Wir schreiten Seit an Seit
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möglich war, in öffentlichen Versammlungen der Parteimitglieder, sogenannten
Volksversammlungen gewählt.
Auf dem Lande, wo es in vielen Orten nur wenige Sozialdemokraten gab, wurde
der Vertrauensmann von der Agitationskommission eingesetzt. Auf dem II.
Hessischen Parteitag der Sozialdemokraten, am 3. Januar 1892 in Melsungen,
mit 35 Delegierten aus 18 Orten, wurde eine zentrale dreiköpfige
Agitationskommission mit Sitz in Kassel gewählt.
Im Laufe der 1890er Jahre entwickelte die SPD ein lebendiges
sozialdemokratisches Vereinswesen, insbesondere in Kassel. Zu den sozialen,
kulturellen und geselligen Vereinen, die schon während des Sozialistengesetzes
in den 1880er Jahren entstanden waren, kamen eine Reihe Neugründungen.
Nach und nach bildete sich ein eigenes Kulturleben der Arbeiterschaft. Wie aus
ihren Namen ersichtlich, entstanden Vereine mit wirtschaftlichen, sozialen,
kulturellen und sportlichen Zielsetzungen. Konsum-, Spar- und Bauvereine
bezweckten, die wirtschaftliche Lage der Arbeiter verbessern zu helfen, z.B.
durch preisgünstigeren Einkauf von Lebensmitteln, Sparen für Anschaffungen
und Bau von Wohnungen zu erschwinglichen Mieten. Der Sanitätsverein sorgte
für die freie ärztliche Behandlung der Mitglieder. Zu den Kulturvereinen
gehörten Lesevereine sowie eine Vielzahl von Gesangvereinen. Die meisten
Gesangvereine der Arbeiterbewegung in Nordhessen schlossen sich 1893 zum
Hessischen Arbeiter-Sängerbund zusammen. Im Sängerbund wurden
gemeinsam Arbeiterlieder geübt, die auf größeren Festlichkeiten der SPD und
der Gewerkschaften im Freien oder in großen Sälen vorgetragen werden sollten.
Die populärsten Arbeiter-Sportvereine waren in dieser Zeit die Arbeiter-
Turnvereine sowie der „Arbeiter-Radfahrer-Verein“.
Sozialdemokratische Vereine waren die organisatorische Grundlage der SPD in
der Stadt und im Kreis. Sie hatten zugleich gesellschafts- und kulturpolitische
Bedeutung für die Arbeiterschaft. Sie wollten die Arbeiter vom Alkohol weg- und
aus den Kneipen herausbringen, die vorher für manche die einzige gesellige
Ausfüllung ihrer kargen Freizeit am Wochenende boten. Die freie Zeit der
Arbeiter sollte mit Bildung und politischer Aufklärung, aber auch mit
Unterhaltung und Geselligkeit ausgefüllt werden. Anders als die reinen
Wahlvereine, die im engeren Sinne politisch waren, sprachen die Bildungs-,
Kultur- und Sportvereine nicht nur die Männer, sondern alle Mitglieder der