacek
31 | JUNI 2020
Erscheinungsort Wien
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